Country Love [Nordlicht & Kiimesca]

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Country Love [Nordlicht & Kiimesca]

      Vorstellung
      @Nordlicht


      Li-Ming

      "Komm schon, Quinn. Das wird lustig", meinte ich zu meiner alten, neuen Nachbarin, wie der Beginn der meisten Horrorfilme und grinste breit. Als Kinder waren wir gut befreundet, ehe Quinn wegzog. Umso überraschter war ich, dass sie wieder zurückkam. Es war süß, dass sie sich um ihre Omi kümmerte. Ich beschloss jedenfalls einfach dort anzuknüpfen, wo wir aufgehört hatten und sprach sie natürlich sofort an. Ich mochte die ältere Quinn genau so wie die jüngere. Und Bildhübsch war sie! Ihre Grandma war meine Nachbarin und da kannte man sich natürlich. Aber ich kannte auch jeden anderen in der kleinen Stadt. Hier kannte jeder jeden. Touristen bezeichneten es gern als Kuhkuff, womit sie Recht hatten. Als Tätowiererin kam ich hier jedenfalls nicht groß raus, aber das war okay. Hier musste man kein Millionär sein um ein gutes Leben zu führen. Wir hatten unseren eigenen kleinen Garten und Hühner. Ansonsten arbeitete ich mal hier mal da.
      Ich wollte mit ihr in den Saloon und ein wenig Spaß haben. Uns betrinken, tanzen, vielleicht ein wenig flirten. Mal sehen. Einfach abhängen eben. Als lebensfroher Mensch wie ich war lebte ich immer im Moment. Ich zerbrach mir nicht endlos den Kopf über meine Zukunft und trauerte auch nicht der Vergangenheit nach. Klar hatte auch ich hier und da mal ins Klo gegriffen, na und? Das Leben geht weiter. No risk no fun und so.
      Natürlich meinten manche zu mir, dass ich ein wenig zu locker wäre, aber andere mochten mich genau deswegen. Vor allem Männer natürlich.



      Jessica

      Ich brachte Ollie eines von Mum's köstlichen Sandwiches, der an einem der Tische saß, um für die Schule zu lernen. Nate wollte ihm später dabei helfen, doch der war gerade mit Coco unterwegs. Selbst bei Regen beschwerte sich mein Bruder nie die Hunderunden zu übernehmen. Sogar ohne Coco wäre er wohl oft draußen unterwegs. Aber so konnte Dad wenigstens nichts bemängeln. Es hatte lange gedauert, bis wir ihn überreden konnten. Nate war damals so alt wie Ollie, doch entgegen Dad's Sorge, er würde genau so schnell das Interesse verlieren wie andere Kinder, liebte er die Fellnase wohl am meisten. Er nahm sie immer mit und drehte lange Runden. Kein Wunder also das Coco ihn am meisten von uns liebte.
      "Hey. Hunger?", fragte ich Nate, als er auch schon wie gerufen in das Diner kam. Coco kam schwanzwedelnd auf uns zu, sodass ich sie kurz begrüßte, ehe Ollie sich ihr an den Hals war. "Ja." So etwas wie gemeinsame Familienessen gab es bei uns kaum. Mum und ich arbeiteten im Diner, Dad war sowieso kaum zuhause und meine Brüder beschwerten sich nicht über das Essen im Diner. Es war ja auch von Mum.
      "Danke, Jazz", sagte mein Bruder, als ich auch ihm ein Sandwich vor die Nase stellte. Während ich einen Blick auf die Bücher warf, schenkte ich den beiden aus der Karaffe mit Limonade nach. Wie froh ich war die Schule endlich hinter mir zu haben. Nate wollte später sogar studieren und freiwillig noch länger die Schulbank drücken! Urgh. Ob Ollie ihm nacheifern würde? Die beiden waren sich verdammt ähnlich. Nicht nur äußerlich. Sie waren viel ruhiger und wirkten wie die perfekten, braven Söhne. Ganz anders als ich. Und ich war auch so rebellisch wie ich aussah. Die Gesetze befolgte ich natürlich größtenteils, denn leider war mein Dad ja Cop. Außerdem wollte ich Mum keinen Ärgern machen, denn sie war eine tolle Mum, auch wenn ich meine Probleme lieber für mich behielt.
      Nate erklärte Ollie gerade, wie der Rechenweg funktionierte, da klinkte ich mich lieber aus. In Mathe war ich nie besonders gut. Zum Abkassieren reichte mein Wissen aber.
      "Hey, Don. Das übliche?", fragte ich den Mann mittleren Alters, der jeden Samstag ins Diner kam. Seine Frau machte Samstags immer einen Abstecher in die nächste Stadt, um ihre Freunde zu besuchen. Ihm zuliebe war sie hergezogen, aber ihre Heimat war ihr wichtig. Die beiden waren schon ein schnuckeliges Paar. "Hey. Danke, Jazz", antwortete er mir mit einem freundlichen Lächeln und suchte sich einen freien Platz. "Don ist da", teilte ich Mum lediglich mit, als ich in die Küche hing, um Kaffee für ihn zu holen. Sie wusste ebenso gut was er wollte und legte sofort los. Die meisten standen auf Mum's Sandwiches, die es in allen möglichen Varianten gab. Natürlich auch Don, auch wenn er Vegetarier war.

      "Hey Jazz!", riefen mir meine Freunde aus der Ecke zu und winkten mir. Ich hob meine Hand und lächelte, ehe ich in die Küche zurückging, um Don's Sandwich zu holen. Nachdem ich es bei ihm abgestellt und ihm einen guten Appetit gewünscht hatte, setzte ich mich kurz zu ihnen. Es war entspannt hier. Bis auf ein paar Touris beschwerte sich niemand darüber, wenn ich mich mal zu jemanden setzte. Nur weil sie glaubten, dass ich ihnen dann keine Beachtung schenken würde. Doch ich hielt immer Ausschau nach erhobenen Händen oder einem freundlichen Rufen. "Du kommst doch nachher mit, oder?", fragte mich eine Freundin, woraufhin ich breit grinste. "Klar." Wir wollten ihren Geburtstag feiern, aber die beste Vorbereitung für ein Saufgelage war eine gute Mahlzeit davor. Deshalb kamen sie immer ins Diner und nahmen mich mit, wenn ich Feierabend hatte. In einer Stunde war es auch so weit.
      "Kannst du Nate nicht überreden mitzukommen?", fragte sie schmollend und sah zu den beiden Blondschöpfen rüber. Ja, mein Bruder hatte viele Verehrerinnen, aber ich bezweifelte, dass er jemals ein Date hatte. Coco, Mum und Ollie waren sein Leben. Neben den Büchern halt. "Wohl kaum", machte ich ihr erst gar keine Hoffnungen.
      Allein schon weil Dad immer im Saloon abhing, würde Nate nicht mitkommen. Die beiden hatten ein sehr instabiles Verhältnis. Dad hatte ihn mal als Memme bezeichnet und sich darüber lustig gemacht, dass er soviel Zeit mit Büchern verschwendete. Wahrscheinlich wäre er stolzer, wenn Nate die Köpfe der Mädchen verdrehen würde. Eine Freundin erzählte immer wie anstrengend ihr Alter war, der wollte, dass sie um Punkt 10 zuhause war und sie durfte auch nichts trinken. Ja.. eigentlich waren wir auch noch nicht alt genug, aber das war ein Punkt für Dad: Ihm war es egal, wenn ich etwas trank. Ich trank ja nicht bis zum Umfallen, aber bei ein, zwei Drinks sagte niemand etwas. Das mochte ich an diesem Kaff. Hier war es einfach chillig. Auch wenn wir nur ein Diner und eine Bar, den Saloon, hatten. Doch es reichte für ein cooles Leben, fand ich. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich mir mal die Welt ansehen würde. Aber wenn es bedeutete, dass ich erst in 3 Jahren trinken dürfte, dann wartete ich lieber bis ich 21 war. Selbst der Sheriff war total locker was das anging. Solange es nicht ausartete.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Es hatte nicht lange gedauert. Vielleicht einen Tag, oder auch zwei, bis ich entschieden hatte zu Grandma zu ziehen. Grandpa war seit ein paar Wochen von uns gegangen. Herzinfarkt. Völlig unerwartet. Der Jüngste war er mit seinen nun 82 Jahren zwar auch nicht mehr, aber er hatte stets ein gesundes Leben geführt, war niemals chronisch krank und nahm bis auf ein paar Cholesterinsenker keine Medikamente. Kaum zu glauben in dem Alter, was? Dazu musste man sagen, dass er stets ein Mensch war, der neben seiner gesunden Ernährung und seinen stundenlangen Wanderungen in der wunderschönen Natur, seine regelmäßigen Kontrollen bei seinem Arzt wahrgenommen hatte. Ganz im Gegenteil zu Grandma, die dies gerne mal schleifen ließ und 2020 fast an einer Lungenembolie gestorben wäre. Seither ging sie sorgsamer mit ihrem Körper um. Und seit diesem Tag, konnte sie auch im Haushalt weniger tun, war aber stets zu stolz, um sich eine Haushälterin oder dergleichen zu sich zu holen. Wir wohnten zu weit entfernt, um jeden Tag zu Grandma zu fahren. Und da wir zunehmend sahen, dass sie alleine nicht mehr lange zurechtkommen würde, beschloss ich einen Neuanfang. Immerhin hatte ich dazu allerlei Gründe. In erster Linie war es die Trennung von meinem Verlobten. Eine unschöne Geschichte, bei der ich aktuell nicht so ins Detail gehen möchte. Kurz und knapp gesagt: Es war der Klassiker. Er, meine beste Freundin, in unserem Bett... tja, den Rest könnt ihr euch vermutlich denken. Ganz vorne stand natürlich auch der Grund, dass ich Grandma Rosie - wie wir sie alle liebevoll nannten - helfen wollte. Ich wusste wie viel ihr das Haus, das ganze Land bedeutete. Und was sie bereit war für dieses aufzugeben. Immerhin war sie unendlich lange Jahrzehnte mit Grandpa James verheiratet gewesen. Diese Jahre radierte man nicht einfach weg, in dem man in ein Seniorenheim zog. Mam hatte ihr angeboten, sie bei sich aufzunehmen. Für sie zu sorgen, so gut sie konnte. Ihr das beste Leben zu bieten, dass sie sich nur wünschen konnte... und das komfortabelste. Doch Grandma lehnte dies vehement ab. Sie wollt ihr Zuhause unter keinen Umständen verlassen. Lange Rede, kurzer Sinn. Nun war ich hier. Und ich wurde, wie erwartet, mit offenen Armen empfangen. Das Haus war zweifelsfrei etwas in die Jahre gekommen und eingerichtet wie ein altes Gutshaus, welches nun mal von 80-Jährigen Menschen bewohnt wurde. Die Möbel waren antik, aber es war hell und Grandma versuchte so gut es ging das zweistöckige Haus mit Keller sauber zu halten. Natürlich klappte das nicht sonderlich gut, da sie kaum noch etwas sah und die Beweglichkeit hatte auch nachgelassen. Ganz zu schweigen von ihrer Luftnot, besonders an heißen Tagen wie heute. Darum erledigte ich erst einmal den Haushalt für sie. Reinigte die Bäder, wischte den Staub von den Möbeln und brachte durch den frischen Strauß bunter Blumen, den ich ihr als kleines Geschenk mitgebracht hatte, etwas Farbe in das Haus.
      Ach, was sagt ihr? Oh ja! Die Tiere... die gab es zu meinem Leidwesen auch noch. Admiral - kurz Addy -, der Schäferhund von Grandpa. Er war ein sehr alter Hund, konnte kaum noch aufrecht stehen, geschweige denn den Hof verteidigen. Meistens lag er in der Sonne und beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Er bekam starke Schmerzmittel gegen seine Arthrose. Ein zweifelsfrei lieber Hund, und eigentlich mochte ich Tiere im Allgemeinen. Wäre da nicht meine Allergie. Grandma Rosie entschuldigte sich tausende Male für jeden einzelnen Nieser, aber ich beteuerte jedes Mal auf Neue, dass es in Ordnung war. Ich hatte ja meine Tabletten, die mehr schlecht als recht halfen, aber wenigstens vermied ich so an einem Erstickungsanfall zu sterben. Mit einem gewissen Abstand zu dem Vierbeiner und täglichem Staubsaugen würde es zwischen Admiral und mir funktionieren.
      Neben dem Schäferhund gab es natürlich noch weitere Tiere. Ohne die Hilfe von den Nachbarn wäre es für Grandma gar nicht mehr möglich gewesen, Tiere zu halten. Darum hatte sich nun mal immer Grandpa gekümmert. Um die Kühe, Hühner, Gänse und Schafe. Der Schweinestall stand schon eine ganze Weile leer. Die meisten Kühe waren zu alt, um Milch zu geben und würden hier auf dem Land nur noch ihren Lebensabend fristen dürfen. Zum Schlachter hatte Grandpa kein Tier jemals gegeben. Zumindest kein Tier, von dem ich wusste. Pferde gab es zum Glück keine mehr. Vor denen hatte ich mich schon als Kind gefürchtet. Die zahllosen Versuche von Grandpa, mich auf eines dieser riesigen Tiere zu setzen, scheiterte jedes Mal und endete stets mit wildem Rumgeheule. Keinesfalls fürchte ich mich weniger vor Kühen. Sie waren mir einfach nicht geheuer. Sie sahen einem stets mit diesem zerstörerischen Blick an, während sie das Gras in ihrem Maul zermalmten, und ich mir ungerne vorstellte, dass es mein Finger oder gar meine ganze Hand sein könnte! Aber was blieb mir anderes übrig, als mich um die Tiere zu kümmern? Schließlich gehörten sie genauso zu Grandmas Leben wie der alte Admiral, der gerade wieder in der Sonne lag und jeden einzelnen Sonnenstrahl genoss.
      Li-Ming, unsere Nachbarin, die ich schon seit Kindertagen kannte, stand neben mir und bequatschte mich wegen dem Saloon heute Abend. Grandma hatte sich für einen Mittagsschlaf niedergelegt. Ich dachte nach, während mein Blick dem vorbeifahrenden Truck folgte. Seufzend murrte ich: "Ich weiß nicht... eigentlich bin ich heute erst angekommen. Es wäre schön erstmal anzu-", doch als ich ihren Schmollmund sah und diese kleinen asiatischen Augen, endete mein Gesagtes abprubt mit einem tiefen Seufzer. "Na gut. Von mir aus. Aber wehe die Drinks sind nicht gut!", lachten wir und verabredeten uns somit für den Saloon. Das letzte Mal, dass ich dort war, war schon einige Zeit her. Ich war mir aber sicher, dass man in einer Stadt wie Plansmain auch nach Jahrzehnten noch Zuhause wäre.



      Judy

      Ich stand gerade in der Küche, als ich Jessica hörte, die mir mitteilte, dass Don zu Gast war. Ein netter Kerl mittleren Alters, der das Diner jeden Samstag besuchte. Ich freute mich darüber, so wie über viele andere Stammkunden des Diners. Einige waren schon komische Kauze, aber andere waren absolut herzlich und liebenswürdig. Und das war es auch, was ich so sehr an unserer Stadt schätzte. Die Menschen, das Miteinander. Dass jeder jedem half. Wir waren praktisch wie eine große Familie. Ich ging aus der Küche und schaute über die Theke zu Don, als Jessica ihm auch schon die fertigen, vegetarischen Sandwiches brachte.
      "Hallo, Don. Schön, dich zu sehen. Wie geht es dir und Claire? Alles in Ordnung?", fragte ich, während ich meine Hände an dem Geschirrhandtuch abrieb.
      "Oh ja, alles bestens, Judy! Bei euch auch? Was macht Jack? Ist er wieder auf Arbeit?", fragte Don und nahm das Sandwich von Jessica dankend entgegen. Herzhaft biss der kräftige, kahlköpfige Mann hinein und sah kauend zu mir herüber.

      "Ja, wie immer. Viel zu tun. Du kennst das ja."
      So ging der Smalltalk eine kurze Weile weiter, bis ich mich wieder in die Küche verabschieden musste und die weiteren Bestellungen zubereitete. Das Diner war nicht sonderlich anspruchsvoll, was die Speisekarte betraf. Es gab auch nicht sehr viel Auswahl. Hin und wieder brachte ich neue Ideen ein, aber es war eben etwas völlig anderes als die Zeit vor Plansmain. Früher arbeitete ich in einem Sterne-Resteraunt müsst ihr wissen. Doch das war irgendwann nichts mehr für mich. Ich lernte Jack kennen und lieben, und dann... dann landete ich hier. Hier in dieser kleinen, verschlafenen Stadt. Und ich liebte sie, die Menschen und die Einfachheit des Lebens. Und Jack... Jack liebte ich auch. Er war der Vater meiner Kinder. Und doch dachte ich an manchen Tagen, dass wir Fremde waren. Fremde, eingesperrt in einem Haus, aus dem Jack nur allzu gerne ausbrach. So wie heute Abend. So wie eigentlich jeden Abend. Für die Kinder tat es mir leid. Vor allem für Ollie, unseren Jüngsten. Auch Nate vergrub sich immer mehr in seine Bücher. Er war so ein lieber Junge. Und Jessica... die Große ging mit unseren Problemen, die spürbar waren, auch wenn wir nicht vor ihnen sprachen, locker um. Manchmal glaubte ich, dass sie die Freiheiten, die ihr Vater ihr gönnte, sehr genoss. Sie sprach viel zu selten mit mir über ihre wahren Gefühle. Das bedauerte ich zutiefst.
      Als ich einen kurzen Augenblick Luft hatte, nahm ich das Handy, welches auf einer Küchenzeile lag und tippte ein paar Zeilen an Jack. Er würde gleich Feierabend haben.

      Hey Schatz. Willst du heute wirklich ins Saloon? Ich vermisse dich. Judy
      Seufzend legte ich das Handy beiseite und brachte die nächste Bestellung nach vorne.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Nordlicht ()

    • Li-Ming

      Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie in dem Haus versauerte und sich voll und ganz in ihren Verpflichtungen verlor. Viel Überzeugungsarbeit musste ich ja zum Glück nicht leisten.
      Wie immer warf ich mich in ein süßes Outfit und steckte mein Haar ein wenig hoch. Aufreizende Kleider brauchte ich nicht. Außerdem war ich nicht der Typ für elegant und sexy. Sondern mehr so 'gar nicht so unschuldig'.
      Das Städtchen war zwar wirklich winzig, aber die Häuser standen alle ziemlich weit auseinander, weshalb ich uns einen Fahrer organisierte. Schließlich würde ich nicht auf Drinks verzichten und Quinn wollte ich das auch nicht antun. Ich wollte ihre Rückkehr feiern und sie mit Fahnen und Trompeten willkommen heißen!


      Jack

      Neben mir und dem Sheriff gab es noch 3 Cops. Einer war allerdings schon mit einem Bein in der Rente. Die Stadt war überschaubar und auch recht friedlich. Die meisten 'Verbrechen' wurden von Jugendlichen begangen, die meinten irgendwo etwas klauen zu müssen. Morde gab es schon seit 20 Jahren nicht mehr. Allerdings kam es manchmal zu einer Prügelei, die schon mal tödlich enden konnte. Aber nichts, was wir nicht unter Kontrolle hätten, auch wenn ich gefühlt immer am Arbeiten war. Ich mochte meinen Job. Die Leute respektierten mich und mussten auf mich hören.
      Abgesehen von meinem eigenen Vergnügen, hielt ich mich im Saloon auf, um die Kids im Auge zu behalten. Nicht nur Jazz. Das Mädel war zwar etwas wild, aber noch völlig im Rahmen. Die Tochter eines Kumpels allerdings.. Tja.. Der war nicht so begeistert, wenn sie trank. Meine Anwesenheit sorgte also dafür, dass sie glaubte, ich würde seinen Willen ausführen. Ich hatte mich auch tatsächlich einmal eingemischt und sie nach Hause geschickt. Aber nur, weil mir der Alte sonst die Hölle heiß gemacht hätte. Hier trank sich doch niemand ins Koma. Das würde der Barkeeper gar nicht zulassen. Hier passte man eigentlich schon aufeinander auf. Und wenn es eine Prügelei gab, musste auch nicht ein Cop anwesend sein, um das zu regeln. Irgendein starker Kerl bekam das meist auch ohne uns in den Griff.

      Als ich gerade meine Dienstjacke auf den Haken hing, bekam ich eine Nachricht von meiner Frau. ich betrachtete sie kurz und ließ meinen Kopf kreisen, um meinen Nacken zu lockern.
      Lisa hat heut Geburtstag und ich hab Greg versprochen ein Auge auf Amy zu haben.

      Amy ist das Mädel, dass Jessica vorhin erwähnt hat, falls ihr es euch nicht schon selbst denken konntet.

      Nach der Antwort verschwand das Teil auch schon in meiner Hosentasche, ehe ich mir meine Jeansjacke überwarf und zum Saloon rüber lief. Das kostete mich zwar 20 Minuten, aber ich war anständig genug um nicht angetrunken zu fahren. Auch wenn man hier höchstens einen Waschbären überfahren würde. Als Cop musste ich halt in manchen Dingen ein Vorbild sein.


      Ich setzte mich also an die Bar und bestellte mir ein Bier. Es dauerte nicht mehr lange, da kamen auch schon die Mädchen rein. Jessica sah mich kaum an und verzog sich mit ihrer Clique an einen der Tische weiter hinten. Allerdings hatte ich mir einen Platz ausgesucht von dem ich jede Ecke gut im Blick hatte. Zur Feier des Tages bekam das Geburtstagskind ausnahmsweise einen Cocktail, doch ansonsten bekamen sie nur Bier zu trinken. Schließlich konnten sie froh sein, dass sie überhaupt etwas zu trinken bekamen, wenn sie noch nicht alt genug waren. Nathan sollte auch lieber hier rumhängen, anstatt sich den ganzen Tag in seinen Büchern zu verkriechen. Er müsste echt mal etwas lockerer werden und anfangen Spaß zu haben. Wenigstens kümmerte er sich um den Köter. Das Mistvieh hat als Welpe in meine Schuhe gepisst, da hätte ich es fast erschossen. Tja. Hat sie danach nie wieder gemacht. Manchmal muss man eben etwas härter durchgreifen.
      Zurück zur Gegenwart: Lisa freute sich natürlich über ihren Cocktail und grinste breit, als hätte man ihr gerade ein neues Auto oder sowas geschenkt. Da soll noch mal jemand sagen, dass Alkohol nicht glücklich machte.


      Jessica

      "War klar, dass dein Dad wieder Babysitter spielt..", meine Amy etwas enttäuscht und sah zu meinem alten Herren rüber. Eigentlich war ihm das doch scheißegal, der wollte nur saufen. Mum war echt nicht zu beneiden.. Manchmal fragte ich mich, ob die beiden überhaupt noch Zeit miteinander verbrachten. Ja, sogar ob sie überhaupt noch Sex hatten, auch wenn ich mir das eigentlich lieber nicht vorstellen wollte. Aber mit so einem Kerl wollte ich nicht enden. Womöglich war es besser gar nicht erst zu heiraten.
      "Schade, dass er verheiratet ist... Eigentlich ist er ja ganz heiß", meinte Lisa und schlürfte genüsslich ihren Drink, während sie zu ihm rüber sah.
      "Urghs.."
      "Was denn? Reife Männer sind sexy. Da drüben.. Der ist nicht verheiratet..", meinte sie und sah nun zu einem anderen Kerl, der aber zumindest etwas jünger aussah als Dad.
      "Wenn du meinst...", murmelte ich nur und nippte lieber an meinem Bier.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Li-Ming schaffte es, mich zu überreden, mit ihr zu gehen. Wohin? Wie schon gesagt, zum Saloon. Es war so etwas... nun ja... wie ein Saloon. Und als wir am Abend - die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden - dort ankamen, zeigte sich schnell, dass sich rein gar nichts verändert hatte. Das Innere wirkte in die Jahre gekommen. Die Theke, hinter der der Wirt Michael die Getränke herausgab, das Knarzen der Holzdielen unter unseren Füßen, die Cowboys, die lebensecht auf ihren Stühlen saßen und zum Takt der Musik mit ihren Stiefeln tippten. Und da war noch das Lachen der Menge und die Formation feierwütiger Gäste, die einen perfekt abgestimmten Line Dance zu sehen boten. Sofort wurde ich von ein paar bekannten Gesichtern willkommen geheißen. Jeder kannte das "niedliche Mädchen" von damals, das ihre Grandma Rosie regelmäßig besucht hatte und in manchen Sommern sogar ein paar Tage länger blieb als es vorgesehen war. Doch diese Zeit lag lange zurück. Seitdem ich ein Teenager geworden war. Ab dieser Zeit hatte ich einfach zu viel schulischen Stress, jobbte schon früh nebenbei, um mir etwas Geld dazu zu verdienen und mir in den unzähligen Urlauben, die ich mit Mam und Dalton verbringen durfte, etwas leisten zu können. Sicher hätte es mir Dalton einfach gekauft, wenn ich ihn danach gefragt hätte, aber ich war kein typisches Stieftöchterchen, dass den guten Verdienst ihres Stiefvaters ausnutzte und mit Gucci und Prada-Taschen durch die Gegend lief. Nein, so war ich wirklich nicht. Auch wenn mancher Bürger in Plansmain das wohl glaubte. Nein, sie sagten nichts. Aber ich sah es in manchen Gesichtern. Vermutlich würden sie mich nicht einmal erklären lassen, dass ich immer noch die gute alte Quinn war, die sich zwar durch die Hochzeit ihrer Mam wesentlich mehr leisten konnte und ziemlich die ganze Welt gesehen hatte, aber immer noch der bescheidene Mensch von einst geblieben war. Nun, wie auch immer. Nicht alle waren mir gegenüber skeptisch gestimmt. Von einigen wurde ich herzlich begrüßt, so auch von Harper, der Wirtin des Saloons. Sie war eine sehr schlanke, kleine Persönlichkeit mit feuerrotem Haar, einem blauen Lidstrich unter ihren grünblauen Augen und einem herzerwärmenden Grinsen. Sah man Harper nicht, dann hörte man ihre rauchige Stimme schon von Weitem. Gut gelaunt kam sie zu mir, gekleidet mit ihrem karierten Holzfäller-Hemd, lässig gestopft in ihre enge, durchlöcherte Jeans, darauf ihren Cowboy-Hut, der niemals fehlen durfte, und ihre Stiefel mit Sporen.
      "Süße! Gott, wie lange ist es her?", fragte sie mich, nachdem sie mich herzlich in ihre Arme geschlossen hatte.
      "Hallo, Harper. Schön, dich zu sehen. Ein halbes Jahr vielleicht?"
      "Oh herje! Wie die Zeit vergeht, nicht wahr? Hallo, Li-Ming, mein Schatz. Geht doch zur Bar. Mike ist schon ordentlich am Zapfen!"
      Und dann zog sie auch schon weiter. Mike, übrigens hieß er Michael, war der Lebensgefährte von Harper. Gemeinsam betrieben sie den Saloon in keiner Ahnung welchen Generation. Verheiratet waren die beiden soweit ich wusste nicht. Aber sie hatten zwei gemeinsame Kinder. Beide längst erwachsen und aus dem Haus, setzten sie doch besonders in ihren Sohn die riesige Hoffnung, dass er irgendwann den Saloon weiterführen wieder. In meinen kurzen Hotpants und dem lässigen weißen Hemd, welches ich cool vorne in meine Hose gesteckt hatte, meinem offenen rotblonden Haar und den gewöhnlichen weißen Sneaker, gingen wir auf die Bar zu, wo wir auch von Michael herzlich in Empfang genommen wurden, und der uns auch sogleich zwei Bier mit einer unvergleichlich tollen Schaumkrone zapfte. Nachdem wir angestoßen und etwas über alte Zeiten gesprochen hatten, ließ ich meinen Blick schweifen. Auf der kleinen Bühne spielte ein Live-Musiker Country-Songs. Seine Stimme klang rauchig und sein langer, grau-melierter Bart unter dem Cowboy-Hut hatte sicher eine intensive Pflege nötig. Ob ich noch ein paar bekannte Gesichter erkennen würde?

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Li-Ming

      "Hey Harper!", begrüßte ich die Chefin fröhlich. Ich mochte ihren Stil. Mir stand der Cowboy-look nicht all zu gut, aber ich fand es cool, dass hier einige doch noch so herumliefen. Es war wie eine Tradition. Bei den Jüngeren sah man das allerdings selten. Dabei machte das den Charme von Plansmain aus, fand ich. Naja.. irgendwann würde uns das 21. Jahrhundert eben einholen. So wie das pinkhaarige Mädchen mit der bunt bestickten Jeansjacke, die ebenfalls gut auffiel. Wow, heute sahen aber alle Mädels am Tisch gut aus.
      Grinsend ließ ich mich an der Bar auf meinen Hintern plumpsen. "Hey Mikey!", begrüßte ich ihn und musste nicht einmal bestellen, da hatten wir schon unser Bier vor der Nase. Ich stieß mit Quinn an und brabbelte wie immer drauf los.
      "Na, brauchst du etwas Nachhilfe?", fragte ich, als sie sich so unter den Leuten umsah. Also begann ich ihr nach und nach zu jedem hier anwesenden was zu erzählen. So nett wie ich war, hob ich aber nur die guten Eigenschaften hervor. Bevor man andere Leute schlecht redete, sollte man schließlich vor der eigenen Tür kehren.
      "Und das ist Jack, weißt du noch?" Einen Cop konnte man wohl schlecht vergessen! "Sieht manchmal so aus, als würde er wie ein Aasgeier auf die jungen Hühner gaffen, aber er passt nur auf, das hier alles paletti ist. Die pinkhaarige ist seine Tochter Jessica. Das da sind Lisa, Tochter des Bürgermeisters, Emma, Tochter des Mechanikers, Megan, Tochter der Floristin und Amy, Tochter des Pastors." Ich kannte jeden. Das war sowas wie ein Hobby von mir. Bei Fremden musste ich lernen, dass sie nicht alle gern ausgefragt wurden. Aber mit ein wenig Alkohol und hübschen Augen ging das schon.


      Jack

      Ich trank schon mein zweites Bier, als die Mädels so wirkten, dass sie sich gut amüsierten. Es waren keine Jungs dabei. Zum Glück. Dann wurde Greg nämlich noch unentspannter. Dabei sollte ihm doch klar sein, dass heute eigentlich niemand mehr bis zur Ehe wartete. Auch seine kleine Amy nicht. Also meine Jessica hatte schon ein paar Knutschereien hier im Saloon. Sicher auch mehr. aber sie war alt genug, oder nicht? Wir hatten sie über alles aufgeklärt, mehr konnten wir nicht tun.
      Mein Blick fiel kurz auf die kleine Asiatin, die mit einem relativ neuem Gesicht hereinkam. Das musste die Enkelin von Rosie sein, von der alle sprachen. Sie war keine Fremde, aber dennoch eine neue Nachbarin. Allerdings war ich nicht der Bürgermeister, der jeden persönlich willkommen hieß und würde mich schon gar nicht in ein Frauengespräch quetschen.
      "Was?!" platzte aus Lisa heraus, weshalb ich instinktiv rüber sah. Doch anschließend tuschelten sie, als hätte eine von ihnen gerade nur etwas total überraschendes offenbart. Mit denen sollte sich Nathan lieber abgeben, als sich mit Büchern in seinem Zimmer zu verkriechen. Vermutlich wollte er raus aus Plansmain und strebte deshalb ein Studium an um hinaus in die Welt zu ziehen. Ja ich gebs zu, ich bin ein bequemer Mensch und liebe das Leben hier, weil es eben so einfach war. War daran denn etwas falsch?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Li-Ming redete und redete und redete. Ich hatte ihre gesprächige Art noch sehr gut in Erinnerung. Sie war ein echter Sonnenschein und in der Vergangenheit hatten wir schöne Zeiten gemeinsam verbracht. Unter dem Sternenhimmel erzählten wir uns Gruselgeschichten oder naschten von dem leckeren und selbstgemachten Sushi ihrer Eltern. Gott, war das köstlich! Für Grandpa war es etwas befremdlich als "Ausländer" seine direkten Nachbarn wurden. Auch daran erinnerte ich mich noch. Doch er gewöhnte sich schnell an den Gedanken und verstand sich besonders mit Li-Mings Vater gut. Li-Ming hatte mir öfter erzählt, dass Grandpa und ihr Vater stundenlang auf der Veranda saßen und sich irgendwelche Spirituosen aus fernen Ländern schmecken ließen. Jeder brachte dem anderen ein Stück seiner eigenen Heimat somit näher. Ich versuchte meiner Freundin aufmerksam zuzuhören, doch so viele Informationen in Verbindung mit längst vergessenen Gesichtern war eine echter Herausforderung! Darum nickte ich nur hin und wieder, um den Eindruck zu vermitteln, jedem ihrer Worte folgen zu können. Etwas länger als es wohl unbedingt nötig gewesen wäre, verharrte mein Blick auf dem gutaussehenden, wenn auch viel älteren Polizisten. Ihn hatte ich kaum in Erinnerung behalten. Bloß einmal gab es eine Situation. Gott, das war Jahre her. Damals war ich elf, vielleicht zwölf Jahre alt, keine Ahnung. Grandpa hatte damals die Polizei gerufen, weil ein paar Jugendliche auf seinem Hof randaliert hatten. Ich glaube, das war das einzige mal, dass ich dem Polizist begegnet war. Jack. Ja, so hieß er. Zugegebenermaßen war er älter geworden, aber er hatte auch diesen gewissen Ausdruck von Stärke und Kühnheit in seinen Augen. Versteht ihr, was ich meine? Wie dem auch sei... Ich wandte meinen Blick ab, schließlich wollte ich ihn nicht wie einen bettelnden Hund anstarren. Ein paar Gesichter, die wir von früher kannten, gesellten sich zu uns. Es waren ein paar Frauen in meinem Alter, die ich noch von früher kannte. Wir hatten damals oft Zeit zusammen verbracht. Alle drei hatten sich kaum verändert. Und so plauschten wir über alte Zeiten. Da wir in so wunderbarer Gesellschaft waren, floss der Alkohol nicht in Maßen, sondern viel mehr in Massen. Wir wurden allesamt recht schnell angeheitert. Fünf Frauen, inmitten einer Country-Bar voller lüsterner Kerle. Na das konnte spaßig werden. Einen Cocktail nach dem anderen schlürften wir hinunter, danach ein paar Kurze. Auch, dass sich inzwischen ein paar Typen zu uns gesellt hatten, störte keinen von uns, denn sie bezahlten brav ein Getränk nach dem anderen.
      "Komm, lass uns ein Spiel spielen!", grinste eine meiner alten Freundinnen mit einem breiten Grinsen, während sie ihr Cocktailglas schwankend in der Rechten hielt und ihre kräftigen Hüften, die in eine enge Jeans gepresst waren, zum Takt der lässigen Musik bewegte.
      "Ein Spiel?", fragte ich spöttisch und stimmte in das Gelächter des netten Kerls mit dem Lockenkopf und dem karierten Hemd neben mir ein. Eigentlich war er ganz süß.
      "Li-Ming! Was sollen wir spielen, meine Süße?", fragte jene korpulente Freundin mit dem brustlangen blonden Haar, die wirklich etwas zu tief in die Farbdose geschaut hatte, während sie einen Arm locker um die Asiatin legte. "Du hast doch immer so tolle Einfälle."
      "Ja! Hau raus!", grinste Eve, die dunkelhäutige Frau mit den Dreadlocks und der auffallend athletischen Figur.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Li-Ming

      Plansmain war harmlos. Ich machte mir keine Sorgen, dass mich hier irgendjemand unerlaubt antatschen würde. Auch wenn sich manch ein Typ natürlich schon Hoffnungen machte, wenn so heiße Mädels wie wir mit ihnen flirteten, um an ein paar Gratisdrinks zu kommen. Aber der eine war ziemlich süß. Vielleicht würde ich den ja wirklich mit nach Hause nehmen. Aber jetzt wollte ich erstmal mit den Mädels Spaß haben.
      Als die Mädels ein Spiel vorschlugen, legte ich spielend nachdenklich meinen Zeigefinger an meinen Mundwinkel. "Hmmmm....", machte ich nur und sah die anderen abwechselnd an. "Wie wärs mit Wahrheit oder Pflicht?", grinste ich. Ein tolles Spiel, um etwas aus jemandem herauszukitzeln und ich wollte so einiges aus Quinn herauskitzeln! Gleichzeitig könnten wir die Männer etwas bei Laune halten. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen den ein oder anderen zu küssen.


      Jessica

      Lisa hätte ich das ja zugetraut, aber das Amy schon mit einem älteren Mann geschlafen hatte, schockierte nicht nur Lisa. Wenn ihr Vater das wüsste... puh... Zum Glück war mein Dad da nicht so streng. Das war aber auch der einzige Vorteil an ihm. Eigentlich waren wir ihm doch egal. Deshalb schrieb er mir nicht vor, was ich tun durfte und was nicht.
      Doch nachdem wir nichts mehr zu trinken bekamen, war es langweilig und wir nahmen unsere Sachen, um uns auf den Weg zu Lisa zu machen. Wir durften heute alle bei ihr übernachten. Wir zogen uns jede Menge Knabberkram rein, während wir noch einen Horrorfilm schauten. Amy klammerte sich immer wieder an mich, doch ich fand überhaupt nichts gruseliges an dem Film. Ich lachte stattdessen jedes mal, wenn Amy zusammenzuckte. Auch Lisa lachte, erschrak aber selbst einmal.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Wir wurden immer angeheiterter. Ja, das goldene Nass floss in kurzen Abständen unsere durstigen Kehlen herab, während wir uns alle in bester Gesellschaft befanden. Ich freute mich sehr darüber, meine alten Freunde wiederzusehen. Und die Typen, die sich unserem netten Beisammensein angeschlossen hatten, sahen nicht mal übel aus. Okay, vielleicht waren sie etwas lästig. Das musste man zugeben. Aber heiß waren sie schon. Nicht, dass ich irgendwelche Absichten gehabt hätte. Gott, nein. Die Trennung von meinem Ex, ich hatte es bereits erwähnt, reichte mir erstmal für die nächsten vier Jahrzehnte. Was? Nein! Natürlich wollte ich nicht komplett auf Sex verzichten, ist ja wohl klar. Aber nicht heute, nicht morgen und vermutlich nicht die nächsten Wochen. Eigentlich war ich ganz zufrieden wie es zurzeit lief. Und in Grandma's Haus... nein. Und zu irgendwelchen Typen nach Hause, die ich nicht mal kannte, ging ich auch nicht. Was meint ihr? Langweilig? Bitte? Nein!
      Ach egal, weiter im Text.
      Also... Wahrheit oder Pflicht. Gut, dass ich so viel Alkohol intus hatte. Andernfalls hätte ich mich diesem lächerlichen Spiel vermutlich gar nicht erst angeschlossen. Nachdem wir also begonnen hatten zu spielen, und mehr unfreiwillige als freiwillige Wahrheiten erfahren, wir unzählige Runden bereits hinter uns gelassen und ich natürlich stets "Wahrheit" gewählt hatte, wurde es wohl Zeit für eine Pflicht. Zumindest fand Eve das. Ihr wisst schon, meine dunkelhäutige Freundin mit den Rastas, die zugegebenermaßen sehr... nun ja... direkt war. Fast noch direkter als unsere asiatische Freundin. Als ich erneut "Wahrheit" statt "Pflicht" wählte, ertönte ein Raunen in unserer kleinen Menge.
      "Ach komm schon, Quinn! Nicht schon wieder! Jetzt bist du mit der Pflicht dran! Sag es, los!", forderte Eve mich mit einem schneeweißen Grinsen auf, während sie einen ordentlichen Schluck ihres Schwarzbiers zu sich nahm.
      "Auf keinen Fall!", gab ich noch kichernd zurück, doch das fordernde "Los! Pflicht, Pflicht, Pflicht!" von allen, ließ mir wohl keine andere Wahl.
      "Na gut, na gut! Beruhigt euch! Pflicht", gab ich mich also letztlich geschlagen.
      "Okay, Sweetheart", begann Eve grinsend, legte einen Arm um mich und deutete mit ihrer Bierflasche in der Hand auf den älteren Polizisten, der nach wie vor am Tresen saß. "Siehst du den Cop mit dem ernsten Gesicht da drüben?"
      "Wie könnte man den Typen übersehen", schmunzelte Veronica, schlang elegant ein Bein über das andere und nahm einen Schluck aus ihrem schwarzen Strohhalm.
      "Geh zu ihm und frag ihn nach seiner Nummer."
      "Was?", entgegnete ich empört und sah Eve mit großen Augen an. "Spinnst du? Er ist ein Cop!"
      "Na und? Und du ne heiße Schnitte. Also los!", schmunzelte sie, ehe sie mir einen kräftigen Klaps auf meinen Hintern verpasste.
      Eigentlich wollte ich einen Rückzieher machen. Natürlich wollte ich das. Einfach durch die Menge, hinaus unter die Sterne und der Pflicht entkommen, die sie mir aufgetragen hatten. Doch ich wollte keine Versagerin sein. Gespannt gafften mich alle an. So als würden sie Großes von mir erwarten. Die Rettung der Welt oder so etwas. Also fasste ich allen Mut zusammen und ging mit pochendem Herzen an die Bar. Ein paar besoffene Typen starrten mich an. Hielten aber immerhin einen annehmbaren Abstand. Die Umgebung um mich herum, begann sich zu drehen, doch ich war noch bei klarem Verstand, als ich dicht vor dem Polizist stehen blieb. Es dauerte nicht lange, bis ich auch seinen Blick auf mir spüren konnte. Unsicher sah ich zu meinen Freunden, deren Köpfe durch die breiten Schulter der anderen Gäste lugten. Sie sahen gespannt aus, so als würden sie einen spannenden Film sehen und nur darauf warten, dass das Monster aus irgendeiner Ecke sprang und der Moment der Spannung endlich nachließ.
      "H-Hey, e-ehm also...", begann ich stotternd als sich unsere Blicke kurz trafen. "Hey, also... ich und meine Freunde da drüben, wir... also wir spielen ein total lächerliches Spiel und... naja... also... vielleicht kennst du es... Wahrheit oder Pflicht..."
      Oh man! Echt jetzt!? Hatte ich das wirklich gefragt? Komm schon, Quinn! "Ist ja auch eigentlich egal", fügte ich eilig hinzu und fuhr schnell fort, um das zu bekommen, was ich brauchte, um diese Hühner glücklich zu stimmen. "Jedenfalls habe ich Pflicht gewählt... nicht ganz freiwillig. Und... bekomme ich deine Nummer?"
      Die Frage kam dann wie aus der Pistole geschossen. Das war zweifelsfrei der peinlichste Moment meines Lebens. Okay, vielleicht der zweitpeinlichste.

      Blake

      Wie es als junger Polizist hier in dieser Kleinstadt zuging? Ruhig würde ich behaupten. Ich mochte das Leben hier. Jeder kannte jeden, die Sonne schien fast an jedem Tag und es passierte wenig auf den Straßen. Ich war hier aufgewachsen. Dabei träumte ich seit ich ein kleiner Junge war vom Leben in der Großstadt. Mehr Action und so. Mehr Arbeit. Aber der Drang abzuhauen, alles hinter mir zu lassen... Mam, Dad, meine kleine Schwester. Nein. Der Wunsch war nicht stark genug. Daher blieb ich hier. Absolvierte die Polizeischule mit Bravour und war zu einem anständigen Cop geworden. Oft saß ich mit meinen Kollegen Stunden auf der Wache, ohne dass auch nur ein Anruf einging. Und wenn einer einging, dann waren es irgendwelche Banalitäten. Genau wie in der heutigen Nacht. Der Notruf hörte sich sogar spannend an. Schreie aus einem Haus. Merkwürdige Geräusche, ein Flackern, das von draußen zu sehen war und die Nacht erhellte. Der Anruf kam von niemand geringerem als Mrs. Jenkins. Sie war als Irre bekannt, die nicht nur unter Paranoia litt, sondern es liebte, jeden Nachbarn wegen noch so kleiner Kleinigkeiten anzuprangern. Doch wir mussten ihrem Anruf folgen. Wie so oft fuhr ich mit einem Kollegen raus. Während er am Steuer saß und den Wagen zum Stehen brachte, schaute ich aus dem Fenster zu der alten Mr. Jenkins, die in ihrem rosaroten Bademantel, gleichfarbigen Pantoffeln, ihrem kleinen weißen Chihuahua und Lockenwickeln vor dem Haus ihrer direkten Nachbarn stand. Weder war laute Musik zu hören, noch irgendwelche Schreie. Das einzige, was man sah, war der Fernseher, der sein Licht durch die Fenster warf. Kein Fall für uns. Natürlich nicht. Seufzend lehnte sich mein älterer Kollege in den Fahrersitz zurück und forderte mich auf, mich um die alte Dame zu kümmern.

      "Wenn du der Alten nicht verklickerst, dass sie uns wegen NICHTS nie wieder anrufen soll, dann mache ich das! Und glaub mir, Kleiner, das wird nicht freundlich aussehen. Dann kann sie sich ihren Freund und Helfer zu den scheiß Lockenwickeln auf ihrer scheiß Birne drehen!", fluchte Ross. Ein dunkelhäutiger Cop mit Schnurrbart, Brille, ordentlicher Plauze und einem - wie man unschwer erkennen konnte - Mundwerk wie es ihm gewachsen war.
      "Okay, Ross, alles klar. Ich kümmere mich darum", sagte ich mit erhobenen Händen, stieg aus und ging zu der völlig aufgelösten Frau, die ihren kleinen Hund so fest an sich presste, dass ich befürchtete, er würde es nicht heil überstehen. Der Hund sah mich mit gefletschten Zähnen an und knurrte leise. Seine runden Augen, die überdimensional riesig erschienen, waren in ein tiefes Schwarz gehüllt.
      "Mrs. Jenkins. Sie haben uns diese Woche bereits zum dritten Mal gerufen. Was ist es dieses Mal?"
      "Oh, gut, dass sie endlich da sind! Ich sagte Ihnen doch bereits, dass ich Schreie aus diesem Haus gehört habe."
      "Aus diesem?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und deutete auf das völlig ruhige Haus. Bis auf den Fernseher war immer noch keine dramatische Szene zu erkennen.
      "Ja, um Himmels Willen! Los! Sie müssen da rein! Es könnte jemand in ernsthaften Schwierigkeiten stecken!"
      "Beruhigen Sie sich bitte, Mrs. Jenkins. Ich glaube wirklich, dass es sich um einen Irrtum handelt. Es ist sicher niemand in Gefahr."
      "Ich weiß, was ich gehört habe, Mister!", protestierte die alte Dame forsch, bevor sie fast in Tränen ausbrach.
      "Ich bitte Sie! Schauen Sie nach den armen Seelen. Oh Gott... nicht auszumalen, wenn diesen wunderbaren Menschen Leid widerfahren ist und unsere Polizei wieder nicht eingegriffen hat!"
      Und nun war es soweit. Die alte Dame begann bitterlich zu weinen. Okay. Schlimmer konnte es fast nicht mehr kommen.
      "Schon gut, Mrs. Jenkins. Ich sehe nach. Nur für Sie, in Ordnung?"
      "Oh ja! Danke. Tausend Dank!"
      Also blieb mir wohl nichts anderes übrig, als mich auf den Weg zu dem Haus zu machen. Doch kurz hielt ich Inne, als Mrs. Jenkins mich erneut zurück orderte.
      "Oh Mr. ..."
      "Clevett. Blake Clevett."
      "Oh ja, Clevett. Ich kenne Sie vom letztem Mal. Ich erinnere mich. Wollen Sie Pookie mitnehmen? Er kann Sie beschützen", bot die Dame an und hielt mir ihren weißen, in die Jahre gekommenen Chihuahua entgegen, der wohl gar nicht so begeistert von dem Vorschlag seines Frauchens schien, denn er sah mich noch immer mit seinen großen schwarzen Augen an, knurrend, fast schäumend vor Wut.
      "Ehm... Danke für das Angebot, Mrs. Jenkins, aber ich komme schon zurecht."
      Dann wandte ich mich ab und ging die letzten Meter zur Haustür. Es war ein gepflegtes, großes Haus mit prächtigem Vorgarten. So wie alle Häuser dieser ausgesprochen gepflegten Gegend. Seufzend klopfte ich und wartete darauf, dass mir jemand öffnen würde. Es tat mir fast leid, die Bewohner dieses Hauses grundlos zu stören, doch wenn ich dies nicht tat, dann würde die alte Dame keine Ruhe geben und womöglich noch eine Beschwerde bei der Polizeistelle einreichen, auf die zwar keiner ein Wort geben würde, aber naja...

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Nordlicht ()

    • Li-Ming

      Zwischendurch war Wahrheit ja immer sehr nett, um ein paar Informationen aus jemandem herauszukitzeln. Pflicht hatte aber durchaus seinen Reiz und es ging ja auch darum Spaß zu haben. Und den hatten wir.
      Auch Quinn hoffte ich, die noch etwas aus sich herauskommen müsste. Gemeinsam überredeten wir sie mal etwas anderes als Wahrheit zu nehmen. Dann bekam sie auch schon eine spannende Aufgabe von Eve. Ob sie das wirklich durchziehen würde?
      "Du schaffst das!", mischte ich mich ein und beobachtete sie anschließend gespannt, wie sie auf den Cop zuging. Ich hatte auch schon versucht mit ihm zu flirten, allerdings wurde nichts daraus. Entweder war er sehr wählerisch, schwul oder seiner Frau treu. Nichts gegen Schwule und Treue, aber ein wenig enttäuscht war ich schon. Also mal sehen, wie Quinn sich schlagen würde.



      Jack

      Die Mädels hatten sich inzwischen verzogen, sodass ich mir ein weiteres Bier genehmigen konnte. Gelegentlich unterhielt ich mich mit anderen Gästen, doch ich genoss auch die Ruhe. Vielleicht sollte ich bald nach Hause. Allerdings näherte sich eine der Frauen - die Neue - und erhaschte meine Aufmerksamkeit, als sie mich ansprach und ich sie fragend ansah. Scheinbar war sie ziemlich schüchtern, trotz Alkohol, der reichlich geflossen sein dürfte. Sie schien auch nicht so recht zu wissen, was sie sagen sollte und erzählte mir von dem Spiel, das sie spielten. Es gab wohl niemanden, der es nicht kannte. "Klar", meinte ich also und betrachtete sie weiterhin, wobei meine Hand an meiner Bierflasche ruhte. Sie sollte also nach meiner Nummer fragen? Ich war durchaus versucht in die Richtung der anderen zu sehen, doch ich behielt meinen Blick auf ihr. "Das wars?", fragte ich und hob eine Augenbraue. Nur meine Nummer? Ich könnte irgendwelche Zahlen aufschreiben, wenn ich wollte. Oder ablehnen. Doch das wäre wohl ziemlich demütigend. "Ich geb dir meine Nummer", versprach ich ihr und schmunzelte etwas. "Aber würdest du dafür auch mit mir trinken?" Vielleicht würden ihre Freundinnen das noch mehr feiern. "Ich bin Jack und du?"



      Jessica

      Es machte immer Spaß mit den beiden rumzuhängen. Bald würde Amy die Stadt verlassen um zu studieren. Sie wird uns sehr fehlen. Doch heute wollten wir einfach nur das Hier und Jetzt genießen. Lisa hatte noch etwas Bier auftreiben können, welches wir uns zur Feier des Tages gönnten. War ja nichts großes dabei. Ein Bier im Saloon und ein Bier zuhause. Davon würde kaum einer betrunken werden. Naja, wie auch immer.
      Als es an der Tür klingelte, meinte Lisa, dass es bestimmt nur wieder Mrs. Jenkins sei, die aus jeder Mücke einen Elefanten machte. Dabei waren wir gar nicht so laut gewesen. Jedenfalls kam es uns nicht so vor. War ja auch keine wilde Party oder so. Amy meinte, wir sollten dennoch aufmachen, wurde aber von Lisa in einer Umarmung festgehalten.
      "Vielleicht bringt ja jemand ein Geschenk vorbei?", meinte ich schmunzelnd und erhob mich. Allerdings stand niemand von Lisa's Freunden vor der Tür sondern - natürlich - ein Cop. Mein Blick fiel von seinem Gesicht auf das Namensschild an seiner Brust und dann wieder auf sein Gesicht. Er hatte ziemlich ernste Gesichtszüge, wirkte aber freundlich. Fast schon vertrauenswürdig, wie ein Cop aussehen sollte. Ein ziemlich gut aussehender Cop, um ehrlich zu sein. Spielte aber auch keine Rolle.
      "Hi, kann ich dir helfen?", fragte ich, da ich schließlich auch nicht wusste, was er hier suchen könnte. Doch dann entdeckte ich Mrs. Jenkins, was Lisa's Vermutung bestätigte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Okay, die Nummer gab er mir also. Aber aus meinem Plan "Schnell hin, Nummer schnappen und wieder zurück zu meinem schützenden Hühnerhaufen" wurde nichts, denn der Cop verwickelte mich doch tatsächlich in ein Gespräch. Warum tat er das? Wollte er tatsächlich etwas mit mir trinken? War er wirklich ein Aufreißer, oder tat er das nur, um sich über mich lustig zu machen? Okay, Quinn. Du hattest zwei Optionen. Entweder du trinkst mit diesem heißen Kerl etwas, oder du verabschiedest dich. Ganz lässig und cool natürlich, was sonst. Doch da ich nicht unbedingt bekannt dafür war, die Lässigkeit und Coolness in Person zu sein, war es viel mehr ein unbeholfenes Stottern, welches meiner Kehle entfuhr.
      "Ehm... also...", babbelte ich so vor mich her als sei ich ein frisch gebackener Teenager. Fuck. Okay. Ruhe bewahren und lächeln! "Also klar... ja klar würde ich das", kam es dann aus mir heraus, während ich versuchte eine etwas lockere Körperhaltung einzunehmen. Ob das gerade bescheuert aussah? "Also nur wenn du mithalten kannst natürlich", kicherte ich dann und schluckte meine Nervosität herunter. Oh man. Diese Drinks hatten es ganz schön in sich. Er war ja nicht der erste Mann mit dem ich sprach. Aber irgendwie kam ich mir gerade so vor... ach egal, Quinn. Reiß dich zusammen! Ich lehnte mich neben ihn an an die Theke und beantwortete ihm halbwegs normal seine Frage: "Hi Jack. Mein Name ist Quinn. Du kennst mich vielleicht noch von früher. Meine Großmutter lebt hier in Plansmain seit... naja, eigentlich schon immer."
      Kurz lief ich meinen Blick über den Polizisten schweifen, der schon um einiges älter war als ich. Man musste zugeben, dass er eine wahrlich herzensbrechende Erscheinung hatte. Dabei war meine Erinnerung an ihn fast gänzlich erblasst. Die letzte Erinnerung lag viele Jahre zurück, kein Wunder also. "Und du bist der böse Cop aus meiner Erinnerung", schmunzelte ich dann, bevor die bestellten Getränke auch schon über die Theke zu uns herüber wanderten. Niemand schien wirklich an uns interessiert zu sein. Warum sich nun das Stadtmädchen mit dem viel älteren Polizisten unterhielt. Naja das hieß... fast niemand. Die Hühner, die sich vermutlich ihre Schnäbel um uns zerrissen, ließen wir mal außen vor. Die Menschen um uns herum genossen die altbekannte Country-Musik, unterhielten sich angeheitert, tanzten lachten und feierten das Leben. Darum fühlte ich mich auch nicht beobachtet und es schien sogar, als könnte ich meine Nervosität ablegen und das Gespräch genießen.

      Blake

      Es dauerte nur einen Augenblick bis die Tür sich öffnete und vor mir eine junge Dame stand mit stechend pinkem Haar, Piercings und einem auch sonst recht auffallendem Erscheinungsbild. Sie war die Tochter meines Kollegen Jack. Woher ich das wusste? Kommt schon. Plansmain war fast schon ein Dorf. Jeder kannte jeden. Und Jessica - ich glaubte so hieß sie - war nun wirklich keine zu übersehende Erscheinung. Ich lächelte freundlich und sagte kurz nach dem Öffnen der Tür: "Guten Abend, Blake vom Plansmain Police", und gab mich somit erkenntlich, zeigte sogar kurz meine Marke, wie es sich gehörte. "Mrs. Jenkins, die Nachbarin dieses Hauses, hatte merkwürdige Schreie gehört, und uns gebeten doch einmal nach dem Rechten zu sehen. Dürfte ich reinkommen und nachsehen, ob Mrs. Jenkins Sorge unbegründet ist und es allen gut geht?"
      Was würde die alte Dame sagen, die gespannt mit ihrem weißen Chihuahua im Arm am Rande des Vorgartens stand und jeden meiner Schritte beobachtete, wenn ich nicht mal einen Blick ins Innere werfen würde? Genau. Sie würde sich darüber beschweren, wie oberflächlich die Polize in Plansmain arbeitete. Wie schon gesagt, würde niemand einen Taler auf ihre Behauptungen setzen, aber da ich alle dem entgehen wollte - dem unnötigen Schriftkram, ihr wisst schon -, sah ich eben kurz hinein, damit überall Ruhe und Frieden einkehren konnte.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Jack

      Sie wirkte unsicher. Lag das an mir oder war sie generell so? Vielleicht eine von der schüchternen Sorte, wobei sie dann unter ihren Freundinnen damit herausstechen würde. Jedenfalls erwarteten mich keine peinlichen Anmachsprüche, die mich - wenn auch eher selten - in Versuchung bringen würden.
      Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen, als sie versuchte mich herauszufordern. Wenn ich mithalten konnte, ja? Daran hatte ich keine Zweifel.
      "Rosie's Enkelin", kommentierte ich und betrachtete sie etwas genauer. "Wirklich? So böse bin ich gar nicht", meinte ich etwas überrascht und hob dann mein Glas, um mit ihr anzustoßen. "Ehrlich." Ich erinnerte mich noch ganz gut an ihren Großvater und auch daran, wie sie sich vor den Tieren scheute. Vielleicht galt das böse also eher meiner Stute, als mir? Als böse hatte mich jedenfalls noch nie jemand bezeichnet. Faulenzer oder Nichtsnutz hingegen schon eher. So war das eben, wenn die Leute glaubten, dass sie keine Polizisten bräuchten.
      Das interessiert euch alles vermutlich überhaupt nicht. Ihr wollt wissen, was ich über Quinn dachte, nicht wahr? Sie war hübsch. Was sollte ich mehr dazu sagen? Ich war doch kein notgeiler Bock, der alle jungen Mädels besprang. Wobei es gelogen wäre zu sagen, dass ich gänzlich abgeneigt wäre. Irgendwas bezauberndes hatte sie ja doch an sich. Vielleicht war es ihre Unsicherheit, die sie lieblicher erscheinen ließ. Keine von den Raubkatzen, die mich verspeisen wollte.



      Jessica

      Merkwürdige Schreie? Ich hob kurz eine Augenbraue und sah wieder zum Polizisten auf, ehe ich einen Schritt zur Seite machte, um ihn hineinzulassen. "Das war Amy.. Sie ist sehr schreckhaft und wir schauen gerade Horrorfilme", erklärte ich ihm und beobachtete ihn kurz. Amy und Lisa waren auch schon neugierig geworden. Der Film war gerade pausiert, aber wer nicht völlig hinterm Mond lebte, sollte die Szene und den Film wohl erkennen können. Er war auch schon beinahe zu Ende, sodass wir uns danach lieber etwas anderen aussuchen sollten, um die Nachbarin nicht weiter zu beunruhigen.
      Apropos Nachbarin.
      Mein Blick ging wieder nach draußen, sodass ich mich entschied zu der alten Dame rüberzugehen. "Guten Abend, Mrs. Jenkins", begrüßte ich sie freundlich. "Es tut uns leid, dass wir Ihnen Sorgen bereitet haben. Wir haben nur ein paar Gruselfilme geschaut. Es geht allen gut", beruhigte ich sie und lächelte. "Aber es ist wirklich lieb von Ihnen, dass sie nach uns sehen wollten." Ich war ganz geübt darin anderen Menschen - insbesondere den älteren - zu sagen, was sie hören wollten. Ihr Vorwürfe zu machen würde nichts bringen und sie hatte es nur gut gemeint. Deshalb wollte ich ihre Mühen anerkennen und mich dankbar zeigen. Schließlich gab es auch Fälle, in denen die Nachbarn auch bei echter Gefahr nicht eingriffen. Die Polizei würde wohl kaum mit diesem Einsatz überfordert sein.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Er konnte sich also doch an mich erinnern. Das überraschte mich. Ja doch, das tat es wirklich. Es stimmte. Plansmain war keine riesige Stadt, aber es war auch kein Dorf, auch wenn man manchmal den Eindruck bekam. Irgendwie kannte jeder jeden. Und jeder wusste auch die intimsten Geheimnisse über den anderen... oder glaubte es zumindest zu wissen. Doch es war Jahre her, dass wir uns sahen. Ich war sozusagen ein Kind und er ein gestandener Mann in seiner Glanzzeit. Doch vermutlich erinnerte er sich mehr an Grandma als an mich. Von daher versuchte ich nicht zu viel hinein zu interpretieren und lächelte ihm nickend zu. Ob mir meine Überraschung in diesem Augenblick dennoch anzusehen war?
      "Richtig", bestätigte ich das Gesagte, dass kein Glauben sondern Wissen war. Er wusste ganz genau, dass ich das kleine Mädchen von früher war, welches es geliebt hatte, die Sommer auf dem Hof ihrer Großeltern zu verbringen. Und ja, diese unbeschwerten Tage vermisste ich heute noch, so viele Jahre später. Wir stoßen zusammen an. "Nein, das glaube ich. Immerhin hältst du hier alles am Laufen, nicht wahr? Oder ist Plansmain immer noch so ein ruhiges Örtchen, in dem höchstens mal jemandem die Brieftasche gestohlen wird?", fragte ich neugierig und legte den Kopf leicht in die Schräge, um meine Frage etwas zu untermauern. Dabei schlichen sich meine Gedanken in eine ganz andere Richtung. Während ich auf seine Antwort wartete, begann ich sein Aussehen genauer zu betrachten. Sein etwas längeres braunes Haar, seine markanten Gesichtszüge, halb versteckt unter seinem gepflegten Bart, aber dennoch gut zu erkennen. Die breiten Schultern und diese ernste, bittere Ausstrahlung. Ja... wäre ich nicht so abgeneigt, mich irgendwelchen Kerlen hinzugeben, dann wäre Jack durchaus ein Mann, der mir gefallen würde. Dass er so viele Jahre älter war? Nein, das störte mich nicht. Ich war der Typ Mensch mit der Meinung "Alter ist nur eine Zahl".

      Blake

      Ich trat ein und überzeugte mich selbst davon, dass tatsächlich nur ein paar überempfindliche Teenager, die einen zu heftigen Film geschaut hatten, die Ursache für die angsteinflößenden Schreie waren. Genau das, was ich mir bereits gedacht hatte. Doch Mrs. Jenkins hätte keine Ruhe gegeben und spätestens beim nächsten Mucks wieder angerufen. Da ich glaubte, dass Ross spätestens dann auf jeden fall explodieren würde, schaute ich eben gleich in das schicke Häuschen, ausgestattet mit den neuesten Möbeln. Hier und da in eine völlig unauffällige Ecke, in die überraschten Gesichter der Mädels.
      "Guten Abend die Damen", begrüßte ich die jungen Frauen. Es schien alles in Ordnung. Auf dem Bildschirm stand das Gesicht von Michael Meyers still, während wir ein, zwei Worte miteinander wechselten. Ich verabschiedete mich und verließ das Haus. Das wars. Wieder gestohlene Zeit, aber wenn es die alte Frau zufrieden stimmte, sollte es mir recht sein. Auf der Wache hätten wir - wie so oft - auch nur dumm herum gesessen, nicht wahr?
      Als ich also wieder in die wolkenlose Nacht trat, unterhielt sich Jessica, Jacks Tochter, gerade mit der alten Mrs. Jenkins. Sie wirkte nun nicht mehr so aufgeregt wie noch bei unserer Ankunft.
      "Oh, Jessica, mein Liebes! Es freut mich sehr, dass alles in Ordnung ist... Ich habe nur diese furchterregenden Schreie gehört und dann dachte ich..."
      Als ich zu den beiden Frauen trat, kam die Frau im Bademantel und den Lockenwickeln auf mich zu, ihren weißen, knurrenden Chihuahua fest im Arm. "Und? Ist wirklich alles in Ordnung, Officer? Geht es den lieben Mädchen gut, ja?"
      "Ja, Mrs. Jenkins, es ist alles in bester Ordnung", gab ich ihr lächelnd zur Antwort und warf auch Jessica einen flüchtigen Blick zu, bevor meine Aufmerksamkeit wieder der alten Frau galt. Es zog ein kühles Lüftchen, weswegen ich gleich im Anschluss sagte: "Am besten gehen Sie jetzt ins Haus, Mrs. Jenkins. Die Nächte werden kälter und Sie haben nur Pantoffel an. Es ist alles in Ordnung, den Mädchen geht es gut. Sie können beruhigt schlafen gehen."
      "Das werde ich tun. Und Danke für Ihre Freundlichkeit, Mr. Clevett. Sie sind ein Engel."
      "Wir helfen, wo wir können", antwortete ich lächelnd. Wenn es nach Ross ging, dann würde ich ihr nun eine Ansprache halten müssen, die sich gewaschen hatte. Dass sie nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit anrufen sollte, sie anderen unsere Dienste in diesem Moment verwehrte, wegen "Nichts". Doch da es für die alte, alleinstehende Dame eine ernstzunehmende Situation war, und sie die jungen Frauen nur vor einer potentiellen Gefahr bewahren wollte... Leute, ich konnte es einfach nicht. Bereits ahnend, dass ich mir eine Standpauke von Ross anhören konnte, der im Streifenwagen saß und mich beobachtete - seine Blicke fühlten sich an wie Nadelstiche -, sah ich Mrs. Jenkins hinterher, die brav zu ihrem Heim ging, bevor ich mich wieder Jessica zuwandte.

      "Tut mir leid für die späte Störung. Ich denke die alte Dame ist nun beruhigt. Vielleicht seht ihr euch lieber Komödien an", schmunzelte ich. "Schönen Abend noch", wünschte ich und machte mich auf den Weg zum Polizeiwagen, dessen Motor nun das Ende diese wieder mal spannenden Einsatzes einläutete.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Jack

      "Sowohl als auch", meinte ich auf ihre Frage, ob die Cops hier überhaupt etwas bewirkten. Wir waren sicher nicht gefährdet an Burnout zu erkranken, aber es war doch gut, dass es uns gab. Andernfalls hätte die gute Mrs. Jenkins wohl so etwas wie eine Nachbarschaftsmiliz gegründet oder so.
      Während ich sie wieder etwas genauer betrachtete, trank ich einen großen Schluck. Ich vermisste es schon manchmal single zu sein. Keine Verpflichtungen an Frau und Kindern. Und ich hätte problemlos mit der hübschen Quinn flirten können. Vielleicht würde ja was passieren? Immerhin wusste ich, wie ich auf manche Frauen wirkte, ohne eingebildet zu sein. "Wirst du länger in Plansmain bleiben?", fragte ich nu aus Neugierde. Es kam nicht oft vor, dass Leute aus größeren Städten sich in das ruhige Leben hier verliebten. Unmöglich war das nicht. Vielleicht war es noch zu früh danach zu fragen, aber sie wird ja wohl eine erste Einschätzung geben können.



      Jessica

      Dieser Cop konnte ganz gut mit der alten Dame umgehen. Warum sollte er auch böse sein? Weil sein Arsch nicht an seinem Stuhl festwachsen konnte? Etwas frische Luft tat den Männern - aktuell waren wirklich nur Männer bei der Polizei - auch ganz gut.
      "Gute Nacht, Mrs. Jenkins", wünschte ich freundlich und sah dann zum Cop, der sich an mich wandte und uns empfahl Komödien zu schauen. "Mal sehen", meinte ich. "Dir auch. Danke."
      Wir kehrten einander also unsere Rücken zu und gingen unseren Weg. Meiner führte mich zu den Mädels zurück, die an der Tür spähten, als wäre hier draußen etwas total spannendes passiert. "Ist der nicht total heiß? Den würd ich auch gern mal ohne Uniform sehen...", meinte Lisa und schmunzelte. "Naja..." Okay, er sah wirklich ganz gut aus, aber es gab keinen Grund ihn anzuschmachten.
      Um die Nachbarin nicht weiter zu stören, entschied die Mehrheit der Gruppe - also alle außer mir - sich für Liebesfilme. Ich wusste nie, was ich von diesem Schnulzenkram halten sollte. Manchmal war es einfach lächerlich und manchmal war ich vielleicht auch ein wenig neidisch.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Ob ich länger in Plansmain bleiben würde?
      "Ja, wahrscheinlich", gab ich ihm kurz und bündig zur Antwort und trank den letzten Schluck meines noch kühlen Getränks. Kurz warf ich einen Blick hinüber zu meinen Freundinnen, die sich noch immer die Mäuler über mich und den gutaussehenden Cop zerissen. Irgendwie begann mir ihr Getuschel und das Wissen um ihre wilden Spekulationen zu gefallen. Doch ich wollte sie nicht zu sehr auf die Folter spannen... letztendlich wegen nichts. Darum stellte ich mein leeres Glas auf den Tresen und wandte mich nochmals an Jack. "Ich denke ich werde wieder zu meinen Freundinnen gehen. Es war nett dich wiederzusehen, Jack. Wir sehen uns bestimmt öfter."
      Fast förmlich hielt ich ihm meine Hand entgegen. Welche Verabschiedung wäre sonst angemessen gewesen, hm? Küssen rechts, Küsschen links, eine stürmische Umarmung, ein Klopfen auf die Schulter? Meinen Freundinnen wäre sicher eine wilde Knutscherei am liebsten gewesen, aber das wäre nun eindeutig etwas to much.

      Blake

      Nachdem ich wieder in den Dienstwagen eingestiegen war, konnte ich mir erst einmal eine Standpauke von Ross anhören, wie so oft. Warum ich seine Zeit - unser aller Zeit - verschwendete. Und dazu noch mit dieser - ich zitiere - "völlig übergeschnappten Irren". Aber ich war es gewohnt. So war Ross nun mal. Frei wie ihm die Schnauze gewachsen war, trug er das Herz am rechten Fleck. Auf der Wache angekommen, erstatten wir dem Sheriff noch kurz Bericht, bevor ich mich meiner Dienstkleidung entledigte, mich in meine bequeme Jeans und mein weißes Shirt warf und ich mit meinem schwarzen PKW nach Hause fuhr. Es war ein kleines Haus am Stadtrand, welches ich von meiner Großtante geerbt hatte. Es reichte gerade einmal für drei, höchstens vier Personen, aber es hatte einen schönen Garten, auf dem sogar Bäume wuchsen. Hier hatte ich die letzten zwei Jahre schöne Tage verbracht. Erst vor kurzem war meine Freundin Karen zu mir gezogen. Wir waren seit etwa drei Jahren ein Paar. Und sie... naja, sie dachte schon über die Familienplanung nach. Soweit war ich aber noch nicht. Eigentlich war es mein Wunsch, die große weite Welt zu sehen, beruflich Fuß fassen, ihr wisst schon. Da hatten Kinder einfach keinen Platz. Ich mochte Kinder... ja, ganz ehrlich, aber eigene?
      Ich hatte die Pflastersteine aus dem Vorgarten, die direkt zur wei0en Haustür führten, hinter mir gelassen, schloss diese auf und schaltete erst einmal das Licht ein.
      "Ich bin Zuhause, Schatz", rief ich, so wie immer in letzter Zeit. "Bist du da?", fragte ich, als keine Reaktion folgte und schlenderte erst einmal ins Wohnzimmer.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Jack

      Wahrscheinlich.. Ganz entschlossen war sie also noch nicht. Eine Weile bestimmt, aber für immer?
      Ihre Freundinnen würden sich vermutlich freuen, wenn sie sich für immer hier niederlassen würde. Ihre neugierigen Augen hingen an uns, als wären sie völlig ausgehungert und wir saftige Steaks, in die sie zu gern hineinbeißen würden. Okay, vielleicht übertrieb ich da auch ein wenig. Immerhin hatte ich auch nur flüchtig hingesehen und wollte nicht hinüberstarren. Quinn war schließlich meine Gesprächspartnerin und es war wirklich angenehm, nicht allein trinken zu müssen.
      Natürlich hielt dieser Moment nicht ewig, denn sie war ja auch nur aus einem Grund zu mir gekommen. Kaum hatte sie ausgetrunken, wollte sie sich auch schon von mir verabschieden. "Das würde mich sehr freuen", sagte ich, doch statt ihre Hand zu ergreifen, zog ich eine Visitenkarte aus meiner Jackentasche und legte sie mit der blanken Seite nach oben auf den Tresen. "Du hast was vergessen, warte", meinte ich und schrieb meine private Handynummer auf die Rückseite, ehe ich ihre Hand mit der linken nahm und die Karte mit der rechten in ihre Handfläche legte. "Die ist aber nur für dich, ja?", meinte ich schmunzelnd. Fairerweise hatte ich natürlich meine richtige Nummer aufgeschrieben. Könnte ja sein, dass ihre Freundinnen darauf bestehen, dass sie mich zum Beweis anrief und wenn mein Handy dann nicht klingeln würde, wären sie enttäuscht. Aber deswegen musste sie ja nicht ganz Plansmain haben.


      Li-Ming

      Wir langweilten uns keinesfalls, weil Quinn im Zuge ihrer Aufgabe doch etwas langer verschwand, als gedacht. Im Gegenteil: Wir waren fasziniert davon, dass sie sich mit dem Cop unterhielt und ihm bei einem Drink Gesellschaft leistete. Noch mehr gefeiert hätten wir wohl, wenn die beiden aufgestanden und gegangen wären, doch Quinn verabschiedete sich von ihm und kam zu uns zurück. Erfolgreich. "Wie hast du das angestellt?", fragte ich verblüfft und grinste sie an. Mir hatte er seine Nummer jedenfalls nicht gegeben. Vielleicht stand er einfach nicht auf Asiatinnen. Aber der hübschen Quinn konnte er nicht widerstehen.


      Karen

      "Vielleicht musst nur etwas nachhelfen, Süße", meinte Jasper, mein mehr als offensichtlich schwuler Chef und treuer Freund. Ich arbeitete schon seit ein paar Jahren in seiner Boutique in Oakmont. Anfangs schien die Welt noch nicht so bereit zu sein für unseren kreativen Einfälle, doch inzwischen lief der Laden wirklich gut. Hin und wieder erschienen sogar Artikel über uns, nachdem die örtliche Zeitung über uns geschrieben hatte.
      "Meinst du?", fragte ich etwas skeptisch und nahm den Strohhalm zwischen meine roten Lippen, um einen Schluck von meinem Cocktail zu nehmen, während ich ihn ansah. Wir saßen gerade in einer gut besuchten Bar in Oakmont, in der heute Karaoke-Nacht war. Jasper war natürlich schon aufgetreten und hatte das Publikum ordentlich in Schwung gebracht. Mit seiner farbenfrohen Erscheinung war er auch ein absoluter Blickfang, während ich mit für etwas schlichteres entschieden hatte. Eine dunkle Bluse mit Blumenmuster und eine schwarze Hotpants.
      "Ich weiß nicht, worauf er warten will... Er hat ein Haus geerbt und ist Cop in einem Kuhkaff. Die Karriereleiter ist winzig.. Will er Sheriff werden? Ich weiß es nicht", murmelte ich und trank noch einen Schluck, während ich schmollend zu Jasper sah. Ich hatte schon mehr als einen Drink, was bedeutete, dass ich mein Auto entweder stehen lassen musste oder doch bei Jasper übernachten würde.
      "Wenn ich einfach die Pille weglassen würde, wäre Blake sicher nicht begeistert..", gab ich zu Bedenken, wobei Jasper mir einen verschwörerischen Blick schenkte. "Niemand ist unfehlbar. Du wärst nicht die erste Frau, die trotz Pille schwanger wird", sagte er, wobei er 'trotz Pille' stark betonte. In meinem Fall wäre das ja kein Unfall, sondern eine bewusste Manipulation meinerseits. "Er wird es akzeptieren und ehe du dich versiehst, freut er sich drauf!"
      Ich seufzte und rührte mit meinem Strohhalm im Glas herum, während ich meinen Kopf abstützte und hineinsah.
      Jasper sah das eine ganze Weile mit an und schwieg, durchschaute mich aber sofort. "Was beschäftigt dich?", fragte er und legte seine Hand auf den Tisch, woraufhin ich meine hineinlegte und ihn ansah.
      "Ich denke in letzter Zeit öfter darüber nach, ob wir getrennte Wege gehen sollten...", gestand ich und seufzte erneut. Ich hatte mir unser Zusammenleben irgendwie anders vorgestellt und dachte, dass uns eine eigene Familie mehr zusammenbringen würde. Ich war sogar bereit in diesem Kuhkaff zu bleiben, wenn wir Kinder bekämen. Aber war es wirklich das, was ich wollte? Manchmal fühlte es sich so an, als würde ich mir etwas einreden, nur um bei ihm bleiben zu können.
      "Nun.. wenn du dich dazu entscheiden solltest, hätte ich noch ein freies Zimmer für dich", versuchte Jasper mich etwas zu beruhigen. Die Frage, wo ich dann wohnen würde, stellte sich nämlich auch. Zurück zu meinen Eltern? Wohl kaum. Außerdem wäre das meine Chance endlich aus Plansmain zu kommen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Quinn

      Es wäre nicht nötig gewesen, dass er mir seine Nummer tatsächlich zusteckte. Vielleicht war es auch gar nicht seine Nummer und er tat lediglich so. Wäre doch auch gut möglich gewesen, nicht wahr? Aber wie dem auch sei. Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken und den kurzen, aber angenehmen Schauer zu ignorieren, der meinen Körper überkam, als er mich nur für einen Moment berührte. Gerade in dem Moment, als er mit den Zettel mit der Nummer in die Hand legte. Unwillkürlich musste ich schmunzeln, nickte zustimmend und ging dann durch das Feld, welches sich derweil etwas gelichtet hatte, zu Li-Ming und meinen anderen Freundinnen, die sich wie hungrige Hyänen auf mich stürzten. Sie befragten mich, als hätte ich gerade mit ihm die Nacht verbracht. Dabei war es doch lediglich meine Pflicht, die ich erfüllt hatte, auf dieses lächerliche Spiel hin. Die Jungs hatten sich verzogen. Nein, Moment... eine von uns fehlte doch. Eve! War sie etwa...? Naja. Es war nicht ungewöhnlich, dass die kokette Afroamerikanerin mit irgendwelchen Kerlen durchbrannte, auch wenn es nur für einen Quieke hinter dem Gebäude war oder auf der Toilette. Dies war nicht unwahrscheinlich, denn der hübsche Australier mit der Lockenpracht war auch nicht mehr zu sehen. Ich erzählte mein unspektakuläres Ergebnis mit dem Cop. Und immer wieder, auch nachdem wir schon längst ein neues Thema angeschlagen hatten, wanderte mein Blick fast wie von selbst zu ihm herüber. Er hatte eine anziehende Ausstrahlung, das konnte ich wahrlich nicht leugnen. Doch er war viel älter als ich, dazu noch verheiratet und Kinder hatte er auch. Keine Option also. Und außerdem waren Männer in nächster Zeit tabu, oder nicht? Das hatte ich mir selbst auferlegt. Ein Verzicht. Selbstschutz und so weiter. Darum genoss ich noch ein paar Getränke mit den Mädels, bevor wir den Saloon gemeinsam verließen. Sogar Eve war wieder dazu gestoßen und erzählte uns von dem wesentlich spannenderen Erlebnis mit dem Australier.



      John


      Heute war ein Tag wie jeder andere für mich. Nichts besonderes. Ich hing gern in dieser Bar ab, lebte in den Tag hinein und zischte eine Kippe nach der anderen. Sicher war ich kein Vorzeige-Schwiegersohn, aber das wollte ich sicher auch nicht sein. Ich kam gut bei den Frauen an, liebte meine Freiheit und das Ungezwungene in meinem Leben. Selbst der Boss zu sein, ohne Verpflichtungen oder ständig auf irgendeine Einverständnis zu hoffen. Dabei versuchte ich aber kein Arschloch zu sein. Und meine Freunde mochten mich, so wie ich war. Musik war neben meinem sorglosen Leben ein wichtiges Ventil für mich. Ich liebte es einfach in dieser Bar abzuhängen, vorne zu stehen mit meiner Gitarre und die Lieder zu singen, die mich bewegten. So schlenderte ich auch, begleitet von Beifall, denn die meisten Gäste dieser Bar kannten mich und meine Stimme schon, nach vorne und setzte mich auf den Hocker. Das bläulich schimmernde Licht, welches genau auf mich schien, störte mich nicht weiter. Ich brachte mich in Position, die Gitarre fest im Griff und begann zu spielen. Dabei fiel mir eine Junge Frau auf. Ihr blumiges Oberteil, die perfekt in Form gelegten Haare, ihre purpurroten Lippen... sie war mir vorher noch nie aufgefallen. Aber hey... die Bar war stets gut besucht und ich war nicht der Typ, der Frauen selbst ansprach. Dafür mussten sie schon eine besondere Ausstrahlung haben. Meistens sprachen mich die Frauen an, ohne arrogant klingen zu wollen. Es war bloß die Wahrheit. Ich war, wie ihr euch vielleicht denken könnt, kein Typ für feste Beziehungen. Ich hatte das schon ein, zweimal versucht, vielleicht auch öfter, keinen Plan. Funktioniert hatte das längerfristig nie. Und so hab ich es einfach gelassen. Ich tobte mich aus, wenn ich Bock dazu hatte. Das wars. Nicht mehr und nicht weniger. Die Frauen hatten Spaß, ich auch. Mehr brauchte ich nicht, um zufrieden zu sein.
      Der Auftritt.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Karen

      Jasper war ein toller Freund. Ihm konnte ich wirklich alles sagen, ohne schief angeschaut zu werden.
      Mir war bewusst, dass ich Blake nicht die ganze Schuld für eine unerfüllte Beziehung geben könnte, aber irgendwie war er einfach... zu langweilig.. zu vorsichtig.. zu organisiert. Etwas Chaos hier und da und nicht zu wissen, was der Morgen bringt, hatte immer seinen Reiz gehabt. Ich habe Blake wirklich geliebt, aber inzwischen kann man wohl sagen, dass einfach die Luft raus war. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, um unser Leben aufregender zu gestalten. Das aufregendste in meinem Leben war mein Job.
      War ich deshalb ein schlechter Mensch? Vielleicht gab es jemand anderen, der besser zu Blake passte. Beziehungen gingen doch ständig in die Brüche. Und vielleicht war das einfach nicht mein Ding. Aber was dann? Manchmal beneidete ich Jasper für sein lockeres Leben. Er hatte hier und da Dates und immer irgendwas spannendes zu erzählen. War dauernd auf Achse und hatte Spaß. Ich gammelte mit Blake auf der Couch und sah fern.

      "Was würdest du tun, wenn du single wärst?", fragte mich Jasper plötzlich, wobei etwas abenteuerliches in seinen Augen funkelte. Ich spielte mit dem Strohhalm zwischen meinen Fingern und dachte darüber nach, als es einen euphorischen Beifall gab. Deshalb lenkte ich meine Augen auf den Kerl auf der Bühne, der wirklich wahnsinnig attraktiv war. Angucken war ja erlaubt und so schmachtete ich immer ein wenig, bevor ich versuchte meine Fantasien mit Blake auszuleben. "Dann würde ich genauso schamlos flirten wie du..", meinte ich und schmunzelte ein wenig. Dabei senkte ich meinen Blick, aber nur ein wenig, denn ich betrachtete den talentierten Sänger noch ein wenig. Eigentlich meinte ich das scherzhaft, aber man sagte selten etwas einfach nur so. "Mhh... kann ich verstehen.. Der Typ ist echt heiß..", antwortete Jasper und bestellte uns neue Drinks. Ich sah ihn blinzelnd an, denn eigentlich hatte ich meine Anzahl an Drinks, die ich gut wegsteckte, bereits getrunken. Einer mehr und.. ich würde vielleicht den Mut fassen und wirklich einen Schritt in ein neues Leben wagen. Es wäre natürlich sauberer, zuerst mit Blake Schluss zu machen, aber er war nicht hier und per Nachricht würde ich das sicher nicht tun.
      Dennoch fühlte ich mich nicht besonders wohl bei dem Gedanken. Zumindest so lange, bis ich die Hälfte meines neuen Cocktails in einem Zug trank und aufatmete. Ich bin jung und seh gut aus.. Ich habe keine Zeit zu verschwenden mit Dingen, die mich nicht erfüllen. Besser ich akzeptiere es jetzt, als in 20 Jahren, wenn totale Flaute zwischen uns herrschte und wir 3 Kinder an der Backe haben. "Puh.. hab schon lang nicht mehr geflirtet..", meinte ich. "Bei Frauen wie dir reicht doch schon ein hungriger Blick", zwinkerte Jasper mir zu. "Und tschüss." Schon verschwand er, um Platz für den gutaussehenden Musiker zu machen, als sein Song endete.
      Wir saßen nicht weit weg von der Bühne, also hoffte ich, dass er sich wirklich eingeladen fühlen würde, sich zu mir zu setzen. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und sah Jasper nach, ehe ich zur Bühne sah und lächelte. Sein Anblick allein reichte schon, um mein Blut in Wallung zu bringen. Vermutlich war er ein richtiger Aufreißer, aber das war mir egal. Ich wollte ihn ja nicht heiraten. Ich wollte nur mal wieder etwas verrücktes erleben.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • John

      Der Song endete und ich stand von meinem Hocker auf, schwang meine Gitarre locker lässig um meine Schulter, trat die kleine Tribüne herab und dankte einem meiner Kumpels mit einem freundschaftlichen Handschlag. Als ich meinen Blick hob, sah ich, dass der Typ, der eindeutig vom anderen Ufer war, die junge Lady mit dem blonden Haar und den auffallend rot geschminkten Lippen allein gelassen hatte. Diese sah mir etwas kokett entgegen, was mich schmunzeln ließ. Doch nur für einen Moment. Was war das denn nun für eine Masche? Wollte sie, dass ich sie ansprach? Hm. Wollen wir doch mal sehen wie viel Mut sie wirklich besaß. Darum ging ich statt an ihren Tisch zu dem meiner Kumpels. Vier waren wir an der Zahl. Frauen gab es keine. Natürlich nicht. Keiner von ihnen hatte eine feste Freundin. Wir alle waren Single-Männer, die sich nicht fest binden wollten und nur aus einem einzigen Grund fast jeden Abend in diese Bar gingen. Okay. Ich war eigentlich größtenteils wegen der Musik hier und den Menschen, die sich so herrlich blamierten. Das erheiterte meinen Tag. Doch diese Geier, die mit mir am Tisch saßen, waren nur scharf auf die Frauen. Klar, was sonst. Lässig saßen sie nach hinten gelehnt in ihren Stühlen, jeder ein frisch gezapftes Bier vor sich. Unterhielten sich erheitert über die "scharfen Teile". Davon gab es hier wahrlich genug.

      "Geiler Auftritt."
      "So wie immer", begrüßten sie mich. Doch lange war der Auftritt kein Thema. Nur bis zu dem Moment als sie wieder zum Wesentlichen kamen. Die Weiber. Ich gesellte mich dazu, schnappte mir das Bier, welches sie mir freundlicherweise mit bestellt hatten und setzte mich auf den einzig freien Platz neben meinen Freund Cooper. Blond, hochgewachsen, typischer Sunnyboy mit aufgeknöpftem Hemd, der gerne über seine Eroberungen sprach und prahlte. Max, unser kleiner Südländer sah an mir vorbei. Ich folgte seinem Blick. Er erblickte das Blondchen, welches mir vorhin so hübsche Augen gemacht hatte. Nur flüchtig trafen sich unsere Blicke.
      "Das ist ein heißes Teil", grinste der schlanke Typ mit der gebräunten Haut und dem schulterlangen, glatten Haar, noch bevor er einen Schluck seines Biers trank.

      "Ja, die sieht scharf aus. Na, wer traut sich?"
      Ich schüttelte nur auf die Frage Coopers mit dem Kopf, schmunzelnd, während ich mein Bier trank. Wieder sah ich kurz zu ihr. Ich wartete. Sie hätte sowieso nicht die Eier rüberzukommen. Vielleicht würde einer meiner Kumpels sie ansprechen. Sei's drum.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Karen

      Sein Schmunzeln löste ein aufregendes Herzklopfen in mir aus, aber.. er ging weiter. War ich ihm nicht hübsch genug? Oder war er generell nicht interessiert?
      Meine Finger legten sich ein wenig fester um den Hals meines Glases, während ich dem nächsten Kerl auf der Bühne kurz zu sah. Doch mein Blick huschte wieder zu dem anderen rüber. Seine Kumpel wirkten wesentlich interessierter, aber auch wenn sie wirklich gut aussahen, hatte ich bei denen kein besonders großes Verlangen.
      In dieser Gruppe schien der Typ aber auch wie hinter einem Schutzwall zu verschwinden. Ich konnte nicht nicht zu einer Horde Männer rüber gehen und einen davon ganz offensichtlich anflirten. Was sollte ich überhaupt sagen? Wie hatte ich das denn früher gemacht? Als wäre ich schon 100 Jahre in einer Beziehung gewesen.. Aber so traute ich mich nicht..
      Moment.. Reiß dich zusammen, Karen. Hast du nicht eben noch so groß von verrückten Abenteuern gesprochen? Was hatte ich schon zu verlieren? Ich musste nur cool bleiben. Die Karen rauslassen, die in mir gefangen war. Hatte er nicht zu mir rüber gesehen? Mehr als einmal. War das.. ah.. forderte er mich etwa heraus? Er wollte, dass ich zu ihm komme, oder? Okay.

      Also stand ich auf, ging jedoch erst zur Bar, um mir ein Bier zu bestellen, mit dem ich mich zu dem Männertisch bewegte. Grazil und selbstbewusst. Ich musste mir nur selbst bewusst werden, was ich wollte. Und jetzt gerade war das dieser Kerl. Und morgen? Das würde ich mir dann überlegen. "Hey," begrüßte ich die Männer und lächelte dezent, richtete meinen Blick aber auf den gutaussehenden Musiker, während ich einen Schluck von meinem Bier nahm. "Hast du Lust auf ein Duett?", fragte ich, wobei ich es absichtlich ein wenig zweideutig klingen ließ. Sollte er es ruhig wörtlich nehmen. Bisher hatte ich zwar nie vor Publikum gesungen, aber hey - irgendwann war immer das erste Mal, nicht wahr? Und ich wollte mich nicht mehr zurückhalten. Wobei der Alkohol eine große Hilfe war, um all den nötigen Mut dafür zu fassen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • John

      Das hätte ich nicht geglaubt. Knallhart hätte ich in einer Wette verloren, wenn es eine gäbe. Doch die Kleine bewies Mut. Ich wurde erst auf ihre selbstsicheren Schritte, die genau zu unserem Tisch führten, schnurstracks und ohne Umwege, aufmerksam, als Max leise pfiff und mit einem auffällig unauffälligen Kopfzeichen auf die Blondine deutete. Wie eine Leopardin, die ihre Beute anvisierte, hatte sie einzig und allein ihre Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Versteht mich nicht falsch, es schmeichelte mir. Wem würde es nicht schmeicheln, wenn solch eine junge, hübsche Frau, die eindeutig Gucci statt irgendwelche namenlosen Marken an ihrem Körper trug, ihren wichtige Zeit ausgerechnet einem Typ wie mir schenkte. Einem Typ, der zweifellos gut aussah, dazu noch ganz passabel Gitarre spielen und singen konnte. So gesehen war ich ein guter Fang. Doch dieses Mädchen spielte in einer anderen Liga. Es wunderte mich ein wenig, dass ich überhaupt ihr Typ zu sein schien. Aber das war ich. Ganz offensichtlich. Hätte sie eher in die Kategorie Dinner-Party mit dem Sugardaddy geschoben, aber okay. Das Schmunzeln, welches sicher etwas selbstgefällig über mein Gesicht huschte... ich schaffte es nicht so recht es abzustellen. Doch ich wollte nicht überrascht wirken, auch wenn ich das zweifellos war. Über ihren Mut. Nicht jede Frau würde sich an einen Tisch voller gutaussehender Kerle wagen, nur um einen von ihnen abzuschleppen. Als sie mich dann auch noch nach einem Duett fragte, musste ich mich wirklich anstrengen, um nicht völlig aus der Bahn geworfen zu wirken. Ich wandte den Blick ab. Das Schmunzeln wandte sich in ein Grinsen. "Sorry...", begann ich, bevor ich kopfschüttelnd zu ihr nach oben sah. "Ich singe keine Duetts. Mit niemandem."
      Ein Raunen ging durch unsere kleine Menge. Max scherzte noch: "Ich kann gern mit dir nach vorne!", und Cooper fügte lachend hinzu: "Und ich kann überall sonst mit dir hingehen!"
      War ja klar, dass diese Idioten wieder ihren Senf dazu geben mussten. Ich richtete mich auf, rückte den Holzstuhl ein wenig nach hinten, stand auf und legte einen Arm um das kleine hübsche Ding. "Wir gehen eine rauchen!", sagte ich, denn ich wusste genau, dass meine Freunde es bedauerten, wenn ich ihnen den goldenen Fang vor der Nase wegschnappte. Kurz bevor wir den Ausgang erreicht hatten, zog ich meinen Arm zurück, kramte aus meiner Jeans das Päckchen Zigaretten, zog eine heraus und zündete sie mir an. Es war eine sternenklare Nacht. Dementsprechend wehte ein etwas kühler Wind. War aber gut auszuhalten.
      "Auch eine?", fragte ich sie, hielt ihr die Packung entgegen, während ich den Glimmstängel im Mundwinkel trug und sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Sie nahm das Angebot an und zog sich eine Zigarette heraus. Etwas verwundert war ich darüber schon. Normalerweise hassten diese Vorzeigeblondinen doch das Rauchen. Schlechter Atem hier, graue Vorhänge da. Und der ganze Mist zog dann auch noch in ihre Prada-Taschen. Unerhört. Mir egal. Die Schachtel verschwand wieder in meiner Hosentasche. Ich lehnte mich daraufhin mit dem Rücken an die Hauswand und betrachtete sie, während ich die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt und kräftig daran zog. Nachdem der Dampf gen Firmament entwichen war, sagte ich: "Du warst ganz schön mutig da drin. Einfach an unseren Tisch zu spazieren. Hätt' ich nicht gedacht."

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.