Leise trippelnde Schritte näherten sich ihm und er wusste, dass von Ihnen keine Gefahr ausgehen würde. Zu weich und zu leicht traten sie auf dem Holzboden auf. Und viel zu oft hatte er sie die letzten Tage vernommen. Sein Gehirn blendete sie fast schon aus, so erschöpft war er. Wie lange war er nun schon hier und hatte kein Auge zugetan? Wie lange saß er nun schon auf diesem Kissen, welches nach der ganzen Zeit nicht mehr als weich bezeichnet werden konnte? Er hatte sein Schwert zwischen seinen Armen und Beinen aufgestellt, sodass er es als Stütze nutzen konnte und irgendwann wurde sein Kopf so schwer, dass er seine Stirn an dem Stichblatt des Schwertes angelehnt hatte. Mit Sicherheit entstand gerade ein schöner roter Abdruck auf seiner Stirn, der nicht so schnell verschwinden würde, doch ihm war es egal.
Was nicht egal war, war sie. Seine Augen wanderten zum tausendsten mal, an diesem Tag, auf das schlafende Gesicht seiner Schutzbefohlenen. Schlafend war ein sehr wohlwollender Begriff. Leblos war das Wort, welches er am Tag an dem er hier angekommen war, genutzt hätte. Es lief ihm kalt den Rücken runter wenn er an ihre blauen Lippen, ihr bleiches Gesicht und ihren kalten Körper dachte.
Müde fuhr er sich übers Gesicht und wandte sich der Tür zu, die jeden Moment aufgeschoben werden würde. Die kleine Frau mittleren Alters hatte sich bereits hingekniet und murmelte eine Entschuldigung ehe sie die hölzerne mit Papier beklebte Schiebetür zur Seite schob. Ihr Blick hob sich und sie sah in müde, dunkle Augen. Ein leises erschrockenes Geräusch entschlüpfte ihrer Kehle, welches sie mit einer vorgehaltenen Hand zu ersticken versuchte. Sie fing sich schnell wieder als Touma ihr ein schiefes entschuldigendes Lächeln schenkte.
"Mein Herr!" fing sie in einem leicht scheltenden Ton an, bevor ihre Augen hoch auf seine Stirn zuckten und sie ihn nun mitfühlender anblickte. Sie seufzte and setzte nocheinmal mit einer weicheren Stimmlage an: "Ich habe Essen gebracht." und schon sah sie ihn strenger an: "Für euch!" ermahnte sie und hob das Tablett neben sich hoch, um es ihm ins Zimmer zu bringen. "Und Suppe für die Dame, natürlich." sie lächelte und legte alles einzeln auf den niedrigen Tisch ab. Er war gerade dabei ihr zu erklären, dass er keinen Hunger hatte, da stieg der Duft von Miso Suppe, frischem Reis und Fisch in seine Nase und ließ seinen Magen leise knurren. Misaki, die Gastgeberin, warf ihm einen triumphierenden Blick zu. "Esst, ich kümmere mich um eure Frau." ihre mütterliche Strenge ließen ihn unwillkürlich schmunzeln, er wusste, zu protestieren würde nichts bringen, deswegen gab er sich ihrer Aufforderung hin, setzte sich ordentlich, legte sein Schwert beiseite und verbeugte sich dankend. Sie schüttelte nur seufzend den Kopf und nahm die Suppe in die Hand um der schlafenden Frau die wohltuende Suppe einzuflößen. Es dauerte lange und war nicht ganz einfach, doch der Schluckreflex ermöglichte es ihnen, dem schlafenden Körper Nährstoffe zuzuführen.
Wieder erfasste ihn die klammernde Angst, sie nie wieder selbst essen zu sehen und er musste sich zwingen sich seinem Essen zuzuwenden. Selbst ausgelaugt und geschwächt zu sein, würde er seiner Lady nichts nutzen - das hatte er in seiner Ausbildung gelernt. Er hatte allerdings das Gefühl, als würden Ihn die Schuldgefühle langsam auffressen. So sehr, dass er nichts schmeckte und der Fisch ihm fast im Hals hängen blieb.
Sie stand unter seinem Schutz und er hätte ihren Sturz ins eisig kalte Wasser verhindern müssen.
Hätte bereits verhindern müssen, dass sie den Schutz der Burgmauern verließ.
Er hätte verhindern müssen, dass sie...
"Mein Herr?"
Misakis besorgte Stimme holte ihn abrupt aus seinen dunklen Gedanken heraus. Er hob den Blick auf ihr Gesicht. "Ihr solltet euch ausruhen - und damit meine ich, dass ihr euch hinlegen und die Augen schließen solltet." sie betonte die Worte 'hinlegen' und 'Augen schließen' ganz besonders, denn er hatte ihr schon mehrfach versichert, dass er sich in Sitzender Position sehr wohl ausruhen würde. Das mochte zwar in einem ausgeschlafenen Zustand stimmen, doch das traf aktuell auf Touma keinesfalls zu. Er hatte in der ganzen Zeit, in denen die beiden schon hier waren, kein einziges Mal auch nur gedöst. Misaki sah, wie er ansetzte um etwas zu sagen und schnitt ihm ins Wort: "Ich werde nicht von ihrer Seite weichen. Ich verspreche es. Ich werde euch sofort rufen, wenn sich an ihrem Zustand etwas ändern sollte. Ich rufe euch auch, wenn sich Besuch angekündigt oder nicht ankündigter Besuch kommt." sie holte Luft und fügte mit einem schelmischen Lächeln hinzu: "Und ich werde euch auch wecken, wenn ich ein schlechtes Gefühl bekomme." Touma konnte nicht umhin ein leises Lachen von sich zu geben.
Er kannte Misaki gerade einmal wenige Tage, und doch schien sie ihm mehr zu durchschauen als ihm lieb war. Sie war ein guter Mensch, so befand er. Sein Bauchgefühl hatte ihn bisher nie fehlgeleitet und er wollte Misaki vertrauen. Dennoch nagte die Angst um die Bewusstlose sehr an ihm. Der Gastgeberin entging sein Blick, auf die Frau vor ihr, nicht. Sie seufzte lange, legte die Schale mit der Suppe ab und stand auf. "Ich komme und bringe euch ein Futon. Dann könnt ihr gleich hier neben ihr schlafen. Es wird etwas eng, aber ich bin sicher es wird euch nicht stören, in einem Zimmer mit zwei Frauen zu schlafen." sie zwinkerte ihm zu und noch bevor er etwas sagen konnte war sie schon verschwunden. Er schnauffte belustigt und widmete sich wieder seinem Essen zu.
Als Misaki zurückkam, hatte er sein Mahl hinuntergeschlungen und half ihr, den Futon auszulegen. Er würde sich ihr nicht noch einen Tag wiedersetzen können und er hatte beschlossen ihr seine Lady, zumindest für wenige Stunden anzuvertrauen.
"Danke, Misaki." er meinte es aus seinem Herzen. Die Gastgeberin hatte sich wieder gesetzt und ihre Aufgabe, eine Bewusstlose zu füttern, wieder aufgenommen. "Nicht der Rede wert." erwiederte sie lächelnd, während sich Touma die Decke überwarf und seinem Körper endlich eine Pause gab. Er verzog das Gesicht als er seine steifen Glieder ausstreckte. Es war höchste Zeit, dass er sich Ruhe gönnte, daher dauerte es nicht lange bis ihn der Schlaf übermannte.
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