A never ending story... [Atomic & Kiimesca]

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    • A never ending story... [Atomic & Kiimesca]



      -> Vorstellung <-
      @Kiimesca


      Prolog


      Artemisia
      Die Nacht war still und klar, der Mond hing wie eine silberne Sichel am Himmel und tauchte die Landschaft in ein sanftes Licht. Eine einsame Eule glitt lautlos über die Felder und Wälder, ihre scharfen Augen auf die Welt der Sterblichen unter ihren ausgebreiteten Schwingen gerichtet.
      Seit Jahrtausenden hatte die Göttin den Lauf der Geschichte gelenkt, indem sie die mutigsten und klügsten Krieger als ihre exekutierende Hand wählte. Nun war es wieder an der Zeit, einen neuen Champion zu finden, um die immerwährende Bedrohung durch die Dämonen zu bekämpfen.
      Ihre Suche hatte sie in dieses abgelegene Königreich geführt, wo ein junger Krieger, bekannt für seinen Mut und seine Aufrichtigkeit, ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
      Doch Artemisia wollte sich selbst ein Bild von ihm machen, bevor sie sich ihm zeigte. Sie wollte sehen, ob er es würdig war, von ihr als potentieller Champion in betracht gezogen zu werden.
      Lautlos flog der unscheinbare Raubvogel über die kleine Ortschaft, welche in tiefer Ruhe lag und ließ sich auf einem der hohen Dächer nieder. Von dort aus hatte sie einen uneingeschränkten Blick auf die umliegenden Straßen und Gebäude.
      Die Sonne würde bald den Horizont erklimmen und die Menschen aus ihrem Schlummer erwecken, auf dass sie ihre Observation beginnen konnte.


      Xanthos
      Ein kalter Wind strich durch die Bäume in dieser dunklen, unheilvollen Nacht.
      Mit seinem pechschwarzen Gefieder, wäre der Rabe wohl mit der Dunkelheit der Nacht verschmolzen, wenn seine Augen nicht grell wie glühende Kohlen glimmen würden.
      Es war nicht ungewöhnlich, dass der Unsterbliche in dieser Gestalt umherstreifte und die Sterblichen manipulierte, sie gegeneinander und gegen die Götter ausspielte und sich von ihrem Hass nährte.
      Doch in letzter Zeit hatte er eine besondere Quelle des Hasses gespürt, die ihn wie ein Magnet anzog. Es war der brennende Zorn einer jungen Frau, die in einem vom Krieg zerrütteten Land aufgewachsen war und sowohl Menschen als auch Göttern die Schuld an ihrem Leid gab.
      Selbst im Schlaf war Ihr Gesicht von Schmerz und Zorn gezeichnet, und der Dämon konnte den Hass in ihrem Herzen, der wie eine Glut nur darauf wartete, zu einem Feuer entfacht zu werden, förmlich schmecken.
      Während die zierliche Gestalt dort schlummerte, öffnete er seine Flügel, und ein Schatten breitete sich nebulös aus, der sich langsam über das Zimmer senkte. Weich und zart, wie Seidenfäden, die sich um ihren Verstand schlangen, drang seine Stimme durch den Schatten an ihre Ohren
      „Ich kenne deinen Schmerz. Ich sehe, wie sehr du leidest. Die Götter haben dich im Stich gelassen, sie haben dein Land zerstört und deine Familie in den Tod geschickt.“
      Xanthos fuhr fort, seine Stimme unablässlich. „Aber du musst nicht länger leiden. Ich kann dir die Macht geben, dich zu rächen. Die Götter sind schwach, und sie verdienen deine Loyalität nicht. Mit meiner Hilfe kannst du sie stürzen, sie für ihr Versagen bestrafen.“
      Bilder von Zerstörung und Rache, von Göttern, die vor ihr niederknieten, und von einem Land, das unter ihrer Herrschaft blühte, fluteten die Träume der Sterblichen.
      „Stell dir eine Welt vor,“ flüsterte er weiter, „in der du die Kontrolle hast. Eine Welt, in der du stark bist, und niemand dich mehr verletzen kann. Ich kann dir diese Welt geben. Alles, was ich verlange, ist deine Hingabe und ich werde dich zur mächtigsten Kriegerin machen, die diese Welt je gesehen hat.“
      Mit diesen Worten zog sich Xanthos zurück, zufrieden mit seiner Arbeit.
      Seine Saat war ihrem Herzen gepflanzt und es würde nicht lange dauern, bis sie vollständig seinem Einfluss erlag, dessen war er sich sicher.
      Erfüllt mit Vorfreude auf das kommende Chaos, flog der Rabe zurück in die Nacht hinaus und hinterließ eine einzelne, pechschwarze Feder als Zeugnis seiner Anwesenheit.



      Argus
      Der Tag brach an, und die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Felder. Ein junger Mann stand bereits mitten in den Getreidefeldern, ein einfacher Strohhut schützte ihn vor der aufgehenden Sonne. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, während er sorgfältig eine Kiste mit frisch geernteten Kartoffeln in den Händen hielt. Die goldene Morgenröte tauchte die Landschaft in ein warmes Licht, das alles um ihn herum strahlen ließ.
      Argus war ein Mann von beeindruckender Statur, und obwohl er ein begnadeter Krieger war, zog er es vor, seine Kraft und Energie in den Ackerbau zu investieren. Er fand Frieden und Erfüllung in der Arbeit auf den Feldern, weit entfernt von den Schlachtfeldern, die sein Talent forderten. Mit jedem Tag, der verging, festigte sich seine Überzeugung, dass das Leben mehr zu bieten hatte als nur Krieg und Zerstörung.
      Der Alltag des Bauern war einfach, aber erfüllend. Er begann seine Tage vor Sonnenaufgang und arbeitete bis zum späten Nachmittag. Die Feldarbeit war hart, aber sie brachte in ihm eine tiefe Zufriedenheit hervor. Er pflanzte, pflegte und erntete seine Felder mit Sorgfalt und Hingabe, die manch einer nur für seine Liebsten hegen würde. Die Ruhe der Natur und die wiederkehrenden Zyklen des Wachstums und der Ernte waren ein beruhigender Kontrast zu den Unruhen der von Kriegen gezeichneten Welt außerhalb seiner kleinen Gemeinde.
      Zwischen den Reihen der Felder summte er leise Melodien, die mit dem Gesang der Vögel und dem Rauschen des Windes in eine Symphonie übergingen.
      Diese Atmosphäre wie Balsam für die Seele.
      Eines Abends nach vollbrachter Arbeit, als die Sonne langsam hinter den Hügeln verschwand und die ersten Sterne am Himmel zu sehen waren, ließ er sich auf einen kleinen Hügel nieder, zu dessem Fuße ein klarer Bach plätscherte und einen weiten Blick über seine Felder bot. Die goldenen Ähren wogen sich sanft im Wind, und die Geräusche der Natur erfüllten die Luft.
      Sein Hut lag neben ihm im Gras und für einen Moment schloss er die Augen, um die kühle Abendluft einzuatmen.
      Vielleicht war es aus einer Laune der Natur heraus, oder vielleicht lag es an den Gerüchten die im Dorf kursieren, dass der Krieg immer näher an ihre Ländereien heran rückte, dass der junge Mann in der Stille der Dämmerung zum ersten mal seine Hände faltete und ein Gebet sprach.
      “Göttin des Friedens,“ begann er, unwissend, ob diese überhaupt existierte, „ich danke dir für die Gaben dieser Erde und die Ruhe, die ich in meinem einfachen Leben gefunden habe. Ich weiß, dass viele in dieser Welt leiden und sich nach Frieden sehnen. Bitte, segne diese Felder und die Menschen, die von ihnen leben. Hilf uns, diesen Frieden zu bewahren und uns nicht in die Dunkelheit des Krieges ziehen zu lassen.“
      Argus öffnete die Augen und blickte in den Himmel, der nun in tiefes Blau getaucht war und die ersten schüchternen Sterne preisgab.
      Vielleicht gab es ja tatsächlich jemanden, der seine Worte vernahm?
      In the midst of chaos
      there is also opportunity

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    • Marcius

      Die Sonne hatte noch nicht die Dächer des Ortes erklommen, als der junge Ritter bereits in voller Montur aus dem Haus schritt. Zusammen mit ein paar anderen Rittern war er hierher entsandt worden, um den Raubzug einer großen Banditenbande genau dort zu beenden. Viele Dörfer waren ihnen schon seit Jahren zum Opfer gefallen. Nun - je näher sie dem Königreich und somit auch sämtlichen Adelshäusern kamen - lenkte der König ein. Auf Drängen eben jener Adlige, hieß es von einigen Kameraden. Doch für Marcius zählte nur, dass er diese Monster aufhielt, um die Bevölkerung zu schützen. Nicht nur den Adel. Auch das einfache Volk, das in diesem Ort lebte. Sie wurden angewiesen, sich beim Signal sofort in der Kirche zu versammeln, wo sie von einigen Rittern beschützt werden würden.
      Ein paar Späher hielten sich auf dem Kirchendach auf und lagen dort auf der Lauer. "Wir wissen doch gar nicht, wann sie kommen... wir liegen hier schon seit Tagen herum...", maulte einer seiner Kameraden, als er sich auf das Dach zur Ablösung begab. "Aber wenn sie kommen, werden wir sie rechtzeitig sehen. Und sie werden uns nicht sehen", erinnerte er seinen Kameraden. Die kleine Stadt sollte ihrem üblichen Alltag nachgehen. Eine handvoll Ritter würden die Banditen erwarten. Die gab es immer in Orten wie diesen. Alle zusätzlich stationierten Ritter sollten sich wie gewöhnliche Bürger verkleiden und ihnen zur Hand gehen. "Boah ich musste gestern Kuhscheiße schippen. Dafür bin ich kein Ritter geworden...", grummelte er. "Wir sind Ritter geworden, um das Volk zu schützen. Wenn sie uns erkennen, werden sie umkehren und alles war umsonst." Für ihn war es unnötig sich über solche Arbeiten zu beschweren. In diesem Fall gehörten sie zu ihrer Mission dazu. Sie mussten ihre Feinde in einen Hinterhalt locken. Das hier war der nächste Ort nach ihrem letzten Überfall.
      Sein Kamerad war allerdings immer noch nicht begeistert, denn Marcius war es, der auf den Kommandanten eingeredet hatte. Der ihm eine Strategie aufgequatscht hatte, weil er seine für nicht effektiv genug hielt. Damit hatte er sich zwar bei jedem einzelnen ein wenig unbeliebt gemacht, aber er musste es wohl eingesehen haben.
      Statt ihrer schweren Rüstungen, trugen sie also leichte Rüstungen mit Lederelementen, um weniger aufzufallen. Zur Verständigung wurde das Pfeifen geübt, denn es konnte durch die Straßen hallen, aber nicht bis zu den Ohren ihrer Feinde. Ein verschiedener Ton für jede Richtung, damit sie sich sofort formieren konnten.

      Marcius erblickte einige Gestalten am Horizont und kniff die Augen zusammen. Eine handvoll Reiter mussten noch keine Gefahr bedeuten. Doch hinter ihnen tauchten immer mehr auf. Sie hätten jetzt noch etwa eine halbe Stunde Zeit. Marcius pfiff den langen Ton, für den Norden. Vereinzelt wurde der Pfiff an anderen Ecken wiederholt, woraufhin die Bürger sich wie abgesprochen auf den Weg in die Kirche begaben.
      Marcius eilte vom Dach und legte prüfend noch einmal seine Hand auf das Schwert, welches unter seinem Mantel verborgen lag. Dann übernahm jeder von ihnen die nächstgelegene Aufgabe. In der Nähe der Kirche gab es eine kleine Schmiede in der Marcius nun laienhaft auf das Hufeisen schlug, um es zu formen. In seinem Fall wohl eher zu verformen, aber das spielte keine Rolle. Sie mussten so viele wie möglich von ihnen erwischen. Die Kirche war im Zentrum, die Ritter verteilt.
      Die Banditen preschten hinein und die Ritter im Norden reagierten mit Panik. Gespielter Panik. Sie liefen davon oder versteckten sich. Bis ein Horn aus dem Norden ertönte, der mitteilen sollte, dass der letzte Reiter ebenfalls im Dorf angekommen waren. Vereinzelte Ritter kämpften bereits, doch nun hörte auch Marius auf mit Dingen aus der Schmiede nach seinen Verfolgern zu werfen und legte seinen Mantel ab, um sein Schwert zu ziehen. Er hatte immer mit Herzblut trainiert und sein Wunsch war es, diesen Kampf ohne Opfer zu überstehen.
      Sie mussten die Feinde von der Kirche fernhalten. Deshalb waren dort die meisten postiert. Vor allem die Bogenschützen. Warum sie nicht aus den Kirchenfenstern schossen? Weil die Banditen dann alles daran setzen würden die Kirche in Brand zu setzen. Also waren sie in sicherer Entfernung positioniert und brachten ihnen so letztendlich auch den Sieg. Ihre Schilde hatten sie in Verstecken untergebracht, sodass die meisten Ritter schnell darauf zugreifen konnten. Marcius hatte ebenfalls einen Schild aus der Schmiede und wehrte somit einen Angriff ab, der einem verwundeten Kameraden galt. Nachdem er den Feind mit einem schnellen und präzisen Stich zu Fall gebracht hatte, warf er sich den Arm seines Kameraden über die Schulter, um ihn zur Kirche zu bringen.
      Die Banditen riefen zum Rückzug auf, doch ihre Ritter waren an jeder Straßenecke und gingen so als eindeutige Sieger hervor.
      Einer der Rüpel stöhnte und versuchte sich zu erheben, da traf ihn das Schwert eines seiner Kameraden in den Rücken. Marcius war sich zwar unsicher, ob das wirklich nötig gewesen war, der er mit seinen Verletzungen keine Bedrohung mehr war, doch sie hatten gesiegt und kein Zivilist war zu Schaden gekommen. Nun mussten sie sich nur noch nach Verletzten in ihren Reihen umsehen und die Überreste der Schlacht beseitigen.

      Keuchend wischte sich Marcius den Schweiß von der Stirn, als er die letzte Leiche auf den Haufen getragen hatte. Der Kommandant diskutierte noch, was mit ihnen geschehen sollte. Es waren etwas mehr als zwei Dutzend Männer. Gräber auszuheben würde Tage dauern. Sie zu verbrennen war allerdings zu gefährlich, würde das Feuer umgreifen.
      Also begannen die Ritter außerhalb des Dorfes zu schaufeln. Die Abendsonne schien ihnen bereits in die Nacken, als dankbare Dorfbewohner ihnen Wasser und Essen brachten. Marcius setzte sich kurz auf den Boden und trank einen Schluck, ehe sein Blick abermals umherschweifte. Ob er es sich einbildete? Irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass er beobachtet wurde. "Dein Plan hat besser funktioniert, als ich gedacht habe..", gab der mürrische Ritter zu, der sich vermutlich am meisten darüber freute, dass er nach Hause zurückkehren konnte und nie wieder in einen Kuhstall müsste.




      Keira

      Als sie am Morgen nach einem ungewöhnlichen Traum erwachte, öffnete sie nachdenklich die Augen.
      Die Macht, sich zu rächen...
      Während die Worte in ihrem Kopf widerhallten, warf sie die Decke beiseite und setzte sich auf. Zielstrebig ging sie zum Tisch rüber, um sich das Gesicht zu waschen. Ihr Zimmer war klein, doch es bot alles, was sie brauchte. Seit dem Tod ihrer Eltern war sie auf sich allein gestellt. Schon einige Jahre. Für das Zimmer ging sie arbeiten und wenn sie nicht arbeitete, trainierte sie das Kämpfen. Sie wollte nicht wieder so wehrlos sein wie damals. Nie wieder. Also trainierte sie wie eine Besessene. Anfangs hielt sie den Kampfstil der Ritter für den einzigen. Neben dem, der Banditen, die dem ziemlich ähnelten, doch eher etwas ungeschliffen im Vergleich waren. Keira wollte aber zu einer tödlichen Waffe werden. Sie hatte niemanden mehr, der ihr etwas bedeutete und wollte auch niemanden mehr in ihr Leben lassen. Jeder hier war sich selbst der Nächste. Wer sich nicht um sich selbst kümmern konnte, war verloren.
      Eine Welt, in der du die Kontrolle hast...
      Eine bisher unrealistisch, aber verlockende Vorstellung. Mit ihrem immerzu kaltem Blick schnürte sie ihre Stiefel und ihren Gürtel fest, ehe sie zum Fenster sah und die schwarze Feder dort auf dem Boden erblickte.
      Ich kann dir diese Welt geben...
      Wer auch immer ihr dieses Versprechen machte.. Keira hatte bereits beschlossen zuzustimmen.
      Alles, was ich verlange, ist deine Hingabe und ich werde dich zur mächtigsten Kriegerin machen, die diese Welt je gesehen hat...
      Sie drehte die Feder in ihrer Hand. Hingabe. Dann wollte sie diesem Wesen doch am besten ihre Hingabe zeigen. Bevor sie das Zimmer verließ, schob sie die Feder zwischen die Lederriemen an ihrem Unterarm. Dann begann ihr Tag in dieser trostlosen Welt.
      Ihre Arbeit verrichtete sie eher widerwillig. Zimmer herrichten, Wäsche waschen, in der Küche aushelfen. Der Wirt war kein ehrenhafter Mann. Vermutlich hatte er den Preis für ihr Zimmer sogar noch angehoben, sodass sie gar nicht genug arbeiten könnte, um es zu bezahlen. Doch eines hatte Keira ebenfalls gelernt. Das der Körper einer Frau kein Objekt der Begierde war, sondern eine Waffe. Zwei Jahre hatte sie ihn gewähren lassen, um zu kriegen, was sie wollte. Ein Dach über den Kopf und einen vollen Magen. Irgendwann hatte sie sich Rache geschworen. Der Zeitpunkt schien gekommen zu sein.
      Als er ihr heute zu nah kam, nahm sie eines der scharfen Messer und rammte es in seinen Magen. Die überraschten Augen des Mannes trafen auf die kalten Augen des Mädchens. Bevor er reagieren und um Hilfe rufen könnte, schnitt sie ihm die Kehle auf und rammte das Messer in seine Schulter, um es dort stecken zu lassen. Solange er sich noch auf seinen Knien halten konnte, legte sie ihre Hand an seine speckigen Wangen und drückte diese zu. Währenddessen zog sie die Feder und stieß den Kiel in sein Auge, um ihn dann einen Schubs zu geben und beim Fallen zu beobachten.
      War das Hingabe genug? Beweis genug, dass sie nicht nur daran dachte, jemanden zu töten, wenn nötig, sondern es nun auch tatsächlich getan hatte.
      "Ich will stärker werden...", sagte sie, als würde sie davon ausgehen, dass sie dabei sehr wohl beobachtet wurde.



      Adriana

      Die Göttin des Friedens war in Begriff sich selbst aufzugeben. Den Frieden aufzugeben. Egal wie viele Champions sie ausbildete. Letztendlich waren sie ebenfalls nur Schachfiguren der anderen Götter. Wie sollte sie gegen die Vielzahl der anderen Götter und Dämonen bestehen? Was wäre eine Göttin der Kriegskunst ohne Krieg? Oder ein Dämon der Täuschung ohne Täuschung.
      Und sie? Was war die Göttin des Friedens ohne Frieden? Also klammerte sie sich an jedes Fünkchen Frieden, das sie finden konnte. So verbrachte sie ihre Zeit seit Jahren in dem kleinen Dorf Selgas. Ein überschaubares Dörfchen in der die Bewohner Hand in Hand lebten. Waren ihre Träume, den Frieden, den es in diesem Dorf gab, in die ganze Welt zu bringen einfach zu unrealistisch? Wie sollte sie diesen Wunsch erfüllen? Indem sie alle Götter und Dämonen tötete? Doch was würde eine solche Absicht aus ihr machen? Darüber mochte sie nicht nachdenken.
      So versteckte sie sich hier vor ihresgleichen und beobachtete die Menschen. Es war nicht leicht, denn immer wieder kamen Götter und Dämonen, um sich den jungen Argus anzusehen. Ein mutiger, starker und talentierter junger Mann. Mit großen Potential zum Champion. Doch der Junge lebte nur für sein bekanntes Leben. Ein Leben in einem kleinen bisschen Harmonie. Ihre Angst, dass auch dieser Junge verdorben werden könnte, schwand mit jedem Jahr. Doch seine Angst, diese Harmonie zu verlieren wuchs. Auch Adriana wollte nicht, dass sie das, was sie hier gefunden hatte, schon wieder verlieren sollte. Zu gern beobachtete sie ihn bei der Arbeit und war an seiner Seite, um ihn zu beschützen. Möglicherweise war es gar ihr Einfluss, der die Reinheit des Jungen bewahrte. Doch nur, weil er diese Saat in sich trug.

      Als er zu ihr betete, legte sich ein zartes Lächeln auf ihre Lippen. Sein Dank füllte sie mit einer angenehmen Wärme. All ihre Kraft zehrte sie aus seinen Worten und Taten. Argus war es, dem Dank gebührte. Ihr Dank. Und so tat sie alles in ihrer Macht stehende, um seine Wünsche zu erfüllen. Wünsche, die nie ihn selbst, sondern stets die Menschen um ihn herum betrafen. Sie gab ihr bestes, um das Leid von Selgas fernzuhalten. All ihre Kraft, um das Schlechte zu begrenzen. Damit die Menschen hier seltener über Krankheit und Schmerzen klagen mussten. Oder zu wenig Nahrung. Sie segnete die Felder und jedes noch so kleine Tier in dieser Gegend. Doch es war nicht ihr Verdienst. Für die Gaben der Erde, die Gesundheit und Fruchtbarkeit waren andere Götter zuständig. Allmächtige Götter, die über sie und die anderen erhaben waren. Denn ihnen war es gleich, wie gut oder böse Menschen waren. Sie pflegten die Erde und gaben Chancen, die die Menschen nur nutzen mussten. Adriana's bescheidene Verstärkung in Selgas war kaum der Rede wert. Zu gern würde sie noch mehr tun, denn Argus berührte sie so tief, wie es kaum ein Mensch zuvor getan hatte. Doch die Angst, ihn nicht beschützen zu können, nagte an ihr. All die gütigen Menschen, die sich der Nächstenliebe verschrieben hatten, wurden irgendwann von den Schatten verschlungen, den ihre Artgenossen über sie warfen. Was könnte sie nur tun, um dies zu verhindern?

      Sie würde gern mehr tun, als ihn nur zu beobachten. Ihn unterstützen und mit ihm reden. Kurz überlegte sie, ob sie sich an dieser Stelle zeigen sollte, aber wie würde er reagieren? In Begleitung einer Göttin würde er möglicherweise zur Zielscheibe werden. Neid könnte die Folge sein. Spräche sich herum, dass sich die Göttin in Selgas aufhielt, könnte das umliegende Städte und Dörfer aufstacheln. Ihre einzige Möglichkeit war also zu lügen. Eine Lüge zum Schutze anderer war manchmal eine unvermeidliche Notwendigkeit. Doch diese Last wollte sie weder Argus, noch den anderen auferlegen. Sie musste also lügen.
      Also grübelte sie die verbleibende Nacht.

      Sie nahm eine menschliche Gestalt an und schlüpfte somit in den Körper eines Mädchens, um sich so unter die Leute von Selgas zu begeben.
      Es dauerte ein paar Tage, bis sie einen Händler auf den Weg nach Selgas gefunden hatte. Am Abend vor seiner Ankunft schlich sie sich in seinen Wagen, um sich dort zu verstecken und so mit ihm ins Dorf zu fahren.
      Eine glaubhafte Geschichte musste her. So spielte sie die Rolle eines Mädchens, dass von zuhause weglief, um mehr von der Welt zu sehen. So weit ihr Plan. Es entsprach im Grunde sogar der Wahrheit.
      Allerdings hatte sie nicht mit der Reaktion des Händlers gerechnet, als er sie fand. Der Wagen blieb stehen und er öffnete die Plane, um seine Waren auszuladen, da sah er sie hinter einer Kiste zusammengekauert. Ein blinder Passagier. Er beschuldigte sie des Diebstahls und schenkte ihr kein Gehör, als sie ihm versicherte nichts genommen zu haben. Er belog die umstehenden Leute und zerrte sie aus dem Wagen. "Das musst du bezahlen!" "I-ich habe nichts...", meinte sie verunsichert. Auch wenn sie nichts unrechtes getan hatte, würde sie ihm gern irgendetwas geben, um ihn zu beschwichtigen. "Dann zahlst du mit deiner Gesellschaft..", meinte er und betrachtete sie. Blinzelnd sah sie zu dem Mann auf und brauchte eine Sekunde, um zu verstehen. Dann legte sie ihre Arme vor ihren Körper, als könne sie ihn so vor seinen Blicken schützen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Artemisia
      In Gestalt des nächtlichen Raubvogels hatte Artemisia die Ereignisse des Tages genau beobachtet. Die Ritter hatten tapfer gekämpft, doch es war ein Einzelner gewesen, der ihr besonderes Interesse geweckt hatte. Seine Taktik war unorthodox, aber effektiv. Kein Zivilist war zu Schaden gekommen, und die Banditen hatten schwere Verluste erlitten. Doch seine Methoden hatten auch Schwächen offenbart.
      Die Zersplitterte Verteidigung der Ritter war eine davon. Ihre Entscheidung, sich in verschiedene Teile der Stadt zu verteilen, hatte Vor- und Nachteile. Während es half, die Banditen zu überraschen, führte es auch zu einer Zersplitterung der Kräfte. Wären die Banditen selber etwas koordinierter vorgegangen, hätten die Ritter möglicherweise Schwierigkeiten gehabt, sich rechtzeitig zu sammeln und zu reagieren. Eine zentralisierte Verteidigung, bei der ein Kernteam für schnelle Reaktionszeiten bereitstand, wäre in einem solch unrealistischen Szenario womöglich effektiver gewesen.
      Desweiteren war das Pfeifen zur Kommunikation zwar kreativ, aber auch fehleranfällig. In der Hitze des Gefechts hätten die Töne von weniger aufmerksamen Mitstreitern missverstanden oder überhört werden können- besonders in den Lärmpegeln eines Kampfes.
      Zudem war keiner der Banditen war am Leben gelassen worden, um Informationen zu gewinnen – Ob sie einen Unterschlupf hatten, wo das Diebesgut versteckt war, ob es noch mehr von ihnen gab, blieben allesamt ungeklärte Faktoren.
      Aber nichtsdestotrotz sprachen die schlussendlichen Ergebnisse für sich und die wenigen Beanstandungen, welche die Göttin der Kriegskunst erkennen konnte, waren nichts anderes als Mängeln auf hohem Niveau, die sich auf jahrtausendealter Erfahrung stützten. Erfahrung, die sie von einem Sterblichen im zarten Alter von 16 Jahren nicht verlangen konnte.
      Und mit ein wenig göttlicher Führung, würde Marcius zweifelsohne schon bald zum größten Taktiker unter den Sterblichen werden können.
      Artemisia ließ sich erneut auf dem Dach der Kirche nieder, wo sie die strategischen Diskussionen der Ritter belauscht hatte. Ihre wachsamen Augen ruhten auf dem jungen Ritter Marcius, der sich soeben abseits der Gruppe ausruhte. Sein Gesicht war von Erschöpfung und Nachdenklichkeit gezeichnet und sie spürte das enorme Potential was in ihm Schlummerte.
      Während die anderen Ritter noch bei der Arbeit waren, hatte Göttin der Weisheit ihre Entscheidung über ihren zukünftigen Champion gefällt.
      Sie spannte ihre Flügel und glitt lautlos hinab, um in der Nähe von Marcius zu landen. Doch sie zeigte sich ihm noch nicht. Stattdessen beobachtete sie ihn aus dem Geäst des Baumes über ihn heraus, ihre Augen funkelten im Sonnenlicht.
      "Du hast heute gut gekämpft," flüsterte sie in Gedanken zu ihm, ihre Stimme, die nur er vernehmen konnte, sanft wie das Rauschen der Blätter im Wind, "Und du hast dabei großen Mut und Besonnenheit bewiesen. Doch es gibt mehr zu lernen, mehr zu verstehen."
      Die Eule, die still auf einem nahen Baum saß, schien ihn mit durchdringendem Blick zu beobachten.
      "Deine Taktik hat viele gerettet, und dafür verdienst du Lob. Ich biete dir meine Weisheit und Führung an," fuhr die Göttin fort, ohne ihm ihren Namen direkt zu nennen. Er würde es sich mit Sicherheit schon zusammenreimen können, wer sie war. " Wenn du bereit bist, im Namen der Götter zu kämpfen, werde ich dich lehren, wie du nicht nur den Feind besiegst, sondern auch das Böse an seiner Wurzel packst. Denke darüber nach." flüsterte sie, weiter "Die Welt braucht Helden, die nicht nur kämpfen, sondern auch weise handeln."



      Xanthos
      Auf einem der hohen Balken des Wirtshauses saß der pechschwarze Rabe und beobachtete die Szene, die sich unter ihm abspielte.
      In dieser Form hatte Xanthos Keira die Saat des Hasses gesät. Nun war es Zeit, die Früchte seiner Arbeit zu ernten.
      Aufmerksam beobachtete der Dämon Keira aus dem Schatten des Raumes heraus, wie sie das Messer aus dem toten Körper des Wirts zog. Ihre Augen waren kalt und entschlossen, ihre Hände blutgetränkt.
      "Ich will stärker werden," flüsterte sie, als würde sie wissen, dass sie beobachtet wurde.
      Xanthos Überraschung mischte sich mit Befriedigung. Er hatte erwartet, dass es Zeit und Überredungskunst brauchen würde, um sie zum Handeln zu bringen. Doch hier stand sie, bereit und willens, Blut für ihn zu vergießen. Köstliches Blut, welches er bereits förmlich schmecken konnte.
      "Beeindruckend," flüsterte er, und seine Stimme war ein Echo in ihrem Kopf, durchdrungen von dunkler Macht und süßem Gift. "Du hast schnell gehandelt. Dein Wille und deine Hingabe sind außergewöhnlich."
      Der Rabe ließ sich vom Balken herab gleiten, seine Flügel breiteten sich majestätisch aus, bevor sie verschwanden, und der Dämon, nun in seiner humanoiden Form, den Boden berührte. Sein langer, schwarzer Mantel wirbelte um ihn, und seine roten Augen funkelten im schwachen Licht des Raumes.
      "Du hast mich überrascht," sagte er mit einer Stimme, die tief und melodisch zugleich war.
      In Gegenwart seiner wahren Form, schien der Raum sich zu verdunkeln
      "Der Mann, den du getötet hast," begann Xanthos, seine Stimme nun nachdenklich und voller düsterer Autorität, "war nicht anders als die Götter, die dich verraten haben. Auch er sah sich als etwas Besseres, herabblickend auf jene wie dich. Jene wie uns. Sein Schicksal war verdient, wie es auch das der Götter sein wird."
      Seine roten Augen ruhten auf der Klinge, und ein süffisantes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Langsam streckte er seine Hand aus und umfasste das Messer, das sich immer noch in Keiras Griff befand. Die Dunkelheit um seine Hand wirbelte und pulsierte, als er seine Macht in die Klinge fließen ließ.
      "Dies," sagte er, "ist erst der Anfang deiner Macht."
      Unter seinem Einfluss begann das unscheinbare Messer, das vergossene Blut des Wirts aufzunehmen. Die Klinge vibrierte, wuchs und formte sich zu einer blutroten, pulsierenden Klinge. Die Waffe schien zu leben, ja, geradezu zu atmen, als sie vollständig geformt war.
      "Dieses Schwert gehört nun dir," verkündete der Dämon beinahe feierlich. "Es wird sich nach dem Blut der Unrechten sehnen, es wird dich auf deinem Weg begleiten. Mit jedem Tropfen Blut, den es trinkt, wirst auch du stärker werden."
      Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Die Dunkelheit um ihn herum schien zu flüstern, zu beben vor Vorfreude auf das kommende Chaos.
      "Nutze diese Macht weise, meine Auserkorene" sagte Xanthos, seine Stimme nun sanfter, fast fürsorglich "Zusammen werden wir jene bestrafen, die dich verraten haben. Die Götter werden fallen, und du wirst die mächtigste Kriegerin sein, die diese Welt je gesehen hat."



      Argus
      Der Bauernspross hatte den gesamten Tag auf den Feldern gearbeitet. Der Schweiß rann ihm den Nacken hinunter, und seine Hände waren von der harten Arbeit rau und erdig. Als die Sonne langsam hinter den Hügeln versank, und er seine Arbeit vollendet hatte, machte er sich auf den Weg zurück ins Dorf Selgas. Das Licht der Dämmerung tauchte alles in ein sanftes Orange, und die Luft war erfüllt vom beruhigenden Zirpen der Grillen.
      Als er das Dorf betrat, bemerkte er sofort eine ungewöhnliche Versammlung von Dorfbewohnern in der Nähe des Marktplatzes. Neugierig trat er näher und sah, wie ein Händler gerade dabei war ein junges Mädchen aus seinem Karren zu zerren. Sie sah aus, als hätte sie gerade erst das Teenageralter erreicht, ihre blonden Zöpfe schimmerten im letzten Licht des Tages. Sie trug ein einfaches, weißes Kleid, das ihre zerbrechliche Gestalt betonte.
      „Das musst du bezahlen!“ schrie der Händler wütend.
      „I-ich habe nichts...“ stammelte das Mädchen, ihre Stimme vor Angst bebend. Sie versuchte, sich vor dem aufdringlichen Blick des Händlers zu schützen, indem sie ihre Arme um ihren Körper legte.
      Argus' Herz zog sich zusammen bei diesem Anblick. Er hatte schon oft Ungerechtigkeit gesehen, aber er konnte es nicht ertragen, wenn jemand, der so unschuldig wirkte, so behandelt wurde. Er drängte sich durch die Menge, seine beeindruckende Statur half ihm, sich einen Weg zu bahnen.
      „Was geschieht hier?“
      Der Händler drehte sich um und funkelte ihn an. „Diese Diebin hier hat sich in meinem Wagen versteckt und mich bestohlen!“
      Er blickte auf das Mädchen, ihre blauen Augen weit vor Schreck. Sie wirkte auf ihn nicht wie eine Diebin. In ihren Augen spiegelte sich nichts anderes als reine Unschuld und Ehrlichkeit wieder.
      Argus nickte ihr zu und richtete seinen Blick wieder auf den Händler. „Ich glaube ihr, dass sie unschuldig ist. Und selbst wenn sie sich in deinem Wagen versteckt hat, ist das kein Grund, sie so zu behandeln. Wie viel soll sie dir schulden?“
      Der Händler runzelte die Stirn, überlegte kurz und nannte dann eine überzogene Summe. „Zehn Silberstücke.“
      Auch wenn der junge Mann wusste, dass diese Summe niemals der Realität entsprechen konnte, diskutierte er nicht weiter und griff kurzerhand in seine Tasche, aus der er die verlangten Silberstücke heraus holte. Eigentlich wollte er sein Geld ansparen, um einen Ochsen für das Pflügen seiner Felder zu kaufen, doch wenn er damit eine unschuldige Seele vor einem unfairem Schicksal bewahren konnte, war es ihm das wert.
      „Hier,“ sagte er und drückte die Münzen in die Hand des Händlers. „Das sollte mehr als genug sein. Und jetzt lass das Mädchen in Ruhe.“
      Der Händler zögerte, aber als er das Silber sah, ließ er das Mädchen los und trat zurück. Letztlich überwog seine Habgier seinen Zorn. Argus hob den Blick und sah die Dorfbewohner an, die immer noch um sie herum standen als gäbe es hier ein Schauspiel zu beobachten. „Es gibt nichts mehr zu sehen. Geht nach Hause.“ forderte er sie freundlich, doch bestimmt auf.
      Langsam begann die Menge sich aufzulösen, und der Bauer führte das Mädchen ein Stück zur Seite, weg von den neugierigen Blicken.
      „Bist du in Ordnung?“ fragte er sie schließlich leise und ließ besorgt einen prüfenden Blick über sie gleiten.
      In the midst of chaos
      there is also opportunity
    • Marcius

      Nachdem das wichtigste erledigt war, suchte er sich einen Platz abseits, um nachzudenken. Auch wenn sie siegreich waren, fühlte er so eine Unzufriedenheit in sich. Hätte er irgendetwas besser machen können?
      Eine Stimme unterbrach seine Gedanken und ließ ihn aufsehen. Er drehte seinen Kopf, doch er konnte niemanden sehen. Es war, als spräche der Wind selbst mit ihm.
      "Ich weiß", gab er zu, als sie meinte, dass es mehr zu lernen und zu verstehen gäbe. Sein blick blieb irgendwann an der Eule haften, die ihn zu beobachten schien. War sie es, die zu ihm sprach?
      Weisheit und Führung. Im Namen der Götter. Helden. Wurde er etwa von einer Göttin auserwählt? Der Göttin der Weisheit?
      "Es wäre mir eine große Ehre von Euch zu lernen, werte Artemisia", sprach er mit der Faust auf seiner Brust und einer brennenden Entschlossenheit ihr und dem Volk zu dienen. Auch wenn er sich selbst nie als Held gesehen hätte, so war er sich sicher, dass er ihr Urteil nicht anzweifeln sollte.
      Von einer Göttin erwählt zu werden, brachte jedoch auch eine gewisse Aufregung mit sich, die seine Besonnenheit nicht gänzlich verbergen konnte. Keine Aufregung zu verspüren wäre allerdings anmaßend. Anmaßend einer Göttin bereits gerecht zu sein. Ihm war bewusst, dass er sich beweisen musste. Immer und immer wieder. Viele Hürden erwarteten ihn. Einige von ihnen würden dank ihr vielleicht kleiner werden. Andere dafür größer. Doch er war gewillt sie alle zu meistern, um die Bezeichnung Held wahrhaft zu verdienen.



      Keira

      Als sie eine Stimme vernahm, atmete sie tief ein. Es war eine Genugtuung, dass dieser Mistkerl tot war. Viel besser war jedoch der Dämon, der zu ihr sprach und sich schon bald vor ihr offenbarte.
      Sie betrachtete ihn. Ihre Augen waren voller Entschlossenheit und Machtgier.
      "Er war nur ein Stück Scheiße...", fügte sie kalt hinzu, als er über ihr Opfer sprach. Doch sie versuchte nicht sich damit als eine Rechtschaffene zu profilieren. Gerechtigkeit... Gerechtigkeit war ein Witz. Die ach so edlen Ritter würden einen Sünder wie ihn mit einer viel zu kleinen Strafe davonkommen lassen. Es blieb nur selbst zum Monster zu werden, um andere Monster zu bestrafen.
      Unerschrocken ruhte ihr Blick auf dem Dämonen, ehe sie auf die Klinge sah, in die der Dämon seine Macht fahren ließ. Sie konnte es nicht nur sehen, sondern auch spüren. Als hätte sie einen eigenen Herzschlag, fühlte sie sich plötzlich lebendig an. Dieses eigenartige Gefühl gab Keira das Gefühl wirklich mehr Macht erhalten zu haben.
      Es würde also stärker werden, je mehr ihrer Feinde sie damit niederstreckte?
      Zufrieden musterte sie das Schwert und hob es hoch, um die blutrote Klinge im Licht zum Glänzen zu bringen. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein schiefes Lächeln ab. Nun musste sie nicht mehr vor den anderen im Dreck kriechen.
      "Sie werden ihre Macht über uns verlieren..", versprach sie dem Dämon und richtete ihren Blick wieder auf ihn. Ein mächtiges Wesen hatte ihr stummes Flehen erhört und auserkoren. Doch sie war nicht naiv und wusste, dass er es nicht um ihretwillen tat. Das es kein Akt der Nächstenliebe war. Es war ein Geben und Nehmen. Ein Pakt in dem jeder von ihnen den anderen ausnutzte, um an seine Ziele zu kommen. Das war ihr bewusst, aber auch recht.
      "Zeit dieses Kaff zu verlassen...", meinte sie und spazierte wie selbstverständlich von der Küche in die privaten Räume des Wirts. Dort suchte sie nicht lange, um seine Habseligkeiten zu finden. Offenbar führte er ein gutes Leben und hatte reichlich gespart. Gut. Das Geld konnte sie gebrauchen. Außerdem gab es hier reichlich Vorräte an denen sie sich noch bediente. So schnappte sie sich einen großen Beutel und packte reichlich Proviant ein, mit dem sie ein paar Tage zurechtkommen würde.
      Dann verließ sie das Gasthaus. Es war eine überschaubare Stadt, doch sie bot alles, was man brauchte. So auch einen Händler, der vom Geschäft mit reisenden Abenteurern lebte. Dort erwarb sie neue Kleidung, die sich zum Reisen und Kämpfen besser eigneten. Außerdem eine Scheide für ihr Schwert.
      Nachdem sie ausgestattet war, betrachtete sie sich im Spiegel und atmete zufrieden durch. Noch sah sie vielleicht nicht wie eine furchterregende Kriegerin aus, doch wer sie unterschätzte, würde dies noch bereuen. Zum Schluss suchte sie den Stall auf, um ein Pferd zu erwerben. Ihr Blick fiel sofort auf das schwarze Exemplar.
      "Ah, dieser Hengst ist wirklich kräftig, aber auch etwas.. eigenwillig...", meinte er, als er ihren Blick sah.
      "Ich nehm ihn", sagte sie jedoch nur und näherte sich ihm. Sie blickte ihm direkt in die Augen, als wolle sie in seine Seele blicken. Stattdessen ließ sie aber das Tier in ihre Seele blicken. Er habe sich ihr zu unterwerfen.
      Als wurde zwischen ihnen ein magischer Pakt geschlossen, neigte er seinen Kopf und ließ sich satteln. Kurz darauf verließ sie mit ihm auch schon die Stadt.
      "Du wirst mich im Schwertkampf unterweisen", forderte sie vom Dämonen, ehe sie in den Sattel stieg und ihren Rücken kurz durchstreckte. Sie saß noch nie auf einem Pferd und hatte keine Ahnung, wie man ritt, aber so schwer konnte das schon nicht sein. Als sie ihm also die Sporen gab, lief es unerwartet schnell los und sie fiel aus dem Sattel.
      Grummelnd erhob sie sich, klopfte den Dreck ab und stapfte auf das Pferd zu, das langsam zurück getrottet kam. Dann versuchte sie es erneut. Etwas sanfter. Es funktionierte einigermaßen. Keira war jedoch niemand, der das Handtuch warf und immer wieder aufstand, egal wie oft sie fiel oder wie oft nach ihr getreten wurde.




      Adriana

      Sie wusste nicht was sie tun sollte. Ihm zu widersprechen schien die Sache nur schlimmer zu machen.
      Doch das Argus nun für sie bezahlen musste, war nicht fair. Das bewies ihr aber auch, dass Argus die friedliche Lösung bevorzugte. Aus nächster Nähe wurde sie Zeuge seiner Güte und konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden, als er sowohl den Händler, als auch die anderen Dorfbewohner zum Gehen brachte.
      Sie begleitete ihn und fühlte eine seltsame Aufregung in ihrer Brust. Die Freude, diesen jungen Mann nun leibhaftig kennenlernen zu können war unermesslich. Sie wollte ihm zur Seite stehen, aber ohne ihre göttliche Macht zu missbrauchen.
      Als er fragte, ob sie in Ordnung sei und sie besorgt ansah, nickte sie mit einem zaghaften Lächeln. "Ja. Vielen Dank", sprach sie leise. Ihre Stimme glich einer Harfe, als könnte sie niemals einen falschen Ton treffen.
      Endlich stand er vor ihr. Zum Greifen nahe. Doch um nicht wirklich nach ihm zu greifen, hielt sie ihre Hand an ihrer Brust fest und betrachtete ihn lediglich. "Ich bin... Adriana..", stellte sie sich vor und fühlte, dass sich ihr Herz einfach nicht beruhigen wollte. Vor ihr stand immerhin möglicherweise der einzig wahre Champion des Friedens. Doch damit er nicht zu viel Wert auf den Rat einer Göttin legen würde, wollte sie ihm als Mensch beiseite stehen. Und natürlich auch um ihn zu schützen. Andere Champions könnten es sonst auf ihn abgesehen haben, würden ihre Mentoren sie gegen ihn aufhetzen. Solange er nicht ihr Champion wurde, bliebe er ein ganz gewöhnlicher Mensch.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Artemisia
      In ihrer Gestalt als Eule, beobachtete die Göttin Marcius weiter aufmerksam aus dem Geäst des Baumes, in das sie sich zurückgezogen hatte. Die Blätter umrahmten ihr weißes Gefieder und ließen sie im verzerrten Licht das durch das Blätterdach drang fast wie ein Teil der Natur selbst erscheinen.
      Der klare Blick der Jungen verriet Entschlossenheit und Demut. Er war bereit, ihre Führung anzunehmen. Sein aufrichtiger Wunsch zu lernen und zu dienen, berührte sie. Ihre Wahl war richtig gewesen, derer war sie sich nun sicher.
      Nun war es an der Zeit, sich ihm zu offenbaren und ihn auf den Weg zu führen, der ihn zu ihrem Champion machen würde.
      Mit einem Flügelschlag ließ sie sich aus dem Geäst des Baumes gleiten und landete direkt vor Marcius. Ein leises Schimmern umgab ihren gefiederten Körper, und im nächsten Augenblick begann sie, sich zu wandeln. Federn wichen menschlicher Haut, Flügeln entfalteten sich zu Armen, und das Antlitz einer göttlichen Kriegerin hochgewachsen und majestätisch erschien vor dem jungen Ritter, den sie aus ihren scharfen Augen musterte.
      In dem Augenblick, als sie ihr göttliches Antlitz annahm, schien die Welt zu erstarren. Der Wind verstummte, die Blätter bewegten sich nicht mehr, und die Geräusche des Dorfes verschwanden. Zeit und Raum hatten sich in diesem Moment gebogen, als ob sie nur für Marcius und Artemisia existieren würden. Die Sonne, hoch am Himmel, verblasste, als würde sie es sich nicht wagen, sich anmaßen zu wollen, heller zu strahlen als es die Göttin tat.
      „Marcius,“ begann sie, ihre Stimme sanft und melodisch, aber auch durchdrungen von einer unbestreitbaren Autorität, „Dein Mut und deine Besonnenheit haben mich überzeugt. Doch wie du selbst erkannt hast, gibt es noch viel zu lernen.“ Sie machte eine kleine Pause, ihre Augen fixierten ihn mit einem intensiven Blick.
      „Um dich als meinen Champion anzuerkennen, möchte ich dir etwas anvertrauen. Etwas, das dir nicht nur im Kampf nützen wird, sondern dir auch Weisheit und Klarheit in schwierigen Momenten schenken kann.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung hob Artemisia ihre Hand, und ein sanftes, goldenes Leuchten begann sich darin zu sammeln. Eine ihrer schimmernden Federn kam zum vorschein.
      “Ein Zeichen meiner Gunst.,“ fuhr sie fort, „Nimm sie als Symbol unserer Verbindung und meines Vertrauens in dich.“ Sie reichte ihm die unscheinbare Feder, doch gerade als diese die Hand des Menschen berührte, begann sie sich zu verwandeln. Ein sanftes Leuchten breitete sich aus, und die Feder schmolz zu einer prachtvollen Waffe. Sie war sowohl ein Schild als auch ein Schwert, ein Werkzeug des Schutzes und des Angriffs, das sich in seiner Form und Funktion wandelte, je nachdem, wie Marcius im Kampf entschied, sie zu nutzen.
      Artemisia trat einen Schritt zurück und betrachtete ihren neuen Helden mit einem zufriedenen Lächeln. „Diese Waffe wird dir in den kommenden Herausforderungen dienen. Sie ist nicht nur ein Symbol meiner Macht, sondern auch ein Test. Nutze sie mit Bedacht und weise. Zeige der Welt, dass du nicht nur ein Krieger, sondern auch ein weiser Führer bist.“
      Die Göttin hob ihren Blick zum Himmel, als ob sie nachdenklich die in der Zeit erstarrten Wolken betrachtete, und sprach weiter, ihre Stimme erwartungsvoll. „Nun, erhebe dich, Marcius, mein zukünftiger Champion. Die Welt wartet auf dich. Möge dein Weg von Mut und Weisheit erleuchtet sein.“
      Mit diesen Worten breitete die Göttin ihre Schwingen aus und die Welt um sie herum erwachte langsam wieder zum Leben. Der Wind flüsterte durch die Bäume, die Geräusche des Dorfes kehrten zurück, und die Sonne schien wieder in ihrer üblichen, ungehaltenen Art. Dort wo eben noch die Göttin stand, war nun keine Spur mehr von ihr zu sehen. Doch die leuchtende Feder in den Händen ihres Helden war ein deutliches Zeugnis ihrer weiterhin bestehenden Anwesenheit.
      Ihre Präsenz blieb wie eine unsichtbare Hand, die ihn lenkte und schützte.


      Xanthos
      Der Dämon ließ seine Augen funkelnd auf Keira ruhen, während sie sich entschlossen auf ihre neue Reise vorbereitete. Ihr kaltes Lächeln, ihre Entschlossenheit und ihre skrupellose Art, mit der sie den Wirt getötet hatte, entzückten ihn. Sie war genau das Werkzeug, das er benötigte – stark, ambitioniert und bereit, alles zu tun, um Macht zu erlangen.
      Als sie das Gasthaus verließ, verwandelte sich Xanthos erneut in einen Raben und glitt lautlos hinter ihr her. Er landete auf einem der Dachgiebel und beobachtete mit amüsiertem Interesse, wie sie sich für ihre Reise vorbereitete. Ihre Pragmatik und Kaltblütigkeit, mit der sie den Wirt ausraubte und sich mit neuen Vorräten eindeckte, entlockte ihm ein leises Lachen, das nur sie in ihrem Geist hören konnte.
      Sie lernte schnell Gelegenheiten, die sich ihr boten zu erkennen und zu nutzen. Gut. Sehr gut.
      Er blieb in ihrer Nähe, stets wachsam, besonders als sie den Stall betrat und sich das schwarze Pferd aussuchte. Eine interessante Wahl, aber noch interessanter war die Art, wie sie dem widerspenstigen Hengst ihren Willen aufzwang.
      „Ein Ross, das deinen Willen spiegelt. Eine ausgezeichnete Wahl“, flüsterte er in ihren Geist.
      "Du wirst mich im Schwertkampf unterweisen” wies sie ihn schließlich an, als wäre sie diejenige, welche die Befehle erteilte, nicht umgekehrt und entlockte Xanthos so ein leises Lachen. Keinesfalls gehässig. Es war ein amüsiertes, wohlwollendes Lachen, das wie ein Donnergrollen in seiner Kehle wiederhallte, das sie auch daran erinnerte, dass er immer noch ein mächtiges Wesen war, dem man Respekt zollen sollte.
      Kein anderer Sterblicher hätte es gewagt, in dieser Weise mit ihm zu sprechen. Doch anstatt erzürnt zu sein, fand Xanthos diese Interaktion überaus erfrischend. Keira war ungewöhnlich. Ein seltenes Juwel unter den Sterblichen. Zwar noch etwas ungeschliffen, doch mit einem faszinierenden, verborgenen Potential.
      “Vielleicht konzentrieren wir uns erst einmal auf die Kunst des Reitens?” erwiderte er, nachdem das Mädchen einen Versuch unternommen hatte zu galoppieren und prompt vom Sattel gefallen war.
      Der Rabe landete gallant auf einem tief hängendem Ast über ihr, seine Stimme ein konstantes Flüstern in ihrem Geist. „Halte die Zügel fest, aber nicht zu straff. Lass das Pferd deine Führung spüren, nicht deinen Zorn.“ wies er sie an. „Nutze deine Beine, um dein Gleichgewicht zu halten. Finde den Rhythmus des Pferdes.“
      Er beobachtete sie mit wachsender Faszination und Freude, als sie immer wieder aufstand und es erneut versuchte, ungeachtet der Rückschläge. Ihre Hartnäckigkeit und ihr Wille, sich niemals geschlagen zu geben, ihre dunkle Entschlossenheit und ihr unerschütterlicher Glaube an ihre eigene Macht machten sie einzigartig.
      Er konnte es kaum erwarten zu sehen, welch köstliches Chaos ihre Zukunft barg.


      Argus
      Der junge Mann sah das Mädchen vor sich an, ihren zaghaften Ausdruck und das schüchterne Lächeln. Ihre Stimme klang weich und zart, wie Musik in seinen Ohren, und obwohl er genau wusste, dass sie ein Fremde war, kam sie ihm doch so seltsam vertraut vor.
      "Adriana," wiederholte er ihren Namen, als wollte er ihn in seinem Gedächtnis verankern. "Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen."
      Er betrachtete sie genauer, ihre zarten Gesichtszüge, die Art, wie sie ihre Hand an die Brust legte, als wollte sie sich vor der Welt schützen. „Du wirkst, als hättest du eine lange Reise hinter dir,“ bemerkte er schließlich nachdenklich.. „Selgas ist nicht groß, aber die Menschen hier sind herzlich. Ich werde dir helfen, einen sicheren Platz für die Nacht zu finden.“
      Der Bauer blickte sich um, die letzten Sonnenstrahlen tauchten das Dorf in ein sanftes, goldenes Licht. Die Dorfbewohner hatten sich weitgehend zerstreut, und die Stille der Abenddämmerung kehrte zurück. „Komm mit,“ sagte er und machte eine einladende Geste.
      Während sie nebeneinander hergingen, spürte Argus eine seltsame Anziehung zu diesem Mädchen, eine Verbindung, die er sich nicht erklären konnte. „Es tut mir leid, dass du diesen Händler erleben musstest. Einige Menschen sind schnell dabei, die Schwächen anderer auszunutzen.“
      Er hielt kurz inne und sah sie an. „Aber hier bist du sicher.“ Sie gingen weiter, und Argus erzählte ihr ein wenig von sich selbst, um die Stille zu füllen. „Mein Name ist übrigens Argus,,“ begann er. „Ich arbeite hier auf einem kleinen Hof am Rande des Dorfes und kümmere mich um die Felder.“
      Er führte sie zu einem kleinen Haus am Rande des Dorfes. „Das ist mein Zuhause,“ sagte er. „Es ist nicht viel, aber du bist willkommen, hier zu bleiben, bis du einen besseren Ort gefunden hast.“ Er öffnete die Tür und trat zur Seite, damit sie eintreten konnte.
      „Hier, setz dich,“ sagte er und bot ihr einen Stuhl an. „Lass mich dir etwas zu essen holen.“ Einen Moment später kehrte er mit einem einfachen Mahl zurück – Brot, Käse und ein Apfel – und stellte es vor sie hin. „Es ist nicht viel, aber es sollte dich stärken,“ sagte er mit einem beruhigendem Lächeln. Er setzte sich ihr gegenüber und betrachtete sie nachdenklich. “Was führt dich denn hierher nach Selgas,, Adriana?“
      Während er auf ihre Antwort wartete, sah er, wie das Licht der Laterne in ihren Augen tanzte. Irgendetwas sagte ihm, dass dieses Treffen kein Zufall war. Er fühlte sich geradezu so an, hätte das Schicksal selbst ihre Wege gekreuzt.
      In the midst of chaos
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    • Marcius

      Als die Göttin sich ihm offenbarte, raubte es ihm beinahe den Atem. Er konnte es noch immer kaum glauben. Er, Marcius, von der Göttin Artemisia auserwählt. Und nun stand sie vor ihm. Ihre Macht zum Greifen nahe.
      Sein Blick ruhte auf der Göttin und seine Faust blieb an seiner Brust, während er aufrichtig ihren Worten lauschte.
      So viele Sagen hatte er schon über sie gehört und alle Ritter baten um ihren Beistand. Ein unvergesslicher Moment, den Marcius stets in Ehren halten wird.
      Er hob seine Hand, um das Geschenk der Göttin zu empfangen. Es strotzte nur so von göttlicher Macht und verwandelte sich in seiner Hand in ein Schwert von unglaublicher Schönheit. Eine göttliche Waffe.
      "Ich danke Euch, meine Göttin", sprach er mit größten Respekt. Als sie ihn betrachtete, hob er stolz seine Brust und war fest entschlossen sie nicht zu enttäuschen.
      Kurz darauf verschwand sie, als wäre sie nie dagewesen. Doch etwas ihrer göttlichen Macht war noch da. In ihm und seiner Hand.
      Noch immer etwas sprachlos, betrachtete er die Feder und verstaute sie sorgfältig an seiner Brust. Es wäre unverzeihlich, würde er sie verlieren. Also musste er sich Gedanken machen, wie er sie am besten verwahren könnte.


      Keira

      Sollte er nur lachen. Es gab eben Dinge, die sie von ihm erwartete. In einem richtigen Kampf würde sie ganz schnell den Kürzeren ziehen. Noch war sie nicht mal annähernd eine Kriegerin. Ihr Selbsttraining ließ sie nicht ganz wehrlos sein, aber stark? Nein. Viel mehr fuchtelte sie mit dem Schwert herum wie ein Ritter, der gerade erst mit seiner Ausbildung begonnen hatte.
      Das sie auch beim Reiten keine glanzvolle Figur abgab, ärgerte sie zwar, aber davon ließ sie sich nicht unterkriegen. Wenn sie etwas wollte, dann konnte sie das auch schaffen. Sie versuchte die Tipps ihres neuen Gefährten zu berücksichtigen und so gelang es ihr schließlich irgendwann auch ein wenig schneller voranzukommen.
      Nun konnte sie diesen Ort endlich hinter sich lassen.
      Anfangs war sie noch zufrieden und fühlte sich frei. Sie war nicht mehr schwach und musste sich den anderen unter ordnen, um zu überleben. Den Plan, diesen Bastard umzubringen, hatte sie schon lang. Doch der heutige Tag sollte endlich der sein, an dem sie es wagte.
      Irgendwann ließ sich ihre Unerfahrenheit jedoch spüren. Nach einigen Stunden schmerzte ihr Gesäß vom ungewohnten Sitz im Sattel und dem unsicheren Halt darin. Aber sie beklagte sich nicht. Sie blickte fest nach vorn. Nicht nur auf den Weg, der sich jetzt vor ihr befand, sondern auch auf ihre Zukunft. Die Zukunft, die ihr der Dämon versprach.

      Als sie am frühen Nachmittag an einem See Halt machte, versorgte sie das Pferd, wie es ihr der Stallbursche gezeigt hatte. Danach streckte sie sich ein wenig und versuchte sich die Schmerzen in ihren Knochen und Muskeln nicht anmerken zu lassen. Keira hatte schon lange aufgehört wegen etwas zu jammern.
      "Hier bleiben wir eine Weile..", verkündete sie und nahm sich etwas Proviant aus der Tasche, um es im Stehen zu essen, während sie die Gegend betrachtete. Hier war niemand, der sie stören könnte. Im Laden hatte sie auch einen Schlafsack gekauft. Eben alles, was man draußen benötigte, um umherzuziehen.
      "Brauchen Dämonen eigentlich auch etwas zu essen?", fragte sie und biss in ein Stück Wurst. Viel wusste sie nicht über diese Geschöpfe, aber unsterbliche Wesen mussten sicher nichts essen. Und wenn doch, dann stand es ihm natürlich frei sich an ihren Vorräten zu bedienen.
      "Wie heißt du?" Ihren Namen kannte er vermutlich schon, aber sie wusste nicht, wie man ihn nennen durfte.



      Adriana

      "Vielen Dank... das ist wirklich sehr nett von dir.." Das Angebot, ihr einen Platz zu suchen, nahm sie natürlich an. Darüber hatte sie sich keine großen Gedanken gemacht, bevor sie diese Gestalt angenommen hatte.
      So wie Argus in das Abendlicht getaucht wurde, war er es, der beinahe göttlich erschien. Er war etwas ganz besonderes, das konnte sie schon von Anfang an spüren. Nun, als sie ihm zu seinem Haus folgte, noch umso mehr. So eine starke Verbindung hatte sie zwar noch nie gefühlt, doch sie war nicht sicher, inwiefern es seinem Wunsch entsprechen würde, ihr als Champion zu folgen. Ein Schwert konnte richtig geführt auch zum Frieden führen, doch es brachte letztlich auch immer Leid mit sich. Auch der Feind hatte Familie. Frau und Kinder, die nach seinem Tod allein sind, weil er in den Krieg gezogen war. So hatte sie am Ende nur doch immer wieder das Spiel der anderen Götter gespielt, nur das ihre Champions an etwas anderes geglaubt hatten, als die der anderen.
      Argus könnte in Selgas jedoch ein friedliches Leben führen. Eine kleine Flamme in der großen Dunkelheit. Doch Adriana wusste leider nur zu gut, wie selten diese Flammen geworden waren.
      "Argus...", wiederholte sie den Namen flüsternd, den sie zum ersten Mal wahrhaftig aussprechen durfte. "Es ist wunderschön hier...", sagte sie und betrachtete die Felder, um die er sich so liebevoll kümmerte.
      Als er ihr Einlass in sein Haus gewährte, verneigte sie sich ein wenig. "Danke."
      Gerührt von seiner Gastfreundschaft, betrachtete sie das Essen vor sich und sah dann zu ihm auf, um ihm ein Lächeln zu schenken. "Vielen Dank", verlieh sie ihrer Dankbarkeit noch einmal eine Stimme.
      Ihre Blicke hingen aneinander und Argus stellte die Frage, vor der sie anfangs noch Angst gehabt hatte. Doch sie musste nicht lügen. "Ich bin von Zuhause weggelaufen. Ich habe mich dort nie besonders wohl gefühlt..", offenbarte sie. Doch auch wenn dies keine sehr erfreulichen Worte waren, lächelte Adriana sanft. "Darf ich eine Weile hier bleiben? Ich mache mich auch nützlich! Ich kann dir auf den Feldern helfen." Sie wollte hier bleiben. Bei ihm. Was genau sie sich davon erhoffte, wusste sie selbst nicht einmal so genau. Sie versuchte nur ihren eigenen Wunsch mit seinem zu verbinden.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia
      Die Aura der göttlichen Macht, die Artemisia mit Erwählung ihres Champions auf jenen übertrug, ging langsam in seine eigene Essenz über. Ein für das sterbliche Auge unsichtbarer Prozess, von dem nur andere göttliche oder dämonische Champions und die Unsterblichen selbst Kenntnis nahmen.
      Es würde mit Sicherheit nicht lange dauern, bis Marcius in der Lage sein würde, ebenfalls die Präsenz anderer Gesegneter, oder die der Dämonen wahrzunehmen.
      Wann er wohl in der Lage sein würde, den niederen Dämon zu bemerken, welcher sich im Schatten der Banditen mit in das Dorf geschlichen hatte? Wahrscheinlich versuchte das Biest Mitleid zu erregen, indem es in Gestalt eines Kindes umher wanderte. Verglichen mit ihrer eigenen Macht, war die Gefahr, die von diesem ausging geradezu lachhaft und sie bezweifelte, dass er in der Lage sein würde, ernsthaften Schaden anrichten.
      Es war also eine grandiose Gelegenheit, um die neuen Fähigkeiten und den Willen ihres Helden zu testen.
      Neugierig und gespannt verweilte die Eule in ihrer Position hoch oben in den Baumwipfeln und sah zu, wie sich die Situation entwickeln würde. Sollte eine ernsthafte Gefahr entstehen, würde sie sich schon einmischen, doch bis dahin blieb sie eine stumme Beobachterin.

      Xanthos
      Der Rabe beobachtete, wie Keira sich mit dem Proviant versorgte, den sie aus dem Gasthaus mitgenommen hatte. „Dämonen brauchen keine Nahrung wie Sterbliche,“ erklärte er schließlich seine Stimme, ein dunkles, samtiges Flüstern im Wind. „Wir nähren uns von der Energie und den Emotionen der Lebenden. Angst, Freude, Wut, Mut, Verzweiflung, Liebe – das sind die wahren Quellen unserer Kraft. Wobei wir durchaus auch Nahrung zu uns nehmen könnten, wenn uns danach ist.“ Er selbst hatte eine besondere Schwäche für Wein. Es gab selten etwas, was die Menschen so gut hinbekamen, wie Wein. Doch dieses kleine Detail behielt er für sich. Vorerst.
      „Mein Name ist Xanthos,“ beantwortete er ihre Frage und flatterte von seinem Ast herunter, um nun direkt vor Keira zu landen. „Du kannst mich rufen, wann immer du mich brauchst. Wobei ich dich auch ohne deinen Ruf im Auge behalten werde.“ Das sollte keinesfalls drohend klingen, obwohl es wohl auch durchaus so interpretiert werden konnte.
      Er betrachtete sie eingehend, seine Augen funkelten in einem unnatürlichen roten Glanz, vor dem die meisten Wesen sich wohl fürchten würden. Dennoch blickte sie ihn furchtlos, ja sogar schon beinahe provokant an. Sie war wahrlich die richtige Wahl gewesen! „Bevor wir weiterziehen, arbeiten wir noch an deinen Fähigkeiten mit dem Schwert. Jeder Kampf, jede Schlacht wird dich stärker machen. Aber vorher musst du die Grundlagen beherrschen.“
      Xanthos erhob sich zurück in die Luft und flog nun seine Kreise über den Kopf der Rothaarigen, um sie aufmerksam im Blick zu behalten. “Schauen wir uns an, woran wir arbeiten müssen. Zeig mir, welche Haltung du annimmst, wenn du dein Schwert führst.”


      Argus
      Sie war also weggelaufen? Mitfühlend verzog Argus das Gesicht. Er hörte viel zu oft, wie Menschen ihrer vom Krieg gezeichneten Heimat entflohen, oder aufgrund anderer schweren Lebensumstände das Weite suchten, stets auf der Suche nach einem besseren Leben. Er wollte auch nicht zu intrusiv sein und nachbohren, weswegen genau sie sich nun in ihrer alten Heimat nicht mehr wohl fühlte und nickte einfach nur verständnisvoll. Hier in Selgas fanden viele umherirrende den Frieden, den sie suchten.
      „Natürlich kannst du hier bleiben, Adriana,“ beschwichtigte er sie. „Du musst dich nicht nützlich machen, aber deine Hilfe auf den Feldern wäre natürlich willkommen.“
      Er beobachtete sie, während sie das einfache Mahl genoss, und musterte dieses zarte, aber entschlossene Wesen nachdenklich „Es gibt viel Arbeit auf dem Hof, aber ich glaube, du wirst dich hier wohlfühlen können. Die Menschen in Selgas sind herzlich und werden dich mit Sicherheit willkommen heißen.“
      Sein Blick wanderte aus dem Fenster, wo die letzten Strahlen der untergehenden Sonne die Felder gerade in ein goldenes Licht tauchten.
      Er drehte sich wieder zu Adriana um und lächelte sie an. „Aber ruh dich zuerst einmal aus, du hast sicherlich eine lange und ermüdende Reise hinter dir.“
      Argus stand auf und bewegte sich zu einer Ecke des Raumes, wo eine schlichte, aber saubere Holzkiste stand. Er öffnete sie und zog einige Decken und Bezüge hervor, mit denen er sein Bett frisch bezog, welches er ihr für die Nacht überlassen würde, bis sie eine andere, dauerhafte Alternative gefunden hatten.
      Er selbst richtete sich im Nebenzimmer ein improvisiertes Bett zurecht.
      „Es ist nicht viel, aber es sollte dir für die Nacht etwas Komfort bieten,“ fügte er hinzu und legte eine letzte Decke sorgfältig über das provisorische Bett. Er richtete sich auf und betrachtete sein Werk mit einem zufriedenen Nicken. „Wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich wissen. Ich werde im nächsten Raum schlafen, also zögere nicht, mich zu rufen.“
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    • Marcius

      Er hatte irgendwie das Gefühl, als könne er Bäume ausreißen! Das er wirklich von der Göttin der Weisheit auserwählt werden würde, beflügelte ihn und spornte ihn an, noch mehr dennje sein bestes zu geben. Die Erschöpfung nach der Schlacht war kaum noch zu spüren. Im Moment jedenfalls. Seine Euphorie verdrängte all dies, während er voller Vorfreude in die Zukunft blickte.
      Doch es war Zeit zurückzukehren und sich nützlich zu machen. Bald würden sie wieder abreisen, doch er wollte die Bewohner nicht mit dem Chaos durch den Kampf allein lassen. Also griff er ihnen unter die Arme, räumte ein paar Trümmer beiseite
      Es dämmerte schon bald und nun konnte Marcius nicht mehr abstreiten, dass die Müdigkeit in seine Knochen zog. Doch als er auf seinem Weg einen ungewöhnlichem Jungen begegnete, hielt er inne. Das ungewöhnliche an ihm war, das sein Anblick ein eigenartiges Gefühl in Marcius auslöste. Es war kein Mitgefühl, weil er sich fragte, wo seine Familie war. Irgendwas schien mit dem Kind nicht zu stimmen. Es war noch nicht lange her, als Marcius selbst noch ein Bursche war. Und die Kameraden um ihn herum. Aber so ein Gefühl hatte er noch nie bei einem von ihnen gehabt. Hatte er das Kind zuvor schon hier gesehen?
      Nachdenklich sah er sich nach links und rechts um, doch als er wieder nach vorn sah, war der Junge nicht mehr da. Um die Zeit gehörte er auch ins Bett.
      Doch auf seinem eigenen Weg in dieses, wurde er das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. So ein Gefühl hatte er zuletzt, als er einem Betrüger auf der Spur war. Und doch war es irgendwie anders. Sollte er deswegen die Göttin um Rat fragen?
      In seinem Zimmer entledigte er sich seiner schweren Ausrüstung und streckte sich. Dabei fiel sein Blick aus dem Fenster. Es war, als könne er eine Präsenz oder so etwas spüren. Eine unbehagliche Präsenz.
      Statt die Göttin selbst zu belästigen, holte er die Feder hervor und betrachtete diese. Diese Waffe sollte nicht nur ein Symbol ihrer Macht sein, sondern auch ein Test. Ein Test, wie er seine Waffen nutzen würde? Für das Gute natürlich!
      Da es ihm keine Ruhe ließ, verließ er sein Zimmer wieder und spazierte durch die Straßen. Scheinbar unbewaffnet, doch notfalls hätte er ja die Waffe der Göttin bei sich. Er wischte sich die Müdigkeit aus den Augen und legte seine Hand an die Brust, an der die Feder ruhte. "Verehrte Artemisia... was ist das für ein... Gefühl..." Er wusste nicht, was er tun sollte, doch er wusste, dass es falscher Stolz wäre, nicht nach Hilfe zu fragen.



      Keira

      Umso besser, wenn er keine Nahrung brauchte. Dann musste sie nicht teilen. Wobei sie mit ihm natürlich geteilt hätte, schließlich war er von nun an ihr Meister. Nur weil sie so locker mit ihm sprach, bedeutete das nicht, dass sie ihm nicht den nötigen Respekt zollte. Aber Arschkriecherei brauchte er von ihr nicht erwarten. "Verstehe." Sie nährten sich von Emotionen? Interessant. Das bedeutete, dass er sich mehr oder weniger von Keira selbst nährte, richtig?
      Sie hatte die ganze Zeit auf ihr Essen gesehen und auch, als er vor ihr erschien, sah sie erst auf, als sie ein Stück Käse abgeschnitten und er ausgesprochen hatte. Sie könnte ihn rufen und wurde sowieso beobachtet. Damit hatte sie kein Problem. Sie hatte nichts vor ihm zu verbergen.
      Ihr Blick war streng, als sie seine menschenähnliche Gestalt musterte und an den rot funkelnden Augen hängen blieb. Sie schimmerten wie ihre Schwertklinge. Wie Blut. Eine schöne Farbe. Sie hatte keine Angst vor ihm und sie zerbrach sich auch nicht den Kopf darüber, was er von ihr wollen könnte. Sollte es ihm nach irgendetwas verlangen, würde er das sicher ohne Umschweife aussprechen. "Ja", stimmte sie zu und beendete ihre Mahlzeit, um sich zu erheben und ihr Schwert zu ziehen. Zuerst betrachtete sie es noch einmal etwas genauer, wobei sie ein fast schon düsteres Funkeln in den Augen hatte. Mit diesem Schwert könnte sie all ihre Feinde niederstrecken.
      Sie hatte mit Stöckern und einer Holzfälleraxt ein wenig geübt, doch das war alles nicht mit einem Schwert zu vergleichen. Auch wenn sie nicht herausragend geschickt war, so war sie nicht vollkommen ahnungslos. Sie schwang das Schwert, wie sie es bei manchen Gelegenheiten von Rittern kannte. Doch ihre Fähigkeiten beruhten auf Beobachtungsgabe und Selbstversuchen. Gegen einen einigermaßen erprobten Kämpfer würde sie so nur leider noch nicht bestehen. "Wir können hier von morgens bis abends trainieren, Meister Xanthos." Genau deshalb hatte sie sich einen Ort wie diesen gesucht, wo sie niemand stören würde. Keine lästigen Arbeiten, die sie verrichten müsste und niemand, der ihre kostbare Zeit stahl. Nur sie und ihr Meister und das Schwert. Sie war gewillt, pausenlos zu trainieren, egal wie hart es sein würde. Es könnte nicht schlimmer sein als das, was sie bereits durchmachen musste.



      Adriana

      Ihre Augen funkelten noch mehr, als Argus ihr eine Bleibe anbot. "Ich will aber!", meinte sie sofort. Auch wenn sie nicht musste, wollte sie sich eben nützlich machen. Sie könnte seine Gastfreundschaft nicht einfach ausnutzen. Vor allem, weil sie für den Schein ja auch seine Nahrung wegessen würde.. So könnte sie ihr Gewissen etwas beruhigen.
      "Das hoffe ich..." Sie wusste, dass die Menschen hier alle sehr herzlich waren, aber das durfte sie ja nicht preisgeben. Dennoch hoffte sie inständig, dass sie sich diesem Dorf erkenntlich zeigen könnte. Vor allem Argus, der an sie glaubte.
      "Ich danke dir...", bedankte sie sich erneut und sah ihm nach. Er gab sich wirklich große Mühe, um es ihr hier bequem zu machen, was ihr Herz erwärmte. Während sie ihn beobachtete, biss sie in den Apfel und war überrascht, wie lecker er war! Es war Jahrzehnte, nein Jahrhunderte her, dass sie mal etwas zu Essen probiert hatte. Aber so lecker hatte sie es gar nicht in Erinnerung.
      "Danke Argus..." Sie erhob sich und revanchierte sich sogleich, in dem sie das benutzte Geschirr abwusch. Dabei fiel ihr Blick auf die goldenen Felder, die von hier 'unten' noch einmal ganz anders wirkten. "Ich habe noch nie so schöne Felder gesehen...", sagte sie leise und betrachtete sie verträumt. Nun konnte sie sie aus Argus' Blickwinkel sehen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia
      Das leise Flehen ihres Champions drang an die Ohren der Göttin. Seine Worte waren eine Mischung aus Unsicherheit und dem Verlangen nach Führung. „Verehrte Artemisia... was ist das für ein... Gefühl...“
      Ein schwaches, kaum wahrnehmbares Leuchten begann in der Feder an Marcius’ Brust zu pulsieren, während sie begann, mit ihm zu kommunizieren.
      „Marcius,“ ertönte ihre Stimme, klar und melodisch, wie ein sanftes Flüstern im Wind, das nur er hören konnte. „Du spürst die Anwesenheit eines Wesens, das nicht von dieser Welt ist. Ein Meister der Täuschung. Dein Instinkt trügt dich nicht.“
      Die Umgebung um Marcius schien für einen Moment zu verschwimmen, als Artemisia ihre göttliche Präsenz intensiver auf ihn richtete. Das Licht der Sonne verblasste für den Bruchteil einer Sekunde und ließ die Schatten noch tiefer und bedrohlicher wirken.
      „Du wirst lernen, diese Präsenz zu deuten und zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Vertraue auf dein Gefühl, es wird dich nicht im Stich lassen.“ Ihre Stimme klang ermutigend, aber auch fest, als ob sie sicherstellen wollte, dass der junge Ritter die Dringlichkeit ihrer Worte verstand.
      „Dieser Dämon ist schwach, im Gegensatz zu denen, die noch in der Ferne lauern, aber seine Absichten sind genauso bösartig. Er könnte Unheil über die Unschuldigen bringen, wenn er nicht aufgehalten wird. Deine Aufgabe ist es, ihn zu entlarven und zu neutralisieren. Wie du das tust, obliegt dir. Doch handle mit Bedacht, Marcius. Die Kreatur wird versuchen, deine Gedanken zu trüben und dein Urteilsvermögen zu verzerren.“
      Ein sanfter Windzug fuhr durch die Bäume, ließ die Blätter rascheln und füllte die Luft mit einem Hauch ihrer Präsenz. Der Wind umspielte den Jungen wie ein ermutigender Stoß in die richtige Richtung.
      „Ich werde dich beobachten und bei Bedarf eingreifen, aber diese Prüfung ist deine.“


      Xanthos
      Ohne langes Zögern befolgte Keira die Anweisung des Dämons und zog bereits ihr Schwert. An Entschlossenheit und Biss mangelte es ihr keineswegs, und das war auch schon mal ein guter Anfang. Eine vielversprechende Kriegerin, zweifellos. Doch ihre Haltung verriet, dass sie noch roh und ungeformt war, wie ein Stück glühendes Metall, das den Hammerschlägen eines Schmieds bedurfte.
      Xanthos ließ seine Flügel schlagen und erhob sich ein wenig in die Luft, um sich eine bessere Position zu verschaffen. Von oben sah er, wie sie das Schwert schwang und sich in Kampfhaltung begab. Ihre Bewegungen waren entschlossen, aber ungeschliffen. Sie besaß die rohe Kraft, doch es fehlte ihr an Finesse und Balance.
      In einer schnellen, fließenden Bewegung, die ein Mensch mit seinem Auge wohl kaum nachverfolgen könnte, sank er zu Boden, nun wieder in seiner menschlichen Form, und stieß mit einem Finger gegen ihre Schulter. Nach außen hin sah es nach kaum mehr aus als einem kurzen Tippen mit seinem ausgestreckten Zeigefinger, doch die dahinterliegende Kraft brachte das Mädchen ins Straucheln, und sie verlor beinahe das Gleichgewicht. Xanthos Augen funkelten in einem tiefen Rot, als er ihre Reaktion beobachtete. „Siehst du? Deine Haltung ist unbalanciert.“
      Er trat näher und legte eine Hand auf ihre Schulter, drückte sie sanft, aber bestimmt in eine stabilere Position. „Dein Stand ist das Fundament deines Kampfes. Breiter, ja genau so. Und deine Arme...“ Mit bestimmter Präzision justierte er ihre Arme, führte ihre Handgelenke in den richtigen Winkel. „Locker, aber nicht zu locker. Du musst Kontrolle haben, aber auch Flexibilität.“
      Nachdem er ihre Haltung korrigiert hatte, trat er einen Schritt zurück, um sein Werk zu betrachten, und nickte. „Das ist deine Grundhaltung. Merk sie dir, sie wird im Kampf unverzichtbar.“ Der Anfang eines Fundamentes wurde gegossen. Doch noch war er nicht vollends zufrieden. Mit einem raschen Schlag zielte er auf das Schwert in ihrer Hand. Das Schwert klirrte und fiel zu Boden.
      „Dein Griff ist zu schwach,“ bemerkte er. „In einem echten Kampf würde man dich schnell entwaffnen können.“ Mit einem Wink seiner Hand erhob sich das am Boden liegende Schwert in die Luft und glitt zurück in ihre Hand. „Dein Griff muss fest genug sein, um das Schwert zu kontrollieren, aber nicht so fest, dass deine Hand verkrampft. Finde das richtige Gleichgewicht.“ Während er sprach, untermauerte er seine Worte, indem er ihr direkt zeigte, in welchem Winkel und mit welchem Griff es stabiler in der Hand lag.
      Xanthos konnte die Verbesserung sehen, aber es gab noch viel Arbeit. Lautlos glitt er in die Schatten zurück. Wieder als Rabe auf einem Ast über ihr sitzend, beobachtete er weiter ihre Fortschritte und gab hin und wieder Tipps und Anweisungen, während er sie Probeschläge in die Luft vollführen ließ, um ihre Haltung zu festigen.


      Argus
      „Es ist selten, jemanden zu finden, der solch einen Enthusiasmus für einfache Arbeiten zeigt,“ bemerkte Argus mit einem amüsierten Funkeln in seinen Augen, als Adriana so motiviert zur Tat schritt und unaufgefordert begann, das Geschirr zu waschen.
      Er stellte sich neben sie an den kleinen Waschbottich und begann das Geschirr und Besteck, welches sie gewaschen hatte, mit einem sauberen Tuch abzutrocknen und in die Schränke zurückzustellen. Sie schien entschlossen, ihre Dankbarkeit in Taten zu zeigen, und das bewunderte er an ihr.
      Als sie dann die Felder erwähnte, blickte er selbst aus dem Fenster. Das warme Licht der untergehenden Sonne tauchte die Felder voller goldener, sich im Winde wiegender Ähren in einen Glanz, als bestünden sie aus flüssigem Gold.
      „Die Felder sind tatsächlich etwas Besonderes,“ stimmte er ihr zu, und seine Stimme nahm einen nachdenklichen Ton an. „Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht, und doch werde ich nie müde, diesen Anblick zu genießen.“
      Er trat neben sie und ließ seinen Blick ebenfalls über die Felder schweifen. „Es ist, als ob die Natur selbst uns ein kleines Stück Paradies geschenkt hat, nicht wahr? Manchmal muss man einfach innehalten und die Schönheit um sich herum wirklich schätzen.“ Wie kitschig es doch klang, diese Gedanken laut auszusprechen. Aber er meinte es genauso, wie er es gesagt hatte. Und irgendwas beschlich ihn, dass sein Gast es wohl auch so sah.
      Mit diesen Worten nahm er einen Schritt zurück und sah, dass sie ihre Arbeit beendet hatte. „Lass uns jetzt ein wenig Ruhe finden,“ schlug er vor. „Morgen wird ein neuer Tag sein, und wir haben viel vor.“
      Er führte sie zu dem provisorischen Bett, das er für sie hergerichtet hatte, und zeigte mit einer einladenden Geste darauf. „Ich hoffe, du schläfst gut. Ich werde hier in der Nähe sein, falls du etwas brauchst.“
      Er trat zurück, betrachtete sie einen Moment lang und lächelte dann erneut. „Gute Nacht, Adriana. Schlaf gut.“
      Mit diesen Worten wandte er sich ab und begab sich in das Nebenzimmer, wo er sein eigenes improvisiertes Bett aufsuchte. Während er sich niederließ und die Nacht sich über das Dorf und seinen bescheidenen kleinen Hof senkte, dachte er über den Tag nach und über die junge Frau, die nun in seinem Zuhause war.
      In the midst of chaos
      there is also opportunity
    • Marcius

      Er war erleichtert, dass sein Gefühl ihn nicht beirrte. Als sich seine Umgebung veränderte, sah er sich um und konzentrierte sich auf ihre Stimme. Auf sein Gefühl solle er vertrauen?
      Langsam schloss er seine Augen und spürte den Luftzug auf seiner Haut. Sollte er ihm den Weg weisen? "Jawohl, verehrte Artemisia. Ich danke Euch." Nachdem er seine Augen geöffnet hatte, fühlte er sich wieder ermutigt und setzte seinen Weg fort. Er traf auf eine junge Frau, die ihm freundlich zulächelte. Konnte dieses Wesen seine Gestalt verändern? Sie löste das gleiche unwohle Gefühl in ihm aus wie das Kind zuvor. "Danke für Eure Hilfe.. Wollt Ihr Euch nicht ausruhen? Ihr seid sicher müde. Kommt doch rein..", sprach sie sanft und deutete auf die Haustür. Ihm war auf seinem Weg schon ein Ritter begegnet, der mit einer jungen Frau aus dem Haus kam. War sie das? Nein, vermutlich eine andere Frau. Doch Marcius hatte kein Interesse daran sich mit einer Frau zu vergnügen. Alles was er begehrte war die Sicherheit des Volkes. Und diese Kreatur war bösartig.
      Aber er musste sichergehen, dass dieses Gefühl wirklich von ihr kam. Er wollte kein unschuldiges Blut vergießen. "Ich..", begann er und sah sich unsicher um. Seine Unerfahrenheit und Unsicherheit schienen die Frau zu locken. Könnte er ihr wirklich etwas antun?
      Als er mit ihr im Haus war, ließ er sich auf einen Stuhl fallen und sah zu ihr auf. "Du bist ein Dämon..", sagte er und legte seine Hand an seine Brust. "Was redet Ihr da? Ich bin nur eine Frau mit Bedürfnissen. Und Ihr seid ein stattlicher Mann...", säuselte sie ihm mit einem verführerischen Lächeln zu. Doch Marcius versuchte sich auf das Gefühl zu konzentrieren, um sicherzugehen, dass er wirklich keinen Fehler begann. "Nein, ich wurde von Lady Artemisia auserwählt, um Kreaturen wie dich hinzurichten!", sagte er entschlossen und zog die Feder aus seiner Tasche, die sich in ein Schwert verwandelte. Es verging nur ein Wimpernschlag, als das Schwert den Körper der Frau durchbohrte. Marcius' Herz raste, doch er war sich sicher, dass sie die Quelle seines Gefühls war.



      Keira

      Als Xanthos sie ins Schwanken brachte, biss sie ihre Zähne aufeinander und fing sich wieder. Sie wusste, dass sie noch nicht stark genug war und sie war es leid, schwach zu sein. Deshalb brannte die Flamme in ihr so hoch. Sie würde nicht aufgeben und trainieren!
      Mit der Hilfe des Dämons würde sie sich schnell verbessern können. Ohne Widerworte leistete sie seinen Anweisungen folge und setzte diese um. Mit jedem Schlag schien ihre Entschlossenheit noch mehr zu wachsen. So übte sie noch mehrere Stunden, bis sie Sonne vollends verschwunden war. Erschöpft trank sie etwas Wasser und wischte sich die schweißnassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre Ausdauer war passabel, aber noch steigerungsfähig. Am liebsten würde sie weiter trainieren, doch sie merkte, dass ihre Schläge schwächer wurden und es somit keinen Sinn mehr hatte. Sie müsste sich ausruhen.
      Nach und nach entledigte sie sich ihrer Kleidung und stieg in das kühle Wasser. Da es sommerlich warm war, war die Temperatur noch recht angenehm. Sie hatte schon kälter baden müssen. Seufzend wusch sie ihren Körper und schloss ihre Augen, um zum Schluss auch ihr Gesicht und ihr Haar zu waschen.
      "Verbringst du deine Zeit immer damit, den Menschen zuzusehen?", fragte sie und setzte sich, um die Beine auszustrecken und sich noch ein wenig zu entspannen. "Oder zeigst du dich auch manchmal?"



      Adriana

      Die Göttin war froh, dass sie diesen Schritt gewagt hatte. Das sie Argus so nun näher kennenlernen konnte. Ihn und sein Leben. Und das sie ihm hoffentlich behilflich sein konnte.
      Während sie beide die Felder betrachteten, lauschte sie seinen Worten und lächelte warm. Was für ein unglaublicher Mensch er war. Seine Worte rührten sie zutiefst. Sein Glaube gab ihr die Kraft um weiterzumachen. Doch sie konnte sehr gut verstehen, was er meinte. Oft hatten die Menschen etwas wahrhaft schönes um sich herum, aber redeten es schlecht und sehnten sich nach mehr. Ihre Gier verdarb sie.
      "Ja..", nickte sie und folgte ihm zu ihrem Bett. "Danke, Argus." Ihr Blick fiel wieder auf den jungen Mann, der ihr ein sanftes Lächeln schenkte, welches sie erwiderte. "Du auch, Argus. Gute Nacht."
      Nachdem sie es sich im Bett gemütlich gemacht hatte, schloss sie ihre Augen und sah voller Vorfreude auf die kommenden Tage. Schlafen musste sie nicht, doch sie genoss die Ruhe und fühlte sich so entspannt wie noch nie.
      Deshalb war sie am nächsten Morgen auch voller Tatendrang, um an die Arbeit zu gehen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia
      Erfüllt mit angespannter Erwartung, beobachtete Artemisia jeden seiner Schritte, jede seiner Bewegungen, und sie konnte die Anspannung in ihm spüren, als er sich dem Haus näherte, in dem die der vermeintlichen Frau sich aufhielt.
      Als wüsste er genau was zu tun war, zog Marcius die Feder aus seiner Brusttasche, die sich soglaeich in ein majestätisches Schwert wandelte. Der Moment der Wahrheit.
      Ihre göttliche Präsenz intensivierte sich, bereit, ihren Champion zu unterstützen. Doch die Klinge des Schwertes durchbohrte die Frau ohne wiederstand, und in diesem Augenblick begann sich ihre wahre Natur zu offenbaren.
      Ein schrilles Fauchen ertönte, als eine Wolke aus pechschwarzem Rauches anstelle von Blut aus der Wunde strömte. Mit austritt der rauichigen Lebensessenz begann sich auch die Wahre Natur des Dämons zu enthüllen. Ihre Augen begannen in einem unheilvollen Rot zu glühen, und ihre Haut war von schuppiger, grau-schwarzer Beschaffenheit. Lange, knochige Finger, die sich an dden Spitzen zu Klauen formten griffen nach Marcius, doch das göttliche Schwert hielt den Dämon auf Abstand. Das Fleisch des Teufels begann unter der Berührung der Klinge zu schmelzen, als ob es von innen heraus verbrannt würde.
      „Du Narr,“ höhnte der Dämon mit einer Stimme, die gleichzeitig tief und kratzig war und keine ähnlichkeit mehr mit der betörenden frauenstimme hatte, die das Wesen vor wenigen Minuten noch imitiert hatte.. „Glaubst du wirklich, dass deine sogenannte Göttin dich rettet? Ihr Menschen seid nichts weiter als unbedeutende Spielfiguren, die von den Göttern nach Belieben platziert und ausgetauscht werden.“
      Artemisias Augen verengten sich, als sie die Worte des Dämons hörte. Die Wahrheit und die Lügen der Dunkelheit waren oft schwer zu unterscheiden, aber sie wusste, dass dies ein Versuch war, Zweifel in Marcius’ Herzen zu säen.
      „Eines Tages,“ fuhr der Dämon knurrend fort, während sein Körper weiter in der Luft zerfiel, „wirst auch du weggeworfen, sobald die Götter keine Lust mehr haben, sich mit deinem Leid zu vergnügen.“ Der Spott des Dämons hallte in der Luft wider, selbst als sein Körper nun vollständig zu Asche zerfiel und auf den Boden der Hütte rieselte.
      Artemisia trat nun in die Gedanken ihres Champions und ihre Stimme war sowohl beruhigend als auch stolz. „Du hast weise und tapfer gehandelt. Lass die Worte des Dämons dich nicht beirren. Ihr Ziel ist es, Unmut und Zweifel in den Herzen der Menschen zu säen und so ihr Chaos zu verbreiten.“
      Sie machte eine kurze Pause, um ihre Worte noch eindringlicher wirken zu lassen. „Unsere Aufgabe ist es, Licht und Schutz vor diesem Chaos zu bieten, nicht Macht um ihrer selbst willen zu erlangen. Deine Entschlossenheit und dein Mut sind der wahre Beweis deiner Stärke.“
      Der Wind, der zuvor sanft durch die Bäume gezogen war, trug nun eine warme Brise durch die geöffneten fenster, die Marcius’ Anspannung löste und ihm neue Kraft gab. Dies war gewiss nicht das letzte Mal, dass Dämonen versuchen würden Zweifel im Inneren ihres Auserwählten zu sähen, aber sie war überzeugt, dass Marcius’ Herz stark genug war, um den Prüfungen der Zukunft standzuhalten.
      „Du bist auf dem richtigen Weg, Marcius. Deine Reise hat gerade erst begonnen, aber du hast bewiesen, dass du bereit bist, die Dunkelheit zu bekämpfen. Ich werde weiterhin über dich wachen und dir beistehen.“
      Mit diesen Worten ließ sie ihre Präsenz wieder schwächer werden, um Marcius Zeit und Raum zu geben, sich zu erholen und seine Gedanken zu sammeln. Sie würde sich schon wieder Zeigen, wenn es Zeit dafür war.


      Xanthos

      Aufmerksam beobachtete der Dämon von seinem Platz auf dem Ast aus, Keira bei ihrem Training, seine scharfen Augen verfolgten jede ihrer Bewegungen. Jedes Mal, wenn sie eine falsche Haltung einnahm, hackte der Rabe mit seinem Schnabel kurz auf ihre Arme oder Beine ein, um sie wieder in die richtige Position zu bringen. Er genoss diese Rolle als ihr strenger Lehrmeister, und ein Teil von ihm erfreute sich an ihrer ungebrochenen Entschlossenheit.
      Als die Sonne unterging und Keira ihre Trainingssession beendete, verfolgte Xanthos sie weiterhin, seine Augen funkelten in der Dunkelheit. Er beobachtete, wie sie sich aus ihren schweißgetränkten Kleidern schälte und ins kühle Wasser stieg. Der Anblick des sich im Wasser spiegelnden Mondlichts verlieh der Szene eine fast ätherische Schönheit.
      In diesem silbrigen licht, stach ihr feurroter Haarschopf wie eine Fackel hervor.
      Keiras Frage durchbrach die Stille der Nacht und rief ein leises lachen tief in seiner Kehle hervor. Er ließ seine menschliche Gestalt wieder erscheinen und trat aus den Schatten der Bäume, an den Rand des Wassers. Mit verschränkten Armen lehnte er sich in einer entspannten haltung an einen Baum, sein schwarzer Mantel wehte leicht im Wind.
      „Ich beobachte die Menschen nicht aus Neugierde oder Langeweileheraus.“ begann er mit einer tiefen, melodischen Stimme. „Dämonen wie ich hegen nicht die gleiche Eitelkeit wie Götter. Wir mischen uns unter die Sterblichen, um das Leben in all seinen Facetten zu erfahren. Sei es der Genuss eines feinen Weines in einer Schenke oder das fleischliche Vergnügen mit anderen Menschen.“
      Während er sprach funkelten seine Augen im schwachen Licht. „Die Vorstellung, dass wir Dämonen nur darauf aus sind, die Welt ins Verderben zu stürzen, ist ein Gerücht, das die Götter verbreitet haben. Wir sind komplexe Wesen, mit eigenen Wünschen und Zielen.“
      Xanthos ließ sich auf einem Felsen nieder und betrachtete Keira mit einem intensiven Blick. „Auch ich bin mir nicht zu schade, mich gelegentlich unter die Menschen zu mischen, um meinen Spaß zu haben.“ Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Lippen, als er diese Worte sprach, ohne genauer zu definieren, was er mit ‘Spaß haben’ meinte.
      „Du hast heute gute Fortschritte gemacht,“ fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. „Doch der Weg zu wahrer Meisterschaft ist lang und steinig. Du wirst Geduld und Entschlossenheit brauchen. Aber ich sehe das Feuer in deinen Augen.“
      Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick wieder über die Landschaft schweifen. Die Nacht war klar, und die Sterne funkelten am Himmel. Xanthos fühlte sich für einen Moment fast friedlich, ein seltener Zustand für jemanden seiner Art. Doch tief in seinem Inneren brannte immer noch der unstillbarer Durst, der ihn ständig antrieb.
      „Ruhe dich aus, Keira,“ sagte er schließlich, seine Stimme nun weicher. „Morgen beginnt ein neuer Tag, und wir haben noch viel zu tun.“


      Argus
      Der erste Lichtstrahl des Morgens drang durch die kleinen Fenster der Hütte und kündigte den Beginn eines neuen Tages an. Argus wachte früh auf, gewohnt an die Routinen des Landlebens. Er streckte sich ausgiebig, gähnte herzhaft und machte sich bereit für den Tag. Als er aus seinem Raum trat, war er überrascht, Adriana bereits wach und voller Tatendrang vorzufinden.
      „Guten Morgen, Adriana,“ begrüßte er sie mit einem warmen Lächeln. „Du bist ja früh auf den Beinen. Das gefällt mir.“ Er deutete auf die Tür. „Lass mich dir den Hof zeigen und einige der einfacheren Aufgaben erklären.“
      Er führte sie nach draußen, wo der frische Morgenwind die noch kühle Luft erfüllte. Die Sonne begann gerade zaghaft über den horizont zu klettern und die Felder mit ihrem goldenen Licht zu überziehen. Der Himmel war in einem zarten Farbenspiel aus Rosa- und Orangetönen gefärbt. „Hier sind die Hühner,“ erklärte Argus, als sie den Innenhof erreichten, in dem mehrere Hühner geschäftig herumstacksten und sich panisch in diverse richtungen verteilten, als die beiden Menschen in den Hof traten.
      Er nahm eine Schüssel Saatgut und streute es großzügig auf den Boden, worauf sich die flugunfähigen Vögel sofort um sie herum sammelten und fleißig damit begannen, die Körner aufzulesen. “Ich füttere sie jeden Morgen einmal“ sagte er und reichte die Schüssel an Adriana weiter. „Dann können wir die Nester nach frischen Eiern durchsuchen. Sie verstecken sie manchmal gut, also schau genau hin.“
      Nachdem die Hühner gefüttert waren, Argus ihr die Nester gezeigt hatte und sie gemeinsam alle Eier für das Frühstück eingesammelt hatten, machten sie sich auf den Weg zu den Ställen, die bis auf eine einzige Ziege leer standen.
      „Dieser Hof gehörte früher einem älteren Herrn, der mehrere Kühe hielt,“ begann Argus zu erklären. „Aber ich kann mir so viele Tiere nicht leisten, zumindest noch nicht. Deshalb konzentriere ich mich auf die Feldarbeit und halte nur ein paar Hühner und diese Ziege.“ Er deutete auf das Tier, das die ihr unbekannte neue Frau neugierig anblickte. „Sie ist mir irgendwann zugelaufen und hat sich hier im Stall eingerichtet. Keiner im Dorf vermisst sie, also habe ich sie behalten.“
      Er griff nach einem Bündel Heu und näherte sich der Ziege, die sofort begann, an seinem Ärmel zu knabbern. „Das macht sie öfter, also pass am besten auf wenn du versuchst sie zu füttern.“ lachte Argus und versuchte, seinen Ärmel aus dem Maul der Ziege zu befreien, die sich störrisch weigerte, ihn frei zu lassen. „Aber sie ist auch nützlich. Sie gibt etwas Milch, und ihre Anwesenheit hält die Hühnergesellschaft munter.“
      Nachdem er sich von der Ziege befreit hatte, wandte er sich wieder an Adriana. „Es ist nicht viel, aber es ist unser Zuhause,“ sagte er mit einem zufriedenen Ausdruck. „Ich hoffe, du fühlst dich hier wohl. Und wenn du Hilfe brauchst, zögere nicht, zu fragen.“
      Er sah sich um, die morgendliche Szenerie genießend. “Lass uns ein kleines Frühstück vorbereiten und uns dann an die Felder begeben.“
      In the midst of chaos
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    • Marcius
      Erstaunt beobachtete er die Verwandlung des Dämons vor sich. Wie er seine menschliche Gestalt annahm und zu etwas grässlichem wurde. Und wie er langsam zu Staub zerfiel. Doch nicht, ohne Marcius noch ein paar Worte mitzugeben über die er nachdenken sollte.
      Doch der junge Ritter betrachtete den Dämon entschlossen und unbeeindruckt von seinen Worten. Dämonen waren Lügner und bösartige Kreaturen. Ihren Worten durfte man keinen Glauben schenken. So ließ Marcius nichts von dem an sich heran. Er glaubte an die Götter und das sie die Menschen in eine glorreiche Zukunft führen würden.
      Das einzige was ihm Sorgen bereitete war, dass dieser Dämon unter den Menschen gewandelt war. Wieviele Dämonen befanden sich also noch unter ihnen?
      "Vielen Dank, verehrte Artemisia. Ich werde Euch nicht enttäuschen", versprach er und verstaute die goldene Feder wieder sicher an seiner Brust, wo seine Hand noch eine Weile ruhte. Gemeinsam mit der Göttin der Weisheit könnte er seinen Traum erfüllen, die Dunkelheit zu besiegen und seinem Land Wohlstand zu bringen.

      So machten sie sich am nächsten Tag zurück auf den Weg in die Hauptstadt, wo er sein Training fortsetzen würde. Er war stolz darauf ein Ritter des Königs zu sein. Und ebenso stolz darauf der Auserwählte einer Göttin zu sein. Doch dies behielt er für sich. Es zu offenbaren würde nichts daran ändern, dass er noch nicht so weit war, um auch nur annähernd als Held gefeiert zu werden. Er war ein junger Ritter, der sich selbst einen Namen machen musste, als sich auf dem Ruf der Göttin auszuruhen. Nun lag es an ihm, seine Mentorin, seine Familie und seine Vorgesetzten stolz zu machen.



      Keira
      Dämonen kosteten selbst vom Leben der Menschen?
      Ihr Blick ruhte auf Xanthos, dessen funkelnden Augen in der Dunkelheit hervorstachen. Sein bloßer Anblick konnte einem Furcht einflößen, doch nicht Keira. Keira empfand viel mehr Bewunderung und Faszination für den Dämonen.
      Das es nur ein Gerücht von den Göttern sei, dass Dämonen die Welt ins Verderben stürzen wollten, glaubte sie sofort. Zumindest teilweise. Denn die Götter selbst waren es, die der Welt immer wieder neues Leid hinzufügten. Wer erlaubte ihnen also über die Dämonen zu urteilen? Unschuldig waren Xanthos und seine Artgenossen aber sicher auch nicht. Doch Xanthos war ehrlich. Sicher hatte er auch Geheimnisse, doch bisher hatte er sie nicht angelogen. Das fühlte sie.
      Sie hob eine Augenbraue und betrachtete sein Lächeln, als er davon sprach, dass er gelegentlich seinen Spaß mit Menschen hatte. Dabei ging es vermutlich nicht nur um die Fleischeslust. Vielleicht hatte er auch seinen Spaß daran Menschen zu foltern oder zu töten? Doch das war ihr gleich. Menschen und Götter taten dasselbe.
      Als er sie lobte, betrachtete sie ihre Hand, mit der sie den Wirt umgebracht hatte. Ja, sie musste noch viel stärker werden, wenn sie es eines Tages mit Göttern aufnehmen wollte. Doch an Geduld und Entschlossenheit mangelte es ihr nicht. Sie wusste, wie die Welt funktionierte und wie sie darin zurecht käme.
      "Jawohl", antwortete sie und erhob sich aus dem Wasser, um ihr Haar auszuwringen und sich anschließend abzutrocknen. Sie sah ihn kurz dabei an, ehe sie sich frische Kleidung anzog und die andere wusch. Erst nachdem sie ein Seil aufgespannt hatte, um die Wäsche dort aufzuhängen, holte sie ihren Schlafsack heraus.
      "Gute Nacht, Meister." Kurz erschien ein freches, fast schon verführerisches Lächeln auf ihren Lippen, bevor sie sich zum Schlafen niederlegte.

      Am nächsten Morgen streckte sie sich ausgiebig, aß eine Kleinigkeit und widmete sich sofort wieder dem Training, nachdem sie das Pferd versorgt hatte. Es war, als wäre ihre Entschlossenheit über Nacht noch weiter gewachsen, sodass sie unerschöpflich ihr Schwert schwang, um ihre Fähigkeiten zu verbessern.



      Adriana
      "Guten morgen, Argus", begrüßte sie ihren Gastgeber und lächelte, während sie eifrig nickte. "Ja!"
      Sie folgte ihm und lauschte aufmerksam seinen Worten. Fasziniert beobachtete sie die Hühner, die erst vor ihnen wegliefen, dann aber über die Saaten herfielen. Der Anblick entlockte ihr ein Kichern und irgendwie machte es Spaß ihnen dabei zuzusehen. Nachdem sie ein paar Hände voll Futter verstreut hatte, ging es auch schon weiter. "Ja!" Erneut lief sie dem jungen Mann eifrig hinterher und half ihm dabei die Eier zu suchen.
      Sie schien auch an dieser Arbeit offensichtlich Freude zu haben. Jedes Mal wenn sie ein Ei fand, funkelten ihre Augen und das Lächeln auf ihren Lippen währte dauerhaft.
      So folgte sie ihm auch in die Scheune und hörte sich seine Geschichte an. Er hatte diesen Hof also von einem Mann übernommen? Nicht von seinen Eltern? Neugierig betrachtete sie Argus, doch schnell lag ihre Aufmerksamkeit auf der Ziege. Blinzelnd beobachtete sie, wie die Ziege an Argus' Ärmel knabberte und kicherte leise. "Hallo!", begrüßte sie die Ziege und stemmte ihre Hände auf ihre Knie, um sich leicht zu ihr runter zu beugen.
      "Es ist wundervoll", versicherte sie ihm gleich und strahlte fröhlich. Es mochte ein einfaches Leben sein, doch dafür konnte sie sehen, wie zufrieden er war und das machte sie glücklich. "Gern!" Sie nickte und wollte sich auch gern beim Frühstück nützlich machen, allerdings hatte sie so etwas noch nie gemacht. "Tut mir leid.. Ich musste noch nie etwas zu essen zubereiten..", gestand sie und sah ihn entschuldigend an. Doch sie war gewillt es zu lernen, um ihm besser zur Hand gehen zu können. Für ihn klang es vermutlich, als wäre sie aus einem Adelshaus geflüchtet. Wobei Gottheiten den menschlichen Adel noch weit übertrafen, was Eitelkeit anging.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia

      Verborgen, auf einer anderen Ebene des Daseins, ruhte Artemisias omnipräsenter Blick weiterhin wohlwollend auf ihrem Champion, während er sich auf den Weg zurück in die Hauptstadt machte.
      Marcius bewegte sich zielstrebig vorwärts, und jeder Schritt brachte ihn näher an sein Ziel, ein strahlender Ritter zu werden, der das Böse in der Welt bekämpfen und ihren Namen hinaus tragen würde.
      Die Reise zurück in die Hauptstadt war lang, und die Nächte brachten Kälte mit sich. Die Göttin nutzte diese Zeit, um Marcius’ Charakter und seine innersten Gedanken zu studieren. Seine Entschlossenheit und seinen unerschütterlichen Glauben spürend. Er war ein außergewöhnlicher junger Mann, und sie war stolz, ihn als ihren Auserwählten zu haben.
      Die Nächte vergingen, und bald erreichten sie die Tore der Hauptstadt. Die imposanten Mauern erhoben sich vor ihnen, und das geschäftige Treiben der Stadt erfüllte die Luft.
      Eine Stadt von vielen, die Artemisia in den letzten Jahrhunderten hatte aufsteigen - und zweifelsohne auch irgendwann fallen- sehen.
      In den folgenden Tagen und Wochen beobachtete sie aus der Ferne, wie Marcius sich wieder in das Leben am Hof integrierte. Er trainierte mit seinen Kameraden, absolvierte seine Pflichten und fand dabei immer wieder die Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu verbessern. Ihre Präsenz begleitete ihn, wie ein stiller Schatten, bereit, ihn zu unterstützen, wenn es nötig war.
      Einige Wochen vergingen in relativer Ruhe. Marcius wurde stärker, geschickter und klüger. Seine Hingabe beeindruckte nicht nur Artemisia, sondern auch seine Ausbilder und Kameraden. Eines Nachts, als der Mond hoch am Himmel stand und die Stadt in silbernes Licht tauchte, spürte Artemisia ein plötzliches Schaudern.
      Es lag zwar in weiter Ferne, fernab ihres Mach Einflusses, doch sie konnte es klar und deutlich spüren: Die Präsenz eines Dämons, mit dem sie bereits seit Anbeginn der Unsterblichen Kriege in Zwietracht lag.
      Ein Dämon, der sich schamlos jeder erdenklichen Lüge und Täuschung bediente und die Götter auf jede erdenkliche Weise zu verspotten versuchte. Und anscheinend hatte auch er sich nun einen Champion auserkoren.
      Der Scharlatan war also wieder bereit, neues Chaos zu stiften. Artemisias Augen verengten sich in angespannter Antizipation, ehe sie kurz entschlossen Ihr Reich wieder in Form der Schleiereule verließ und in die menschlichen Lande einkehrte.
      Sie wollte Marcius eigentlich noch eine Weile beobachten, ihn seine Fähigkeiten frei und ungestört entfalten lassen, doch die näher rückende Gefahr durch einen Auserwählten der Dämonen ließ ihr keine Wahl, als in sein Training einzugreifen.
      Es war tiefste Nacht, als die Eule sich lautlos auf den Sims des geöffneten Fensters setzte und die schlafende Silhouette des jungen Ritters betrachtete. Diese Nacht sei ihm noch Ruhe vergönnt, doch am nächsten Morgen schon würde sein neues Training anbrechen. Sie hoffte nur, dass sie diesen Menschen nicht überschätzte, und er bereit war das Nötige zu tun.



      Xanthos

      Die glühenden Augen des Dämons verfolgten Keira, während sie elegant durch das Wasser glitt.
      Ein hungriges Funkeln verbarg sich in den tiefen seiner Augen, doch er behielt vorerst Abstand und ließ sie in Ruhe baden. Ein Teil von ihm genoss die Rolle des stillen Beobachters, der ihre Fortschritte und ihre Entschlossenheit genau im Auge behielt.
      Als die Nacht hereinbrach und Keira sich in ihren Schlafsack legte, betrachtete er sie aus der Dunkelheit heraus. Ihr freches Lächeln und die Art, wie sie ihn als "Meister" bezeichnete, brachten ihn zum Schmunzeln. „Gute Nacht, meine Kriegerin,“ verabschiedete er sich von ihr, bevor er sich für die Nacht zurückzog. Nicht um zu schlafen. Schlaf brauchte er nicht, auch wenn es durchaus erfrischend war, ab und zu erfrischend war, seine Gedanken in einem Nickerchen abzuschalten.
      Nein, statt zu schlafen, erkundete er die Umgebung. Wonach genau, wusste er erst, als er es gefunden hatte:
      Eine Quelle menschlicher Emotion, die ihn anzog wie eine Motte zum Licht.
      Lautlos näherte sich der Rabe dem schwachen Schein einiger Fackeln.
      Eine Bande hungriger und frustrierter Banditen, ehemalige Bauern die in ihrer Verzweiflung ein nahegelegenes Dorf geplündert hatten.
      Schuldbewusstsein plagte sie, doch die Wut, die sie empfanden, über die Ungerechtigkeit und das Ungleichgewicht dieser Welt, überschattete jegliches Reuegefühl. Sie hielten sich im Recht dafür, von jenen gestohlen zu haben, die alles im Überfluss hatten, während sie selbst Hunger litten. Dieser Gedanke half ihnen, das Blut an ihren Händen zu ignorieren. Wie dramatisch.
      Erfreut, über diesen unerwarteten Fund in der Nacht saß der Rabe auf einem Aust und nährte sich an den übermäßigen Emotionen der Menschen unter ihm. Gewiss würde dies nicht nur ein Festschmaus für ihn alleine sein…
      Am nächsten Morgen war Keira schon früh auf den beinen und fleißig am Trainieren, ihre Bewegungen waren kraftvoll und präzise. Xanthos beobachtete sie eine Weile, ließ sie sich ein wenig warmlaufen, ehe der Raben aus dem Schatten heraus wieder in seiner humanoiden Form erschien und sich ihr langsam näherte, seine Schritte leise und geschmeidig wie die eines Raubtiers.
      “Das machst du gut. Aber wie wäre es mit einer kleinen Herausforderung?” begann er, seine Stimme ruhig und zugleich eindringlich, „in der Nähe befindet sich eine Gruppe Banditen. Sie haben die Nacht genutzt, um ein Dorf zu plündern, und ruhen sich nun auf ihrer Beute aus.“ Er machte eine kurze Pause und ließ die Information sacken, bevor er fortfuhr.
      „Sie sind schläfrig von ihrem nächtlichen Raubzug und mit ihren Waffen unbeholfen.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, während er sprach. “Es wäre doch kaum als ein Verbrechen zu sehen, von Dieben zu stehlen? Im Gegenteil, du würdest damit das Gleichgewicht wiederherstellen und gleichzeitig ein wenig richtiges Training genießen.“
      Seine Augen funkelten in der Morgensonne, als er Keira direkt ansah. “Eine perfekte Gelegenheit für dich, dein Training in die Praxis umzusetzen, findest du nicht?“
      Er ließ ihr die Entscheidung, wie sie vorgehen wollte, und trat wieder einen Schritt zurück, seine Präsenz weiterhin wachsam und bereit, sie zu unterstützen.


      Argus

      Die Begeisterung für die einfache Arbeit auf dem Hof und ihre Freude waren wirklich ansteckend entlocken Argus ein heiteres Lachen. “Das ist wunderbar zu hören,“ sagte er, als sie sich auf den Weg zurück zur Hütte machten. „Ein Lächeln und ein wenig Enthusiasmus machen die Arbeit gleich viel leichter.“
      Dass sie nicht wusste, wie man Kochte war nichts, wofür er sie verurteilen würde. Im Gegenteil, dass sie dennoch den Willen und die Motivation aufgebracht, es lernen zu wollen, fand er umso beeindruckender.
      “Mach dir keine Sorgen,“ erwiderte er freundlich auf ihre Entschuldigung. „Jeder fängt irgendwann einmal an. Das Wichtigste ist, dass du es lernen möchtest.“
      Den Geruch nach frischem Heu immer noch mit sich tragend, betraten sie gemeinsam wieder die überschaubare Hütte. Er zeigte auf den kleinen Holzofen in der Ecke des Raumes. „Wir werden es einfach halten. Lass uns Rühreier zum Frühstück machen.“ Er nahm ein paar der gesammelten Eier und begann, sie in einer Schüssel zu schlagen. „Das ist ganz einfach. Zuerst schlagen wir die Eier auf.“ Er hielt inne, um sicherzustellen, dass sie ihm folgte, und reichte ihr dann ein paar Eier. „Versuch du es.“
      Während sie die Eier aufschlug, stellte er eine Pfanne auf den Ofen und fügte ein Stück Butter hinzu. „Jetzt lassen wir die Butter schmelzen.“ Der Duft von schmelzender Butter erfüllte bald den Raum, und Argus lächelte erneut. „Du wirst sehen, es ist gar nicht so schwer.“
      Er sah ihr zu, wie sie die Eier in die Pfanne goss, und rührte dann vorsichtig mit einem Holzlöffel. „Jetzt musst du nur noch rühren, bis sie fest werden. Aber nicht zu lange, sonst werden sie trocken.“
      Als die Eier fertig waren, nahm er die Pfanne vom Herd und verteilte die Rühreier auf zwei Teller. „Das war’s schon. Ein einfaches, aber nahrhaftes Frühstück.“ Er reichte ihr einen der Teller und führte sie dann zu einem kleinen Tisch nahe dem Fenster, das einen Blick auf die Felder bot, die jetzt im Morgenlicht golden schimmerten.
      „Setz dich, Adriana. Lass uns gemeinsam frühstücken.“ Er setzte sich ihr gegenüber und begann, sein Frühstück zu essen. „Es freut mich wirklich, dass du hier bist. Ein wenig Gesellschaft macht das Leben auf dem Hof viel angenehmer.“
      Er genoss die Ruhe des Morgens, das leise Zwitschern der Vögel und das gedämpfte Glucken der Hühner im Innenhof.
      In the midst of chaos
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    • Marcius
      Der junge Ritter trainierte härter als je zuvor. Die Ehre von Artemisias erwählt worden zu sein, beflügelte ihn mehr denn je. Er wollte sich nicht auf einem Haufen Geld ausruhen oder ein ruhiges Leben innerhalb der sicheren Stadtmauern führen. Er wollte dafür sorgen, dass mehr Menschen ein sicheres Leben führen konnten. Dafür trainierte er und dankte der Göttin täglich dafür, dass sie ihn dabei unterstützte.
      Wie immer völlig erfrischt, streckte er sich ausgiebig als er erwachte. Doch dieses Mal spürte er etwas. Die Anwesenheit seiner Mentorin, welche ihn gleichermaßen erfreute, wie auch besorgte. Ob es einen Grund zur Sorge gäbe? Dies würde er wohl gleich erfahren.
      "Guten Morgen, werte Artemisia. Ist etwas passiert?", fragte er sogleich und wirkte zwar ruhig, während er sich anzog, aber auch aufmerksam. Er war bereit, sie so gut es ging zu unterstützen.



      Keira
      Fast entschlossener als zuvor, wobei dies wohl kaum möglich war, begann sie ihr Training und schwang ihr Schwert unnachgiebig. Der Verlangen, stärker zu werden, brannte dabei lichterloh in ihren Augen und umgab sie damit mit einer Stärke, die ihr selbst vielleicht nie wirklich bewusst war. Eines Tages, da hätte sie vielleicht allein aus dieser Hölle herausgefunden. Doch was dann? Xanthos versprach ihr mehr, als sie sich je zu träumen gewagt hätte. Die Chance, sich an den Göttern selbst zu rächen. Dafür brannte nun das Feuer in ihr, welches sie nähren würde.
      Als sich der Dämon in seiner menschlichen Gestalt näherte, beachtete sie ihn vorerst nicht großartig. Doch als seine Stimme erklang, hielt sie inne und betrachtete ihn. Er sprach von einer kleinen Herausforderung, was ihr Interesse weckte. Banditen. Ihre Hand griff das Schwert fester und ihr Blick wurde kälter. "Sie haben den Tod verdient", stimmte sie zu und ließ das Schwert zurück in die Scheide gleiten. Es war in der Tat eine gute Gelegenheit für sie um stärker zu werden. Auch, weil das Blut ihrer Opfer die Klinge des Dämons und somit auch sie stärken würde. Die Beweggründe dieser Leute hinterfragte sie nicht. Sie waren Mörder und Diebe, ganz gleich warum. Natürlich machte sie das ebenso zu einer Mörderin und Diebin, aber das sollte ihr recht sein. Wie Xanthos sagte, wäre es kein größeres Verbrechen von Dieben zu stehlen.
      "Zeig mir den Weg", forderte sie und war bereit, gegen diese Banditen anzutreten und fest entschlossen, sie alle zu töten.



      Adriana
      "Ja!" Voller Motivation begleitete sie den jungen Mann und prägte sich ein, was er ihr zeigte. Dann versuchte sie es selbst und war dabei hoch konzentriert. Dennoch sah es bei ihr längst nicht so gekonnt aus, wie bei ihm. Es gelangten auch einige Schalenstücke hinein, die sie hinterher herausfischen musste, ehe sie das Rührei zubereiten konnten.
      Sie verfolgte auch die nächsten Schritte, wobei ihre Faszination mit jedem Schritt anzuwachsen schien. Der Duft der Butter umhüllte und ließ sie lächeln, ehe sie die Eier hinzugaben und sie sorgfältig rührte, wie er es ihr gesagt hatte.
      Gespannt darauf, ihr Werk zu probieren, setzte sie sich mit ihm an den Tisch und musterte das angerichtete Mahl, ehe sie ihm ein strahlendes Lächeln zu warf, das selbst der Sonne Konkurrenz machen könnte. "Ich freue mich auch!", antwortete sie euphorisch. Dann probierte sie und war überrascht, wie gut es schmeckte. Leider hatte sie keine Vergleichswerte, aber wenn Menschen so einfach so etwas leckeres zubereiten könnten, war das schon mehr als faszinierend. Vielleicht brauchten Menschen gar keine Götter oder hatten sie so etwas etwa von ihnen gelernt? Vermutlich nicht.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia
      Die Eule blieb noch einen Moment auf dem Fensterbrett sitzen, ihre Augen leuchteten im schwachen Licht des Morgengrauens. Der Anblick des jungen Ritters, der mit solch einer Hingabe und Entschlossenheit aufstand, erfüllte sie mit einem tiefen Stolz, doch auch mit Sorge. Die Zeit, in der sie ihn ohne größere Einmischung trainieren lassen konnte, war nun vorbei.
      Mit einem leisen Flügelschlag glitt sie vom Fenster und verwandelte sich in ihre Gestalt, die sowohl anmutig als auch einschüchternd war. Ihre Gestalt schimmerte silbern im ersten Licht des Tages, und ihre Augen, tief und weise, ruhten sanft, aber fest auf ihrem Auserwählten.
      "Guten Morgen, Marcius," begann sie mit einer Stimme, die wie ein sanfter Wind durch den Raum strich, doch mit einer Schärfe, die nicht zu überhören war. "Du spürst es also auch. Es gibt tatsächlich einen Grund für meine Anwesenheit." Sie trat näher, und das Licht, das durch das Fenster fiel, spiegelte sich in ihrem silbernen Gewand wider. "In den Schatten unserer Welt bewegt sich eine Gefahr, die bis vor kurzem noch geruht hat. Einer der hinterhältigsten Dämonen, ein Wesen, das sich in den tiefsten Abgründen der Täuschung und des Chaos bewegt, hat sich erhoben. Und wie ich befürchtet hatte, hat auch er sich einen Champion unter den Menschen auserkoren."
      Sie machte eine Pause, ihre Augen verengten sich, als sie an den Dämon dachte, der ihr seit Ewigkeiten ein Dorn im Auge war. "Er wird nicht ruhen, bis er das Chaos entfesselt hat. Sein Champion wird das Werkzeug sein, durch das er seine Pläne in die Tat umsetzt.."
      Artemisia ließ ihre Worte einen Moment lang wirken, bevor sie fortfuhr. "Ich habe dich sorgfältig beobachtet, deine Fortschritte bewundert und deine Hingabe gespürt. Doch jetzt beginnt eine neue Phase deines Trainings. Du musst stärker, schneller und vor allem klüger werden, um diesen beiden entgegentreten zu können."
      Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, als ob sie die perfekte Herausforderung suchte, bevor sie ihre Augen wieder auf Marcius richtete. "Deine erste Aufgabe wird es sein, deine Sinne zu schärfen und deinen Geist zu stärken. Nicht jede Schlacht wird mit dem Schwert gewonnen. Viele werden im Schatten geführt, in den Gedanken und im Herzen. Daher wirst du heute nicht gegen einen physischen Feind kämpfen."
      Artemisia hob eine Hand, und eine kleine goldene Kugel erschien darin, die in einem ruhigen, aber beständigen Rhythmus pulsierte. "Dies ist dein heutiges Ziel," erklärte sie, während die Kugel leise in der Luft schwebte. "Ich werde es in den Wäldern außerhalb der Stadt verstecken. Deine Aufgabe wird es sein, es zu finden, aber nicht mit deinen Augen oder deinem Körper allein. Du musst es spüren. Wie du meine Anwesenheit spürst. Wie du in Zukunft die Anwesenheit aller anbahnenden Gefahren spüren können wirst. Lerne, dich mit der Welt um dich herum zu verbinden, jede Bewegung, jeden Klang und jedes Gefühl zu erkennen und zu deuten."
      Die Kugel begann sich langsam in die Luft zu erheben, schimmernd und tanzend, bevor sie mit einem letzten, funkelnden Lichtblitz durch das Fenster verschwand und in die Ferne schoss. "Finde die Kugel und bringe sie zu mir zurück," sagte Artemisia mit einer leisen, aber bestimmten Stimme. "Nur wenn du lernst, deinen Geist und deine Sinne in Einklang zu bringen, wirst du bereit sein, dich den Dämonen zu stellen."



      Xanthos
      Ihre Bereitschaft, Blut zu vergießen, entzückte Xanthos zutiefst. Er genoss es, denn Hass und die Rachsucht der Rothaarigen zu nähren, sie langsam zu formen, wie ein Bildhauer einen rohen Stein bearbeitet, bis die perfekte Waffe entstanden war.
      "So sei es", sagte er leise, sein Tonfall ruhig, fast sanft, aber unter der Oberfläche brodelte die Vorfreude auf das bevorstehende Blutbad. Ohne ein weiteres Wort war seine Gestalt nichts weiteres als Rauch, bevor schon einen Wimpernschlag später wieder der Rabe mit glänzendem, schwarzen Gefieder empor flog.
      Mit einem kräftigen Flügelschlag erhob er sich in die Lüfte, drehte eine enge Spirale über Keira um ihr zu verdeutlichen, dass sie ihm folgen sollte, ehe er in die Richtung des Banditenlagers davonschoss. Er hielt das Tempo moderat, gerade so schnell, dass seine eifrige Schülerin ihm auf ihrem Pferd mühelos folgen konnte.
      Der Wald unter ihnen war still, das dichte Laubwerk wurde nur von dem leisen Rascheln ihrer Bewegung gestört, während der Nebel des frühen Morgens sich langsam auflöste und die Sonne zaghaft über den Horizont kletterte. Es war beinahe zu idyllisch für das, was schon bald folgen sollte.
      Nach einer Weile erschien in der Ferne ein schwaches, flackerndes Licht, das durch die Bäume schimmerte. Xanthos glitt lautlos auf einen Ast, der hoch genug war, um einen guten Blick auf das Lager der Banditen zu haben, und wartete, bis Keira herankam. Unter ihm lagerten die Banditen, ihre Lagerfeuer nur noch glimmende Asche, die Beute verstreut in groben Säcken um sie herum. Kein Wachposten war zu sehen, keine Hunde, die Alarm schlagen könnten. Sie waren ausgelaugt von ihrem nächtlichen Raubzug, zu erschöpft, um an Sicherheitsvorkehrungen zu denken. Wie töricht, dachte der Dämon, doch auch wie passend.
      Die junge Frau schloss schließlich zu ihm auf und sah ihn erwartungsvoll an.
      Alles war so, wie er es versprochen hatte: die Menschen unter ihm lagen in tiefem, erschöpftem Schlaf, unwissend, wie nahe ihr Ende war. Er konnte das Rauschen ihres Blutes in seinen Ohren hören, den dumpfen Schlag ihrer Herzen, die in ihren Träumen rasteten, und er wusste, dass Keira dasselbe spüren konnte. Diese verirrten Seelen, die sich in ihrer Verzweiflung die Hände mit Blut befleckt hatten, würden nun selbst zur Beute werden.
      Xanthos landete auf Keiras Schulter, als wäre es völlig selbstverständlich für ihn, dort zu thronen.
      "Das ist dein Moment, meine Kriegerin", sagte er mit einer Stimme, die so leise war, dass sie kaum das Rascheln der Blätter übertönen würde, wenn er nicht so nahe an ihrem Ohr säße. "Zeige mir, wie du diese Situation nutzt."
      Seine Worte waren eine Aufforderung- ja, fast schon eine Herausforderung.
      Wobei dieser Test ja eigentlich schon zu einfach war, um ihn eine wahre Herausforderung nennen zu können.




      Argus
      Ihre Freude und Begeisterung waren so ansteckend, dass Argus sich beinahe selbst überrascht fühlte, wie viel Spaß ihm das einfache Frühstück bereitete. "Du hast das wirklich gut gemacht," sagte er und nahm einen weiteren Bissen von seinem Rührei. "Für dein erstes Mal in der Küche hast du dich großartig geschlagen. Und weißt du was? Das hier schmeckt köstlich!"
      Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sah kurz aus dem Fenster und genoss den Anblick der goldenen Felder, die im Morgenlicht schimmerten. Er hatte lange Zeit allein auf dem Hof gelebt, und auch wenn er die Einsamkeit nie als unangenehm empfunden hatte, merkte er doch, wie schön es war, jemanden an seiner Seite zu haben, der das einfache Leben zu schätzen wusste.
      "Und wenn du weiterhin so lernfreudig bist," fuhr er fort und zwinkerte ihr schelmisch zu, "können wir heute vielleicht noch etwas anderes kochen. Etwas, das ein wenig schwieriger ist. Was meinst du?"
      Er nahm einen weiteren Bissen und nickte dabei anerkennend. Die Eier waren perfekt – weich, aber nicht zu flüssig, mit genau der richtigen Menge an Butter. "Man könnte fast meinen, du wärst eine Naturtalent," fügte er mit einem Lachen hinzu. "Ich bin gespannt, was du als Nächstes zauberst."
      Der junge Mann genoss die friedliche Atmosphäre und das Gespräch, das zwischen ihnen floss. Er merkte, dass er Adriana immer mehr ins Herz schloss. Sie brachte eine erfrischende Lebendigkeit in seinen Alltag, und obwohl er nie das Bedürfnis nach Gesellschaft gehabt hatte, fragte er sich nun, wie er die langen Tage zuvor allein verbracht hatte.
      "Wenn wir fertig sind," fügte er hinzu, "könnten wir die Felder besuchen. Die Arbeit hier auf dem Hof ist nicht zu anspruchsvoll, aber sie hält uns auf Trab. Und vielleicht finden wir unterwegs noch ein paar Kräuter oder Beeren, die wir später in unsere nächste Kochsession einbauen können."
      In the midst of chaos
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    • Marcius
      Sie hatte also wirklich einen Grund für ihr Erscheinen. Genau wie er vermutet hatte.
      Aufmerksam lauschte er ihren Worten über einen Dämon, der diese Welt ins Chaos stürzen wollte. Irgendeine arme Seele hatte er in seinen Bann gezogen und missbrauchte sie nun für seine Zwecke. Ein Unheil, dass vermutlich weitaus schlimmer als ein Krieg zwischen den Menschenreichen war.
      Schweigend sah Marcius der Göttin in die Augen und nickte. Er war bereit für den Schutz anderer zu kämpfen. Auch gegen einen mächtigen Dämonen.
      Als Artemisia ihm seine nächste Prüfung offenbarte, betrachtete er die Kugel, die er finden sollte. "Jawohl, verehrte Artemisia."
      So machte sich Marcius auf dem Weg seine morgendliche Routine, wie etwa das Frühstück zu durchqueren, um dann nach der Kugel im Wald zu suchen. Er schloss seine Augen und atmete tief durch, um sich auf seine Umgebung zu konzentrieren. Wie der Wind sanft seine Haut streichelte und die Büsche leise bei den Berührungen der Tiere raschelten. Noch nie hatte er sich so sehr auf diese Sinne konzentriert und sah zu einem Reh, als er es in seiner Nähe hörte. Einen Moment lang beobachtete er es und ließ seinen Blick weiterziehen.
      Bei seinem ersten Versuch brauchte er eine Weile, bis er die Kugel tatsächlich fand. Dieses Gefühl war ungewohnt, doch er lernte damit umzugehen. Er lernte, seine Sinne besser zu beherrschen. Sogar im Alltag versuchte er das Gelernte umzusetzen und zu seinem Vorteil zu nutzen.
      Mit jedem Tag blühte er weiter auf und auch wenn die Bewunderung seiner Kameraden wuchs, blieb er so wie besonnen wie eh und je. Es war kein Ruhm, den er anstrebte. Nur die Macht, andere zu beschützen. Seine Kameraden und das Volk zu verteidigen.



      Keira
      Entschlossen schritt sie zu ihrem Pferd und folgte dem Raben zum Banditenlager. Etwas abseits band sie den Hengst wieder an einen Baum und beobachtete Xanthos, der sich auf einen Ast setzte. Sie hatte sich leise herangeschlichen und ließ ihren Blick über die Männer gleiten. Sie schliefen und schienen wirklich erschöpft zu sein. Sie jetzt anzugreifen wäre alles andere als fair, aber so war es eben. Es war nicht immer fair. Oder hatten sie den Dorfbewohnern eine Chance gegeben? Letztendlich war sich jeder selbst der nächste und diesen Leuten hier würde kaum jemand nachtrauern.
      Aufrecht und in stolzer Haltung ging sie auf das Lager zu und zog ihr Schwert. Die ersten beiden konnte sie erledigen, ohne dass sie bemerkt wurden. Mit einem effektiven Stich in die Kehle war ihr Leben schnell beendet. Keira hatte keinen Grund dafür mit ihnen zu spielen und sie zu foltern. Alles was sie wollte war, sie zu töten. Und je schneller sie das tat, desto weniger Gefahr bestand für sie selbst verwundet zu werden. Dem nächsten konnte sie noch schnell den Kopf abschlagen, ehe sie auf den Arm des vierten Mannes zielte, der eine Armbrust auf sie richten wollte. Beim letzten prallte ihre Waffe jedoch tatsächlich gegen dessen Klinge, sodass sie ihm kurz in die Augen sah. Viele Emotionen spiegelten sich in seinen Augen. Überraschung, Angst, Wut. Keira's Blick hingegen war kalt; ohne jegliches Mitgefühl für diesen Mann. Ihr Fuß landete zwischen seinen Beinen und ehe er sich versah, rollte auch sein Kopf.
      Das war das erste Mal, dass Keira ihr Schwert ausprobiert hatte. Sie war fasziniert davon, wie scharf es war und wie gut es sowohl durch das Fleisch, als die Knochen glitt. Ein bewundernswertes Schwert mit dem sie großes vollbringen könnte.
      Noch einen Moment lang beobachtete sie, wie das Blut an der Klinge hinab und über ihre Hand lief. Ihre Kleidung hatte ebenfalls etwas abbekommen, doch das schien sie nicht weiter zu stören. Es schien ihr überhaupt nicht schwer zu fallen zu töten. Diese Männer waren nichts, doch so hatten ihre Leben noch einen Nutzen bekommen: Keira zu stärken. Wer wusste, wieviel Blut sie vergießen müsste, um sich mit den Göttern selbst messen zu können. Doch das war ihr auch egal. Menschen, Götter oder Dämonen... Sie alle waren Abschaum. Der größte Abschaum waren jedoch die Götter, die sich als edel und Helfer aufspielten. Sie nutzten die Menschen nur für ihre Zwecke und belogen sie.
      "Das ist ein tolles Schwert...", meinte sie und betrachtete es noch immer. Es sah wirklich so aus, als würde es das Blut ihrer Gegner absorbieren. Also schob sie es zurück in die Scheide und sah sich im Lager um. In erster Linie interessierte sie sich für den Proviant und das Gold. Ansonsten hatten sie nicht viel brauchbares dabei. "Würdest du wirklich eingreifen, wenn ich es nicht allein schaffe?", fragte sie und hielt einen der Bolzen in ihren Fingern, als sie sich die Armbrust genauer ansah. "Vermutlich könntest du dir jederzeit einen neuen Krieger suchen... oder nicht?" Sie wollte keine Bestätigung, dass sie etwas besonderes sei und könnte auch damit umgehen, wenn sie nur eine von vielen war. Nur ein Werkzeug. Denn letztendlich war Xanthos das auch für sie. Ein Werkzeug, um ihrem Käfig zu entkommen und die Welt zu verändern. Nicht, dass es den Menschen ohne Göttern wirklich besser gehen würde. Aber schlechter sicher auch nicht. Und die Götter hätten es verdient. Sie wusste, wie die Welt funktionierte und wie kalt die Wahrheit sein konnte.



      Adriana
      Seine Worten fachten ihre Freude noch mehr auf, weshalb ihre Augen beinahe schon zu funkeln begannen. Bisher hatte sie die Menschen immer nur beobachtet, aber als eine von ihnen zu leben war ein völlig anderes Gefühl. Kurz dachte sie daran, dass sich die Dämonen schon oft unter die Menschen gemischt hatten, um diese Freude zu erleben. Wobei ihr klar war, dass sie sich nicht wegen der Feldarbeit oder des Kochens als Menschen ausgaben. Bei dem Gedanken blinzelte sie kurz und konzentrierte sich lieber wieder auf Argus' Worte. Sie wollte ihm nur beistehen und dem Dorf ihren Segen geben. "Ja, sehr gerne", stimmte sie zu und nickte lächelnd.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Artemisia

      Still beobachtete die kampferprobte Göttin Marcius aus der Ferne, wie er seine Übungen vollendete und seine Sinne schärfte. Es erfüllte sie mit einer tiefen Zufriedenheit, den Fortschritt ihres Auserwählten zu sehen. Seine Fähigkeiten wuchsen schneller, als sie es jemals erwartet hatte. Wo einst ein junger Krieger stand, der lediglich sein Schwert zu führen wusste, war nun ein wahrer Champion herangewachsen, dessen Sinne und Geist im Einklang standen.
      Die Monate vergingen, und Marcius' Name wurde über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt. Die Geschichten über seine Taten, sein unermüdliches Training und die unerschütterliche Hingabe zu seinem Volk verbreiteten sich schnell. Artemisia spürte den wachsenden Respekt und die Ehrfurcht, die ihm von seinen Kameraden und sogar von fremden Königreichen entgegengebracht wurden.
      Wochen und Monate des intensiven Trainings vergingen wie in einem Wimpernschlag, und eines Tages, als die Sonne tief am Himmel stand und die letzten Strahlen des Tages die weiten Wälder in ein goldenes Licht tauchten, erschien die Göttin in all ihrer goldenen Pracht erneut vor Marcius.
      Diesmal war ihre Präsenz drängender, als sie im Raum schwebte, der von einem kühlen Dämmerlicht erfüllt war.
      "Marcius," begann sie mit einer Stimme, die die Luft zum Vibrieren brachte, "die Zeit ist gekommen, dass du deine neu erlernten Fähigkeiten auf eine Art und Weise einsetzt, die über das hinausgeht, was du bisher getan hast." Sie ließ ihre Worte kurz in der Stille des Raumes hängen, bevor sie fortfuhr. "Schon bald wird ein Bote hier eintreffen, um dir ein Gesuch zu überbringen. Ein fernes Königreich hat von deinen Taten gehört, und sein König hat dir einen Auftrag von größter Bedeutung anvertraut."
      Ihre Augen leuchteten im schwindenden Licht, als sie näher trat. "Der König von Verandor hat dich auserwählt, seine Tochter, Prinzessin Elyria, auf einer gefährlichen Reise zu begleiten. Sie soll in ein benachbartes Königreich verheiratet werden, um ein Bündnis zu sichern, das für den Frieden in der Region von größter Bedeutung ist. Doch die Straßen sind nicht mehr sicher. Ein dunkles Wesen lauert in den Wäldern, ein Monster, das bereits viele Reisende überfallen hat."
      Artemisia machte eine kurze Pause und sah Marcius fest in die Augen. "Dieses Wesen… könnte mit dem Dämon in Verbindung stehen, den wir suchen. Es könnte der Schlüssel sein, um seinen Aufenthaltsort zu erfahren und seinen Einfluss zu schwächen."
      Sie trat noch näher, und ihre Präsenz erfüllte den Raum mit ihrer Macht. "Ich werde dich auf dieser Reise begleiten, denn dieser Auftrag betrifft nicht nur das Schicksal der Prinzessin, sondern auch das Schicksal unserer Welt. Deine Herausforderung wird es sein, nicht nur gegen das Monster zu kämpfen, sondern auch die Dunkelheit zu erkennen, die sich hinter den Gesichtern der Menschen verbirgt. Vertrauen ist eine Waffe, die ebenso scharf sein kann wie ein Schwert, aber auch ebenso tödlich."
      Die Göttin sah ihn einen Moment lang stumm an, in ihren Augen spiegelte sich die Tiefe der Verantwortung, die auf ihm lastete. "Bereite dich gut vor. Deine Reise wird bald beginnen."
      Sie würde ihn beobachten, ihm beistehen, aber auch prüfen, ob er wirklich bereit war für die Herausforderungen, die vor ihm lagen.



      Xanthos

      Mit stiller Faszination beobachtete der Rabe, wie Keira durch das Banditenlager schritt. Ihre Bewegungen waren präzise, fast schon elegant in ihrer Brutalität. Er genoss es; jede Entscheidung, die sie traf, jede Klinge, die durch Fleisch schnitt, und jeden Moment, in dem sie das Leben aus den Körpern ihrer Feinde zog. Es war ein Tanz des Todes, und sie führte ihn meisterhaft aus. Ihr wachsender Hass und die kalte Berechnung in ihren Augen erfüllten ihn mit Stolz, auch wenn er keine Freude im herkömmlichen Sinne kannte. Ihr Hunger nach Macht und ihre Verachtung für die Welt um sie herum waren der Stoff, aus dem große Krieger geschmiedet wurden – und Xanthos war der Schmied.
      Als sie ihren letzten Schlag ausführte und das Blut der Banditen über das Lager spritzte, spürte er das vertraute Kribbeln, das die Anwesenheit von Tod und Chaos in ihm auslöste. Die Luft, die sich um ihn legte, war erfüllt von dem eisigen Hauch der Vergänglichkeit, ein Geruch, den er seit Ewigkeiten nicht nur kannte, sondern wie einen feinen Wein zelebrierte.
      Er ließ einen Moment der Stille einkehren und begutachtete von dem Ast aus, in dem er saß, das gesamte Schlachtfeld. Sein Blick schweifte über die Leichen, die leblos im Morgengrauen lagen, das Blut, das sich in den Vertiefungen des Bodens sammelte. Für viele wäre dies ein grausames Schauspiel gewesen, doch für Xanthos war es eine Symphonie. Jeder Blutstropfen war eine Note, jeder erstickte Atemzug ein Teil der Melodie.
      Er flog herab und landete wieder auf ihrer Schulter, sein Gefieder dunkel wie die Nacht, seine Augen glänzten vor unheilvoller Erkenntnis. Sie sprach, stellte Fragen, doch Xanthos ließ sich Zeit, bevor er antwortete. Er beobachtete die Art, wie sie ihr Schwert bewunderte, wie das Blut daran klebte und von der Klinge gierig aufgesogen wurde.
      Wenn sie es weiterhin so gut nährte, würde sie schon bald beginnen, das wahre Potential dieser verfluchten Waffe zu entfalten.
      Er glitt sanft von ihrer Schulter hinab auf den Boden und verwandelte sich in seine menschliche Gestalt. Rauch umfing ihn, bevor sich die düstere Erscheinung mit den rubinroten Augen und den tiefschwarzen Haaren offenbarte. Er trat langsam zwischen die Leichen, als würden sie ihm den Weg bereiten, wie treue Diener, die den Pfad ihres Meisters säuberten.
      "Du hast gut gearbeitet", sagte er schließlich, seine Stimme rau und verführerisch, wie das Flüstern eines Sturms in der Ferne. "Diese Menschen waren nichts weiter als Schatten. Deine Klinge hat sie ins Nichts zurückgeführt, wo sie hingehören." Er hob eine Hand, als wolle er die Atmosphäre förmlich greifen, und zog den Geruch von Tod in sich hinein, als sei es das süßeste Parfum. "Aber es gibt weitaus größere Schlachten. Dieses Blutbad war nur eines von vielen die bevorstehen werden. Eine Vorspeise."
      Er blieb vor ihr stehen, seine Augen bohrten sich in ihre, als würde er nach einem Funken suchen, einem Funken, den er bereits sah, den er nur noch weiter schüren musste.
      Ein Moment der Stille verging, ehe er endlich ihre Frage beantwortete.
      "Würdest du es nicht allein schaffen, würdest du sterben." Sein Tonfall war kühl, nüchtern, als sei das ein unumstößliches Naturgesetz. "Ich würde nicht eingreifen. Nicht, weil du nicht wertvoll bist, sondern weil ich nur die Starken erhalte. Die Schwachen dienen mir lediglich als Opfer, als Werkzeuge, um die Stärke der Starken zu vergrößern."
      Er trat näher an sie heran, sein Schatten wirkte größer, als es die flackernden Überreste des Lagerfeuers vermuten ließen, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. "Doch du, Keira, bist stark. Deshalb bin ich hier. Ich sehe in dir Potenzial, das über die gewöhnlichen Menschen hinausgeht. Aber sei gewarnt – jeder, der stark ist, muss mit Entbehrungen rechnen. Die Götter, die du verachtest, wissen das. Sie werden dich jagen, wenn du zu mächtig wirst. Sie hassen jene, die sich nicht beugen."
      Seine Augen funkelten, als würde er an lange vergangene Zeiten zurückdenken.
      "Du fragst dich, ob ich mir einfach einen neuen Krieger suchen könnte." Ein leises Lachen entwich seiner Kehle, das jedoch kein Lachen des Vergnügens war, sondern eines, das Abgründe erahnen ließ. "Ja, das könnte ich. Aber warum sollte ich das wollen, wenn ich bereits das perfekte Werkzeug habe? Du bist weder austauschbar noch beliebig, Keira. Solange du stark bleibst, bist du es, die die Zügel in der Hand hält. Schwäche ist der einzige Grund, warum jemand wie ich einen neuen Krieger sucht."
      Er trat von ihr weg, als wolle er die Distanz wiederherstellen, eine Distanz, die ihm die Kontrolle sicherte.
      "Nutze mich, wie du willst, Keira. Auch ich bin ein Werkzeug, wie du sagst. Aber sei gewarnt – jedes Werkzeug hat seinen Preis. Die Welt, wie du sie verändern willst, wird im Chaos versinken, und es wird dich verschlingen, wenn du nicht bereit bist, in die Finsternis zu schreiten und die Götter selbst zu stürzen."
      Xanthos schritt über die Leichen, seine Schritte leicht und lautlos wie der Schatten selbst. "Aber genug von all dem. Genieße erst einmal deinen Triumph über diese Narren hier."
      Er deutete mit einer einladenden Geste auf das erbeutete Diebesgut, welches sich am Rande des Lagers stapelte. Es war ein recht ärmliches Dorf, welches die Banditen in der Nacht ausgeraubt hatten, daher gab es keine nennenswerten Kostbarkeiten. Doch Proviant war reichlich vorhanden.
      Sogar - "Den hier genehmige ich mir." verkündete der Dämon mit einem freudigen Funkeln in den Augen und griff nach einer noch versiegelten Flasche Wein.
      Auch er hatte seine Schwächen.



      Argus

      "Na wunderbar!" Seine Stimme klang leicht und fröhlich, beinahe so, als würde er sich selbst über seine eigene Freude wundern. Die letzten Jahre waren so ruhig gewesen, fast mechanisch – aufstehen, arbeiten, essen, schlafen. Doch jetzt, mit Adriana an seiner Seite, wirkte jeder Moment irgendwie lebendiger.
      Es war, als hätte jemand das Fenster zu einem Raum geöffnet, der lange verschlossen gewesen war, und nun strömte frische Luft herein.
      Während er sich vorbereitete mit ihr die Felder zu besuchen, fiel sein Blick wieder nach draußen. Die goldenen Felder, die im sanften Morgenlicht leuchteten, hatten etwas Friedliches an sich. Es war diese schlichte Schönheit, die ihn immer an diesem Ort gehalten hatte.
      Er griff nach seinem Hut, der an einem Haken an der Tür hing, und setzte ihn auf. "Also, los geht’s!" Seine Augen funkelten vor lauter Tatendrang, und er öffnete seinem Gast die Tür, wobei der Duft des Sommers in das Haus strömte.
      "Ach, und falls du unterwegs eine Pflanze findest, die du nicht kennst – frag mich einfach! Ich kenne jede Distel und jedes Unkraut auf diesen Feldern. Nicht, dass ich stolz darauf wäre, aber so ist das eben, wenn man hier draußen lebt." Er klopfte leicht auf seinen Hut und trat hinaus, wo die Sonne bereits warm auf seiner Haut lag.
      Argus konnte nicht umhin, ein kleines Liedchen vor sich hin zu summen, während sie den staubigen Pfad in Richtung ihres Ziels entlang schlenderten. Die Vögel zwitscherten fröhlich, und der Himmel war von einem strahlenden Blau. Es schien, als hätte das Leben, das so lange ruhig und geordnet verlaufen war, plötzlich eine neue Melodie gefunden – und die blonde Schönheit neben ihm war der Taktgeber.
      Als sie die Felder erreichten, breitete sich vor ihnen ein weites Meer aus Gold und Grün aus, das im warmen Sonnenlicht schimmerte. "So, das hier sind meine Felder", sagte Argus mit einem Anflug von Stolz in seiner Stimme. "Ich weiß, es ist nicht viel, aber es reicht aus, um mich und das Dorf gut zu versorgen. Außerdem gibt es mir einen Grund, jeden Tag rauszugehen und meine Hände schmutzig zu machen." Er zwinkerte ihr zu, während er einen Schritt auf das Feld machte.
      Der junge Mann begann, Adriana die Grundlagen der Feldarbeit zu zeigen. Er führte sie zu den ersten Reihen des Weizenfelds und erklärte, wie man die reifen Ähren erkennt. "Hier, schau mal," sagte er und zeigte auf eine der goldenen Ähren, die sich sanft im Wind wiegten. "Wenn sie so aussehen – prall und schwer – dann sind sie bereit. Einfach mit der Sense hier entlangfahren, aber immer schön vorsichtig, damit du nicht zu viel verlierst."
      Er zog eine einfache Sense vom Haken, der an einem Pfosten am Rande des Feldes hing, und machte eine sanfte, gleichmäßige Bewegung, um eine Handvoll Weizen zu schneiden. "Siehst du? Ganz einfach. Du musst nur den richtigen Winkel finden. Probier du es mal!"
      Argus reichte ihr die Sense und trat einen Schritt zurück, um Adriana Platz zu geben. Er sah ihr aufmerksam zu, bereit, jederzeit einzugreifen, aber auch voller Neugier, wie sie sich anstellen würde. "Keine Sorge, es ist nicht schwer", ermutigte er sie. "Mit etwas Übung wirst du das im Handumdrehen beherrschen."
      In the midst of chaos
      there is also opportunity
    • Marcius
      Der Ehrgeiz des jungen Ritters zahlte sich weiter aus. In der Gunst seiner Göttin verbesserte er sich in den nächsten Wochen und Monaten in beeindruckender Geschwindigkeit, was auch den Menschen in seinem Umfeld nicht verborgen blieb. Ihm wurde Ruhm zuteil den er zwar nicht begehrte, doch der ihm half, weiter Gutes zutun.
      So brachte ihm sein Ruf eine wichtige Aufgabe, die möglicherweise die Fähigkeiten gewöhnlicher Menschen übersteigen würde. Opfer mussten vermieden werden, aber er würde eine Handvoll Ritter mitnehmen, die ihm dabei helfen würden die Prinzessin zu beschützen. Er wählte weise, welchem der Ritter er eine solche Aufgabe wirklich anvertrauen könnte. Meinte die Göttin etwa das, als sie von Vertrauen sprach? Gab es in seinem Umfeld wirklich Menschen, die ehrenlose Ziele verfolgten?
      Deshalb wählte er nicht die, die als die geschicktesten und stärksten galten. Ja nicht einmal die, die als klügste galten. All diese Bewertungen waren zu objektiv. Er bewertete seine Kameraden nach seinem eigenen Gefühl. Nach der Zeit, die er mit ihnen verbracht hatte. Einer von ihnen, war in ein brennendes Haus gelaufen, um ein Kind zu retten. Ein anderer kämpfte um das Leben eines hoffnungslos verletzten Kameraden, der es dank ihm doch noch geschafft hatte.
      Das Monster bereitete ihm jedoch Sorgen. Viel mehr der Dämon, von dem Artemisia ihm erzählt hatte. Er schien mächtig zu sein, also musste Marcius alles daran setzen, um ihn aufzuhalten. Ihm war allerdings auch bewusst, dass der Kampf zwischen den beiden schon lange andauerte. Zu lange, als das er ihn in seinem jetzigen Zustand bereits beenden könnte. Er würde sich blindlings in sein Verderben stürzen, wenn er den Kampf suchen würde. Noch dazu würde er sich bestimmt nicht so einfach aufspüren lassen. Ob also wirklich ein Zusammenhang zwischen dem Monster und diesem Dämonen bestand?
      In erster Linie galt seine Aufmerksamkeit jedoch der Aufgabe, die man ihm anvertraut hatte. So reiste er nach der Ankunft des Boten in das Königreich, um vor den König zu treten und sich als geehrt auszusprechen, dass er ihm diese wichtige Aufgabe anvertraute.



      Keira
      Es überraschte sie nicht, dass sie sterben würde, sollte sie es nicht allein schaffen. Ein Dämon war eben nur auf sich selbst bezogen. Genau wie die Götter. Doch eines unterschied sie: Dämonen sprachen öfter die Wahrheit, egal wie schmerzhaft sie klingen mochte. Genau deshalb würde sie Xanthos immer weniger dafür verurteilen ein Unsterblicher zu sein, als die Götter. Götter versuchten ihre Arroganz zu verschleiern. Dämonen nicht.
      Ihre Augen blieben weiterhin auf seinen, nachdem er seine Antwort genauer erläutert hatte. Seine Präsenz, sein Schatten, der sich über sie legte, wirkte bedrohlich, doch Keira wich nicht zurück. Ihre fehlende Furcht bedeutete nicht, dass sie nicht großen Respekt vor ihm hatte. Ihr war klar, dass sie im Moment noch eher eine leichte Brise, als ein Sturm war. Doch sie begehrte, was Xanthos ihr geben könnte. Was er ihr schon gegeben hatte und sie nur noch nutzen musste.
      Nicht einmal sein Lachen erschütterte sie. Es umgab sie eher wie der Aufwind, den sie in ihren Segeln bräuchte. Sie war sein perfektes Werkzeug? Weder austauschbar noch beliebig?
      Seine Worte waren der Dünger, den Keira brauchte, um ihren ohnehin bereits lodernden Zorn zu schüren.
      Die Warnung - dass Stärke Entbehrungen brächte. Götter sie jagen werden, wenn sie mächtiger würde. Und das die Welt im Chaos versinken würde - konnte diesem Feuer jedoch nichts anhaben. Sie hatte nichts, das sie verlieren könnte. Doch sie hatte etwas, das sie nutzen konnte, um dies zu ändern. Ihre Entschlossenheit und die Gunst eines Dämonen. Ja, Xanthos war ein Werkzeug, das sich von ihrem Zorn und ihrem Frust nährte. Im Austausch dafür bekäme sie dafür die Macht sich aufzulehnen. Gegen die Götter selbst. Nichts wünschte sie sich sehnlicher.
      "Ich muss nur schnell genug stärker werden, um den Göttern die Chance zu nehmen, etwas gegen mich zu unternehmen", sagte sie entschlossen.
      Anschließend folgte sie ihm, beobachtete ihn und lernte von ihm. Ohne auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens bediente sie sich ebenfalls an der Diebesbeute. Der Wein, für den sich Xanthos interessierte, war ihr dabei vollkommen gleich. Ganz egal, welche Belohnung er sich bei ihren Triumphen raussuchen würde, würde sie diesen Tribut ohne Widerworte bezahlen.

      Keira könnte von sich überzeugt sein, keine Enttäuschung für ihren Meister - wie sie ihn gelegentlich nannte - zu sein. Täglich widmete sie sich unerschöpflich ihrem Training, forderte Xanthos dazu auf, sie zu unterweisen und gegen sie zu kämpfen. Suchte sich Gegner und Opfer, um zu wachsen.
      In wenigen Tagen hatte sie sich schon deutlich verändert und wuchs in den nächsten Monaten weiter. Ihr Selbstbewusstsein war unerschütterlich. Was früher zum Überleben notwendig war, wurde allmählich zu einer Waffe. Keira war sich durchaus bewusst, dass ihr Antlitz den Männern den Kopf verdrehte. Sie war jung und hübsch. Machte ihrem Meister als Dämon der Täuschung und List alle Ehre, indem sie Männern in Tavernen das unschuldige Mädchen von der Straße vormachte, was sie vor langer Zeit mal gewesen war. In ihren Zimmern raubte sie ihnen dann ihre Leben und ihr Gold. Eine mächtige Kriegerin konnte schließlich nicht von Luft leben.
      Eines Abends platzte sie in das Zimmer eines Mannes, der in Gesellschaft einer attraktiven Frau war. Unbeirrt schritt sie zum Bett herüber, in dem die Frau unbeeindruckt weiter ihre Begierde stillte, während der Mann irritiert zu Keira sah. Ihr Schwert durchbohrte seine Kehle, während ihr kalter Blick auf die nackte Frau fiel, die ihr ein Grinsen schenkte, aber das vermeintlich gute Stück des Mannes noch benutzte, bis sie mit einem lustvollen Stöhnen auf ihre Kosten kam.
      Keira wartete, bis die Frau von dem Toten stieg und sich die Blutspritzer mit der Kleidung des Mannes vom Oberkörper wischte, während sie Keira neugierig betrachtete. So wie Keira spüren konnte, dass es sich bei der Frau um eine Dämonin handelte, konnte diese spüren, dass Keira der Champion eines Dämons war. Die Rothaarige war inzwischen zum Tisch rübergegangen und ließ einen prallen Sack Münzen darauf fallen, der ein vielversprechendes Klimpern von sich gab.
      "Bring mir bei Männer zu verführen", forderte sie, woraufhin die Schwarzhaarige schmunzelte und die Arme unter ihrer Brust verschränkte, als wolle sie diese noch einmal besonders hervorheben.
      Keira musste sämtliche Waffen schärfen, die ihr zur Verfügung standen. Ihr Geschick, ihre Kraft, ihren Verstand, aber auch ihren Körper. Männer waren so einfach gestrickt, aber gestern war sie auf einen gestoßen, der kein Interesse an ihr hatte, weil er sie für unerfahren hielt. Sie wollte die Begierden der Männer erkennen, um sie besser täuschen zu können. Wie aber erkannte man die Gelüste eines Mannes, wenn es nicht einfach nur der Körper einer Frau war? Wer sollte ihr das besser beibringen als ein Dämon der Lust?
      "Hat dein Meister etwa kein Interesse an dir?", fragte sie theatralisch und machte sich über Keira's Forderung lustig. Ihr Schwert steckte noch im Körper des Mannes, zu dem sie etwa 3 Schritte bräuchte. Im Mantel, den die Schwarzhaarige zum Reinigen benutzt hatte, befand sich jedoch ein Dolch, den sie griff, um Keira anzugreifen. Keira hatte auch keine besonders vertrauenswürdige Ausstrahlung ihr gegenüber, weshalb sie vermutlich dachte, dass sie sie töten würde, sobald sie sie nicht mehr bräuchte.
      Allerdings wich Keira nicht aus und griff die Klinge stattdessen mit ihrer Hand, die von einem Lederhandschuh geschützt wurde. "Ich habe keinen Grund dich zu töten, wenn du mir gibst, was ich will. Allerdings fühle ich mich gekränkt, dass du meine Großzügigkeit ablehnst..", sagte sie mit kalter Stimme und sah zu dem Geldbeutel rüber. Die Dämonin ließ den Dolch los und schnappte sich den Beutel, ehe sie Keira argwöhnisch betrachtete. Es hatte sich inzwischen wohl herumgesprochen, dass Keira auch niedere Dämonen niederstreckte, um ihre Macht zu vergrößern. Unbedeutende Kreaturen. Dafür umso nahrhafter für ihre Klinge.
      "Zieh dich an. Ich erwarte dich im schlafendem Löwen", meinte Keira und zog ihr Schwert, um es in ihrer Scheide zu verstauen und dieses Gasthaus zu verlassen, um sich auf den Weg in besagtes Gasthaus zu machen, wo sie während ihres Aufenthalts in dieser Stadt nächtigte.
      Dort ließ sie sich auf einer Bank nieder und bestellte einen Krug Bier, während sie auf die Dämonin wartete. Es brodelte in ihr. Was kümmerte es sie, ob Xanthos Interesse an ihr hatte oder nicht. Mit ihm zu schlafen hätte keinerlei Vorteile für sie. Sie wollte Männer verführen, um sie dann ungesehen zu töten. Selbstverständlich bevor es überhaupt dazu kam, dass sie sich auszog. Sie musste sich nur anbiedern und nicht von diesem Abschaum tatsächlich beschmutzen lassen.



      Adriana
      Argus wirkte irgendwie zufriedener - glücklicher - als sonst. Dabei hatte sie ihn schon einige Wochen beobachtet. Er war so voller Leben - noch mehr als sonst - und so aufgeschlossen ihr gegenüber, dass er sie aufnahm und sie in seinen Alltag mit einband. Das erzeugte ein vertrautes und gleichzeitig fremdes Gefühl in der Göttin. Sie lebte von und für diesen Frieden. Die Freude der Menschen. Ihre Gelassenheit, Ehrlichkeit. Einfach alles, was Argus in sich hatte, als hätte sie ihn nach ihrem Bild erschaffen.
      Das Funkeln seiner Augen brachten sie zum Lächeln und ließ ihr göttliches Herz umso höher schlagen. Sie fühlte sich irgendwie mächtiger als sonst. Vielleicht konnte sie mit Argus Hilfe dieses Dorf noch besser beschützen. Die Arbeit störte sie nicht im Geringsten. Sie verbrachte gern Zeit mit ihm auf den Feldern. Ließ sich die verschiedenen Pflanzen und Arbeitsschritte erklären. Dabei sog sie jede Information neugierig auf.
      "Okay..", sagte sie etwas leiser und konzentrierter, als Argus ihr die Sense überließ, um den Weizen zu ernten. Oft hatte sie ihm dabei zugesehen, aber seine Erklärungen machten es unmöglich, dass sie es nicht auf die Reihe bekäme. Dadurch wirkte sie fast schon wie ein Naturtalent, aber das brachte sie nur noch mehr zum Strahlen.

      So vergingen die Tage und Wochen, während Adriana sich mehr und mehr nützlich machte, um Argus zu unterstützen. Sie freundete sich auch mit anderen Dorfbewohnern an, um auch sie besser kennenzulernen. Dieses Dorf wurde ihr immer wichtiger.
      Nur nachts, wenn sie wach im Bett lag, fragte sie sich, ob sie eine schlechte Göttin sei. Zu gern würde sie ihre Macht auf der ganzen Welt entfalten, doch die anderen Götter und Dämonen schränkten sie zu sehr ein. War es fair, sich nur auf dieses eine Dorf zu konzentrieren?
      Ihre Zweifel verblassten jedoch, sobald sie Argus am Morgen wiedersah und das Leben eines Menschen führen konnte.
      Sie hatte es doch so lange versucht, aber sie hatte einfach keine Chance. Kaum einer sprach zu ihr. Kaum einer verehrte sie. Aber Argus.. Argus glaubte an sie. Sowohl als Göttin, als auch als Mensch. Das war ein überwältigendes Gefühl. Sie hoffte nur, dass das, was die anderen Götter und Dämonen vorhatten, dieses Dorf verschonen würde. Die Wahl ihrer Champions, die nichts als Unruhen bringen würden.

      Adriana hatte nur nie bedacht, welche Facetten das Leben eines Menschen noch beinhalteten. Da gab es schließlich nicht nur Argus, der für seine Arbeit zu leben schien. Und natürlich kannte sie auch viele andere Menschen. Auch böswillige Menschen. Aber bis zum Schluss gedacht hatte sie nicht, als sie sich in Menschengestalt unter eben diese mischte. So lernte sie unter den Dorfbewohnern auch einige junge Menschen kennen. Menschen, die den Frieden, den sie in den letzten Wochen deutlicher denn je spürte, ins Wanken brachten. Nein, sie brachte den Frieden ins Wanken. Denn ihr Äußeres und ihre Art fing an, unbeabsichtigt die Herzen junger Männer zu erobern. Dabei zog sie den Groll einer jungen Frau auf sich, die einen der besagten Männer mochte, der Adriana unerwartet den Hof zu machen versuchte.
      Zum Glück kam er zur Besinnung, nachdem sie ihn mehrmals höflich vertröstet hatte. Aber auch, wenn er nun zu dem anderen Mädchen ging, war ihre Missgunst dadurch nicht gelindert. Adriana hatte überlegt, ob es an der Zeit wäre, die Menschen wieder zu verlassen, aber sie konnte einfach nicht. Sie genoss es viel zu sehr.

      "Dein Herz gehört bereits jemand anderem, nicht wahr?", fragte der nächste Interessent enttäuscht, als Adriana auch ihn freundlich zurückwies. "Ja...", antwortete sie zögerlich und hoffte, dass er es dadurch vielleicht besser verkraften könnte. Sie hatte nur nicht mit den Konsequenzen dieser Antwort gerechnet. "Bestimmt Argus! Sie wohnt ja auch schon bei ihm..", erklang die Stimme des Mädchens, das noch immer sauer auf sie war, hinter ihnen, die sie belauscht hatte. "Teilt ihr euch auch ein Bett?", stellte der Junge nun unangenehme Fragen, woraufhin Adriana ihren Kopf schüttelte. Was war das für eine Seite an den Menschen? Warum hatten sie sich so verändert? Und warum freuten sie sich nicht über das, was sie hatten und gönnten anderen ihr Glück nicht?

      Es war vielleicht wirklich besser, wenn sie dieses Dorf wieder aus der Ferne beobachtete. Deshalb lief sie zu den Hügeln, wo der Ausblick über die Felder sie immer noch faszinierte. Dorthin, wo Argus zu ihr gesprochen hatte und sie sich entschlossen hatte, sich ihm zu zeigen. Was für ein egoistisches Handeln. Und sie nannte sich die Göttin des Friedens?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Artemisia

      Die Abendsonne senkte sich langsam über das Königreich, tauchte die Ländereien in ein warmes, goldenes Licht, während die Schatten der Berge lang und bedrohlich auf die umliegenden Dörfer fielen. Hoch oben, in den ausladenden Ästen einer alten Eiche, saß eine Eule – groß, majestätisch und still. Ihre scharfen Augen blickten unablässig hinab auf das Lager, wo Marcius sich auf seine bevorstehende Reise vorbereitete.
      Artemisia, getarnt in der Gestalt des nächtlichen Vogels, beobachtete ihn in tiefer Stille. Sie sah jeden seiner Schritte, spürte jeden Gedanken, der ihn durchzuckte, als er mit seinen Kameraden sprach und die letzten Vorbereitungen traf. Er war ruhig, fokussiert, seine Bewegungen waren die eines Kriegers, der wusste, was auf dem Spiel stand. Es erfüllte sie mit einem Anflug von Stolz, wie sehr er sich weiterentwickelt hatte. Doch gleichzeitig lastete die Verantwortung, die sie ihm auferlegt hatte, schwer auf ihm – und auf ihr.
      ‘Vertrauen ist eine Waffe, die ebenso scharf sein kann wie ein Schwert, aber auch ebenso tödlich.’ Diese Worte hatte sie ihm mitgegeben, als sie ihn über die Mission unterrichtet hatte. Jetzt beobachtete sie genau, wie er dieses Vertrauen prüfte.
      Marcius wählte seine Männer nicht nach ihrem Status oder ihrer Stärke – sondern nach der Reinheit ihrer Herzen. Diese Männer hatten das Vertrauen von Marcius, und das war wichtiger als jede physische Stärke.
      Seine Vorbereitungen schienen reibungslos voranzuschreiten, und so erlaubte sich die Göttin in ihrer avianen Form ein weiteres Mal die Ländereien zu durchstreifen, in der Hoffnung, mehr Spuren ihres alten Feindes zu finden. Sie breitete ihre mächtigen Schwingen aus und erhob sich lautlos in die kühle Luft der Dämmerung. Weite Kreise zog sie über das Land, flog über dichte Wälder und karge Berge, über Dörfer und verlassene Ruinen, in denen vielleicht einst dunkle Magie gewirkt hatte. Doch so sehr sie auch suchte, so scharf ihre Sinne auch waren – nichts deutete auf die dämonische Präsenz die sie suchte hin. Kein Flüstern des Bösen, keine Spur des Schattenwesens, das so viele Leben zerstört hatte.
      Mit einem Hauch von Frustration in ihrem Inneren kehrte sie zurück, die Schwingen dicht an ihren Körper gepresst, als sie sich erneut auf einem Baum nahe des Lagers niederließ. ‘Geduld,’ ermahnte sie sich selbst. ‘Er ist gerissen. Er weiß, dass ich ihn suche. Er wird sich nicht so leicht zeigen.’
      Doch so enttäuscht sie auch über ihre erfolglose Suche war, Artemisia wusste, dass der Schlüssel zu ihrem Sieg bei Marcius lag. Der junge Krieger trug eine größere Stärke in sich, als er sich selber bewusst war.
      Und so folgte sie dem sorgsam zusammengestellten Trupp – eine stille, wachsame Wächterin, verborgen in der Gestalt einer Eule, immer darauf bedacht, die Wege des Schicksals zu lenken, auch wenn sie wusste, dass selbst sie nicht alle dunklen Geheimnisse dieses Spiels entschlüsseln konnte.




      Xanthos

      Als Mensch getarnt, saß der Dämon entspannt an einem dunklen Holztisch in einem Gasthaus, das nur schwach von den flackernden Kerzen an den Wänden erleuchtet wurde. Der Geruch von feuchtem Holz und billigem Wein lag schwer in der Luft, vermischt mit dem leisen Gemurmel der Gäste, die sich in den Schatten der Ecken flüchteten. Er nippte an einer Flasche, teuren, dunklen Weins, der so schwer auf der Zunge lag wie die Erinnerung an Blut. Jeder Schluck war ein Genuss, eine tiefe Befriedigung für das, was man seine Seele nennen konnte.
      Doch während er dort saß, halb in Gedanken verloren, halb die grotesken Erinnerungen der letzten Schlacht genießend, war sein Geist auf Keira gerichtet. Eine Verbindung, unsichtbar und doch unzerbrechlich, verband sie miteinander. Er konnte ihre Präsenz immer fühlen, als wäre sie ein Teil seiner selbst geworden – ein Werkzeug, ja, aber auch ein Instrument seines Willens und seines Machtstrebens.
      Ihr Wachstum erfüllte ihn mit einer stolzen Freude, wie ein Gärtner, der eine Blume pflegte, deren Blütenblätter aus Klingen und deren Wurzeln in Blut getränkt waren. Jeder Tropfen, den sie vergoss, war Nahrung für sein eigenes Streben nach Chaos.
      Er konnte spüren, dass sie sich jetzt in der Nähe eines anderen Dämons befand – schwach, unbedeutend im Vergleich zu ihm. Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, das von dem kalten Licht des Gasthauses kaum erfasst wurde. Es kümmerte ihn nicht. Die Dämonin, die Keira begegnet war, war nur ein unwürdiges Hindernis, bestenfalls ein weiteres Werkzeug, das nach Belieben genutzt oder zerstört werden konnte. Sollte die Situation eskalieren, würde er es sofort spüren. Doch da war kein Anzeichen von Gefahr, nichts, das seine Aufmerksamkeit erforderte. Keira war in der Lage, sich zu verteidigen. Das hatte sie bewiesen.
      Und so konnte er sie getrost umherstreifen und ihren eigenen Hunger stillen lassen.
      Seine Gedanken wanderten weiter, als er an der Flasche nippte und den herben Wein auf seiner Zunge spürte. Es war faszinierend, wie schnell sie wuchs, wie sie sich an seine Lehren klammerte und sie in sich aufsaugte. Er sah jeden Schritt ihres Fortschritts, fühlte jeden Moment, in dem sie stärker wurde, und er genoss es, fast wie ein Sammler, der ein Kunstwerk betrachtet.
      Trotzdem blieb ein Gedanke unausgesprochen, tief in seinem Bewusstsein verborgen: Keira war begehrenswert. Nicht nur wegen ihrer Stärke oder ihres unbändigen Willens, sondern auch wegen ihrer Schönheit, die wie eine Klinge war – scharf, kalt und tödlich. Xanthos hatte das nicht übersehen. Nur ein Idiot könnte so etwas übersehen.
      Er war ein Dämon, und Begierde war ein Teil seiner Natur. Doch aus einem tieferen Grund hatte er nie den Versuch unternommen, sich ihr auf diese Weise zu nähern. Es war nicht, weil er sie nicht begehrte, sondern weil er wusste, dass Verlangen die Kontrolle schwächen konnte. Und Xanthos war nichts, wenn nicht ein Meister der Kontrolle.
      Seine Beziehung zu seiner Auserwählten war eine von Macht und Abhängigkeit, von Manipulation und Nutzen. Würde er sich ihr körperlich nähern, könnte das die Dynamik zerstören, die sie gemeinsam aufgebaut hatten. Er mochte sie, das war unbestreitbar. Sie war wie ein geschätztes Haustier, eine treue Kreatur, die er formen und leiten konnte. Doch genau deshalb durfte er sich nicht von Begierde leiten lassen. Es war unter seiner Würde, sie zu etwas so Banalem zu degradieren.
      Der Wein rann seine Kehle hinab, als er erneut trank, und seine Gedanken kehrten zu dem zurück, was wirklich zählte: Macht. Keira musste stärker werden, schnell, so wie sie es sich vorgenommen hatte. Sie war sich bewusst, dass die Götter sie jagen würden, wenn sie zu mächtig wurde. Und Xanthos wusste, dass dieser Tag kommen würde. Aber das war ein Teil des Spiels, das er spielte. Sie zu stärken, sie an die Spitze zu führen, um schließlich die Götter selbst zu stürzen. Ein ehrgeiziger Plan, doch genau solche Pläne hatte der Dämon über Jahrhunderte gesponnen. Er genoss den Gedanken, wie die Götter, die so lange über die Welt geherrscht hatten, fallen würden – und Keira würde die Speerspitze sein.



      Argus

      Argus hatte den Hof aufgeräumt und sich darauf gefreut, mit Adriana den Abend zu verbringen. Sie hatte heute früher als sonst das Haus verlassen, und das war ihm aufgefallen. Normalerweise kehrte sie rechtzeitig zum Abendessen zurück, aber als die Sonne hinter den Hügeln versank und die Schatten länger wurden, war von dem jungen Mädchen weit und breit nichts zu sehen.
      "Wo steckt sie bloß?", murmelte er besorgt und schob seinen Hut zurück, während er die Felder überblickte. Es war ungewöhnlich für sie, sich so lange von den Feldern fernzuhalten, vor allem jetzt, wo die Ernte in vollem Gange war.
      Der junge Bauer schnappte sich eine Laterne und trat hinaus in die abendliche Stille. Der vertraute Duft von frisch geschnittenem Gras und Weizen umgab ihn, als er den Pfad entlangging, den sie seit ihrer Ankunft odt gemeinsam gelaufen waren. Sein Herz schlug schneller als sonst, und ein flüchtiges Gefühl der Unruhe breitete sich in seiner Brust aus. Es war nicht wie sie, einfach so zu verschwinden.
      Er hielt kurz inne und runzelte die Stirn. Mehrere junge Männer aus dem Dorf hatten in den letzten Tagen das Gespräch mit der goldhaarigen Shcönheit gesucht. Er hatte es nicht übersehen, wie sie sich immer wieder an sie heranwagten, sie höflich ansprachen und ihr sogar ihre Zuneigung gestanden. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, als er daran dachte, wie höflich sie jeden Einzelnen abwies. Sie schien sich ihrer Wirkung auf die anderen gar nicht bewusst zu sein.
      Und doch war da jedes Mal dieses seltsame Gefühl, das ihn beschlich, wenn er sah, wie jemand ihr näherkam. Er konnte sich nie ganz erklären, warum. War es nur Sorge um sie, oder etwas anderes? Er schüttelte den Kopf. Das ist doch Unsinn, dachte er und versuchte, die leisen Zweifel in seinem Inneren zu unterdrücken.
      Argus setzte seinen Weg fort, sein Blick suchte die Felder ab. Schließlich entdeckte er in der Ferne eine schlanke Gestalt, die am Rand des Hügels stand. Adriana. Ihre Silhouette hob sich dunkel gegen das letzte goldene Licht des Tages ab.
      Er beschleunigte seine Schritte, während das mulmige Gefühl in seinem Bauch stärker wurde. Sie stand so ruhig da, als wäre sie tief in Gedanken versunken, und das machte ihn nur noch unruhiger. Als er näher kam, spürte er, wie der Wind über die Felder wehte und die langen Halme wie Wellen im Meer tanzen ließ.
      "Adriana!" rief er sanft, als er fast bei ihr angekommen war. Argus musterte sie genauer. Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Ihr Gesicht war nachdenklich, ihre Augen wirkten... verloren.
      "Hey", sagte er vorsichtig, als er auf ihrer Höhe stehen blieb. "Ist alles in Ordnung?"
      Er wusste, dass etwas nicht stimmte, doch er konnte es nicht greifen. Sie war immer so stark und unerschütterlich gewesen, und nun sah sie aus, als würde eine Last auf ihren Schultern liegen, die er nicht verstehen konnte.
      "Ich hab dich überall gesucht", fuhr er leiser fort und sah zu ihr auf. "Du warst... nicht beim Abendessen." Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, als er versuchte, die Schwere der Situation mit einem Hauch von Leichtigkeit zu durchbrechen. Aber innerlich nagte die Sorge an ihm.
      In the midst of chaos
      there is also opportunity
    • Marcius
      Nachdem sie ihre Aufgabe angetreten waren und mit der Prinzessin reisten, veränderte sich die Stimmung im Trupp ein wenig. Die Prinzessin war eine wunderschöne Frau mit einer lieblichen Stimme. Gelegentlich sprach sie mit den Männern, wurde von ihren Begleitern die meiste Zeit jedoch beinahe schon in die Kutsche eingesperrt. Dort war sie schließlich am sichersten.
      Marcius ließ sich weder von ihrer Schönheit, noch der einer anderen Frau blenden. Für ihn zählte nur die Mission und deshalb behielt er die Umgebung stets im Auge. Er achtete auch auf seine geheime Begleiterin, dessen ausgestreckten Schwingen er gelegentlich erblickte. Sie war an seiner Seite und unterstützte ihn, aber er würde sich nicht einfach nur auf sie verlassen. Nicht, weil er ihr nicht vertraute. Sondern weil es seine Aufgabe war, die Prinzessin zu eskortieren und für Ordnung im Land zu sorgen. Artemisia war nur seine Mentorin, die ihn dabei unterstützte, aber nicht seine Arbeit abnahm.
      Bevor sie sich aber dem Gefahrengebiet näherten, schlugen sie ein weiteres Mal ihr Lager auf. Sie mussten ausgeruht und vorbereitet sein, um den Wald zu durchqueren. Auf diese Weise verloren sie zwar ein paar Stunden, aber sie müssten nicht im Wald nächtigen und könnten ihn so innerhalb eines Tages durchqueren, um die Gefahren zu reduzieren.
      Marcius blieb dabei immer in der Nähe der Kutsche, in der die Prinzessin möglichst komfortabel schlafen sollte. "Ihr habt eine besondere Ausstrahlung..", hörte er ihre Stimme, als sie sich den Sternenhimmel aus dem Fenster aus ansah. Dann sah sie nach unten zu Marcius, der sich an die Kutsche gelehnt hatte. "Ich fühle mich sicher bei Euch", fügte sie hinzu. "Ich lasse nicht zu, dass Euch etwas passiert, Prinzessin...", versprach er, behielt seinen Blick aber auf der Umgebung. "Ihr solltet etwas schlafen..", sagte er ihr, woraufhin sie sich zurückzog und das Fenster schloss.


      Keira
      Als die Dämonin in den Raum trat, beobachtete Keira, wie sie durch ihre bloße Anwesenheit bereits die Aufmerksamkeit einiger Männer auf sich zog. Sie war wunderschön und hatte eine Ausstrahlung, die sie beinahe wie eine Raubkatze wirken ließ. Dazu ihre besonders weiblichen Kurven, die sie in enge Kleidung gepackt hatte. Sie stach hervor, denn nicht viele Frauen trugen Hosen. Zu der schwarzen Lederhose trug sie auch noch ein braunes Mieder, welches ihre Brüste betonte, ohne das sie rauszufallen drohten, wie bei manch einer Kellnerin. Soviel konnte Keira nun zumindest schon einmal über ihren Kleidungsstil in Erfahrung bringen.
      Sie bestellte einen Wein und setzte sich zu ihr. Vermutlich wollte sie diese Lehrstunden schnell hinter sich bringen und begann bereits Keira ein paar Lektionen zu erteilen. Keira war eine Kriegerin. Das bedeutete vor allem zwei Dinge: Zum einen, würde ein Kleid ihr nicht gerecht werden und sie solle sich nicht wie eine gewöhnliche Frau anziehen. Gewöhnliche Frauen gab es in Städten wie dieser in Hülle und Fülle. Zum anderen strahlte sie eine Stärke aus, die sie nur zu dosieren wissen musste.
      Die Männer würden Interesse bekommen, wenn sie sich von den anderen Frauen abhob. Wenn sie allerdings so aussah, als würde sie die Männer verabscheuen, würde das die meisten auch eher verschrecken. Sie sollte also eine Balance finden. Ihre Anziehungskraft als Kriegerin nutzen und den Männern das Gefühl geben, dass sie unwürdig, aber irgendwie auch würdig waren, ihre Zeit mit ihnen zu verbringen. So hatte Keira das zumindest verstanden. Sie sollte eine - in ihren Worten - exotische Frucht sein, die zu verlockend war, um widerstehen zu können. Wobei es manchmal auch ein wenig mehr Fingerspitzengefühl erforderte, wenn sie nicht nur irgendeinen Mann wollte, sondern einen bestimmten. Dann solle sie ihn beobachten und abschätzen, wie sie ihm am besten begegnen sollte.

      Während all ihrer Erklärungen trank die Schwarzhaarige mehrere Kelche Wein, die sie sich alle von Keira spendieren ließ. Auch Keira sollte es mal versuchen, da sie mit dem Krug Bier in der Hand eher wie eine Barbarin aussah, als wie eine verführerische Schönheit. Sie hatte Potential, aber hier und da fehlte es einfach an Feingefühl.
      Sie verschwanden auf Keira's Zimmer, wo die Dämonin sich einen Überblick über die Habseligkeiten der Rothaarigen machte. Zuerst mussten die Lederhandschuhe weg. Im Kampf waren sie praktisch, aber nicht besonders verführerisch. Stattdessen könnte sie Lederriemen an den Handgelenken tragen, wenn sie das einfachem Stoff vorzog. Sie verwandelte das kriegerische Outfit in etwas aufregenderes, in dem sie ihre Geschicklichkeit nicht einbüßen würde. Die Robe sollte enger an der Hüfte anliegen, um ihre Weiblichkeit zu betonen. Nur ein paar kleine Änderungen sorgten dafür, dass Keira vollkommen anders wirkte. Narren würden sie noch immer unterschätzen, aber ihr Antlitz wurde gleichzeitig der einer Kriegerin, als auch einer Frau gerecht.
      Ihr Haar trug Keira in den Städten immer offen und band es beim Training zu einem Zopf zusammen. Die Dämonin kämmte jedoch einen Teil ihrer Haare nach hinten, damit sie vorne weniger störten und hinten immernoch schön fielen. Wildes, rotes Haar hatte seinen Reiz, meinte sie, aber sie sollte sie zumindest ein wenig bändigen.
      So viel zu den Vorbereitungen. "Nun bist du mit einem Mann im Zimmer und dann?", fragte sie und blickte neugierig in die kalten Augen der Menschenfrau. "Töte ich ihn."
      Die Dämonin lachte und schüttelte den Kopf. "Blut und Gold sind nicht alles, meine Liebe." Wenn sie den Mann also nur genug den Kopf verdrehen würde, könnte sie auch Informationen gewinnen, die ihr helfen könnten. Ein weiterer Vortrag folgte, den die Dämonin mit viel zu anschaulichen Beschreibungen versah, wie man einen Mann zum Reden bringen könnte. Außerdem könnte man sich generell auch erst ein wenig amüsieren, meinte sie. Nur konnte Keira sich kaum vorstellen, dass es amüsant sein könnte. Ihr Widerspruch brachte die Schwarzhaarige aber nur dazu weiter zu reden. Diese verführte die Männer immerhin ausschließlich um Spaß zu haben. Spaß war für Keira ein Fremdwort in jeder Hinsicht. Diskussionen brachten sie jedoch nicht weiter. Die Argumente der Dämonin waren schlüssig. Es könnte bei Gelegenheit durchaus sinnvoll zu sein einen Mann nicht sofort zu töten.
      Für diesen Abend hatte Keira allerdings genug Belehrungen und wollte nichts über gezielte Berührungen und Bewegungen hören. Das sollte sich die Dämonin für den nächsten Abend aufsparen. Sie war kurz davor für einen weiteren Abend noch mehr Geld zu verlangen, aber sie merkte, dass sie Keira's Gnade nicht überstrapazieren sollte. Am Ende würde ihr Kopf doch noch über den Boden rollen.
      "Was hält denn Xanthos von dieser Sache? Hat er dich dazu angestiftet?", fragte sie mit einem Schmunzeln.
      "Ich tue, was immer ich selbst für nötig erachte. Xanthos ist nur der Wetzstein, der meine Klinge schärft", antwortete Keira, was das Schmunzeln ihres Gegenübers noch größer werden ließ.
      "Na dann fragen wir ihn doch, ob er uns assistiert!", schlug sie vor und klatschte entzückt in ihre Hände.
      "Du könntest ihn herrufen... Oder willst du lieber versuchen ihn zu verführen?"
      Keira könnte ihn tatsächlich rufen, was aber nicht bedeutete, dass er auch immer käme. Allerdings bezweifelte sie, dass sie einen mächtigen Dämon wie Xanthos verführen könnte. Vor allem, weil er sie kannte und wusste, dass sie ihm nichts zu bieten hätte. Ihre einzige Erfahrung mit Männern bestand darin sich nicht zu wehren und ruhig zu sein.
      "Wir brauchen keinen Mann dafür", war Keira überzeugt und griff nach dem Handgelenk der Schwarzhaarigen, um sie auf das Bett zu werfen. Dieses ganze Gerede über Xanthos nervte sie. Sicher konnte sie es auch ohne Mann lernen. Die Dämonin verengte ihre Augen und wartete darauf, dass Keira sich auf ihre Hüften setzte. Dann packte sie Keira, um sie anleiten zu können. "Sei doch nicht so steif!", rollte sie mit den Augen.
      Nachdem Keira etwas an Geschmeidigkeit gewonnen hatte, drehte die andere sie um und beschloss es ihr vorzuführen. Die Rothaarige beobachtete sie zwar aufmerksam und würde daraus lernen, doch in ihren Augen loderte keine Lust, sondern nur Missgunst und Zorn. "So wird das nichts...", seufzte die Dämonin und rutschte ein Stück nach unten, um Keira's Gürtel zu öffnen und neben das Bett fallen zu lassen. "Was tust du?", zischte Keira und hielt ihre Hand fest. "Das, wofür du mich bezahlt hast", antwortete sie und fing an Keira's Hose auszuziehen. "Du wirst verführerischer aussehen, wenn du weißt, wie sich Lust anfühlt. Als du das erste Mal ein Schwert in der Hand hattest, sahst du vermutlich auch nicht sehr gefährlich aus", erklärte sie.
      Etwas widerwillig ließ Keira sie also gewähren, denn das war immer noch besser als Xanthos um Hilfe zu bitten. Viel mehr würde sie es ja fordern, aber das machte das ganze auch nicht besser.

      "Siehst du? Es kann auch Spaß machen...", meinte die Dämonin zufrieden, nachdem sie Keira mit einem Zusammenspiel aus Zunge und Fingern ihren ersten Höhepunkt im Leben beschert hatte.
      Ihr Körper war warm und ihr Herz schlug unweigerlich schneller. Außerdem zitterten ihre Beine ein wenig. Es war ein komisches Gefühl gewesen, als die andere Frau damit begonnen hatte, aber am Ende eigentlich gar nicht so übel. "Sind wir jetzt fertig?", fragte Keira mit gedämpfter Stimme, während die Dämonin aufstand. "Ich denke schon. Wenn du noch etwas brauchst, findest du mich..", meinte sie und verabschiedete sich, sodass Keira das ganze in Ruhe verarbeiten konnte, nachdem sie sich unter der Bettdecke verschanzt hatte.
      So schnell beruhigte sie sich jedoch nicht und musste immer wieder darüber nachdenken, wie es wäre mit einem Mann zu schlafen. Dabei musste sie auch noch ständig an Xanthos denken und hoffte, dass er diese Gedanken nicht als Ruf interpretieren würde. Sie wollte lieber ihre Ruhe und schlafen. Und Männer zu töten hatte immer noch Priorität.


      Adriana
      Es fiel ihr schwer, einfach zu gehen. Vielleicht sollte sie sich wenigstens von Argus verabschieden. Aber was sollte sie ihm sagen? Sie konnte es ihm nicht erklären, obwohl er es vielleicht sogar verstehen könnte.
      Ein kleines, betrübtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als Argus sie fand und fragte, ob alles in Ordnung wäre. Er hatte sie überall gesucht, weil sie nicht beim Abendessen war. Bei diesem Gedanken zog sich ihre Brust zusammen und ließ sie weitere Fehler erkennen. Sie hatte diesem jungen Mann schon so viel Arbeit aufgehalst und dann auch noch sein Essen verschwendet. "Ich habe keinen Hunger...", antwortete sie leise, konnte ihren Blick aber nicht von ihm abwenden. Er wirkte ehrlich besorgt und das zerbrach ihr das Herz.
      Hatten die anderen Recht? Hatte sie sich in diesen Menschen verliebt? Warum war er ihr so viel wichtiger als alles andere? An seiner Seite konnte sie ihr Leben als erfolglose Göttin beinahe vergessen. Das Leben war in Ordnung, solange sie Argus nur lächeln sah. Aber das war nicht richtig, oder?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco