Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

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      Kassandras einvernehmlicher, aufgeweichter Blick traf auf Zoras und der konnte gar nicht anders, als seiner Geliebten ein Lächeln zu schenken, das ihm wie aus der Brust strahlte. So eng zusammen, wie sie jetzt waren und wie er es sich seit über fünf Jahren gewünscht hatte, verspürte er nichts anderes als die reinste, unerschütterlichste Liebe für diese Phönixin, die ihn mit ihren schönen, liebreizenden Augen betrachtete, aus denen er nur das zu lesen vermochte, was er selbst am ganzen Leib spürte. Sein Körper kribbelte, nicht nur von den Nachbeben seines Höhepunkts, und er spürte ihre Hände, die sich an sein Gesicht legten, mit einer Wärme, wie sie nur die Sonne selbst heraufbeschwören konnte. Die Sonne oder Kassandra. Der Kuss, der diesem ganzen Akt folgte, war so süß und lieblich, dass er dabei glatt das Wasser und den Raum um sie herum vergaß. Für diesen einen, aber langen Augenblick gab es nichts als ihn und Kassandra, die ihn liebte. Ich liebe dich auch. Die Worte hallten in seinem Inneren wie eine Essenz, die ihm neues Leben bescherte. Sie brachen von seinen Lippen, bis Zoras glaubte, dass er noch nie in seinem Leben so breit gelächelt hatte, wie in diesem einen Augenblick. Über alle Maße liebte er sie, vergötterte sie, und diese Liebe wurde erwidert. Wenn sie es nicht gesagt hätte, hätte er es doch in ihrem einzigartigen Blick gesehen, den sie nur ihm schenkte. Ihm alleine.
      "Meine Hübsche. Meine wundervolle Göttin."
      Er kostete ihre Lippen und dann kostete er ihre Berührung, so viel er davon noch haben konnte. Es war irrelevant, was nun der wahre Grund sein mochte, weshalb er ihre Annäherung unter Wasser aushalten konnte. Solange er ihre Nähe spüren konnte so wie jetzt, wollte er sie mit all seinen Sinnen genießen. Er wollte sie so lieben, wie er es schon seit einer geraumen Weile nicht mehr getan hatte.

      Erst nach Stunden verließen sie das Bad, als das Wasser schon lange kalt geworden war und ihre Körper zu viel von der Nässe hatten. Anders als erwartet, übertrug sich die gewonnene Leichtigkeit aber nicht auf das Bett, denn kaum wollte Zoras Kassandra in die Arme nehmen, wie er es schon für eine sehr lange Zeit an diesem Abend getan hatte, spürte er das gewohnte Gefühl von falsch und fass mich nicht an an die Oberfläche kriechen, der Vorreiter eines Unwohlseins, das sich bis in seine Knochen absetzen würde. Es wunderte ihn zwar nicht, dass ein Abend nicht gereicht hatte, um gewisse Grenzen zu überwinden, aber trotzdem war es eine gewisse Ernüchterung. Für die Nacht mussten sie sich wieder mit getrennten Decken versorgen, was Zoras aber zu überschatten versuchte. Bis in die tiefe Nacht hinein, drückte er Kassandra fest an sich und küsste sie auf zärtlichste Weise. Im Flüsterton unterhielten sie sich, allein um die dämmrige Dunkelheit, die lediglich von einigen von Kassandras Kerzen durchbrochen wurde, nicht zu zerstören. Das Zimmer war groß und ruhig und vor den Fenstern lag eine Stadt, die in einen friedlichen Schlummer gefallen war.
      In dieser Nacht schlief Zoras so gut wie schon seit Jahren nicht mehr.


      Vom Rat war immer noch nichts zu hören, nicht am Tag darauf und auch nicht darauf. Es war der Verwalter, der Zoras morgens abholte und ihn dann in Palastabläufe einzuweihen versuchte, die für Zoras immernoch kaum einen Sinn ergaben und ihm eher die Zeit stahlen als sonst etwas. Erst Kassandras aufmerksame Sinne machten ihn darauf aufmerksam, dass der Rat durchaus seinen Pflichten nachging, nur ohne einen gewissen Eviad dazu einzuladen. Wieso sollten sie auch? Die Regierung funktionierte gut so, wie sie war, und eine neue Partei würde nur Ärgernisse hervorrufen. Sollte man den Eviad doch seinen Titel genießen dürfen, die Regierungsgeschäfte konnten auch ohne ihn weitergehen.
      Wäre Zoras ein solcher Mann gewesen, der aus seiner hohen Machtposition lediglich den Profit herausschlagen wollte, ohne sich um die Schwerstarbeit dahinter zu kümmern, wäre er sicher damit zufrieden gewesen. Er lebte kein schlechtes Leben; die Dienerschaft war sehr fleißig, Wünsche wurden ihm in Windeseile erfüllt und er konnte gehen, wohin er wollte, ohne jemals auf eines der gewöhnungsbedürftigen Ratsmitglieder zu stoßen. Aber Zoras hatte sich die Prophezeiung nicht aus dem Zweck angeeignet, seinen einstigen Wohnsitz gegen einen Palast einzutauschen, der für Könige gemacht worden war. Zwar war Zoras nicht sonderlich erpicht darauf, ein Land zu regieren, aber er war doch durchaus erpicht darauf, ein Land hinter sich stehen zu haben, und das eine war nunmal ohne dem anderen nicht möglich. Deswegen sah er auch gleich, dass er sich in die Tagesgeschäfte des Rates hinein drängen musste, wenn er auch nur einen Schritt weitergehen wollte.

      Natürlich wollte er das aber nicht unvorbereitet tun und so wartete er nach Kassandras Rat ab, bis der Rat sich eines Tages wieder im Audienzsaal einfand, um zweifellos seine vielen Audienz-Anträge abzuarbeiten. Da zog sich Zoras sein türkis akzentuiertes Gewand über, nahm sich eine handvoll Wachen - das war auch noch eine Sache, die auf seiner Liste stand, aber für die er bisher nicht wusste, wie er dort ansetzen sollte - und marschierte selbst in den Thronsaal, Kassandra auf einer Höhe neben ihm. Man hatte für sie beide natürlich keine Plätze freigelassen und bei ihrem Eintritt starrten ihnen ausschließlich missbilligende Blicke entgegen. Einzig Dionysus hatte ein Lächeln im Gesicht, aber das war nicht viel einladender als das Zischen einer von Mirdoles Schlangen. Zoras ging zu ihnen hinüber und nach vielem kindischen Hin- und Hergetue, überließ man ihm endlich zwei Plätze, wo Kassandra und er sich niederlassen konnte.
      Wilben sah ihn missachtend an. Kalea starrte ihn abschätzend nieder. Feyra zeigte ihm die kalte Schulter. Einzig und allein die Champions wirkten einigermaßen neutral, doch Mirdoles Schlange zischelten konstant in Kassandras Richtung und Oronia versprühte Gift mit ihren Augen, die sie auf die Phönixin gerichtet ließ. Man konnte wohl behaupten, dass die beiden nicht sehr willkommen geheißen wurden.
      "Hat der Eviad sich wohl dazu entschlossen, seinen Pflichten jetzt doch nachzugehen und nicht mehr in den Bädern von Kuluar zu dümpeln, hm?", säuselte Dionysus, allein aus dem Grund, die sowieso schon dicke Luft unter ihnen noch dicker werden zu lassen. Zoras fühlte sich geradezu verpflichtet, ihm eine Antwort zu liefern.
      "Ich wäre schon früher gekommen, hätte man mich über die richtigen Abläufe informiert."
      "Woher können wir denn wissen, dass Euer Personal zu nichts taugt? Ist es denn überhaupt schon eingetroffen? Ich habe niemanden gesehen."
      Darauf konnte Zoras nichts mehr antworten, denn natürlich wusste jeder hier Anwesende, dass der Eviad ganz alleine hier war und sich nur auf die Hilfe seiner Phönixin verlassen konnte. Auch das war eine Sache, die sie ändern mussten und das zügig. Es war klar, dass man auf diesen Umstand schon längst aufmerksam geworden war.
      "Nun gut."
      Ristaer klatschte in die Hände.
      "Bringen wir es hinter uns. Kein Grund, hier noch länger zu warten."
      Er gab die nötigen Befehle an die nötigen Wachen und kurz darauf wurden die ersten Würdenträger herein eskortiert, die ein Anliegen an den Rat vorzubringen hatten. Die gebürtigen Kuluarer erwiesen dem neuen Eviad - anders als der Rat - den gebürtigen Respekt und trugen ihr Anliegen vor.

      Hier zeigte sich zum ersten Mal die große Diskrepanz zwischen Zoras und dem Rat, denn Zoras war kein gebürtiger Kuluarer und noch weniger ein Adeliger, der sich mit den Verhältnissen und Gepflogenheiten Kuluars auseinandergesetzt hätte. Noch dazu kannte er keinen einzigen dieser Menschen, die wohl einflussreich genug waren, um eine Audienz gestattet zu bekommen. Den vielen Vorträgen war er recht hilflos ausgeliefert, denn er konnte weder etwas mit ihren Inhalten anfangen, noch mit deren vermeintlichen Lösungen. Teilweise verstand er die Kuluarer nicht einmal; sie nutzten Fachbegriffe und Ausdrücke, die ihm weder geläufig, noch jemals über den Weg gelaufen waren. Man lernte schließlich kein kuluarisch als einfacher Söldner und erwartete dann, die gehobene Sprachkunst des Palastes zu beherrschen. Noch weniger erreichte man in nur wenigen Tagen ein solches Ziel.
      Also war Zoras darauf angewiesen, Kassandra die Führung zu überlassen und Kassandra reden zu lassen. Natürlich entging dem Rat eine solche Feinheit nicht und während sie am Anfang wohl noch das Spielchen getrieben hatten, dass der Eviad nichts wichtiges zu sagen hätte und man sich nur weiter an den Rat wenden solle, gingen sie sehr bald schon dazu über, Zoras die Leitung des Gesprächs zu überlassen und sich vollkommen zurückzulehnen. Dabei war dieser überfragt; er konnte nicht ernsthaft eine Antwort auf ein Problem produzieren, für das er erst einmal Tage bräuchte, um sich überhaupt einzulesen. Er war der Situation hilflos unterlegen und konnte nichts weiter tun, als nur immerzu an die Phönixin zu delegieren - denn auch, wenn sie ebenso wenig über Kuluar und dessen Gegebenheiten Bescheid wusste, hatte sie doch zumindest genug Erfahrung im Leben und auf der Erde, um die Menschen übergangsweise zu vertrösten.
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      Selbstverständlich war es Kassandra in den folgenden Tagen nicht entfallen, dass sich das Leben um sie und Zoras herum zu bewegen schien. Wenn sie hier und da zu gewissen Zeitpunkten Räume betrat, erwischte sie manchmal Bedienstete bei Unterhaltungen oder wie Unterlagen von A nach B getragen wurden. Immer darauf bedacht, möglichst ungesehen des neuen Herrschers zu geschehen. Bei den ersten paar Malen sagte Kassandra dazu noch nichts, doch im späteren Verlauf informierte sie Zoras über diese Umstände, wodurch sich ihre Vorgehensweise dringend ändern musste.
      Schon kurz darauf ließ die Phönixin Kunde nach Paspatera gehen. Darin bat sie Santras darum, Menschen an den Hof zu schicken, die in ihrem Namen agieren und Zoras unterstützen konnten. Je nach Größe der Gruppe würde es einige Tage dauern, bis ihre Unterstützer in der Hauptstadt eintrafen, aber dass sie es würden, stand außer Frage. Kassandra wusste, dass Santras ihr helfen würde, soweit es in seiner Macht stand. Schließlich hatte er es ihnen so auch zugesagt.
      Wie dringend sie diese Hilfe bedurften, wurde kurz darauf schon deutlich. Zoras erkämpfte sich praktisch seinen Sitzplatz bei den Besprechungen, nachdem er sich mit Kassandra darauf geeinigt hatte, aktiv zu werden und sich einzumischen. Während die Würdenträger ihre Anliegen vortrugen, hatte sich die Phönixin entspannt zurückgezogen und lauschte den Erklärungen und Worten. Ihr fiel es nicht schwer, der Unterhaltung zu folgen, aber ein Blick zur Seite bestätigte ihr, dass dies nicht für Zoras galt. Sein Pokerface half ihm nicht sonderlich, denn immer wieder musste er sich an seine Phönixin wenden, die ihm Floskeln und Fachwärter auf Therissisch erklärte. Das tat sie mit Absicht in der Sprache, damit wenigstens der Rat ihnen nicht umgehend folgen konnte. Dionysus‘ breites Grinsen ignorierte Kassandra geflissentlich. Irgendwann wandelte sich das Gespräch so sehr, dass nicht mehr der Eviad konkret angesprochen wurde, sondern nur noch die Phönixin. Als sei sie sein Sprachrohr. Doch Kassandra ließ es nicht so wirken, als sie sich erhaben und edel auf ihrem Sitz platzierte und ganz die Gottheit aufspielte, die sie eigentlich war und die man von ihr erwartete. Schließlich waren sie beide gleichgestellt und niemand dem Anderen unterstellt. Das war es, was sie zumindest verdeutlichen wollten.
      Nach dieser Sitzung betrieben Kassandra und Zoras einen Krisenrat. Gemeinsam zogen sie sich in eines ihrer Gemächer zurück, wo die Phönixin prompt damit anfing, Zoras gefühlt hunderte der Begriffe und Umstände zu erklären, die vorhin gefallen waren. Viel konnte sie zu den Traditionen, den Lehren und der Kultur nicht beitragen, allerdings konnte sie wenigstens ihm die sprachliche Barriere ein bisschen absenken. Sie brauchten Unterstützter, und das eher schneller als später.

      Gut eine Woche später gab es einen Tumult vor den Toren des Palastes. Kassandra selbst sah sich genötigt, Zoras im Empfangssaal abzusetzen, um eigenmächtig nachzusehen, weshalb die Wachen auf dem Vorplatz so einen Aufstand veranstalteten. Sie hatte sich in eines ihrer schönen, türkisen Gewänder geworfen, als sie mit wehendem Haar den Gang zum Tor hinunter schritt und sich schon brüstete, ein Wort der Mahnung zu sprechen, als sie zwischen den Türen innehielt. Vor den Toren stand ein ganzer Mob an Menschen, mehr als sie erwartet hatte, und sie traf den Blick eines einzigen Mannes, damit sich ein verschmitztes Lächeln auf ihren Lippen zeigte.
      „Sie werden passieren“, verkündete Kassandra den Wachen und bedeutete der Vorhut des Mobs, ihr zu folgen, als sie auf direkten Weg zu Empfangssaal ging.

      Die Tür zum Saal ging auf und gab die Sicht auf eine sehr zufrieden stolzierende Kassandra frei, die eine ganze Schlange an Menschen hinter sich her führte. Sie hielt direkt auf Zoras zu, kam zu ihm hoch und setzte sich auf den Stuhl an seiner Seite, der nur für sie angedacht war, und überschlug die Beine.
      Die Schlange an Menschen floss in den Raum und verteilte sich hinter einem einzigen Soldaten, der quasi die Vorhut bildete, und vor Zoras salutierte. Zu seinen Seiten bauten sich weitere Männer in Rüstungen auf, sauberen und gut gepflegten Rüstungen, bis fast 20 Mann eine Linie bildeten. Die Tücher, die zwischen den Gelenken der Stahlplatten hervorblitzten, waren türkis, ebenso wie die Helmzier, akzentuiert. Im Hintergrund trugen die Menschen keine Rüstungen; sie wirkten eher wie typische Bedienstete, mal Köche, mal Hausmädchen, mal Dienstboten. Zwei Männer in langen Roben stachen hervor, die eindeutig entweder Geistliche oder anders gebildetes Personal sein musste. Ihre Roben waren hellgrau meliert mit türkisfarbenen Ranken. Überall stach Zoras‘ gewählte Farbe auch bei den Kleidungsstücken der anderen Menschen hervor, immer dezent, aber sofort sichtbar. Sie tuschelten, manche lachten und wieder andere starrten auf Kassandra und Zoras, als seien sie beide ein gemeinsamer Messias.
      „Wie erbeten überbringe ich beste Grüße aus Paspatera und stelle hiermit die für Euch abberufene Einheit vor. Die Soldaten unterstehen ausschließlich meinem und damit Eurem Kommando, die ehemalige Leibeswache des Stadtherren Santras Gibra. Zusätzlich bringen wir zwei Gelehrte, Thosho und Lasyon, die Euch in Bräuche und Kunst Kuluars einweisen können. Des Weiteren wurden 38 Menschen aus Paspatera entsandt, die Euren neuen Hausstand bilden werden und zusätzlich noch 11 Menschen aus dem Randdorf Balbad, auf eigenen Wunsch hin.“
      Der Soldat salutierte erneut und legte die Hände an seinen Helm. Kassandra, die ganz genau wusste, wer darunter steckte, konnte ein Grinsen nicht mehr zurückhalten. Kupfernes Haar wallte unter dem Helm heraus, als der Vorsteher ihn abnahm und seitlich auf seine Hüfte stemmte.
      „Wir sind Euch zu Diensten, Herr“, sagte Zavion, der scheinbar allen Hohn und Misstrauen abgelegt oder ausgeprügelt bekommen hatte.
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      Nach der ersten Krisenratssitzung folgte erstmal keine weitere, denn von diesem Tag an war Zoras neben den amtlichen Beschäftigungen - bei denen er mitzuhalten versuchte - damit beschäftigt, sich von Kassandra Nachhilfe in kuluarisch geben zu lassen. Es fing mit Fachbegriffen an, von denen täglich neue hinzukamen, und ging über alltägliche Wörter hin zur Aussprache selbst, wobei das letztere erstmal nicht ganz so wichtig war. Es wäre wohl noch einfacher gewesen, sich gleich ein Wörterbuch zu besorgen, doch gab es in Kuluar kaum Kontakt mit Theriss und außerdem waren die meisten Bücher in alt-kuluarisch verfasst. Das war eine Sache, die Zoras auch noch aufholen musste und vor der es ihm jetzt schon grauste. Wenn es eine Sache gab, die er ganz bestimmt nicht tun wollte, dann eine neue Sprache und deren Benutzung lernen. Für kuluarisch hatte er bereits Jahre gebraucht und das aus der Not heraus, als aus allem anderen. Am liebsten hätte er sich nicht noch weiter darin vertieft.

      Nach einer Woche trugen aber bereits die ersten ihrer Anstrengungen Früchte. Kassandra hatte sich wohl mit Santras in Verbindung gesetzt und der hatte ihnen gleich ein ganzes Kollektiv aus seinen engsten Vertrauten geschickt, darunter 20 Soldaten und einen Haufen Bediensteter. Ganz vorne von ihnen stand der junge Zavion selbst, Sohn der Meisterin der Münze in Paspatera. Er trug eine ernste Miene zur Schau und salutierte schnittig, den Blick auf beide Herrscher vor ihm gerichtet.
      Zoras hatte nicht damit gerechnet, den Mann jemals wiederzusehen. Sein Auftreten war, gelinde gesagt, überraschend, genauso wie die Tatsache, dass Santras ihnen wirklich bereitwillig seine Leute geschickt hatte. Nun, ihnen war wohl zu viel des Guten, denn sicherlich waren sie hauptsächlich nur wegen Kassandra hier, aber das sollte Zoras recht sein. Immerhin waren Kassandra und er ein Team und wenn ihre Loyalität der Phönixin gelten würde, dann würde sich das auch automatisch auf ihn übertragen.
      Woran er keinerlei Zweifel hatte, war Zavions Loyalität an sich. Der Mann war ein fleißiger Kommandant, keine Frage, und wenn seine Gefolgschaft genug von ihm hielt, um ihm bis in die Hauptstadt zu folgen, dann war er auch der richtige Mann für sie. Dabei konnte guten Wissens vernachlässigt werden, wie viel Kampfkraft dem Soldaten innesteckte, denn das war wahrlich nicht das erste Ziel ihrer Garde. Vorrangig benötigten sie den Menschenschutz, den sie sich bereits außerhalb des Palastes aufgebaut hatten.
      Zoras neigte den Kopf.
      "Es freut mich, Euch hier empfangen zu dürfen, Kommandant."
      Das Wort hatte er glücklicherweise erst vor zwei Tagen von Kassandra gelernt, sonst hätte er sich wohl gleich vor dem neuen Hausstab blamiert.
      "Ich werde veranlassen, dass man alle im Palast unterbringen wird. Bis dahin, auf ein Wort."
      Er stand auf und gemeinsam mit Zavion verließen sie den Thronsaal, um sich in einen kleineren Besprechungsraum zurückzuziehen und den Mann über die Intrigen des Palastes aufzuklären.


      Zwei weitere Wochen vergingen, in denen Zoras - jetzt konstant von vier Gardisten eskortiert, darunter meistens Zavion - sich in einem Nest einzurichten versuchte, das aus giftigen Schlangen und bissigem Ungeziefer zu bestehen schien. Er lernte Männer und Frauen kennen, die jetzt in den Dienstquartieren lebten und die anderen Angestellten des Palastes ablösten. Der neue Butler war jung und schien ein Vertrauter von Zavion, wenn man den Blicken Glauben schenken konnte, die die beiden manchmal austauschten. Zoras bemühte sich darum, sich sämtliche Namen zu merken und so schnell wie möglich eine sichere Basis aus Vertrauen aufzubauen.
      In diese Vorgänge mischte der Rat sich nicht ein, aber zwei Wochen waren auch zu wenig, um sich ein Bild davon zu machen. Zoras und Kassandra wussten, dass man ihre Schritte verfolgte und sie beobachtete, auf die eine oder andere Weise. Sie wussten auch, dass sich noch keiner damit abgefunden hatte, jetzt den Eviad unter sich zu haben.
      Nach diesen zwei Wochen waren sie an weiteren Audienzen beteiligt, die Zoras noch immer vollständig an Kassandra delegieren musste, als die nächsten Anwärter hereingelassen wurden und in dem ganzen Meer aus fremden Gesichtern, komplexen Anliegen und verständnislosen Begriffen ein Bild abgaben, das alleine mit seiner Vertrautheit so sehr herausstach, dass Zoras einige Sekunden brauchte, bis er sie überhaupt zugeordnet hatte. Kaum hatte er es allerdings getan, ergriff ihn ein gar nostalgisches Gefühl.
      Tysion und Faia kamen hereinspaziert. Zoras hatte sie völlig vergessen gehabt.
      Der Mann trug eine ordentliche Lederrüstung, die frisch geputzt und poliert, aber ganz eindeutig nicht allzu hochwertig war. Er ging aufrecht, wenn auch langsam; in seinem Gesicht zeigte sich die übliche Teilnahmslosigkeit. Die Frau hingegen hatte die Augen weit aufgerissen und starrte dem Rat mit steifer Nervosität entgegen. Sie hatte sich die Mühe gemacht, sich eine türkise Schärpe zu besorgen, die sie sich um die Hüfte gebunden hatte. Keiner von beiden trug sein Schwert und das war durchaus ein seltener Anblick.
      Nahezu synchron salutierten sie vor der Versammlung und noch bevor einer von ihnen den Mund geöffnet hätte, erhob sich Zoras bereits und ließ eine Pause einrufen. Zumindest ergab er sich dem Schein dessen, denn in Wahrheit würde der Rat sicher nicht zögern, mit den Audienzen fortzufahren, auch wenn Zoras den Saal verlassen hätte. Doch das war ihm in diesem Moment gleichgültig, als er seine alten Kollegen sah.

      In einem kleineren Raum angekommen, schien Faia sich erstmals zu entspannen und strahlte Zoras aufgeregt an.
      "Du hast es wirklich geschafft! Wir waren uns so unsicher, als wir versucht haben, deine Kunde zu verbreiten; du möchtest gar nicht wissen, wie viele Leute uns mit dem Tod gedroht haben."
      "Das will ich eigentlich schon", entgegnete Zoras, der geflissentlich überging, dass Faia ihn duzte. Das durfte sie ihn ruhig, nachdem die beiden Söldner ihm höchst freiwillig bis nach Asvoß gefolgt waren.
      "Seid ihr auf Schwierigkeiten gestoßen?"
      "Es war bestimmt nicht leicht, wenn du das meinst. Viele wollten uns nicht glauben und die, die es schon getan haben, sagten uns, wir sollten den Schwachsinn mit den Anwärtern lieber schneller vergessen, bevor wir uns noch zur Zielscheibe machen. Wir sind auch nicht selten in eine Auseinandersetzung geraten."
      Das wäre wohl dasselbe Schicksal von Zoras gewesen, wenn er keine Göttin an seiner Seite gehabt hätte. Der Gedanke daran machte ihm ein schlechtes Gewissen, weil er die beiden einfach so losgeschickt hatte.
      "Aber ihr habt es geschafft."
      "Wir haben dir einen Namen gemacht, ganz richtig."
      Faia strahlte ganz stolz. Tysion stand schweigend neben ihr.
      "Besonders die Söldnerkreise sind dir ganz angetan. Die Nachricht darüber, dass ein Söldner die Prophezeiung erfüllt, macht ihnen allen Hoffnungen. Man muss nicht immer Söldner bleiben."
      "Ich bin weniger Söldner als eher Ausländer."
      "Das ist denen doch egal. Kuluar hat eine Geschichte von lauter wechselnden Einwanderungen, da macht einer mehr oder weniger auch nichts aus."
      Das war ganz eindeutig eine Lücke, die Zoras noch schließen müssen würde. Aber eins nach dem anderen.
      "Ich danke euch. Nicht nur für das hier, sondern auch für Asvoß."
      Da wurde Faias Lächeln ein bisschen kleiner und sie sah fast verlegen zur Seite hin weg.
      "Wenn ich ehrlich bin Ischyll - Zorah meine ich - sind wir für unseren Lohn gekommen. Also nicht, dass wir einen eingefordert hätten, aber wir dachten nunmal, da du es ja geschafft hast, und jetzt lebst du ja in diesem Palast und wir haben ja auch was dazu geleistet. Wir verdienen eine Belohnung."
      Das bestätigte Zoras mit einem Nicken. In einer anderen Situation wäre ihm die Forderung sicher dreist vorgekommen, aber er kannte die beiden nicht nur, sondern hatte selbst in ihrer Haut gesteckt. Wenn sie nicht gewesen wären, hätte er es nicht zu Kassandra geschafft und was war da schon eine Vergütung.
      "Natürlich. Ihr sollt bekommen, was ihr benötigt."
      Er sah kurz zu Kassandra.
      "Aber kann ich euch den Vorschlag bringen, euch meinem Hausstab anzuschließen?"
      Faia neigte den Kopf zur Seite.
      "Deinem Hausstab? Was sollen wir da machen?"
      "An meiner Seite sein - so wie früher. Ich brauche Leute, denen ich vertrauen kann. Und bei euch weiß ich, dass es nicht um Gold gegangen ist. Nicht bei Asvoß."
      Faia nickte langsam, während Tysion sich kaum regte. Der Mann starrte abwechselnd Zoras und Kassandra an und musterte dann den Boden.
      "Aber dann würden wir hier im Palast wohnen, nicht? Und... Palast-Sachen machen? Was macht man hier denn so?"
      Zoras gab ihr eine Auflistung dessen, was hier für Aufgaben anfielen, die rein gar nichts mit der Kämpfernatur zu tun hatten, die Faia wohl war. Das merkte er schon, während er sie aufzählte, und sah sich darin bestätigt, als die Frau schließlich den Kopf schüttelte.
      "Sowas kann ich nicht. Jeden Tag hier drinnen herumstolzieren und Politik führen, das bin ich nicht. Ich brauche Freiheit, dieselbe, die ich jetzt schon habe."
      Zoras erinnerte sich daran, dass er kaum etwas über die beiden wusste, aber diese Aussage sagte wohl genug über Faia aus. Sein Blick ging weiter zu Tysion.
      Der Mann nahm sich länger Zeit zum Antworten, so wie es ihm ähnlich sah. Er schwieg einige Zeit lang, bis er erst Kassandra, dann Zoras ansah.
      "Ich glaube nicht, dass ich ein geeigneter Mann dafür bin."
      "Du hast dich dazu geeignet, an meiner Seite zu kämpfen, du wirst dich auch dazu eignen, an meiner Seite zu sitzen."
      Tysion musterte ihn lange, abschätzend, doch dann nickte er. In seine Augen trat ein unleserlicher Ausdruck.
      "Dann will ich Euch zu Diensten sein, so gut ich es kann."
      Das erleichterte Zoras in einem Maß, wie er es nicht für möglich gehalten hätte. Er hatte die Anwesenheit des alten, stillen Söldners immer geschätzt und sie jetzt auch bei sich zu wissen, in einem Haus voller sonst Unbekannte, nahm eine gewisse Last von seinen Schultern. Er hatte Tysion sein Leben anvertraut, er würde ihm auch seine Sorgen anvertrauen können.
      "Dann ist es entschieden."
      Tysion würde bleiben - und Faia:
      "Ich möchte genug Gold haben, um meine eigenen Söldner anzustellen."
      In ihren Augen funkelte es.
      "Meine eigene Söldnertruppe. So viel möchte ich, so viel brauche ich."
      Und es sprach nichts dagegen, als es ihr zu gewähren. Zoras musste zwar noch herausfinden, wie er die Schatzkammern des Palastes plündern konnte, aber das sollte wohl kein Problem darstellen.
      Tysion erhielt einen Titel als Zoras' Berater und Faia machte sich wieder auf den Weg nach draußen. Sie würde ihr Gold erhalten und dann würden sie wohl nie wieder etwas von dieser Frau zu sehen bekommen.

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