CyberxSteam [kiwi & Zenik]

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    • CyberxSteam [kiwi & Zenik]

      - CyberxSteam -
      [ @kiwi & Zenik ]

      Alternate Universe (Genshin)
      Intrigen/Romantik/Action/Mysterien/Fantasy/Sci-Fi

      - Vorstellung -


      kiwi: Alora, Kazuha, Albedo, Beidou...
      Zenik: Ostara, Wriothesley, Childe, Scaramouche, Ningguang...


      Akt I
      - Maskenball -


      Eine unerwartete Einladung drängt Alora dazu den Maskenball in Steam aufzusuchen. Leichtfertig, kann man sich allerdings nicht Einlass zu dieser Veranstaltung verschaffen, auf welcher nur den nobelsten sowie hochrangigsten Familien Steams der Einlass gewährt wird. Ostara tritt auf Geheiß Lady Ningguangs dem Maskenball als Repräsentant der Familie Rainsworth bei; ihr Partner, Wriothesley, schleußt sich derweil als ein Bediensteter ein. Beide versuchen ihre Position zu nutzen, um mehr über die Geschehnisse herauszufinden, die sich heute Abend hinter den Kulissen abspielen sollen. In den Rosengärten des Anwesens versucht Kazuha derweil unbemerkt einen Weg ins Innere zu finden, um herauszufinden, wer sich hinter dem Absender der Einladung an Alora verbirgt.

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      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • Es war durchaus unhandlich in diesem derart prunkvollem Gewand vorwärtszukommen, an Schnelligkeit, geschweige denn Geschicklichkeit, war gar nicht erst zu denken. Wenn sie sich nicht etwas mehr beeilen würde, dann würde sie ihre Zielobjekte mit Sicherheit schon bald aus den Augen verloren haben. Die letzten Treppenstufen, die sie hinaus aus dem Saal ins Freie geleiteten, überflog sie mit einem leichten Satz, der sie schneller auf den sandigen Pfad, welcher zu den prachtvollen Rosengärten führte, beförderte. Wenigstens bei diesen Gott verdammten Schuhen hätte sie heute Abend doch wenigstens schummeln können; denn bei dieser Länge des Kleides, konnte man allerhöchstens vermuten, dass sich darunter genauso prunkvolle Schuhe befanden, was wiederum hieß, dass es ehrlich gesagt absolut keine Rolle spielte, um was für Schuhe es sich dabei handelte.
      Als sie Narayan auf die Veranstaltung ansprach, um ihm mitzuteilen, dass sie als Repräsentant ihrer Familie teilnehmen wollen würde, schien er hellauf begeistert darüber zu sein. Immerhin, war es nun schon eine ganze Weile her, dass sie sich zu solch einer Festivität überreden lassen konnte. Als er dann schlussendlich mit dem Kleid, welches an ein Federgewand erinnerte und der passenden Waldohreulenmaske um die Ecke bog, wusste sie ganz genau, dass sie ihm diesen Wunsch unmöglich ausschlagen konnte. Er hatte wohl immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass seine Schwester eine durchaus heiratsfähige Kandidatin war und das trotz des Armverlustes.

      Die Rosengärten wirkten im tiefen Dunkel des späten Abends nahezu wie ein Labyrinth. Hohe Hecken rangen sich um schmale Pfade, welche wiederum gespickt waren mit den duftenden Köpfen der verschiedenfarbigen Rosen. Die zwei Männer, die bereits den ganzen Abend über ernste Blicke ausgetauscht hatten, schienen ein Geheimnis zu verbergen, welches bei der Brünetten für gehörig Aufmerksamkeit sorgte. In den Gärten, abgeschnitten vom regen Treiben der Gesellschaft, würden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bald in vollkommener Sicherheit wiegen und ihre wahren Absichten enthüllen.

      "So hör mich doch an, Benvolio!"

      "Nein! Wenn das rauskommt, dann sind wir geliefert."

      "Willst du wirklich so weitermachen? Dein Leben lang mit einer Gott verdammten Lüge leben?!"

      Sie hielt Inne. Vorsichtig linste sie hinter der Hecke hervor, die einen guten Blick auf den Mittelpunkt des Gartens barg. Vor einem riesigen, mit unzähligen Ornamenten gespickten, Springbrunnen, standen die beiden Männer und führten eine hitzige Diskussion, bevor schlussendlich einer der beiden nähertrat und den Anderen mit einem stürmischen Kuss zum Schweigen brachte. Moment mal...

      "Roderick, was ist wenn uns Jemand sieht? Du weißt, dass ich so gut wie verheiratet bin. Es wurde bereits vor meiner Geburt für mich entschieden. Es gibt absolut nichts, was du dagegen-"

      "Lass uns von hier verschwinden. Heute Nacht. Ich habe eine Fahrt gebucht für uns beide. Wir verlassen Steam und fangen woanders ganz neu an."

      "R-Roderick... ich denke nicht, dass ich das kann. Ich..."

      "Sag, dass du mit mir kommst..."

      Herrje, anscheinend hatten diese beiden so einiges zu verbergen, aber keines dieser unzähligen Geheimnisse, war auch nur im Ansatz das, was sie sich erhofft hatte in Erfahrung zu bringen. Mit einem tiefen Seufzer hob sie den Saum ihres Kleides an und trat den Rückzug an. Großartig, nun konnte sie also wieder bei Null anfangen. Hinzu kam, dass die bloße Vorstellung, derart von Jemanden geliebt zu werden, sie schon ein wenig neidisch machte; insgeheim würden sie den beiden wohl schon ihren Segen geben, obwohl sie sich nicht einmal kannte.

      Der Wind kam plötzlich auf und zerrte ein wenig unnachgiebig an ihren Haaren, was sie dazu verleitete kurz Inne zu halten. Vorhin hatte sie es leider noch nicht bemerkt, aber nun konnte sie am Ende des Pfades deutlich eine Gestalt ausmachen. Sein komplettes Gesicht war von einer hellen Maske verdeckt, unüblich, wenn man mal bedachte, dass die Meisten sich für das Fest nur zum reinen Vergnügen verkleidet hatten; im Gegensatz hierzu, wirkte das Auftreten fast schon ein wenig zu gewollt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie langsam begriff, dass der Fremde ihr ganz bewusst zugewandt war, fast so als würde er genau beobachten, was sie als Nächstes tun würde. Na ganz toll, einige bekamen im Mondschein ein heißersehntes Liebesgeständnis und andere wiederum mussten aufpassen, dass sie nicht unter der Erde landeten.

      "...selbst ein Hintereingang ist immer noch ein Eingang." Zeit schinden. Sie würde definitiv heil aus dieser Situation rauskommen, selbst wenn Wriothesley nicht in der Nähe war. "Ihr seid kein geladener Gast." Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, hätte sie schwören können, ein Schmunzeln in jenem Moment auszumachen. "Eure Mühen haben euch verraten. Das ist keine Maske, die Ihr bewusst für diesen Ball ausgesucht habt, zumal sie nicht ansatzweise zum Ambiente passt. Aber wenn Ihr mich raten lassen wollt, dann würde ich darauf tippen, dass Ihr eben nichts anderes parat hattet. Vermutlich hattet Ihr gar nicht erst vor Euch auf diesen Abend vorzubereiten? Was natürlich die Frage aufwirft, warum Ihr eigentlich hier seid."

      Er setzte sich langsam in Bewegung. Ob das ein schlechtes Zeichen war? "Ich habe Euch nicht gestattet näher zu kommen und vor allem habe ich nichts an mir, was sich lohnt entwendet zu werden. Ihr werdet keine Freude an mir haben." Sie streckte ihren rechten Arm aus, welcher komplett mechanisch war. "...ich habe es aufgegeben Schmuck zu tragen, er verklemmt mir immer das Getriebe. Zudem fühlt es sich bestimmt nicht ansatzweise reizvoll an mit sowas in Berührung zu kommen." Spätestens ab jetzt würde sie vermutlich ihre Ruhe haben.

      ---

      Nichts war schlimmer als die Tatsache sich wie Abschaum behandeln lassen zu müssen, von Leuten, die der Abschaum höchstpersönlich waren. Auch wenn er seit Beginn der Veranstaltung, immer wieder seine Runden mit einem Tablett voller Sektgläser drehte, entging ihm keinesfalls, dass früher oder später, irgendein reicher Schnösel, der den Arsch nicht ansatzweise in der Hose hatte, seine unkontrollierten Elternkomplexe an ihm auslassen musste; während hingegen die feinen Damen bei nahezu jeder Gelegenheit versuchten mit ihm zu liebäugeln. Fast schon ein wenig unfair, dass er im Gegensatz zu Ostara, als Bediensteter durch die Gegend rennen durfte und auf gute Miene machen musste. Andererseits, so wie er seine Partnerin kannte, schien sie derzeit ihre ganz eigene persönliche Hölle zu durchleben. Fast schon ein wenig Schade, dass Sie gar nicht richtig ausnutzen konnte, dass sie so vortrefflich von ihrem Bruder angekleidet wurde.

      Wann immer sich ihre Wege in der Menge kreuzten, hatte er ihr spaßeshalber im Vorbeigehen hinterher gepfiffen, was die Brünette allerdings als überaus nervtötend empfand und mit einem Zischen unterband. Innerlich war er sich trotzdem sicher, dass sie das Kompliment durchaus zu schätzen wusste; immerhin würde ihr hier garantiert Niemand die Aufmerksamkeit schenken, die sie eigentlich verdient hätte.
      Mittlerweile konnte er sie in der Menge auch gar nicht mehr ausmachen, was darauf schließen ließ, dass sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Fersen irgendeiner verdächtigen Person geheftet haben musste. Ein tiefer Seufzer entglitt seiner Kehle, bevor er dem nächstbesten reichen Bengel das Tablett gegen die Brust rammte, woraufhin dieser augenblicklich zu husten begann.
      "Daddy wäre sicher stolz wenn er wüsste wie gut du dieses Tablett halten kannst."
      Für mehr waren die Meisten hier sowieso nicht zu gebrauchen, also warum zur Hölle sollte er noch weiter damit durch die Gegend trampen. Es war an der Zeit nach Ostara Ausschau zu halten, denn diese kleine Chaotin hatte durchaus ein Talent dafür sich in brenzligen Situationen vorzufinden, weshalb eine stetige Sorge in seinem Hinterkopf nagte, wenn er nicht wusste, wo genau sie sich herumtrieb.

      In wenigen Schritten begab er sich auf einen der Balkone, die freie Hand führte eine Zigarette an seine Lippen, während er mit der Anderen bereits nach einem Feuerzeug kramte. Während er die Zigarette schlussendlich anzündete, fiel sein Blick auf eine Frau, welche auf dem Geländer des Balkons gestützt lehnte, den Blick in die Ferne gerichtet. Wenn er recht überlegte, dann hatte er sie bereits ein paar Mal zu Gesicht bekommen, allerdings nie in Gesellschaft der Anderen. Ob sie immer noch auf Jemanden zu warten schien?

      "My Lady, Ihr wirkt wie Jemand, den man nicht warten lässt. Warum also schaut Ihr so theatralisch in die Ferne?" Er achtete darauf einen gewissen Abstand zu ihr zu halten, da der Rauch seiner Zigarette sie nicht streifen sollte. Obwohl die Frauen ihm am Meisten zugetan waren, konnte er sich dennoch nicht erlauben, zu vertraut mit ihnen umzugehen. Ein genauerer Blick auf die Silberhaarige verriet ihm allerdings, dass sie nicht ganz in das typische Gesellschaftsbild der Steam-Frau passte. Irgendetwas strahlte sie aus, was wesentlich ungezwungener und lebendiger wirkte. Vielleicht war das ja auch der Grund, warum er überhaupt erst das Bedürfnis verspürte sie anzusprechen?

      "Ich sag Euch was...", er lockerte den Kragen seines Hemdes, während ein leichtes Lachen seiner Kehle entsprang, "Ihr erzählt mir, warum ihr hier alleine seid und ich leiste Euch stattdessen Gesellschaft." Er konnte ihr deutlich ansehen, dass sie anhand seiner Dienstkleidung vermutlich nicht ganz von dem überzeugt war, was er ihr zu versprechen versuchte. "...meine Schicht ist gerade vorbei." Sie wirkte immer noch nicht beeindruckt. Verflucht, Ostara hätte bestimmt mit dem Kopf geschüttelt und ihn gescholten, dass er sich dringend erst anständig überlegen sollte was er sagte, bevor er den Mund aufmachte.

      "...wollt Ihr lieber alleine sein?"

      Immerhin war dies eine ernstgemeinte Frage, der sie nun nicht so einfach ausweichen konnte. Außerdem kann man das Ganze ja auch schlecht als Zeitvertreib, geschweige denn als reinen Flirt betrachten, wenn es sich bei dieser hübschen Lady insgeheim doch um eine Schwerstverbrecherin handelte, richtig? Laut Ningguang hatte er doch den Auftrag sein Augenmerk auf Verdächtige zu werfen und herauszufinden, was genau deren Absichten waren. Was er hier letzten Endes tat, war also nichts weiter als seiner Arbeit nachzugehen; zumindest verschaffte ihm dieser rechtfertigende Gedanke zunehmend Genugtuung.
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • Er fragte sich, was er hier überhaupt tat. Und dann auch noch in Steam – ein Ort, der so gar nicht zu dem passte, was er von seiner Partnerin gewohnt war. Missionen auf eigener Faust auszuführen oder an Informationen zu kommen waren eine Sache - aber es war eine andere, wenn es sich um solch unheimlich mysteriöse Umstände handelte, die so gar nicht zu Alora passten. Irgendetwas war hier gewaltig faul.
      Zudem fühlte sich alles falsch an, als wäre er fehl am Platz. Aber er war nun mal hier, also musste er das Beste daraus machen. Ihm fehlte alleinig nur noch ein Weg in das Gebäude.
      Der Weißhaarige versuchte sich im Rosengarten einen Plan zurechtzulegen wie er unbemerkt ins Gebäude gelangen konnte. Doch seine Kleidung war ein großes Problem. Im Vergleich zu den eleganten Anzügen und feinen Kleidern, die die anderen Gäste trugen, fiel sein Outfit viel zu sehr auf. Sicherlich würde er dem Sicherheitspersonal sofort ins Auge stechen, wenn er versuchen würde, sich einfach unter die Menge zu mischen.

      Während er noch darüber nachdachte, was er tun könnte, fiel ihm plötzlich eine Frau ins Auge, die er für eine Weile beobachtete. Vielleicht war sie der Schlüssel zu seinem Plan oder sie könnte ihm zumindest einen Hinweis geben, wie er unbemerkt weiterkommen könnte. In einer besonders ruhigen Ecke des Gartens kam er ihr entgegen und fragte sie nach einer Möglichkeit ins Gebäude zu gelangen, doch sie schien die ganze Situation allgemein zu bedenken.
      Ein leichtes Lächeln legte sich auf Kazuhas Lippen. Sie schien ihm alles andere als naiv oder leicht zu täuschen. Die Art wie sie die Situation analysierte und mit ihm sprach deutete darauf hin, dass sie Köpfchen hatte. Doch gleichzeitig bemerkte er etwas anderes: Unter ihrer ruhigen Fassade lag eine Spur von Unsicherheit, vielleicht sogar Angst, auch wenn sie sich große Mühe gab, diese zu verbergen. Kazuha wusste, dass er vorsichtig sein musste. Ihr Angst einzujagen, war nicht Teil seines Plans. Im Gegenteil, damit würde er sich nur selbst ein Bein stellen. Wenn er weiterkommen wollte, musste er eine andere Taktik wählen, eine, die ihr Vertrauen gewann, anstatt sie abzuschrecken. Es war an der Zeit subtilere Geschütze aufzufahren, um sein Ziel zu erreichen – ohne sie zu verschrecken.

      "Keine Sorge, ich habe nicht vor, Ihnen etwas wegzunehmen oder Ihnen zu schaden", sagte er mit einem schiefen Lächeln, während er sich verlegen den Hinterkopf kratzte. Der Weißhaarige hatte nur diesen einzigen Moment, um mit Überzeugung zu glänzen. "Es ist nur so... meine Herzdame ist dort oben und ich muss sie unbedingt wiedersehen. Das hier ist meine einzige Chance, bevor sie erneut auf Reisen geht."
      Er lehnte sich leicht vor und stützte seinen Arm in einer einladenden Geste ab, als Zeichen, dass sie sich bei ihm einhaken sollte. "Ich habe ihr versprochen, dass ich einen Weg finden würde, sie ein letztes Mal zu sehen" fuhr er fort und seine Augen leuchteten in der Hoffnung, dass die Dunkelhaarige ihm seine schauspielerische Meisterleistung abkaufen würde, "aber ich bin... nun ja, sagen wir... ich falle zu sehr auf, um einfach durch den Hintereingang hineinzuschlüpfen, ohne erwischt zu werden. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mir helfen könnten, einen 'offizielleren' Weg hinein zu finden. Alleine schaffe ich das nicht."

      Eine unangenehme Stille legte sich zwischen die beiden, die Luft schien für einen Moment schwerer zu werden. Sie musterte ihn mit einem Blick, der nicht wirklich erkennen ließ, ob sie ihm glaubte oder nicht. Zweifel schienen in ihren Augen aufzublitzen, als ob sie seine Worte noch einmal durchdachte, unsicher, ob sie ihm trauen sollte. Oder war es einfach ihre eigene Angst, die sie zögerlich machte, sich auf sein Vorhaben einzulassen?
      Er spürte, dass ihm die Zeit davonlief. Wenn er jetzt nichts tat, würde sie sich vielleicht endgültig zurückziehen. Er musste alles riskieren, alles auf eine einzige Karte setzen: "Ich bin ein wenig verzweifelt. Ich verspreche Ihnen, sobald Sie mich hereingelassen haben, werden Sie mich nie wiedersehen", er hoffte inständig, dass seine Worte Wirkung zeigten. Vielleicht würde sie sich in seine Lage versetzen können. Vielleicht hatte auch sie jemanden, dem sie nachjagte, jemanden, den sie um jeden Preis sehen wollte. Wenn dem so sei, würde sie ihm seine verzweifelten Absichten sicher nachsehen und ihm helfen, ohne weiter nachzufragen.


      ---


      "Was ist das?", fragte sie neugierig den Grünhaarigen, als dieser ihr einen Brief ohne Absender überreichte. Der Umschlag war kunstvoll und mit feinen Verzierungen versehen, als hätte jemand von hohem Rang ihn eigens für sie anfertigen lassen. Ihre Augen glitten über das elegante Siegel und die aufwendig gestalteten Muster, die dem Schreiben eine fast königliche Aura verliehen. Doch eine Frage brannte ihr auf der Zunge: Warum war dieser mysteriöse Brief an Zhonglis Hauptquartier adressiert und nicht an sie direkt?

      Mit beinahe übertrieben größter Vorsicht öffnete sie den Brief. Als ihre Augen die ersten Zeilen erfassten, glaubte sie zunächst, sie hätte sich verlesen. Ungläubig las sie den Brief erneut und ein auch drittes Mal, reichte nicht aus um zu verstehen was sie da gerade las. Sie nahm einen großen Atemzug und las sich ihn noch einmal genauer durch, bis sie realisierte, dass es sich bei dem Absender tatsächlich um ihren Exfreund Childe handelte. Seit wie vielen Jahren hatte sie nichts mehr von ihm gehört? Er war eines Tages ohne Vorwarnung verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst; und nun meldete er sich auf diese seltsame Weise und möchte sich sogar mit ihr treffen?
      Es war zu schön, um wahr zu sein, aber die übermittelten Hinweise im Text, die Handschrift und die Unterschrift verrieten ihr eindeutig, dass sie mit ihrer Annahme nicht falsch liegen konnte.


      Und so befand sie sich nun hier, gefangen in ihrer ganz persönlichen Hölle – der Hauptstadt von Steam – und wartete vergeblich auf ihren ehemaligen Liebhaber. Normalerweise machte es ihr nichts aus allein zu sein und sich irgendwie selbst zu beschäftigen, während die Welt um sie herum in ausgelassener Freude versank. Doch heute war alles anders. Die Nervosität nagte an ihr und sie fühlte, wie sie sich Stück für Stück zersetzte. Seit Stunden schon suchten ihre Augen vergeblich nach ihm in der Menge, doch er war nirgends zu sehen. Langsam kam sie sich lächerlich vor, fast naiv. Hätte er nicht längst hier sein sollen? Sie war schon seit einer Weile da und hatte ständig den endlosen Avancen fremder Männer entkommen müssen, die hofften, am Ende des Tages ein kleines Abenteuer mit ihr zu erleben. Ihre musternden Blicke sprachen Bände. Es wäre kein Wunder, wenn sie in ihren Augen wie ein exotisches leichtes Mädchen wirkte – schließlich schienen diese Männer schon beim bloßen Anblick ihres Knöchels schwach zu werden.

      Ein tiefer Seufzer entglitt ihren Lippen, doch so sehr sie es auch wollte, Aufgeben war keine Option. Wenn Childe nach all den Jahren tatsächlich den Kontakt zu ihr gesucht und ihr einen Brief samt Einladung zu einem exklusivem Event geschickt hatte, dann musste nicht sogar mehr dahinterstecken, sondern dann war es ihm auch ein besonderes Anliegen, sie tatsächlich wiedersehen zu wollen. Warum sonst sollte er sich sonst melden? Dieser Gedanke war es, an dem sie sich festhielt – der einzige Anker, der sie noch davon abhielt, frustriert den Rückweg anzutreten.
      Während sie so dastand und sich fragte, wie viel länger sie noch warten sollte, kamen immer mehr Zweifel in ihr auf. Hatte sie ihn womöglich aus Versehen verpasst? Vielleicht war er hier gewesen und sie hatte es nicht bemerkt, obwohl sie den größten Teil der Zeit an genau dieser Stelle gestanden hatte. Könnte es sein, dass er sich in der Menge versteckt hatte, unerkannt an ihr vorbeigegangen war, während sie in Gedanken versunken war? Sie spielte verschiedene Szenarien durch und fragte sich, ob sie ihm vielleicht sogar unabsichtlich aus dem Weg gegangen war. Doch das schien ihr unwahrscheinlich. Aber je länger sie wartete, desto absurder erschien ihr das Ganze.

      Mittlerweile hatte sie sich auf den großen Balkon zurückgezogen, der ihr einen weiten Blick über das Gelände bot. Die kühle Abendluft strich über ihre Haut während sie in die Ferne starrte, in der leisen Hoffnung, Childe irgendwo zu entdecken. Vielleicht würde er, genau wie sie, eine Pause vom Lärm und der Enge des Maskenballs brauchen und den Gedanken haben nach draußen zu gehen, um frische Luft zu schnappen. Wenn dem so wäre, würden sie sich genau hier wiedersehen. Sie klammerte sich an diese Vorstellung – dass dieser Balkon ihr Zufluchtsort war, der Ort, an dem sie sich endlich nach der langen Zeit begegnen konnten.

      Als sie das leise Knarren der Balkontür hinter sich hörte, regte sich ein wenig Hoffnung in ihr, doch sie blieb regungslos und drehte sich nicht um. Ihr Herz schlug einen Moment schneller, doch im nächsten wurde sie wieder enttäuscht. Es war nicht der Rothaarige, den sie erwartet hatte, sondern einer der Kellner, welcher sie zu ihrem 'Glück' auch noch ansprach. Ein weiterer Seufzer entfloh ihren Lippen und sie spürte, wie die Frustration weiterhin in ihr wuchs. Eigentlich wollte sie gänzlich auf unerwünschte Gesellschaft verzichten, aber jetzt - nach so vielen Stunden des vergeblichen Wartens - schien ihr jeder Versuch, die Einsamkeit zu umgehen, wie eine willkommene Ablenkung. Zumindest wenn es sich bei ihrem Gegenüber nicht um jemanden Verklemmtes handelte wie die meisten Spießer im Saal.
      Sie ließ ihren Blick noch einmal über die Szenerie schweifen und erkannte, dass sie langsam den Punkt erreicht hatte, an dem ihr die Geduld endgültig ausging. Vielleicht würde ein wenig Unterhaltung den Abend etwas weniger trostlos erscheinen lassen. Sie beschloss, das Gespräch anzunehmen – selbst wenn es nur für einen kurzen Moment war, bevor sie sich endgültig auf den Rückweg machte.

      "Ich wurde eingeladen", begann sie, während ihr Blick erneut über das Gelände glitt als würde sie hoffen, ihn doch noch irgendwo zu entdecken. "Aber meine Begleitung scheint nicht aufzutauchen. Ich bin schon seit einer ganzen Weile hier." Ihre Worte klangen ruhig, doch die Enttäuschung war unüberhörbar.
      Erst jetzt musterte sie den Kellner genauer und bemerkte, dass er äußerst gut aussehend war. Zudem schien er nicht wie die anderen Leute zu sein, die sich drinnen tummelten. Was machte so jemand wie er überhaupt hier?
      Ohne weiter darüber nachzudenken, trat sie einen Schritt näher an ihn heran, hielt seinen Blick für einen Moment und griff dann mit einer fast spielerischen Geste nach der Zigarette, die zwischen seinen Lippen hing. Sie nahm sie ihm vorsichtig ab, führte sie selbst zum Mund und zog daran, bevor sie ihm einen verführerischen Blick zuwarf. Der bittere Rauch füllte ihre Lungen, während sie spürte wie sich für einen Augenblick die Anspannung in ihr löste.
    • Neu

      "Ich erspare Euch lieber die Schmach an Eurer Seite zu verweilen. Wir wollen doch nicht, dass die Angehörigen Eurer Herzdame, hinter Eurem Rücken darüber sprechen, warum Ihr in Begleitung von B-Ware auf dieser Veranstaltung erscheint, oder?"

      Es lag auf der Hand, dass dieser charmante Fremde sich absolut nicht mit der Etikette der hohen Gesellschaft Steams auskannte. Entweder schien er nicht zu wissen, dass ihr fehlender Arm einen Makel darstellte oder aber es schien ihn nicht großartig zu stören; was allerdings in beiden Fällen nicht nur überaus leichtfertig, sondern auch ziemlich naiv war. Für Jemanden, der sich 'angeblich' für eine noble Dame auf dieser Veranstaltung interessierte und unbedingt alles daran setzen wollte sie noch einmal wiederzusehen, gab er sich erstaunlich wenig Mühe. Aber nun gut, Sie würde sich vorerst auf sein Spielchen einlassen, denn immerhin hatte er angefangen ihr Interesse zu wecken.

      "Lauft mir vorerst einfach nur nach. Wir werden etwas an Eurem Äußeren verändern müssen, ansonsten habt Ihr dort drinnen keine Chance."

      Herzdame? Von wegen. Er suchte Jemanden auf dieser Veranstaltung, das glaubte sie ihm, aber ganz sicher handelte es sich dabei nicht um eine Person, in die er verliebt war. Nein, sie sollte ihn vorerst besser nicht aus den Augen lassen. Wer weiß, was genau er anstellen würde, wenn er seine gewünschte Zielperson erst einmal ausfindig gemacht hätte. Sie wollte ehrlich gesagt nicht direkt vom Schlimmsten ausgehen, aber der Gedanke lag nun mal nicht fern, dass er durchaus in der Lage wäre Jemanden umzubringen, wenn man ihm dazu nur die Chance ließ. Allein sein bloßes Auftreten jagte Ostara einen kalten Schauer über den Rücken.
      Unbewusst, beschleunigten sich ihre Schritte, während sie die Treppe hinauf stieg, bis ihr langsam aber sicher bewusst wurde, dass der Weißhaarige direkt neben ihr herlief.

      "Was genau versteht Ihr eigentlich nicht an, lauft mir nach? Soll ich Euch das Wort erst buchstabieren?!"

      Aus reinem Trotz wich sie nun mehr zur Seite aus, um zumindest in dieser Hinsicht für etwas mehr Abstand zwischen ihnen beiden zu sorgen. Es dauerte allerdings nicht lange, bis ihr Anhängsel erneut, direkt neben ihr zum Stehen kam. Bei näherer Betrachtung, war er vielleicht doch nur ein hoffnungsloser Verehrer der Romantik, der es eben absolut nicht besser wusste.

      "Was tragt Ihr eigentlich für eine absurde Maske? Habt Ihr nichts besseres gefunden oder aber dachtet Ihr wirklich, dass man sowas hier gerne sehen würde?" Sie wusste ehrlich gesagt nicht einmal was seine Maske genau darstellen sollte. "Nehmt sie ab. Wir müssen Euch sowieso eine Neue besorgen." Mit strengem Blick stemmte sie nun die Hände in die Hüften, allmählich schien sie die Geduld zu verlieren.

      Kaum hatte er, auf ihr Geheiß hin, die Maske abgenommen, stockte ihr plötzlich der Atem. Langsam wurde der Nobelstochter bewusst, warum es ihm derart schwer fiel sich unter die Leute zu mischen. Er fiel genauso stark auf wie eine Mondfinsternis am helllichten Tage.

      "Ihr... habt ein... recht... ungewöhnliches Aussehen." Sie starrte ihn immer noch an, beinahe so als wäre sie nicht dazu in der Lage den Blick von ihm abzuwenden. "Ihr solltet doch eigentlich wissen, dass die hohe Gesellschaft in Steam ein Problem mit Ungereimtheiten dieser Art hat. Ihr hattet doch erwähnt, dass Ihr verliebt seid, oder? Warum macht Ihr es Euch dann so schwer und verkleidet Euch nicht entsprechend?" Behutsam nahm sie nun ihre eigene Maske ab, welche dem Wappentier Ihrer Familie nachempfunden war, um sie ihrem Gegenüber aufzusetzen. "Ihr tragt vorerst meine Maske", sie trat näher an ihn heran, damit sie die Maske vernünftig an ihm befestigen konnte. Umsichtig strichen ihre Finger ihm das Haar aus den Augen, während sie ihn anschließend mit einem zufriedenen Lächeln bedachte.


      "My fair Lady Rainsworth. Ich hatte schon befürchtet, dass meine Wenigkeit Euer liebliches Antlitz verpasst hätte", mit einem lauten Gackern trank der ältere Herr einen kräftigen Schluck und leckte sich anschließend demonstrativ über die Lippen, "Lasst dieses schreckliche Katz-und-Maus-Spiel sein und werdet endlich meine Frau." Mit ausgebreiteten Armen stand der Mitte Sechzigjährige nun am Treppenabsatz; das stete Hicksen verriet, dass er bereits mehr als nur ein Glas zu sich genommen hatte.

      "Duke Richmond. Ich hatte gar nicht erwartet, dass Ihr immer noch auf der Suche seid. Ihr seid doch ein solch stattlicher Mann, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Ihr-"

      "Dieses ständige Gerede ist das was ich euch zuerst verbieten werde", mit schwerem Schritt schwankte er nun die Stufen der Treppe zu den beiden hinunter, "Ein Maulkorb sollte man Euch anlegen, wann immer Ihr denkt, dass Ihr ungefragt den Mund aufmachen dürft. Hunde und Frauen müssen nur gleichermaßen gut erzogen werden... lasst mich Euch erziehen, My Lady."

      Schlimmer hätte es sie heute Abend nun wirklich nicht mehr treffen können.

      ---

      "Ich wurde eingeladen."

      Eingeladen, also? Es kam nicht gerade selten vor, dass die hohe Gesellschaft in Steam allerhand exotische Leute einlud, aber dann höchstens in die eigenen vier Wände und nicht zu solch überaus pompösen und bedeutenden Veranstaltungen. Wenn er Recht überlegte, dann würden sich so Einige vermutlich bereits das Maul darüber zerreißen, welchem Lord dieser derartige Fauxpas unterlaufen war. Der jungen Frau sah man deutlich an, dass sie nicht sonderlich viel mit Steam zu schaffen hatte, weshalb sie vermutlich umso betrübter über die Tatsache schien alleine zu sein.

      "Aber meine Begleitung scheint nicht aufzutauchen. Ich bin schon seit einer ganzen Weile hier."

      Natürlich, würde, wer auch immer sie eingeladen hatte, nicht mehr auftauchen. Mittlerweile dürfte der Taugenichts wohl ebenfalls bemerkt haben, dass er einen schweren Fehler damit begangen hatte, indem er seine heimliche Geliebte zum Maskenball einladen musste; womöglich würden Mami und Papi zukünftig den Geldhahn komplett zudrehen, geschieht dem Mistkerl ganz Recht.
      Mit einem Kopfschütteln versuchte Wriothesley der angestauten Wut in seinem Inneren etwas Raum zu schaffen. Ganz gleich, wie sehr er sich über die Reichen und Noblen in Steam auch aufregte, es würde vorerst nichts an der Tatsache ändern, dass diese Frau die Wahrheit verdient hatte. Besser sie würde es jetzt erfahren, als sich bis tief in die Nacht an eine vage Hoffnung klammern, die ihr im Nachhinein das Herz brechen würde.

      Gerade wollte er ansetzen mit seiner beschwichtigen Ansprache, da trat sie unerwarteterweise näher an ihn heran. Ob sie womöglich im Begriff war zu weinen? Wenn es eins gab was Wriothesley in Panik versetzen konnte, dann waren es vermutlich die ersten Anzeichen von Tränen auf den Wangen einer Frau. Im besten Fall wäre er in der Lage sie zu beruhigen und ihr Trost zu spenden, im schlimmsten Fall würde eventuell irgendetwas in die Luft gejagt werden. Frauen waren in dieser Hinsicht, so hatte er es zumindest gelernt, immer etwas undurchschaubar.

      Als stattdessen die Zigarette, zwischen seinen Lippen, plötzlich verschwand, blinzelte er ein paar Mal verwundert mit den Augen. Sein Gegenüber zog genüsslich daran und stieß ihm den bitteren Rauch amüsiert entgegen. Ein leichtes Lachen entsprang seiner Kehle, bevor er auch schon erneut zu seinem Etui griff, um sich eine neue Zigarette anzustecken.

      "Nächstes Mal kannst du mich auch einfach nach einer Zigarette fragen."

      Mit einem ebenso verführerischen Lächeln lehnte er sich nun mit dem Rücken gegen das Balkongeländer, den Blick weiterhin unverwandt auf die hübsche Fremde gerichtet. "...ich will dir den Abend nicht ruinieren", erneut nahm er einen Zug und stieß den Rauch durch die Nase aus, "Ich denke nicht, dass er noch kommen wird. Wenn er jetzt noch nicht aufgetaucht ist, dann kannst du davon ausgehen, dass ihn etwas zurückhält."

      Ihm war bewusst, dass ihr diese Worte nicht gefallen würden, aber sie waren leider notwendig. "...du denkst vermutlich du gibst dir Mühe nicht aufzufallen, aber das ist nicht der Fall. Der größte Fehler in Steam ist, zu glauben, dass den Leuten hier nicht jeder kleine Makel augenblicklich ins Auge stechen würde. Wer auch immer dich hierher bestellt hat, hat sich ehrlich gesagt nicht im Geringsten um deine Sicherheit geschert."

      Nun wurde es langsam interessant. Ob sie auf seine Sticheleien eingehen würde, blieb wohl abzuwarten, dennoch fühlte der Dunkelhaarige sich bereits auf der sicheren Seite. Er wusste ganz genau, dass er sie mit seinen Worten zum Nachdenken gebracht hatte und genau das würde er sich nun zunutze machen. "Ich bin nicht dein Feind. Genau wie du, habe ich ebenfalls das Gefühl nicht wirklich hierher zu gehören. Deswegen lass mich dir helfen."

      Er nahm einen erneuten Zug seiner Zigarette, bevor er diese schlussendlich am Geländer ausdrückte.

      "...es bringt nichts länger zu warten. Ich bin mir sicher, dass dir das eigentlich auch schon längst bewusst ist."
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • Neu

      "Ich erspare Euch lieber die Schmach an Eurer Seite zu verweilen. Wir wollen doch nicht, dass die Angehörigen Eurer Herzdame, hinter Eurem Rücken darüber sprechen, warum Ihr in Begleitung von B-Ware auf dieser Veranstaltung erscheint, oder?"

      Es erstaunte ihn immer wieder, dass die Oberklasse Steams sich als noch grausamer entpuppte, als man es sich hätte ausmalen können. Ihm war durchaus bewusst, dass der Dunkelhaarigen ein Arm fehlte, doch das war für ihn kein Grund, ein großes Thema daraus zu machen. Vielleicht war er es aus Cyber nicht anders gewohnt – dort waren ersetzte Körperteile schließlich teilweise die Norm, auch wenn sie nicht derart auffällig waren. Dennoch, in einer Welt wie dieser, fiel jede Abweichung sofort ins Auge und sorgte nicht nur für Gesprächsstoff, sondern auch direkt für scharfe Urteile der Gesellschaft.

      Statt großartig auf die Situation einzugehen, musste er einfach mitspielen, um sein Ziel zu erreichen. Was hier sonst geschah, ging ihn nichts an. Sie hatte ihm befohlen, ihr nachzulaufen, doch er entschied sich, stattdessen an ihrer Seite zu bleiben. Schließlich fielen sie beide ohnehin wie ein bunter Hund auf und wenn er ihr einfach hinterherlief, würde er den Eindruck erwecken, sich ihr aufzuzwingen. Das hätte sicherlich negative Folgen für ihn, und er wäre gezwungen, einen anderen Weg hinein zu suchen.
      Außerdem wirkte er so viel verzweifelter, endlich seine 'wahre Liebe' wiederzusehen. Es schien fast so, als könnte er es kaum erwarten, bis dieser Moment endlich eintrat. Das müsste der Knackpunkt sein, um ihr diese Situation so glaubhaft wie nur möglich zu gestalten.
      Dass ihr eine solche Kleinigkeit auf den Geist gehen würde, hätte er sich denken können. Sie schien offensichtlich ein Gespür für Etikette und die angemessene Kleidung für solche Anlässe zu haben. Umso mehr überraschte es ihn, dass sie - obwohl sie ihm nun mehrere Dinge vorwarf, die er falsch machte - ihm dennoch so gut wie möglich half. Darüber war er froh, denn er hatte keine Vorbereitungszeit gehabt - schließlich hatte er erst heute von Aloras Aktion erfahren. Er wollte einfach nur hinein, herausfinden, was Alora dort zu suchen hatte und sie im besten Fall ohne Widerworte und ohne einen Aufstand anzuzetteln wieder mitnehmen. Im schlimmsten Fall würde er sie dazu zwingen, ihre Waffenform anzunehmen und sie persönlich zurück zur Crux zu schleppen.

      "Ihr... habt ein... recht... ungewöhnliches Aussehen. Ihr solltet doch eigentlich wissen, dass die hohe Gesellschaft in Steam ein Problem mit Ungereimtheiten dieser Art hat. Ihr hattet doch erwähnt, dass Ihr verliebt seid, oder? Warum macht Ihr es Euch dann so schwer und verkleidet Euch nicht entsprechend?"

      Ungewöhnliches Aussehen? Das konnte nur aus dem Mund von jemandem kommen, der aus Steam stammte. Und das bloß, weil alleinig sein Gesicht nicht mal in die Norm dieses Landes passte.
      "Ich hatte keine Zeit mehr", erklärte er und senkte verlegen den Blick, als er an ihr vorbeischaute. Seine Worte waren nicht gelogen, "alles was ich trage, habe ich erst heute besorgen können. Sie hätte Steam eigentlich erst nächsten Monat verlassen sollen."

      "Ihr tragt vorerst meine Maske"
      Jetzt hatte er sie genau dort, wo er sie haben wollte; seine Masche hatte tatsächlich funktioniert. Er hätte eher damit gerechnet, dass sie ihm eine andere Maske besorgen würde, anstatt ihm ihre eigene zu überlassen. Doch nun war es so gekommen, wie er es gehofft hatte. Dennoch sollte man sich nicht zu sicher fühlen; ein gewisses Maß an Vorsicht war weiterhin geboten.

      "Vielen D-"
      "My fair Lady Rainsworth."
      Allein der Anblick des älteren Mannes ließ ihm bereits das Blut in den Adern gefrieren. Ein Gefühl von Abscheu überkam ihn, als würde ihm bei dem bloßen Gedanken an dessen Gegenwart übel werden. Doch was er sagte, war noch unerträglicher als sein verlebtes Äußeres. Dennoch, Kazuha war ein Meister darin, seine Gefühle hinter einer undurchdringlichen Maske zu verbergen und beobachtete die Situation, die sich vor ihm abspielte. Normalerweise hätte er nicht gezögert; er hätte den Mann längst mit seiner Waffe bedroht und - wenn es nötig gewesen wäre - ohne Skrupel niedergestreckt. Doch in diesem Moment war das keine Option. Der Tumult, den er auslösen würde, wäre zu groß und würde möglicherweise die falschen Leute auf ihn aufmerksam machen. Das Risiko war schlicht zu hoch. Stattdessen musste er dieses Mal einen strategischeren Weg wählen. Hinzu kam, dass er sich das fragile Vertrauen seiner temporären Begleitung nicht zerstören durfte. Immerhin hatte sie ihn anfangs bereits für einen Verbrecher gehalten und es lag nur an ihm, diesen Eindruck nicht weiter zu bestärken, auch wenn ihre Annahme nicht ganz falsch war.
      Der Weißhaarige trat einen Schritt näher an den älteren Herren heran, dabei ein charmantes Lächeln auf seinen Lippen: "Wie ich sehe, scheint Lady Rainsworth sich immer noch herausreden zu wollen", begann er mit sanfter Stimme, "lasst mich Euch helfen. Ich werde mit ihr sprechen. Schließlich müssen wir Männer doch zusammenhalten, nicht wahr?"
      Ohne dass der ältere Herr es bemerkte, ließ Kazuha einen durchsichtigen Tropfen eines Elixiers in dessen Glas fallen, geschickt verborgen unter seiner Rede. Fast beiläufig hob er dann seinen Ellenbogen an, wodurch der ältere Herr instinktiv das Glas an seine Lippen führte und einen Schluck nahm.
      "Ich nehme unseren Kodex sehr ernst", fügte Kazuha hinzu, seine Stimme leicht gesenkt, um Vertraulichkeit zu suggerieren, "Ihr könnt euch sicher sein, dass Lady Rainsworth in Null Komma nichts von Eurem Charme verzaubert sein wird. Geben Sie mir eine Minute." Seine Worte waren gezielt, um das Ego des Mannes zu streicheln, während er innerlich die Auswirkungen des Elixiers abwartete.

      Sie hatten höchstens eine Minute, bis der ältere Herr das Bewusstsein verlieren würde. Das Elixier begann bereits seine Wirkung zu entfalten – der müde Blick und die zunehmende Trägheit seiner Bewegungen waren klare Anzeichen dafür. Der Weißhaarige drehte sich langsam zu seiner Begleitung um und neigte sich leicht in ihre Richtung. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, "wir können jetzt hineingehen2, raunte er leise, sein Blick dabei ruhig und berechnend, "machen Sie sich keinerlei Gedanken um ihn."



      ---



      "Nächstes Mal kannst du mich auch einfach nach einer Zigarette fragen."

      "Wo bleibt denn dann der Spaß?", fragte sie mit einem breiten Grinsen, das ihre Worte spielerisch unterstrich. Natürlich hatte sie nicht wirklich erwartet, dass er sich so unbeschwert und locker wie jemand aus Cyber verhielt, aber trotzdem hatte sie sich erhofft, dass er mehr auf ihren subtilen Flirtversuch eingehen würde. Nach der frustrierenden Aktion von Childe hatte sie es sich redlich verdient, sich ein wenig zu amüsieren.
      Trotzdem war er - im Vergleich zu den steifen und distanzierten Menschen, die sich sonst in diesem Gebäude herumtrieben - deutlich entspannter und zugänglicher. Diese unerwartete Lockerheit machte ihn in ihren Augen zu einer erfrischenden Abwechslung von der ansonsten so starren und konventionellen Atmosphäre der Spießer, mit denen sie sich heute größtenteils herumschlagen musste.

      "...du denkst vermutlich du gibst dir Mühe nicht aufzufallen, aber das ist nicht der Fall. Der größte Fehler in Steam ist, zu glauben, dass den Leuten hier nicht jeder kleine Makel augenblicklich ins Auge stechen würde. Wer auch immer dich hierher bestellt hat, hat sich ehrlich gesagt nicht im Geringsten um deine Sicherheit geschert."
      "Ich bin nicht dein Feind. Genau wie du, habe ich ebenfalls das Gefühl nicht wirklich hierher zu gehören. Deswegen lass mich dir helfen."


      Mit einer fast schon unheimlichen Ruhe und großer Gelassenheit lauschte sie seiner Rede, während sie gemächlich an ihrer Zigarette zog. Ihre entspannte Haltung ließ sie fast emotionslos erscheinen, als ob nichts sie aus der Fassung bringen könnte. Es war fast rührend, dass er nicht versuchte, ihr die Situation schönzureden oder die Seite ihrer vermeintlichen Begleitung zu ergreifen. Ganz im Gegenteil, seine Ehrlichkeit wirkte auf sie erfrischend, selbst in dieser unangenehmen Lage.
      Sie war sich sicher, dass Childe trotz des offensichtlichen Risikos, das mit Aloras Alleingang nach Steam verbunden war, zumindest hier für ihre Sicherheit gesorgt hätte - selbst in dem jetzigen Fall, wo er sich nicht blicken ließ. Doch selbst wenn dem nicht so wäre, hatte sie keinerlei Bedenken - sie kam auch sehr gut allein zurecht. Und allein diese Tatsache sorgte dafür, dass sie sich kaum noch Gedanken darüber machte. Aber das konnte der Dunkelhaarige natürlich nicht wissen.
      "Du irrst dich", sagte sie kühl, ihre Stimme fest und bestimmt. "Ich habe mir durchaus Mühe gegeben, mich herauszuputzen, auch wenn die Mode in Steam ganz und gar nicht meinem persönlichen Geschmack entspricht", sie machte eine kurze Pause, "aber mir ist sehr wohl bewusst, welchen Eindruck ich hinterlasse." Ihre Augen funkelten, als sie den Abstand zwischen ihnen verringerte, "es ist mir nur schlichtweg egal."
      Alora hielt kurz inne, und drückte ihre Zigarette aus, "ich sehe einfach keinen Sinn darin, sich übermäßig viel Mühe zu machen in einer Welt, in der schon ein einziges Haar, das nicht perfekt sitzt, als Skandal gilt. Warum sich derart anstrengen für eine Gesellschaft, die Oberflächlichkeit über alles stellt?"
      Die Silberhaarige sah ihn ruhig an, ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen: "Trotz allem habe ich noch ein wenig Anstand. Andernfalls würde ich nicht so herumlaufen, wie ich es gerade tue. Das ist nicht für mich, sondern aus Respekt für die Person, wegen der ich hier bin." Sie ließ den Blick kurz zur großen Balkontür schweifen, bevor sie fortfuhr: "Freiwillig würde ich normalerweise keinen Fuß in dieses Gebäude - oder gar Land - setzen, geschweige denn versuchen, mich dieser absurden Umgebung anzupassen."

      "...es bringt nichts länger zu warten. Ich bin mir sicher, dass dir das eigentlich auch schon längst bewusst ist."

      Hatte er etwa den Eindruck, sie würde weiterhin auf ihre Begleitung warten wollen? Der Zug ist bereits abgefahren. "Du hast Recht", stimmte die Silberhaarige ihm zu. Childe ließ sie selten warten, doch so lange hatte sie noch nie ausharren müssen. Was er hier eigentlich sein Auftrag war, blieb ihr nach wie vor ein Rätsel. Vielleicht waren es wichtige Verhandlungen, Meetings oder dergleichen - in diesen Kreisen war so etwas ja fast schon selbstverständlich. Doch das hier? Das war nun eindeutig zu viel. Ihre Geduld war endgültig erschöpft; ihre Begleitung würde garantiert nicht mehr kommen.

      Es war einfach frustrierend, dass der Abend so verlaufen ist, wie er letztlich verlaufen war. Jedes Mal, wenn sie auf eine Enttäuschung stieß, versuchte sie zumindest eine Kleinigkeit mitzunehmen, um den Abend nicht als völligen Verlust zu betrachten - sei es aus dem Wunsch nach einer Kompensation oder schlicht aus purem Trotz. Immerhin sollte man aus jeder noch so misslungenen Situation wenigstens etwas Positives ziehen können, oder?
      Angesichts des Aufwands, den sie hier betrieben hatte, verdiente sie es in ihren Augen, den großen Kronleuchter aus dem Ballsaal mitgehen zu lassen. Doch das wäre wohl ein wenig zu auffällig und viel zu riskant. Stattdessen würde es auch eine Flasche Sekt tun, auch wenn es letztlich nicht mehr als ein kleiner symbolischer Sieg wäre.

      Während sie den Kellner weiter betrachtete, schoss ihr ein weiterer Gedanke durch den Kopf, wie sie den Abend doch noch deutlich angenehmer gestalten könnte. Immerhin hatte er ihr bereits seine Hilfe angeboten - warum also nicht sehen, was sich daraus machen ließe?
      "Weißt du was?", sagte sie, während sie einen weiteren Schritt auf ihn zuging, bis kaum noch Raum zwischen ihren Körpern war. Sanft führte sie ihre Hand zu seinem Handgelenk und ließ ihre Finger leicht über seine Haut gleiten. "Ich werde mir noch ein Glas Champagner gönnen, bevor ich endgültig gehe", mit einem fast spielerischen Lächeln legte sie seine Hand auf ihre Taille, hielt seinen Blick fest und ließ ihn keinen Moment entkommen. "Aber wenn du den Abend noch etwas aufregender gestalten möchtest", ihre Stimme senkte sich zu einem weichen, fast gehauchten Flüstern, während sie sich nah an sein Ohr beugte, "überlasse ich dir die Entscheidung, ob ich nicht doch noch eine Nacht in Steam verbringe."