Jonathan Andersen stöhnte genervt. Er hockte vor einer kleinen Konsole, im Hintergrund liefen die Nachrichten im Fernsehen:
"Eine Durchsage gesponsert von Kogami Systems - Ihr Partner für zuverlässige Automatisierung
Seit nun mehr einem Jahr ist der führende Forscher und Chefentwickler von Tianji Technologies & Kogami Systems auf der Flucht. Berichte der Konzerne offenbaren, dass es sich bei ihm um ein Mitglied des Widerstands handelt, der versuchte von Innen heraus wichtige Forschungsprojekte von Tianji Technologies und Kogami Systems zu sabotieren. Die Konzerne schreiben eine Prämie von 5 Millionen Credits aus für jeden, der sachdienliche Hinweise zum Aufenthaltsort des flüchtigen Terroristen liefern kann. Der Flüchtige gilt als hochintelligent und berechnend. Wir warnen die Mitarbeiter der Konzerne davor, es mit ihm aufzunehmen. Melden Sie alle Vorkommnisse bitte umgehend der Sicherheitsabteilung von Tianji Technologies oder Kogami Systems."
Anschließend wurde ein altes Bild von Jonathan gezeigt, was diesen nur lachen ließ. "Was für Amateure. Dachten die echt ich haue vom besten bewachten Paneten ab ohne einen Plan?" natürlich hatte der Doktor sein Aussehen für viel Geld bei einer führenden Chirugin verändern lassen. Diese hatte keine Fragen gestellt und kannte Jonathan noch aus der Universität, jedoch nur so beiläufig, dass sie nicht wusste, wo er nach seinem Abstecher auf Cantoneia als nächstes hinfliegen würde. Und so landete er auf Astralis Prime. Es gab keinen besseren Planeten, um als Unbekannter unterzutauchen und es gab keinem Planeten, an dem die Konzernsicherheit so schlecht und korrupt war wie hier. Er brauchte für seine Erkenntnisse, dass Tianji Technologies und Kogami Systems weitaus dunklere Experimente noch mehr Beweise und so kam es, dass er gerade an einem Forschungscomputer eines Partnerunternehmens von Tianji Technologies entsprechende Daten abzog. "Download abgeschlossen", tönte die Stimme. Jonathan ließ das Kabel aus seiner kybernetischen Hand zurück in die Hand fahren und ging zu dem Fenster, durch das er herein geklettert war. Es war der größte Schwachpunkt der Anlage gewesen. Im spiegelnden Fensterglas sah er sein neues Ich. Auch nach 6 Monaten hatte er sich immer noch nicht vollends daran gewöhnt. Er fuhr sich durch die weißen Haare und schaute auf seinen tätowierten Arm. Er hatte sich stark verändert seit seiner Flucht, doch er wollte nichts mehr mit den piekfeinen Konzernen und ihren makellosen Welten zu tun haben. Er kletterte übers Fenster an der Außenseite des Hauses hinunter und verschwand in den engen Gassen, die das Gebäude umgaben. Er hatte die Daten, die er brauchte. Zufrieden studierte er die Daten vor seinen blauen, kybernetischen Augen. Es waren Tests an Menschen, wie sehr sie auf Kybvernetik reagierten und wie weit man gehen kann. Er verzog angewidert das Gesicht und schüttelte den Kopf. Er bekam Bilder im Kopf von den Experimenten auf Ganymede. Seine Haut stellte sich auf. Er brauchte Ablenkung von diesem Thema.
Jonathan besuchte wie fast jeden Tag den Tempelbezirk in Astralis Prime. Es musste verrückt wirken, die Menschen modernisierten sich immer weiter, doch immer mehr Menschen suchten wieder Zuflucht im Glauben. Am Tempelgelände angekommen, zog er seine Kapuze ab und nahm eine Kerze am Eingang zum Tempel. Er zündete sie wenige Meter weiter an einer großen Kerze an und ging mit der langen, schmalen Kerze über das Gelände bis zum Haupttempel. Hier steckte er die Kerze in ein Sandbecken auf einer hüfthohen Metallhalterung, in der schon eine Vielzahl an Kerzen steckte. Sie alle hatten eine Losung aufgetragen. Die Kerze des Doktors trug die Losung Menschlichkeit. Er steckte die Kerze gewissenhaft in den Sand und sah über das Meer an Lichtern. Er verbeugte sich leicht, ehe er im Tempel weiter ging. Vor einer großen Statue kniete er sich wie die Besucher vor ihm nieder und betete die Statue an. Dabei sprach er seine tiefsten Gedanken aus. Dieses Ritual half Jonathan, seine Balance zu finden. Nach etwa 10 Minuten richtete er sich auf und verließ den Haupttempel. Im Garten des großen Tempelareals, das nur einen der vielen Tempel im Tempelbezirk bildete, setzte er sich auf eine Bank. Er amtete erleichtert aus bis eine Person scheinbar zielgenau auf ihn zukam. Er musterte die Person. Große Statur und - das verrieten ihm seinen Kybernetikaugen - mit viel Kybernetik. Seit seiner Flucht waren ihm immer wieder solche Typen begegnet aber nur zwei hatten ihn bisher erkannt: es waren oft Kopfgeldjäger oder Attentäter-Droiden. Zügig richtete sich Jonathan auf, zog sich die Kapuze über und verließ hastig den Tempelbezirk. Er schaute dabei mehrmals über seine Schulter und war sicher den eigenartigen Typen abgelenkt zu haben, dennoch wollte er nur nach Hause. Er kam bald schon an seiner bedarfsmäßigen Wohnung an. Vor der Haustür fummelte er immer noch aufgeregt nach seiner Karte für die Haustür. Sie fiel ihm runter, hastig griff er nach ihr, ehe sie jemand anders aufhob und vor ihm hielt. Er erkannte, dass ihm der Verfolger bis zu seiner Haustür gefolgt war. Er musste so in Angst gewesen sein, dass er die Warnungen seiner Neuroimplantate ignoriert hatte, denn dieser flackerten nun wild vor seinen Augen und seine Haut wurde pfahlweiß. "Was wiiilllst du?", nuschelte er erschrocken und versuchte cool zu wirken, spürte aber wie sein Blut in seinen Adern gefror.