"Die Polizei fahndet derzeit intensiv nach der mutmaßlichen Terroristin, die für den Anschlag auf das Polizeirevier in Hillsey in Verbindung gebracht wird. Die Verdächtige ist eine Magierin, die einen großen, schwarzen Wolfshund mit sich führt. Sie ist bewaffnet und äußerst gefährlich.
Die Behörden bitten die Bevölkerung in und um Hillsey um erhöhte Wachsamkeit und raten dazu, verdächtige Sichtungen umgehend der Polizei zu melden. Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen wurden in und um Hillsey ergriffen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
Augenzeugenberichten zufolge wurde die Verdächtige und ihr Wolfshund zuletzt auf der Route 35 gesehen, wo sie im Naturschutzgebiet verschwunden ist. Die Polizei hat die Route 35 bis auf weiteres gesperrt und führt in diesem Bereich verstärkte Kontrollen durch.
Die Polizei bittet die Bürger, Ruhe zu bewahren. Jeder Hinweis wird angenommen. Nachfolgend finden Sie ein Bild der Täterin."
Vier Tage war es her. Vier Tage, seit Georgia zuletzt Zuhause gewesen war, seit sie zuletzt eine warme Mahlzeit zu sich genommen hatte, seit sie sich zum letzten Mal ordentlich gewaschen hatte. Vier Tage, seit sie zuletzt ihr Handy benutzt hatte, seit sie zuletzt fern gesehen hatte, seit sie zuletzt in ihrem eigenen Bett geschlafen hatte. Vier Tage, seit sie zuletzt gelebt hatte.
Vier Tage konnten wie eine Unendlichkeit erscheinen, wenn plötzlich das ganze Land hinter einem her war und man binnen einer einzigen Stunde von einem braven, unbescholtenen Bürger zu einem der meist gesuchtesten Verbrecher im ganzen Land wurde. Vier Tage waren nicht gerade viel, um ein ganzes Leben zu verlieren, aber sie waren genug. Georgia wusste jetzt, dass vier Tage mehr als genug dafür waren.
Aber auch wenige Minuten konnten eine Unendlichkeit sein, das war die zweite Feststellung, die sie in so einer kurzen Zeit hinter sich hatte. Denn während sie so in dem kleinen Regal saß, die Beine angezogen, damit sie auch hinein passte, und den Kopf zwischen die Schulter gesteckt, damit kein Licht sie traf, da hielt sie selbst die wenigen Minuten, die sie in ihrem Versteck schon ausharrte, für eine Unendlichkeit. Denn regelmäßig musste sie den Atem anhalten.
In dem Raum um sie herum war es still. Es war ein hoher Raum, eine Art Lagerhaus, wie sie an Supermärkte drangebaut wurden. Der hier gehörte auch einem Supermarkt, aber der hatte schon vor einigen Monaten dicht gemacht und stand damit völlig leer. Nicht einmal in diesem Lager war etwas übrig geblieben, worauf Georgia insgeheim gehofft hatte. Alles völlig ausgeräumt.
Wenigstens hatte sie so die Idee bekommen, auf eines der leeren Regale zu klettern, wo sie jetzt auch saß. Sie hatte die Idee bekommen, die Beine so fest anzuziehen, wie es nur ging, damit sie hinein passte. Und dann hatte sie die Idee bekommen, ganz, ganz still zu sein.
Aus dem Nebenraum kam ein Geräusch, ein leises wusch, wie wenn man über Papier strich. Georgia hielt den Atem an und zwängte sich ein bisschen tiefer in ihr Versteck. Kurz darauf ertönten einsame, hallende Klack-Geräusche. Klack, klack. Klack, klack. Sie kamen näher und Georgia kniff die Augen zusammen.
Die Bestie kam in den großen, leer stehenden Raum geschlichen. Sie konnte erstaunlich still sein, wenn sie das wollte - Georgia hatte auch schon das Gegenteil erfahren - aber ganz lautlos war sie nie. Da war immer dieses helle Klack ihrer Krallen, die auf den Steinboden stießen, und das Schaben ihres Schwanzes, wenn er über den Boden strich - wie das Streichen von Papier. Da war immer ein ganz leises, kehliges Röcheln, das im Rhythmus ihrer Atemzüge erklang und letztlich war da eine Art Rascheln, wenn sich die merkwürdig behaarten Fühler zu beiden Seiten ihres Gesichtes schüttelten. Besonders letzteres erweckte immer eine Gänsehaut in Georgia, die sich vorstellte, wie diese unendlich vielen Härchen aneinander rieben und dieses Geräusch verursachten. Es war widerlich und sie hatte sich in vier Tagen schon nicht daran gewöhnt.
Auch jetzt konnte man die Kreatur in dem leeren Raum klar hören. Auf sonst leisen Sohlen kam sie näher, begleitet von ihrem stetigen Klacken und Röcheln. Klack, klack. Klack, klack. Georgia presste die Augen so fest aufeinander, dass sie ihr wehtaten, und wünschte sich, dass es wieder vorübergehen würde.
Die Bestie blieb irgendwo unter ihr stehen. Sie musste den großen Kopf herumwenden, denn es raschelte ganz wenig nur. Sie schnaubte, tief und kehlig und fürchterlich und eine ihrer Krallen schabte über den Steinboden nach. Georgia schauderte es und sie hielt den Atem an.
Seit zwanzig Minuten hielt sie sich jetzt schon in diesem Regal versteckt mit einem einfachen, aber effektiven Plan: Wenn die Bestie sie nicht fand, wenn sie sie verloren hatte, dann würde sie vielleicht irgendwann das Interesse verlieren. Sie würde diesen Laden wieder verlassen, würde zurück zur nächsten Straße streifen und dort so lange wüten, bis die Polizei ihr früher oder später Einhalt gebieten würde. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte Georgia dann aus ihrem Versteck hervorkommen und die Sachen richtigstellen. Klarstellen, dass das alles nur ein Versehen gewesen war und dass sie nicht 46 Polizeimänner und Frauen umbringen wollte. Dass sie eigentlich keinen einzigen umbringen wollte.
46. Ihre Augen brannten wieder mit Tränen, aber sie kamen diesmal nicht hervor. Sie hatte schon genug geweint in den letzten Tagen.
Die Bestie strich mit ihrem Schweif über den Boden, ein grausiges wusch, das auch noch rasselte, weil es hier überall dreckig war. Georgia erzitterte, aber sie rührte sich nicht. Es würde vorbeigehen. Irgendwie würde es vorbeigehen.
Sie trug noch ihre Polizeiuniform, die jetzt aber zerrissen, dreckig und blutig war. Ihr Arm steckte in einem Druckverband, den sie sich selbst verpasst hatte und den sie nicht abnehmen wollte - niemals. Sie war hungrig, durstig und sie konnte sich selbst riechen. Aber am meisten war sie völlig verzweifelt, hoffnungslos verloren und so einsam wie noch nie.
Nein, ganz einsam war sie ja nicht. Die Bestie war irgendwo unter ihr und suchte sicherlich nach ihr.
Es dauerte ein paar weitere Sekunden, dann ertönte wieder dieses unheilvolle Klacken und die Kreatur zog weiter. Sie streifte an den anderen Regalen entlang, aber anscheinend verlor sie das Interesse an diesem Raum und ging wieder in den Supermarkt hinaus. Georgia atmete zittrig aus und fing dann doch wieder das Weinen an, tränenlos und stumm.
Sie wollte nachhause. Sie wollte zurück zu ihren Eltern. Sie wollte zurück in das Leben, das sie bis vor kurzem noch gehabt hatte. Sie wollte nichts mehr hiervon. Sie wollte einfach nur wieder Georgia sein, nicht die Verdächtige und auch nicht die Terroristin. Sie wollte die Zeit zurückdrehen und nie, nie, niemals auf ihre Magie zurückgreifen.
@Asuna
Die Behörden bitten die Bevölkerung in und um Hillsey um erhöhte Wachsamkeit und raten dazu, verdächtige Sichtungen umgehend der Polizei zu melden. Umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen wurden in und um Hillsey ergriffen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten.
Augenzeugenberichten zufolge wurde die Verdächtige und ihr Wolfshund zuletzt auf der Route 35 gesehen, wo sie im Naturschutzgebiet verschwunden ist. Die Polizei hat die Route 35 bis auf weiteres gesperrt und führt in diesem Bereich verstärkte Kontrollen durch.
Die Polizei bittet die Bürger, Ruhe zu bewahren. Jeder Hinweis wird angenommen. Nachfolgend finden Sie ein Bild der Täterin."
Vier Tage war es her. Vier Tage, seit Georgia zuletzt Zuhause gewesen war, seit sie zuletzt eine warme Mahlzeit zu sich genommen hatte, seit sie sich zum letzten Mal ordentlich gewaschen hatte. Vier Tage, seit sie zuletzt ihr Handy benutzt hatte, seit sie zuletzt fern gesehen hatte, seit sie zuletzt in ihrem eigenen Bett geschlafen hatte. Vier Tage, seit sie zuletzt gelebt hatte.
Vier Tage konnten wie eine Unendlichkeit erscheinen, wenn plötzlich das ganze Land hinter einem her war und man binnen einer einzigen Stunde von einem braven, unbescholtenen Bürger zu einem der meist gesuchtesten Verbrecher im ganzen Land wurde. Vier Tage waren nicht gerade viel, um ein ganzes Leben zu verlieren, aber sie waren genug. Georgia wusste jetzt, dass vier Tage mehr als genug dafür waren.
Aber auch wenige Minuten konnten eine Unendlichkeit sein, das war die zweite Feststellung, die sie in so einer kurzen Zeit hinter sich hatte. Denn während sie so in dem kleinen Regal saß, die Beine angezogen, damit sie auch hinein passte, und den Kopf zwischen die Schulter gesteckt, damit kein Licht sie traf, da hielt sie selbst die wenigen Minuten, die sie in ihrem Versteck schon ausharrte, für eine Unendlichkeit. Denn regelmäßig musste sie den Atem anhalten.
In dem Raum um sie herum war es still. Es war ein hoher Raum, eine Art Lagerhaus, wie sie an Supermärkte drangebaut wurden. Der hier gehörte auch einem Supermarkt, aber der hatte schon vor einigen Monaten dicht gemacht und stand damit völlig leer. Nicht einmal in diesem Lager war etwas übrig geblieben, worauf Georgia insgeheim gehofft hatte. Alles völlig ausgeräumt.
Wenigstens hatte sie so die Idee bekommen, auf eines der leeren Regale zu klettern, wo sie jetzt auch saß. Sie hatte die Idee bekommen, die Beine so fest anzuziehen, wie es nur ging, damit sie hinein passte. Und dann hatte sie die Idee bekommen, ganz, ganz still zu sein.
Aus dem Nebenraum kam ein Geräusch, ein leises wusch, wie wenn man über Papier strich. Georgia hielt den Atem an und zwängte sich ein bisschen tiefer in ihr Versteck. Kurz darauf ertönten einsame, hallende Klack-Geräusche. Klack, klack. Klack, klack. Sie kamen näher und Georgia kniff die Augen zusammen.
Die Bestie kam in den großen, leer stehenden Raum geschlichen. Sie konnte erstaunlich still sein, wenn sie das wollte - Georgia hatte auch schon das Gegenteil erfahren - aber ganz lautlos war sie nie. Da war immer dieses helle Klack ihrer Krallen, die auf den Steinboden stießen, und das Schaben ihres Schwanzes, wenn er über den Boden strich - wie das Streichen von Papier. Da war immer ein ganz leises, kehliges Röcheln, das im Rhythmus ihrer Atemzüge erklang und letztlich war da eine Art Rascheln, wenn sich die merkwürdig behaarten Fühler zu beiden Seiten ihres Gesichtes schüttelten. Besonders letzteres erweckte immer eine Gänsehaut in Georgia, die sich vorstellte, wie diese unendlich vielen Härchen aneinander rieben und dieses Geräusch verursachten. Es war widerlich und sie hatte sich in vier Tagen schon nicht daran gewöhnt.
Auch jetzt konnte man die Kreatur in dem leeren Raum klar hören. Auf sonst leisen Sohlen kam sie näher, begleitet von ihrem stetigen Klacken und Röcheln. Klack, klack. Klack, klack. Georgia presste die Augen so fest aufeinander, dass sie ihr wehtaten, und wünschte sich, dass es wieder vorübergehen würde.
Die Bestie blieb irgendwo unter ihr stehen. Sie musste den großen Kopf herumwenden, denn es raschelte ganz wenig nur. Sie schnaubte, tief und kehlig und fürchterlich und eine ihrer Krallen schabte über den Steinboden nach. Georgia schauderte es und sie hielt den Atem an.
Seit zwanzig Minuten hielt sie sich jetzt schon in diesem Regal versteckt mit einem einfachen, aber effektiven Plan: Wenn die Bestie sie nicht fand, wenn sie sie verloren hatte, dann würde sie vielleicht irgendwann das Interesse verlieren. Sie würde diesen Laden wieder verlassen, würde zurück zur nächsten Straße streifen und dort so lange wüten, bis die Polizei ihr früher oder später Einhalt gebieten würde. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte Georgia dann aus ihrem Versteck hervorkommen und die Sachen richtigstellen. Klarstellen, dass das alles nur ein Versehen gewesen war und dass sie nicht 46 Polizeimänner und Frauen umbringen wollte. Dass sie eigentlich keinen einzigen umbringen wollte.
46. Ihre Augen brannten wieder mit Tränen, aber sie kamen diesmal nicht hervor. Sie hatte schon genug geweint in den letzten Tagen.
Die Bestie strich mit ihrem Schweif über den Boden, ein grausiges wusch, das auch noch rasselte, weil es hier überall dreckig war. Georgia erzitterte, aber sie rührte sich nicht. Es würde vorbeigehen. Irgendwie würde es vorbeigehen.
Sie trug noch ihre Polizeiuniform, die jetzt aber zerrissen, dreckig und blutig war. Ihr Arm steckte in einem Druckverband, den sie sich selbst verpasst hatte und den sie nicht abnehmen wollte - niemals. Sie war hungrig, durstig und sie konnte sich selbst riechen. Aber am meisten war sie völlig verzweifelt, hoffnungslos verloren und so einsam wie noch nie.
Nein, ganz einsam war sie ja nicht. Die Bestie war irgendwo unter ihr und suchte sicherlich nach ihr.
Es dauerte ein paar weitere Sekunden, dann ertönte wieder dieses unheilvolle Klacken und die Kreatur zog weiter. Sie streifte an den anderen Regalen entlang, aber anscheinend verlor sie das Interesse an diesem Raum und ging wieder in den Supermarkt hinaus. Georgia atmete zittrig aus und fing dann doch wieder das Weinen an, tränenlos und stumm.
Sie wollte nachhause. Sie wollte zurück zu ihren Eltern. Sie wollte zurück in das Leben, das sie bis vor kurzem noch gehabt hatte. Sie wollte nichts mehr hiervon. Sie wollte einfach nur wieder Georgia sein, nicht die Verdächtige und auch nicht die Terroristin. Sie wollte die Zeit zurückdrehen und nie, nie, niemals auf ihre Magie zurückgreifen.
@Asuna
