Storyteller - Twisted Fairy Tales ... [Nim♡Ju]

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Storyteller - Twisted Fairy Tales ... [Nim♡Ju]


      ⏳I'am falling to the hourglass...⏳

      Storyteller - Twisted Fairy Tales...
      In Saint Evermore, eine alten aber noch immer florierenden Stadt an der Küste Englands sollen sich schon so manch sagenhafte Ereignisse zugetragen haben. Eines davon schlummert tief in den Herzen des "Auracrest" Verlages, welches der Jura Student Sebastian Evans und die angehende Literaturwissenschaftlerin Madeline Grace unwilltenlich entdecken. Eigentlich fing alles doch so ganz harmlos an. Die Beiden hatten im Sommer beide ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums bei den Verlag begonnen. Sebastian in der Rechtsabteilung und Maddy in der Redaktion. Es lief ganz gut, ab und an lief man sich über den Weg so wie in der Uni und beide lebten ihr Leben.

      Bis zu jenen verhängnisvollen Moment - den Abend der Jubiläumsfeier der Gründung des Verlages. Viele Menschen in schönen Kleidern, Musik, Feierlaune und viel Alkohol ... so kam es wie es kommen musste, um sich wegen der plötzlich aufkommenden Anziehung zurück zu ziehen und einen Augenblick innnigster Zweisamkeit zu genießen verschulg des die Zwei in die alten Katakomben. Dort störte sicherlich keine Menschenseele und die Atmosphäre gäbe "den gewissen Kick". Das und ein paar einzelne verschwomme Bilder ist alles, woran sich die zwei noch entsinnen können als sie in fremder Kleidung mitten im Wald erwachen. Was ist hier geschehen? Und... was ist mit ihnen passiert? Haben sie etwa...?

      Nach einer langen Wanderung in schöner Kulisse finden die Beiden lediglich leere Häuser die wie für eine Mottoparty hergerichtet scheinen und daher nur einen Lebenshauch vorspielen. Da guter Rat teuer zu sein scheint beschließen die Zwei das Beste aus der Situation zu machen und leben sich in den großen Haus an Füße eines malerischen Sees ein. Es vergehen ganze zwei Tage bis langsam etwas noch Seltsameres wahrnehmbar ist, zwischen den Bäumen und auch weit in der Ferne...
    • „Eine absolute Katastrophe ist das hier“, fluchte Sebastian innerlich, während er erneut versuchte, die Orientierung in diesem unwirtlichen Wald zu finden. Der Zorn in ihm stieg, wie es immer geschah, wenn Dinge nicht nach Plan liefen. In seinem Leben hatte er sich an Strukturen und klare Abläufe gewöhnt, doch hier – inmitten dieser verwirrenden Wildnis – war nichts davon greifbar. Seine Gedanken drehten sich in einer unaufhaltsamen Spirale, und der Frust brodelte in ihm, als wäre es seine Pflicht, diese Situation in den Griff zu bekommen.
      Abrupt blieb sein Fuß hängen. Mit einem unschönen Laut stolperte er über eine aus dem Boden ragende Wurzel, die – da war er sich sicher – vor einer Sekunde noch nicht dort gewesen war.

      „Ich raste hier gleich aus!“, schrie er, seine Stimme durchbrach die friedliche Stille des Waldes wie ein Stein, der in stilles Wasser geworfen wird.
      Es war, als hätte sich die Welt um ihn herum gegen ihn verschworen. Zwei Tage lang irrte er nun durch dieses verlassene Dorf, umgeben von einem endlosen Meer aus Bäumen und weiten Feldern und Wiesen. Und obwohl die Szenerie so friedlich und behütet wirkte, so fühlte es sich an wie auf einer Bühne zu stehen, deren Requisiten nach der letzten Aufführung achtlos zurückgelassen worden waren. Zwei Tage – zumindest glaubte er das. Die Nacht war zweimal hereingebrochen, und nun kämpften die ersten Sonnenstrahlen darum, den dichten Baldachin der Baumkronen zu durchdringen. Lange schlafen war noch nie seine Stärke gewesen und hier, in dieser seltsamen, unwirklichen Umgebung, war es schlicht unmöglich überhaupt ein Auge zu zu bekommen.

      „Erst diese dämliche Veranstaltung, dann dieser Ausrutscher, und jetzt sitze ich hier in irgendeiner verfluchten Ecke im Nirgendwo fest“, knurrte er vor sich hin.. Sebastian war es gewohnt, die Kontrolle zu haben – sei es in einem Gespräch, einer Verhandlung oder seinem eigenen Leben. Doch hier schien nichts seinen Willen zu beugen.
      Seitdem er an jenem Morgen in diesem seltsamen Dorf aufgewacht war – natürlich neben der Person, deren Anblick er lieber verdrängt hätte – hatte er zunächst zwei Tage damit verbracht, sich gemeinsam mit ihr in einem der verlassenen Häuser am See einzurichten. Dabei war er ihr so gut wie möglich aus dem Weg gegangen, um den unausweichlichen Konflikten zu entgehen. Doch als ihm klar wurde, dass das Verstecken ihn keinen Schritt näher an eine Lösung brachte, entschied er sich schließlich, die Gegend zu erkunden und einen Ausweg aus dieser bizarren Situation zu suchen. Leider war sein einziger Erfolg bislang das schwindende Vertrauen in seine Orientierungsfähigkeiten.

      „Nicht mal ein verdammtes Ortsschild gibt es hier! Bin ich ins Mittelalter katapultiert worden, oder was?!“ Er wusste, dass er übertrieb, aber die Absurdität der Situation ließ ihn jede Fassung verlieren. Es war, als würde ihm der Wald mit jedem Schritt die Kontrolle über sein Leben entreißen.
      Er warf einen vorwurfsvollen Blick über die Schulter in Richtung des Haus am See in welchem seine Begleitung wahrscheinlich immer noch schlief - als wäre sie für all das verantwortlich. Er hatte es bis jetzt vermieden mit ihr zu reden oder weiter in ihrer Nähe zu sein - alles an dieser Situation brachte ihn um den Verstand.

      „Hätte ich bloß nicht so viel getrunken“, murmelte er und rieb sich die Stirn. Es ärgerte ihn, wie wenig er sich an den entscheidenden Moment erinnern konnte, der sie hierhergebracht hatte. Normalerweise war er ein Mensch, der selbst in ausgelassener Stimmung niemals die Kontrolle verlor. Doch an jenem Abend war alles anders gewesen – und jetzt bezahlte er den Preis dafür.

      Er ging weiter, seine Schritte mechanisch, während seine Gedanken in Kreisen liefen. Der Wald um ihn herum blieb eine unberechenbare Konstante. Die mächtigen, hoch aufragenden Bäume ließen den Himmel nur in winzigen Fragmenten durchblitzen, während das Licht sich wie ein Netz aus Glitzer auf dem Boden verteilte.
      Hätte Sebastian mehr auf seine Umgebung geachtet, anstatt sich in seinen eigenen Gedanken zu verlieren, wäre ihm aufgefallen, wie lebendig der Wald war. Ein Bach plätscherte nicht weit entfernt, sein klares Wasser hüpfte über Steine und verschwand in der Ferne. Das Gras raschelte im Wind, als würde es mit ihm flüstern. Die alten, knorrigen Bäume knarrten, als hätten sie eine Geschichte zu erzählen. Und in den Schatten der Äste schien die Fauna zu atmen – Vögel zwitscherten, Tiere huschten, Zweige knackten.

      Doch Sebastian war nie jemand gewesen, der sich Zeit für Details nahm - jedenfalls Details die in seinen Augen unwichtig waren. Seine Mutter hingegen hatte ihm oft vorgehalten, „den Raum nicht lesen zu können“ - was für ein Blödsinn.


      Er atmete tief ein, spürte die kühle Luft in seiner Lunge und zwang sich, weiterzugehen. Er wusste, dass er einen Ausweg finden musste – sofort!
      "Books are a uniquely portable magic" - Stephen King

    • ~❀❁❀❁ ~
      ━━━━━━»»•••««━━━━━━
      Madeline

      Es war überaus sonderbar, jede Bewegung, jeder Atemzug und sogar jeder Gedanke schien von quälender Anspannung erfüllt zu sein. Nichts war arg bedrohlich aber alles außer der jungen Frau und ihren Mitstreiter, wobei die Betonung wirklich mehr auf der Silbe 'Streit' lag, glänzte vor künstlicher Perfektion. Von den Ästen der Bäume und ihren samtgrünen Blattwerk bis hin zu den zarten Blumen und Gräsern. Von den Bergen und Felsen mit deren Ecken und Kanten bis hin zu den kleinen Kieseln in den Flussläufen oder Waldwegen, ja selbst die Art wie die Häuser gebaut waren. All die Willkür und das Unvollkomme war genau so gewünscht. Wie eine unsichtbare Handschrift die alles bestimmte. Die Frage war nur wessen Handschrift war es? Klar war, dass Alles einen größeren Willen folgte. Ein Umstand der dem hellen Kopf der jungen Frau bereits früh klar geworden war. So lagen einzelne Gegensätnde immer wieder an ihren ursprünglichen Platz, obwohl sie diese ganz bewusst völlig wo anders eingeordnet hatte. Jedes Mal wenn sich die Brünette fragte oder sie gerade begann die Stirn darüber zu runzeln klang ein heller Hall durch die Stile. Wie leises Gelächter des Spott. Noch dazu das ständige Gefühl beobachtet zu werden. Es war fast wie auf einer Bühne, nein vielmehr in einer Art Modellwelt in der versucht wurde Normalität nachzuahmen.

      Heute Morgen war Madeline bereits früh aufgebrochen. So früh, dass noch nicht einmal der erste Sonnenstrahl die Erde berühren konnte. Bereits an ihren ersten Abend waren ihren wachen grünen Augen ein wahrlich sonderliches Phänomen aufgefallen. Immer wenn es zu dämmern begann fluteten hier und dort Strahlen des Regenbogen diese Welt. An manchen Gegenden des Waldes badeten sie diese geradezu in sich. Folglich wurde das Licht der auf oder untergehenden Sonne irgendwo gebrochen und in seine Einzelteile zerlegt. Es war eines der wenigen Teile welche sich partout nicht in das Bild der perfekten Abbildung einfügen wollte. Dennoch folgte es einer geradezu sturen sowie verständlichen Regelmäßigkeit. Schon seit Stunden war sie stehts nur gerade aus gegangen und doch wurde sie das Gefühl nicht los von außen, wie von einer höheren Macht, im Kreis geleitet zu werden. Immer wenn sich Maddy fragte ob sie bereits zum fünften Male an jenen Baum vorbei gezogen zu sein kam ein Windhauch auf. Ein Windhauch der belustigtes Kichern an ihre Ohren trug. Als sich diese Szene bereits zum siebten Male wiederholten blieb sie ruckartig stehen. "Jetzt reicht's!" mit geballten Fäusten hielt sie inne. "Komm raus und zeig dich. Ich verlange eine Erklärung. Und zwar eine wirklich gute!" Doch nichts passierte, bis abermals ein nekischer Windhauch leises Gelächter verlauten ließ. "Na warte!" zischte die junge Dame mit zusammen gepressten Zähnen. Jetzt reichte es, wenn was auch immer so viel Spaß daran hatte sie zu betrachten und sich darüber zu amüsieren wie es Maddy und wahrscheinlich auch den jungen Mann an der Nase herum führte, dann würde sie ihn nun einen Strich durch die Rechnung machen. Nun würde es schon sehen was es davon hatte.

      Wutentbrannt zog sie das Messer welches in den ledernen Band um ihr rechtes Bein ruhte. Wenn sich die Umgebung einen fremden Willen beugte blieb ihr nur eine Wahl, die Spielregeln zu ändern indem sie das Einzige änderte was ihren eigenen Willen gehorchte. Sich selbst, ihre Geist und ihr Körper. Das glänzende Metall der Klinge war unsagbar kalt als es sich mit einen unangenehmen Brennen über die zarte Haut ihres Halses glitt. "Haaaaalt! Stoppp!" Brüllte eine fremde Stimme deren Erschütterung selbst die Bäume zittern ließ. Na bitte! Eine Frauenstimme. Die Freude darüber die Fremde enttarnt zu haben verflog jedoch sogleich mit bitterer Ernüchterung. Denn nun konnte Madeline sich nicht mehr rühren. Sie erstarrt war sie in der Bewegung verweilt, lediglich ihre Bauchdecke hob und senkte sich mit ihren Atem.

      "Wie kannst du es wagen?! So funktioniert das hier nicht!" hallte es aus gefühlt jeder Richtung. Dieses Mal klang die Stimme ernsthaft verstimmt. Maddys Blick glitt zu der Klinge. Sie schluckte schwer, machte einen tiefen Atemzug und nahm alle Kraft zusammen um der Unbekannten etwas entgegen setzen zu können. "Wie...wie funk-...-tioniert... es.. d-dann?" Tja, das war wohl die große Preisfrage. Die Fremde prustete empört. Vor der jungen Frau bildete sich ein Strudel aus blauen Rauch, der sich wie eine flakerndes Trugbild langsam zu einer Frau verformte deren Unterleib völlig im Rauch verschwamm. Sie hatte die Hände an ihren Hüfte getsützt und blickte mit ernsten Blick und finsteren Funkelen auf sie herab. Die Brünette staunte nicht schlecht mit vor Verwunderung aufgerissenen Augen schnappte sie nach Luft. Das war gar nicht so einfach wenn man sich nict weiter rühren konnte. "Also wirklich!" Schimpfte die Blaue. "Erst so ein Chaos anrichten und dann noch so blöd fragen. Tze!" Mit einen Schnauben schnippte sie in ihren Finger, was Madeine augenblicklich wie eine Marionette zusammenfallen ließ deren Fäden man durchtrennt hatte. Endlich war sie fähig sich wieder zu bewege. Das Messer glitt aus ihrer Hand und sofort striffen ihren Finger über den sanften Schnitt aus dem allmählich etwas rotes Blut quoll. "So lange ihr das nicht in Ordnung gebracht habt, lasse ich das nicht zu - verstanden?!" Was regte dieses Wesen sich so auf? Sie war ja nicht diejenige die hier blutete und von welchen Chaos sprach sie die ganze Zeit. Nun wusste sie zwar welch Geschöpf sie die ganze Zeit verhöhnte aber... ihre Fragen hatte die Blaue kein Stück beantwortet. Schlimmer noch - zunächst flüchtig und dann immer genauer striff ihr wacher Blick über die Fremde. Blaue Haut, schöne Züge, listige Augen, Freude daran Anderen Streiche zu spielen und ein verschwimmener Unterleib... das war.... ein... Flaschengeist?! Aber die gab es doch nur in Sagen, Märchen und Geschichten!!! Nein das konnte nicht- ... das konnte nicht möglich sein. Schlimmer noch, Flaschengeister waren Wesen welche man mit äußerster Vorsicht entgegentreten musste.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Nimue ()

    • Die Sonne hatte sich kaum merklich weiterbewegt, doch Sebastian fühlte sich, als wäre er seit Stunden unterwegs – und das immer im Kreis. Bäume, Büsche, schmale Pfade und selbst die Tiere schienen sich endlos zu wiederholen, als wären sie Teil eines bizarren Schattenspiels, das ihn narrte. Vor einer Weile hatte er an einem Baum innegehalten, von dem er schwören konnte, ihn bereits viermal passiert zu haben. Um sicherzugehen, hatte er ein X aus kleinen Steinen auf den Waldboden gelegt. Doch seitdem war ihm diese Stelle nicht wieder begegnet.

      Er war allein. Und doch fühlte es sich nicht so an. Immer wieder drehte er sich abrupt um, doch nichts als das scheinbar endlose Dickicht starrte zurück. Dennoch ließ ihn das Gefühl nicht los, dass ihn etwas beobachtete. Noch beunruhigender war das leise, spöttische Kichern, das zu erklingen schien, wenn er an einer Gabelung einen bestimmten Weg einschlug. Mit wachsamem Blick ließ er seine Umgebung nicht aus den Augen, suchte nach Details, die ihm zuvor entgangen waren. Und dann sah er es – einen verborgenen Pfad, kaum mehr als ein Schatten zwischen dichtem Geäst, halb verdeckt von Moos, Gras und Felsen. Hätte er nicht genau hingesehen, wäre er daran vorbeigelaufen. Mit vorsichtigen Schritten bewegte er sich darauf zu, darauf bedacht, nicht wieder über eine Wurzel zu stolpern.

      Je weiter er voranschritt, desto dunkler und kühler wurde es. Die Felsen links und rechts seines Weges schienen zu wachsen, ragten wie alte, lauernde Wesen in die Höhe. Die Luft roch feucht, nach frischem Wasser, das irgendwo in der Nähe sein musste. Ohne es zu merken, bewegte er sich stetig abwärts, in einer fast spiralförmigen Bewegung. Das Sonnenlicht wurde schwächer, und doch blendete es ihn immer wieder, bis er die Augen zusammenkniff. Er bemerkte nicht, dass es nicht mehr die Sonne war, die ihn störte, sondern Reflexionen auf gläsernen Flächen, die sich in seiner Nähe befanden. Doch eine verborgene Präsenz sorgte dafür, dass er sich nicht allzu sehr ablenken ließ. Ein neuer Spieler sollte sich schließlich nicht bereits an den ersten Tagen ernsthaft verletzen.

      Dann, mit einem letzten Schritt, trat er auf ebenen Boden und sein Atem stockte. Vor ihm erstreckte sich eine Szenerie, so wunderschön wie unwirklich. Ein See lag inmitten der Lichtung, sein Wasser so klar, dass er den Grund sehen konnte, doch gleichzeitig schimmerte die Oberfläche geheimnisvoll im sanften Licht. In der Mitte des Sees, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, thronte ein Pavillon, der über eine schmale Holzbrücke mit dem Ufer verbunden war.

      Sein Blick haftete an der Wasseroberfläche. Je länger er sie betrachtete, desto stärker spürte er eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Der sanft kreisende Strudel in der Mitte des Sees wirkte hypnotisierend, als rufe er ihn zu sich. Seine Gedanken wurden schwer, seine Glieder leicht. Unbewusst setzte er einen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt, direkt auf die Brücke zu, während seine Sinne im Strudel verloren gingen. Er bemerkte nicht, wie seine Zehenspitzen den Rand des Pavillons erreichten – genau an jener Stelle, an der kein Geländer ihn schützte.
      Er bemerkte nicht das hölzerne Podium in der Mitte des Pavillons, auf dem ein gewaltiges, alt aussehendes Buch lag.
      Er bemerkte nicht, dass er kurz davor war, in den Strudel zu treten.

      Doch dann – ein Ruck!
      Jemand zog ihn mit einer abrupten Bewegung an der Kapuze seiner Jacke zurück. Sebastian stolperte nach hinten, riss die Arme hoch, um sich abzufangen. Sein Herz hämmerte. Hastig wirbelte er herum, doch niemand war da.
      Wie war er hierher gekommen?
      Sein Blick wanderte suchend über die Brücke, zurück zum See, dann über die Lichtung. Doch er war allein. Oder?

      Nach einigen Momenten, in denen nichts weiter geschah, ließ er seinen Blick langsam zu dem großen Buch gleiten, das auf dem Podium thronte. Es war gewaltig – nicht nur in Höhe und Breite, sondern auch in seiner Dicke. Es erinnerte ihn an die schweren Wälzer, die er in seinem Studium benutzen muss. Vorsichtig trat er näher. Gerade als er sich über das Buch beugte, erhob sich eine plötzliche Brise, die die Seiten sanft aufblätterte.

      "Die Bremer Stadtmusikanten."
      Er blinzelte verwirrt. Ein Märchen? Doch noch seltsamer war, dass die Seiten darunter vollkommen leer waren. Er blätterte weiter – nichts. Jede einzelne Seite war leer. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, zuckte ein ohrenbetäubender Blitz über den Himmel, gefolgt von einem tief grollenden Donner. Sebastian zuckte zusammen, riss den Blick vom Buch los. Über ihm hatte sich aus dem Nichts ein Sturm zusammengebraut. Der Wind heulte, die Bäume neigten sich unter seiner Kraft, und der einst ruhige See war nun in Aufruhr.

      Das Buch!
      Er blickte zurück – doch das Buch war geschlossen. Als er danach greifen wollte, zuckte ein weiterer Blitz herab, diesmal so nah, dass der Boden unter ihm vibrierte. Es fühlte sich fast an, als wolle jemand verhindern, dass er es an sich nahm.
      "Ich kann später nochmal herkommen."
      Der Gedanke war schnell gefasst, und er setzte sich hastig in Bewegung. Der Sturm wurde mit jeder Sekunde wilder, und mit dem einsetzenden Regen war es eine Herausforderung, den rutschigen Pfad zurück nach oben zu nehmen. Mehr als einmal rutschte er aus, fing sich gerade noch rechtzeitig, bevor er stürzte. Doch je weiter er sich vom See entfernte, desto mehr legte sich das Unwetter. Sebastian dachte nicht weiter darüber nach – sein einziges Ziel war es, in Sicherheit zu gelangen und seine Begleitung über diesen seltsamen Fund in Kenntnis zu setzen. Vielleicht konnte sie sich einen Reim darauf machen.
      Hätte er sich noch einmal umgedreht, hätte er vielleicht die gewaltige Glaswand bemerkt, die sich über den See erstreckte. Dahinter – ein unendliches Meer aus funkelnden Sternen. Doch sein Verstand war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, als dass er die wahre Natur dieses Ortes hätte erkennen können.
      ---
      Eine bläuliche Hand fuhr sanft über das alte Buch. Goldene Augen funkelten kühl im Halbdunkel, fixierten den Pfad, auf dem Sebastian gerade verschwunden war. Die Natur hatte sich beruhigt, doch eine unsichtbare Schwere lag noch immer über dem See.
      „Noch seid ihr nicht bereit, Menschlein“, murmelte die Gestalt leise. Mit einem einzigen Schnipsen verschwand sie.


      "Books are a uniquely portable magic" - Stephen King

    • Madeline verharrte noch immer auf das schimmernde Gefäß starrend, aus dem Hestia in tanzenden Schlieren emporstieg. Die Luft war von einem kaum wahrnehmbaren Knistern erfüllt, als würde unsichtbarer Staub in einem Sonnenstrahl wirbeln. Der Flaschengeist hatte gesprochen verspielt und spöttisch; und doch hallte in seinen Worten eine Schwere nach, die sie nicht einordnen konnte. "Ordnung…" wiederholte die Braunhaarige kaum hörbar. Das Wort fühlte sich in ihrem Mund fremd an, zu groß, um von einer einzelnen Stimme getragen zu werden. Die Umgebung schien darauf zu reagieren. Das Unterholz beruhigte sich, der Wald atmete still, als hätte er ebenfalls gelauscht.

      Hestia neigte den Kopf, ihr Haar ...oder war es Rauch(?) ,schwebte schwerelos um ihr Gesicht. "Es gibt Geschichten, die erschüttert sind. Figuren die ihre Rollen vergaßen, Orte die sich widersprechen. Die Sanduhr duldet kein Chaos." Ihr Lächeln war zu breit, zu gewiss. "Und nun bist du hier, kleine Erzählerin, ohne es zu wollen. Vielleicht… weil die Uhr beschlossen hat, dass dein Vergehen begleichen musst."
      Die junge Frau wich instinktiv zurück. Erzählerin? Das war ein Wort, das sie kannte, und doch passte es nicht zu ihr, nicht zu dieser Rolle. Sie war Studentin, Praktikantin. Schon gar kein Wesen, das in einer gläsernen Welt zwischen Märchen und Wahrheit einen Platz finden sollte. Und dennoch… der Gedanke nagte an ihr und ihrer Ehre als Frau des geschriebenen Wortes. "Wenn ich erzähle, höre ich zu. Ich schreibe, was andere berichten." entgegnete Maddy beinahe trotzig. "Aber ich bin keine Spielfigur in euren Geschichten." Ein Laut, irgendwo zwischen Lachen und Seufzen, entglitt dem Geist. "Oh, doch. Du bist beides. Und du wirst lernen, dass Zuhören nicht genügt. Denn hier spricht die Geschichte zurück."

      Noch ehe die Braunhaarige eine Antwort finden konnte, flackerte der Wald auf. Ein Bild, das nicht zu der Idylle passte, schob sich wie ein fremder Traum über die Szenerie. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte Madeline, die roten Ziegeldächer eines Dorfes durch das Geäst zu sehen, Rauchfäden, die träge in den Himmel stiegen. Dann war es verschwunden. "Der Ursprung ruft." hauchte Hestia, und ihre Stimme hatte nun etwas Unausweichliches. "Sein Buch verlangt nach Schrift, seine Seiten nach Ordnung. Und du, Madeline Grace, wirst entscheiden, ob die Geschichten leben oder vergehen." Die Stille danach wog schwer. Nur das gleichmäßige Tropfen eines unsichtbaren Baches war zu hören, als sich die Welt um sie her erneut zu glätten begann. Der erste Schritt war getan - ein Schritt in eine Ordnung, die nicht die ihre war.
      Die junge Dame wagte kaum zu atmen. Der Wald wirkte wie ein gemaltes Bild, das jemand mit unsichtbarer Hand immer wieder glättete, sobald sie es berührte. Jeder Schritt, jede Bewegung schien ein Flüstern in der Stille auszulösen, als würde die Welt selbst beobachten, prüfen, abwägen. Hestia schwebte einen Herzschlag lang schweigend neben Maddy, die Augen voller Funkeln, die wie Sterne wirkten, die nie ganz stillstanden. "Du hörst es, nicht wahr?" fragte sie schließlich, verschwörerisch leise. "Wie die Fäden singen, wie sie reißen und wieder geknüpft werden? Nur wer hier verweilt, kann es wahrnehmen." Dabei der Geist fast als würde sie dieser Umstand amüsieren.
      Die Braunhaarige wollte antworten, doch ihre Lippen gehorchten nicht. In der Ferne rauschte es, als hätte ein schwerer Vorhang sich bewegt. Sie drehte den Kopf ... und wieder war da dieses andere Bild, schärfer diesmal: Eine schmale Brücke über stilles Wasser, ein Pavillon, auf dessen Podest ein Buch ruhte, riesig, mit leeren Seiten, die im Wind flatterten. "Das ist…" begann Maddy, und brach ab. Das Bild zerfloss, als hätte jemand Farbe in klares Wasser getropft.
      "Nicht alles auf einmal" hauchte Hestia und lächelte ein Lächeln, das gleichzeitig versprach und drohte. "Die Sanduhr zeigt nur, was sie zeigen will. Ein Stück, ein Funken, ein Rätsel. Du wirst verstehen, wenn du den Weg beschreitest." Die junge Frau ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. Unsicherheit brannte in ihr, doch zugleich war da eine seltsame, unwillkommene Sehnsucht – als hätte dieser Ort bereits einen Anspruch auf sie erhoben. "Und wenn ich mich weigere?" fragte sie, mehr zu sich selbst als zu dem Plagegeist.
      Hestia antwortete nicht sofort. Sie legte den Kopf in den Nacken, ließ ihr schimmerndes Gewand wie Rauch um sie kreisen und schloss die Augen. "Dann wird die Geschichte selbst dich finden." sagte sie schließlich. "Und glaub mir, kleiner Mensch… Geschichten können sehr ungeduldig werden." Ein Wispern ging durch die Bäume, kaum hörbar, kaum greifbar, wie Stimmen aus einem Traum. Madeline wusste nicht, ob sie es sich einbildete ...oder ob die Welt bereits begonnen hatte, sie um zu schreiben.
      Die Worte der Blauen hallte tief in ihren Gedanken nach. "Geschichten können ungeduldig werden…" -... wie ein Echo das kein Ende fand, immer und immer wieder. Doch die Erscheinung war längst verflogen, der Rauch verweht, und nur das Rascheln der Blätter und das sachte Knistern in der Ferne blieb. Allein. So fühlte es sich jedenfalls an.
      Ein Teil von Maddy wollte die Knie anziehen und einfach warten, bis sich die Welt von selbst erklärte. Aber etwas anderes, eine fremde Dringlichkeit, schob sie vorwärts. Vielleicht war es Hestias unsichtbare Hand, vielleicht nur ihr eigener Wille, nicht ganz zu zerbrechen. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, unbeholfen und vorsichtig, als könnte der Boden jeden Moment wegrutschen. Der Wald schien zu lauschen. Einmal war sie sich sicher, einen Bach zu hören, einmal eine Stimme - und jedes Mal verschwamm die Richtung, als wolle der Ort ihr nicht verraten, wohin.

      Dann, nach einer ungewissen Zeit, hörte sie es deutlicher: keine Stimme, sondern Zorn, laut herausgeschleudert wie ein Stein ins Wasser. Die Brünette hielt den Atem an. War das…? "Evans?" hauchte sie, doch ihre Worte blieben im grünen Dach hängen. Sie stolperte über eine Wurzel, dieselbe verflixte Wurzel, die auch den kühlen Rationalisten zu Fall gebracht hatte; und musste ein leises Aufkeuchen unterdrücken.
      Da stand er. Ein Stück weiter zwischen den knorrigen Stämmen, den Rücken halb zu ihr gewandt, den Blick nach oben gerichtet, als wolle der Himmel selbst zur Rede gestellt werden. Der junge Mann wirkte angespannt, sein Atem schwer. Ein Mensch, gefangen in einer Welt, die wie eine Bühne wirkte und er, so unpassend, so verloren mitten darin.

      Das war der Augenblick, in dem in Madeline eine Storm los brach. Da Erleichterung ihn wiedergefunden zu haben, immerhin war er die einzige Menschenseele in ihrer Nähe, traf auf ein dumpfes Gewicht in ihrer Brust, das sich nur zu gut benennen ließ: Schuld. Denn der stille Beobachter gab ihr die Verantwortung für all das - und vielleicht hatte Evans ja recht. Sie sah noch immer das Bild der zersplitterten Sanduhr vor sich, den feinen Staub, der wie ein Nebel in die Katakomben gesogen war. Ihr Stolpern, sein Versuch, sie aufzufangen ... und der Augenblick, in dem die Zeit sich auflöste wie ein brüchiges Seil. Sie wollte ihm widersprechen, wollte schreien, dass er genauso beteiligt war, dass sie beide in diesen verfluchten Abgrund gestürzt waren. Aber jedes Mal, wenn dieser Gedanke sich in ihr regte, wich er einer bitteren Selbstanklage. Vielleicht hatte sie ja wirklich alles zerstört.
      Und doch war es nicht nur das, was zwischen den Beiden stand. Es war diese Nacht, die sich wie ein grauer Schleier über ihre Erinnerungen gelegt hatte. Lachen, Wärme, Wein - und dann der Filmriss. Nichts war klar, außer dem bohrenden Wissen, dass etwas geschehen sein könnte, etwas, das sie nicht benennen, nicht einordnen konnte. Ein Blick zu Evans reichte, und das Unausgesprochene brannte wie eine unsichtbare Glut zwischen ihnen. Hatten sie einander nähergelegen, als sie je gewollt hätten? Oder war alles nur eine Andeutung, die der Rausch ihnen geraubt hatte?
      Der Magen der Braunhaarigen zog sich zusammen. Jeder Schritt, der sie näher zu ihm brachte, fühlte sich an wie ein Tanz auf dünnem Eis. Die Spannung in der Luft war zum Greifen, schneidend, und sie wusste nicht, ob sie diejenige war, die sie lösen konnte ...oder diejenige, die sie immer weiter schürte. Ein Teil von ihr wollte einfach schweigen, an ihm vorbeigehen, so tun, als würde dieser Knoten aus Schuld, Scham und unausgesprochenem Begehren nicht existieren. Doch sie wusste, das würde er niemals einfach auf sich Beruhen lassen. Er würde sie wieder mit Vorwürfen empfangen, vielleicht mit diesem schneidenden Blick, der sie anklagte, selbst wenn er schwieg. Und trotzdem… suchte sie seine Nähe. Weil die Stille des Waldes schlimmer war als seine Wut.

      Ihre Finger zitterten, als sie sie in den Stoff ihres Rockes krallte, bevor sie den Atem anhielt und ein paar Schritte auf ihn zuging. Das Knacken der Äste unter ihren Schuhen klang viel zu laut, als würde der Wald ihre Unsicherheit verraten. "Evans..." begann sie leise, fast tastend. Er drehte den Kopf nur ein Stück, genug, dass die Brünette den Schatten in seinem Blick auffing. Kein Wort, keine Geste – nur dieses stumme Gewicht, das ihr das Herz schwer machte. "Ich habe… jemanden getroffen" fuhr Madeline stockend fort, die Stimme brüchig, als müsste sie das Gesagte selbst erst begreifen. "Oder besser… etwas. Eine Frau – nein, ein Wesen. Sie meinte sie heißt Hestia." Das Schweigen seinerseits brannte schlimmer als jeder Vorwurf. "Sie war… blau, aus Rauch geformt, wie ein Trugbild, und sie sprach in Rätseln. Aber eines war klar: sie beobachtet uns, Evans. Sie weiß, dass wir hier sind. Und sie hat gesagt, wir hätten Chaos angerichtet." Ihre Hände flatterten hilflos in der Luft, als könne die Braunhaarige damit die Bilder fassen, die noch in ihr nachzitterten. "Sie war wütend ...richtig wütend.... Sie hat mich gestoppt, als ich… als ich versucht habe mich-" Madeline stoppte. Einen Sekundenbruchteil hielt sie inne. Die letzten Worte hingen zwischen ihnen wie ein kalter Atemzug. Maddy wollte ihn nicht anschauen, doch ihre Augen fanden sein Gesicht, suchten eine Regung, ein Verständnis, irgendetwas anderes als diese Mauer aus Groll. 2Sie sagte, solange wir das Chaos nicht bereinigen, lässt sie uns nicht gehen." Die junge Frau schluckte schwer. "Ich weiß nicht genau, was das bedeutet. Aber sie hat… es klang wie ein Urteil. Als wäre das hier nicht nur Zufall, nicht nur eine Laune – sondern eine drohende Konsequenz." Ihre Brust hob und senkte sich schneller, als sie es wollte. Jedes Wort fühlte sich an, als würde sie sich nackt vor ihn stellen, verletzlich und zugleich schuldig. Und dennoch, während ihr Mitgefangener sie ansah, war da diese unausgesprochene Frage, die zwischen ihnen stand wie ein Dorn: Hatte Madeline das wirklich erlebt? Oder war es nur ein weiterer Beweis, dass sie diejenige war, die alles ins Verderben gestürzt hatte?

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Nimue ()