The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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      Steve

      Steve wollte instinktiv seinen Arm zurückziehen, als Thomas das alles als 'seltsam' bezeichnete und atmete kurz erleichtert auf, als er sich auf 'ungewohnt' korrigierte. Ungewohnt war okay, oder? Er fand das alles hier schließlich auch ziemlich ungewohnt, aber auf eine gute Art. Er nickte kurz mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. "Ich glaube, ich war noch nie so nervös bei einem Date", gestand er und musste dabei fast über sich selbst lachen. Aber so stereotyp es auch klang - Thomas war halt nicht wie die anderen Typen, die er gedated hatte.
      Steve wollte auch gerade dazu ansetzen, Thomas zu erklären, dass er gerne jeden Gedanken aussprechen konnte - eigentlich machte es ihn fast nervöser, wenn er eben nicht jeden Gedanken aussprach - als er seine Frage stellte und Steve sich auf die Zunge biss, um nicht reflexartig etwas falsches zu sagen. Er erinnerte sich an die Küsse. Das war es ja, was die letzten Wochen so unglaublich schwierig gemacht hatte.
      "Ich erinnere mich an Küsse", gab er langsam zu, während er sich wieder auf seinen Stuhl zurücklehnte. Irgendwie wirkte das nicht wie ein Gespräch, bei dem er an Thomas hängen sollte. Oder doch? Überforderung, da war sie wieder. Er griff stattdessen nach Thomas Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. "Ich kann dir nicht mehr sagen, wer angefangen hat, oder wie es dazu gekommen ist, aber...ja, ich erinnere mich." Damit müssten sie wohl leben. Obwohl es genug Abschnitte des Abends gab, die Thomas bestimmt besser im Kopf hatte, als er. Eigentlich wollte Steve gar nicht so genau wissen, woran Thomas sich alles erinnerte. Zählte das überhaupt noch? Sie dateten jetzt immerhin, würden sie da nicht früher oder später am selben Punkt ankommen, wie beim One Night Stand? Alleine der Gedanke fühlte sich irgendwie furchtbar unwirklich an.
      "Ich erinnere mich noch daran, dass du ein überraschend guter Küsser bist, falls dir das hilft", fügte Steve etwas nervös hinzu. "Das war auch irgendwie der Grund, warum ich Abstand wollte. Ich hab dieses Gefühl nicht mehr aus dem Kopf bekommen und das hat mich wahnsinnig gemacht." Er spielte mit Thomas' Fingern in seiner Hand. während er versuchte, seine Gedanken irgendwie zu sortieren. Thomas war derjenige, der alles sofort aussprach. Steve schob sowas eigentlich lieber vor sich her. Aber es schien ihm unfair, zu schweigen. "Ich hatte einfach ständig das Bedürfnis, dich nochmal zu küssen." Er wusste gar nicht, wo er hinschauen sollte. Auf ihre Hände, auf den Tisch, zu Thomas. "Und dann hast du mir diesen Kuss auf dem Weihnachtsmarkt gegeben und da ist irgendwie alles noch chaotischer geworden."
      Und jetzt? Steve entschied sich endlich dafür, einfach zu Thomas zu schauen. Eigentlich wollte er ihn immer noch küssen. Mehr noch, als zuvor. Und das hier war ein Date, oder? Gehörten Küsse da nicht irgendwie mit dazu? "Es fällt mir immer noch schwer, dich nicht zu küssen", fügte er leise hinzu, bevor er sich nach vorne lehnte und einen sanften Kuss auf Thomas' Lippen hauchte, bereit, sich jederzeit zurück zu ziehen, falls ihm das doch zu schnell gehen sollte. Was furchtbar schwer werden würde. Thomas zu küssen fühlte sich genau so berauschend an, wie er es in Erinnerung hatte.
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      Thomas

      Oh Mann, okay, es war genau, wie er gedacht hatte. Steve musste sich an deutlich mehr erinnern, als er selbst. Eigentlich gab es da nur einen einzigen Erinnerungsfetzen, der Thomas klar im Kopf geblieben war, und der stoppte jedes einzelne Mal sein Herz, wenn er sich daran erinnerte. Die Anspannung fiel kurz, als Steve meinte, er konnte gut küssen, und Thomas lachen musste. Na schön, zumindest schien Steve keine schlechten Erinnerungen zu haben.
      … Im Gegenteil. Thomas starrte Steve an, während dieser meinte, dass er ständig daran denken musste, ihn küssen zu wollen. Er konnte sich das kaum vorstellen. Und Thomas war anscheinend wirklich furchtbar schwer von Begriff. Wie war ihm das nicht aufgefallen? Er konnte von sich selbst zwar nicht behaupten, dass ihn irgendwelche Flashbacks dazu motivierten, Steve küssen zu wollen, aber das Verlangen ihn irgendwie zu berühren, war trotzdem ständig da, gepaart mit der Nervosität, die nicht weggehen wollte. Auch, wenn er es jetzt einfach tun konnte. Steve bewies ihm das in den letzten Minuten. Sie konnten sich nah sein, sie wollten es beide. Es war einfach schwer zu begreifen. In beide Richtungen.
      Es fiel ihm immer noch schwer ihn nicht zu küssen? Gott, bei dem Blick, den er drauf hatte, konnte Thomas das gerade absolut nachvollziehen. Dann kam er ihm plötzlich näher und Thomas spürte seinen Atem aussetzen, als Steve ihn küsste. Als er sich löste, füllten seine Lungen sich nicht nur schlagartig wieder mit Luft, ihm lief auch ein angenehmes Schaudern über den ganzen Körper, das nach Mehr schrie. Er blinzelte kurz, dann sackte er mit einem leisen Auflachen etwas in sich zusammen. Okay, interessantes Gefühl. Er brauchte einen Moment.
      Moment vorbei. Er hob den Blick wieder und küsste Steve erneut, diesmal nicht so sanft und minimal, wie dieser es eingeleitet hatte. Er legte eine Hand an Steves Wange, küsste ihn, atmete, küsste ihn weiter. Dann wich er irgendwann wieder langsam zurück. Es war zu gut. Genau deshalb musste er hier einen drastischen Stop einlegen. Sie waren immer noch in der Arcade und überall um sie herum waren Leute, Jugendliche, vielleicht Kinder, für die der Abend bestenfalls jugendfrei bleiben sollte.
      Thomas musste tief durch atmen und nahm einen großen Schluck von seiner Cola, bevor er ein Wort rausbringen konnte.
      "Das… das… daran kann ich mich gewöhnen", meinte er etwas außer Atem. Wenn es so vor zwei Wochen gewesen war, wunderte es ihn jetzt weniger, wie die Nacht damals geendet hatte. Allerdings… konnte es definitiv nicht besser gewesen sein, als nüchtern. Auch wenn sie dasselbe Waschmittel, dasselbe Duschgel und Haarshampoo benutzten, Steve roch so gut, dass Thomas sich am liebsten an ihn kleben würde. Das war ihm gerade erst klar geworden. So nah war er ihm vorher ja auch nie gewesen. Jedenfalls löste es in ihm ein Verlangen aus, das er sich besser für später aufheben hätte sollen. Jetzt musste er den restlichen Abend irgendwie mit diesem Gefühl klarkommen. Dem Gefühl, sich am liebsten mit dem ganzen Körper an den Dunkelhaarigen ranzuschmeißen.
      Er versuchte sein Herzklopfen wieder ein wenig unter Kontrolle zu bringen und konzentrierte sich auf das kalte Getränk, das er durch den Strohhalm sog. Hetero war er jedenfalls nicht. Wenn er dafür noch einen Beweis gebraucht hatte, war er das eben gewesen.
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      Steve

      Für einen kurzen Moment hatte Steve das furchtbare Gefühl, Thomas überfordert zu haben. Er konnte spüren, wie die Panik in ihm aufstieg. Dann küsste er ihn leidenschaftlich zurück und vertrieb dabei sämtliche Bedenken. Betrunken war Thomas ein guter Küsser - nüchtern machte er einfach sofort süchtig. Vielleicht sollte Steve sich auch angewöhnen, einfach auszusprechen, was er im Kopf hatte, wenn es zu solchen Momenten führte. Auch, wenn sich Steves Gedanken momentan einfach nur wieder und wieder darum herum kreisten, wie absolut gut sich diese Küsse anfühlten. Es war fast schade, dass sie irgendwann aufhören mussten.
      Er musste ungewollt auflachen, als Thomas anmerkte, dass er sich an die Küsse gewöhnen konnte. “Ich hoffe doch. Sonst würde ich mir gerade unschöne Hoffnungen machen”, merkte er amüsiert an. Am liebsten würde er ihn einfach direkt nochmal an sich ziehen und küssen, aber zum einen wollte er sein Glück nicht strapazieren und zum anderen…saßen sie immer noch in der Öffentlichkeit und Steve wollte ungerne aus der Arcade geworfen werden. Er war generell nie so der Typ gewesen, der mit seinen Dates wild in der Öffentlichkeit rumknutschte. Vielleicht war der Fakt, dass sie zusammen wohnten, an dieser Stelle wirklich irgendwie ein Vorteil.
      “Ich hoffe, dass die Küsse nicht das einzige sind, an das du dich gewöhnen kannst. Wie geht es dir sonst so? Ich meine…ist das mit dem Date ungewohnt, oder geht es, oder…?” Er ließ die Frage irgendwie offen. Sicher ging er davon aus, dass Thomas sich schon lange gemeldet hätte, falls er gemerkt hätte, dass dieses Date doch nichts für ihn war. Er hätte ihn wahrscheinlich auch nicht geküsst, wenn er realisiert hätte, dass er doch eher auf Frauen stand. Aber es schadete ja nichts, nochmal nachzufragen, vor allem, wenn sie gerade einen so wundervoll offenen Moment hatten. Er griff wieder nach Thomas' Hand und drückte sie kurz. Er hatte keine Ahnung, wie genau Thomas sich gerade fühlen musste - sein eigenes Coming Out war immerhin vollkommen anders gewesen. Obwohl es nach einer Exfreundin wie Leona wahrscheinlich nur noch besser werden konnte, oder?
      "Sag Bescheid, wenn es dir irgendwie zu viel ist, oder so. Oder wenn du endlich zugeben möchtest, dass du Cheat Codes nutzt, um die ganzen Spiele zu gewinnen. Ich bin nicht nachtragend." Er grinste Thomas kurz entgegen, bevor er wieder auf die Menükarte tippte und ein kurzes "Oder wenn du was essen willst" hinzufügte.
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      Thomas

      Er hoffte also, dass er sich daran gewöhnte. Das war gut, das hieß, dass Steve sich selbst auch daran gewöhnen konnte, oder? Zumindest saß er noch hier und lief nicht längst weg. Nein, er griff sogar nach Thomas Hand. Und bevor er weitersprach, dachte Thomas definitiv an etwas anderes, als Steve meinte, dass er sich hoffentlich nicht nur an das Küssen gewöhnen würde. Yup, da waren seine Gedanken kurz abgerutscht. Aber er hatte sie zurück. Nur eine leichte Wärme hatten sie in seinem Gesicht verursacht.
      „Oh, äh… ich hab‘s mir echt sehr viel… schlimmer vorgestellt“ Er lachte leicht nervös. „Nicht wegen dir, einfach… weil wir schon echt lang Freunde sind. Ich hatte irgendwie Angst, dass es richtig merkwürdig wird und das alles in meinem Kopf besser funktioniert hat, aber ich weiß nicht. Ich finde es ganz okay, wie es ist. Gerade weil wir befreundet sind. Zumindest weiß ich, worüber wir reden können“
      Das alles hatte zwar wirklich etwas von ‚Ich treffe meinen besten Freund und oh- manchmal küssen wir uns‘ aber im Prinzip war es das auch. Es war… wirklich genau das. Thomas empfand für Steve wohl eine völlig andere Art von Anziehung, als er sie bisher gekannt hatte. Was gut möglich daran liegen konnte, dass Steve erstens keine Frau, und zweitens tatsächlich sein bester Freund war. Dass sich das anders anfühlen würde, als die bisherigen Dates, die er hatte, hätte ihm gleich klar sein können. Es brachte wohl auch nichts, seine Gefühle in irgendeine stereotype Box hinein quetschen zu wollen. Sie hatten Spaß, Thomas fühlte sich, als hätte man ihn in eine Traumwelt gesogen und es war alles deutlich… natürlicher, als er gedacht hatte, also war es okay. Das war alles, das zählte. Ungewohnt war okay, damit konnte er leben. Es würde irgendwann vergehen, wenn sie das hier nur oft genug taten. Und Thomas hatte nichts dagegen, Steve noch oft genug zu küssen. An die Videospiele musste er sich ja nicht gewöhnen, höchstens an die Ablenkung, die Steve darstellte, mit seinem süßen Lächeln und als der extrem gute Verlierer, der er eben war.
      „Jedenfalls ist es mir nicht zu viel, ich benutze noch immer keine Cheat Codes, wie oft noch, und ja, ich will was essen. Chips?“, vollendete er seine Antwort.
      Sie bestellten sich etwas, auch wenn Chips zum Abendessen vielleicht nicht die feine Art waren, aber mehr als Snacks gab es hier sowieso nicht und das war nichts, das er seinem Magen nicht schonmal angetan hätte. Die restlichen Spiele des Abends war er etwas abgelenkter. Aber das war in Ordnung, weil es sowieso die moderneren waren und er Steve bei denen eh ab und zu gewinnen lassen wollte. Thomas wollte nicht das Risiko eingehen, dass er irgendwann doch ein schlechter Verlierer wurde. Er brauchte ihn schließlich noch zum Zocken. Manchmal musste man seinen besten Freund auch heimlich bei Launen halten.
      Als sie nachhause fuhren, griff Thomas nach Steves Hand. Ihm fiel natürlich sofort der Unterschied auf. Er achtete viel mehr auf seine Umgebung, auf die Leute und ob sie irgendjemand anstarrte. Aber es war relativ spät und wenig los und vermutlich war fast alles in seinem Kopf. Es war ihm nicht unangenehm, aber er kannte schließlich die unterschwellige Gefahr, die überall auf einen zukommen konnte, auch hier. Es war… furchtbar. Wie lebte Andrew damit? Und Steve? Gewöhnte man sich daran auch? Ging das überhaupt?
      Etwa drei Stationen bevor sie ausstiegen, traf ihn dann aber der Schlag. Nicht, weil irgendetwas passierte, sondern weil eine blonde Frau mit Kopfhörern auf den Boden starrend auf sie zulief, vermutlich eher um an ihnen vorbeizukommen. Thomas betete zu dem Gott, den man ihm als Kind eingetrichtert hatte, dass sie nicht aufsehen würde und stellte sich leicht schräg von ihr hin, drehte sich weg und enger zu Steve. Aber sie hob den Kopf. So schnell hatte Thomas noch nie Abstand zu jemandem genommen, ohne Verluste jemanden anzurempeln. Aber Cassy hatte ihn bereits gesehen, offensichtlich auch noch, wie er Steves Hand gehalten und ihn gegen die Seite der Ubahn gedrängt hatte.
      Sie sah offensichtlich verwirrt zwischen ihnen hin und her, stand da wie angewurzelt, genau wie ihr Bruder, und überlegte wohl, was sie zuerst sagen sollte. „Hast du jetzt nen Freund?“, war es dann. Eine schlimmere Frage hätte sie sich garnicht aussuchen können.
      Thomas seufzte und warf einen kurzen Blick auf Steve. „Ich… uhm… irgendwie schon. Oder?“ Er sah Steve nochmal fragend an. Dating entsprach zwar nicht wirklich sofort einer Beziehung aber in ihrem Fall… gab es kaum noch einen weiteren Schritt den sie machen konnten, um dem Label mehr zu entsprechen. Sie lebten sogar zusammen.
      „Das ist Steve. Steve, Cassy, meine Schwester“, stellte er beide kurz vor und trat wieder einen Schritt zurück zu Steve, um nicht so seltsam weit von ihm entfernt zu stehen.
      „Der Typ, bei dem du eingezogen bist?“
      Thomas nickte mit aufeinander gepressten Lippen. Fuck, hätte er nicht noch ein wenig Zeit bekommen können, bevor seine Familie sich schon wieder einmischte? Er hatte ja noch die Chance, Cassy würde nichts ausplaudern, aber die war… gering. Sehr gering.
      „Oh, okay. Gut für dich. Ich wusste garnicht, dass du auf Männer stehst“ Der blanke, kaum lesbare Ausdruck auf ihrem Gesicht war zwar typisch für sie und daher nicht besorgniserregend, aber er nervte Thomas gerade mehr denn je.
      „Ja, danke. Ich wusste es auch nicht. Wäre gut, wenn Mum, Dad, James und Elias es auch nicht wüssten. Zumindest bis nach Weihnachten, oder so“ In seiner Stimme schwang ein wenig Nachdruck mit, denn ausnahmsweise meinte er es wirklich ernst und konnte sich nicht leisten, dass Cassy das nicht kapierte.
      Sie nickte bloß, als wäre es selbstverständlich. „Oh, klar, ich sag nichts. Ich muss übrigens raus, also…“ Sie deutete hinter sich auf die Tür. Thomas folgte kurz ihrem Blick und schluckte alles herunter, was er noch sagen wollte. Sie unarmte ihn halb, mit einem Arm, dann drehte sie sich um.
      „O-okay, bis nächste Woche“, sagte Thomas noch und biss sich dann auf die Lippe. Hoffentlich meinte sie das auch ernst. Ihn packte auf einmal eine minimale Panik. Seine Eltern hätten… bestimmt nichts dagegen. Zumindest war er sich da relativ sicher, weil sie sich nie negativ geäußert hatten. Positiv allerdings auch nicht. Okay. Es führte ja ohnehin kein Weg daran vorbei, es ihnen irgendwann zu erzählen, nicht? Cassy würde nicht ewig den Mund halten. Sie schien zumindest kein Problem damit zu haben, als standen die Chancen doch gut, dass das für die restliche Familie auch galt, nicht? Auch wenn er es selbst kaum verarbeitet hatte und keine Lust hatte, vielleicht noch etwas zu verteidigen, bei dem er sich null auskannte. Fuck. Ohne es wirklich wahrzunehmen, kaute er auf seiner Lippe herum. Er hatte das alles vielleicht etwas zu locker gesehen.
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      Steve

      Ja, er wusste genau, was Thomas meinte. Ihre Freundschaft war Fluch und Segen zugleich. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie alles überleben würde, zeitgleich hatte er selbst auch noch Bedenken, einen falschen Schritt zu machen und doch noch alles zu ruinieren. Was vollkommen verrückt war. Eigentlich durfte es gar nichts besonderes sein, hier mit Thomas zu sitzen, zu zocken und sich Snacks zu teilen. Es war so, als hätte die kleine romantische Stimmung zwischen ihnen einfach ein neues Level freigeschaltet, bei dem alles beim alten blieb, nur mit einer etwas anderen Schwierigkeit, oder so. Aber es funktionierte, irgendwie. Also einfach weitermachen, an die Beziehung herantasten und nichts überstürzen.
      Zumindest war das sein Plan gewesen, bis sie Thomas' Schwester in der Bahn trafen. Für einen kleinen Moment war Steve vollkommen irritiert darüber, wie Thomas ihn zur Seite zog und schließlich Abstand zwischen sie brachte, als ob er gerade einen elektrischen Schlag bekommen hätte, dann stellte er Cassy vor uns alles machte Sinn. Wenn auch keinen schönen. Steve konnte die Panik, die von Thomas ausging beinahe spüren. Am liebsten hätte er ihn wieder an sich gezogen, aber er hielt sich zurück.
      Obwohl das nichts daran änderte, dass das plötzliche Label für ihre seltsame Beziehung ihn ein wenig aus der Bahn warf. Freund. Im romantischen Sinne. Okay, das wäre jetzt wohl ein Begriff, an den er sich irgendwie in diesem Kontext gewöhnen musste. Obwohl es nicht schlecht klang. Irgendwie machte es ihn fast ein bisschen schwindelig. Weshalb es ganz gut war, dass Thomas und Cassy ihn für das restliche Gespräch nicht benötigten und ein kleines "Hey" zur Begrüßung seinerseits ausreichte.
      Zum Glück wirkte Cassy nicht sonderlich ablehnend ihrer Beziehung gegenüber. Oder überrascht. Steve wusste nicht ganz, ob sie ihre Emotionen gut unter Kontrolle hatte, oder ob sie irgendwie schon damit gerechnet hatte, aber immerhin verlief das Gespräch ganz...okay? Auch, wenn Thomas nicht sonderlich erleichtert aussah. Was vollkommen nachvollziehbar war. Ein ungeplantes Coming Out war nie schön, vor allem, wenn die eigene Familie involviert war.
      "Hey", setzte Steve sanft an und legte eine Hand an Thomas' Wange, um ihn davon abzuhalten, seine Unterlippe weiter zu malträtieren. "Alles okay?" Er warf Thomas einen besorgten Blick zu, während die knisternden Lautsprecher der Bahn ihren Halt ansagten. Er zog Thomas mit sich nach draußen an die frische Luft. Es war deutlich kälter geworden, als heute Nachmittag noch und...die ersten kleinen Schneeflocken rieselten vom Himmel herab. Fast ein bisschen magisch und definitiv zu kitschig.
      "Deine Schwester wirkte nett", fuhr Steve fort, während er wieder nach Thomas' Hand griff und schon mal in seiner Tasche nach seinem Haustürschlüssel kramte. "Ich hoffe trotzdem, dass sie dem Rest deiner Familie nichts erzählt." Auch, wenn es irgendwie komisch war, darüber nachzudenken, dass Thomas wohl irgendwann selbst den Schritt gehen und seiner Familie von ihrer Beziehung erzählen musste. Es war generell komisch darüber nachzudenken, irgendwann Thomas' Familie zu treffen. Thomas hatte sie ein paar mal erwähnt, aber Steve hatte nie wirklich damit gerechnet, sie mal live zu erleben. Fotos und Anekdoten war alles, was er erwartet hatte. Er wollte gar nicht erst darüber nachdenken, Thomas seinen eigenen Eltern vorzustellen. Sie würden ihn absolut lieben, so, wie sie es mit den meisten seiner Beziehungen getan hatten, allerdings konnten sie in der Hinsicht etwas...viel sein. Ob er ihnen an Weihnachten direkt erzählen sollte, dass er wieder eine Beziehung hatte?
      "Hast du einen Vorschlag für den Rest-Abend?", wechselte Steve schließlich das Thema in der Hoffnung, Thomas irgendwie ablenken zu können. Der Weg zu seiner Wohnung war zum Glück nicht weit. Er hob kurz die Hand, um ein bisschen Schnee zur Seite zu streichen, das in Thomas Haaren hing, bevor er die Wohnungstür aufschloss und ihn mit rein zog.
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      Thomas

      Thomas nickte zur Antwort bloß und versuchte sich selbst davon abzuhalten, seine Lippe blutig zu beißen. Steves Hand in seinem Gesicht brachte ihn zumindest kurzzeitig auf andere Gedanken. Aber es ging ihm nicht aus dem Kopf, dass seiner Schwester vielleicht doch etwas rausrutschen würde, oder dass sie es in einem schwachen Moment Elias erzählte und dann war alles aus. Elias konnte keine zwei Minuten leben, ohne Mum jeden einzelnen seiner Gedanken mitzuteilen. Aber sie würde einem 10 Jährigen doch nicht erzählen, dass sein Bruder einen Freund hatte, oder? Was interessierte ihn das denn? Eigentlich hatte Thomas fast Glück gehabt, dass es seine Schwester war, die sie getroffen hatten. Von allen in der Familie war sie definitiv am uninteressiertesten an… allem. Offensichtlich wirklich allem. Thomas hätte zumindest bei der Neuigkeit eine Reaktion erwartet. Aber so war es vielleicht besser.
      Trotzdem musste er jetzt irgendwie damit rechnen, an Weihnachten nachhause zu kommen und von allen in den Boden gestarrt werden. Bestenfalls musste er dann den ganzen Abend Fragen beantworten, schlimmstenfalls wurde er enterbt. Leider konnte er seine Eltern in kaum einer Situation einschätzen. Einmal waren sie als Kinder Eis essen, James hat seinen Eisbecher fallen lassen und dafür eine Woche Hausarrest bekommen. Dafür hat Thomas bei seinen Fahrstunden damals ein parkendes Auto gestreift und wurde getröstet. Das hatte jedoch nichts mit ihnen persönlich zu tun, sondern mit der Stimmung seiner Eltern, die in dem Fall genau gleich waren. Sollte er also auf gute Stimmung hoffen? Eigentlich hoffte er nur, dass Cassy ihr Wort hielt und er selbst die Chance bekam, einen Tag mit guter Stimmung zu erwischen, um ihnen von Steve zu erzählen. Sie mussten es natürlich nicht wissen. Thomas hätte es wohl ordentlich heraus gezögert, wenn sie Cassy nicht getroffen hätten. Tja…
      "Wir könnten uns nen Film ansehen", schlug er leise vor, während Steve die Wohnungstür öffnete. Ja, Hauptsache, er konnte das alles kurz vergessen. Er hatte selbst noch genug mit sich zu klären, bevor er seiner Familie etwas erklären konnte. Vermutlich musste er sich fürs erste mal auf seine Schwester verlassen.
      Der nächste schockierende Gedanke, der ihm in den Kopf schoss, war außerdem, dass er Steve und sich kurzerhand als Partner deklariert hatte. Ohne ihn zu fragen. Nach einem einzigen Date. Es war wohl irgendwie einfacher, es Cassy so zu erklären, aber… vielleicht hätte er das nicht sagen sollen. Auch wenn es bloß der Titel war, der den Unterschied machte. Aber… Steve hatte noch nichts dazu gesagt. Besser er ließ das erstmal ruhen, bevor er ein Problem aus etwas machte, das keines gewesen wäre. Vielleicht konnten sie es auch einfach vergessen, oder so.
      Thomas verabschiedete sich für einen Moment, um duschen zu gehen. Ihm war den ganzen Heimweg lang schon eiskalt gewesen und sobald sie diesen Film sahen, würde ihm die Motivation fehlen, nochmal duschen zu gehen. Er kam anschließend in einer Jogginghose und einem weiten T-Shirt wieder heraus, kochte sich in der Küche einen Tee und machte sich ein improvisiertes, kaltes Abendessen, das er in sich hinein stopfte, während er auf Steve wartete. Zur Sicherheit schickte er seiner Schwester noch eine Nachricht, um sie zu erinnern, wirklich nichts zu sagen. Darauf reagierte sie nur mit einem augenrollenden Smiley. Beruhigend war das nicht gerade.
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