inlustrius [mica]

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    • inlustrius [mica]

      Endzeitgeschichte mit jenen in der Hauptrolle... Coryo & Kara
      Co-Autorin: @Michiyo
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      Trappelnd hörte man die flinken Füßchen der wenigen Ratten und all dem anderen Ungeziefer auf dem kalten, schon vor langer Zeit verlassenen, Fliesenboden, der schier unzähligen Geschäfte. Es war ein Moloch, ein furchtbarer Beweis dafür, was sich zugetragen hatte. Etwas, dass das Leugnen jenes Tages unmöglich machte. Zersprungen waren die Fensterscheiben, die einst so prunkvoll die Auslagen der verschiedenen Etablissments geschützt hatten. Dreck, Pisse und andere Flüssigkeiten hatten sich zu einer klebrigen Substanz vermischt und zierten wie faule Stellen an perlweisen Zähnen die Oberfläche des einst so stolzen Steines, der die Schritte und Füße von Unzähligen überdauert hatte. Hier und dort erkannte man zusammengeknüllte Zeitungsberge, provisorisch zusammengebaute Unterschlüpfe für den ein oder anderen verlorenen Wanderer in dieser unsagbaren Weite von Pars. Alles hier hatte an Wert verloren. Man sollte meinen das gerade die schimmernden Schmuckstücke, die nun verstaubt und glanzlos in dem rot und schwarz ihrer in Seide gehüllten Boxen lagen, als erstes gestohlen wurden. Und doch waren gerade jenes glänzende Gold, welches Diamanten und Rubine umschloss, unberührt. Nein, Geschmeide und Edelmetall war uninteressant geworden für die Menschen. Anderweitig hatten sich die Überlebenden das wohl wichtigste zum Überleben erkoren. Das sah auch Kara, die neben den Ratten, selbst wie eine, zwischen den leeren Geschäften umherschlich. Sie verstand die Präferenzen der Plünderer, als ihr Blick aus dem Blau ihrer Augen in ein einstiges Kleidungsgeschäft glitt. Gierig hatte man sich dort die noch brauchbaren, zusammengewebten Pullover, Westen, Hosen von den Kleiderbügeln gerissen, während der Rest davon, verbrannt und verkohlt auf den Ständern ihr Dasein fristeten. Man würde es schon brauchen, feste Hüllen, die den Köper umschlossen und gegen die nächtliche Kälte schützte. Manchen war es egal was sie trugen, gerade den Herrschaften aus Aurum. Die schmückten sich mit frohen Farben und Gewändern, die mehr einem Statement glichen, als funktional zu sein. Übertrieben es mit Hüten und Mäntel, die dem Balztanz eines Vogels nahe kamen, als der Welt Widerstand zu leisten. Gut. Die Einwohner von Aurum mussten sich darüber jedoch auch keine Sorgen machen. Kara entkam ein tiefes Seufzen, welches sich jedoch sogleich bereute, als der Atem so gestoßen ihre Kehle verließ. Sie hatte die Bande an Praedo von zuvor nur mühselig abhängen können... versteckte sich wahrscheinlich knappe 30 Minuten unter einem umgeworfenen Auto, die Ashborne jedoch immer erwartungsvoll in der Hand umgriffen, bereit, zur Not auch zu jener Pistole zu greifen. Jetzt durch Unachtsamkeit ihre Verfolger wieder auf ihre Spur zu führen, wäre fatal gewesen.

      Es war eigentlich ein ziemlicher Glücksgriff, dass sie hier gelandet war. Das Schild, welches den Eingang zu dem Einkaufszentrum anpries, war schon vor langer Zeit vom Rost zerfressen, zu Boden gefallen und erlag dort kläglich der täglichen Witterung. Draußen aber war die Sonne schier am brennen und für die Braunhaarige war jeglicher Unterschlupf recht, der ihr die heißen Mittagsstunden vom Leib hielt. Und war es ein Segen, hier nun zu schlendern, sichtlich allein, auf der Suche nach Vorräten. Nach links und rechts glitt ihr Blick, in weißer Vorraussicht nur nach vorne gerichtet, die Geräusche im Hintergrund mit ihren Ohren sehend. Viel zu aufmerksam, zu nachdenklich war sie geworden, seitdem ihr Leben jeden Tag wohl am seidenen Faden hing, hoffend, dass das einstige Gesicht, welches als Aushängeschild für die Talionis genutzt wurde, unerkenntlich geworden war. Seit damals hatte ihr strenger Pagenschnitt sich in langes, wallendes Haar gewandelt und so oft sie konnte, überfärbte sie das dunkle Blond mit noch dunklerem Braun, um die Täuschung perfekt zu halten. Kara war und ist nach wie vor auf der Flucht. Vor ihrer Vergangenheit, sich selbst, ihren Gläubigern, jenen, die sie und nur sie für dieses Unglück verantwortlich gemacht hatten. Zu streng mit sich selbst, biss sich die junge Frau nun auf die Unterlippe und ließ den Blick für einen Moment zu Boden schweifen, als das Knacken einer Neonröhre, ihr Haupt wieder empor riss. Erstarrt war sie für einen Moment, zu plötzlich kam dieses Geräusch an sie heran und verstetzte sie in eine Schockstarrte, ehe ihr Körper sich beruhigte und das rote Blinken sich in ihren Blick legte. "Supermarket" war wohl einst über jenen weiten Hallen hängend gewesen, von welchem Wort nun aber nur mehr das "Super" störblinkend auf sich aufmerksam machte. Die Ironie die in diesem Zufall lag, ließ Kara belustigt schnauben. Ihr Kopf schüttelte kurz das Haar auf jenem, welches sie sich wieder hinter die Ohren steckte. Nun aber hob sich der schlanke Körper der jungen Frau mit einem sachten Sprung über die Schwenktüren, die vor ein paar Jahren noch automatisch auf und zu gegangen waren, Konsumenten Einlass gewährten. Noch bevor die Dame sich in Bewegung setzte, sondierte sie einen letzten Moment ihre Umgebung. Den wachen Blick auf die Richtung lenkend aus der sie kam, fixierte sie die dumpf leuchtende Halle einen Moment, Ausschau haltend nach etwaigen Schatten die ihr gefolgt waren oder Geräuschen, die so hier nicht hingehören würden. Doch... war sie allein. Ihr Kiefer spannte sich unsicher an, aber doch führten ihre Schritte die junge Frau dann leise zwischen die Gänge, auf der Suche nach den Konserven, Dosen und eingelegtem Gemüse. Sollte man das Glück haben, sich in der Wildnis ein frisches Häschen oder gar einen der wenigen Hirsche oder Hühner zu fangen, griff man zum Großteil nur mehr auf jene verpackten Lebensmittel zurück.

      Es war ein Leben, dass sie sich so nicht gewünscht hatte. Das sich keiner der Überlebenden gewünscht hatte und doch hatten sie nun damit zu harkeln. Bereute sie es, was laut Medien und Chefs ihrer wissenschaftlichen Kommission passiert war? Ein wenig. Aber Kara wusste... es war nicht ihr Fehler gewesen. Sie spürte es! Bedacht stieg die Braunhaarige also über jenen Müll, die bereits andere hinterlassen hatten und langsam schwand ihre Hoffnung darauf, hier etwas Essbares zu finden, sollten auch andere diese Quelle gefunden und geplündert haben. So unsicher, ob sich der Weg denn gelohnt hatte, schlug Kara den Weg in jenen Gang ein, welcher gesuchtes Gut tragen sollte. Und wirklich... ein paar Schritte weiter vorne, glitzerten ihr die Konserven und Gläser verführerisch entgegen und beinahe kläglich, beschwerend warum ihm zuvor niemand Aufmerksamkeit geschenkt hatte, entglitt dem Magen der Staatenlosen ein tiefes Knurren. Beinahe schmerzhaft gestaltete sich dies, aber konnte Kara sich auch nicht zu hunder Prozent erinnern, wann ihr letztes Mahl war. Jetzt aber starrten ihre vor Hunger glänzenden Augen auf abgepackte Ravioli, Bohneneintöpfe, Gurken, Paprika, Tomaten, Maccaroni mit Käse und und und hinab. Sie wusste, mehr als sie tragen konnte durfte sie nicht nehmen. Und doch war die Versuchung zu groß...


      "I assure you brother. The sun will shine on us again.

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    • Die Mittagshitze der hoch über dem Horizont thronenden Sonne lag wie eine angenehme Decke über der Einöde von Pars. Die Landschaft, weit und trostlos, wurde nur von den Ruinen verlassener Gebäude und den Überbleibseln einer längst vergangenen Zivilisation unterbrochen. Jeder Schritt, den Coryo machte, musste mit Bedacht gesetzt werden, da Stille der beste Freund eines jeden Staatenlosen war. Einsamkeit war zu seinem ständigen Begleiter geworden. Es war nicht der erste Tag, an dem er sich allein durch die trostlosen Überreste der alten Welt bewegte und es würde sicherlich nicht der letzte sein. Bedauerlich, welche Entwicklung Mutter Erde als Folge des unstillbaren Dursts nach Fortschritt genommen hatte. Der Himmel war wolkenbespickt und doch schienen einige Sonnenstrahlen auf ihn herab. Coryo reiste ungern am helligten Tage, wusste sich stets im Schatten zu bewegen, da es so am sichersten war. Doch kein Ort in Pars war je wirklich sicher. Die Städte, die einst die Zentren der Gesellschaft, gefüllt von Handel und Technologie waren, glichen nun Mausefallen - heimgesucht von Plünderern. Genau genommen war Coryo keine Ausnahme. In den dunklen Zeiten der Talionis wurden sie doch alle zu Räubern, um das Überleben zu sichern. Sein diesmaliges Ziel, ein altes Einkaufszentrum, hatte er aus der Ferne erblicken können und steuerte geradewegs darauf zu. Nach dem Zusammenbruch der Zivilisation verwandelten sich Orte wie diese für viele zu einer Zuflucht. Ein Ort, an dem die Vorräte genügten und man ein ordentliches Dach über dem Kopf hatte. Mittlerweile hatten die meisten Überlebenden diesen Standort längst aufgegeben, entweder weil er nichts mehr bot oder weil die Gefahren ihn unbewohnbar gemacht hatten. Ein Versuch war es in seinen Augen trotzdem wert. Des einen Müll konnte schließlich des anderen Schatzes sein. Coryo bewegte sich behutsam auf das verfallene Gebäude zu, während seine wachsamen Augen die Umgebung scannten. Kein Geräusch, keine Bewegung wahrzunehmen. Es schien sicher zu sein. Mit etwas Glück würde es gut gehen, aber Glück war in Pars bekanntlich eine knappe Ressource geworden. Was ihn wirklich herführte, war mehr als die Hoffnung auf Nahrung oder Wasser. Gerüchten zufolge konnte man an solchen Orten noch funktionierende Technologien lauern. Und was der Staatenlose am dringendsten gebrauchen konnte, waren Resonanzsteine.

      Das alte Schild des Einkaufszentrums war fast bis zur Unkenntlichkeit verrostet und der Eingang halb von Schutt blockiert. Coryo musste sich durch eine Lücke zwängen, um hinein zu langen. Im Inneren bot ihm sich das typische Bild der Verwüstung - zerbrochene Fensterscheiben, umgestürzte Regale und verlassene Kassen. Das meiste davon ignorierte er, seine Aufmerksamkeit lag auf Werkzeugen und Technologien, die hilfreich sein könnten. Durch die leeren Flure schreitend, vorbei an den Verkaufsflächen entdeckte er schließlich das Lager. Die Luft im Hinterzimmer des Supermarkts war stickig und abgestanden. Hier hatte lange keiner mehr gelüftet oder die Tore geöffnet. Ein muffiger Geruch von altem Papier, Rost und verdorbenen Vorräten drang in seine Nase. Dann erspähte er ihn - einen veralteten Router, von Staub und Schmutz überzogen, aber immer noch intakt. Möglicherweise war er noch mit dem wertvollsten Gut gefüllt. Jedes Mal, wenn er seine Finger über die Oberfläche des Geräts, dessen glorreiche Tage vergangen waren, gleiten ließ, wirbelten Staubpartikel auf. Etwas genervt und leise murmelnd strich er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Energie des Routers war zu spüren, als wäre sie eine schlafende Bestie, die darauf wartete aus der Winterruhe zu erwachen. Er musste Vorsicht walten lassen. Ein zu starker Impuls konnte das fragile Ding in die Luft jagen und das lag definitiv nicht in Coryos Interesse. Aufmerksamkeit wollte er in dieser verdammten Stadt nicht erregen. Frustriert ließ er davon ab und lehnte sich zurück. Sein Blick begann zu schweifen. Ein Backoffice, wie es in Supermärkten überall auf der Welt aussah - Zettel an den Wänden, ein verrotteter Schreibtisch und ein Stuhl, der aussah, als würde er bei der kleinsten Bewegung zusammenbrechen. Nur noch ein Schatten der alten Welt. Doch das war nicht von Bedeutung. Was wirklich zählte, lag direkt vor ihm. Mit einem frustrierten Seufzen erhob er sich langsam. Der Router würde sich nicht so einfach öffnen lassen. Es fehlte ihm an geeignetem Werkzeug. Mit Gewalt würde das System explodieren, und dann wäre nicht nur der Stein verloren – er selbst wahrscheinlich auch. Die Werkzeuge, die er bei sich trug, reichten nicht aus, also musste er auf der Verkaufsfläche nach etwas Brauchbarem suchen. Vielleicht gab es irgendwo noch einen Schraubenschlüssel oder etwas, mit dem er das Gehäuse aufbrechen konnte. Als er die Tür des Lagers öffnete, lauschte Coryo. Stille. Oder zumindest das, was in Pars als Stille galt. Nur das leise Rascheln der Ratten und der ferne Klang von etwas Tropfendem – nichts Ungewöhnliches. Vorsichtig trat er in den breiten Flur zwischen den Verkaufsregalen, während sein Blick von Regal zu Regal wanderte. Überreste eines Werkzeugkastens wären nicht schlecht. In der Ferne blinkte eine rote Neonröhre und warf flackernde Schatten auf die Wände. Ihre Unregelmäßigkeit machte ihn nervös. Doch dann spürte er eine Anwesenheit. Sein Blick schoss zur Seite. Zwischen den Regalen entdeckte er eine Bewegung. Eine schlanke Gestalt, die ebenfalls durch die verlassenen Gänge schlich. Dunkle Haare, sorgfältig gebunden. Seine Augen verengten sich. Sie hatte ihn bemerkt, so viel wusste er. Sie war nicht wie die anderen, die unachtsam und verzweifelt durch die Ruinen streiften. Er sah, wie sie mit dem Lauf einer Waffe an ihrer Seite blitzend im schwachen Neonlicht in Deckung ging. Coryo fluchte innerlich und zog sich schnell hinter eines der Regale zurück. Er musste Ruhe bewahren.
      Ein Geräusch. Coryo trat aus Versehen auf ein zerbrochenes Stück Glas. Das Knacken hallte durch den Raum und ließ beide innehalten. Er verfluchte sich erneut für seine Unachtsamkeit und presste sich gegen das Regal, im Versuch einen klaren Gedanken zu fassen. Das war nicht gut. Sie konnte jeden Moment das Feuer eröffnen. „Hey!“ rief er, seine Stimme fest, aber kontrolliert. „Ich bin nicht hier, um Ärger zu machen!“ Er spähte vorsichtig um das Regal herum, um ihre Position zu erahnen. „Wir müssen uns nicht gegenseitig umbringen, weißt du?“ Es war ein heikles Unterfangen, doch Worte konnten stärker als Waffen sein – zumindest hoffte er für den Moment darauf. Er musste sie überzeugen, dass er keine Gefahr darstellte, bevor sie entschied, dass eine Kugel die einfachere Lösung war. Mit einem entschlossenen Zug zu seinem Resonex ließ er das kleine Gerät in die Luft steigen. Leise klickend, die Töne über die Gänge hinweg schallend, analysierte es, ob noch mehr Personen in der Nähe waren. Seine Hand wanderte zu seiner Resonanzklinge, bereit, sie im Notfall zu aktivieren. Niemand würde zögern, wenn eine Bedrohung auf einen lauerte. Aber vielleicht konnte er das Blatt noch wenden. Surrend begann das Resonex zu arbeiten und sauste durch die Gänge des Supermarkts. Die Geräusche dienten der Ablenkung, die Kara für einen kurzen Moment irritieren sollten. Er hoffte, es würde ihm genug Zeit verschaffen, um sich ihr unbemerkt von hinten zu nähern. Mit bedächtigen Schritten glitt er weiter nach vorn. Der Abstand zwischen ihnen wurde kleiner, bis sie schließlich mit dem Rücken zu ihm stand. Vorsichtig, mit erhobenen Händen, zeigte er, dass er keinen Angriff plante, obwohl der Griff der Klinge noch immer fest in seiner Handfläche ruhte – nur für den Fall der Fälle. Er wollte den Frieden wahren, zumindest vorerst. „Im Backoffice gibt es einen intakten Router,“ sagte er mit freundlicher Stimme, die den Raum füllte. „Vermutlich sind ein oder zwei Resonanzsteine darin verarbeitet. Wie wär’s, wenn wir statt gegeneinander kämpfen, zusammenarbeiten und uns das gute Stück mal anschauen?“
      A heart's a heavy burden.

    • Schnell hatte sie ihren Rucksack von den Schultern genommen und zugegebenermaßen etwas achtlos vor sich hingeworfen. Gekonnt öffneten ihre Finger den Mechanismus, welcher die Seile, die die Öffnung obenauf zusammenzwängten, befreiten und gab dem gekrinkelten Stoff nun Platz sich zu entfalten. Schnurrend zog sich der Rucksack auseinander und Kara räumte den Boden dessen frei, nun doch die ersten Konserven ergreifend und sie fein säuberlich übereinander in diesen hineinstapelnd. Saure Gurken, Dosengerichte aller Art, Bohnen, Mais und Erbsen, sowie Thunfisch und andere Meeresfrüchte wanderten von ihrer Hand hinein in den Rucksack, welchen sie beizeiten auch anhob, dass er ihr nicht zu schwer wurde. Kara fand sich beinahe in einem Sammelrausch wieder, sagte sich bei jedem neuen Teil das sie aus dem Regal schnappte, dass sie es schon tragen könnte... eines ging noch... und doch hielt sie plötzlich inne. Etwas stimmte nicht, sie spürte es. Leise nun legte sie die letzte der Dosen obenauf und zurrte den Rucksack wieder fest. Die Zeit diesen wieder auf ihre Schulter zu befördern blieb ihr aber nicht, als auch ihre aufmerksamen Augen den Schatten in der Ferne wahrnahmen. Ihr Herz machte einen Satz, pumpte ihr beinahe sofort Adrenalin in die Blutbahn. Rasch war ihr Blick für einen Moment in die Richtung gegangen, wo sie die Bewegung wahrgenommen hatte, dann überschlug sich die Situation und ihr Körper schaltete auf Flucht um. Eilig hatte sie Ashborne aus dem Holster an ihrem Gürtel gezogen und war hinter dem Regalende in Deckung gegangen. Es konnte auch sein, dass ihre übermüdeten Augen ihr schlichtweg einen Streich gespielt hatten und doch wurde sie eines besseren belehrt, als ein Knarzen, das Brechen von Glas, sich als warnendes Geräusch durch die sonst so leeren Gänge drückte. Ihre Sinne spielten ihr also doch keinen Streich. Jemand war mit ihr hier...

      Und dieser jemand durchbrach dann mit einem lauten Ruf die so angespannte Stille zwischen den beiden. Er meinte, er wäre nicht da um Ärger zu machen, man müsse sich nicht gegenseitig umbringen... aber das sagten sie alle. Kara hatte schon so vieles gehört an Lügen und Verblendung, Gesäusel und Versprechen, welche sich dann aber wie alles andere auch leer im Sand verlaufen hatten. So war es für die Braunhaarige also völlig legitim, nun mit absoluter Skepsis zu reagieren und vorerst nichts zu sagen. Und wenn sie laufen müsste, ihren Rucksack bekäme die Dame irgendwie wieder zurück. Die Weite des Schreies analysierend, war sich Kara sicher, dass der Herr gute 20 Meter von ihr entfernt sein musste... weiter nicht, dafür hatten seine Worte eine dementsprechende Klarheit. Tief gelangte ein Atemzug in ihre Lungen, ferner wusste sie nicht, was sie jetzt machen sollte. Davonzulaufen wäre ihrerselbst darzustellen wie bei einer Hasenjagd... und eine Konfrontation wollte Kara eigentlich vermeiden. Erst als sich über ihr ein Klicken bemerkbar machte, die Aufmerksamkeit ihrerseits auf das fliegende Ding ziehen, wurde die Braunhaarige stutzig... Ein... Resonex? Die gab es noch? Mit zusammengezogenen Augenbrauen schritt die junge Frau nun etwas rückwärts, dem Scan des kleinen Fluggeräts entgehen wollend, aber wusste sie nur zu gut, dass diese sonst so unscheinbar wirkenden Dinger, mehr drauf hatten als sichtbar. Wer war das? Honesta ließen sich nicht auf solche altertümlichen Mechaniken ein, Praedo hätten sie bereits erschossen... außer natürlich... Weiter aber ließ man ihren Gedankengang nicht gewähren, als sie hinter sich mit einmal die Präsenz desjenigen spürte, welcher sich hier mit ihr eingenistet hatte. Zur Salzsäule erstarrt, klammerten sich Karas Hände umso fester um den Griff von Ashborne, die mit Bedacht in ihrer Tat, den Blick langsam über ihre Schulter zurück gleiten ließ.

      Beinahe hatte sie den Herren in ihr gesamtes Augenmerk aufgenommen, als er Worte sprach, die ihren Geist fesselten. Ein Router? Ein richtiger, intakter Router? Sie trat einen Schritt von ihm weg und drehte sich im selben Augenblick herum, die Waffe, die ihr zur Verteidigung diente, mit dem Lauf als Antlitz zu Boden gerichtet, jedoch nach wie vor entsichert und geladen. Schneidend ging der glänzende Blick der jungen Frau aus dem Blau ihrer Augen, streng verfestigt waren ihre angespannten Züge rund um das eigentlich sehr hübsche Gesicht. So nun konnte Kara dem Herren, der sich einen knappen Meter vor ihr befand nun auch entgegenblicken, erkannte das freundliche, fast schon zu aufgeschlossene Lächeln auf seinen Lippen und die Besonnenheit welche in jenen lag. Flüchtig ging ihr Blick hinter ihn, in die Richtung des Backoffice, wo er vermeintlichen Schatz wohl erspäht hatte. Kara aber ließ nicht mit sich spielen... wenn er die Wahrheit sagte, sollte es wohl kein Ding sein für ihn, ihr zu zeigen, wo der Router war. Langsam erhob sie also Ashborn in ihrem Arm wieder an und richtete den Lauf auf seine Brust. "Zeig ihn mir...", kam es dann monoton über die rosigen Lippen der jungen Frau, welche seinen Worten erst Glauben schenken würde, wenn sie jenes Ding, dass damals beinahe die gesamte Weltbevölkerung ausgelöscht hatte, in die Finger bekam. Die Resonanzsteine waren ihr schlichtweg egal... er konnte sie wenn es nach ihr ging gerne alle haben. Sie hatte keine Verwendung dafür. Kara... ging es um etwas ganz anderes. Es war ihre eigene Talionis, die sie suchte. Ihre eigene Vergeltung, die dem Herzen der Braunhaarigen nach so langer Zeit Frieden schenken sollte.


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    • Der vermeintliche Frieden, der sich für einen flüchtigen Moment zwischen ihnen ausbreitete, war zerbrechlich wie ein kostbares Stück Porzellan. Der Lauf der Waffe, die auf seine Brust gerichtet war, entsprach keineswegs den Vorstellungen, die Coryo sich von diesem Moment gemacht hatte, als er sein Angebot unterbreitete. Doch er wusste, dass ein weiterer Protest nur unnötig Öl ins Feuer gießen würde. Also tat er, was von ihm verlangt wurde. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich, den Rücken zu ihr gewandt, und zeigte sich unbeeindruckt, obgleich der kalte Lauf der Waffe noch immer an seiner Haut brannte. War es die Naivität, dass Kara nicht schießen würde, oder vielmehr der Größenwahn, der ihn daran hinderte, die Gefahr anzuerkennen? Vielleicht beides. „E voilà“, verkündete er mit einer spöttischen Geste, die beinahe an einen Bühnenauftritt erinnerte, als er das Objekt präsentierte, nachdem sie in die muffigen Hallen des Backoffices eingetreten waren. “Habe ich zu viel versprochen?” fragte der Braunhaarige, um die bedrückende Stille zu durchbrechen, die sich schwerer über den Raum legte. Kara jedoch zeigte keinerlei Regung. Ihr Gesicht blieb ebenso undurchdringlich wie zuvor, als ob sie das Schauspiel mit einer gewissen Gleichgültigkeit beobachtete oder vielleicht einfach nur ihre Freude so meisterhaft zurückhielt, dass er sie nicht erhaschen konnte. Coryo hatte keine ernsthafte Begeisterung oder den Ausbruch in Freudensprüngen erwartet, doch ein winziges Zeichen, um sie zu lesen, wäre in dieser misslichen Lage von unschätzbarem Wert gewesen. Möglicherweise war es dem Fokus geschuldet, mit dem sie vor dem Gerät hockte, der ihn daran hinderte, etwas von ihrem Inneren zu entlocken. Wäre der lose Zopf, der ihr das Gesicht halb verbarg, nicht ständig in sanften Strähnen über die Wangen gefallen, hätte er vielleicht einen Blick erhaschen können - einen winzigen Funken dessen, was sich hinter den Mauern ihres Köpfchens verbarg. Seine Chancen standen schlecht. Für den Bruchteil einer Sekunde ließ sich der Gedanke nicht vertreiben, unbemerkt die Flucht zu ergreifen. Ein riskantes Unterfangen, das aus seiner aktuellen Position beinahe unmöglich schien, aber nicht völlig ausgeschlossen war. Coryo hatte sein Geschick schon des Öfteren zur Schau stellen müssen. Er hatte es schon oft unter Beweis gestellt, mit Erfolg. Doch in Pars, einem Ort, an dem Perfektion längst zur Seltenheit geworden war, jagte ihm der prüfende Blick der Brünetten einen Schauer über den Rücken. Sie war keineswegs naiv. Und auch wenn sie die Waffe nicht mehr auf ihn gerichtet hielt, so ließ sie ihn nicht aus den Augen – und das war vielleicht die größte Gefahr, die sie ihm stellte. Er fühlte sich ertappt. Der Versuch, unauffällig zu schlucken, gelang ihm nur halb. Seine linke Hand fand das Medaillon, das er immer bei sich trug, und seine Finger umschlossen es wie eine Hasenpfote, die ihm Glück bringen sollte. Es war ein Tick, dessen er sich mittlerweile schmerzlich bewusst war, doch es war unmöglich, ihn abzulegen. In Momenten wie diesem, wenn die Aufregung tiefe Wurzeln in ihm schlug, konnte er sich nicht davon befreien. Das Medaillon war das Einzige, was ihm noch ein Gefühl von Heimat gab, ein kleiner Tropfen Honig für die Seele. Erinnerungen, die er nur selten und nur unter Zwang an sich heranließ. Die neue Welt, in der er sich befand, kannte keinen Platz für solche Träumereien – oder bestrafte sie mit eiserner Hand.

      Das metallische Klirren der Edelsteine, als sie auf den Linoleumboden fielen, ließ Coryo abrupt von seiner Kette ablassen. Es war ein kleiner, unscheinbarer Moment, doch der Klang schien in diesem Raum lauter als jeder andere. Doch selbst mit den Steinen in der Hand war ihre Aufgabe nicht erfüllt. Wenn es nicht die Energieträger waren, nach denen Kara offenbar suchte, was hatte sie dann mit diesem alten Gerät zu tun? „Sag mal“, fragte er, die Neugierde nun doch Oberhand gewinnend, „warum genau interessiert dich dieses alte Ding? An den Schmuckstücken scheint es jedenfalls nicht zu liegen.“
      A heart's a heavy burden.