
Der Wind heulte wie ein losgelassener Chor Sirenen, die ihre Stimmchen verführerisch an die von Gier durchsäuerten Sinne korrupter Imperialisten lehnten, so zuckersüß umschwirrend, als wäre "Unrecht" lediglich der Philosophie eines verrückten Wissenschaftlers entsprungen. Die Luft war so kalt, dass Aion's Atem nicht in die Schwerelosigkeit des Dunstes überging, sondern drohte, in winzige Eissplitter zu verfallen - so wie es gleichermaßen die allmählich schwindende Zuversicht tat, mit der der Mann seine "Operation" initial angetreten hatte. Ein Opfer bringen, damit die guten endlich in Ruhe das Leben führen konnten, das nicht auf den zersplitterten Scherben einer tragischen Biographie aufbaute, konnte nicht gänzlich schleicht sein... Und trotzdem hatte Aion geglaubt, er könne den niederschmetternden Schlag eines Verlusts entgehen; Schläge, die ihr Ziel nie verfehlt hatten, begriffen sie sich ebenso wenig physischer Natur wie ein verfrühter Tropensturm verzweifelter Hoffnungslosigkeit. Sollte er Schmerz und Enttäuschung schlichtweg übergehen, sich selbst die Ketten geächteten Begehrs anlegen und das Kapitel feigem Verrats endlich der Vergangenheit überreichen? Loslassen, um ein doch eigentlich nie existentes Vertrauen, das nur auf der Basis oberflächlichen Gebrauchs hatte Wert gefunden, weil das Bedürfnis nach Ehre und Macht mit der Verblendung illusorischer Richtigkeit gemessen wurde, eine Bedeutung beizuwohnen? Oder sich selbst dem Schutze der Unantastbarkeit verschreiben– dass die kostbare Unendlichkeit eines Augenblicks seine geschundenen Wunden durch das Pflaster der Zeit zu überdecken vermochte; vielleicht nicht gänzlich versiegeln, aber irgendwann der Blässe einer Erinnerung vermachen würde? Nein. Er würde sich nur der Leere einer angeflehten Illusion bedienen, die sich niemals des Kleides Realität profilieren könne. Hätte er sich tatsächlich an das Leid unstillbarer Sehnsucht gewöhnt - in all den Jahren der Einsamkeit - hätte die Angst längst nicht mehr vermocht ihre bleichen Finger um sein flatterndes Herzchen zu
schließen. Dennoch begleitete ihn das fahle Gespenst eisiger Furcht wie ein Mantel aus frostigem Hauch.
Der Weißhaarige seufzte leise. Wissend, dass er eigentlich das Richtige tat - in den Augen des Rechtssystems zwar minder denn in der Gesinnung unschuldiger Mitbürger und der unermüdlichen Ausdauer jener Polizisten, die oftmals nur dem "Phantom" eines Verbrechens nachjagten, war seine Gestalt ebenso diffus und verworren wie die Gründe, auf denen die Schlächter ihre Taten fundiert zu stützen versuchten - würde seine unkonventionelle Methode in der Rechtssprache wohl ebenso nichtig wie auch barbarisch deklariert.
"Hast du das Geld?" schnitt die raue Stimme des Mannes selbstzufrieden durch die zarten Fibrillen angespannter Stille und im nächsten, verhängnisvollen Augenblick einer untrüglichen Gewissheit, von der Falle verdeckt gezogener Fäden umspannt worden zu sein, hoben sich die dressierten Silhouetten aus dem Schatten empor und zückten ihre todbringenden Teufelsgeräte, die Aion's Herzschlag schon alsbald zum Schweigen bringen sollten. Ein kühles Lächeln huschte beinahe genüsslich über die veilchengetünchten Lippen des jungen Mannes. "Natürlich. Eine Million, wie vereinbart. Aber ich befürchte, unser... Deal dürfte sich auf Grund Ihres Verhaltens selbst disqualifiziert haben." Ein düsteres Gelächter ließ die Dämonen innert unmoralischer Gelüste aufgellen; Aion konnte die Raffsucht hinter dem urkranken Geist eines machtdemonstrativen Gewaltauftakts aufblitzen sehen. Erbärmlich. "Hach. Bitte verzichten Sie auf diese... unnötig theatralische Performance. Sie werden zu Boden gehen, ehe Sie begonnen haben." "Das ist also die Versinnbildlichung autoritärer Ideologie. Das Fundament des Wahnsinns. Ich kann Ihnen versichern, dass meine Wenigkeit sich an keinem moralischen Maßstab euresgleichen orientiert." "Oh. Nun, wissen Sie, Mister... Seit Ihrem Auftauchen haben sich die Machtverhältnisse drastisch verschoben und meinem Regime obliegt es mitnichten, mein Terrain an einen närrischen Spaziergänger zu übergeben. Man hat mich bereits vor dem "Zuredner" gewarnt. Das ist doch ein... ganz passabler Codename für jemanden, der sich darauf versteht, sein Gegenüber durch die bloße Grazilität adäquater Wortgliederung zu bekehren, nicht wahr?" "Es ist kein Verbrechen, Betrüger zu betrügen. Im Gegenteil. Das Maß der Straftat verhält sich diametral zum eigentlichen Urteil." glitt der schneeverwehte Hochmut über zwei junge blassgewisperte Linien; selbige, die einst das Feuer der Leidenschaft dem Eis hatten entlocken können, schienen nun von den lautlos hinabgleitenden Kristallblumen gelähmt. Er bezweifelte, dass hinsichtlich des Sachverhalts, jegliche Liebesmüh' von Erfolg gekrönt würde, an die (nicht vorhandenen) Verstände der Beteiligten zu appellieren. "Genug. Sie haben zwei Möglichkeiten, zu mehr Optionen multipliziert es sich leider nicht. Sie schließen sich uns an, oder ich übergebe Sie Gottes Segen." Der Unterton des Rekruten bediente sich mittlerweile der knurrenden Ungeduld eines nach Blut lechzenden Raubtiers. Und womöglich diente ersteres Angebot nur zum Beschwichtigen. Schweigend hob Aion seine Schultern, nur um diese im nächsten Moment fast gleichgültig wieder sinken zu lassen. "Lukratives Angebot, ich lehne dennoch großzügig ab. Wie wäre es damit: Sie sterben nicht an akuter Bleivergiftung und ich darf meiner Wege ziehen? Andernfalls dürfen Sie sich an einer schweren Schussverletzung erfreuen oder Ihr eigenes Ableben und das Ihrer Gefährten bezeugen. Diese Alternative haben Sie wohl geflissentlich übergangen. Hören Sie, es muss nicht in Gewalt enden..."
Die silberblauen Strahlen des Mondes begannen das tödliche Mordversprechen innerhalb wintergrautosender Augen, das die heißblütige Liebkosung einer Klinge zu erbitten ersuchte, widerzuspiegeln. Tausend kleine tänzelnde Diamanten inmitten zweier schwarzrunder Tropfen. Ein Ausdruck, dessen Schärfe ein einziger Blick genügte, um das rote Lebenselixier langsam auf der Haut hinabgleiten zu fühlen. Der Dunkelhaarige deutete mit einer nahezu achtlosen Geste das Signal zur Ouvertüre des Blutvergießens, ehe er die Arme kopfschüttelnd hinter dem Rücken verschränkte und die Todeszone zu verlassen gedachte. "Invictus maneo..." hauchte der Archai dem Winde zärtlich entgegen; fortgetragen von unsichtbaren Händen, deren Grenzenlosigkeit seine Stimme in luftige Höhen würde aufsteigen, und ungehört verhallen lassen, so wie die Schreie seiner einstigen Brüder und Schwestern. Der herannahende Sturm bedurfte keiner Wolken, keines Windes und auch keinem Firmament - er bediente sich der durchschlagenden Kraft menschenhandgeschaffener Kriegsutensilien. Und der Kugelhagel, der auf Aion hinabzuregnen drohte, gefror in der Kälte blaulodernder Flammen. Dieser flüchtige, von Reue benetzte Schmerz, der so klar und... wahrhaftig das tiefste Abyss der Verletzlichkeit eines Menschen zu erreichen vermochte, kurz, bevor der Glanz auf der Leinwand einer ganzen Geschichte erstarb, offenbarte in den letzten Sekunden wie machtlos man doch dem Gesetz zwischen Freiheit und Leben gegenüberstand. Wie viele von ihnen hätten sich zu dieser Stund ihre Liebsten an die Seite der letzten verstreichenden Atemzüge gewünscht? Wäre das ihr letzter Wunsch gewesen? Die Liebe zu verspüren, die einem die Vergebung liebevoller Freundschaft versprach? Hätten einige von ihnen überlebt, wenn der Reflex sie nicht gezwungen hätte, nochmals nach der Waffe zu greifen und ihn zu zwingen, seinen Überlebenswillen dem systematischen Abwehrmechansimus zu opfern? Vier Augenpaare starrten leblos gen Horizont. Sie wirkten, als könnten sie ihr eigenes Entschlummern aus dieser Welt noch immer nicht ganz begreifen, als ersehnte ihr plötzlicher Abschied eine zweite Chance. "Scheiße v-verdammt...! Du hast... WAS.... zum Teufel bist du?" Zaghaft schloss die Schranke zweier flatternder Augenlieder die Distanz einer verlorenen Vergebung, irgendwo verschluckt am Abgrund verblasster Einfühlsamkeit. "Was ich bin? Hmpf... Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, wer ich mal war...." Aion schüttelte den Kopf. Er ertrug die flüsternden Worte der Toten nicht länger. Und noch weniger ertrug er das Zeugnis seiner "Andersartigkeit", welches mit einer milden Wärme am Brustkorb an sich erinnern wollte und stillschweigend überprüfte, ob ein Durchschimmern oberhalb des Kragens nicht doch seinem Recht entsprach. Verächtlich schnaubend zog der Weißhaarige den Stoff enger um seinen Hals. "In 10 Minuten wird die Polizei hier eintreffen. Über die gestohlenen Juwelen werden sich die Beamten sicherlich freuen. Und... Das mit Ihren Kameraden tut mir leid. Aber sie haben mir keine Wahl gelassen." Es war nicht die Tatsache, dass seine Aktion zwei Menschenleben gekostet hatte, die seine Grundstimmung zum Verdruss verkehrte. Nein, es war der Fakt, dass er auf Grund seines Fluches anders zu sein, überlebt hatte, und deswegen erst befähig war, auf solch eine... perfide Weise sein Ziel verwirklichen zu können und Recht und Ordnung in den Teil dieser Welt zu bringen. Wie paradox... Verhindern, dass nicht die falschen getötet wurden, gründete im Mord der "Richtigen". Der Mafioso zupfte seine Sturmmaske zurecht, schloss die Finger um den Griff des Aktenkoffers und verließ den Schauplatz vereitelter Kriminalität.
3 days later.
4 Uhr morgens. Prüfend schweifte der Blick des Mannes an dem Winkel der Fassade entlang, hinter dessen Mauern sein zweites Herz des Schlafes langsam, friedlichen Rhythmus schlug, wie er sich selbst seine Dankbarkeit (jeder andere hätte wohl das Wort Liebe für passender empfunden) für die junge Frau einzugestehen bemühte. Ruhig und geborgen lag das Anwesen, umgeben von den sachten Wogen stummer Wellenklänge, die dem Gefilde seine Idylle versicherten, im Schatten der Gebirgskette. Kein Licht gab Verdacht auf unerwünschte Regung. Weder Seiten Kittys, noch potenzielle Verfolger, die nicht nur ihn, sondern auch seinen zwei anderen Gefährten nach dem Leben trachten würden, sobald seine Person erst einmal identifizierte wäre. Mit einem leisen metallischen Quietschen, für ihn wäre in dem Moment sogar das Fallen einer Feder zu laut gewesen, öffnete Aion die Tür und versuchte genauso leise sich seiner Schuhe zu entledigen, während er das "Tor" möglichst lautlos ins Schloss fallen zu lassen versuchte. Es war das Ende einer weiteren organisierten Kriminalität und die abermalige Rückkehr eines Schlächters, der das Wechselspiel zwischen Superheldenkomplex und kryptischer Lebensform eines Mitbewohners perfekt ausbalancierte. Seine Schnittwunde begann langsam unangenehm zu brennen; also suchte Aion im Bad nach Verbandsmaterial, ehe die Verletzung wieder anfangen würde, seinem Blute unerlaubt Ausgang zu erteilen. Etwas, dass er gerade in diesem Abschnitt seines Aufenthaltsortes verhindern müsse. Mittlerweile schien sein Puls vor Spannung schneller zu rasen als im Gefecht selbst; denn hier könne sich seine Wenigkeit einer Auseinandersetzung kaum entwinden, und eigentlich hatte er wenig Lust auf eine Rechtfertigung, auch wenn Kitty zumindest brüchig eine Halbwahrheit zustand, so würde er diese jedoch nie einlösen können. Oder wollen. Das Wissen über seine wahre Identität war gefährlich. Denn es tötete seine Träger. Vielleicht hätte er seinen Bluthochdruck erst mal regulieren sollen, bevor er mit seinen vor Kälte erstarrten krüppeligen Froschhänden die Schachteln aus der Schublade beförderte, und die Hälfte mit einem lauten Krachen zu Boden ging. Konnte das Verbandszeug nicht einfach lose in der Schublade liegen? Murrend, nicht ohne innerlich eine Salve Flüche auszustoßen, sammelte er das Verbandsbombardement ein. Jetzt musste er nur noch seine Wunde verarzten, und das Bett dürfe bald wieder seiner Funktion als 86kg schwerer Lastenträger nachkommen.
Falls du dich jetzt fragen solltest, ob er 3 Tage verschwunden war.... Nein xD So ungefähr sieht nur seine Art der Kriminalitätsdezimierung aus, er ist quasi gerade von einer weiteren Mission zurückgekehrt. Höhö. Ich kann das Ende aber noch anpassen, wenn du dir einen anderen Prolog vorgestellt hast : )
@Ray
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