How to break a curse [Marien&Royal]

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • How to break a curse [Marien&Royal]

      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
      Silverius 'Silver' Magnus

      Ein Traum – nein, eine Erinnerung und ausnahmsweise mal eine von den schönen. Silver konnte sich an keine Gesichter mehr erinnern, viel zu lange war es her, viel, viel zu lange und alles was ihm von diesen Erinnerungen geblieben waren sind unerkennbare Schemen, nichts weiter als Schatten die sich bewegten und zu ihm sprachen. Da war ein Lachen. Das helle Lachen eines Kindes. Eine Frauen Stimme die ihn genervt fragte, wo er denn war und dann... war da seine Stimme. Er erkannte sich selbst kaum wieder. Diese Stimme war hell, fröhlich... lebendig.
      Er wusste nicht mehr, was er gesagte, es erschien ihm auch überhaupt nicht wichtig und selbst wenn er sich erinnern könnte, hätte er es spätestens danach vergessen. Nach diesem herzzerreißenden Schrei, in welches das Lachen direkt umschwang als er den kleineren Schatten in seine Arme nahm und er wusste sofort, dass das seine Schuld war. Er war es gewesen. Wer auch immer diese Person einst für ihn gewesen war, sie war ihm wichtig gewesen. Sehr. Und er hatte ihr das Leben genommen.
      Der Schatten in seinen Armen schrie, löste sich Stück für Stück auf, während er verzweifelt versucht nach ihm zu greifen.
      „Nein... nein, nein, nein, NEIN!!“, hörte er sich selber schreien, konnte die Tränen in seinen Augenwinkeln spüren... weinte er etwa? Heilige Scheiße. Wann hatte er das letzte Mal geweint?
      Nein. Es war wohl letztendlich doch keine schöne Erinnerung.
      Er konnte sich nur damit trösten tiefer in einen traumlosen Schlaf zu gleiten.

      Silver wusste nicht, wie lange er nun auf diesem Sofa schlief. Früher mag es einst prachtvoll und gar bequem gewesen sein, mittlerweile war es jedoch abgewetzt und alt, übersät von einer dicken Staubschicht, ganz so wie er selbst. Sicherlich war er das ein oder andere Mal im Schlaf gestorben, während er zu viel davon eingeatmet hatte, aber diese Tode waren harmlos, fast schon angenehmen im Schlaf in den Tod zu gleiten. Wenn er nur nicht wieder ins Leben zurück gezogen wurde. Dann wäre es perfekt gewesen.
      Der Rest des Anwesens sah auch nicht gerade besser aus, es wahr sicherlich angemessener es als eine Ruine zu bezeichnen. Die Möbel waren alt, Holz schimmelte bereits, von einer dicken Staubschicht überzogen. Vieles war zerstört, die Fenster müssen irgendwann zerbrochen sein, ob nun durch Menschenhand oder einem starken Wind. Silver konnte schwören, dass er irgendwann einen Baum umfallen hatte hören können, gefolgt von einem lauten Knarren und Krachen. Vielleicht hatte er das aber auch nur geträumt. Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen und nachzusehen.
      Die meisten Wertgegenstände wurden schon lange von irgendwelchen Dieben gestohlen. Jene die das Pech hatten ihn aufzuwecken hatten entweder ihr Leben verloren oder waren mit dem größten Schrecken ihres Lebens davon gekommen. Silver hatte keinen von ihnen gejagt. Wieso auch? Es war ja nicht so, als ob ihm irgendetwas an diesem Plunder lag. Und auch wenn er gezwungen worden war die Augen zu öffnen, so wollte er nicht aufwachen und sank zurück in einen Schlaf, der seiner Meinung nach ewig anhalten konnte.
      Er hatte nicht erwartet, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem er sich freiwillig erheben und dieses heruntergekommene Gebäude verlassen würde. Er hätte nie erwartet, dass da draußen auch nur ein Funke von Hoffnung auf ihn wartete. Die Hoffnung auf den Tod.
      ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
      @Marien
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von RoyalMilkTea ()

    • Neona

      "Hah... Vielleicht ist das doch eine dumme Idee gewesen..." Unbehagen machte sich in Neonas Magengrube breit, während sie sich auf dem alten Grundstück umblickte. Es hatte sie Stunden gekostet den Weg hierher überhaupt zu finden, schließlich war von der alten Straße, die einst hierher geführt haben musste, kaum noch etwas übrig. Ähnlich verwandelt war auch der einstige Vorgarten des zerfallenen Herrenhauses, vor dessen morscher Tür sie nun stand. Die Natur hatte diese einst domestizierte Fläche innerhalb der letzten Jahrzehnte wieder zurückerobert und die Umgebung in einen lichten Wald verwandelt. Nur die vereinzelten Warnhinweise in der Umgebung hatten sie letztendlich erfolgreich an diesen Wort führen können. "'Die Ruinen der Untoten' also?" Sie warf einen Blick an der vergilbten Hausfassade entlang und dankte sich selbst dafür heute morgen so früh aufgebrochen zu sein. Wäre sie erst zu den dunklen Abendstunden angekommen, würden die schaurigen Schatten des verlassenen Herrenhauses das mulmige Gefühl in ihrem Magen wohl nur noch verstärken. Der warmen Mittagssonne gelang es dagegen, dem Ort etwas mysteriöses und magisches zu verleihen. Dennoch zögerte sie ein paar Sekunden, bevor sie ihre Finger gegen das kalte und etwas feuchte Holz der Eingangstür legte.
      "Ist jemand zuhause?!" Sie rechnete natürlich nicht mit einer Antwort, ganz im Gegenteil, sollte ihr an diesem abgelegenen und menschenleeren Ort jemand antworten, würde ihr das Herz wahrscheinlich vollends aus dem Halse springen. Trotzdem lauschte sie einige Sekunden in die Schatten des Hausflures hinein, welche nur durch die dutzenden Löcher im Dach unterbrochen wurden und durch den großen Schaden an der Hauswand, den ein umgestürzter Baum hinterlassen hatte. Wieder vergingen einige Momente der Stille bevor Neona sich endlich wieder vorwärts wagte. "Reiß dich zusammen! Sonst bist du doch auch nicht solch ein Angsthase!", ermutigte sie sich selbst und kletterte vorsichtig über die Schuttreste auf den Boden, die durch die eingefallenen Hauswand entstanden waren. Tatsächlich konnte sie sich selbst nicht wirklich erklären, warum ihr Herz so ungewohnt schnell und heftig gegen ihren Brustkorb hämmerte. In den vergangenen Jahren hatte sie sich schließlich immer und immer wieder todesmutig von einer gefährlichen Situation in die nächste gestürzt... aber irgendwas an diesem Ort war anders... Als würde eine unbekannte Art der kälte in ihre Knochen kriechen...
      Das plötzliche Kribbeln in ihrer linken Hand ließ sie mitten auf dem alten Flur innehalten. "Was zum-?" Sie war es mittlerweile gewohnt, dass dieses elende Fluchmal auf ihrer Handfläche in unregelmäßigen Abständen den Schmerz durch ihre Knochen jagte, aber dieses Kribbeln war neu. Sofort hob sie die Hand vor ihre Augen und fürchtete bereits, dass der schwarze Fleck auf ihrer Haut sich wieder einmal ausbreiten würde. Zu ihrer Erleichterung war dem nicht so, doch das Kribbeln wollte dennoch nicht abebben. "Vielleicht sollte ich das als ein Zeichen sehen... Eventuell hatte die Schamanin wirklich recht und ich werde an diesem Ort einen Weg finden, mein Schicksal abzuwenden."
      Wie es für Schamanen üblich war, waren die Worte dieser alten Frau unfassbar kryptisch gewesen, doch sie hatten Neona direkt an diesen Ort geführt. Ein Ort, um den sich mehr düstere Legenden zu ranken schienen, als um den Monsterwald an der Landesgrenze. Gleichzeitig war über diese alte Ruine kaum etwas bekannt. Das Einzige was sie hatte in Erfahrung bringen können, war dass irgendein altes Wesen hier leben sollte, dass den Menschen das Leben aussaugte ohne selbst jemals dem Tod ins Auge blicken zu müssen. Und das obwohl es in der Vergangenheit einige starke Abenteurer gegeben haben sollte, die diesen Ort aufgesucht aber nie wieder verlassen hatten. Eine Kreatur, die einem das 'Leben aussaugte'. Eigentlich hätte es keinen Ort gegeben, von dem sich Neona hätte ferner halten wollen, immerhin war ihr größtes Ziel ein langes, gesundes und vor allem glückliches Leben mit ihrem Bruder zu führen, doch dieses verflixte Mal auf ihrer Hand hatte diese Pläne vor knapp zwei Wochen zunichte gemacht. Mittlerweile blieb ihr also kaum noch eine Wahl: Entweder ging sie das Risiko ein, hier eine Möglichkeit zu finden, den Fluch zu brechen, oder sie würde in wenigen Monden so oder so sterben.
      Durch diese Gedanken gestärkt, hob sie entschlossen das Kinn und kletterte über die morschen Holzhaufen, welche einst einmal Stühle und Tisch gewesen sein mochten. Der Salon, den sie soeben betreten hatte, musste einmal wunderschön gewesen sein, doch die Verzierungen an der Wand waren verblasst, der Teppich unter ihren Füßen zerfressen, die großen Fenster waren zum Großteil zersprungen und viele der Möbel waren in sich zusammengefallen oder schimmelten langsam vor sich hin, während alles von einer dicken Staubschicht bedeckt wurde, die bei jedem ihrer Schritte zum Leben zu erwachen schien. "Soll an diesem Ort wirklich noch jemand leben?" Neona stapfte weiter vorsichtig durch die Ruine, fand einen Raum, der einst die Küche gewesen sein musste, wanderte durch einen weiteren breiten Flur und überlegte kurz, ob sie die Treppe zum ersten Stock nehmen sollte. Letztendlich beschloss sie, dass man den morschen Stufen nicht vertrauen konnte und nahm sich den Rest des Erdgeschosses vor. Bis sie schließlich einen großen Salon erreichte, dessen verrottende Einrichtung nur noch eine ferne Erinnerung der alten Pracht des Herrenhauses zu sein schien. Dennoch strahlte gerade dieser Raum einen seltsam majestätischen Scharm aus. Sie wusste nicht, ob es an den Wandvitrinen lag, die an alte - wenn auch offenkundig gestohlene - Reichtümer erinnern wollten. Vielleicht waren es aber auch die deckenhohen - wenn auch zerstörten - Fenster, die den Raum mit Licht durchfluteten, vor allem nachdem die einst prunkvollen Vorhänge verfallen waren und am Boden unter dicken Staubschichten schlummerten. Staunend ließ Neona ihre Augen über die hohe Decke und die verzierten Wände wandern. Wer auch immer hier gelebt hatte, musste ziemlich reich gewesen sein. Andächtig setzte sie ihren Weg fort, bis ihre Augen an den einzigen schattigen Platz des Raumes hängen blieben und ihr Atem ins Stocken geriet.
      Auf den ersten Blick hatte sie die schmale Gestalt für alte Lumpen gehalten, die man achtlos auf einem zerfallenen Sofa in der Ecke des Raumes hatte liegen lassen. Viel zu spät realisierte sie, dass besagte Lumpen sich im Rhythmus einer langsamen Atmung hoben und senkten. "Was beim Namen der Götter...?" Vorsichtig und darauf bedacht, dass Knarzen des alten Holzes unter ihren Füßen so ruhig wie möglich zu halten, schlich sie näher an die seltsame Gestalt heran. Umso besser sich ihre Augen an den Schatten gewöhnt hatten, desto mehr war sie sich sicher, dass diese 'Kreatur' tatsächlich ein Menschen sein musste... zumindest sah es wie ein Mensch aus. "H-Hallo? Kannst du mich hören?" Sie hatte sich auf wenige Meter herangetastet und war endlich auch in der Lage, Gesichtszüge zu erkennen. Ein junger Mann? Vielleicht aber auch älter...? Staub und Dreck machten es schwer, das Aussehen der zerzausten Gestalt zu definieren. Also schritt sie näher heran, bis sie keinen halben Meter vor dem Sofa halt machte. Es war eindeutig ein Mann. Sein Alter zu bestimmen, stellte sich nach wie vor schwierig, was nicht nur an dem Schutz auf seiner Haut, sondern auch an den langen zerzausten Haaren und dem Dreitagebart liegen mochte. Seine Kleidung schien sich dem Bild der restlichen Ruine angepasst zu haben und mit der Körperpflege mochte es auch schon etwas her sein. Für eine Sekunde bildete sich Neona sogar ein den süßlichen Geruch von Verwesung wahrzunehmen, doch auch wenn der Mann abgemagert wirkte, schien er dem Hungertod noch nicht nah genug, außerdem war da ja noch der Umstand, dass er atmete. Mittlerweile war sie ihm auch nah genug gekommen, um seine regelmäßigen Atem hören zu können. Sie wusste nicht ganz warum, aber irgendwie erleichterte sie dieses Geräusch.
      "Halloooo? Lebst du noch? Hörst du mich?" Keine Reaktion. Sie machte noch einen Schritt nach vorn, lehnte sich ihm entgegen. "Hey, das hier ist glaube nicht der beste Ort für ein Nickerchen." Nichts. Kurz zögerte sie noch, dann atmete sie einmal tief durch und streckte vorsichtig ihre Hand nach seiner Schulter aus. Die Haut unter seiner Kleidung fühlte sich seltsam kühl an, außerdem glaubte sie selbst auf seinen Klamotten eine dicke Staubschicht zu spüren. Wie lange lag dieser Kerl schon hier? "Hallo! Du solltest wirklich aufwachen" versuchte sie es erneut, während sie sanft an seiner Schulter rüttelte. "Dieser Ort soll gefährlich sein, außerdem siehst du echt nicht gesund aus. Wenn du nicht bald etwas isst und trinkst könnte das böse für dich enden."
    • Silverius 'Silver' Magnus

      Zuerst merkte Silverius nichts, selbst als die angenehme Stille des alten Herrenhauses von einer fremden Stimme durchbrochen wurde. Er hörte nichts. Er schlief. Tief und fest.
      Und eigentlich sollte es auch so bleiben, aber wer auch immer sich in sein einstiges Domizil geschlichen hatte, musste unbedingt auf sich aufmerksam machen, nicht wahr?
      Zunächst war es einfach ein nerviger Ton, der sich in sein Unterbewusstsein schlich und ihn in seinem Schlaf störte, wie eine Fliege die nicht aufhörte um ihn herum zu schwirren und ihn zu nerven. Die Stimme mischte sich in seinen traumlosen Schlaf, rief Erinnerungen und Bilder hervor, die er nicht so recht fassen konnte. Wahrscheinlich war das menschliche Gehirn nicht dazu ausgelegt so lange zu schlafen. Bilder und Erinnerungen vermischten sich zu einem eigenartigen Brei, der überhaupt gar keinen Sinn machte und erst langsam konnte der im Grunde Tote Realität von Traum unterscheiden.
      Realität? Verdammt. War er etwa wach? Er wollte nicht. Silver wollte weiter schlafen. Für immer.
      Vielleicht würde diese nervige Fliege ja verschwinden, wenn er sich einfach nicht... Moment mal, war das etwa eine Berührung auf seiner Schulter?
      Instinktiv streckte der junge Mann seine Hand aus, ergriff das Handgelenk der Fremden mit festem Griff und starrte sie mit einem alles andere als frohen Blick an, bevor sie auf die Idee kommen konnte noch seine Wange oder ein anderes ungedecktes Körperteil zu berühren. Im Grunde tat er ihr damit also sogar einen Gefallen.
      Und ja, seine Augen waren offen. Verdammte Scheiße. Auch wenn er noch etwas verschwommen sah, das Bild der Realität sich ihm nur Stück für Stück wieder erschloss, als wäre es auch nur wieder ein Traum.
      Vielleicht war es das ja auch? Es war schwer Realität und Traum auseinander zu halten, nachdem man so lange geschlafen hatte.
      „Verschwinde. Siehst du nicht, dass ich schlafe?“, seine Stimme war mehr ein Krächzen, rau durch seine trockene Kehle und den gesplitterten Lippen, als er die Stirn runzelte, „... trägst du da ein Vogelnest auf dem Kopf?“, kommentierte er ihr zerzaustes Haar, dass durch seinen verschwommenen Blick nur schlimmer aussah, als es wirklich war.
      Da merkte er, dass er sie noch immer festhielt und plötzlich bemerkte er ein Loch in seinem Handschuh, an seinem Ärmel... verdammt, das waren ja nur noch Lumpen!
      Wie lange er wohl geschlafen hatte?
      Letztendlich ließ er kurzerhand ihr Handgelenk los, setzte sich auf und schubste sie kurzerhand an der Schulter zurück, um Abstand zwischen die Beiden zu bringen.
      Er betrachtete seine Hand, den Handschuh den er trug. Voller Löcher und ein paar Fingern fehlte es vollkommen an Stoff... aber sie lebte noch, stellte er fest, als er kurz aufblickte und ließ ein tiefes, erleichtertes Seufzen von sich.
      Er... nein sie musste Glück gehabt haben. Offenbar kam es nicht zu einem Haut zu Haut Kontakt. Zumindest glaubte er das. Welche andere Erklärung dürfte es dafür auch sonst geben? Andererseits hätte sie Tod sein müssen. Und hätte ihn dadurch wieder schlafen lassen... vielleicht hätte sie doch sterben sollen, dachte er sich und gab dabei einen genervten Laut von sich, bevor er den Blick wieder auf das Mädchen... nein, eine junge Frau? Richtete.
      „Verpiss dich.“, mehr hatte er der Fremden nun wirklich nicht zu sagen.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Beinahe wäre ein erschrockener Aufschrei über ihre Lippen gepurzelt, kaum dass sie einen kräftigen Griff um ihr Handgelenk spürte. Auch wenn sie ihre Stimme in Zaum halten konnte, ließ es sich nicht verhindern, dass sie kurz etwas zurückzuckte. Nur die kräftigen Finger um ihren Arm verhinderten, dass sie ihr Gleichgewicht verlor und dass ihr Hintern unverhofft Bekanntschaft mit dem staubigen Holzboden machte. Zuerst wollte sie den menschlichen Flickenteppich für seine grobe Art und Weise zurecht weisen, doch blieben ihr die Worte aufgrund der golden glänzenden Seelenspiegel in dem sonst so düsteren und verdreckten Gesicht in ihrem Halse stecken. Selbst wenn alles andere and diesem Kerl leblos und beinahe... zerfallen wirkte, schienen zumindest seine Augen noch einen gewissen Glanz auszustrahlen. Zugleich glaubte sie aber auch einen dicken Schleier an Müdigkeit in ihnen wabern zu sehen, bevor der Zorn seiner rauen Stimme sie auf gänzlich andere Gedanken brachte. Er musste bereits mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen hier verbracht haben und in den letzten Stunden hatte er sicherlich nichts getrunken, so krächzend wie seine Stimme durch den Raum hallte.
      Sie konnte erst nicht begreifen, warum er sie so grimmig anfuhr, bis sie seine Worte verstand. Er hatte nicht geweckt werden wollen? War ihm bewusst, dass er bald sterben würde, sollte er weiter hier liegen bleiben? Wollte er etwa sterben? Auch wenn Neona nicht verstehen könnte, wie jemand überhaupt so einfach sein Leben wegwerfen konnte, fielen ihr zugleich dutzende bessere Varianten ein, mit denen man dieses Ziel schneller und weniger schmerzhaft erreichen könnte.
      "Und deine Haarpracht sieht aus wie vom Morgentau geküsst", erwiderte sie mit beißendem ironischen Unterton. "Es würde mich nicht wundern, wenn mir zwei Mausaugen innerhalb diesen Urwalds aus Haaren begegnen würden." Sie wusste sehr gut, dass ihre Haare nicht gerade den gepflegtesten Eindruck machten, aber ihr zerzaustes Gegenüber hatte wohl kaum das Recht sich bei seinem Zustand darüber lustig zu machen.
      Dann endlich ließ er von ihrem Handgelenk ab, natürlich nicht ohne sie auch noch von sich zu stoßen und musterte seine eigenen behandschuhten Finger, als könnte er selbst nicht fassen, dass sie gerade noch an ihrer Haut gelegen hatten. Nun, sie hätte auf diese Art der Begrüßung auch gerne verzichten können, noch mehr ärgerte sie aber sein letzter beißender Befehl, den er in ihre Richtung bellte. Sie konnte nicht gerade behaupten in ihrem Leben nur von netten Menschen umgeben zu sein, aber dieser Kerl schoss seit langem den Vogel ab, schließlich hatte sie ihm nur helfen wollen. So machte sie sich dieses Mal nicht einmal die Mühe ihr falsches Lächeln aufzusetzen und beschloss stattdessen, ihm mit der gleichen Freundlichkeit zu begegnen, die er auch ihr geschenkt hatte. "Wenn du so unbedingt ins Gras beißen willst, fallen mir eindeutig bessere Orte ein, als diese zerfallenen und stinkenden Ruinen", grummelte sie ähnlich düster wie er zuvor, mit dem feinen Unterschied, dass ihre Stimme nicht wie das Krächzen einer Krähe klang. "Oder du suchst nach dem Untoten, der den Menschen denen er begegnet das Leben aussaugen soll. Ist sicher der kürzeste Weg zum Ziel." Erst als sie die Worte ausgesprochen hat, erinnerte sie sich wieder an den Grund für den Besuch dieses tristen Ortes und machte wieder einen halben Schritt auf das grummelige Dornröschen zu. "Du weißt nicht zufällig, wo ich eben diesen Untoten finden kann, oder? Stimmen die Legenden, die diesen Ort umkreisen? Bist du deswegen hier her gekommen?" Egal wer dieser unfreundliche Mann auch sein mochte, fest stand, dass er sich schon mehrere Tage hier hatte aufhalten müssen. Wenn ihr jemand also beschreiben könnte, wo sie am besten weitersuchen sollte, dann war sie bei ihm wahrscheinlich an der richtigen Adresse. Selbst wenn sie sich gerne weitere Gespräche mit diesem Quell der Freude erspart hätte...

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Marien ()

    • Silverius 'Silver' Magnus

      „Das würde mich durchaus wundern.“, gab Silver dagegen nur kalt zurück, als auch sein Haar kommentiert wurde, wie um alles in der Welt sollte es eine Maus schaffen sich in seinem Haar zu verstecken? Das Vieh wäre schon längst gestorben, wenn seine kleinen Beinchen seine Kopfhaut auch nur streifte. Außerdem... Moment mal.
      Verwirrt hob der zerzauste junge Mann eine besonders lange Strähne, die ihm über die Schulter fiel, hoch und konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wann und wieso sein Haar so lang geworden waren. Seit er denken konnte – oder besser gesagt seit er das große Glück hatte nicht mehr sterben zu können – war es nicht mehr gewachsen. Also wieso jetzt? Weil er so lange geschlafen hatte?
      Eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein, aber es könnte ihm eigentlich nicht egaler sein. Solange das Haar ihm nicht beim Schlafen störte. Zu sterben hatte er ja zumindest – offensichtlich – nicht geschafft.

      „... ins Gras beißen?“, blickte Silver endlich von seinen Handschuhen auf und schien die Fremde nun etwas genauer zu betrachten. Nicht, dass es irgendetwas interessantes zu sehen gab. Mittlerweile sahen in seinen Augen alle Menschen gleich aus. Ein falscher Griff und sie würde sowieso sterben.
      „... oh? Sieht man es mir etwa an?“, fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, dass sicherlich alles andere als freundlich wirkte, doch nicht in der Lage zu sein schien seine Augen zu erreichen. Genauso schnell erstarb es auch wieder.
      „... Untoter?“, verdammte Scheiße tat reden weh. Wie viel Staub musste er in seinem Schlaf wohl geschluckt haben? Das Zeug musste sich bereits in seinen Lungen breit gemacht haben. Es würde ihn wirklich nicht wundern, wenn er jeden Moment den Löffel abgeben würde.
      Und eigentlich wollte er in so einem Moment lieber schlafen.
      Stattdessen machte er es sich ein bisschen gemütlicher auf dem Sofa, zog ein Bein nah an seinen Körper und das Grinsen kehrte wieder zurück, als ihm bewusst wurde, dass diese junge Frau wohl nach ihm gesucht hatte. Interessant.
      Er wusste zwar nicht so recht, woher sie wusste, dass er hier war, aber es war schon amüsant, dass sie zwar nach ihm gesucht hatte aber nicht auf die Idee kam, dass der komische Mann, der alleine in dieser Ruine schlief eben jener Untote sein konnte.
      Offenbar sah er ja schon mehr Tod aus, als lebendig.
      „Glückwunsch, du hast den Untoten gefunden.“, breitete er fast schon feierlich eine Hand zur Seite aus, erwartend dass die Fremde nun endlich richtig reagieren und Angst vor ihm haben würde. Vielleicht konnte er sie vertreiben und sie würde endlich weg laufen.
      Es zuckte ihm in den Fingern einfach wieder seine Hand nach ihr auszustrecken, nur um ihr Angst zu machen... Leben aussaugen, was? Das kam der Wahrheit wahrscheinlich recht nahe.
      Dennoch tat er nichts der gleichen. Beim Zustand seiner Kleidung wollte er nun wirklich nicht riskieren, ihr wirklich das Leben zu nehmen.
      Aber vielleicht würde er seine Meinung auch ändern, wenn sie ihn weiterhin nervte.
      „Also, was willst du? Sterben? Vergiss es, stell dich hinten an.“, machte er eine wegwerfende Handbewegung um deutlich zu machen, dass er ihr diesen Wunsch nicht erfüllen würde.
      Wie unfair wäre das bitteschön? Wenn hier jemand sterben sollte, dann ja wohl er.
      „Ah. Oder bist du etwa so eine Möchtegern Abenteurerin? Versuch es gar nicht erst. Das heißt, wenn dir dein Leben lieb ist.“, dabei interessierte es Silver nicht, dass er sich gerade wahrscheinlich selber widersprach. Wenn sie sterben wollte, würde er ihr nicht dabei helfen, aber wenn nicht, dann schon? Naja. Es war ja nicht wirklich so, dass er groß etwas dagegen tun konnte, selbst wenn er wollte. Außerdem war es nervig.
      Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, Staub rieselte herab und brachte ihn zum husten.
      „Außer du hast eine todsichere Methode mich umzubringen.“, brachte er zwischen Hustern von sich, doch Hoffnung darauf hatte er keine.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Man konnte nicht behaupten, dass ihr erster Eindruck von ihm sonderlich gut gewesen war, aber es überraschte sie auch nicht wirklich, als sein weiteres Verhalten eben diesen Eindruck noch weiter festigte. So langsam bereute sie es sogar, diesen Mistkerl aufgeweckt zu haben, schließlich schien er nicht wirklich zu planen, ihr unter die Arme zu greifen. Gerade wollte sie ihm eine deftige Beleidigung an den Kopf werfen und ihm bei seinem tödlichen Vorhaben viel Erfolg wünschen, bevor seine nächsten Worte ihr kurz den Atem raubten.
      Diese zerfallene Zottelgestalt sollte der Untote sein, nachdem sie gesucht hatte?! Sie machte sich nicht die Mühe, den Unglauben aus ihren Augen fern zuhalten und starrte ihr Gegenüber nur stumm an, während dieser weiter düster vor sich hin knurrte. Auch wenn seine Worte zuweilen etwas undeutlich wirken, glaubte sie verstanden zu haben, dass er wirklich hatte sterben wollen, eben dabei aber schlicht weg erfolglos geblieben war. Wie lange schon? Neona versuchte sich an die Legende um diesen Ort zu erinnern. Wie lange erzählten sich die Leute wohl schon diese Horrorgeschichten? Ein paar Jahrzehnte? Flüchtig huschten ihre Augen über das zerfallene Mobiliar des Herrenhauses. Was wenn der Kerl so alt war, wie diese Ruinen?
      Das schiefe Grinsen lag auf ihren Lippen, bevor sie sich dem überhaupt bewusst werden konnte. Sie konnte kaum fassen, dass ihr verkorkstes Glück sie tatsächlich direkt zur Zielperson geleitet hatte. Vielleicht war das Schicksal dieses Mal ja doch auf ihrer Seite.
      "Ich bin nicht hier um zu sterben", machte sie dem Brummelbär schließlich deutlich. "Ich bin hier, um mein Leben zu retten." Mit diesen Worten hob sie ihre linke Hand vor seine Augen und präsentierte ihm das dunkle Mal auf ihrer Haut. Schwarz wie Teer legte sich der schmerzhafte Fluch über ihre Handfläche und hatte eben diese mittlerweile fast vollständig übernommen. Auf den ersten Blick mochte es wie aufgepinselte Farbe wirken, auf den zweiten jedoch ließ sich erkennen, dass das dunkle Muster sich unter der Haut breit machte und bereits damit begonnen hatte, Daumen und Zeigefinger zu umweben. "Es ist ein Fluch", begann Neona zu erklären. "Als ich ein antikes Artefakt angefasst habe, ist er vom Metall des Schmuckstücks auf mich übergesprungen." Sie hatte ihren Verdacht nie vollends bestätigen können, dennoch glaubte sie, dass ihr damaliger Auftraggeber genau über diesen Fluch bescheid gewusst hatte. Wahrscheinlich war es von Anfang an sein Ziel gewesen, dass sie den Fluch aufnehmen würde, damit er das Artefakt gefahrenlos in seinen Besitz überführen konnte. Hätte sie genug Zeit und Kraft, würde sie sich für diesen Verrat angemessen revanchieren, aber im Moment war es wichtiger ihr Überleben zu sichern. "Er frisst mich langsam auf und wird in ein paar Monden mein leben komplett aus meinem Körper gesaugt haben", berichtete Neona weiter und ließ ihre - noch immer seltsam kribbelnde Hand - wieder sinken. "Angeblich soll ich hier einen Weg finden, den Fluch abzuwenden. Und die Existenz eines Untoten wie dir scheint mir die passende Lösung zum Rätsel zu sein." Sie wusste, dass seine Drohungen ihr hatten Angst machen sollen, aber was sollte ein Mädchen, dass dem Tode verdammt war noch groß fürchten. Also lehnte sie sich furchtlos ihrem zerzausten Gegenüber entgegen, dessen Haarfarbe sie selbst aus der Nähe nicht wirklich definieren konnte. War es grau oder silbern? Wahrscheinlich ließ sich das nur nach einer vernünftigen Haarwäsche ordentlich feststellen. "Und da du dir den Tod so sehr herbeizuwünschen scheinst, gibt es vielleicht einen Weg, mit dem du dieses verdammte Mal und ich einen Teil deiner Lebenskraft erhalten kann. Was meinst du? Deal?" Als würde sie Geschäfte mit einem ihrer Stammkunden machen, hob sie die rechte Hand für einen Handschlag in seine Richtung, allerdings glaubte sie jetzt schon zu spüren, wie er ihren Arm unfreundlich Beiseite schlagen würde.
    • Silverius 'Silver' Magnus

      … was denn? Sah er in ihren Augen etwa nicht Untot genug aus? Zugegeben, eigentlich war er kein Untoter, aber er würde sich nicht die Mühe machen und sie verbessern und über sein eigenes Dilemma aufklären. Was auch immer sie bei ihm gesucht hatte, hier würde sie es nicht finden.
      Alles, womit er dienen konnte, war der Tod und das konnte sie schön vergessen.
      Wie falsch er damit lag.
      Er hob eine Augenbraue, als sie ihn jedoch wissen ließ, dass sie nicht deswegen hier war. Gut. Wunderbar. Also wieso genau musste diese Fremde nun seinen Schlaf stören und ihn den Schmerzen der Realität aussetzen?
      Das schiefe Grinsen, dass sich auf ihre Züge setzte, ließ ihn die Stirn runzelt. Er hatte ein wirklich schlechtes Gefühl dabei und selbst wenn er helfen konnte, war er nicht gerade in der Stimmung dazu. Dass sie keine Angst vor ihm zu haben schien gefiel ihm auch ganz und gar nicht.
      Doch das Misstrauen in seinem Blick wich schnell einem amüsierten Laut, als sie verkündete, dass sie hier war um ihr Leben zu retten. Er starrte sie an, als wäre sie verrückt. Ernsthaft? Er konnte sich das Lachen schlicht und einfach nicht verkneifen, auch wenn es in seiner Kehle schmerzte und schnell einem Hustenanfall wich. Verdammte Scheiße, er soll ein Leben retten?!
      „Meinst du nicht, dass du an der falschen Stelle bist?“, grinste er breit, noch immer amüsiert, dass sie wirklich glaubte hier, vor allem bei ihm, Hilfe finden zu können.
      Doch als sie seine schwarz gefärbte Hand hob, schien er mit einem Mal dann doch interessiert zu wirken und hob die Augenbraue.
      Er mag kein Magier oder ähnliches sein, dennoch konnte selbst er aus dieser kurzen Distanz die Macht spüren, die von dieser schwarzen Färbung auf ihrer Haut ausging... es war faszinierend, wirklich. Es fühlte sich an wie etwas, dass seiner Existenz nicht unähnlich war und doch das komplette Gegenteil von ihm. Er konnte spüren, wie das Mal ihn gleichzeitig anzog, aber auch von sich stoßen wollte. Wie zwei Seiten einer Münze.
      „Ein Fluch...“, murmelte er. Da waren sie also schon zwei. Super. Als ob er in seinem Leben nicht schon genug mit Flüchen zu tun gehabt hatte. Erhoffte sie etwa er würde sein Wissen mit ihr teilen und ihr helfen können? Immerhin hatte er sein Leben lang nach einem Weg gesucht seinen Fluch zu brechen. Aber woher sollte sie das denn wissen?
      Nein, ihre Idee schien deutlich interessanter zu sein... und weckte ihn ihm ein wirkliches Interesse, dass dem Leuchten in seinen Augen und dem Grinsen zu entnehmen war.
      „Heeee... und wie genau stellst du dir das vor, Schätzchen?“, gab Silver von sich und streckte die Hand nach ihrer aus... bevor er es sich im letzten Moment anders zu überlegen schien, an den Löchern in seinen Handschuhen erinnert und blickte sich nach einer Lösung um, als sein Blick auf die Decke fiel, die über dem Sofa drapiert war.
      Das Stück war voller Staub, ausgebleicht und seine frühere Pracht war nur zu erahnen, aber er konnte einige sichere Stellen erkennen und legte die Decke über sein Hand, bevor er sich wieder ihr zuwand... doch anstatt ihre Hand zu ergreifen und damit dem Deal zuzustimmen, ergriff er das Handgelenk der anderen Hand und hob es an, um einen besseren Blick auf das Fluch Mal zu ergattern.
      „Ich muss dich leider enttäuschen, ich bin kein Untoter. Naja... kein richtiger. Unsterblicher mag vielleicht der bessere Begriff sein... wenn auch nicht ganz passend.“, begann er wieder zu reden und gewöhnte sich langsam daran seine Stimme wieder zu benutzen, während er ihr Handgelenk von einer Seite zur anderen drehte und das Mal betrachtete. Dabei wusste er selber nicht so recht, wie er seine eigene Existenz bezeichnen sollte. Er konnte sterben, aber nicht für immer. Zu was machte ihn das also?
      „Es ist ein Fluch. Ich kann nicht sterben. Wenn ich dir einfach meine Lebenskraft geben könnte, würde ich das tun. Verdammte Scheiße, ich hätte sie schon längst weg gegeben... aber dieser hübsche Fluch den du hast...“, sein Grinsen wurde breiter.
      Er mag kein Experte sein, aber er hatte mehr als genug mit diesen Dingen zu tun gehabt um sagen zu können, dass dieser Fluch den sie da trug wahrlich mächtig war. Vielleicht tatsächlich mächtig genug, um seinen eigenen zu negieren und ihm den Tod zu schenken.
      „... den nehme ich gerne.“, beendete er seinen Satz, begann an der geschwärzten Haut zu kratzen, doch natürlich ging der Fluch dadurch nicht einfach auf ihn über.
      „Mhmmm...“, versuchte er sich irgendetwas auszudenken, wodurch er diese Mal auf sich übertragen konnte und zog die junge Frau kurzerhand näher zu sich, legte ihre Handfläche auf sein Gesicht... nichts. Er hatte gehofft den Fluch mit samt ihrem Leben in sich aufnehmen zu können... kurzerhand leckte er über ihre Handfläche, als könnte er den Fluch einfach aufessen.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Sie hatte mit seinen zynischen Kommentaren gerechnet und beschlossen sie daher gekonnt zu ignorieren. Im Moment war es schließlich nicht wichtig, dass sich die beiden vertrugen, sondern dass Neona endlich eine Lösung für diesen verdammten Fluch fand. Eben danach hatte sie in den letzten Wochen verzweifelt gesucht und mittlerweile befürchtete sie, dass dieser verstaubte "Gentleman" vor ihr die letzte Hoffnung sein würde, die ihr noch blieb.
      Zumindest schien er endlich ehrliches Interesse zu entwickeln, kaum dass sie ihm das Fluchmal entgegenhielt. Zu ihrem eigenen Erschrecken nahm das seltsame Kribbeln auf ihrer Handfläche direkt noch etwas zu, kaum dass seine golden schimmernden Seelenspiegel ihre schwarze Haut begutachteten. Neona wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, fest stand, dass es ein Zeichen sein musste. Ihr Fluch reagierte irgendwie auf ihn und da sich das ausnahmsweise einmal nicht durch paralysierende Schmerzen ausdrücke, beschloss sie es als etwas Gutes abzuspeichern. Anscheinend würde sie dieser alten Schamanin für ihren Tipp wirklich danken müssen.
      Kurz schien der Kerl tatsächlich ihren Handschlag annehmen zu wollen, zumindest glaubte sie da ein entsprechendes Zucken in seinem Arm gesehen zu haben. Allerdings überlegte er es sich kurzfristig anders und griff zu ihrer Verwirrung zu der halb zerfallenen Decke auf dem Sofa. Sie zuckte einmal kurz die Schultern. "Ich weiß auch nicht genau, wie ich diesen Fluch übertragen kann... Glaube mir, ich habe es bereits einmal versucht." Sie war der Annahme gewesen, dass der Fluch genauso schnell auf andere überspringen müsste, wie er sich an ihr festgekrallt hatte. Scheinbar hatte dieses elende Mal aber nur nach einem passenden Wirt gesucht und plante nicht, eben diesen wieder frei zugeben, bevor das unglücklich Opfer sein Leben ausgehaucht hatte. Ein Ergebnis, dem Neona mit allen Mitteln entkommen wollte. "Ich hatte eher gehofft, dass du eine Idee hättest", meinte sie, während sie neugierig seine Bewegungen musterte. Sie verstand nicht ganz, warum er so darauf bedacht war, dass zwischen seinen Fingern und ihrem nackten Handgelenk der kratzige Stoff der Decke lag. ekelte er sich etwa so sehr davor, sie zu berühren. Sie schluckte den kurz aufsteigenden Ärger hinunter und ließ ihn ansonsten gewähren. Vielleicht erhoffte er sich Antworten zu finden, wenn er ihren Fluch genauer betrachtete und sie würde sich schwer davor hüten, diese Antworten von ihm fernzuhalten.
      "Untoter... Unsterblicher... Macht das denn überhaupt einen großen Unterschied?", entgegnete sie auf seine seltsame Beschreibung seiner selbst. Er litt also auch an einem Fluch, auch wenn dieser das komplette Gegenteil zu ihrem eigenen darzustellen schien. Wie lange mochte er wohl schon am Leben sein? Und hatte er die ganze Zeit in diesem Anwesen verbracht? Schlafend? Sie schüttelte leicht den Kopf. Er musste ein Leben vor seinem trostlosen Aufenthalt an diesem Ort gehabt haben, doch scheinbar war es nicht erfüllend genug gewesen. Warum sonst sollte er sich so dringend seinen eigenen Tod herbeiwünschen? Sie hatte nicht vor, ihn über seine genauen Beweggründe zu befragen. Sie glaubte eh nicht daran, dass er ihr antworten würde. Sie wollte durch ihn einzig und allein einen Weg finden, weiter leben zu können, danach könnte sie gänzlich darauf verzichten ihn jemals wieder zu sehen.
      Sie zuckte kurz zusammen, als seine Fingernägel über ihre Handfläche zu kratzen begann. Noch immer wurde sie vom beißenden Schmerz des Males verschont, doch das Kribbeln hatte weiter an Intensität dazugewonnen. Keine Sekunde später breitete es sich in ihrem gesamten Unterarm aus, kaum dass ihre Handfläche mit seiner Wange Bekanntschaft machte. "Was machst du da?!", stieß sie erschrocken aus und versuchte halbherzig ihren Arm aus seinem Griff zu befreien. Erfolglos. Doch als plötzlich seine feuchte Zunge über ihre Haut wanderte und das Kribbeln auf ein Maximum steigerte war auch ihre Geduld an einer Grenze angekommen. "Was fällt dir ein?!" Ein beherzter Ruck an ihrem Arm schenkte ihr endlich die Freiheit, während ihre rechte Hand innerhalb eines Wimpernschlages zur Ohrfeige ausholte und ihr Ziel eine Sekunde später traf. Der Knall hallte zwischen den kargen Wänden des weiträumigen Raumes umher, während Neona mehrere Schritte Sicherheitsabstand zu dem untoten Verrückten aufbaute und sich seinen Speichel an der mehrfach geflickten Stoffhose abwischte. "Ich finde es ja gut, dass du so dringend nach einem Weg suchst, den Fluch auf dich zu übertragen, aber das nächste Mal möchte ich eine Vorwarnung", knurrte sie warnend. "Außerdem glaube ich kaum, dass du das Mal einfach wirst 'auflecken' können."
    • Silverius 'Silver' Magnus

      „... du hast es schon mal versucht? Wie bösartig von dir.“, kommentierte er den Satz mit einem amüsierten Lachen, klang dabei jedoch keinesfalls tadelnd, wieso auch? Eigentlich war er nur froh, dass es nicht funktioniert hat, sonst wäre sie ja nicht hier. Und so wie es schien könnte sie seine einzige Karte ins Reich der Toten sein. Und diese würde er nicht einfach so wieder hergeben.
      Eine Idee... was? Er hatte Ideen. Reichlich. Jedoch war er kein Hexer oder ähnliches und hatte somit nicht die Mittel seine Ideen auszuprobieren.
      Er wusste dass es tatsächlich möglichwar Flüche an jemanden anderen weiter zu geben, doch dafür brauchte es eine wichtige Sache: das Opfer musste den Fluch freiwillig annehmen. Und wer würde den Fluch des Todes schon freiwilliger annehmen als er?
      Durch Berührung schien sich der Fluch jedoch nicht übertragen zu lassen, so gewillt Silverius auch war diesen anzunehmen.
      Mehr wusste er aber auch nicht, abgesehen von der Tatsache, dass es möglich war. Wieso? Weil sein Fluch ganz anderer Art war. Er hatte kein Mal oder ein ähnliches Zeichen das er einfach hätte weiter geben können. Also wieso sich weiter mit einem Thema beschäftigen, dass ihn nicht weiter brachte?
      Auch wenn er es in diesem Moment schon ein bisschen bereute. Sonst hätten sie es schnell hinter sich bringen können.
      „Mhmmm... du hast recht. Ist ja eigentlich auch egal.“, stimmte er zu, auch wenn er die Bezeichnung Untoter nicht ganz passend fand. Immerhin war sein Körper nicht Tod, er schimmelte nicht... hoffte er zumindest. So wie er gerade aussah, war er sich da nicht mehr so sicher.
      Silver konzentrierte sich lieber auf das Mal, so klägliche seine Versuche es auf sich zu übertragen auch waren, als er auch schon einen stechenden Schmerz in seiner Wange spürte und sein Kopf zur Seite schnellte.
      Doch statt seinem Schmerz irgendwie Ausdruck zu verleihen, lachte er nur. Amüsiert über die Tat der jungen Frau und darüber, dass er tatsächlich geschlagen wurde. Normalerweise endete sowas nicht gut.
      „Man kann es doch mal versuchen, meinst du nicht?“, gab er mit einem breiten Grinsen von sich und richtete seinen Blick wieder auf sie, während er sich die brennende Wange rieb. Er war sich ziemlich sicher, dass er nun ihren Abdruck auf... Moment mal.
      Er hatte wirklich lange dafür gebraucht, zu lange, aber nun starrte er die junge Frau vor sich an, als hätte er einen Geist gesehen.
      „... du lebst noch.“, stellte er fest, als hätte das eigentlich nicht möglich sein müssen. Hätte es nämlich eigentlich auch nicht. Frühestens, als er ihre Hand auf sein Gesicht gelegt hatte, hätte ihr Leben verwirkt sein müssen, spätestens, als sie ihn geschlagen hatte, selbst wenn man irgendwie hätte annehmen können, dass das Mal und die schwarze Verfärbung ihrer Haut sie vor seinem Fluch geschützt hatte. Die rechte Hand jedoch war nicht geschützt. Haut auf Haut.
      Und sie lebte noch. Atmete. Starrte ihn bösartig an.
      „... mach das nochmal.“, konnte er sich sagen hören, ungläubig, dass sie tatsächlich noch am Leben war. Vielleicht... nein. Er konnte den Abdruck auf seiner Haut spüren. Sie hatte ihneindeutig berührt.
      Kurzerhand erhob er sich, als sein Gegenüber keine Anstalten machte wieder näher zu kommen.
      „... lass mich dich berühren. Nur kurz.“, streckte er die Hand nach ihr aus.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      "Ist mir egal, ob es nun bösartig ist oder nicht, der Kerl hätte es verdient gehabt." Sie hatte immerhin nicht versucht, das Mal an irgendjemanden weiter zu geben. In den vergangen Jahren mochte sie zunehmend herz- und skrupelloser geworden sein, aber genauso wie sie sich geschworen hatte, niemals Unschuldige und Arme und zu berauben, hatte sie auch nicht vor, jemanden einen tödlichen Fluch aufzulasten, der es nicht ausdrücklich verdient hätte.
      Sie starrte ihn perplex an, als er ihre Ohrfeige mit einem viel zu heiteren Lachen kommentierte, obwohl ihr roter Handabdruck sich immer deutlicher auf seiner blassen Haut abzeichnete. Untot zu sein, schien scheinbar auch einige Hirnareale nachhaltig zu beschädigen... Anders konnte sich die junge Frau das seltsame Verhalten dieses Kerles zumindest nicht erklären. Zudem beschloss sie noch einen weiteren Schritt zurück und von ihm weg zu machen. Irgendwie war es ihr zunehmend unangenehm sich in seiner Nähe aufzuhalten.
      "Ja, ich lebe noch!", fauchte sie, noch immer von seinem Verhalten zuvor angeekelt. Aber irgendetwas in seinen Augen machte ihr klar, dass seine Frage einen anderen Ursprung hatte. Er konnte es nicht fassen, dass sie noch lebendig und atmend vor ihm stand, als hätte sie schon lange vor ihm zusammenbrechen müssen. Nachdenklich zog sie die Augenbrauen kraus und musterte kurz das Mal auf ihrer Handfläche. Wusste er doch mehr über den Fluch, als er zugeben wollte? Sollten seine Worte bedeuten, dass sie eigentlich schon lange an ihm hätte sterben sollen? Nein! Sie schüttelte den Kopf. Er hatte eindeutig keinen Schimmer gehabt, was es mit dem Mal genau auf sich hatte. Das war also nicht der Grund für den entsetzten Ausdruck in seinen Augen. Was dann...?
      Seine folgende Aufforderung ließ ihre Augen wieder zu ihm aufzucken. "Deine Unsterblichkeit ist scheinbar dein kleinstes Problem... Oder vielleicht habe ich etwas zu kräftig zugeschlagen? Irgendetwas mit deinem Kopf stimmt auf jeden Fall nicht." Welcher Mensch bei gesunden Verstand verlangte, dass man ihm einen Schlag verpasste? "Sag mir bitte nicht, dass du einer von diesen Kerlen bist die es... genießen, wenn man sie schlägt." Prompt machte sie noch einen Schritt rückwärts, während ein unangenehmer Schauer über ihren Rücken jagte. Sie hatte bereits verstanden, dass sie hier auf einen sehr seltsamen und scheinbar unsterblichen Gesellen getroffen war. Die Vorstellung, er könnte ähnlich pervers sein, wie einige der Männer, die sie in den Schatten der Stadtgassen angesprochen hatten, lösten in ihr diverse Fluchtreflexe aus.
      Zu allem Überfluss erhob sich der lebendige Flickenteppich jetzt auch noch von seinem zerfressenen Schlafplatz. Irgendwie hatte er zusammengekauert auf seinem Sofa deutlich kleiner gewirkt, weswegen Neona sich sogar etwas wunderte, als sie plötzlich zu ihm aufblicken musste. Als sonderlich groß und kräftig konnte man ihn sicher nicht beschreiben, dennoch strahlte er eine seltsam einschüchternde Aura aus, die ihre Fluchtreflexe nur weiter ankurbelten.
      "Halt deine Pfoten fern von mir!", fauchte sie bösartig, als sich seine langen Finger in ihre Richtung ausstreckten.
      Warum wollte er sie plötzlich so dringend berühren? Zuvor hatte er so penibel mit dieser elenden Decke darauf geachtet, dass er ihr Handgelenk nicht berühren musste und jetzt...
      ... du lebst noch, hallten seine ungläubigen Worte von zuvor durch ihre Erinnerung. Und wie lauteten noch einmal die Geschichten über diese Ruinen? Ein Untoter, der allen die ihm zu nahe kamen, das Leben aussaugte? Ihre hell schimmernden Augen legten sich auf die behandschuhte Hand, die sich immer weiter in ihre Richtung ausstreckte. Dabei hätte er sich diesen alten Stoff eigentlich auch sparen können. Zum Teil waren seine ganzen Finger zu sehen und auch auf der Handfläche war der alte Stoff mit dutzenden Löchern überseht. Das bedeutete, seit er das erste Mal nach ihrem Handgelenk gegriffen hatte, war sie schon mehrfach in direkten Kontakt mit seiner Haut gekommen. Ihm selbst schien das aber nicht bewusst gewesen zu sein. Warum sonst wäre er so bedacht gewesen, sie nicht direkt zu anzufassen?
      "Du kannst niemanden berühren...", schlussfolgerte Neona irgendwann nachdenklich. Deswegen hatte er es als einen Fluch bezeichnet. Deswegen hatte er sich allein an solch einen trostlosen Ort verschanzt. Deswegen wollte er nicht geweckt werden und deswegen wollte er so dringend sterben. Weil er seine auferlegte Ewigkeit alleine verbringen musste? Aber... Sie hatte ihn berührt. Mehrmals! Und doch? Vielleicht wirkte der Fluch nicht sofort? Aber warum war dieser Kerl dann so entsetzt? Ihr Blick huschte von seiner Hand zu seinen Augen. Das zuvor noch so vernebelte Gold seiner Seelenspiegel schien plötzlich von einem neuen lebendigen Glanz erfüllt zu sein. Wie lange litt er schon unter diesem Fluch?
      Wieder senkten sich ihre Pupillen zu der Hand, die sich ihr entgegen streckte. Sie zögerte erst, dann hob sie ihre recht - gesunde - Hand der seinen entgegen. "Wir haben also einen Deal, ja?" Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, nahm sie seine Hand in ihre und bekam damit letztendlich doch noch ihren zuvor initiierten Handschlag.
    • Silverius 'Silver' Magnus

      Silverius antwortete nicht, kommentierte dieses Mal keinen einzigen ihrer Sätze, denn er hatte nur einen Gedanken im Kopf: er musste sie unbedingt berühren. Er musste sich vergewissern, dass er sich nicht irrte, dass er sie tatsächlich... berühren konnte. Und das ohne ihren Tod zu verursachen.
      Außerdem... außerdem sehnte sich ein Teil von ihm danach das erste Mal seit hunderten von Jahren die Wärme eines anderen Mensch zu spüren.
      Als sich dann endlich ihre Hand um seine schmiegte, konnte er das schiefe Lächeln nicht zurückhalten. Haut auf Haut. Die Berührung eines Menschen. Wärme... waren Menschen schon immer so warm gewesen? So...lebendig?
      „Mhmmm... sieht so aus, als hätten wir einen Deal.“, stimmte er ihr zu und erlaubte sich ihre Hand zu heben, um sie an seine Wange zu legen. Dieses Mal würde er sie jedoch nicht lecken, immerhin wollte er sie nicht wieder vertreiben.
      „Und nein, ich gehörte nicht zu diesen Männern. Ich habe genug Schmerz für ein ganzes Leben hinter mir. Aber sag mal...“, wurde Silver bewusst, wie schlecht es ihm eigentlich ging. Er hatte Hunger, fürchterlichen Hunger, von dem Durst ganz zu schweigen. Er fühlte sich schwach und schwindelig war ihm auch noch.
      „... du hast nicht zufällig etwas zu essen und etwas Wasser dabei, dass du teilen würdest? Ich fürchte sonst kratzte ich demnächst wirklich ab... und das ist nun wirklich nicht angenehm.“, starrte er sie erwartungsvoll an. Es war, als würde er sie zum ersten Mal wirklich ansehen.
      „Ach und... du hast richtig erraten. Ich kann niemanden berühren. Normalerweise... normalerweise sterben sie sofort.“, lehnte er sich noch mehr gegen ihre Hand, „... aber du nicht.“, fügte er hinzu und starrte sie mit einem Blick an der deutlich machte, dass er nach dem Warum suchte.
      Es mag nicht genug sein, um den Willen zu leben in ihm wieder zu wecken, nein, er wollte noch immer sterben. Aber in der kurzen Zeit, die er noch dazu gezwungen war auf der Erde zu wandeln... wie sehr er es vermisste hatte. Als er noch nicht unter diesem Fluch gelitten hatte, hatte er sich nicht einmal Gedanken darüber gemacht.
      Ein zufälliges Streifen der Hände hatte er noch nicht einmal bemerkt. Eine Umarmung war das normalste der Welt. Und jetzt? Erschien ihm diese einfache Berührung wie das kostbarste der Welt.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Es fühlte sich seltsam an so von ihm angestarrt zu werden, als wäre sie ein besonders spektakuläres Zirkustier. Noch verwirrender war die Art, wie er ihre Hand festhielt, als kenne er die Wärme anderer Menschen nicht mehr. Und vielleicht war sie mit diesen Gedanken der Wahrheit nicht einmal so fern. Doch spätestens als er wieder einmal, ihre Hand gegen seine Wange drückte wurde erneutes Unbehagen in ihr breit. Sie wollte sich seinem Griff entziehen und einige Meter Abstand zwischen sich und diesen seltsamen Kerl bringen. Nur der seltsame, schon fast sehnliche Ausdruck in seinem Gesicht... Dieses Lächeln, das nichts mit dem zynischen Grinsen von zuvor zutun hatte... Irgendetwas in ihrem Inneren schien ihr erklären zu wollen, dass für diesen Mann eine neu gefundene Welt zusammenbrechen würde, sollte sie sich ihm plötzlich entziehen. Also gestattete sie vorerst seine - nach wie vor unangenehme - Nähe und atmete stattdessen erleichtert aus, als er ihr versicherte nicht in die Kategorie Männer zu gehören, die ihr den Ekel in den Körper trieb. Dennoch würde es sie wohl noch etwas zeit kosten, bevor sie seine Verwandlung vom garstigen Stachelschwein zum kuscheligen Schmusekater verkraften könnte. Sie entschuldigte seine Handlungen in ihrem Kopf mit dem Umstand, dass er sicher ewig nicht mehr echten Kontakt zu anderen Menschen hatte pflegen können und ließ ihn damit vorerst gewähren.
      Kurz entglitt ihr ein feines Lachen, als er sie unverhofft nach Essen und Trinken fragte. "Bist doch menschlicher als erwartet", erwiderte sie heiter und griff mit ihrer freien - und immer noch heftig kribbelnden - Hand zu ihrer braun-grauen Umhängetasche und begann nach ihrem Wasserschlauch zu kramen. Währenddessen bestätigte er ihre Vermutung, wobei ihr Lächeln langsam wieder von ihren Lippen schwand. "Vielleicht ist mein Fluch der Grund. Immerhin bin ich dank ihm so oder so dem Tode verschrieben." Ob der Fluch des Artefaktes vielleicht Besitzansprüche an sie angemeldet hatte? Vielleicht würde er bis zu ihrem letztendlichen Tod verhindern, dass ein anderer Fluch sie vor ihm hinrichtete... Das könnte vielleicht sogar ein Grund für dieses seltsame Kribbeln sein. Ein Art Verteidigungssystem vielleicht?
      Als sie endlich den Wasserschlauch zu packen bekam, spürte sie, wie sich seine warme Haut immer intensiver gegen ihre Hand drückte. "Lass das bitte." Ihrer Meinung nach hatte er lang genug ihre Haut spüren können, weswegen sie nun mit Nachdruck ihre Hand "zurückeroberte" und sie stattdessen dafür nutzte, den Verschluss des Wasserschlauches aufzuziehen. "Ich kann ja verstehen, dass das für dich... nun ja... besonders sein mag. Aber es gibt dennoch persönliche Grenzen, die du einhalten solltest." Auffordernd drückte sie ihm den Lederschlauch gegen die Brust. "Hier trink." Dann wendete sie sich erneut ihrer Tasche zu. Ihr tat es jetzt schon in der Seele weh, dass sie ihren restlichen Laib Brot an diese Vogelscheuche würde abtreten müssen, aber er hatte es eindeutig nötiger als sie. "Es ist nicht viel, aber es sollte für den Anfang reichen", erklärte sie und hielt ihm das trockene und bereits recht harte stück Brot entgegen. So hungrig und durstig wie er wirkte, musste er wirklich schon lange nichts mehr zu sich genommen haben. Und meinte er nicht eben auch, dass er tatsächlich sterben würde, sollte er nicht bald etwas zu sich nehmen? "Sag mal... Sagtest du nicht, dass du unsterblich bist? Wie kann ein Unsterblicher verdursten? Außerdem müsstest du doch schon mehrfach verhungert sein, wenn du schon so lange hier herumliegst, wie ich es gerade befürchte." Selbst wenn er sich hin und wieder von diesem zerfallenen Sofa erhoben haben sollte, dürfte es sich als schwierig herausstellen, etwas essbares zu ergattern. In der Küche, durch welche sie gewandert war, war definitiv nichts mehr zu finden gewesen und auch die Natur hatte im Frühling nicht sonderlich viel zu bieten. Zudem glaubte sie mittlerweile fest daran, dass sich dieser Kerl viele Tage, Wochen, Monate, wenn nicht gar Jahre nicht von Fleck bewegt hatte. Wie sonst konnte man so eine dicke Staubschicht auf Haaren und Kleidung ansammeln? "Und da wäre noch eine andere Sache, nun da wir einen Deal haben und uns eventuell für längere Zeit an der Backe kleben, kann ich dich schlecht Untoter, Vogelscheuche oder Flickenteppich nennen." Alles Bezeichnungen, die sich mehrfach in ihre Gedanken geschlichen hatten. "Also, wie heißt du eigentlich? Mein Name ist im Übrigen Neona."

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Marien ()

    • Silverius 'Silver' Magnus

      Selbst wenn die Fremde versucht hätte ihre Hand zurück zu ziehen, Silver hätte sie schlicht und einfach nicht gelassen. Zumindest nicht für die nächsten Momente, viel zu aufgewühlt war er von der Tatsache, ihre Hand gegen seine Wange spüren zu können, diese Wärme... angenehmer als ein Lagerfeuer, an dem man sich wärmen konnte.
      Es mag nicht genug sein, um die Kälte der Ruine zu vertreiben, doch darum ging es auch eigentlich gar nicht. Was erwärmt wurde, war seine gepeinigte Seele. Und diesen kostbaren Moment würde er für nichts auf der Welt hergeben. Außer für den Tod vielleicht.
      „Lass dich davon nicht täuschen.“, gab er mit einem ebenso erheiterten Laut von sich. Wenn es reichen würde Nahrung und Wasser zu brauchen, um menschlich zu sein, hätte man ihn sicherlich nicht als Untoten getauft.
      „Mhhhmmm... verstehe. Also will der Tod nicht, dass ich dich ihm weg nehme?“, gab er mit einem weiteren erheiterten Laut von sich und der Gedanke sich mit dem Tod anzulegen klang durchaus erheiternd. Wenn er ihn nicht ständig meiden würde.
      Er hatte sowieso schon seit sehr langer Zeit die Theorie dass der Tod, den er anderen brachte, kein gewöhnlicher war. Immerhin blieb nicht einmal etwas von der Leiche zurück. Und dann dieser herzzerreißende Schrei... es musste furchtbar weh tun durch seine Berührung zu sterben.
      Und doch hatte die Rothaarige noch kein einziges Mal geschrien. Auch wenn sie nicht gerade froh über seine Berührung zu sein schien. Achja... er war übersät von Staub, nicht wahr? Seine restliche Gestalt sah sicherlich auch alles andere als angenehm aus, die zerschlissene Kleidung... er musste wirklich ewignicht mehr gebadet haben.
      Es kümmerte ihn jedoch nicht genug, um sie los zu lassen.
      Zumindest nicht freiwillig. Es war Silver deutlich anzusehen, dass er sie alles andere als gerne gewähren ließ und für einen Moment festigte sich sogar sein Griff um ihre Hand... nur um sie dann widerwillig doch los zu lassen. Er hatte seinen Moment gehabt und er wollte das einzige Wesen auf dieser Welt, dass er sorglos berühren konnte, nun wirklich nicht vertreiben.
      Zumindest nicht so früh.
      „... muss ich das?“, antwortete er grummelnd, als er ihre Hand gegen den Wasserschlauch austauschte und gierig daraus zu trinken begann. Er musste wirklich kurz vor dem Verdursten gewesen sein und mit jedem weiteren Schluck ging es ihm besser.
      „Mhm, solange ich nicht sterbe, ist mir alles recht.“, tauschte er den leeren Wasserschlauch nun gegen das alte Laib Brot aus und begann Stücke daraus zu reißen, um es langsam zu verspeisen.
      Nicht, weil es ihm am Hunger mangeln würde. Er wusste aus Erfahrung, dass es in solchen Momenten besser war, es langsam anzugehen. Sonst würde er es nur wieder auskotzen.
      Schmecken tat er nichts. Womöglich schliefen seine Geschmacksknospen noch, wahrscheinlicher war jedoch, dass sie über die Jahre abgestumpft waren.
      „... hm? Sagte ich es nicht? Unsterblicher ist doch nicht ganz passend.“, wiederholte er, als wäre dadurch klar, was er meinen würde und kaute schon am nächsten Stück hartem Brot, „Ich sterbe... für ein paar Minuten. Vielleicht Sekunden. Dann wache ich wieder auf, als wäre nie etwas gewesen... aber es tut verdammt weh, also verzichte ich da lieber drauf.“, machte sein Gesichtsausdruck deutlich, wie viele Schmerzen der Tod durch Hunger oder Durst verursachen mag.
      „Oh. Ich bin sicherlich einige Male im Schlaf gestorben. Aber da merkt man es kaum. Vor allem wenn man tief und fest schläft.“, erklärte er, als würde er einfach nur einige Fakten aufzählen.
      Naja, zu seiner Verteidigung: in seinen Augen waren es nichts weiter als Fakten.
      Weiter am Brot kauend starrte er sie für einige Momente still an, als sie mehr oder weniger nach seinem Namen fragte.
      „... Untoter kenne ich ja schon... aber Vogelscheuche und Flickenteppich? Ich muss wohl wirklich schrecklich aussehen, was?“, stellte er fest, nicht dass es ihn besonders zu stören schien. Es war nichts weiter als ein weiterer Fakt. Aber einer, an dem er wohl etwas ändern sollte.
      „Silver.“, nannte er ihr letztendlich seinen Namen, während er ein paar Krümmel von seinem Finger leckte... und es sofort bereute, als der Geschmack von Staub und Dreck seine Zunge erreichte.
      „... ich fürchte ich bräuchte noch ein paar Gefallen von dir... Neona.“, es war ungewohnt den Namen eines anderen Menschen zu benutzen. Lange Zeit hatte er keinen Sinn darin gesehen, Namen nur benutzt wenn es wirklich unbedingt sein musste und sie mindestens genauso schnell wieder vergessen. Die Zeit würde zeigen, ob er sich überhaupt lange an den ihren erinnern können würde.
      „Ich bräuchte neue Kleidung, dringend.“, betonte er, wie wichtig diese Angelegenheit war, „Einerseits natürlich, weil ich mich so“, er wies auf die Lumpen die man wohl kaum noch wirklich als Kleidung bezeichnen konnte, „wohl kaum draußen blicken lassen kann. Andererseits... lass es mich so ausdrücken: wenn du nicht willst, dass jemand versehentlich sein Leben verliert, sollten wir dafür Sorgen, dass so viel Haut wie nur möglich bedeckt ist.“
      Mit diesen Worten ließ sich Silver wieder auf das Sofa fallen, was zur Folge hatte, dass sich eine Staubwolke erhob und ihn wieder zum husten brachte.
      Wie oft der Staub alleine ihn wohl schon umgebracht hatte?
      „Sieh es als Anzahlung für dein Leben... achja.“, fiel ihm auf, dass die beiden wohl noch keinen richtigen Plan hatten, als er sein Bein an seinen Körper zog und die Schuhe betrachtete, die noch einigermaßen brauchbar wirkten. Leder war wohl doch stabiler als Stoff, was?
      „Ich kenne da eine Hexe, die uns vielleicht helfen könnte.“, ließ er sie wissen.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von RoyalMilkTea ()

    • Neona

      Der Tod wollte nicht, dass er sie ihm wegnahm? Warum klang das nur so, als wäre sie in der gefährlichsten Dreiecksbeziehung gefangen, die es in dieser Welt nur geben konnte? Sie schüttelte ihren Kopf über ihre eigenen Gedanken. "Wenn es nach mir ginge, müsste sich der Tod noch lange gedulden, bevor er mich in die Finger bekommt." Sie konnte nicht behaupten, unsterblich werden zu wollen, vor allem nicht, wenn es solche Nebenwirkungen mit sich brachte, wie bei diesem alten Staubfänger hier. Aber sie wollte sich ein vernünftiges Leben aufbauen, wollte endlich ehrliches Geld verdienen und für ihren Bruder da sein. Sicher, neben ihrem Bruder mochte es wahrscheinlich nicht viele Menschen geben, die ihr nachtrauern würden. Doch sie wollte ihre lang ersehnte Zukunft noch lange nicht aufgeben, außerdem glaubte sie, dass sie nach all den Strapazen ihrer Vergangenheit ein anderes Ende verdient hatte...
      Ihr war nicht entgangen, wie ungern er ihre Hand freigab und auch seine Antwort auf ihre Bitte klang nicht sonderlich motiviert. Wahrscheinlich würde er auch in Zukunft nicht wirklich viel Acht auf ihre Grenzen geben und es schauerte ihr jetzt schon davor. Vielleicht wäre es vernünftig immer mindestens einen Meter Abstand zu ihm zu halten? Diesem Gedanken folgend machte sie direkt wieder einen Schritt zurück, nachdem sie ihm mit Trinken und Essen versorgt hatte und behielt ihre Hände nah an ihrem Körper, auf dass er nicht einmal auf die Idee kommen konnte, nach ihnen zu greifen.
      "Klingt unangenehm", kommentierte Neona bei seinem Bericht. Er konnte also sterben, wurde nur immer wieder zum Leben erweckt? Sein Gesichtsausdruck machte dabei nur zu deutlich, dass die Todesqualen jedes Mal die Hölle auf Erden gewesen waren. Dass er trotz all dem dieses staubige Grab für seinen ewigen Schlaf ausgesucht hatte, musste daher sehr bezeichnend für seine innere Verzweiflung sein. Gleichzeitig begriff sie nun auch, warum er zuvor kaum wachzukriegen war und auch warum er so sauer auf sie gewesen war. Wenn sie die Wahl hätte, würde sie auch deutlich lieber friedlich im Schlaf sterben, anstatt die Todesqualen bewusst wahrnehmen zu müssen.
      Die nächsten Minuten verbrachte sie damit, ihm schweigend beim Essen zuzusehen, während sie ihm hin und wieder den Wasserschlauch reichte, damit er das trockene Brot vernünftig herunterschlucken konnte. Es schien nicht das erste Mal zu sein, dass er in solch einen ausgehungerten Zustand geraten war, zumindest schien er genau zu wissen, dass ein absolut leerer Magen mit zu viel Nahrung auf einmal nicht umgehen konnte. Entsprechend bedächtig schob er sich ein kleines Stück Brot nach dem anderen in den Mund und Neona bildete sich ein, dass er mit jedem weiteren Bissen etwas mehr Farbe auf seine Haut malen konnte. Langsam fing sie sogar an zu glauben, dass unter all dem Dreck und Staub ein einigermaßen ansehnliches Gesicht versteckt sein könnte. Auf jeden Fall schien er die Namen, die sie bisher für ihn gewählt hatte nicht gerade passend zu finden. Also sah er sich vielleicht auch selbst in einem anderen Bild?
      Sie wurde kurz hellhörig, als er das erste Mal ihren Namen über seine Lippen gleiten ließ und schenkte ihm wenig später ein verstehendes Schmunzeln. "In Ordnung. Allerdings glaube ich, dass du vor allem erst einmal ein gutes Bad nehmen solltest, bevor du in neue Sachen schlüpfen kannst." Sie erinnerte sich, wie viel Staub zuvor aus seinen zerzausten Haaren gefallen war und auch dieser süßliche Geruch, der ihn umwaberte war alles andere als angenehm. Als würde er ihre eigenen Gedanken unterstreichen wollen, ließ er beim Hinsetzten eine dichte Staubwolke aufstoben, die nicht nur ihn sondern auch sie zum Husten brachte. "Toll... jetzt brauche ich sicher auch noch ein Bad." Zu seiner Verteidigung: Das hatte sie sicherlich schon vorher gebraucht. Der Weg hierher war nicht gerade einfach gewesen und sie hatte sich mehr als einmal verlaufen, in dichten Sträuchern verfangen und sich durch moorigen Schlamm gekämpft. Von dem ganzen kalten Schweiß an ihrem Körper ganz zu schweigen. "Okay, was hältst du davon, wenn du dich in dem kleinen Bach hinter dem Herrenhaus etwas frisch machst, während ich zurück in die Stadt gehe und frische Kleidung für dich organisiere?" Während sie das aussprach, trauerte sie bereits ihrem Geldbeutel hinterher. Sie würde komplett neue Kleidung für Silver kaufen müssen... Ihr Bruder war leider kleiner als der Untote, weswegen sie sich nicht einfach etwas von ihm hätte borgen können und auch mit ihren Diebeskollegen war sie nicht eng genug vertraut, um sie in solch einer Lage um Hilfe bitten zu können. Außerdem litt jeder von ihnen unter chronischer Neugierde und sie konnte sich besseres vorstellen, als irgendjemanden ihre Märchengeschichte mit dem Untoten zu erzählen... Kurz spielte sie sogar mit dem Gedanken ihre diebischen Finger zaubern zu lassen und die nötigen Klamotten kostengünstig zu ergaunern, allerdings widersprach das ihren eigens auferlegten Prinzipien, nur die zu bestehlen, die es entweder verdient hatten oder denen es nicht schadete. Wie sie es also drehte und wendete, sie würde wohl ihr hart erarbeitetes Geld opfern müssen... und zudem auch noch ihre Zeit. "Da ich jetzt den Weg kenne, sollte ich nicht mehr allzu lange brauchen, dennoch wird es mich wohl ein paar Stunden kosten, bevor ich wieder da bin... Vielleicht kannst du mich zumindest bis zum Stadtrand begleiten?", verwarf sie ihren ersten Vorschlag schließlich wieder. "Bis wir dort sind, wird die Sonne sicher schon am Untergehen sein, dass heißt es werden nur noch wenige Menschen auf den Straßen unterwegs sein. Dann kann dich weder jemand in deinem verlausten Zustand sehen, noch sollte die Gefahr sonderlich hoch sein, dass du jemanden unverhofft das Leben aussaugst." Zufrieden mit ihrer eigenen Idee grinste sie ihm breit entgegen. "Allerdings empfehle ich dir trotzdem vorher noch ein Bad zu nehmen, sonst riechen dich die Stadtwachen, bevor sie dich sehen können. Mal abgesehen davon, dass das Kanalwasser in der Nähe der Stadt deinen Zustand noch verschlechtern könnte..." Auch wenn sich das Abwassersystem durch diverse Entwicklungen der letzten Jahrzehnte deutlich gebessert haben sollte, gab es noch immer viel zu viele Menschen, die ihre Abfälle der Einfachheit halber in die Bachläufe kippten. Vor allem die Nobelleute am anderen Stadtende schienen sich wenig um den verschmutzen Zustand des Fließgewässers zu scheren, immerhin lebten sie an der sauberen Seite der Stadt und schickten all ihren Dreck flussabwärts...
      "Eine Hexe?" Neona hob skeptisch die Augenbrauen. Nicht weil sie die Existenz von Hexen anzweifelte, immerhin hatte diese Welt unfassbar viel Magie zu bieten. Ihre Sorgen hatten einen anderen Ursprung. "Ich weiß nicht, wie lange du hier schon genau liegst, aber die Legenden über diesen Ort sind angeblich schon mehrere Jahrzehnte alt und der Zustand dieses Hauses scheint dem auch gerecht zu werden... Wie kannst du dir also sicher sein, dass diese Hexe noch lebt? Oder sind Hexen etwa auch unsterblich?" Ihre Frage entsprang tatsächlich puren Unwissen. Ja, diese Welt mochte voller Magie stecken. Magie, die sogar mittlerweile in Form von Magiesteinen auf der Straße verkauft wurde - nicht dass sie sich je eins dieser Teile hatte leisten können. Dennoch war sie in ihrem Leben noch nie einem Hexer oder einer Hexe begegnet. Die Schamanin, die sie hierher geführt hatte, kam diesem Bild wohl am nächsten. Doch auch sie war am Ende nur eine normale alte Frau, die ein besonderes Talent dafür hatte, in dem Schicksal ihrer Kunden zu wühlen und Antworten auf schwierige Fragen zu erhaschen. Eine echte Hexe jedoch... Sie wüsste nicht einmal, wo man so eine finden konnte. Noch wusste sie, mit welchen Fähigkeiten sie wohl ausgestattet wäre. Es war seltsam. Aber umso mehr sie darüber nachdachte, desto mehr stieg ihre innere Neugierde. Mal von ihrem Fluch abgesehen, könnte es recht interessant werden, einer echten Hexe zu begegnen. "Klingt auf jeden Fall nach einem Plan, Silver. Ich bin dafür, dass wir ihn so schnell es geht umsetzten, da ich nicht weiß, wie lange mich dieser Fluch noch am Leben lassen wird."

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Marien ()

    • Silverius 'Silver' Magnus

      „Wunderbar. Dann kann ich den Tod ja ganz für mich alleine haben.“, konnte Silverius nicht anders als das Gedankenexperiment mit einem Grinsen weiterzuführen. Ob der Tod ihn nach all den Jahrhunderten nun haben wollte oder nicht, konnte ihm recht egal sein. Er würde ihn bekommen. Koste es, was es wollte. Sein Blick fiel auf ihr Mal... und nun wusste er auch wie.

      „... Bach? Ich dachte da eher an...“, verstummte der Unsterbliche kurzerhand und ließ seinen Blick über das alte, zerstörte Anwesen gleiten, während er sich am Hinterkopf kratzte, „... gibt es den Brunnen noch?“, klang er selbst zweifelnd. Selbst wenn es ihn noch gab, war er vielleicht bereits versiegt. Oder das Wasser war dreckig. Hatte es schon immer einen kleinen Bach hinter dem Haus gegeben? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern.
      „... Stunden?“, wartete auch schon die nächste Überraschung auf ihn und er hob fragend eine Augenbraue. War das Dorf vor ihm geflohen? Er mag zwar darauf geachtet haben, vom Dorf entfernt zu leben, aber er war sich ziemlich sicher, dass er höchstens eine Stunde dort hin gebraucht hatte.
      … oder war womöglich der Weg so beschwerlich geworden?
      „Mhhhmmm...“, ließ er sich ihren Vorschlag durch den Kopf gehen, blickte an sich herunter und musste sich fragen, ob diese Fetzen eine kurze Reise auch nur überstehen würden, ehe sein Blick auf die Decke fiel, die die Jahrzehnte zumindest etwasbesser durchgehalten zu haben schien. Vielleicht wäre sie ganz brauchbar, wenn er sie waschen würde.
      „Okay... klingt nach einem Plan. Ich brauche wohl wirklichdringend ein Bad, was?“, konnte er sich selber kaum riechen, seine Nase musste sich an den Gestank schon lange gewöhnt haben. Aber eigentlich dürfte die dicke Staubsicht auf... eigentlich allem von ihm diese Frage mehr als nur deutlich beantworten. Er war ja geradezu zu einem Teil der Inneneinrichtung geworden.
      Er wickelte sich die Decke um den Arm, um sie besser transportieren zu können, bereit die Reise zu beginnen. Es gab keine Zeit zu verschwenden. Desto schneller er sterben konnte, desto besser.
      Aber dann musste sie ja unbedingt die Schwäche in seinem Plan erwähnen, oder?
      Silver zuckte kurz zusammen, als hätte sie ihn erwischt und wendete seinen Blick ab.
      „Nun... ich weiß nicht ob Hexen unsterblichsind... aber sie leben verdammtlange und es ist beim besten Willen nicht einfach eine zu töten.“, davon konnte er ein Lied singen. Immerhin hatte er es einmal versucht.
      „Wenn es nur ein paar Jahrzehnte sind, dann gibt es sie sicher noch. Voraussichtlich keine dämlichen Menschen haben sie verbrannt.“, fügte er mit einem genervten Schnauben hinzu.
      Die wichtigere Frage war nicht, ob sie noch lebte, sondern wie er sie finden sollte. Wenn sich bereits ein Bach hinter dem Haus gebildet hatte, war sicherlich mehr Zeit als nur ein oder zwei Jahrzehnte vergangen, ob sie überhaupt noch am selben Ort lebte? Oder er den Weg überhaupt noch erkennen würde?
      „... welches Jahr haben wir?“, fragte er letztendlich, bevor er sich in Bewegung setzte und den Raum durch eine Tür verließ, sie sofort aus den Angeln riss und zu Boden fiel, kaum hatte Silver die Hand an die Klinge gelegt... und genervt kniff er die Augen zusammen, hob den Arm vor die Augen, als das Licht ihn blendete. Verdammte Scheiße, war die Sonne schon immer so grell gewesen?
      Wenn er ehrlich war, hatte er überhaupt gar keine Lust da raus zu gehen. Vielleicht sollte er sich doch lieber wieder hinlegen. Das Sofa rief ja fast schon nach ihm.
      Aber nein. Er wollte ja sterben, nicht wahr? Und das war womöglich seine einzige Chance.
      Also reiß dich zusammen, Silver. Ist doch nur ein bisschen Licht.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Seine Reaktion auf ihre Erwähnung des Baches machte ihr deutlicher denn je, dass dieser Kerl eine halbe Ewigkeit auf diesem Sofa zugebracht haben musste. "Nun, ich habe keinen Brunnen gesehen", meinte sie später auf seine Frage hin. "Wahrscheinlich wurde er wie der Rest des Anwesens überwachsen. Doch selbst wenn wir ihn unter all dem Grün wieder finden würden, glaube ich kaum, dass er noch funktionstüchtig ist." Umso länger sie über dieses Thema sprachen, desto tiefer sickerte die Erkenntnis, dass sie da wirklich einen Unsterblichen vor sich hatte, der aus der Zeit ihrer Vorfahren stammen mochte. Dabei glaubte sie unter seinem eingestaubten Selbst einen Mann zu erkennen, der kaum älter als sie aussehen mochte.
      Auch als sie ihm berichtete, dass es einige Zeit zur Stadt brauchen würde, schien sich leichtes Entsetzen in seine Zügen breit zu machen. Offenkundig hatte er nicht einmal bemerkt, wie die Zeit vergangen war, während das Haus um ihn herum langsam in seine Einzelteile zerbrochen war... "Ich weiß nicht genau, wie lang du in diesem Anwesen Dornröschen gespielt hast, aber es waren genug Jahre, damit der Weg zwischen dieser Ruine und der Stadt vom Wald zurückerobert werden konnte. Leider sind aber noch nicht genug große Bäume mit schattigen Kronen herangewachsen, die den strauchigen Bodengewächsen das Licht stehlen können. Entsprechend ist der Weg hierher von dichten Büschen und Sträuchern überseht, die ein Vorankommen schwierig gestalten." Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie viele Kratzspuren sich unter ihren dünnen Hosen wiederfinden würden, nachdem immer wieder spitze Stacheln von Brombeersträuchern den alten Stoff durchbohrt hatten. Glücklicherweise wehrte sie sich vehement dagegen, sich in "normale" Frauenkleider zu hüllen. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie oft sie wohl mit dem Saum eines Kleides irgendwo hängen geblieben wäre. "Unser einziger Vorteil wird sein, dass wir meinen niedergetrampelten Pfad hierher zurück folgen können. Allerdings bin ich mehrere Male vom Weg abgekommen... Wenn wir also den direkten Pfad nehmen wollen, werden wir uns früher oder später durch das Gestrüpp kämpfen müssen." Jetzt wo sie darüber nachdachte, bezweifelte sie sogar, dass die wenig brauchbaren Fetzten an Silvers Leib die Reise würden überstehen können. Seine Gedanken schienen eine ähnliche Richtung einzuschlagen. Zumindest glaubte sie das in seinem Blick zu lesen, den er der alten Decke schenkte, die er zuvor als Trennmedium zwischen seiner und ihrer Haut genutzt hatte.
      Schließlich wickelte er sich den alten Fetzen auch schon um den Arm und schien sich für den Aufbruch bereit zu machen. Bis ihre Frage zu der Hexe ihn zu überrumpeln schien. Sie waren also langlebig, aber nicht unsterblich? Neona spürte, wie die Neugierde in ihr anwuchs. Gleichzeitig machte sich aber auch zunehmende Sorge in ihr breit. Was wenn es ein schlechtes Omen war, dass sie so wenig über Hexen wusste? Natürlich wusste sie, dass sie existierten oder zumindest einmal existiert hatten, aber ihr war nicht bekannt, dass jemand jemals auf eine getroffen war. Zumindest nicht in den letzten fünfzig Jahren... Sollte das vielleicht bedeuten, dass es keine mehr gab? Lebte die Hexe noch, von der Silver gesprochen hatte?
      "Hexenverbrennungen wurden vor über siebzig Jahren verboten", machte sie sich selbst ein wenig Hoffnung. "Magie wird schon seit langer Zeit nicht mehr als Teufelswerk betrachtet. Hexen würden wohl eher verehrt als gejagt werden." Und obwohl all dies wahr war, gab es keine Hexe in der Stadt, die sich an ihrem eigenen Ansehen laben könnte. Neona hätte es verstanden, wenn alle noch lebenden Hexen sich irgendwo verstecken würden, sollten die Menschen sie noch immer mit Mistgabeln und Fackeln jagen... Aber diese Zeiten waren lange vorüber. Jetzt wo sie darüber nachdachte... Wenn Silver über diese Entwicklung nicht bescheid wusste, bedeutete das dann, dass er schon seit mindestens sieben Jahrzehnten auf diesem Sofa verweilte? Ihm selbst schien dieser Umstand auch immer schmerzlicher bewusst zu werden, weswegen er sie schließlich nach dem aktuellen Jahr fragte. "1245", antwortete sie kurzerhand. "Dieses Königreich heißt Tubalda und unser aktueller König ist Sigren III aus dem Haus Tubald", berichtete sie weiter. Je nachdem wie lange er schon schlief, könnten auch das vollkommen neue Informationen für ihn sein. Schließlich existierte dieses Königreich "erst" seit knapp 150 Jahren und so langsam befürchtete sie, dass Silver schon fast ein Jahrhundert oder länger in diesem Salon geschlummert haben mochte.
      Als würde das Anwesen ihren düsteren Verdacht bestätigen wollen, verabschiedete sich eine der Salontüren von ihrem Rahmen, kaum dass Silver die Türklinke berührte. Umgehend wurden sie von Sonnenlicht umflutet und während Neona die warmen Strahlen zu genießen vermochte, schien der Langschläfer vor ihr unter der ungewohnten Helligkeit zurückzuschrecken. Sie konnte sich selbst nicht ganz erklären warum, aber aus irgendeinem Grund amüsierte sie sein genervter Gesichtsausdruck. So grimmig wie er der Mittagssonne entgegenblinzelte, könnte man fast glauben, dass er die Götter für die Existenz des hellen Feuerballs vor einen Richter schleifen wollte. Ihr huschte ein kurzes Kichern über die Lippen, als sie sich an dem Staubfänger vorbei in die frische Luft schob. "Ein Untoter der vor der Sonne zurückschreckt? Wie viele Klischees möchtest du noch bedienen, Silver?" Das Grinsen auf ihren Lippen wurde breiter, bevor sie ihm mit einem Winken bedeutet, ihr zu folgen. "Komm, ich zeig dir, wo der Bach zu finden ist." Eine Sekunde später trampelte sie auch schon über das verwilderte Gelände, welches einst ein Hofgarten gewesen sein mochte und machte sich dabei sogar die Mühe einen möglichst guten Pfad für ihren Begleiter niederzutreten. Wenn ihre Hosen schon unter den stacheligen Büschen überall zu leiden hatten, würden seine Kleidungsfetzen die störrische Natur ganz sicher nicht mehr überleben können.
      "Das hier sollte eine ganz gute Stelle sein", stellte sie wenige Minuten später fest und deutete auf den ruhig vor sich hinplätschernden Bach, welcher sich durch ein flaches Kiesbett schlängelte. "Das Wasser mag kalt sein, aber dafür klar und sauber", ermutigte sie Silver, in der Hoffnung, dass er bald diesen vermoderten Geruch abstreifen würde. "Gibt es im Anwesen vielleicht einen Ort, an dem ich noch ein paar Sachen im Schrank finden kann? Vielleicht sind die brauchbarerer, als diese alte Decke", vermutete sie. Je nachdem ob der Schrank zusammengebrochen war oder nicht, könnte er den Stoff erfolgreich vor der Verwitterung geschützt haben. "Vielleicht kann ich noch etwas passendes finden, während du die Staubschicht von deiner Haut wächst."

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Marien ()

    • Silverius 'Silver' Magnus

      „Klingt ätzend.“, kommentierte er ihren Monolog über die Lage des Weges... ein Wald, was? Er musste wirklich lange geschlafen haben, nicht, dass das besonders wichtig wäre. Immerhin hatte er eigentlich vorgehabt für immer zu schlafen. Dass er nun wach war, war ganz alleine Neona und ihrem hübschen kleinen Fluch zu verdanken. Auch wenn er anfangs alles andere als dankbar war.
      Aber die Aussicht auf den Tod hatte ihn doch recht wieder munter werden lassen.
      Eine direkte Berührung nach hunderten von Jahren hatte auch ganz gut getan.

      „... verehrt?“, hob Silver ungläubig eine Augenbraue, das konnte er sich nun wirklich beim besten Willen nicht vorstellen. Eine Hexe, die verehrt wurde? Das konnte doch nur schief gehen.
      „Mhmmm... also sind die bei dem Namen geblieben? Wenn du mich fragst klingt Tubalda schrecklich. Man hätte sich wirklich einen besseren Namen ausdenken sollen. Oder wenigstens bei Atrium bleiben sollen.“, konnte sich der Untote noch sehr gut daran erinnern, wie dieses Königreich seinen Anfang nahm. Mit dem Ende eines Krieges, wie die meisten es taten. Mit dem Ende eines anderen. Nicht, dass er sich groß mit dem alten Königreich identifiziert hatte. Genauso wenig wie mit dem jetzigen. Früher mag er mal ein stolzer Bürger seiner Heimat gewesen sein... mittlerweile empfand er es nur noch als lästig die Welt in Grenzen zu sehen. Und eine Heimat hatte er auch schon lange nicht mehr.
      Also musste er um die hundert Jahre geschlafen haben, was? Vielleicht war Dornröschen doch eine ganz passende Bezeichnung. Das verfluchte Dornröschen. Über diesen Gedanken musste er grinsen.

      Hätte der Unsterbliche die Götter vor einen Richter ziehen können, dann hätte er das auch getan. Er war gerade erst von einem hundert jährigen Schlaf erwacht und so begrüßte ihn die Außenwelt? Mit einem blendenden Feuerball? Sie musste ihn mindestens genauso hassen wie er sie.
      Oder vielleicht hatte das lange Leben ihn schlicht und einfach zu einem Miesepeter werden lassen.
      „Klischees? Ich mache das doch nicht absichtlich. Außerdem bin ich kein Untoter.“, knurrte der Langhaarige genervt und folgte ihr dann zum Bach... da war ja tatsächlich einer.
      Und Silver war sich nun sicher, dass es diesen vorher nicht gegeben hatte. Er blickte sich um.
      Vieles hier hatte es vor seinem Schläfchen nicht gegeben.
      Die wenigen Büsche und Dornen, das Gestrüpp dass er durchlaufen musste schien ihn jedoch nicht besonders zu stören, zog einfach etwas fester an einem Bein, dass an irgendeinem Dorn hängen geblieben sein musste und folgte ihr dann weiter, als wäre nichts gewesen.
      Er hatte schon schlimmeren Schmerz durchstanden. Dagegen war das hier gerade einmal ein Bienenstich.
      „Mhmmm... zweiter Stock, dritte Tür rechts... nein, links.“, gab er nach kurzem denken von sich, während er sich in den Bach stellte und in die Hocke ging, um die Hand ins klare Wasser zu tauchen und wenn seine Füße und Knöchel nicht schon genug gewesen wären, war der ganze Dreck, den das Wasser nun weg wusch, deutlich zu sehen. Hoffentlich würde dieser Bach nach seinem Bad noch einigermaßen sauber bleiben.
      „Vielleicht sind im Schrank sogar noch ein paar brauchbare Klamotten da. Auch wenn sie vom letzten Jahrhundert stammen.“, fügte er hinzu, während er begann sich das Gesicht zu waschen, bevor er etwas Wasser schöpfte um es sich über den Kopf zu gießen und das graue des Staubs wich einer Farbe, die zwischen dunklem blond und hellem braun zu liegen schien.
      Während er da so in der Hocke stand, nahm er ein paar seiner langen Strähnen zwischen Zeigefinger und Daumen und betrachtete diese nachdenklich. Er konnte noch immer nicht so recht begreifen, wieso seine Haare gewachsen sind. Aber es schienen auch nur die hinteren Strähnen zu sein, da es ihm nicht direkt ins Gesicht fiel... vielleicht würde er sich später Gedanken darüber machen, ob er sie schneiden würde oder nicht.
      Eigentlich konnte es ihm ja auch egal sein.
      „Achja... und wenn du irgendwelche Wertsachen findest, kannst du es gerne einstecken.“, ließ sie ihn noch wissen, bevor sich sein leerer Blick nun auf sie richtete, darauf wartend dass sie im Anwesen verschwinden würde, damit er sich von den Fetzen trennen und sich anständig waschen konnte.
      Mag sein, dass sie vor seiner tödlichen Berührung geschützt war, das änderte aber nichts an den Gewohnheiten, die er sich Jahrhunderte lang antrainiert hatte. Und darunter gehörte es nun einmal, sich niemals in Beisein einer anderen Person auszuziehen.
      Mit Anstand hatte das nun wirklich nichts zu tun.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Atrium... sie konnte sich schwach daran erinnern, dass ihr Geschichtslehrer aus dem Waisenhaus diesen Namen auch ab und an in den Mund genommen hatte. Richtig... das war der Name dieses Landes gewesen, bevor das Königreich Tubalda beschlossen hatte ihre eigenen Landesgrenzen ein "klein wenig zu erweitern". Offensichtlich mit Erfolg. Nun war sich Neona auf jeden Fall sicher, dass der eingestaubte Mann vor ihr seit über 150 Jahren auf dieser Erde wandelte, gleichzeitig schien er aber zumindest nicht all diese Jahre schlafend verbracht zu haben. Kurz hatte sie gehofft, dass er sie über die exakte Zeit aufklären würde, die er im Land der Träume verbracht hatte, aber anscheinend schien er diese Information für sich behalten zu wollen. Vielleicht sollte sie sich einfach mit einem Schätzwert zwischen 70 und 150 Jahren zufrieden geben. So oder so hatte er mehr Zeit auf diesem verdammten Sofa verbracht als andere Menschen für ihr ganzes Leben zur Verfügung hatten.
      "Wenn du kein Untoter bist, solltest du schleunigst aufhören, wie einer auszusehen und vor allem, wie einer zu riechen", neckte Neona Silver belustigt, nachdem er sich zum wiederholten Male gegen diese Bezeichnung zu wehren versuchte.
      Sein Geist mochte zwar Jahrzehnte lang im Reich der Träume festgesteckt haben, doch seine Erinnerung schien noch recht brauchbar zu sein. Sie hatte ehrlich nicht erwartet, so eine prompte Wegbeschreibung vorgelegt zu bekommen, nickte diese dann aber bald schon zufrieden ab. "Okay, zweiter Stock, dritte Tür links", wiederholte sie seine Worte, um es sich selbst besser merken zu können. Dabei graute es ihr jetzt schon davor, diese elend morsche Treppe überwinden zu müssen, welche sie zuvor noch so gekonnt ignoriert hatte. Das Risiko würde sie allerdings jederzeit eingehen, wenn sie dafür nicht mit einem zerschlissenen Deckengeist durch den dichten Wald stapfen musste. Wenn er normale Kleidung trug, würden sie außerdem deutlich schneller vorankommen. "Die Klamotten mögen aus dem letzten Jahrhundert stammen, ihr Träger tut es allerdings auch", stellte sie nun schulterzuckend fest. "Solange sie weniger Löcher aufweisen als deine jetzige Kleidung, würde ich sie sogar schon fast als jugendlich bezeichnen wollen."
      Mittlerweile war Silver auch endlich in das kühle Fließgewässer getreten und verwandelte das klare Wasser innerhalb von Augenblicken in dunkle Plörre. Und das alleine durch Füße, Hände und Gesicht... Nur gut das der Dreck schnell genug davon getragen wurde, aber all die durstigen Tiere bachabwärts durften sich auf eine unangenehme Geschmacksvariante freuen. Bald schon wurde ihr Blick vom Dreckwasser auf seine nun tropfenden Haare gelenkt. Hatte sie zuvor noch geglaubt, dass sie silbern oder grau gewesen seien, wurde sie nun eines Besseren belehrt. Tatsächlich machten die langen Strähnen den Eindruck, als hätten sie ursprünglich den Ton seiner Augen annehmen wollen, stattdessen hatte sich aber etwas braun in das blond gemischt und einen deutlich dunkleren Farbton kreiert. Auf jedem Fall stand ihm dieser deutlich besser zu Gesicht, als das Aschgrau wenige Momente zuvor. Apropos zu Gesicht stehen: Endlich war es ihr auch möglich, seine unbeschmutzte Haut unter all dem Dreck zu erkennen. Wie erwartet, hatte der uralte Unsterbliche erstaunlich junge Gesichtszüge, die ihn vor den Augen eines unwissenden Betrachters vielleicht sogar jünger machen würden, als Neona. Hatte das etwas mit dem Zeitpunkt zu tun, in dem er diesen Fluch der Unsterblichkeit auferlegt bekommen hatte? War er seither einfach nicht mehr gealtert? Egal wie die Antwort auf diese Fragen auch aussehen mochte, sie war froh über das aktuelle Resultat, immerhin waren seine jugendlichen und weichen Gesichtszüge recht ansehnlich und definitiv eine bessere Alternative zu den tiefen Falten eines alten Mannes, die ihn eigentlich hätten kleiden müssen.
      "Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen!" Neona grinste breit von einem Ohr zum anderen, kaum dass sie die Erlaubnis erhielt sich an den Reichtümern im Haus bedienen zu dürfen. Auch wenn ihre Hoffnung gering war, dass vorherige Besucher sonderlich viel für sie übrig gelassen hatten, würden ihre diebischen Finger sich für jedes glitzernde Schmuckstück im Herrenhaus bedanken. "Dann mache ich mich direkt einmal ans Werk." Plötzlich waren auch ihre Sorgen über die morsche Treppe verschwunden, weswegen sie sich schnellen Schrittes zurück durch den Urwald aus Gestrüpp kämpfte und zurück in die Schatten des Hauses glitt.
      Den Aufgang zu den höheren Stockwerken hatte sie innerhalb von Sekunden wieder gefunden. Wenn man hauptberuflich in fremde Anwesen einstieg, musste man früh lernen, sich die Grundrisse der jeweiligen Gebäude schnell einzuprägen. Nichts war gefährlicher, als eine Fluchtroute, an die man sich nicht richtig erinnern konnte. Sie wusste nicht, ob sie ihren flinken Füßen oder dem gut verarbeiteten Eichenholz danken musste. Auf jeden Fall hatte sie es tatsächlich unbeschadet in den zweiten Stock geschafft. Leider ließen sich hier nun doch vereinzelte Löcher in den Bodendielen finden, welche Neona so vorsichtig wie möglich umrundete. Silvers Wegbeschreibung führte sie zielgenau in ein Ankleidezimmer, dass direkt an einen Schlafraum zu grenzen schien. Bevor sie eben diesen Schlafraum nach den erhofften Schätzen absuchen würde, steuerte sie zunächst einmal den tatsächlich noch intakten Kleiderschrank an der Wand an. Auch um den Griff der Schranktür hatte sich eine dicke Staubschicht gelegt, welche sich einerseits absolut ekelhaft an ihrer Hand anfühlte, zugleich aber Neonas Hoffnung befeuerte, dass die Klamotten im Inneren von den verwitternden Einflüssen der Außenwelt verschont geblieben waren. Zum Teil traf ihre Prognose sogar ein. So wiesen die schwarzen und weißen Hemden erstaunlich wenige Mottenlöcher auf und auch die zahlreichen Jacketts und Anzughosen machten einen guten Eindruck. Zu ihrer Freude konnte sie sogar ein Set an einigermaßen intakter Wanderkleidung ausfindig machen und steckte sich eben dieses als erstes in ihre Umhängetasche. Danach ließ sie noch jeweils ein weißes - mittlerweile eher graues - und schwarzes Hemd folgen, wie auch eine schwarze Hose und ein passendes Jackett. Kurz wunderte sie sich, dass sie nur lange Hemden vorfinden konnte, erinnerte sich dann aber zügig wieder an Silvers außergewöhnliches Dilemma, dass es ihm untersagte Hautkontakt zu anderen aufzunehmen. Ob das eigentlich für alle Lebewesen gelten mochte? Die Pflanzen die er zuvor ihm Hof berührt hatte, waren auf jeden Fall nicht unter seinen Fingern dahingewelkt. Wie sah es bei Tieren aus?
      Sie beschloss ihm einige dieser Fragen auf dem Weg zur Stadt zu stellen und konzentrierte sich für den Moment weiter auf ihre Funde im Kleiderschrank. Einer der Holzschübe offenbarte eine Vielzahl an Handschuhen. Während die meisten aus einfachen Stoff zu bestehen schienen und entsprechend auch ein paar kleine Löcher aufwiesen, konnte sie auch ein paar lederne Exemplare zu Tage fördern, die die Jahrzehnte deutlich besser überstanden hatten. Auch hiervon ließ sie welche in die Tasche wandern und richtete den Riemen eben dieser nun zufrieden über ihrer Schulter. Ihre Ausbeute sollte ausreichend zu sein, um einen Großteil der scheinbar tödlichen Haut ihres untoten Begleiters zu bedecken.
      Bevor sie sich aber daran machte, die Kleidersammlung an ihren Empfänger zu überbringen, huschte sie noch einmal ins Nebenzimmer. Innerhalb weniger Minuten hatte sie jede einzelne Truhe und jeden einzelnen Schrank im Raum durchforstet. Ihre Ausbeute fiel erwartet gering aus. Sie hatte im Ankleidezimmer zuvor zwar schon ein paar wertvoll aussehende Manschettenknöpfe mitgehen lassen, aber selbst zusammen mit den wenigen schmuckvollen Staubfängern im Raum glaubte sie nicht viel Gewinn aus dem Ganzen machen zu können. Zwar hatte sie auf dem Flur mehrere edle Vasen gesehen, aber diese waren leider zu groß, um sie vernünftig durch den Wald und zurück in die Stadt zu transportieren. Wirklich einen Grund sich zu beschweren hatte sie dennoch nicht, schließlich war sie nicht hierher gekommen, um sich die Taschen vollzustopfen, sondern um ihr Leben zu retten. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Diebesherz blutete, während sie durch das ausgeräumte Haus zurück ins Erdgeschoss wanderte. Als würde die Treppe sie davor warnen wollen, dass Anwesen später noch einmal gründlicher nach Schätzen abzusuchen, gaben die letzten paar Stufen unter ihren Füßen ein gruseliges Knarzen von sich und bogen sich zu allem Überfluss auch noch unangenehm unter ihrem Gewicht. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass ein erleichterter Laut über ihre Lippen huschte, als sie schließlich unbeschadet den Boden des Erdgeschosses erreichte.
      An der gewanderten Sonne am Horizont konnte sie erkennen, dass Neona mehr als nur ein paar Minuten mit ihrer Schatzsuche verbracht haben musste. Mehr als eine halbe Stunde sollte aber nicht vergangen sein. Auf jeden Fall müsste das für Silver genug Zeit gewesen sein, sich die zentimeterdicke Staubschicht von der blassen Haut zu waschen.
      "Bin wieder da!", kündigte Neona sich lautstark an, bevor sie einen besonders hohen Busch umrundete, um den Bach zu erreichen. Das sollte Silver auf jeden Fall genug Zeit gegeben haben, sich zu bedecken, sollte er das nicht sowieso schon gewesen sein. Auch wenn die junge Frau nicht sonderlich viel von Etikette verstehen mochte, verfügte sie noch über genug Anstand, um niemanden beim Waschen zu überrumpeln.
    • Silverius 'Silver' Magnus

      Daran erinnert zu werden, dass er nicht nur wie ein Untoter aussah, sondern offensichtlich auch wie einer roch, kommentierte eben jener Untoter nur mit einem belustigten Schnauben und einem Grinsen. Lieber konzentrierte er sich aufs Wasser und darauf wirklich sauber zu werden.
      Langsam merkte selbst er, wie unangenehm sein derzeitiger Zustand war, oder besser gesagt gewesen ist, je mehr Schmutz er aus seinen Haaren waschen konnte.
      „Wenn es nur das letzte Jahrhundert wäre.“, gab er von sich und war gerade dabei gedankenverloren ein paar Knoten aus seinem Haar zu binden. Er konnte nicht einmal sagen, ob das letzte Jahrhundert – zumindest der Teil vorseinem ewigen Schlaf – ein gutes gewesen war. Erinnerungen und Geschehnisse verschwammen mit der Zeit und es war schwer einzuschätzen, was vor ein paar Jahrhunderten und was gerade einmal gestern passiert ist.
      Dennoch. Hätte er bis jetzt nur ein Jahrhundert auf der Erde wandeln müssen, wäre er vielleicht noch sein höchst motiviertes selbst. Nun gut, er konnte niemanden berühren, na und? Was solls! Dafür hatte er die Ewigkeit um Unmengen an Dinge zu tun und auszuprobieren, die Welt zu sehen, alle möglichen Sorten von Alkohol zu probieren... vielleicht konnte er sich ja sogar einen Namen machen?
      Zumindest hatte sein junges Ich einst so gedacht. Was für ein absoluter Trottel, konnte er sich das spöttische Lächeln nicht verkneifen.
      Der Enthusiasmus der jungen Frau ließ dieses spöttische Lächeln zu einem belustigten werden, es war fast schon niedlich zu sehen wie sie sich auf etwas freuen konnte. Vielleicht war Silverius auch einfach etwas eifersüchtig. Okay, nicht nur etwas, er war sehreifersüchtig.
      Aber diese Gefühle kamen und gingen und er hatte ja sowieso schon lange aufgegeben. Zumindest gab es nun etwasworauf er sich freuen konnte, was ihm sogleich wieder ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Wie sich der Tod wohl anfühlte?
      Der echte, nicht das, was er jedes Mal erleben musste, wenn er starb. Manchmal fragte er sich, ob der Tod wirklich so schmerzhaft sein musste, oder ob das ein Teil des Fluches war. Ob man ihn dadurch nur noch mehr leiden lassen wollte. Es würde ihn zumindest nicht überraschen.
      Aber er war auch nicht gerade erpicht darauf Antworten auf diese Fragen zu suchen. Man würde sie ihm wahrscheinlich sowieso nicht geben.
      Er nickte ihr zu, als sie letztendlich im Herrenhaus verschwand, wartete ein paar Minuten, bis er sich sicher sein konnte, dass sie nicht mehr da war und ließ dann letztendlich ein tiefes Seufzen von sich, bevor er sich daran machte die Fetzen von seinem Körper zu schälen.
      Er fühlte sich schlicht und einfach wohler, wenn er alleine war. Das war schon sehr lange so gewesen.
      Sorgfältig wusch der Unsterbliche die staubige und verdreckte Haut, war wie viele Male zuvor überrascht darüber, dass sie trotz allem, was er erlebt hatte, makellos war. Keine Verletzungen, keine Narben, nichts was ihn an all die schrecklichen Dinge erinnern konnte, die er erlebt und getan hatte. Nicht, dass er die Narben dafür brauchte.
      Dennoch erschien es ihm unfair, dass sein Körper weiterhin makellos blieb, während sein Geist mit der Zeit mehr und mehr Schaden zugenommen hatte. Er hatte das Gefühl, dass er von Narben übersät sein müsste.
      Doch selbst wenn er sich selber eine zufügte, würde sie verschwinden, sobald er starb.
      Das gleiche galt für seinen ausgemergelten und ausgehungerten Körper, er müsste sich eigentlich nicht die Mühe machen zu warten, bis er wieder zu Kräften kam. Der Tod würde ihn wieder so herrichten, wie am jenem Tag, als er verflucht wurde... weshalb ihn sein gewachsenes Haar und der Drei-Tage-Bart, der nun sein Antlitz zierte, schlicht und einfach verwirrte.
      Letztendlich wusch er auch die alte Decke und hüllte sich darin ein, bevor er Neona auch schon wieder hörte und den Kopf in seine Richtung drehte.
      „Hast du etwas brauchbares gefunden?“, fragte er, im Bach stehend, eingewickelt in der klatschnassen Decke, die ihm gerade einmal bis zu den Knien ging. Bei weitem nicht Ideal.
      Die kleinen Fische, die versuchten an ihm vorbei zu schwimmen und dabei seine Haut streiften, würde ihm da sicherlich zustimmen. Aber Silver merkte nicht einmal, wie sie sich auflösten und verschwanden, zu Staub und Asche wurden, als hätte man ihnen in kürzester Zeit das Leben genommen.
      01001000 01100101 01110010 01100101 00100000 01110100 01101111 00100000 01100100 01100101 01110011 01110100 01110010 01101111 01111001 00100000 01110100 01101000 01100101 00100000 01110111 01101111 01110010 01101100 01100100
    • Neona

      Kurz staunte sie mit weiten Aufen, als sie den ehemals staubigen Untoten in einem vollkommen neuen Glanz erblicken durfte. Jetzt konnte sie sich auch absolut sicher sein, dass seine Gesichtszüge keinen Tag älter wirkten als ihre. Aktuell dürfte sie sogar um einiges älter wirken, immerhin hatte dieser schmerzhafte Fluch auf ihrer Hand und ihre verzweifelte Suche nach einer Lösung für eben dieses Problem, sie bereits einiges an Schlaf gekostet und ihr entsprechend dunkle Ringe unter die Augen gemalt. Silver hingegen müsste nur wieder etwas Fleisch auf die Knochen bekommen und sich diesem Dreitagebart entledigen, dann würde niemand mehr vermuten, dass er mehr Jahre auf dem Buckel hatte, als das aktuelle Königreich. Gleichzeitig schien ihn eine seltsame Aura zu umgeben. Neona wusste nicht, ob es mit seiner Körperhaltung zu tun hatte, die zu aufrecht und steif erschien, um in das aktuelle Jahrhundert zu passen, oder ob es an dem düsteren Sturm lag, der in seinen goldenen Augen zu wüten schien. Fest stand, dass er ohne all diesen Staub und Dreck am Körper beinahe einen edlen Eindruck machte, der einzig und allein von der demolierten Decke getrübt wurde, den er sich als einziges Kleidungsstück um den Körper gelegt hatte.
      "Da hat sich die Vogelscheuche doch tatsächlich in einen gutaussehenden Prinzen verwandelt", witzelte Neona schließlich mit einem schelmischen Grinsen, bevor sie sich am Inhalt ihrer Umhängetasche zu schaffen machte. "Und ja, ich bin tatsächlich fündig geworden." Stolz zog sie ihre Ausbeute hervor und platzierte die einzelnen Kleidungsstücke auf einem größeren Stein nahe des Bachlaufes. "Ich denke diese Wandersachen sollten sich am besten eignen, da ich aber nicht wusste, was du lieber anziehen willst, habe ich noch ein paar andere Sachen mitgebracht", erklärte sie und breitete auch Hemden und Jackett vor ihm aus. Zuletzt legte sie noch zwei Paar der ledernen Handschuhe auf den Steinbrocken. "Es scheint ja reichlich wichtig zu sein, dass du mit niemanden Hautkontakt aufnimmst, richtig?" Mittlerweile fragte sie sich, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war, dass sie gegenüber diesem Schicksal immun war. Ob ihr und sein Fluch vielleicht eine unbekannte Verbindung aufwiesen? So alt wie das Amulett mit dem Todesfluch gewesen war, könnte es durchaus aus der gleichen Zeit stammen wie Silver...
      Während sie grübelnd den Kopf sinken ließ, durfte sie nun auch eine ihrer vorherigen Fragen beantworten, als einer der kleinen Fische im Bachlauf den Knöchel des Untoten zu streifen schien. "Bei den Göttern...!", stieß sie keuchend aus und machte ein paar Schritte zurück. Sie hatte auch vorher schon gewusst, dass seine Berührung tödlich war. Es nun mit eigenen Augen zu sehen... Das passierte also, wenn man ihn berührte? Man verwandelte sich in Staub und Asche? Was wenn all der Dreck auf seinem Körper und in dem Salon gar kein normaler Staub gewesen waren...?
      Neona drückte sich entsetzt die Hand vor den Mund. War sie etwa die ganze Zeit auf seinen Opfern der vergangenen Jahre herumgetrampelt?! Übelkeit krümmte ihren Magen und es kostete sie reichlich viel Beherrschung, sich nicht zusammenzukrümmen. "Tut... mir leid... Ich gebe dir etwas Raum, damit du dich umziehen kannst...", meinte sie schließlich stockend und stapfte steif davon, schob sich erneut hinter den großen Busch und ließ sich keine Sekunde später auf das weiche Gras unter ihren Füßen sinken.
      Sie hätte auch zu Staub zerfallen können! Nichts wäre von ihr übrig gewesen! Nicht einmal eine Leiche, die man hätte begraben und betrauern können. Kobi hätte von jetzt auf gleich seine große Schwester verloren, ohne eine Chance, sie je wieder zu finden. Der Fluch an ihrer Hand schien zwar ebenso ununterbrochen an ihrer Lebensenergie zu saugen, doch zumindest schien er ihren Körper nicht verpuffen zu lassen. Einige Sekunden lang kämpfte Wut gegen die Übelkeit in ihrem Magen an. Silver hatte genau gewusst, was seine Berührung hätte anrichten können. Dennoch hatte er keine Sekunde gezögert und sie sogar mehrfach direkt angefasst, nur weil ihm die Chance auf einen endgültigen Tod gegeben in Aussicht gestellt worden war!
      Beinahe wäre sie wild wie eine Furie von ihrem Platz aufgesprungen, nur um ihm voller Wut ihren Dolch in die Kehle zu rammen - in dem Wissen, dass dies offenbar nicht sein Ende bedeuten würde. Aber zumindest würde es ihm ein paar verdiente Schmerzen schenken.
      Nein! Du hast selbst die Entscheidung getroffen hierher zukommen, ermahnte sie sich selbst. Du wusstest, dass kaum jemand diesen Ort lebend verlassen hat. Du warst dir der Risiken vorher bewusst gewesen.
      Sie zwang sich dazu einmal tief ein- und auszuatmen und sowohl Übelkeit, als auch Wut hinunterzuschlucken. Schon bevor sie gesehen hatte, wie der Fisch zu Staub zerfiel, hatte er ihr deutlich gemacht, dass seine Berührung tödlich enden konnte. Warum also war sie nicht vorher schon sauer auf ihn geworden? Richtig: Weil es da noch nicht real gewesen war. Sie hatte es nicht gesehen, es nicht mit eigenen Augen erlebt. Es war nur... eine Geschichte gewesen, die so fantastisch und umweltlich klang, dass sie es nie wirklich verstanden hatte. Doch jetzt plötzlich war sein todbringender Fluch genauso real wie das anhaltenden Kribbeln auf ihrer schwarzen Handfläche.
      Als der Groll in ihrer Magengrube endlich zu versiegen begann, gesellten sich auch andere Überlegungen zu ihren Gedanken. Wenn sie schon wegen dem Tod eines kleinen Fisches so schnell aus der Fassung zu bringen war, wie musste es sich dann für Silver angefühlt haben, mit jeder noch so kleinen Berührung ein Leben nach dem anderen auszulöschen? Hatte er sich deswegen so verzweifelt an die Wärme ihrer Hand geklammert? Kein Wunder, dass er einen ewigen Schlaf vorgezogen hatte und sich so dringend den eigenen Tod herbeiwünschte...
      Erst als ihre wild umherkreisenden Gedanken sich legten und auch ihr stürmisches Herz wieder einen normalen Rhythmus eingeschlagen hatte, erhob sie sich von ihrer kauernden Position. "Bist du fertig?" Sie versuchte ihre Stimme so locker und entspannt ertönen zu lassen, wie sie es auch die ganze Zeit davor gewesen war. Leider wusste sie aber nicht, ob sie damit großen Erfolg hatte. "Dann sollten wir aufbrechen, nicht dass die meisten Läden geschlossen haben, bevor wir in der Stadt eintreffen."