[2er RPG] The Lesser Evil [Winterhauch & NicolasDarkwood]

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    • Ein Lichtsprung war etwas gefährliches.
      Das, geneigter Leser, wäre an sich nichts ausgefallenes zu beschreiben, jedoch sei an dieser Stelle bemerkt, dass eine Beschleunigung eines Leibes auf das maximalste einer Geschwindigkeit ohne nennenswerten Aurenschutz Quetschungen in einem übermenschlichen Maße zur Auswirkung hatte. Und auch Wenn Andvari all dies bewusst war, war der Sprung seine letzte Rettung. Bereits nach der Verschmelzung mit dem Licht wusste er, dass er die Schmerzen kaum aushalten würde.
      Der Druck presste seinen Brustkorb zusammen und der erste Knochen brach in der Sekunde, als er absprang. Zu wissen, dass er so noch viele Meilen aushalten musste, war ihm ein Graus und gleichzeitig die Gewissheit, dass er den Sprung nicht überleben würde.
      Die Schmerzen waren unbeschreiblich.
      Obschon Andvari seinen Arm und seine Brust nicht mehr spüren konnte, presste ihm der Druck die Luft aus den Lungen und die krachenden Geräusche in seinem Leib ließen ihn mit dem letzten Rest seiner Hirnleistungen an dem Plan zweifeln. WIe hatte ihn seine Mutter genannt? Einen Draufgänger. Das war er eindeutig. Er WÜRDE draufgehen, wenn er nicht bald den festen Boden des Tempels...

      Ein Knall erfüllte die Luft des Tempels.
      Lauter als ein Kanoneneinschlag hallte er an den bemoosen Mauern zurück und geschulte Augen vermochten ein leichtes Zittern der Statue zu erkennen, als ein Leib wie ein nasser Sack Kartoffeln auf den Boden prallte und eine ganze Weile lang herum kugelte. Mit einem weiteren schweren, dumpfen Geräusch kam Andvaris Leib zum Stehen und nichts als ein Stöhnen entrang sich seiner Lippen. Seine Arme waren gebrochen, so viel ließ sich sagen. Eines seiner Beine mit Sicherheit auch, bedachte man den Winkel, in dem es abstand. Und seinem Brustkorb nach zu urteilen, der sich nur schwerlich hob und senkte, waren sämtliche Rippen zu einem Brei zerquetscht. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt, es sei eine schlechte Idee ohne Aura zu springen. Und sie hatte Recht behalten.
      Andvari konnte die Augen nicht öffnen aber er hörte die Stimme unter dem dumpfen Rauschen seines Kopfes. Eine Stimme, die er vermisst hatte. Doch nicht einmal die Kälte in seiner Brust ließ zu, dass er ihren Namen sagte. Er konnte es schlichtweg nicht.
      Indes hatte sich Sylvar in dem Moment in Bewegung gesetzt als er Violas Aufschrei gehört hatte.
      "Nicht, dass ich viel dazu beitragen könnte", murmelte er und eilte heran, den Stock beinahe vergessend. "Was ist denn hier-"
      Ein erschrockener Blick glitt zur Heilerin, die gerade auf den Brustkorb ihres Liebsten drückte. Alleine an den Bewegungen ließ sich erkennen, dass die Knochen nicht mehr Knochen waren.
      "Heiles Elchblut, sofort aufhören!", rief Sylvar. "Nicht anfassen!"
      Eilig trat er an ihre Seite und sah auf den geschundenen Leib seines Bruders hinab.
      "Das Gift ist zumindest eingedämmt. Viel wichtiger ist jedoch: Andvari hat einen Lichtsprung durchgeführt. Und das ohne den Schutz seiner magischen Aura. Ich vermute, dass er aufgrund einer Schwächung nicht mehr in der Lage war, beides aufrecht zu erhalten. Das heißt, sein Leib wird nur noch durch wenige Knochen aufrecht erhalten. Ein falscher Druck und du durchbohrst sein Herz mit einer Rippe. Geh davon aus, dass alles in seinem Leib Muß ist."
      Ruhig sah sich der Zauberer um, ehe ihm eine Idee zu kommen schien. Eine Idee, die mit dem Wasser zusammen hing, aus welchem Viola die Phiolen abgefüllt hatte.
      "In Ordnung. Eine Idee!", sagte er. "Schleif diesen Wahnsinnigen zum Wasserbecken. Du hast das Gift eindämmen können, aber gelöst wird es nur durch gezielte Behandlung. Um deine Aura mit Druck und Stärke durch den Leib fließen zu lassen, brauchen wir heile Knochen. Also wirf ihn in das Becken. Wichtig ist, dass du in der Sekunde, in welchem die Heilung einsetzt, deine Aura in ihn fließen lässt um das Gift weiterhin aufzuhalten. Danach überlegen wir uns wie wir es neutralisieren können."

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    • Erschrocken zuckte Viola zurück und nahm augenblicklich die Hand fort.
      Die Warnung aus Sylvars Mund ergab zunächst keinen Sinn, aber sorgte dafür, dass sich die Sorgenfalten tiefer in ihre Gesichtszüge gruben. Der verräterische Schimmer von zurückgehaltenen Tränen zeigte sich bald schon in den leuchtend, grünen Augen, die den verletzten Elf keine Sekunde aus den Augen ließen. Sie konnte sich kaum beherrschen und hätte beinahe die Worte des Elfenzauberers missachtet, um wieder an die Seite ihre Liebsten zuwerfen, der sich aus eigenen Kräften kaum aufrecht halten konnte. Sie traute sich nicht die Aura nach Andvari auszustrecken, um sich eine Bestätigung für den lebensbedrohlichen Schaden an seinem Leib zu holen. Die Ungewissheit fraß sie auf. Viola wurde mit jeder weiteren Silbe ein wenig blasser.
      Mit großen Augen starrte sie Sylvar schließlich an, als er seine Idee mitteilte und sie damit vor eine mühselige und gefährliche Aufgabe stellte. Beunruhigt wanderte ihr Blick zu dem schier endloses Säulengang, der zurück zum Ursprung der Quelle führte. Es machte Sinn, dass Sylvar seinen Bruder, der sich mit Müh und Not ans Leben klammerte, zur Quelle schaffen wollte. Dort war die Magie des Tempels am stärksten und konnte möglicherweise seine Wirkung beschleunigt entfalten. Aber der Weg dahin war lang.
      Zweifelnd sah sie den Zauberer an.
      Aber hatte Viola denn eine andere Wahl außer es zuversuchen?
      An Ort und Stelle warf die Heilerin den wärmenden Mantel ab, den sie bei den milden Temperaturen um Umrkreis des Tempels ohnehin nicht benötigte und ruschte erneut über den Steinboden zu Andvari. Prüfend warf sie einen Blick zu Sylvar, der ihr ermutigend zunickte.
      "Es tut mir leid, es tut mir leid...", murmelte Viola wie ein Mantra.
      Beherzt, da ein schleichendes Zögern Andvari nur unnötige Schmerzen zufügen würde, griff sie unter seine Arme und stemmte sich auf den Füßen hoch. Mit sämtlichen Knochen im Leib zertrümmert, bestand keine Chance auf eine Mithilfe von Andvaris Seite. Die zierliche Frau begann den langen, mühseligen Weg durch den Säulengang und schleifte die schwere Gestalt des Elfen mitsich. Bereits nach wenigen Meter protestierten alle Muskeln in ihren Armen und im Rücken gegen die Last und die gekrümmte Haltung. In ihrem Griff stöhnte Adnvari gequält und wurde irgendwann ganz still, als die Bewusstlosigkeit ihn empfing. Es war besser so.
      Viola wusste nicht, wie lange sie für den Rückweg zum Ursprung der heiligen Quelle benötigte, aber ihre Lungen schmerzten und der Schweiß stand ihr auf der Stirn, perlte ihren Nacken und Rücken herab, als sie Andvari endlich im Rand der Quelle niederlegte.
      Sie nahm sich Zeit um die Gliedmaßen zu begutachten, die durch die Krafteinwirkung seltsam verdreht und unförmig aussahen. Bei dem Anblick würde ihr speiübel, denn sie hatte gespürt wie die Knochen unter ihren Fingern einfach nachgegeben hatten als besäßen sie keinerlei Struktur mehr. Da er kein Hemd trug, konnte sie die eingedrückten Stellen in seinem Brustkorb gut erkennen.
      "Es wird dir wieder besser gehen. Das verspreche ich dir."
      Eilig streifte Viola den unnötigen Balast aus Kleidung ab, erst das Kleid, die gefütterten Unterschichten und dann die Stiefel, bis sie kaum mehr als ein zartes Hemd trug. Im Wasser würde sich eh alles vollsaugen und die Prozedur erschweren.
      "Ein kleines Stückchen noch...",wisperte sie nah an seinem Ohr.
      Sie schob und zerrte ehe sie Andvari samt der wenigen Kleidung, zumindest eine Hose, die er trug über den Rand der Quelle beförderte. Als sein Kopf unter Wasser glitt, war sie bereits selbst ins Wasser gestiegen und führte ihre kleinen Hände an seinen Nacken, vorsichtig und das Genick schonend, um ihn zurück an die Oberfläche zu holen. Der Wasserspiegel reichte ihr bis knapp an die Brust und so lehnte sie seinen Hinterkopf gegen ihre Schulter.
      Die erhoffte Heilung setzte beinahe unverzüglich ein.
      Viola spürte die Magie, die ihre Adern durchströmte und ihre Haut wie Wassertropfen benetzte.
      Behutsam legte sie eine Hand über seine Augen und schloss die Eigenen. Die Heilerin konzentrierte sich ganz auf die friedliche Geräuschkulisse der Quelle, ließ die Kräfte ihre Adern durchströmen und wusste instinktiv um den richtigen Zeitpunkt. Ein Ruck fuhr durch den Leib des Elfen, als Knochen quälend langsam begannen sich neu zuformen. Sie sah nicht, wie ein bläulich schimmerndes Licht vom Grunder Quelle aufstieg und sie beide umfing. Es war die Sekunde, in der Viola ihre Aura freisetzte und durch seinen zerbrochenen Körper leitete. Sie spendete Wärme, Schmerzlinderung und versiegelte das Gift in seinen Adern. Viola kapselte die tödliche Substanz ab und dämmte die Verbreitung ein, während ihr Atmung vor Anstrengung stoßweise über ihre Lippen kam. Der korrumpierte Magiekern in ihrer Brust pulsierte und ächzte unter der Belastung, die er kaum aushalten konnte. Die Schatten zogen sich sekündlich enger um die Quelle ihrer Kräfte.
      "Halt durch, mein Liebster..." wisperte sie. "Nur noch ein bisschen. Ein kleines Bisschen. Ich weiß, es schmerzt, aber es ist bald vorbei. Versprochen. Verzeih mir, verzeih mir,..."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • I'll be reborn, no matter how many times
      I'll go beyond the sky I gazed at
      I grasped it tightly, inside the palm of my hand
      Where there was hope


      Noch immer war seine Welt unendlich friedlich.
      Der große des Elfen war erschlafft in Violas Armen und musste einiges an Gewicht beherbergen. Doch er hörte und sah es nicht. Das Gift hatte sein Herz beinahe erreicht und seinen Leib schnell ertauben lassen. Doch hier, in dieser unsäglichen Dunkelheit seines Verstandes, fühlte er das erste Mal seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, wahrlich Frieden. Das Rauschen und Brummen war zu einem kurzweiligen Hintergrundgeräusch verkommen und hatte sich hinter einem Vorhang aus Erinnerungen versteckt, die er nur allzu gern durchlebte. Da war die Zeit mit seiner kleinen Familie. Mit dem Mädchen das mit Steinen sprach. Feanore. Ja, so musste sie geheißen haben, nicht wahr? Und da war Viola. Das Menschenmädchen, dem er in den brutalsten Wirrungen des Krieges begegnet war. Und die er liebte, ja. Doch wer war der Junge dort? Er sah friedlich aus und hätte so merkwürdige Locken. Rot. Nein, eher rötlich. Vielleicht auch gar anders. Ach wie schön...
      Da war ein Haus, eine Hütte vielmehr. Gebaut aus Holz, seinem Lieblingsholz. Da stand es, bräunlich und fein gezimmert aus Weidenholz, das im Sonnenschein zu glitzern schien. Also war es ihm gelungen, eine Freudenweide zu fällen. Wie überaus überraschend. Da war Viola mit ihrem Kräutergarten, der so merkwürdig roch. Und da war er, Andvari, den man hier nur als Zimmermann kannte. Andvari sah sich selbst in einem Meer aus Wärme auf dem Dachbalken sitzen und eine Schindel ausbessern. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er hatte die Kriegermähne gegen kurze Haare eingetauscht. Die Narben des Krieges waren verblasst und gingen unter dem Geschrei des Jungen unter, der um das Holz herum tollte.
      Ach wie schön...Und friedlich...
      Beinahe war ihm, als müsste er nur dorthin gehen. DIe blutigen Rüstungen ablegen und das Schwert begraben und dieses Leben annehmen. Wie glücklich würden sie sein? Wie überaus glücklich...Er fühlte sich fast als würde er schweben.
      Wie auf Wasser...
      "...es schmerzt, aber es ist bald vorbei. Versprochen. Verzeih mir, verzeih mir."
      Was war das? Wer sprach dort? Und warum störte man ihn wenn er gerade zu Viola und seiner Familie gehen wollte?! Wie konnte diese Stimme, diese unliebsame Ding es wag-
      Schmerz.
      Betäubend wie ein Blitzschlag und allumfassend wie ein glühendes Kohleeisen, das man seine Venen hinein führte, umschloss sein Gehirn und ließ ihn selbst in dem halbtoten Zustand rote Blitze vor Augen sehen. Mit einem gequälten Laut stöhnte er in Violas Armen auf, als sich der Brustkorb mit einem übermäßig lauten Krachen und Knirschen zusammen setzte. Seine Beine, vormals verbogen und verkrümmt, drehten sich im Wasser wieder in die Ausgangslage und durch Violas Magie glitten die Knochen wie Spielsteine wieder zusammen, jedoch nicht ohne schmerzhaft die Nerven wieder zu verbinden.
      Es dauerte eine Ewigkeit. Eine unendliche Ewigkeit, in denen der Elf sich in Violas Armen wand und schmerzvoll stöhnte. Die Hände griffen ins Leere und fassten nach dem Wasser, auf der Suche nach einem Halt, als sich die Organe wieder an die richtige Position setzten.
      "Achte auf deinen Aurafluss und zieh dich rechtzeitig zurück", mahnte Sylvar die junge Heilerin. Er selbst war nahe der Quelle nieder gekniet und sah Viola sorgenvoll an. Andvari wurde wieder, aber die Heilerin übernahm sich. "Wenn du deinen Magiekern zersetzt, kann ich dir nicht mehr helfen. Es ist genug. Lass ihm den Rest zur Selbstaufgabe. Wenn das Licht wieder Einzug hält, kann er die wenigen Knochen selbst heilen."
      Erst jetzt, nach einer Ewigkeit der Schmerzen, öffnete Andvari die Augen und sah das erste Mal eine Decke mit Moosbewuchs und den Geruch nach frischem Gras und seinem eigenen Blut.
      "Wo...Wo bin ich...", wisperte er. "Val..."

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    • Das Leben kehrte in den geschundenen Leib zurück, den Viola mit aller Macht fest umklammerte. Beruhigendes Flüstern vermischte sich mit dem Plätschern der aufgewühlten Quelle, als Andvari versuchte aus den Armen zu entkommen. Unter dem Arm, den sie fest um seinen Torso geschlungen hatte, positionierten sich die Rippenknochen ächzend und mühselig neu. Der Brustkorb wölbte sich mit einem Ruck um den erdrückten Lungen den benötigten Raum zu geben. Kaum kehrte das Gefühl in die vormals gebrochenen Beine zurück, begann der Elf damit im Nichts der Quelle zu strampeln. Der Herzschlag pulsierte viel zu schnell unter ihrer Hand, doch sie konnte nicht einfach aufhören. Noch nicht.
      Viola löste die Hand von seinen Augen, die unter ihren Fingerspitzen wieder vollständig normal aussahen bis auf die feinen, durch den Druck geplatzten Äderchen, die das Weiß des Augapfels trübten. Orientierungslos glitt der Blick der bernsteinfarbenen Augen zu der moosbewachsenden Decke des Tempelgewölbes. Sachte griff sie nach seiner Hand, die nach Halt im Wasser der Quelle suchte.
      Besorgt drückte sie ihre Lippen gegen die Knöchel seiner zitternden Finger und murmelte weiter zärtliche, tröstliche Nichtigkeiten. Sie hasste es, Andvari die Qualen zu bereiten, aber es war nunmal nicht zu ändern. Viola sehnte denTag herbei, an dem der Krieg hinter ihnen liegen würde. Sie wusste nicht, wie oft sie es noch ertrug den Mann, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben, zusammenflicken zu müssen.
      Mit gespitzten Ohren lauschte sie den Worten des Elfenzauberers, der unmittelbar hinter ihr am Rand der Heilquelle ausharrte und tatenlos mitansehen musste, wie ein Bruder unvorstellbare Schmerzen litt. Viola nickte und begann ihre Aura auf seine Anweisung hin aus Andvaris Leib zurückzuiehen. Langsam, gleichmäßig um seinen Körper nicht in einen neuen Schock zuversetzen sobald er auf sich allein gestellt war. Die Erleichterung, Andvaris Stimme endlich zuhören, endete in einem neuen Rätsel.
      Val?
      Viola zog die Augenbrauen fragend zusammen und kam nach ein paar Augenblicken zu dem Schluss, dass es Schmerzfantasien sein mussten. Das Dilirium musste seinen Körper noch nicht vollständig freigegeben haben und brachte Erinnerungen zu Tage, Geschichten, die Viola ihm in der Stille eines kleines Häuschens am See anvertraut hatte.
      "Schh, schh...es ist alles gut. Bald ist der Schmerz vorbei, ich verspreche es. Du hast es zum Tempel geschafft, mein Herz. Dein Körper ist schwach, aber die Quelle wird dich heilen. Bleib wach. Bleib bei mir. Schh, sch..."
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    • Mit jeder Myriade von Aura, die seinen Leib verließ, kehrte der Schmerz zurück.
      Als zöge man einen brennenden Draht aus seinen Venen, stöhnte der Elf unter Schmerzen auf und versuchte, die blutunterlaufenen Augen gen Himmel zu richten. Dort, wo die wilden Ranken wuchsen und die Unendlichkeit in ihren grünen Händen hielten. Dort, wo die Welt sich nicht in einem Meer aus Rot und Weiß verging. Knochen für Knochen riss sich aneinander und verschmolz wieder zu einer Grundform, die einem Leib ähnlich wurde.
      Erst nach weiteren quälenden Minuten beugte sich Sylvar durchscheinend in ddas Sichtfeld des Prinzen und Erkennen blitzte auf seinem Gesicht auf.
      "Syl...var...", wisperte er und wollte schon nach ihm greifen, doch der Zauberer zog sich zurück und nickte.
      "Das sieht gut aus, Viola", sagte er und sah sie an. "Sehr gut. Lass ihm noch eine Minute und dann hinaus mit ihm aus der Brühe. Der Rest muss ohne magische Hilfe heilen. Wir müssen uns um dieses vermaledeite Gift kümmern."
      Ohne darauf zu achten, ob die junge Heilerin seiner Aufforderung nach kam, glitt der Zauberer in Richtung des Schreins und begann, sachte für sich zu murmeln. Ein Gift, ein Gift, ein merkwürdiges Gift.
      Grummelnd und murmelnd waberte er hin und her und tippte sich mit der Hand ans Kinn, während der Stock hinter ihm her schwebte wie eine vergrämte Geliebte.
      "Gift...Gift...", hauchte er. "Vermutlich Mondschatten, nicht wahr? Es wäre effektiv. Vielleicht aber auch Sonnenkraut. Vielleicht ist es auch Alraunenrotz, wer weiß schon, was diese Undinger mit ihm gemacht haben...Himmel und Bäume, wir bräuchten einen Hinweis..."
      Erst dann sah er zu Viola und musste zumindest anerkennend feststellen, das sie die wuchtige Gestalt des Elfen aus dem Wasser gehoben hatte. Eilig glitt der Elf wieder an ihre Seite und besah sich der Einstichstelle.
      "Sylvar...", wisperte Andvari und sah ihn überrascht an.
      "Nun mal nicht so sentimental Brüderchen", grinste der Zauberer. "Ja, ich bin es. In vollem Saft und brillantem Hirn und nun tu mir den Gefallen und lass die Erwachsenen spielen. Du senkst die Konzentration des ganzen Areals nur mit deinem Atem. Ist das Knoblauch, du Berserker?!"
      Andvari kicherte und ein Blutfaden lief aus seinem Mundwinkel.
      "Also...", begann der Zauberer und sah zu Viola. "Der schwierige Teil: Ein Gift einzudämmen, ist eine Sache. Wir müssen herausfinden, was es genau ist. Ich habe eine Vorauswahl getroffen, aber wir werden mit Kräutern und Magie arbeiten müssen, um der Lösung nahe zu kommen. Finde die Kräuter gegen Mondschatten und Sonnenkraut. Also Königskraut und Eisenwurz. Sie müssten draußen in der Umgebung des Tempels wachsen, aber ich habe keine Ahnung von dem Gestrüpp. Sie müssen zerstoßen und zu einer Paste verrieben werden, damit wir die Wunde reinigen und verschließen können. Und anschließend...Müssen wir mit deiner Aura den Mist aus seinen Adern saugen..."

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    • Vorsichtig bugsierte Viola den gebrochenen und wieder geheilten Körper zum Rand des Quellbeckens. Sie fragte sich im Stillen, wie oft sie Andvari noch zusammenflicken konnte, bevor selbst ihre Fähigkeiten an der Aufgabe versagten. Wann würde der Tag kommen, an dem es nichts mehr zu retten gab? Zuerst stemmte sich Viola aus dem kühlen Quellwasser und blinzelte die glitzernden Wassertröpfchen aus den Wimpern. Beherzt schob sie die Hände unter seinen Achseln hindurch und zog. Sylvar konnte der Heilerin nicht beistehen, also half allein rohe Kraft den Elf aus dem Wasser zu hieven. Mit geröteten Wangen ließ sich Viola neben Andvari auf die moosbewachsenen Steinplatten sinken und berührte liebevoll seine Gesicht um verirrte, nasse Haarsträhnen fortzustreichen. Beunruhigte wischte sie das feine Blutrinsal von seinem Kinn, dass sofort erneuert aus seinem Mindwinkel tröpfelte. Das war nicht gut.
      Mit einer bedrückten Miene beobachtete die Heilerin die Brüder, denen sie ein freudigeres Wiedersehen gewünscht hätte. Selbst für ein Wiedersehen auf Zeit hätte es schönere Gelegenheiten geben können. Viola machte sich keine Illusionen: Sylvar würde nicht ewig im Reich der Lebenden bleiben. Das hier war eine Ausnahme um einer verzweifelten Frau zu helfen.
      Widerstrebend sah sie den Elfenzauberer an, der sie schon bald wieder von der Seite ihres Liebsten fortschickte. Mit einem Kopfschütteln streichelte sie Andvari über die Wangen.
      "Ich kann ihn nicht alleine lassen...", wisperte sie und wusste doch, dass Andvari nur diese eine Chance hatte.
      Doch sollte es das letzte Mal sein, dass der Elf dem Tod von der Schippe springen konnte, wollte sie dem nicht im Weg stehen. Viola beugte sich vor und versiegelte die bleichen Lippen zu einem zarten Kuss, ungeachtet des metallischen Geschmacks von Blut. Ein bläulicher Schatten des Elfenblutes haftete an ihren Lippen, wie beim ersten Kuss, den Andvari im Delirium gestohlen hatte.
      "Nicht sterben, hörst du?", flüsterte sie.
      Flüchtig und in einer vertrauten Geste drückte sie ihre Stirn sanft gegen Andvaris. Dann stand sie auf.
      Mühevoll stemmte sich Viola wieder auf die Füße, zitternd und frierend, selbst angesichts des lauen Abends, der den Tempel umfing.
      "Königskraut und Eisenwurz...", murmelte sie. "Das sollte kein Schwierigkeiten machen. Immerhin wächst das Zeug beinahe überall. Bleib bei ihm bis ich wieder da bin. Versprich es."
      Viola ging erst, als sie Sylvar das Versprechen abgenommen hatte.
      Auf nachten Füßen eilte die junge Frau durch den imposanten Säulengang. holte erst ihre Ausrüstung und bog nach ein paar Metern plötzlich links ab, als sie zwischen den Säulen einen kleinen Weg zwischen überwucherten Mauerresten und Efeuranken entdeckte. Sie schob das Efeu bei Seite und hielt kurz den Atem an. Nach Einbruch der Nacht hatten sich unzählige Glühwürmchen um den Tempel versammelt. Zu hunderten schwirrten die leuchtenden Käfer durch die Dunkelheit und Viola verspürte den unschuldigen Wunsch, Andvari das Spektakel zu zeigen. Andvari...Die Heilerin besann sich und betrat das weiche Gras unter den Bäumen. Es dauerte nicht lange, bis sie das Königskraut am Fuß einer knorrigen Weide entdeckte, deren lange Zweige bis in den friedlichen Bauchlauf reichten und dort sanft im Wasser trieben. Mit einer kleinen Sichel schnitt sie das Kraut ab und ließ alles soviel die Natur entbehren konnte in ein Glas wandern, dass sie sorgfältig zuschraubte. Eisenwurz fand sie am Ufer des Baches zwischen den feuchten Steinen. Auch das stopfte sie in ein Glas.
      Als sie zu Sylvar und Andvari zurückkehrte, war das Unterkleit mit dunkelgrünen Grasflecken und Erde übersät.
      Sie ließ sich an der Seite der Männer nieder, ungeachtet des rauen Steines der über ihre Schienenbeine schrabbte. Gewissenhaft bearbeitete sie die Kräuter nach der Anleitung des Zauberers und fügte aus ihrem eigenen Bestand eine betäubende Substanz hinzu. Welche Prozedur sie unter den wachsamen Augen von Sylvar auch durchführen sollte, würde nicht schmerzlos vonstatten gehen. Mit geschickten Fingern verteilte sie die Paste über dem hauchdünnen Einstich, den Viola fragend betrachtete.
      "Was für eine Waffe hinterlässt eine so kleine Wunde? Kein Pfeil, das ist sicher", grübelte sie, dann sah sie Sylvar an. "Was muss ich tun?"
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    • Write of my journeys and fights back to back
      Sing of my deeds and my glories
      Hide all the things that are burning my heart
      Deep down devouring my soul of black
      Until I will confess and redeem
      To the last arcane king

      [Elvenking - Voynich]



      Andvari war schwach.
      Schwach und er fror, was er normalerweise nie tat. Niemals ließ ihn ein Wind frösteln oder gar der Schnee erzittern. Doch jetzt, im Moloch seiner eigenen brennenden Lunge und den noch immer heilenden Knochen, war ihm kalt. Und auch der Kuss, der sich so zärtlich und lang ersehnt auf seine spröden Lippen legte und ihn an das erinnerte, was er verloren hatte, half ihm nicht zur Wärme. Er wollte mehr dieser lauschigen Wärme genießen und hätte beinahe nach Viola gegriffen, doch seine Arme wollten sich nicht bewegen oder gar heben.
      "Nicht...sterben", wisperte er lächelnd.
      Dann war sie fort. Hinweg gegangen, um Sylvars kryptische Anweisungen zu befolgen, der der jungen Frau kurz hinterher sah und zu seufzen begann. DIe Schritte des Geistes ließen sich kaum wahrnehmen, glichen eher einer sanften Brise, als er näher an den Körper seines Bruders trat und sich neben ihm niederließ.
      Die Nacht umfing den Tempel wie ein eiserner Teppich aus tiefem Schwarz, der sich über die Lande legte. DIe Nacht blieb zwar ruhig, aber dennoch schien nichts dem dräuenden Ungemach zu entrinnen, was die Erhabenheit des Tempels umfing. Viola war gerade entschwunden, da sah Sylvar zu ihm hinab.
      "Sie ist fort", sagte er eisern.
      Und Andvaris Leib erschlaffte. Schmerzen schossen in seine GEdanken und ließen ihn sein Gesicht in Pein und Agonie zu einer Maske verzerren, was er mit einem beinahe stummen Stöhnen untermalte.
      "Ich habe ihr nicht gesagt, dass du offensichtlich lebensmüde bist...", murmelte Sylvar.
      "Bin ich...nicht...", wisperte Andvari und sah zu seinem Bruder.
      "Sie hat mir von Faolan erzählt", murmelte Sylvar. "Wenn du meinen Rat willst: Nimm den Handel an."
      Einen Moment lang herrschte eine bedrückende Stille, ehe Andvari seufzte und unter Stöhnen versuchte, sich aufzurichten. Und scheiterte. Wie ein nasser Sack senkte sich der Leib wieder ab und der Elf versuchte die Schmerzen zu ignorieren.
      "Wenn ich es tue...Tötet er alle."
      "Vermutlich ja", nickte der Zauberer und stützte sich auf seinen Stab. "Vielleicht auch nicht. Vielleicht hält er auch sein Wort. Wir beide wissen, dass er Vater am liebsten an ein Kreuz genagelt sehen würde. Aber du...Du hast hier etwas, Andvari. Du musst nicht mehr zurück in diese Hölle..."
      "Du meinst...sie..."
      Sylvar nickte.
      "Sie geht die lange Meile für dich, Bruderherz", sagte er und lächelte. "Ich glaube, sie würde alles für dich geben und du willst dich in die Wirrungen des Elfenreiches stürzen? Wenn du hier ein friedliches Leben haben kannst?!"
      "Wie friedlich...wäre es...wenn Faolan...an die Macht kommt...?"
      "Ihr hättet Zeit vor euch. Gute, einfache Jahre. UNd nicht einen Krieg, der euch alle übermannen wird. Du hast keine Ahnung, wozu Faolan fähig ist, wenn er einmal wütend wird..."
      Sylvar wollte weiter sprechen, doch da schoss bereits Viola wieder in den Tempel und bereitete unter findigen Händen eine Paste zu. Wahrlich, diese Frau hatte Talent als Heilerin und Kräuterfrau. Was hätte sie für eine Heilerin unter der Anleitung der Weißen Hand werden können?
      Als sie die Paste verstrich, zuckte Andvari zusammen und wand sich ein wenig.
      "Das ist normal", beruhigte Sylvar sie beide. "Die Kräuter reinigen und die Betäubung war nichts minderes als grandioses Geschick, meine Liebe."
      Er nickte anerkennend und man konnte Andvari beinahe anmerken, dass er sofort ruhiger wurde, als die Substanz auf seiner Wunde zu wirken begann.
      "Eine Nadel, wie ich vermute"; sagte Sylvar und sah seinem Bruder ins Gesicht. "Es ist Zeit, Viola. Er wird grau. Was du tun musst, ist nichts anderes als ein Frevel und ein Sakrileg unter Zauberern und magischen Wesen. Und es wird schmerzhaft für ihn sein. Ich möchte, dass du deine Aura öffnest und sie mit seiner verbindest,. Ich möchte, dass du aktiv nach seinem Kern greifst und mit der rechten Hand deine Aura und seine Verbindest. Anschließend zieh sie heraus. Das wird weh tun und für ihn eine blanke Qual sein, aber es geht nicht anders. Schütte deine Aura wie ein Glas Wasser in ein Fass hinein und aktiviere die heilende Wirkung. Suche, was zusammen gehört. Die Linke hältst du hier rein..."
      Sachte wies er auf einen kleinen Krug, der mit Wasser des Tempels gefüllt war.
      "Das Wasser besitzt magische Energie. Binde die Aura deiner Linken an diesen Krug und lass seine Aura von deiner Rechten in deinen Kern fließen. Mit der Linken ziehst du das Wasser hinein und reinigst die Aura damit von dem Gift, das ihn befällt. Es ist ein zweischneides Schwert, aber es wird funktionieren. Einerseits wird das Gift aus seiner Aura gezogen, sodass er sich selbst heilen kann und gleichsam ziehen wir den Schatten aus deiner..."
      Ruhig sah der Zauberer die Heilerin an und seufzte.
      "ich will ehrlich sein: Es wird dich an deine Grenze bringen", sagte er kalt. "Es wird dich dem Tode nahe kommen lassen, aber egal was geschieht: Umarme das Gefühl, das sich in dir regen wird. Der Leib will nicht sterben und wehrt sich mit Emotion und Lebenskraft. Umarme diese und blockiere sie nicht. Kontrolliere sie nicht. Lass sie einfach fließen. Egal, was geschieht, lass den Fluss fließen und umarme Meriels Macht."

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    • "Eine Nadel?", wiederholte Viola flüsternd. "Ein Übergriff im Schlaf..."
      Eine versteckte, filigrane Waffe wie eine Nadel sprach für einen Attentäter, der seinem Opfer verborgen im Schatten auflauerte. Viola wusste, dass Lucien sich Sorgen um die hinterlistigen Spinnen der Comtesse gemacht hatte. Insgeheim hatte die Heilerin gehofft, dass die machtgierige Adlige nicht bei der ersten Gelegenheit zuschlug. Diese Frau schreckte eindeutig vor nichts zurück, auch nicht vor dem Zorn ihres Kronprinzen, der während sie um Andvaris Leben kämpften, im Herz des Rates vor Wut tobte. Da betrat der Elf das erste Mal in seinem Leben das Herzstück des Königreiches und entkam schon nach wenigen Tagen bereits einem hinterhältigen Angriff. Es war knapp, aber noch atmete Andvari und das gab Viola die dringend benötigte Hoffnung.
      Aufmerksam lauschte die Heilerin den Anweisungen, die ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken jagten. Viola sollte den Mann, den sie liebte an die Schwelle des Todes treiben, um ihn zu retten. Dass sie sich dabei zu ihm gesellte, machte der jungen Frau weniger Angst, als es vielleicht sollte. Ewigkeiten schien es her, dass sie Sylvar verzweifelte Worte regelrecht ins Gesicht geschleudert hatte: Andvari war alles, das ihr geblieben war. Helena war glücklich in ihrem Leben als Ehefrau. Sie hatte den Soldaten geheiratet, der ihnen die Flucht zu Anfang ihres Abenteuers ermöglicht hatte. Viola wusste auch, dass ihre Freundin ein Kind erwartete. Aus diesem Grund hatte sie Helena nicht aufgesucht. Viola würde das Familienglück nicht zur Zielscheibe machen, weil sie in den Augen der Meisten den falschen Mann liebte.
      Besorgt und zweifelnd sah sie Sylvar an.
      Was der Zaubrer von ihr verlangte, war blanker Wahnsinn und sie fürchtete sich vor dem Geständnis, das ihr förmlich auf der Zunge lag.
      "Ich habe das schon einmal gemacht", flüsterte Viola. "Als Lhoris mich in Beleriand vor den Schatten fortzog in den Fluchttunnel. Ich habe mich an seine Aura geklammert, um Verletzungen tief in meinem Körper zu heilen und ich tat es ein zweites Mal um mich bei Lhoris zu revanchieren. Er hat mich schwären lassen, es nie wieder zu tun. Den Blick in seinem Gesicht werde ich nie vergessen. Furcht und Abscheu. Wenn Andvari mich nach alldem hier auf diese Art ansieht...das könnte ich nicht ertragen."
      Aber er würde leben.
      Viola nahm einen tiefen Atemzug und veränderte die Position neben Andvari. Vorsichtig bettete sie sein Haupt in ihrem Schoß und streichelte zart über das aschfahle Gesicht. Mit einem letzten gestohlenen Augenblick sammelte sie alle Courage, die sie besaß und legte ihre Hand behutsam auf Andvaris Brust, die sich beinahe kaum noch anhob.
      "Sylvar? Wenn ich ihn damit töte, bemüh dich nicht mich zurückzuholen. Versprich es mir."
      Sie wartete, kostbare Sekunden, bis der Elfenzaubrer widerwillig sein Wort gab.
      Viola senkte den Blick auf Andvari. Sie hätte alles gegeben, das Vertrauen und die Zuneigung in seinen bernsteinfarbenen Augen zusehen, doch seine Lider waren gesenkt.
      "Ich liebe dich. Vergib mir."
      Gehorsam schloss die Heilerin ihre Augen und tauchte ihre linke Hand in das Gefäß mit dem Wasser aus der heiligen Quelle. Sie spürte die Verbindung zu ihrem Erbe sofort. Die Magie kribbelte unter ihren Fingerspitzen und hielt ihre Hand in einem sanften Griff. Viola konzentrierte sich auf ihre Atmung und pendelte sich dabei auf einem gleichmäßigen, tiefen Rhythmus ein. Es vergingen endlose Sekunden in denen nichts geschah, dann fielen die Mauern und Blockaden um ihre Aura. Die eigentümliche Kraft des heiligen Tempels begrüßte die verlorene Tochter mit einem seichten Puls, der die losen Kieselsteinchen um die Quelle vibrieren ließ. Bestimmend drückte Viola die Fingerspitzen ihrer rechten Hand gegen die kalten Haut des Elfen, als wollte sie ihm direkt in den Brustkorb greifen. Warm strömte ihre Aura durch ihre Finger unter die Haut des geschwächten Elfenprinzen. Hinter ihren geschlossenen Augenlider erspähte Viola ein beinahe erloschenes Licht, wie eine Kerze, die sich gegen die Gewalt eines Sturmes auflehnte. Andvaris strahlende Aura, das gleißende und warme Licht starb. Viola gab die Zügel aus der Hand und griff nach dem Licht.
      Ein siedend heißer Schmerz glühte ihren Arm hinauf während sie unnachgiebig aber mit einem sanften Flüstern ihrer Magie Andvaris Aura an sich zog. Viola wimmerte ob des Gefühl das ihr Arm in Flammen zu stehen schien. Unter ihrer Hand verkrampfte sich der vom Gift gebeutelte Leib des Elfen, zuckte und wandte sich, um dem Eindringling zu entkommen.
      Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn und der Schmerz hinter ihrer Stirn explodierte, als sie gleichzeitig die Kräfte der Quelle zu ihrem eigenen Aurakern beschwor. Die doppelte Belastung zerrte an ihrem Bewusstsein und trieb Viola an die Grenze ihres Verstandes. Der Schmerz war so allgegenwärtig. Lediglich unterbewusst verstand die Heilerin, dass es nicht nur ihr eigene Qual war. Während sich Faden um Faden zwei Auren verwoben, spürte Viola den Schmerz ihres Gefährten am eigenen Leib.
      Viola sackte nach vorne und krümmte sich unter einem furchtbaren Krampfanfall, der ihr die Luft aus den Lungen drückte. Der Schmerz machte sie beinahe ohnmächtig.
      "Sylvar... Ich kann nicht...", presste sie zwischen den Zähnen hervor.
      Tränen perlten über ihre Wangen während unaufhörlich Andvaris getrübte Aura und die Magie der heiligen Quelle in ihren Körper flossen. Wie bei einem Bachlauf benötigte der stetige Zufluss kaum Hilfe, sobald er einmal einen Weg gefunden hatte.
      "Es ist nicht genug...Platz", wimmerte sie, weil ihr kein besserer Vergleich einfiel.
      Sie konnte nicht atmen, als wäre nicht genug Raum in ihrem Brustkorb dafür. Die plötzliche Angst überkam sie, dass der Druck ihr einfach die Rippen von Innen heraus brach. Viola öffnete die Lippen zu einem stummen Schrei reinster Qual und voller Angst, doch der Fluss der Auren ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Heilerin zitterte am ganzen Leib bis sie sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Als hätte einer die Fäden um ihren Körper zerschnitten, sackte Viola in sich zusammen und kauerte sich neben Andvaris Kopf zusammen. Dabei blieben ihre Hände verzweifelt in Position, ganz von allein, vom Zug der Auren festgehalten.
      Kein Schmerz ihrer Erinnerung übertrumpfte das Gefühl in Flammen zu stehen und gleichzeitig innerlich zerbersten. Der eigene Herzschlag klang in ihren Ohren schrecklich schnell mit einem seltsamen Doppelton. Andvaris panisches Herz schlug und kämpfte im selben Rhythmus wie ihr eigenes.
      "Ich kann nicht...Ich kann nicht."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Das Gesicht des Zauberers war selbst in diesem Dämmerlicht und in seiner grellen, durchscheinenden Gestalt gräulich, als er sich erhob und an ihre Seite trat.
      "Ich werde dich nicht zurückholen müssen", sagte er bestimmt und schwach lächelnd. "Es wird grausam, es wird anstrengend. Aber du wirst es schaffen, Viola de Clairmont. Du musst es schaffen, also wirst du es auch."
      Denn das ist die Eigenart der Menschen, dachte er bei sich und sah zu Andvari, der sich mit wachem Blick nach den beiden umsah und seufzte. Das würde schmerzhaft. Sehr schmerzhaft sogar. Und selbst der Elfenfürst wusste, dass sie keine Wahl hatten. Er spürte das Gift an seinen Adern arbeiten und wie es sich durch die Organe fraß. Selbst mit Violas Künsten und dem heiligenden Wasser wirkte es beinahe merkwürdig aggressiv, so als warte es nur auf Heilung.
      Also nickte Andvari nur und beschloss, nichts weiter zu sagen. Ihre Angst war berechtigt, aber unbegründet. Wie könnte er die Frau, mit der er so viel Gutes verband, derart abwertend ansehen? NIemals hätte er das fertig gebracht.
      Als es begann, glich es einem Sturm.
      Kerzengleich stemmte sich das Licht seiner Aura gegen die allgegenwärtige Finsternis des Giftes, das ihn umfing. Und doch...Mit dem Einsetzen der Verbindung, die Sylvar scheinbar genauso argwöhnisch wie ängstlich beobachtete, riss es Andvaris Brust regelrecht auf. So angenehm die Verbindung ihrer Auren einstmals gewesen war, so schmerzhaft war sie jetzt. Als griffen Flammenfinger nach Reisig in seiner Brust, entfachte sich ein Feuer von Schmerzen, denen er nicht mal nachgeben konnte. Nicht ein Schrei konnte seine Lungen verlassen, da keine Luft darin war, um auch nur ansatzweise ein Geräusch von sich zu geben. Mit stummen Schmerzensschreien riss er Augen und Mund auf, um hilfesuchend das Blau des Himmels zu suchen. Jedoch fand er nur das Graue des Tempeldachs, das ihn freudlich empfing.
      "Du kannst!", rief Sylvar über das Zucken des Elfen und Violas wimmernden Schmerzen hinaus. "Du kannst und du wirst! Halt die Verbindung, es wirkt!"
      Tatsächlich schien die Aura von Andvari das Wasser, die heilende Kraft, beinahe wie ein Schwamm aufzusaugen. So schnell und so sehr, dass der Geist fürchtete, es sei nicht genug vorhanden.
      Auf Violas Anmerkung konnte er nichts genaues sagen. Es war nur allzu verständlich. Zwei Auren in einem Körper glichen einem Bombenanschlag auf die Psyche. Dass sie nicht sogleich dem Wahnsinn anheim fiel, zeugte davon, dass sich der Zauberer nicht geirrt hatte, als er sie zu Lebzeiten hatte zaubern sehen. Da war ein "Mehr" in Viola. Und das galt nicht alleine Meriel.
      Es brauchte noch ein wenig. Noch ein bisschen, bis...
      "JETZT! HINFORT MIT DIR!", schrie der Geist und mit einer Bewegung seiner Hand setzte er den Wind in Bewegung.
      Mit einem Scheppern wurde der Eimer mit dem Wasser umgestoßen und die Aurenverbindung getrennt. Er konnte nur hoffen, dass Viola sich rechtzeitig aus der Schussbahn geleiten konnte, denn Andvaris Körper erreichte den gewollten Zustand.
      Lichtmagie war so ein Ding, dachte Sylvar besorgt.
      Sie griff an und heilte. Und Andvari hatte nie die Heilung genutzt, außer wenn er angreifen wollte. Also musste man sie nur dazu bringen, das als Feind zu betrachten, was nicht in den Körper gehörte. Dafür musse sie aber intakt sein! Zumindest eine Weile lang hatte sie das Wasser gebraucht, um die eigene Aura zu stärken und jetzt hob sich der Körper des Elfen wie von Geisterhänden an.
      In dem Moment, in dem sich die Aura löste begann das Licht aus seinen Augen und seinem Mund strahlengleich in Richtung der Decke hervor zu schießen. Mit einer Urgewalt von Schrei, der den gebündelten Schmerz der letzten Stunden beinhaltete, riss es Andvari in die Höhe und hinterließ schwarze Rußflecken an dem Stein, der schlussendlich unter dem Druck des Lichtstrahls nachgab und in der Hitze verglühte. Aus Gelb wurde Weiß und wurde Ruhe nach einer Zeit.
      Erst dann sah Sylvar zu seinem Bruder und grinste.
      "Das war großartig, Viola!", rief er. "Das war mehr als großartig! Das war brillant! Es hat funktioniert! Es muss. Prüf es. Schau nach. Greif nach seiner Aura und versuche das Gift zu erspüren. Es sollte vergangen sein."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Die plötzliche Windstoß fegte nicht den Eimer mir Quellwasser um, sondern beförderte auch Viola ein gutes Stückchen von Andvari weg. Wie eine leblose Strohpuppe stieß es die Heilerin zur Seite, die regungslos mit dem Gesicht nach unten liegen blieb. Obwohl sie bei Bewusstsein war, brachte die Frau nicht die nötige Kraft auf den Kopf anzuheben. Ein entkräftetes Stöhnen entglitt ihren Lippen und ihre Finger zuckten über den Steinboden des Tempels. Sie spürte die bröckelige Oberfläche kaum unter ihren Fingerspitzen, auch nicht die Kälte, die vom Stein ausging. Was sie spürte, war ein mächtiger und magischer Puls, der die selbst die großen Säulen in der Halle der Quellen erzittern ließ. Viola schnappte nach Luft, denn obgleich das Engegefühl in ihrer Brust verschwunden war, schnürte Magiepuls ihr beinahe augenblicklich wieder die Luft ab. Die verzerrte Aura der Heilerin und der überlastete Magiekern in deren Zentrum konnte dieser Urkraft kaum standhalten. Violas vernebelter Geist nahm dennoch eine Veränderung überdeutlich war: Die Schatten, die ihren Magiekern vergifteten, waren verschwunden. Sie fühlte, wie sich ein lang verlorenes Gleichgewicht wiederherstellte. Viola fühlte sich wieder ein wenig mehr, wie sie selbst.
      Erst der markerschütternde Schrei drängte die Heilerin dazu ihren Kopf zu heben. Das wundersame Schauspiel, das sich ihren Augen bot, raubte Viola den Atem und schürte gleichzeitig ein unermessliche Sorge. Hatte der Plan des Elfenmagiers funktioniert? Oder sah Viola gerade hilflos zu, wie ein sterbender Stern in der Dunkelheit der Nacht verglühte?
      Auf Händen und Knien kroch die erschöpfte Frau über den Stein bis fast an Sylvars Füße heran. Da war das Licht bereits verloschen und Viola wagte einen Blick in die Höhe. Von unsichtbaren Händen wurde Andvari in der Luft gehalten, doch sein Körper schien zur Ruhe gekommen. Ein Echo des Schmerzes hallte in Viola wieder, die sich an die Brust griff. Die Schatten waren tatsächlich fort. Viola ließ sich nach hinten fallen und blieb einfach zu Sylvars Füßen sitzen.
      Mit zusammen gezogenen Augenbrauen sah sie zu ihrem Freund und einstigen Mentor empor, der ihr ein weiteres Mal eine wichtige Lektion erteilt hatte. Kontrolle war nicht immer das Maß aller Dinge. Aber wie sollte sie über die Entfernung und ohne eine Berührung erfühlen, ob das Gift ihren Gefährten noch quälte?
      Viola zuckte kurz zusammen. Da spürte sie es.
      Eine Verbindung, kräftig und strahlend wie Andvaris Licht.
      Die Heilerin schloss die Augen und horchte tief in sich hinein bis sie ihren eigenen Herzschlag wahrnahm. Die mühseligen Herzschläge, durch die Anstrengung stark beansprucht, wurden von einem sehr ähnlichen Echo begleitet. Ein zweiter Rhythmus, der ihren im Einklang begleitete. Sie spürte Andvari mit jeder Faser ihrer Existenz. Das geknüpfte Flechtwerk ihrer Auren hatte sich nach der Trennung durch Sylvar nicht vollständig gelöst. Die Verbindung, die im Taumel der Lust und aus Leichtfertigkeit für wenige Augenblicke entstand, war nun zu einem festen Band verknüpft.
      Deshalb wusste die Heilerin, dass das Gift fort war. Das Sternenlicht hatte es geradezu aus dem Leib des Elfen gebrannt.
      Etwas holprig zu Beginn, doch mit jeder verstreichenden Sekunde sicherer, tastete Viola nach der Aura des Elfen. Sie verschaffte sich keinen erzwungenen Einlass sondern schmiegte sich behutsam an.
      "Du hast Recht", flüsterte Viola.
      Zum ersten Mal seit sie den Tempel wieder betreten hatte, erschien ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen. Ein Lächeln, das seit den wenigen Tagen in Beleriand und der damit verbundenen Illusion eines normalen Lebens niemand mehr gesehen hatte. Sie legte den Kopf weit in den Nacken und schlug die Augen auf.
      "Es hat wirklich funktioniert. Für einen Moment habe ich geglaubt, dass es unseren Verstand auseinander sprengt. Ich kann ihn fühlen Sylvar, als wäre ich direkt neben ihm."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • "HA!"
      Sylvars Jubelruf hallte von den Wänden des Tempels wider und der Zauberer stieß die Faust in die Luft.
      "Wer hätte gedacht, dass dies wirklich funktioniert, hahahaha!", lachte Sylvar und erhob sich seufzend.
      Wabernd wandelte er zwischen den bemoosten Wegen des Tempels zu seinem Bruder hin, dessen Körper noch in der Luft zu schweben gedachte. Diese Lichtrufer, dachte er, immer theatralisch bis zum bitteren Ende.
      "Es reicht jetzt, Bruder", murmelte er missbilligend.
      Just in dem Moment grinste Andvari und sein Leib fiel wie ein nasser Sack Kartoffeln und unter dem Stöhnen des Elfenprinzen zu Boden. Seine Knochen schmerzten ihm noch, aber sein Geist war klar und die Sicht ebenso, als er die Augen öffnete und an die immergrüne Decke des Tempels sah.
      "Holvars Arsch, war das ein wilder Ritt...", murmelte er.
      "Holvar ist einer unserer Götter", erklärte Sylvar bedächtig in Violas Richtung und sah dann zu Andvari. "Was sagt dein Leib? Hast du das Gift neutralisiert?!"
      "Mit Hilfe, ja", nickte er und sah schließlich zu Viola.
      Er hätte wütend sein können. Es vielleicht sogar müssen. Sie hatte ihn hintergangen, im Stich gelassen und sich einer Gefahrenmission unterworfen, ehe er auch nur nach einer Hilfe gefragt worden war. Doch jetzt, in dieser lauen Dämmerung und dem einfallenden Licht der untergehenden Sonne sah er Viola an und lächelte. Wie ein liebeskranker Elf nun einmal lächeln konnte. Nicht einmal ein Teufel hätte feststellen können, dass er einstmals zum Dienst am Schwert verpflichtet und ein gefürchteter General geworden war. Jetzt jedoch richtete er sich auf und drückte sich kraftvoll auf die Beine, die noch etwas wackelig waren.
      "Viola", wisperte er und tat behutsam ein paar Schritte, bis er die junge Heilerin erreichte.
      Sanft und unendlich langsam kniete er sich vor sie und griff nach ihrer Hand um ihr einen Kuss darauf zu hauchen.
      "Danke...", sagte Andvari langsam, ehe er sie ansah. "Wie geht es dir? Hast du dich übernommen?!"
      "Sie hat sich nicht übernommen, du Hornochse!", zischte Sylvar. "Und ehe ihr übereinander herfallt, lasst es euch gesagt sein: Wir haben wichtigeres zu tun und es gab einen Grund weshalb ihr hier seid..."
      Missbilligend sah nun Andvari zu seinem Bruder und vernichtete seine weiteren Worte mit einem einfachen Blick.
      "Bevor wir weiter machen...", begann er mit ruhiger Stimme. "Ich weiß, es ist merkwürdig und du wirst es mir schwerlich glauben, aber ich sah deinen Bruder, Viola. Val. Er war dort, bevor ich sprang."

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    • Viola, die sich noch immer keinen Zentimeter bewegt hatte, stieß einen erschrockenen Schrei aus, als Andvari in besorgniserregender Geschwindigkeit zu Boden rauschte. Der Aufprall sah härter aus, als er möglicherweise gewesen war, denn als der Elf die Augen nach einem gequälten Stöhnen aufschlug, grinste er in Richtung der moosbewachsenen Decke des Tempels. Violas Gefühle überschlugen sich. Besorgnis wich der Erleichterung, die binnen Sekunden in eine lähmende Angst umschlug. Andvari war ohne Zweifel wieder Herr seiner Sinne und seit einer langen Zeit wusste die Heilerin nicht, wie es weiter gehen würde. Viola erwartete einen bitteren Zorn. Sie rechnete mit eisiger Gefühlskälte, die ihr die Luft zum Atmen rauben sollte. Stattdessen hörte sie kaum, was die Männer sprachen, sondern senkte den Blick beschämt zu Boden obwohl sie Andvari gerade das Leben gerettet hatte. Der Stolz über die Tat blieb vollkommen aus.
      Ein Schatten schob sich langsam in ihr eingeschränktes Sichtfeld. Nackte Füße, die beinahe lautlos den Steinboden berührten. Selbst nach dieser Tortur wohnte dem Elfenprinzen die eigentümliche Eleganz seiner Art inne. Hier, im Tempel der Meriel, fügte sich der Elf nahtlos in die mystische Schönheit dieses heiligen Ortes ein. Zu keinem Zeitpunkt, seit dem die Gefährten die Menschenkönigreiche betreten hatten, war Andvari ihm so eins mit seiner Umgebung vorkommen.
      Viola zuckte kurz als Andvari behutsam ihre Hand zu seinen Lippen führte.
      Überrascht blinzelte die junge Frau, die ganz blass um die Nase geworden war. Einzelne Strähnen des rötlichen Haares klebten an ihren Schläfen. Zögerlich blickte sie durch den Kranz aus langen Wimpern zu Andvari auf. Die Hand, deren Fingerknöchel er mit einem Kuss bedachte, löste sich aus seinem Griff um sich sanft an seine Wange zu legen. Liebevoll streichelte sie über sein Gesicht. Viole schüttelte den Kopf und brachte nur ein halbherziges Lächeln über die dreiste Bemerkung des Magiers zustande.
      "Es geht mir gut", log Viola. "Ich hatte solche Angst, du könntest dieses Mal wirklich sterben."
      Nichts war gut. Sie war erschöpft, ihr Kopf schmerzte höllisch und sie bei manchen Atemzügen hatte sie immer noch das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen. Ihr Körper fühlte sie zu klein an für die Kräfte, die sie benutzt hatte. Seufzend drückte sie die flache Hand gegen ihren Bauch und nahm ein paar kontrollierte Atemzüge.
      "Verzeih mir", murmelte Viola. "Ich konnte nicht riskieren, dass du Faolan in deinem geschwächten Zustand gegenüber trittst. Das wäre nicht gut ausgegangen."
      Sylvar unterbrach rüde das Wiedersehen, aber hatte auch allen guten Grund dazu. Die Zeit lief ihnen davon.
      "Dein Bruder hat Recht. Wir müssen..."
      Viola verstummte schlagartig.
      "Was du sagst, ist unmöglich, Andvari", hauchte sie.
      Die Hoffnung war zu grausam angesichts der bitteren Wahrheit.
      Dennoch richtete sich Viola ein wenig auf, wollte nach Andvari greifen, der nichts trug außer seiner Hose. Also drückte sie die Handflächen gegen seine Brust, krümmte die Finger und griff in Leere.
      "Das ist ganz und gar unmöglich. Wie? Wo?"
      “We all change, when you think about it.
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      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvaris Verstand wehrte sich gegen die Ambivalenz seines eigenen Wunsches.
      Einerseits wollte er sie umarmen und einfach nur durchatmen, auf der anderen Seite kämpfte er gegen das noch immer grassierende Unverständnis hinsichtlich ihrer Taten. Ja, es mochte sein, dass es nicht gut gegangen wäre. Aber dennoch hatte sie nicht das Recht, diese Entscheidung vor ihm zu verheimlichen und sich in Gefahr zu stürzen. Was nicht alles hätte geschehen können mit diesem Irren von einem Elfen.
      Ruhig jedoch sah er Viola an und verzog leicht den Mund. Sie wussten beide, dass Viola log. Sie sah schrecklich aus und beinahe sah man ihr die Schmerzen an. Sie brauchte mehr Heilung als er in diesem Moment.
      "Das Wasser", sagte Andvari und sah zum See hinüber. "Vielleicht solltest du auch kurz darin baden. Nimm es mir nicht übel, aber du siehst fürchterlich aus..."
      "Wie soll sie auch aussehen, wenn sie gerade zwei Auren synchronisiert?!", murmelte Sylvar und waberte näher an sie heran. "dennoch ist der Vorschlag nicht allzu schlecht. Es behebt nicht das Problem deiner infizierten Aura, aber gibt dir zumindest Stärke zurück."
      Der andere Elf nickte und Andvari sah wieder zu ihr.
      "Ich weiß, dass es unmöglich erscheint", begann Andvari erneut und seufzte. Es war an der Zeit. "Ich wurde im Schlaf attackiert. Von diesen Attentätern, diesen gräulichen Nachtgestalten, die diese Comtesse beherbergt und heranzieht. DIe Spinne, wie man sie nannte, war gut und beinahe lautlos. Und wäre ich nicht ohnehin aufgrund des Fieberwahns halb wach gewesen, hätte er mich vermutlich auch erwischt. Als ich mich wehrte und es gerade so schaffte, seinen Angriff abzuwehren, sagte er seinen Namen. Val. Ich weiß nicht, wie und warum er dort war und wie er das alles überlebt hat, aber er war definitiv da! Zunächst dachte ich an einen Fiebertraum durch das Gift, das Summen in meinem Ohr machte es mir schwer, alles zu hören, aber die anderen sahen ihn auch. Ich wollte ihn mitnehmen, ich wollte..."
      Andvari brach kurz ab und strich sich den Schweiß von der Stirn, ehe er durchatmtete.
      "Ich habe versucht ihn mitzunehmen, mit mir zu reißen, um euch zu vereinen, aber...Aber ein Mönch, glaube ich, hat ihn zurück gehalten. Sie versorgen ihn und warten auf dich. Er ist in Sicherheit."

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