The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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      Niamh

      Niamh überhörte gekonnt die Frage, ob Ezra wusste, dass sie Andrew kurzerhand mitgenommen hatten. Er wäre sicherlich nicht sonderlich begeistert von der Idee gewesen und...irgendwie war es zu schön, ihn wieder lächeln zu sehen. Also lieber schweigen und ihn damit konfrontieren, wenn es geschehen war.
      Caleb verabschiedete sich mit einem kleinen, emotionslosen Salut, um...wahrscheinlich nicht nach den Fotos zu suchen. Sie kannte ihren Bruder zu gut, um davon auszugehen, dass er wirklich arbeiten würde. Falls es eine höhere Macht gab, hatte sie sie testen wollen, als sie ihre Brüder für sie ausgesucht hatte. Einer war schlimmer, als der andere und beide bereiteten ihr auf so wunderschön unterschiedliche Art und Weise Kopfschmerzen.
      "Adams war nicht dafür bekannt, sonderlich sorgsam zu sein, also denke ich, dass die Fotos nicht allzu schwer versteckt sein werden. Wenn überhaupt", merkte sie an, während sie sich kurz auf dem kleinen Flur der oberen Etage umsah. Es gab nur drei Türen, also dürften sie schnell durch sein. "Schein ein kurzer Abend zu werden." Sie warf Andrew einen kleinen Blick über ihre Schulter zu. "Zum Glück. Ich glaube, wenn ich die Gute Nacht Geschichte verpassen würde, hätte ich ein Problem." Sie öffnete die erste Tür, die in ein kleines Badezimmer führte. Uninteressant. Die zweite Tür führte in das chaotischste Schlafzimmer, das sie je gesehen hatte.
      Die Schränke standen offen, Kleidung lag auf dem Boden. Schüsseln und Tassen mit Speiseresten standen in der Gegend rum. Wenn sie das Schloss nicht selbst geknackt hätte, wäre sie davon ausgegangen, dass schon mal jemand vor ihr eingebrochen wäre. Jetzt wäre Ezra vielleicht wirklich nützlicher, als Andrew gewesen. Zu schade, dass er offensichtlich besseres zu tun hatte. "Wenn du es schaffst, vor mir einen Laptop, ein Tablet, oder ähnliches zu finden, spendiere ich den Umzug."
      Niamh arbeitete sich methodisch vor. Kleidung wurde zur Seite gekickt, Schubladen aufgezogen. Adams Wohnung sagte mehr als genug über ihn als Menschen aus. Chaos, wo man hinsah. Zwischen den Kleiderhaufen lag ab und an Geld, Zigarettenschachteln oder Flaschen. Niamh schob sie mit spitzen Fingern zur Seite und hielt Ausschau nach allem, was irgendwie elektronisch war. Wenn sie diese Geschichte hier abhaken konnten, hätte sie wenigstens eine Sorge weniger und mehr Zeit für die anderen tausend, die noch in ihrem Kopf auf sie warteten. Es war nicht einfach, in die Rolle ihrer Eltern hinein zu wachsen. Als Kind hatte das so viel einfacher gewirkt.
      "Ich bin übrigens froh, dass ihr Paris überstanden habt", rief sie Andrew über die Schulter entgegen. "Ein bisschen überrascht über das Ergebnis und etwas enttäuscht über den Stein, aber man kann nicht alles haben, schätze ich."
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      Andrew

      Keine Antwort war irgendwie auch eine Antwort. Wenn Ezra hiervon nichts wusste, was zum Teufel tat er dann gerade? Warum half er seinen Geschwistern dabei, in ein Haus einzubrechen?! Zumindest beruhigte in ein wenig die Tatsache, dass sein Freund das wohl nicht gutgehießen hätte. Er kannte ihn also doch ein wenig. Aber er würde sich vermutlich morgen nicht über diese Information freuen. Und langsam… wäre es wirklich gut, mal von ihm zu hören.
      Der Anblick des Schlafzimmers ließ Andrews Mitleid für den Mann sinken, der gestern seines Lebens beraubt wurde. Wenn man es überhaupt Leben nennen konnte, nachdem er ein Krimineller war, der sich noch nicht einmal seinen Vorgesetzten, wenn man es so nennen konnte, gegenüber loyal gewesen war und dann auch noch in so einer Müllhalde gelebt hatte. Andrew überwand sich und begann Kleidung zur Seite zu werfen und das Bett abzusuchen. Und dann stockte er für eine Sekunde, als Niamh sprach. Gott, wieviel Geld hatte diese Familie nur? Auf einmal war ihm ziemlich egal, was er hier tat und wieso. Sich Umzughelfer leisten zu können war alles wert. Glücklicherweise entdeckte Andrew sogleich ein Tablet unter dem Kopfkissen auf dem Bett. Er hielt es hoch.
      „Ich nehm dich beim Wort“, sagte er und überreichte der Blonden das Gerät. Ein kleiner Schwall an Motivation überfiel Andrew und er überließ Niamh das Schlafzimmer, um sich ein anderes vorzunehmen. Aufgeteilt waren sie vielleicht schneller unterwegs. Er öffnete die Tür gegenüber und erwartete ein Arbeitszimmer, das von fliegenden Zetteln und weiteren Wäschebergen zugemüllt war, aber stattdessen… fand er sich in einem Kinderzimmer wider. Mit einem kleinen Gitterbett, einem runden Teppich im selben Tiermotiv-Design wie die Vorhänge, einem Wickeltisch und ein paar Kommoden. Es war relativ ordentlich. Ein paar Spielsachen und Plüschtiere lagen herum, ein Pyjama am Bett. Aber das meiste war in Kisten untergebracht, gesichert vor einem krabbelnden Kind, das alles durchwühlen würde. Dem Zimmer nach zu urteilen hatte hier auf jeden Fall ein Kleinkind gewohnt. Andrew verharrte kurz im Türrahmen, bevor er weiter in das Zimmer hineinlief, unsicher, was er davon halten sollte. Er hoffte innerlich, dass dieses Kind ein weiteres Elternteil hatte, bei dem es wohnen konnte. Dass es nicht mitansehen musste, was seinem Vater passiert war. Und dass das hier für sein Leben hoffentlich ein sinnvoller Schicksalsschlag war. Aber auch wenn er ein Verbrecher und offensichtlich ziemlich schlampiger Mensch gewesen war, hatte Robert Adams seinem Kind ein eigenes Zimmer eingerichtet, das mit Kleidung und Spielzeug überfüllt war. Es war schwer zu beurteilen, ob das Kind ohne oder mit ihm ein besseres Leben vor sich gehabt hätte.
      Was Andrew allerdings kurz in eine Schockstarre versetzte, war der Umschlag, den er in einer Lade des Wickeltischs fand. Er wusste garnicht, wieso er hier drin überhaupt nach den Fotos gesucht hatte. Aber anscheinend hatte sein Unterbewusstsein recht gehabt. Andrew öffnete den Umschlag und warf einen Blick hinein. Ja, Adams hatte die Fotos im Zimmer seines Kindes versteckt. Gott. Ihm wurde ein wenig übel, bei dem Gedanken, dass Adams hier reingekommen war und sich gedacht hatte, der Ort, an dem mein Kind schläft und spielt, ist der richtige, um Fotos von einem Einbruch vor meinen psychotischen Vorgesetzten zu verstecken. Außerdem musste er gewusst haben, was passieren konnte, wenn sie es rausfanden. Wie konnte man seine Familie nur absichtlich so gefährden?
      Andrew kam Niamh wieder entgegen und blieb bei der Tür zum Schlafzimmer stehen. „Ich hab die ausgedruckten Fotos. Hast du noch etwas gefunden? Einen Laptop?“ Er wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen. In solchen Situationen war er noch nie auf der Seite des Übeltäters gestanden und er hatte nicht vor, es je wieder zu tun.
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      Niamh

      Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Mundwinkel kurz nach oben zuckten, als Andrew sie direkt beim Wort nahm. Offensichtlich hatte sie die richtige Motivation für ihn gefunden. Sie zückte kurz ihr Handy, um sich eine Notiz dazu zu machen, bei Zeiten nach einem Umzugsunternehmen durchzuklingeln, bevor sie sich wieder ihrer Suche zuwandte. Adams Handy hatten sie bereits. Das Tablet war relativ neu und sah einigermaßen teuer aus - zumindest teuer genug, als dass sie nicht mehr ganz so intensiv nach irgendeinem anderen elektronischen Gegenstand Ausschau halten musste. Sie kannte Adams nicht sonderlich gut, aber dem Zustand seiner Wohnung nach zu urteilen, war es irgendwie ein Wunder, dass er sich das Tablet leisten konnte. Andererseits konnte er es sich offensichtlich auch leisten, Geld offen rumliegen zu lassen. Niamh war sich nicht ganz sicher, was ihn so manisch hatte werden lassen. Sie zog es normalerweise sogar vor, die Leute, mit denen sie arbeitete, nicht so persönlich zu kennen. Das erleichterte später den Abschied.
      Und offensichtlich konnte sie sich die Suche nach ausgedruckten Fotos genau so gut sparen. Beeindruckend. Sie hielt als Antwort kurz einen USB Stick und eine Festplatte hoch, die im Nachttisch gesteckt hatten - 50/50 Chance, dass der Inhalt nicht jugendfrei war, aber sie wollte nichts riskieren - und nahm dann die Bilder entgegen. "Wow", kommentierte sie aufrichtig beeindruckt. "Anders, als der Umzug fällt mir gerade nichts ein, aber lass es ich wissen, falls ihr noch etwas braucht."
      Sie blätterte kurz durch die Fotos, bevor sie an Andrew vorbei wieder hinaus auf den Gang ging. Soweit schien alles zusammen zu sein. Oder zumindest genug, um alles andere ruhig wegdiskutieren zu können, sollte es hart auf hart kommen. Wozu hatte sie schon Anwälte? "Danke für die Hilfe. Ich hab ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass du überhaupt mitkommen würdest. Ich hoffe wirklich, dass das mit dir und Ezra funktioniert. Du bist nicht ganz so langweilig, wie ich zuerst gedacht hatte." Sie grinste Andrew kurz entgegen, bevor sie die Treppe ansteuerte. "Du kannst immer noch ins Familiengeschäft einsteigen, wenn du willst. Vielleicht kommt Ezra dann zur Vernunft", zog sie ihn auf. Jetzt musste sie nur Caleb einsammeln - so, wie sie ihn kannte, war er entweder bei der Steinsammlung, oder an irgendetwas vollkommen Belanglosem im Wohnzimmer hängen geblieben - und dann wäre ihr Abend perfekt. Sogar noch mit einem kleinen bisschen extra Zeit. Vielleicht war heute endlich der Tag, an dem sie ungestört mit ihrem Mann zu Abend essen konnte. Wunder passierten immer wieder, nicht?
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      Andrew

      „Keine Ursache“, murmelte Andrew zur Antwort, darauf bedacht, nicht so etwas wie ‚immer gerne‘ zu sagen. Niamh schien aufrichtig erfreut darüber zu sein, dass er mitgekommen war und Andrew wollte es ja genießen, dass die Familie seines Freunds ihn leiden konnte, aber seine Moral ließ das nicht so ganz zu. Er wusste nicht, ob er sich je damit anfreunden konnte, was sie beruflich machten. Ezra war eindeutig eine Ausnahme gewesen und er unterschied sich auch gewaltig von seinen Geschwistern. So traurig es war, verstand Andrew immer mehr seinen Gedankengang, als er den Kontakt abgebrochen hatte, selbst wenn er nachher mit den Diebstählen weitergemacht hatte. Er hatte es nie anders kennengelernt und offensichtlich war seine Familie damit ja auch schon immer ziemlich erfolgreich gewesen. Aber letzten Endes war er irgendwie anders. Er kümmerte sich um andere Menschen, auch wenn er sie nicht kannte. Dem Rest seiner Familie… fehlte irgendwie ein Stück Empathie. Soweit Andrew das beurteilen konnte. Ezra würde zumindest niemanden umbringen und das war ja irgendwie der einzig wichtige Unterschied, den Andrew brauchte.
      Andrew atmete tief durch, als Niamh ihn als langweilig bezeichnete, oder eben weniger langweilig, weil er ihr bei etwas Illegalem geholfen hatte. Diese Frau war wie die Verkörperung von Peer Pressure unter Jugendlichen. Als nächstes würde sie ihn vielleicht noch uncool nennen, weil er nicht mit ihr rauchen wollte.
      „Ähm… danke, ich behalte es im Kopf. Aber ich hab derzeit noch einen Job. Mal sehen wie lange“ Den letzten Satz nuschelte er eher in sich hinein, als er sich an Niamh vorbeifädelte, um schnellstmöglich aus diesem Haus raus zu kommen. Das Familienunternehmen. Schmeichelnd, dass sie ihn als Familie betrachtete, nur problematisch, aus welchem Grund. Das letzte was Andrew in seinem Leben tun würde, war bei ihnen einzusteigen. Besser, Ezra und er blieben unvernünftig. Pleite, aber zumindest in sicherer Distanz zum nächsten Gefängnis. Wobei ihre beiden Gehälter sich j langsam aber sicher anhäufen sollten. Vielleicht konnte Andrew noch zum ersten Mal in seinem Leben die Erfahrung machen, zu sparen. Das hieß, wenn er die Heimfahrt überlebte und Niamh ihn nicht in seinen sicheren Tod fuhr.
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      Niamh

      Sie fand Caleb - wie erwartet - im Wohnzimmer. Er stöberte durch ein paar CDs, sah allerdings ziemlich unbeeindruckt aus. Bei dem generellen Chaos im Haus war es schwer abzuschätzen, was genau ihr Bruder jetzt durchsucht hatte und was einfach vorher schon chaotisch war, aber er schien nicht sonderlich besorgt, also entspannte Niamh sich ebenfalls ein wenig. "Und?", fragte sie zur Begrüßung.
      "Nichts interessantes. Die meisten Steine waren kosmetisch. Weißere Zähne und so ein Quatsch." Caleb sah von den CDs auf und zuckte mit den Schultern. "In der Küche lag noch ein Handy. Wahrscheinlich sind da keine Daten drauf, aber man weiß ja nie." Er hielt ein altes Nokia hoch, das wahrscheinlich älter war, das das Internet. "Die Dinger sind unkaputtbar. Ich bin gespannt, wen er damit angerufen hat." Caleb ließ das Handy wieder in seiner Tasche verschwinden und stellte die CDs zurück ins Regal. "Furchtbarer Musikgeschmack, nebenbei bemerkt. Habt ihr was gefunden?"
      "Andrew hat ein Tablett und die Fotos gefunden. Ich konnte nur ein paar Speicher hinzufügen."
      Caleb stieß ein kurzes, anerkennendes "Mhm" aus. "Sei in Niamhs Nähe nicht zu kompetent, sonst wanderst du in ihrer Anrufliste ganz schnell ganz weit nach oben." Er warf Andrew einen Blick zu, der irgendwo zwischen mitleidig und amüsiert lag, bevor er zurück zur Haustür ging. "Nach euch."

      Zum Glück war es mittlerweile spät genug, dass die Straßen einigermaßen leer waren. Niamh hatte Glück, einen Parkplatz kurz vor Ezras Wohnung zu finden, was bedeutete, dass sie Andrew nicht einfach so wortlos rauswerfen musste. Sie schaltete den Motor aus und drehte sich zu dem Dunkelhaarigen herum.
      "Weißt du schon, wann du Ezra morgen abholst? Ich würde ihn schon gerne noch sehen, bevor wir zu unseren Eltern fahren. Wenigstens schöne Weihnachten wünschen, oder so." Sicher gehen, dass sein Kopf noch auf seinen Schultern saß und sie sich nicht einfach nur eingebildet hatte, dass er wieder da war. Was immer noch ein seltsames Gefühl war. Es waren jahrelang nur sie und Cal gewesen. Zwei von Vieren. Sie waren nicht immer einer Meinung, aber wenigstens hatten sie es immer geschafft, sich gegenseitig irgendwie aus ihren dunkelsten Momenten raus zu holen. Hatte Ezra das alles alleine durchgestanden?
      "Ich bin mir nicht sicher, ob Ezra uns sehen will", merkte Caleb an, der mittlerweile vollkommen in seinem Handy versunken war. "Obwohl...besser so, als wenn du mal auf einen längeren Besuch vorbei kommst."
      "Danke. Ich hab dich auch lieb." Niamh verdrehte die Augen, während ein kleines Lächeln auf Calebs Lippen erschien.
      "Also?", fragte sie Andrew wieder. "Nimmst du uns mit?"
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      Andrew

      Und nach all dem konnte Andrew das kleine nagende Stimmchen in seinem Kopf, welches Ezra eine gesunde Beziehung zu seiner Familie wünschte, doch nicht abschalten. Er zögerte kurz. Schöne Weihnachten wünschen, was? Solange das keine Ausrede war, um sie beide in den nächsten Auftrag mit hineinzuziehen. Wo Niamh ja so begeistert von seiner Arbeit gewesen war… Hoffentlich hatte Caleb nur einen Scherz gemacht. Er wollte überhaupt nicht auf dieser Anrufliste stehen, wenn es nicht grade um Smalltalk ging. Und dann würde es hoffentlich bei der Autofahrt bleiben, denn Andrew brauchte Ezra definitiv eine Weile für sich allein, nachdem er ihn dann knappe 24 Stunden nicht gesehen hatte.
      „Also… er landet um neun, also fahre ich kurz vor halb weg. Wenn ihr… also fünf Minuten vorher hier seid, kann ich euch mitnehmen“, gab er sich geschlagen und schenkte Niamh ein kleines Lächeln. Hoffentlich war er nicht zu naiv. „Also dann… bis morgen“
      Er stieg aus, lief ins Haus und stapfte wie in einer Trance die Stiegen hoch zu der Wohnung, die nicht seine war, unfähig die letzte Stunde zu verarbeiten. Aus irgendeinem Grund hatte er außerdem die ansteigende Angst, auf Ada zu treffen und dass sie fragte, wo er gewesen war. Sie war das alles vermutlich durch Ezra gewohnt und hatte ihm anscheinend hin und wieder ausgeholfen aber Andrew bezweifelte, dass sie mehr von ihm halten würde, wenn er jetzt auch noch Verbrechen beging. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sein ehemaliger Job das einzige war, das für ihn sprach.
      Einzuschlafen war diesen Abend jedenfalls eine Herausforderung, vor allem, nachdem er Ezras Antwort bekam. Er war bloß müde… Gott, hoffentlich war das alles. Wenn er morgen in seinem Auto nicht wieder der strahlende Sonnenschein war, den Andrew kannte, musste er sich Richard vornehmen. Andrew schrieb ihm zurück, mittlerweile sehr viel weniger darauf bedacht, nicht anhänglich zu wirken. Wen interessierte es schon? Ezra sollte ruhig wissen, dass er mittlerweile Andrews Lebenssinn war. Wenn irgendetwas passiert war, sollte er mit der Sicherheit leben können, dass er für ihn da war. Und Andrews Ängste manifestierten sich dank seiner Textnachricht gerade, also untertrieb er bei seiner Antwort besser nicht.
      >> Okay, schlaf gut. Ich kann’s nicht erwarten, dich wiederzusehen. Ich liebe dich. ♡ <<
      Die ganze Nacht verfolgten ihn seltsame Albträume, die sich aus dem leeren Kinderzimmer in Adams Haus und Ezra zusammensetzten, der ihm aufgelöst erzählte, dass Richard versucht hatte, sich an ihn ranzumachen. Irgendwann gegen Ende des Traums saßen sie jedenfalls beide Rücken an Rücken gekettet in einer Gefängniszelle, Nadia vor den Gitterstäben, die grinsend ein Schlüsselbund schwenkte. Es war absolut verstörend. Andrew hatte am Morgen nicht das Gefühl, überhaupt geschlafen zu haben. Er versuchte. die Träume nicht deuten zu wollen, wobei die Hälfte davon relativ klar war.
      Er war mental noch nicht so ganz darauf vorbereitet, Niamh und Caleb wiederzusehen, aber zumindest hatte er Ezra bald wieder bei sich. Der ihm hoffentlich dann gleich versichern konnte, dass nichts passiert war und er wirklich bloß einen anstrengenden Tag gehabt hatte.
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      Ezra

      Eine einzige Nachricht und sofort fühlte er sich wieder, wie ein frisch verliebter Teenager. Auch, wenn das Gefühl mehr und mehr von Selbstzweifel überschattet wurde. Ezra starrte auf sein Handy, während er überlegte, wie er seinem Freund antworten sollte. Er liebte Andrew viel zu sehr. Er wollte ihn nicht verlieren. Die letzten Wochen waren so schön gewesen, dass eine Trennung sich vollkommen irre anhörte - und doch…was, wenn Richard Recht hatte? Was, wenn Andrew und er wirklich zu verschiedene Lebensansichten hatten? Richard schien mehr mit ihm gemeinsam zu haben und trotzdem hatte die Beziehung nicht gehalten, was bedeutete das also für ihn? Gut…vielleicht lag es auch eher an Richards Charakter, dass die Beziehung zerbrochen war.
      Fuck, er war zu müde für das alles.
      Mit einem kleinen Seufzen tippte er ein 'Ich liebe dich auch!' zurück, bevor er das Handy auf seinen Nachttisch legte und nach seinem aktuellen Buch griff. An Schlaf war sowieso nicht zu denken, aber vielleicht würde er so wenigstens auf andere Gedanken kommen.


      Niamh

      Es war unglaublich kalt und die ersten Schneeflocken begannen, sich nicht mehr direkt aufzulösen, sobald sie den Gehweg berührten. Was nie ein gutes Zeichen war. Kälte bedeutete, dass sie ihre gefütterten Jogginghosen irgendwann gegen Thermostrumpfhosen und Jeans tauschen musste und das war jedes Jahr aufs neue ein furchtbar einengendes Gefühl. Sie brauchte einen Stoff, der sich mitbewegte, wenn sie spontan irgendwo einstieg, oder einem Kleinkind hinterherlaufen musste. Sie konnte nie verstehen, wie ihre Brüder mit Jeans überlebten. Caleb sah neben ihr aus, als ob er für ein Vorstellungsgespräch hier wäre, als er auf Ezras Türklingel drückte. Ausnahmsweise. Es hatte eine kurze Diskussion über den Dietrich in Niamhs Tasche gegeben, die Caleb nur gewonnen hatte, weil es zu kalt war, um sich lange zu beschweren. Sie schob ihre Hände in ihre Jackentaschen, während sie auf Andrew warteten.
      "Denkst du, das ist genug Schnee, um unseren Besuch bei Mom und Dad abzusagen?", fragte Caleb, während er hoffnungsvoll auf den Hauch von Schnee sah, der sich an einer Hausecke angesammelt hatte.
      "Nein", antwortete Niamh mit einem Augenrollen. "Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht willst."
      Caleb schüttelte kurz mit dem Kopf. "Ich will dich nicht alleine lassen."
      Niamh kam nicht mehr dazu, zu erklären, dass sie nicht alleine wäre, bevor sich die Tür öffnete. Sie hatte John bei sich und die Kinder. Eigentlich war ihr Mann fast eine bessere Unterstützung, als ihr Bruder - John hatte wenigstens die Ambition, ihre Familie nach vorne zu bringen. Caleb wirkte immer so, als wäre er gerade da, weil er da sein musste. Obwohl er sich gerade wenigstens zu einem kleinen Lächeln bemühte, als er Andrew mit einem kleinen "Morgen" begrüßte.
      "Guten Morgen", schloss Niamh sich an und hielt Andrew eine kleine Geschenktüte entgegen. "Als Friedensangebot, Danke für Gestern und Danke fürs Mitnehmen. Und irgendwie auch schon für Weihnachten", erklärte sie. Es war nichts Besonderes, nur eine Flasche Whiskey und etwas Süßkram, aber irgendwo musste man anfangen. Und irgendwie wollte sie auch nicht, dass Andrew sich doch noch gegen sie stellen und wie Robert enden würde.
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      Richard

      „Guten Morgen, Blondie“, begrüßte Richard seinen übermüdeten Kollegen, als sie in der Lobby aufeinander trafen, um zusammen auf das Taxi zu warten. Seine Laune war überragend. Ezras Gesicht war wie die Lorbeerernte seiner gestrigen Arbeit.
      „Nicht so gut geschlafen?“, fragte er blinzelnd. Offensichtlich musste er Ezra am Rückflug garnicht mehr so sehr nerven, wenn er bereits so verunsichert war. Das war ihm ohnehin lieber, es war halb sechs Uhr morgens und Schlafen klang nach einem deutlich besseren Plan.

      Andrew

      Ezras Nachricht heute morgen zu lesen, hatte Andrew ein wenig Kraft gegeben, um seinen Geschwistern gegenüberzutreten. Doch Niamh hatte scheinbar tatsächlich den Plan, ihre Beziehung zu verbessern und ein Blick in die Geschenktüte weichte Andrews Herz bereits ein wenig auf. Wunderbar, er würde sich bestimmt demnächst mal betrinken müssen.
      „Danke“, erwiderte er, lächelte und war sich unsicher, ob es sein Tod wäre, Niamh zu umarmen, ließ es dann also bleiben und lief zum Auto.
      Auf der Fahrt stellte sich dann das übliche Problem ein. Worüber zur Hölle sprach man auf langen Autofahrten mit Leuten? Mit diesen, vor allem, wenn er die Worte Diebstahl und Mord auslassen wollte.
      „Feiert ihr jedes Jahr mit euren Eltern Weihnachten?“, fragte er dann also. Eigentlich interessierte ihn Caleb und Niamhs Beziehung zu ihren Eltern tatsächlich. Andrew hatte sie nie getroffen und irgendwie hatte er das Gefühl, dass es so besser war, aber er würde sich für den Fall der Fälle gerne darauf einstellen können, wie schlimm es werden würde. Generell war er ein Fan davon, sich rechtzeitig auf etwas einstellen zu können, wenn es soziale Situationen anbelagte. Sein erstes Treffen mit Ezras Geschwistern war ja auch eher aus dem Nichts gekommen. Etwaige Überraschungsbesuche seiner Eltern würde er gerne vermeiden, aber dieser Familie konnte ja sowieso niemand etwas vorschreiben.
      „Wir… fliegen für ein paar Tage tatsächlich nach Liverpool zu meiner Cousine“, warf er dann noch ein. Sie konnten ihn ja wohl ohnehin tracken, also konnte er es ihnen auch gleich in einem halbwegs normalen Gespräch mitteilen.
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      Niamh

      "Jedes Jahr von klein auf", bestätigte Niamh. Sie hatte sich für die Hinfahrt den Beifahrersitz geschnappt, während Caleb auf dem Rücksitz aus dem Fenster starrte, als wäre er in seiner ganz eigenen Welt gefangen. Was nie stimmte. Wenn es einer nicht lassen konnte zu lauschen, dann er. Man könnte ja den aktuellen Gossip verpassen.
      "Es ist nicht so schön, wie es klingt", kommentierte er trocken und ignorierte den Schulterblick seiner Schwester.
      "Es ist okay", widersprach Niamh. "Unsere Eltern sind etwas-" Sie schien kurz selbst Probleme zu haben, das passende Wort zu finden. Eigentlich hatte Caleb nicht Unrecht - es war ziemlich furchtbar. Sie hatten nie das stereotype Weihnachten gehabt, das man aus Film und Fernseher kennt. Es gab Geschenke gemessen daran, wer das Jahr über wie nützlich gewesen war. "Sie sind nicht sonderlich herzlich", erklärte sie schließlich. Einer der Gründe, warum sie sich auf die Weihnachtstage danach freute, wenn sie nur mit John und den Kindern zusammen war. Emmett war noch zu klein, um wirklich zu verstehen, was Weihnachten war, aber sie war trotzdem dazu über gegangen, beiden die selbe Anzahl an Geschenken zu holen. "Wir essen meistens zusammen, reden darüber, wie das Jahr gelaufen ist, Finanzen, Probleme."
      "Alles sehr weihnachtlich", kommentierte Caleb sarkastisch, ohne seinen Blick vom Fenster abzuwenden. "Aber nicht aufzutauchen wird praktisch als Beleidigung aufgefasst, also müssen wir wohl mitspielen, bis einer von ihnen-"
      "Liverpool soll nett sein", schnitt Niamh ihrem Bruder das Wort ab, bevor Caleb sich in irgendetwas noch unweihachtlicheres reinreden konnte. "Ist deine Cousine auch Heldin, oder ist eure Familie breiter aufgestellt?" Sie hatte sich nie wirklich um seine Familie gekümmert, alles, was sie über Andrew wusste war, dass seine Eltern verstorben waren und er als Held gearbeitet hatte. Jetzt, wo sie außerdem wusste, dass er es wirklich ernst mit Ezra meinte, sollte sie vielleicht ein bisschen mehr Zeit in ihre Recherche stecken - und wo konnte man besser damit anfangen, als an der Quelle selbst? Ezra würde ihr wahrscheinlich nichts über ihn erzählen. Sie hatte ja jetzt schon Glück, wenn er auf eine weit aus neutralere Nachricht von ihr reagierte.
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      Andrew

      Okay, so hatte Andrew es sich auch vorstellt. Dass ihre Eltern nicht unbedingt Engel auf Erden waren war von Anfang an recht eindeutig gewesen. „Oh, nein, sie ist Kindergärtnerin. Wir sehen uns seit ich denken kann nur ein bis zweimal jährlich, aber darauf besteht sie trotzdem, besonders seit meine Eltern gestorben sind. Und sie war nicht aufzuhalten, Ezra einzuladen. Aber so können wir zumindest zusammen feiern“, erwiderte er. Ha, es war ja doch möglich, eine normale Konversation zu führen. Jetzt wäre es doch zu schön, wenn sie tatsächlich eine enge Beziehung zu Ezra hätte, damit Andrew sie um Tipps für ein Geschenk bitten konnte. Aber die Hoffnung musste er sich wohl nicht machen.
      Die Autofahrt erinnerte Andrew weitaus weniger an eine Foltermethode, als er erwartet hatte und jetzt musste er eigentlich nur noch hoffen, dass Ezra sich auch freuen würde, Caleb und Niamh zu sehen. Nur weil sie wieder ein wenig Kontakt zu haben schienen, hieß das ja nicht, dass sie sich nicht gleich gegenseitig die Köpfe abbissen…
      Andrew stieg aus dem Auto aus und bat die zwei im Zuge dessen, sitzen zu bleiben und kurz zu warten. Der Plan war, Ezra kurz vorwarnen zu können und seine Stimmung einzuschätzen. Und dann konnte er im Auto davon erzählen, wie schön die Stadt gewesen war, und zuhause dann, wie sehr ihm Richard auf den Arsch gegangen war.
      Andrew lief zum Ausgang des Gates, an dem Ezra gelandet war und konnte die beiden bereits auf sich zukommen sehen. Sein Herz flatterte. Aus Nervosität, vorwiegend. Seine Sorgen waren noch genauso lebendig wie gestern abend, trotz Ezras Nachricht. Auf der anderen Seite musste er seinen immensen Hass auf Richard unterdrücken, der bereits aufkochte, wenn er nur sein Gesicht sah. Andrew kam den beiden entgegen, ignorierte Richard bestmöglich und legte seine Arme für zwei lange Sekunden um Ezra, bevor er ihn noch einmal genauer unter die Lupe nahm. „Hi, wie war der Flug? Alles in Ordnung?“
      „Gut, ich verabschiede mich dann mal. Wir sehen uns dann bei der Arbeit“, kam es von der Seite und Andrew durfte noch Richards Grinsen erblicken, bevor er verschwand. Er schüttelte seine erneute Hasswelle wieder ab und ignorierte den Abschied. Besser, er verschwand einfach und Andrew konnte ihn sofort wieder ausblenden, als hätte er nie existiert.
      „Äh, kleine Vorwarnung, deine Geschwister sitzen in meinem Auto“, rückte Andrew dann etwas zaghaft heraus, während er Ezra sein Handgepäck abnahm.