Broken Crown [Kiimesca | Atomic]

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    • Broken Crown [Kiimesca | Atomic]


      Eine Welle nach der anderen, höher, mächtiger, überwältigender, bis sie ihn vollständig verschluckt hatte.
      Das salzige Wasser brannte in seinen Augen, während er verzweifelt versuchte, an die Oberfläche zu gelangen.
      Seine Lungen brannten vor dem Verlangen nach Luft, doch jede Bewegung, die er machte, schien ihn nur tiefer in die Tiefen des Ozeans zu ziehen.
      Panik ergriff Besitz von ihm, als er sich in einem undurchdringlichen schwarzen Nichts verlor, nicht wissend, ob er überhaupt noch die Richtung nach oben kannte.
      Finn schrie, doch kein Ton kam aus seinem erstickenden Mund.
      Die Furcht packte ihn bei den Knochen und zog ihn weiter hinab in die Dunkelheit, wo kein Lichtstrahl je hinreichte -

      Plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, schreckte Finn aus seinem Albtraum hoch, sein Körper von einem kalten Schweiß bedeckt, sein Herz raste wie wild in seiner Brust. Er lag in seinem einfachen Bett aus Leinenstoff, die Umrisse des Zimmers im fahlen Mondlicht nur schwach zu erkennen. Es war nur ein Traum, dachte er sich erleichtert, doch die Erinnerung an diese schreckliche Zeit, als er sein Gedächtnis im Meer verloren hatte, war immer noch lebhaft in seinem Geist.
      Instinktiv wanderte seine Hand zu der Narbe an seiner Brust. Er wusste nicht mehr, wo er sich diese zugezogen hatte, aber ihm wurde erzählt, dass er mit dieser Verletzung in die Netze der Fischer hinein gespült wurde. Anscheinend hatte er Glück. Was auch immer ihn getroffen hatte, hatte sein Herz nur knapp verfehlt.

      Langsam erhob er sich aus dem Bett und begann, sich für den Tag fertig zu machen. Es dauerte nicht mehr lange bis zum Morgengrauen. Und seiner Abreise…
      Heute war der Tag, an dem er das Dorf verlassen sollte.
      Die Hauptstadt hatte alle jungen Männer des Landes als Rekruten für ihre neue Armee einberufen, um gegen die drohende Gefahr aus dem benachbarten Reich zu kämpfen.
      Auch Finn und ein weiterer junger Mann aus dem Dorf namens Jonas waren dazu ausersehen.

      Aber warum genau eine Kriegserklärung ausgesprochen wurde oder wofür sie kämpfen sollten, wurde ihnen natürlich nicht mitgeteilt. Sie waren ja schließlich nur einfache Menschen vom Lande.

      Nachdem er sein Gesicht kurz in kaltem Wasser gewaschen hatte, um den letzten Rest Müdigkeit und die letzten Spuren seines Albtraumes hinfort zu waschen, begann er sein wenig Hab und Gut zusammen zu packen.
      Es war wirklich überschaubar.
      Einige Leinenhemden, ein Kamm, und ein kleines Säcklein gemahlener Kohle.
      Stets erhielt er Rückmeldung darüber, dass es doch gar nicht nötig sei, dass er seinem Haar damit eine dunklere Nuance verlieh. Doch irgendwie fühlte er sich so wohler, wenn sein helles, auffälliges Haar ihn nicht wie eine erleuchtete Fackel aus der Masse hervorstechen ließ.
      Als Finn schließlich den Dorfplatz erreichte, traf er auf Jonas, der bereits dort wartete. Die beiden jungen Männer begrüßten sich mit einem Nicken und einem schwachen Lächeln, doch ihre Augen verrieten die Angst und Unsicherheit, die sie beide empfanden.

      "Denkst du, wir werden je wieder hierher zurückkehren?", fragte Jonas mit zitternder Stimme.

      Finn schluckte schwer. "Ich hoffe es."

      Er ließ seinen blick schwermütig über den kleinen überschaubaren Dorfplatz wandern. Die Schlichten Holzhütten, an denen die Netze und Leinen zum Trocknen aufgehängt waren, die lehmigen Wege, von Schilf gesäumt, ja sogar das Geräusch der wellen die gegen die Rümpfe der Boote schlugen, die man vom nahegelegenen Ufer bis hierher hören konnte - all dies würde ihm fehlen. Er hatte keine Erinnerungen an seine Vergangenheit, doch dieser Ort war zu seiner Heimat - seinem Zuhause geworden.
      Nach und nach trudelten immer mehr Leute ein um die jungen Männer zu verabschieden.
      Tränen flossen, und Wünsche für ihre sichere Rückkehr wurden ausgesprochen.
      Finn und Jonas versprachen, stark zu sein und zurück zu kehren, wenn der Krieg vorbei war.
      Bevor sie sich endgültig auf den Weg machten, überreichte ihnen die Dorfgemeinschaft eine Ration geräucherten Fisches als Wegstärkung. Bescheiden, aber äußerst nahrhaft.
      “Mein Junge, komm bloß zurück, hörst du?”
      Finn beobachtete, wie Jonas von seiner Familie verabschiedet wurde, und er seinen weinenden Mutter einen Abschieskuss auf die tränenüberströmte Wange gab. “Mach dir keine Sorgen, Mutter! Ich komme zurück mit neuen Geschichten und einem ganzen Sack Gold am Mann!"
      Bei dieser Szene spürte Finn einen kleinen Stich in seinem Herzen. Er hatte keine Familie, die ihn so verabschiedete. Und wenn er sie je gehabt hatte, so konnte er sich nicht einmal an ihre Gesichter erinnern.
      Schnell wand er sich ab und ließ noch einen letzten Blick über seine Heimat und die vertrauten Gesichter schweifen.


      Der Weg zur Hauptstadt des Königreichs war lang und beschwerlich, aber die beiden jungen Männer hielten sich gegenseitig bei Laune, indem sie Geschichten aus ihrer Kindheit erzählten.
      Nun ja, Jonas zumindest. Er hatte es schon immer geliebt, Geschichten lebhaft zu erzählen, während Finn stets aufmerksam lauschte. Wenn er schon selber keine Geschichten zu erzählen hatte, lauschte er umso lieber anderen und versuchte, seine eigene innere Leere zu füllen.
      Immer wieder musste er über Jonas Geschichten lachen, gab vereinzelte Kommentare und stellte Fragen.
      Der Redefluss des Fischers war unermüdlich, und so verging die Zeit wie im Fluge.
      Je näher sie der Hauptstadt kamen, desto mehr junge Männer aus anderen Dörfern trafen sie, die dasselbe Ziel hatten wie sie. Auch sie begannen ihre eigenen Geschichten zu erzählen.

      Die Nacht warbbereits hereingebrochen, als sie schließlich in der Hauptstadt ankamen, doch es gab keine Zeit zum Ausruhen.
      Der Ausbilder für die Rekruten, ein stoischer, hochgewachsener Mann mit ergrautem Haar, begann sofort damit, die eingetroffenen Männer in ihre neuen Einheiten einzuteilen und Anweisungen zu geben.

      “Du, dort entlang.” Wies er auf Jonas und dann in Richtung einer Unterkunft.
      Instinktiv wollte Finn ihm folgen, doch der Ausbilder scjüttelte energisch den Kopf.
      “ Du nicht. Diese Einheit ist voll. Du gehst dorthin." Er deutete in die andere Richtung, zu einer entfernten Unterkunft. Beunruhigt trafen sich die Blicke der beiden.
      “Wir werden uns wiedersehen.” versprach Finn und Jonas nickte zuversichtlich "Bestimmt."
      Und so trennten sich ihre Wege während beide in die ihnen jeweils zugewiesene Unterkunft hinein traten.
      Er spürte einen Stich der Hilflosigkeit, von der einzigen Person getrennt zu werden, die er hier kannte.
      Doch fürs erste überwog die Müdigkeit.
      Allein in seinem neuen Quartier fiel Finn erschöpft auf ein freies Lager aus Stroh, am hintersten Ende, und dachte an die Herausforderungen, die vor ihm lagen. Der Krieg mochte noch nicht begonnen haben, aber er wusste, dass sein Leben nie wieder dasselbe sein würde.








      Aurin Van Belenus

      Aurin ritt durch das sanfte Hügelland, sein Pferd wiehernd und die klirrende Rüstung ein Echo seiner Gedanken. Die vergangenen Tage hatten ihn tief in die Archive des Schlosses geführt, wo vergilbte Seiten und staubige Bücher ihm Geschichten aus längst vergangenen Tagen erzählten.

      In der majestätischen Bibliothek des Schlosses, erleuchtet vom weichen Schein der Kerzen, hatte Aurin nächtelang umgeben von Wissen und Geheimnissen die Schriften durchforstet.
      Die schweren Bücher, die auf dem großen Holztisch vor ihm ausgebreitet lagen, erzählten von vergessenen Intrigen und längst vergangenen Mächten.
      Doch ein Eintrag hatte sein Interesse geweckt, wie eine verborgene Perle in einem Meer von Worten.

      Die Geschichte einer Dienstmagd, einfach und doch bedeutsam, zog ihn in ihren Bann.
      Sie war als einfache Küchenhilfin angestellt, bis sie auf Geheiß des damaligen Königs selbst zu seiner persönlichen Dienstmagd wurde.
      Über Jahre hinweg hatte sie ihm treu gedient, ihre Anwesenheit im Schloss unauffällig und dennoch von Bedeutung. Bis sie dann, eines Tages, einfach verschwunden ist, wie ein Schatten in der Nacht.
      Aurin spürte, dass diese Frau ein wichtiges Puzzlestück in der Geschichte des Königshauses sein könnte, ein fehlendes Glied in einer Kette von Geheimnissen.

      Zurück in der Gegenwart erreichte Aurin einen abgelegenen Hof, auf dem einige Hühner auf dem Innenhof herumpickten. Er stieg von seinem Pferd ab und sah sich um, seine Rüstung klirrte leise im Wind. Er hoffte, dass sein Aufzug ihm den angemessenen Empfang sichern würde, den er brauchte, um seine Nachforschungen fortzusetzen.
      Der Hof schien ruhig und abgeschieden zu sein, und Aurin atmete tief durch, als er sich entschloss, den Hof zu betreten und nach den Bewohnern zu suchen. Vielleicht würde er hier endlich die Antworten finden, nach denen er so lange gesucht hatte.
      In the midst of chaos
      there is also opportunity
    • Torian

      Mit leerem Blick fristete der einstige Stallbursche sein Dasein im Kerker. Irgendwann wusste er schon nicht mal mehr, wie lange er dort unten eigentlich war. Für kurze Zeit am Tag, drang etwas Licht durch das winzige Fenster, doch ihm ging die Energie aus, die Tage mit Strichen an den Wänden zu zählen, wie es schon andere vor ihm getan hatten. Ein Mädchen brachte ihm gelegentlich etwas Brot, das sie ihm durch das kleine Fenster reichte. Wasser bekam er nur, wenn es regnete.
      Sein Körper verkümmerte schneller als sein Geist, sodass er zwar etwas größer, aber deutlich magerer wurde. Seine Haut war kreidebleich. Die Haare wuchsen unaufhörlich und die Kleidung wurde ihm an Armen und Beinen zu kurz. Wenn es stärker regnete, konnte er seine Kleidung am Gemäuer schrubben, sodass sie zwar durch die Erde im Regenwasser nie sauber wurde, aber wenigstens nicht noch schlimmer roch, als sie es so schon tat. Es war eine harte Zeit, die er ohne Hilfe wohl nie überstanden hätte. Auf die Stimmen der Wachen hörte er schon gar nicht mehr. Das Mädchen war die einzige, mit der er aus Höflichkeit sprach, doch seit ein paar Tagen kam sie nicht mehr. Torian dachte schon, dass dies sein Ende sei, ehe ein stolzer Ritter auf ihn zukam und ihm die Freiheit anbot. Eine lächerliche Freiheit, denn er sollte ein Schwert in die Hand nehmen und für das Reich kämpfen. Das war doch nur eine andere Art von Gefängnis, denn wenn er ablehnte, würde er sterben. Er hatte also keine andere Wahl, als zuzustimmen.

      Nachdem er ein Bad und ein paar abgenutzte Kleidungsstücke bekam, bekam er auch etwas zu essen. Es fiel ihm schwer die Augen offen zu halten, da er sie aufgrund des ungewohnt vielen Sonnenlichts stark zukneifen musste, um nicht vollständig geblendet zu werden. So hatte er zumindest nicht den leeren Blick in den Augen, den er zu später Stunde oder in geschlossenen Räumen hatte.

      5 Jahre hatte er dort unten irgendwie überlebt. Sich an sein Leben geklammert, doch wofür? Dafür, dass er jetzt für die kämpfen sollten, die ihn verraten hatten? Weil sie und er nicht an die Legende geglaubt hatten und ihre Tat sie ins Unglück stürzte? Vielleicht hatten sie es verdient ausgelöscht zu werden. Aber irgendwo tief in seinem Herzen konnte er das Mädchen, das ihm geholfen hatte und alle anderen unschuldigen Bürger, die mit dieser Intrige nichts zutun hatten, nicht aufgeben. Wenn er schon nicht für sich selbst lebte, dann für sie. Für das Mädchen, dessen Gesicht er nie vollständig sehen konnte, da ihr Schatten den Raum in vollständige Dunkelheit hüllte. Diesem Mädchen war er schuldig, sich wenigstens zu bemühen am Leben zu bleiben und diesem Krieg etwas entgegen zu setzen.

      Da der Weg des Ausrufs zu ihm am kürzesten war, war er einer der ersten Rekruten im Ausbildungslager für unerfahrene Kämpfer. Als Stallbursche hat er hin und wieder mal ein Holzschwert geschwungen, doch dies war längst vergessen. Ebenso wie sich sein Körper kaum an seine Muskeln zu erinnern schien. Das Stehen gelang ihm einigermaßen passabel, doch seine Arme waren untrainiert.
      "Was sollen wir denn mit dem? Der taugt doch nichts", hatte ein Rekrut, dessen Gesicht er sich nie genau angesehen hatte, gesagt.
      "Während er getötet wird, haben wir die Gelegenheit dazu, seinen Henker zu töten", meinte ein anderer, ebenso für ihn unbedeutender junger Mann.
      Solche Dinge hörte er nicht selten.

      Torian erwiderte nichts auf solche Aussagen und sah außer den höher rangingen Rittern niemanden an. Doch auch diesen antwortete er nicht und ließ sie im Glauben, er hätte während seiner Gefangenschaft seine Stimme verloren. Dies war zwar nicht ganz korrekt, sofern er noch im Stande war, jeden Tag, wenn das Mädchen da war, genau ein Wort zu sagen - Danke - aber es fühlte sich genau danach an. Als hätte dieser junge Mann nichts mehr in seinem Leben zu sagen. Nichts zu erzählen, das von Bedeutung sein könnte. Er war nur noch eine leere Hülle.

      Doch in den wenigen Wochen, die er in freier Knechtschaft verbrachte, trainierte er viel. Er brauchte viele Pausen, bekam oft Standpauken, aber irgendetwas motivierte ihn. Ein winziger Funken in ihm, der die Hoffnung in all der Zeit nie aufgeben wollte. Irgendwas trieb ihn an, nur wusste er nicht was.
      Seine Erscheinung wurde nur langsam besser. Das Haar hatte er sich ein gutes Stück selbst gekürzt, weshalb sie teilweise nicht auf gleicher Länge waren. Den ersten Sonnenbrand hatte er schon nach dem ersten Tag und seine Haut erholte sich mit der Creme der Schwester - der er den meisten nach nicht würdig war - allmählich. Sie bekam eine gesündere Farbe, doch unter seiner Kleidung war sie noch immer blass und hob sich kaum von seinen Knocken ab.






      Loretta

      "Loretta, schau mal! Die hier sind riesig!", rief ein junges Mädchen, das ihren Blick von den saftigen und rot glänzenden Tomaten auf die junge Frau mit einem Korb richtete, der bereits zur Hälfte gefüllt war. Die rot schimmernden Augen der Frau folgten dem aufgeregten Klang der Stimme, während sich ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen legte.
      "Wow, die sehen großartig aus!", erwiderte sie voller Stolz, um ihre jüngere Schwester zu loben. Diese begann die roten Früchte zu ernten und nacheinander in den Korb zu legen.

      Lächelnd wischte sie sich den Schweiß mit dem Ärmel ihres Kleides von der Stirn, nachdem sie den Korb in das bescheidene Haus gebracht hatte.
      "Mama, Mama! Wir haben ganz viele Tomaten gefunden!" Emily, die gerade einmal 7 Jahre alt war, strotzte nur so vor Freude. Ihre Mutter lachte und lobte sie, während sie ihr über den Kopf strich. Dabei schenkte sie auch Loretta ein Lächeln, die sie wie ihr eigenes Kind liebte. Die junge Frau hatte die neue Frau ihres Vaters sofort akzeptiert und freute sich damals wie ein Honigkuchenpferd, als ihr Bruder geboren wurde. Später bekam sie auch eine Schwester. Ihre Liebe zu ihren Geschwistern wurde mit den Jahren nur stärker.
      Pepe würde den Hof übernehmen, während Emily und Loretta sich an die Seite eines Mannes begeben würden, um fortan diesen zu unterstützen. Da Loretta die Feldarbeit und vor allem die Tiere auf dem Hof sehr liebte, hoffte sie den Sohn des Bauern zu ehelichen, mit dem sie regelmäßigen Handel betrieben. Seine Eltern waren begeistert von Loretta, da diese die Arbeit bereits gewohnt war und deshalb eine idealere Schwiegertochter war, als die Tochter eines Holzfällers. Daher würde es wohl nicht mehr lang zu ihrer Verlobung dauern. Ihre Eltern sprachen sich ebenfalls für die Vermählung aus und Loretta war froh, dass sie auf einem Hof bleiben durfte. Darwin war ein stattlicher Mann und wirkte immer sehr freundlich auf die junge Frau. Da hätte sie durchaus einen schlechteren Fang machen können.

      Während Emily ihrer Mutter bei der Zubereitung des Abendessens half, holte Loretta etwas Wasser aus dem Brunnen. Es wurde täglich wärmer und die Sonne strahlte immer heller. Als sie ein wenig in Gedanken versunken in die Sonne blickte und dabei ihre Augen zu kniff, erkannte sie eine verschwommene Silhouette in der Ferne. Diese schien direkt auf den Hof zuzusteuern. Für die Familie waren Reisende keine Seltenheit. Da Loretta ihre Hilfsbereitschaft von ihren Eltern in die Wiege gelegt bekam, hatten sie für diese auch immer ein Plätzchen zum nächtigen und auch eine stärkende Mahlzeit. Nicht nur einmal sahen sie darüber hinweg, dass der Reisende diese Dienstleistung nicht bezahlen konnte.
      Doch als ihr die Rüstung auffiel, brauchte sie sich um die Bezahlung keine Sorgen machen. Blind griff sie nach der Kelle, die am Balken des Brunnens hing und tauchte sie in den Eimer, ehe sie auf den Fremden zuging. Die blonden Haare fielen ihr schon früh auf, doch erst als sie nur noch wenige Meter voneinander trennten, erkannte sie, dass dieser Reisende sehr jung war. Ein Ritter des Königs und zwar ein echter, wie ihr Vater sagen würde.
      "Guten Tag, Sir", begrüßte sie ihn und deutete einen Knicks an, bevor sie die letzten Schritte hinter sich brachte, sodass sich die beiden nun gegenüberstanden.
      "Habt Ihr Durst?", fragte sie und schenkte dem Fremden ein warmes Lächeln, als sie ihm den Eimer entgegen hielt. Es war schwierig wenn einem unterwegs das Wasser ausging, weshalb sich ihre Gäste nicht selten dankbar an der kühlen Erfrischung erfreuten.
      Neben dem golden leuchtenden Blond des Mannes wirkten die Haare der jungen Frau fast wie ein fahles Blond. Sie bevorzugte ihr Haar kürzer, da es beim Arbeiten weniger störte. Während die vorderen, sowie der Großteil der hinteren Strähnen locker an ihr herabfielen und sich hier und da ein wenig kräuselten, war das Haar insbesondere hinter ihren Ohren zu einem kleinen, hohen Zopf gebunden, um so mit mehr Volumen über das restliche Haar zu fallen. Ein paar Haarsträhnen klebten von der Arbeit noch an ihrer Stirn und an ihrer rechten Wange befand sich etwas Erde. Über dem recht hellen Kleid, das bis zu ihren Knöcheln reichte, trug sie eine dunkelbraune Schürze, die ebenfalls einige Flecken aufwies, wobei sie nicht das ganze Gewand vor Dreck beschützen konnten.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Finnean

      Die Atmosphäre im Trainingslager war drückend, die Spannung zwischen den Rekruten lag förmlich in der Luft. Seit einigen Tagen war Finn nun schon hier, doch er hatte Jonas noch nicht wiedergetroffen. Die Sorge um seinen Freund nagte an ihm, während er sich mühsam durch die harten Trainingseinheiten kämpfte.
      An diesem Morgen hatten sie alle Holzschwerter bekommen, mit denen sie ihre Haltung und ihren Schlag trainieren sollten. Also im Grunde das, was sie die letzten Tage auch schon getan hatten.
      Mit einem Seufzen schnappte er sich eines der Schwerter und begann, under dem strengen und stets wachsamen Auge des Ausbilders, welcher zwischen den trainierenden Rekruten umher Schritt, die bereits geübten Bewegungen zu trainieren.
      Seine Hände schmerzen bereits, und nach einer Weile bemerkte er, wie einige der anderen Rekruten leise untereinander tuschelten, ihre Blicke in eine bestimmte Richtung gerichtet.
      Neugierig warf Finn einen unauffälligen Blick in jene Richtung sah einen jungen Mann, der etwas abseits stand und einsam wirkte. Sein Blick war leer, und er schien sich von den anderen fernzuhalten. War dies derjenige, über den die anderen gesprochen hatten? Den Außenseiter, von dem sie behaupteten, er würde nicht sprechen können?
      Finns Hand wanderte an seinem Brustkorb, als ihn dort plötzlich ein zuckender Schmerz durchfuhr. Genau die Stelle, an der seine Narbe lag. Seltsam. Seit diese verheilt war, hatte sie doch nie so geschmerzt.
      Nun, vielleicht lag es einfach an dem ungewohnt harten Training der vergangenen Tage? Ja, das musste es sein.
      Seine Gedanken wurden wieder in das hier und jetzt gerissen, als die Jungen, deren Blicken er zuvor gefolgt war, ein schadenfreudiges Lachen von sich gaben.
      Er war sich nicht sicher, was genau sie gesagt hatten, aber es konnte nichts schmeichelhaftes gewesen sein.
      Ein Anflug der Wut über dieses unkameradschaftliche Verhalten stieg in Finn auf.
      Dieses wich jedoch schnell einem familiären Mitgefühl.
      Er selbst kannte das Gefühl, nicht dazuzugehören, und konnte die Einsamkeit des jungen Mannes nur zu gut nachempfinden.
      Ohne großartig darüber nachzudenken, ging er auf ihn zu, entschlossen, ihm Gesellschaft zu leisten und ihn aus seiner Isolation herauszuholen.
      Er konnte förmlich spüren, wie die Blicke der anderen sich an seinem Rücken hefteten während er auf ihn zuschritt, doch diese ignorierte er gewissenhaft.
      Als er näher kam, bemerkte Finn die ungewöhnliche Dürre des Dunkelhaarigen.
      Trotz seiner hohen Statur, die Finn bestimmt um einige Zentimeter überragen würde, wenn beide sich nebeneinander aufstellten, schienen seine Knochen unter seiner blassen Haut hervor zu stechen.
      War er der Hungersnot zum Opfer gefallen, von der einige Rekruten berichtet hatten?
      Von dieser hatte er in dem Fischerdorf kaum etwas mitbekommen.
      Dort hatte es die letzten Jahre stets genug Nahrung gegeben, um alle hungrigen Münder zu füllen. Keiner dort hatte etwas davon mitbekommen, dass einige Dörfer weiter die Menschen Hunger litten.
      Ein schlechtes Gewissen überkam ihn.
      Schließlich kam Finn bei dem Außenstehendem an und begann nun neben ihm seine Übungen am Holzschwert fortzusetzen. Solange sie trainierten, war es den meisten Ausbildern egal wo sie standen oder mit wem sie sich unterhielten.
      "Hey, ich bin Finn", stellte er sich vor, in der Hoffnung, den jungen Mann dazu zu ermutigen, sich ihm gegenüber ebenfalls vorzustellen.





      Aurin Van Belenus
      Der junge Ritter hielt inne, als er das Mädchen erblickte, das auf ihn zukam. Für einen Moment erstarrte er, als die Strahlen der Sonne im genau richtigen Augenblick über ihr Gesicht fielen, und das rote Schimmern ihrer Augen aufblitzen ließen.
      Rote Augen. Weißes Haar.
      Die bekanntesten Merkmale, die man der ehemaligen Königsfamilie nach sagte.
      Konnte es sein, dass sie…?
      ‘Bloß nichts überstürzen!’ Ermahnte er sich selber.
      Auch wenn seine Intuition ihm sagte, dass er hier möglicherweise richtig lag, wollte er nicht zu voreiligen schlüssen kommen und erst sichergehen, dass er sich nicht doch irrte.
      Mit einem kurzen Räuspern fand er schnell seine Fassung wieder und zwang sich, einen höflichen Ausdruck auf sein Gesicht zu legen, während er dem Mädchen entgegen trat.
      "Habt Ihr Durst?", fragte sie und hielt ihm einen Eimer Wasser entgegen.
      Aurin nickte dankbar und nahm einen Schluck von dem erfrischenden Wasser, bevor er den Eimer zurück reichte.
      "Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft", sagte er höflich und verbeugte sich leicht, wie es der Anstand gebührte.
      "Ich bin Aurin van Belenus, ein Ritter der königlichen Haptstadt. Gestattet ihr mir, auch nach eurem Namen zu fragen, wertes Fräulein?”
      Wie er so zu ihr sprach, konnte er seine Augen nicht von ihr abwenden, während er sie eindringlich musterte. Die Kombination ihrer roten Augen und hellen Haare wirkte wie ein Echo aus der Vergangenheit, das er sonst nur auf den alten Portraits der vergangenen Könige gesehen hatte.
      Er musste es einfach wissen.
      "Verzeiht mir, wenn ich Euch etwas Persönliches frage", begann er zögernd, "aber gibt es in Eurer Familie vielleicht eine Person namens... Sophie? Eine Großmutter vielleicht?"
      Aurin spürte, wie sein Herz einen Schlag übersprang, während er gespannt auf ihre Antwort wartete.
      Hatte er möglicherweise gefunden, wonach er gesucht hatte?
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Der junge Mann war bekannt dafür seine Augen auf einen nicht existierenden Punkt zu fokussieren. Erst wenn ihm die Sicht vom Körper eines Ausbilders versperrt wurde, hob er seinen Blick.
      So beachtete er seinen 'Mitgefangenen' nicht, als er sich neben ihn stellte. Erst als er seine Stimme erhob, schien er darauf zu reagieren. Er horchte, was der andere zu sagen hatte, doch er stellte sich ihm lediglich vor, als hätten dieser oder sein eigener Name irgendeine Bedeutung in dieser Welt. Hier trugen sie alle den gleichen Namen: Rekrut. Manchmal auch Wurm, Made, Abschaum, Schwächling, Nichtsnutz. Diese wurden zumindest Torian des öfteren verliehen.
      Deshalb schwang er weiter sein Schwert, während er versuchte durch seine Nase zu atmen und den Mund geschlossen zu halten. Andernfalls wurde er auch schon ein keuchendes oder stöhnendes Schwein genannt. Finn bekam somit keinerlei Aufmerksamkeit von der Erbärmlichkeit in Person, wie ein weiterer seiner Namen lautete. Sie hatten so viele Namen für ihn, was spielte es dann für eine Rolle, wie seine Mutter ihn nannte?

      Obwohl seine Arme brannten und er seine Füße kaum noch spürte, schwang er weiter das Schwert. Unkoordiniert und kraftlos. Im Gegensatz zu seinem leeren Gesichtsausdruck schien sein Körper voller Ehrgeiz dabei zu sein. Er wollte nicht aufgeben, obwohl seine Augen von Hoffnungslosigkeit erzählten.
      Ein Schatten legte sich über den Körper des jungen Mannes. Die Sonne wurde nicht nur einmal am Tag von einem Ausbilder verdeckt. Torian hob das Gesicht, an dem sein Schweiß zielstrebig bis zu seinem Kinn rannte, um dort auf den Boden zu fallen, weil er nicht die nötige Körperhaltung hatte, das er wenigstens auf seinem Leinenhemd fiel. Dort würde er auf den dunklen Fleck, der seine gesamte Brust und Rücken zierte, ohnehin nicht auffallen.
      "Wie verloren müssen wir sein, dass wir unser Reich in Händen wie deine legen", sagte der stolze, kräftige Mann vor ihm abfällig.
      "30 Liegestützen, Rekrut."
      Torian legte sein Schwert auf den Boden und ging in Position. Doch seine Arme konnten ihn nicht ein einziges Mal hoch genug heben, als das eine Eins aus dem Mund des Ausbilders kam. Die Nasenflügel des Mannes zuckten, während er scharf einatmete.
      "Es wäre ein Wunder, wenn dein Gegenüber unachtsam genug ist, dass du ihm dein Schwert in den Rumpf rammen kannst, während seines bereits deinen Magen durchbohrt, ehe du wie jetzt im Dreck liegst. Aber es gibt Menschen, die an solche Wunder glauben", äußerte er und ging.
      Torian fehlte die Kraft, um sich gleich wieder aufzurichten. Wie das Stück Scheiße, die er in den Augen der anderen war, blieb er liegen und spürte, wie die Kälte des Bodens durch seine Kleider kroch. Eine harmlose Kälte verglichen mit den kalten Steinen des Kerkers.





      Loretta

      Das Lächeln auf ihren Lippen wurde breiter, als sich der Herr bei ihr bedankte.
      "Loretta, mein Herr", antwortete sie, als er sich bei ihr vorstellte und ihren Namen erfragte. Seine Höflichkeit ließ ihn sympathisch werden. Doch sein Blick sorgte für Verwunderung bei ihr. Es war kein Blick einer hochrangigen Person, die auf einen Niemand herabsah. Es war aber auch nicht der Blick eines Mannes, dem eine Frau gefiel. Beides hatte sie schon gesehen, aber dieser Blick war anders. Hoffnungsvoll. So als hätte er gefunden, wonach er suchte.
      Wer wusste schon, wie lange dieser Mann unterwegs war und wie lange es her war, dass er eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf hatte. So versuchte sich Loretta diesen Blick zumindest zu erklären. Bis er nach ihrer Großmutter fragte. Kurz etwas irritiert, blinzelte den Mann an. Doch sie fasste sich schnell und umklammerte den Eimer mit ihren Armen.
      "Die Mutter meiner Mutter hieß tatsächlich Sophie..", antwortete sie etwas unsicher. Woher wusste dieser Mann das und vor allem: Was hatte das zu bedeuten?
      "Sie weilen beide nicht mehr unter uns, es tut mir leid", sagte sie, davon ausgehend, dass er nach ihrer Großmutter suchte.
      Woher hätte sie ahnen können, dass diese Begegnung ihr Leben komplett umgraben würde. Das sich ihr gerade das Tor in eine fremde Welt öffnete. Eine Welt, in der sie auf wackeligen Kinderbeinen gehen und über jeden Kieselstein fallen würde, der ihren Weg passierte. Eine Welt, die sowohl glanzvoll war, als auch große Schatten warf. Eine Welt ohne Sorgen und gleichzeitig einer größere Last, als ihr zierlicher Körper gewohnt war.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finnean

      Die Sonne brannte erbarmungslos auf das Trainingslager nieder, während die Rekruten sich durch die harten Übungen kämpften. Finn stand neben dem namenlosem Stummen, das Holzschwert fest in der Hand, und versuchte vergeblich, seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
      Die Spannung lag förmlich in der Luft, und Finn konnte die Blicke der anderen Rekruten spüren, die neugierig auf die Interaktion zwischen ihm und den anderen Jungen Mann warteten. Doch dieser schien ihn einfach zu ignorieren, seinen Blick starr auf einen unsichtbaren Punkt gerichtet. Finn seufzte leise, ein Hauch von Enttäuschung streifte seine Gedanken. Dennoch blieb er beharrlich neben dem anderen Rekruten stehen und setzte sein Training fort.
      Die Schläge der Holzschwerter hallten über den Übungsplatz, während Finn immer wieder einen Blick auf den Anderen warf. Was war nur mit ihm los?
      Warum wirkte er so geschlagen und dennoch fest entschlossen?
      Diese seltsame Ausstrahlung faszinierte Finn auf eine eigenartige Weise. Er hatte noch nie jemanden wie ihn getroffen, jemanden, der so widersprüchlich wirkte und doch eine gewisse Stärke ausstrahlte.

      Die Hitze des Tages machte sich langsam in Finns Körper bemerkbar, aber er ließ sich davon nicht abhalten. Er konzentrierte sich auf seine Bewegungen, jeden Schlag präzise ausführend, während er gleichzeitig immer wieder einen Blick auf seinen Gegenüber warf. Der junge Mann schwang sein Schwert unkoordiniert und kraftlos, und doch schien sein Körper voller Ehrgeiz zu sein. Finn konnte die Hoffnungslosigkeit in seinen dunklen Augen sehen, aber gleichzeitig spürte er auch den festen Willen, nicht aufzugeben.
      Als Finn gerade einen weiteren Versuch unternehmen wollte, eine Unterhaltung zu beginnen, näherte sich plötzlich einer der Ausbilder mit grimmiger Miene. Sofort schloss er wieder seinen Mund ehe überhaupt ein Wort seiner Kehle entkommen konnte und konzentrierte sich darauf, seine Übungen fortzusetzen.
      Ein unangenehmes Gefühl der Beklemmung breitete sich in Finns Brust aus, als er sah, wie der Ausbilder seine Tyrannei einzig und alleine auf den Dunkelhaarigen fokussierte.
      Sein Herz begann schneller zu schlagen, und er spürte einen Anflug von Wut in sich aufsteigen. Es war schwer für ihn, die Beherrschung zu bewahren, als er sah, wie leichtfertig der Ausbilder einen seiner eigenen Schützlinge erniedrigte.
      Die Worte des Ausbilders schnitten wie Peitschenhiebe durch die Luft, die selbst bei Finn Spuren hinterließen, obwohl sie gar nicht an ihn gerichtet waren.
      Er ballte die Fäuste um das Holzschwert, seine Knöchel weiß vor Anspannung. Ein Impuls drängte ihn dazu, dazwischen zu gehen, und dem Ausbilder die Meinung zu sagen. Doch er zwang sich, ruhig zu bleiben, sich nicht von seinen Emotionen überwältigen zu lassen. Er wusste, dass er den Ausbilder nicht herausfordern durfte, auch wenn es ihm schwer fiel, tatenlos zuzusehen. Ansonsten würde er dafür sorgen, dass sie beide nur umso härter bestraft wurden.
      Finn biss sich fest auf die Lippe, um nicht unbedacht etwas zu sagen. Die scharfe Metallgeschmack seines eigenen Blutes vermischte sich mit dem salzigen Schweiß auf seiner Zunge.
      Er zwang sich, tief durchzuatmen und sich auf seine Übungen zu konzentrieren, obwohl sein Verstand dagegen rebellierte.
      Als der Ausbilder sich endlich verzog, atmete Finn erleichtert auf. Die Spannung, die sich über ihn gelegt hatte, ließ langsam nach, aber die Erinnerung an dieses Gefühl der Ohnmacht blieb in seinem Geist haften.
      Kaum war der Ausbilder außer sicht und Hörweite mit dem Rücken zu ihnen gewandt, entschied Finn, dass es Zeit war, eine Pause einzulegen.
      Er legte das Holzschwert beiseite und streckte seine nun freie Hand dem am Boden liegenden entgegen, um ihm aufzuhelfen. Doch dieser ignorierte ihn weiterhin beharrlich, und Finn konnte den Schmerz in seiner gebrochenen Haltung sehen.
      "Ich weiß, du willst meine Hilfe nicht", begann Finn ruhig, während er Torian unverwandt ansah. "Und du musst auch gar nicht mit mir reden, wenn du nicht willst.
      Aber das hier ist nicht fair. Die Ausbilder sind einfach traurige alte Männer, die nie genug erreicht haben, um selber zu nahmenhaften Rittern zu werden. Und jetzt lassen sie ihren Frust darüber, nie etwas aus sich gemacht zu haben an uns aus. Aber weißt du was? Das heißt nicht, dass wir ihnen nachgeben müssen. Wir können immer noch mehr aus unserem Leben machen, als sie es je geschafft haben.”
      Sie waren also Würmer? Und wenn schon!
      “Aber was weiß ich schon? Ich bin ja nur ein Fischergehilfe."
      Finn zwinkerte ihm kurz zu, bevor er ihm erneut seine Hand entgegen streckte, entschlossen, ihn nicht im Stich zu lassen.
      Es hieß doch schließlich ‘Geteiltes Leid ist halbes Leid’




      Aurin Van Belenus

      Der junge Ritter lauschte aufmerksam den Worten des Mädchens, als sie ihm von ihrer Großmutter erzählte. Sein Herz schlug heftig in seiner Brust, als er die Bestätigung erhielt, dass er tatsächlich die Nachfahrin von Sophie gefunden hatte. Ein Strom der Erleichterung und Freude durchflutete ihn, während er versuchte, seine aufgewühlten Gedanken zu ordnen.
      “Mein Aufrichtiges Beileid.” Sprach er und legte senkte respektvoll den Kopf, wie um sich innerlich vor ihren verstorbenen Angehörigen zu verneigen als sie ihm mitteilte, dass sowohl ihre Großmutter und Mutter nicht mehr unter den Lebenden weilten.
      Doch gleichzeitig überwog die Aufregung darüber, dass er doch tatsächlich die Person gefunden hatte, nach der er gesucht hatte, und dass sie lebte.
      Nun stand er jedoch vor der nächsten Herausforderung, und zwar Loretta behutsam zu erklären, wer sie wirklich war, ohne sie zu überfordern.
      Er musste sie auf ihre königliche Abstammung vorbereiten, langsam und behutsam.
      Mit einem sanften Lächeln trat Aurin einen Schritt näher zu Loretta. "Lady Loretta", begann er respektvoll, während er ihren Blick festhielt, "ich möchte Euch von einer Geschichte erzählen, die lange Zeit im Verborgenen blieb." Er hielt einen Moment inne, um sicherzustellen, dass er ihre volle Aufmerksamkeit hatte.
      "Es heißt, dass Eure Großmutter einst viele Jahre im Dienste des vorletzten Königs stand", fuhr er fort, seine Worte bedacht wählend. "Sie war eine seiner engsten Vertrauten. Es gibt starke Annahmen dafür, dass sie, als sie das Königshaus verließ möglicherweis ein Kind unter dem Herzen trug. Dieses war… nun ja..." Er zögerte, die nächsten Worte auszusprechen. Es kam ihm vor, als könnten seine nächsten Worte den Lauf der Zeit unwiderruflich verändern. Dennoch zwang er sich, diese Worte laut auszusprechen.
      “Dieses Kind war womöglich königlichen Blutes.”
      Aurin spürte, wie die Bedeutung seiner Worte zwischen ihnen hing, schwer und ungewiss.
      "Das bedeutet, dass durch Eure Adern königliches Blut fließt, Lady Loretta", verkündete er schließlich feierlich.
      "Eure wahre Identität ist 'Lady Loretta Vaelerius’, die erste ihres Namens." Er verbeugte sich respektvoll vor ihr, wie es sich für einen Ritter gehörte, und hob den Blick, um ihre Reaktion abzuwarten.
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Die Worte des Rekruten drangen nun zumindest in seine Ohren, da er nichts hatte, auf das er sich gerade konzentrieren konnte. Ein Fischergehilfe. Sicher nützlicher als er es war. Doch seine Worte, dass sie noch mehr aus ihren Leben machen könnten, trafen ihn. Konnte er das? Wollte er das? Hatte er das verdient? Letztendlich waren es seine Hände, die für all diese Nöte verantwortlich waren. Er hatte es nicht selbst entscheiden. Er hatte sich überreden lassen. Doch er hätte sich auch weigern können. Das tat er allerdings nicht. Er ertrug diese Tyrannei nicht mehr. Doch das bessere Leben, das er sich erhofft hatte, kam nie. Stattdessen wurde er eingesperrt und nun erneut tyrannisiert.
      Etwas widerwillig nahm er die Hand des anderen und ließ sich aufhelfen. Als er stand, verschnaufte er kurz. Dann nahm er aber wieder das Holzschwert in die Hand, um es weiter zu schwingen. Der Ausbilder hatte Recht. Wenn er nur mindestens einen ihrer Feinde davon abhielt seine Kameraden und die Bürger zu bedrohen, hätte sein Leben am Ende doch noch ein Sinn gehabt.




      Loretta

      Noch immer währte ein Lächeln auf ihren Lippen, als sie ihren Kopf sachte schüttelte. Ihre Tode lagen lang zurück und sie hatte eine wundervolle Stiefmutter. Sie war vollkommen zufrieden mit ihrem Leben. Das bisschen was sie hatten, reichte ihr.
      Lady Loretta hörte sich allerdings wirklich seltsam an, doch irgendwie auch schmeichelhaft, weshalb das Gesicht der jungen Frau noch weiter aufhellte. Es strahlte mit der Sonne um die Wette und war dazu fähig, sie in den Schatten zu stellen.
      Bei seiner Geschichte jedoch, wich das Lächeln zunehmend, ohne das ihr Gesicht dabei ins Negative ging. Sie war nur verwirrt und diese Geschichte hörte sich erfunden an. Sie sollte von königlichem Blute sein? Eine Bauerstochter? Die Legende kannte sie sehr wohl und nach dem, was passiert war, zweifelte kaum noch einer daran. Doch das bedeutete nur, dass wenn diese Geschichte wahr war, alles von ihr abhinge?
      Das er sich vor ihr so verbeugte, ließ sie sich unwohl fühlen.
      "Verzeiht.. aber es gibt bestimmt noch andere Großmütter mit diesem Namen.. Wie.. Wie könnt Ihr Euch sicher sein, dass ich.. dass ich diejenige bin, nach der Ihr sucht?" Sie blieb höflich, um ihn nicht als Lügner oder Verrückten dazustellen. Aber so einfach konnte sie ihm das nicht glauben. Was erwartete dieser Mann von ihr? Das sie vor Freude jubelte? Das sie ihrem Leben mit Freuden den Rücken kehren würde? Alles, was sie bisher erlebt und noch erleben wollte, schien gerade zu Staub zu zerfallen. Je mehr sie über seine Worte nachdachte, desto unsicherer wurde sie. Sie ging einen Schritt zurück und rutschte beinahe aus, ehe sie ihn mit gesenktem Blick wieder betrachtete.
      "Was.. soll das heißen...?", hauchte sie, als hätte man ihr die Stimme geraubt. Ihre Augen suchten nach Antworten, doch ihre Haltung war beunruhigt.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finnean

      Ein kleines Erfolgsgefühl überkam ihn, als sein Gegenüber widerwillig seine Hand annahm und sich von ihm aufhelfen ließ.
      Auch wenn der Stumme noch immer kein Wort sprach und ihn kaum ansah, fühlte Finn eine gewisse Erleichterung darüber, dass er zumindest nicht mehr vollkommen ignoriert wurde. Es war nur ein kleiner Fortschritt, aber immerhin ein Anfang.
      Entschlossen setzte er sein Training fort, ohne sich ihm noch weiter aufzudrängen, als er es ohnehin schon getan hatte.
      Der junge Fischer wusste nicht, welche schweren Gedanken auf ihm lasteten, dass er derart gebrochen zu sein schien, und es war auch nicht sein Recht, sich dem anderen aufzudrängen.
      Sollte er jemals das Bedürfnis verspüren zu sprechen, sollte dies aus freien Stücken geschehen und nicht weil er unter Druck gesetzt wurde.
      Stattdessen konzentrierte Finn sich also wieder darauf, seine Übungen genau auszuführen, während er ab und zu einen Blick auf den anderen warf, der ebenfalls weiterhin schweigend sein Holzschwert schwang. Die Hitze des Tages war erbarmungslos, aber Finn ließ sich davon nicht entmutigen. Er wusste, dass sie beide stärker werden mussten, um den Herausforderungen ihrer Ausbildung gewachsen zu sein.
      Als schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, die Glocke erklang, die das Ende dieser Trainingseinheit signalisierte, und die Verpflegungs Zeit einläutete, seufzte Finn erleichtert.
      "Na endlich", murmelte er erschöpft und warf sein Holzschwert zu den anderen auf einen Stapel. Er wartete, dass auch sein Stummer Kamerad sein Schwert niederlegte, bevor sie in die Truppenküche verlegen konnten.
      Doch noch bevor sie sich in Bewegung setzen konnten, näherte sich ihnen eine kleine Gruppe anderer Rekruten, die sich offensichtlich über die beiden amüsierten.
      "Na, Finn, hast du dir eine neue Freundin gesucht?"
      Einer von ihnen grinste spöttisch.
      Finn zog die Augenbrauen zusammen und antwortete gelassen: "Ich habe lediglich jemanden gefunden, der eine angenehmere Gesellschaft hergibt als eurer eins. Was ist daran so lustig?"
      Die Rekruten lachten laut auf, aber Finn ließ sich nicht einschüchtern. Er trat einen Schritt näher und fügte nüchtern hinzu: "Wenn wir auf dem Schlachtfeld stehen, kämpfe ich lieber Seite an Seite mit jemandem, der sich tatsächlich Mühe gibt ein Schwert zu führen, und nicht mit einfältigen Tölpeln die lieber die Zeit anderer Verschwenden als zu lernen wie man am leben bleibt. Wenn ihr das nicht versteht, dann tut mir das leid für euch."
      Die Gruppe warf Finn finstere Blicke zu, die mit Sicherheit in einem Handgemenge resultiert wären, wenn nicht in just diesem Moment einer der Ausbilder auf die kleine Gruppe aufmerksam geworden wäre.
      “Spart euch euer Liebesgeflüster für die Weiber, ihr Maden.” Bellte er herrisch und die Gruppe löste sich sogleich wie ein Schwarm aufgeschreckter Krähen auf, ohne dass jemand es wagte, weitere Widerworte zu leisten.
      Finn seufzte leise und schüttelte den Kopf, bevor er seine Arme hinter seinem Kopf verschränkte und sich wieder dem Stummen zuwandte. "Komm schon, lass uns etwas essen", seine Stimme klang leicht und unbekümmert, als hätte die Interaktion gerade eben nie stattgefunden.
      “Der Fraß hier hat es zwar geschafft, dass ich sogar anfange den Geschmack von Fischsuppe zu vermissen, aber es ist immer noch besser als gar nichts. Und immerhin hält es uns bei Kräften!”



      Aurin van Belenus
      Das Herz des Ritters sank leicht, als er sah, wie Loretta sich zurückzog und ihre Augen voller Unsicherheit waren.
      Er hatte erwartet, dass seine Worte sie überraschen würden, aber er hatte auch gehofft, dass sie ein wenig Trost und Hoffnung in sich tragen würden.
      Er trat einen Schritt näher zu ihr und senkte sachte den Kopf, um ihr auf Augenhöhe zu begegnen. Sein Blick war fest und entschlossen, als er begann zu sprechen. "Lady Loretta, ich verstehe, dass meine Worte für euch verwirrend sein mögen. Doch glaubt mir, ich würde niemals eine solch wichtige Angelegenheit leichtfertig behandeln."
      Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt, und er hielt ihren Blick fest, um ihr zu zeigen, dass er es ernst meinte.
      "Ihr seid womöglich das letzte Überbleibsel des königlichen Blutes auf diesem Kontinent."
      Aurin sprach mit einer Überzeugung, die aus der Tiefe seines Herzens kam.
      Er glaubte fest daran, dass Loretta eine wichtige Rolle in der Zukunft des Reiches spielen konnte, wenn sie nur den Mut dazu fand.
      Er MUSSTE daran glauben. Ansonsten würde es nämlich bedeuten, dass seine Suche und all seine Mühen umsonst gewesen waren. Dass das Reich dem Untergang geweiht war und es niemanden mehr gab, der die drohende Zerstörung noch stoppen konnte.
      "Ich weiß, dass ich euch damit eine unendlich schwere Bürde auferlegt habe. Und ich wünschte, die Dinge würden anders stehen. Aber ihr habt mein Wort, dass ich an eurer Seite stehe, um euch zu unterstützen und auf eurer Reise zu begleiten."
      Aurin hoffte inständig, dass seine Worte Loretta erreichen würden und ihr die Kraft gaben, die sie brauchte, um ihr königliches Erbe anzunehmen. Er war entschlossen, sie auf diesem Weg zu unterstützen, egal welche Hindernisse sich ihnen in den Weg stellten.
      Wenn sie sich weigern sollte… nun, er hatte seine Befehle zur Not auch Gewalt anzuwenden, doch er wollte diese Akternative wenn möglich vermeiden.
      Er konnte und wollte es nicht übers Herz bringen, dieses so unschuldig und zierlich aussehende Mädchen gegen ihren Willen zum Schloss bringen zu müssen.
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Das Gerede der anderen hallte nur wie ein Echo durch seinen Kopf. Er machte sich kaum die Mühe die Worte aufzunehmen. Obwohl Finn zu ihm hielt, zeigte der Dunkelhaarige kein Interesse daran seine Freundlichkeit zu erwidern. Zu verloren fühlte er sich. Wie ein Bauer auf dem Schachbrett.
      Der Fraß, wie Finn ihn bezeichnete, war für Torian wie ein Festmahl, verglichen mit den letzten 5 Jahren in dem er nur dank trockenem Brot und schmutzigem Regenwasser überlebte. Doch auch dies teilte er seinem Begleiter nicht mit, als sie sich gemeinsam in die Speisehalle begaben. Dort holten sie sich ihre Portion und auch am Tisch wurde er den anderen nicht los. Wobei es ihm egal war, ob er bei ihm war oder nicht. Torian glaubte, jegliche Gefühle verloren zu haben.
      Nach dem Essen ging er direkt ins Bett, damit sein Körper sich so viel Erholung wie möglich holen konnte.

      Die nächsten Tage sahen nicht anders aus. Torian hatte sich nach außen hin nicht verändert. Doch in seinem Inneren begann die Saat zu keimen, die Finn in ihm gesät hatte. Einer Saat, der Torian jedoch nie trauen würde. Das Gefühl nicht mehr allein zu sein, erreichte ihn kaum. Immer wenn er seine Augen schloss, fühlte er die Kälte des Kerkers.
      "Der ist nicht mal zum Schleppen des Gepäcks geeignet..", murmelte ein Rekrut, der sich wie viele andere einfach nicht mit seiner Anwesenheit anfreunden konnte. Die wenigstens Rekruten konnten das Schwert am ersten Tag richtig halten. Torian schon. Er wusste, wie er zustechen musste, um jemanden zu töten. Er wusste, wie sich der Widerstand anfühlte, wenn die Klinge die Brust seines Gegners durchbohrte. Er wusste, wie es aussah, wenn das Blut aus eben jener Wunde quoll und wie der Blick eines Todgeweihten aussah. Wie er in die Tiefen stürzte und mit ihm auch das Reich. Der König.
      Würden sie wissen, dass er der Königsmörder war, würde er den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Er bekäme keine Chance zu versuchen seine Taten wieder gutzumachen.





      Loretta

      Der Fremde sah ehrlich aus. Entschlossen und überzeugt. Sie wollte ihn keinesfalls beleidigen, doch es fiel ihr schwer sich diese Zukunft vorzustellen. Das letzte Überbleibsel des königlichen Blutes. Die letzte Hoffnung?
      Mit dem Blick ins Wasser ihres Eimers, den sie fest an ihre Brust drückte, dachte sie weiterhin nach. Sie dachte an ihre Familie, die ebenfalls nach dem Fall des Königs gelitten hatten und noch mehr leiden würden, sollte der Krieg bis hier her gelangen. Konnte sie das alles wirklich verhindern, wenn sie diesen Ritter begleitete?
      "Mama! Da ist ein Mann bei Loretta!", hallte die Stimme ihrer jüngeren Schwester über die Felder, die durch die Tür spähte. Kurz darauf traten sowohl ihre Mutter aus dem Haus, als auch ihr Vater aus dem Stall. Auch Pepe lugte aus dem Stall hervor.
      "Ihr müsst erschöpft sein. Bitte esst mit uns, Sir Aurin van Belenus. Ich werde Euch ein Bad einlassen", sagte sie, als sie sich fasste und lächelte dem Fremden wieder zu.

      Der Rest der Familie begrüßte den Ritter ebenfalls freundlich. Pepe führte sein Pferd in den Stall und kümmerte sich darum, während Loretta ein Bad vorbereitete. Sie trat aus dem Badezimmer heraus und sah zu Emily, die den Ritter bestimmt mit etlichen Fragen überhäuft hatte. Das tat sie immer, wenn jemand auf seiner Reise vorbeikam.
      "Euer Bad ist fertig..", informierte sie ihn und verneigte sich vor ihm.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finnean
      Die nächsten Tage im Trainingslager vergingen in einer Art monotonem Rhythmus, der von Schweiß, Schmerzen und endlosen Übungen bestimmt war.
      Nichtsdestotrotz ließen Finns Bemühungen, eine Verbindung zu seinem stillen Mitstreiter aufzubauen, nicht nach, auch wenn es oft frustrierend schien. Er hielt sich weiterhin an der Seite des stummen Rekruten, ohne ihn zu bedrängen, sondern einfach nur, um Präsenz zu zeigen.
      Und auch wenn es stets nur einer von ihnen war der sprach, hatte Finn das Gefühl, dass sich langsam aber sicher eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen formte, eine Art stilles Einverständnis, dass er zumindest in seiner Gegenwart geduldet wurde.
      Eines Morgens, während sie in der ersten Morgendämmerung ihre Übungen begannen, war Finn besonders wachsam. Er beobachtete den schweigsamen Mann genau, sah, wie er sein Holzschwert mit einer Präzision und Geschicklichkeit schwang, die für jemanden, der angeblich so ungeschickt war, ungewöhnlich erschien. Es war, als ob in seinen Bewegungen eine Art düstere Anmut lag, die Finn faszinierte und zugleich beunruhigte.
      Wie immer während des Training konnte er die Blicke der anderen Rekruten spüren, sie das ungleiche Duo beäugen und sich wahrscheinlich mal wieder die Mäuler zerrissen, aber er ignorierte sie. An diesem Punkt kümmerte es ihn nicht mehr, was sie dachten.
      Wie auch schon an jedem Tag zuvor wagte Finn einen erneuten Versuch, das Schweigen zu durchbrechen. "Du bist gut mit dem Schwert, weißt du", sagte er, während er unbeirrt weiter seine Übungen durchführte. "Deine Bewegungen sind präzise, wie die eines erfahrenen Kämpfers.”


      Aurin van Belenus
      Die Schwere der Situation lastete auf den Schultern beider. Loretta wirkte verloren in ihren Gedanken, und Aurin konnte ihre Unsicherheit und Angst förmlich spüren.
      Es war verständlich, dass sie Zweifel hatte, sich plötzlich inmitten eines königlichen Intrigenspiels wiederzufinden.
      Dennoch, er musste ihr die Zeit geben, diese neue Realität zu verarbeiten.
      „Ich danke Euch, Lady Loretta,“ sagte er schließlich und verneigte sich leicht vor ihr. „Ich werde Eure Gastfreundschaft gerne annehmen.“
      Während Loretta das Bad vorbereitete, wurde Aurin von Emily, Lorettas jüngerer Schwester, mit einer Flut von Fragen überhäuft.
      Die Kleine sah ihn mit großen, neugierigen Augen an, und ihre kindliche Neugier brachte ihn fast zum Lachen.
      „Seid Ihr ein richtiger Ritter?“ fragte sie, während sie um ihn herumhüpfte.
      Aurin nickte und lächelte. „Ja, das bin ich.“
      „Habt Ihr schon mal gegen einen Drachen gekämpft?“ Emily sah ihn mit großen Augen an, als ob sie bereits die Antwort kannte.
      „Nun,“ begann Aurin, „Drachen gibt es in unseren Landen nicht mehr wirklich, aber ich habe gegen viele andere mächtige Gegner gekämpft.“
      „Habt Ihr auch ein Schwert?“ Ihre Augen funkelten vor Aufregung.
      Aurin zog sein Schwert leicht aus der Scheide und zeigte ihr die fein gearbeitete Klinge. „Ja, das habe ich. Es ist mein treuer Begleiter in vielen Schlachten gewesen.“
      „Und habt Ihr schon mal jemanden gerettet?“ Emily schien nicht genug bekommen zu können.
      „Mehrmals,“ antwortete Aurin geduldig. „Es ist die Pflicht eines Ritters, die Schwachen zu beschützen und für das Gute zu kämpfen.“
      Emily hielt einen Moment inne, als ob sie über seine Worte nachdachte, und fragte dann plötzlich: „Könnt Ihr mir zeigen, wie man ein Schwert hält?“
      Aurin lachte leise. „Vielleicht ein anderes Mal, kleine Dame. Es ist nicht einfach, ein Schwert zu führen, und es braucht viel Übung.“
      In diesem Moment kam Loretta aus dem Badezimmer und informierte ihn, dass das Bad fertig sei.
      Der Ritter war erleichtert, dem „Verhör“ zu entkommen, und verneigte sich höflich vor Emily. „Vielen Dank, kleine Dame. Ich werde nun das Bad nehmen.“
      Emily grinste schelmisch. „Passt auf, dass Ihr nicht ertrinkt, Sir Ritter.“
      Aurin schmunzelte und ging ins Badezimmer. Das warme Wasser bot ihm eine willkommene Erholung nach den anstrengenden Tagen seiner Reise. Während er sich im Wasser entspannte, dachte er über die bevorstehenden Herausforderungen nach. Loretta zu überzeugen, ihre Rolle anzunehmen, würde Geduld und Feingefühl erfordern.
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Einen Tag nach dem anderen, bemühte sich der junge Mann die Trainingseinheiten durchzuhalten. Nicht selten fing er an zu schwächeln, wurde angebrüllt und verhöhnt. Doch nichts davon konnte ihn brechen, denn er war bereits gebrochen.
      Als Finn ihm das erste Lob aussprach, das er in all der Zeit zu hören bekam, richtete Torian zum ersten Mal seine Augen auf ihn. Er sah nicht durch ihn hindurch, sondern direkt in seine Augen.
      Der Anblick des anderen löste ein eigenartiges Gefühl in ihm aus. Es war keine Freude, weil er ein Kompliment erhalten hatte. Auf seine Worte hatte er nicht vor einzugehen. Aber irgendein seltsames Gefühl umklammerte ihn wie die kalten Klauen des Todes die letzten 5 Jahre immer nach ihm griffen. Schuldgefühle sprudelten in ihm empor. Ein erfahrender Kämpfer sollte er sein? Er wusste lediglich wie man die Scheiße eines Pferdes aufsammelte. Das einzige Mal, dass er vor dieser Ausbildung ein Schwert in den Händen hatte, war an dem Tag, als er sich selbst und alle anderen ins Unglück stürzte.
      Hätte er doch nur an die Legende geglaubt. Dann hätte er daraus vielleicht die nötige Kraft gewonnen, um unter dem König weiter leben zu können. Doch er hatte genug und die Worte der Strippenzieher - die die Drecksarbeit des Königs erledigen durften, aber auf dessen Worte er nie Wert gelegt hatte - nährten seinen Frust und seine Wut, sodass er für sie zum Schwert griff. Er bohrte es in seine Brust und stieß ihn hinab. Starrte herunter und sah, wie der Körper auf dem unruhigen Wasser aufschlug. Dann hörte er den Schrei eines Mädchens, das ihn dabei gesehen hatte. Der Plan der anderen ging auf und sie konnten die Macht an sich reißen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen.

      Torian schüttelte die Erinnerungen ab und richtete seinen Blick wieder ins Leere, um sein Schwert weiter zu schwingen.




      Loretta

      Lächelnd ging sie zu der Jüngeren und strich ihr über das Haar, während sich der Ritter von ihr verabschiedete. Dann deckte sie den Tisch ein, heute mit 6 Gedecken, und dachte weiterhin über die Worte des Ritters nach. Sein Blick ging ihr nicht aus dem Kopf. Diese Hoffnung, die daran aufleuchtete, als er sie sah. Er hielt sie für die Rettung und vielleicht taten es viele andere auch. Wann hatte eine einfache Bauerstochter die Chance 'das Reich zu retten'? Nicht, dass sie eine Heldin oder dergleichen sein wollte. Doch sie dachte immer wieder daran, was passieren könnte, würde sie nicht mit ihm gehen. Würde sie nicht dafür sorgen, dass die Legende wieder zum Leben erweckt. Sie sah Schmerz und Leid. Ihre Familie in Gefahr.
      Sollte Darwin doch die Tochter des Holzfällers ehelichen. In den Augen des Ritters sah sie, dass sie etwas wichtigeres zutun hatte, als Kühe zu melken und Gemüse zu ernten. Ihr Herz schmerzte bei dem Gedanken ihre Heimat verlassen zu müssen, um mit einem fremden Mann in eine fremde Stadt zu reisen. Doch es sagte ihr auch, dass dies das richtige sei. Andernfalls würde sie sich das Recht rausnehmen, sich für etwas besseres zu halten und ihren Willen durchzusetzen.

      Als alle am Esstisch saßen, wirkte Loretta ein wenig abwesend. Sicher würde die Familie mehr über den Fremden erfahren wollen, doch bevor ein Gespräch zustande kam, sah sie entschlossen zu ihren Eltern.
      "Vater, Mutter. Ich werde mit diesem Mann gehen."
      Diese wussten natürlich noch nicht, was ihre Gründe waren. Nie hatte sie auch nur ansatzweise verlauten lassen, dass ihr ihr Leben nicht gefiel und das sie Abenteuer erleben wollte. Dementsprechend überrascht waren sie.
      "Sir Aurin ist davon überzeugt, dass meine Mutter die uneheliche Tochter des früheren Königs war."
      Ihre Eltern schienen langsam zu verstehen, denn die Legende war ihnen nur zu gut bekannt. Oft redete man davon, dass es eine Tragödie war, dass die Blutlinie mit dem Tod des Königs zu Ende sei. Doch die Wollust eines früheren König schien nun die Rettung zu sein.
      Ihre Geschwister hingegen standen immer noch vor einem Rätsel. Zu jung waren sie, um unausgesprochene Dinge zu erfassen. Pepe war 10 und somit glücklicherweise viel zu jung, um in die Armee berufen zu werden.

      Die beiden Erwachsenen sahen schweigend zum Ritter, während ihr Besteck unberührt neben ihren Tellern ruhte.
      "Hat Sir Aurin um deine Hand angehalten?", reimte sich das Mädchen aus dem Gespräch zusammen.
      Pepe schwieg, hörte aber interessiert zu, während er der einzige war, der schon zu essen begonnen hatte.
      "Nein, Emily. Sir Aurin braucht meine Hilfe", sagte Loretta mit einem Lächeln und sah dann ebenfalls zu dem Ritter.
      Ihre Stiefmutter war sprachlos und ebenso erschüttert, denn sie stellte sich diese Bürde nicht leicht vor.
      Ihr Vater hatte von einem freundlichen zu einem ernsten Gesicht gewechselt.
      "Ihr verlangt viel. Werdet Ihr auch auf sie achten?", sprach er und erwartete an dieser Stelle ein Versprechen, ein Gelübde, auf seine geliebte Tochter aufzupassen.
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      - Eugene Ionesco
    • Finn
      Er spürte die unmerkliche Veränderung, als die Augen des dunkelhaarigen endlich die seinen trafen.
      Augen so grau und tief wie das stürmische Meer, trafen auf ein paar durchdringender Rubine.
      Es war, als ob ein Schleier für einen Moment gelüftet wurde, und er konnte das Echo eines tiefen Schmerzes in den dunklen Augen seines Kameraden sehen.
      Zum ersten Mal hatte Finn das Gefühl, wirklich von ihm angesehen zu werden. Der Blick des anderen war voller Emotionen, eine Mischung aus Schuld, Schmerz und etwas, das Finn nicht ganz identifizieren konnte. Es war, als ob ein innerer Kampf in ihm tobte. Hatte er irgendetwas falsches gesagt?
      Finn hielt den Blick stand, ohne zu blinzeln. "Ich weiß nicht, was dir widerfahren ist," sagte er leise, "aber es bringt doch nichts, ewig daran festzuhalten?“
      So schnell wie der Moment gekommen war, verging er auch wieder. Doch auch wenn dieser Augenblick nur kurz währte, bekräftigte er Finn nur noch mehr in seiner Entschlossenheit durch die Solitude des anderen hindurch zu dringen.
      Der Rest des Tages verlief wie gewohnt, mit intensiven Übungen und knappen Anweisungen der Ausbilder. Doch Finn konnte nicht aufhören, über den Moment nachzudenken, in dem der Stumme ihn angesehen hatte. Es war, als hätte er einen winzigen Einblick in seine Seele erhalten.
      Als sie schließlich am Abend in der Kantine ihre dürftige Mahlzeit einnahmen, setzte sich Finn wie immer neben seinen stillen Kameraden. Er sprach nicht, aber seine Anwesenheit war beruhigend.
      Gedankenverloren strich er sich eine rebellische Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Haare waren mittlerweile schon wieder etwas heller geworden, als ihm lieb war. Bei all dem harten Training, dem sie sich täglich aussetzen, vergaß er nur allzu schnell, sich diese regelmäßig in einem unbeobachteten Moment einzufärben. Und so langsam wurde es mal wieder Zeit.


      Aurin van Belenus
      Die Stimmung am Esstisch war schwer und voller unausgesprochener Fragen. Aurin spürte die Blicke von Lorettas Familie auf sich und wusste, dass dieser Moment entscheidend war. Als Loretta verkündete, dass sie mit ihm gehen würde, verspürte er sowohl Erleichterung als auch eine tiefe Verantwortung. Ihre Eltern waren überrascht, und die Stille, die auf ihre Worte folgte, war voller Spannung.
      Die Luft war erfüllt von einem ungesprochenen Verlangen nach Antworten und Klarheit. Der Ritter wusste, dass dies der Moment war, in dem er ihre Zweifel zerstreuen musste.
      Er setzte sich aufrecht hin und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er sprach. "Gnädiger Herr, Werte Frau," begann er mit ruhiger, aber fester Stimme. "Ich verstehe, dass diese Nachricht überraschend und schwer zu begreifen ist. Die Verantwortung, die auf Lady Loretta lasten wird, ist keine leichte, und es ist nur verständlich, dass Ihr besorgt seid."
      Er hielt einen Moment inne, um den Blick ihres Vaters zu suchen, und setzte dann fort. "Ich gebe Euch mein Wort als Ritter, dass ich auf eure Tochter achten werde. Ich werde sie mit meinem Leben beschützen und sicherstellen, dass ihr nichts geschieht. Sie ist von großer Bedeutung für das Wohl unseres Reiches, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie auf diesem Wege zu unterstützen und zu beschützen."
      Die Spannung im Raum war weiterhin angespannt, doch begann sich mit jedem seiner Worte allmählich zu lösen. Er wollte jedoch sicherstellen, dass keine Zweifel mehr bestanden. "Ich habe meine Pflicht als Ritter stets ernst genommen, und ich habe viele Schlachten geschlagen, um die Wehrlosen zu schützen. Ich werde keinen Augenblick zögern, Lady Loretta in Sicherheit zu bringen.“ Aurin legte seine Hand auf sein Herz und verneigte sich leicht um seinen Schwur mehr Ausdruck zu verleihen. „Das verspreche ich.“
      Die junge Emily, sah immer noch neugierig und ein wenig verwirrt aus. „Wird Loretta eine Prinzessin?“, fragte sie leise und sah zwischen dem Ritter der so plötzlich in ihr aller Leben hineingestolpert war und ihrer Schwester hin und her.
      Aurin lächelte sanft bevor er das Mädchen korrigierte. „Nicht genau eine Prinzessin. Eine Königin“
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    • Torian

      Es brachte nichts, ewig daran festzuhalten? Das konnte man wohl leicht dahin sagen, wenn man nicht beteiligt war. Das würde er nicht vergessen können. Niemals. Seinetwegen waren sie hier. Er hatte die Klinge geführt, die er in das Herz aller gerammt hatte.
      Nicht weniger beteiligt, dafür umso nachdenklicher, nahm er seine Mahlzeit ein. Neben ihm noch immer dieser Rekrut, der aus irgendeinem Grund an ihm haftete. Warum war er so hartnäckig? Was erhoffte er sich dadurch? Bei Torian gab es nichts zu gewinnen. Er hatte rein gar nichts zu bieten. Finn würde nur mit ihm in den Abgrund stürzen.

      In dieser Nacht träumte er erneut von den glühenden Augen und dem gleißenden Haar des Königs. Wie er ihm in die Augen sah, als er realisierte, dass ein Schwert in seiner Brust steckte. Diese großen Augen.
      Immer wieder holte ihn dieser Alptraum ein.

      Sein Körper veränderte sich nur langsam und er war längst nicht bereit, um heroische Schlachten zu schlagen. Doch es fehlte die Zeit aus ihnen richtige Ritter zu machen. Sie dienten lediglich als schwacher Schutzwall, um die Flut der Feinde geringfügig abzuschwächen.
      Torian war es dem Reich schuldig, sein Leben für dessen Schutz zu geben und zu hoffen, dass seine Beteiligung irgendetwas bewirkte.




      Loretta

      Mit dem Versprechen des Ritters verschwand zwar ein Teil der Anspannung, doch so richtig glauben konnte Loretta es noch immer nicht.
      Emily's Stimme holte sie aus ihren Gedanken. Eine Prinzessin?
      Eine Königin.
      Die Augen des Mädchens wurden nur umso größer. "Eine richtige Königin?" In ihrem Alter träumte man noch davon die Prinzessin aus einer der Gute-Nacht-Geschichten zu sein. Loretta wusste allerdings, dass es nicht märchenhaft sein würde. Von Politik hatte sie überhaupt keine Ahnung. Sie konnte einer Kuh helfen, ein Kalb auf die Welt zu bringen. Ein nährreiches Abendessen zu servieren. Wäsche zu waschen. Aber sie wusste nicht, wie man ein Land regierte. Wie man es in eine strahlende Zukunft führte.
      Eines wurde ihr jedoch ebenfalls bewusst. Es würde mit Sicherheit einen Mann an ihrer Seite geben, der über all diese Dinge Bescheid wusste. Ein Mann, in dessen Schatten sie stehen würde, um ihm und dem Volk zu dienen. Seine Kinder und somit weitere Nachfahren zu gebären.
      Die Wärme einer richtigen Familie würde durch eine einsame Kälte abgelöst.
      Doch sie war bereit dazu, wenn es die Zukunft ihrer Familie sichern würde.

      Am Abend verschlug es die junge Frau in den Stall, wo sie einer älteren Kuh den Kopf streichelte. Sie fühlte sich, als würde sie sich von einer Kuh wie dieser in ein Einhorn verwandeln. Ob sie wollte oder nicht.
      "Sei nachsichtig mit Emily, ja?" Das Mädchen war manchmal etwas zu energisch beim Melken, worüber sich vor allem diese Lady hier beschwerte.
      Sie legte ihre Arme um den Hals ihrer schweigsamen Gesprächspartnerin und schmiegte sich an sie.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finn
      Der nächste Tag begann anders als die vorherigen. Noch bevor die Sonne vollständig aufgegangen war, wurden alle Rekruten zu einem Morgenappell befohlen. Die Kompanie versammelte sich hastig auf dem staubigen Platz vor den Baracken, das Murmeln und Geraune der jungen Männer vermischte sich zu einem unruhigen Summen.
      Der Hauptmann stand auf einem Podest und wartete, bis absolute Stille herrschte. Dann hob er seine raue Stimme:„Rekruten, in drei Tagen werdet ihr aufbrechen, um euch mit einer anderen Ausbildungseinheit einem Trupp anzuschließen, der weiter südlich stationiert ist. Dies ist eine Gelegenheit, eure Fähigkeiten im Feld unter Beweis zu stellen.“ Kurz und Knapp verkündete er diese doch schwerwiegende Botschaft.
      Ein kollektives Einatmen ging durch die Reihen. Viele Rekruten begannen, untereinander zu tuscheln. Einige wirkten aufgeregt, andere sichtlich besorgt. Finn konnte die Gemischtheit der Gefühle förmlich spüren.
      Einige äußerten ihre Angst lautstark: „Wir sind noch nicht bereit!“, „Das ist Wahnsinn, wir sind kaum ausgebildet!“
      Finn stand still, tief in Gedanken versunken. Er nahm die anderen Rekruten um sich herum kaum wahr, ihre Stimmen wurden zu einem gedämpften Hintergrundrauschen. Seine Gedanken kreisten um die Ankündigung.
      Vor sich hin murmelnd, sprach er leise: „Dieser Feldzug macht doch gar keinen Sinn. Wir sind noch lange nicht bereit für den aktiven Kampf.“
      Plötzlich wurde ihm eine Erkenntnis klar, die ihn erschaudern ließ. „Der einzige strategische Schluss, der Sinn macht, ist, dass wir dem anderen Trupp nur beitreten sollen, um die Armee größer aussehen zu lassen. Der Feind wird ein Meer aus jungen Männern sehen und unsere Kampfkraft überschätzen. Sie wissen ja nicht, dass wir zur Hälfte nur aus unerfahrenen Rekruten bestehen. Unsere Anwesenheit soll den Kampf nur herauszögern.“
      Der Gedanke durchzuckte Finn, und er wunderte sich darüber, wieso ihm diese taktische Vorgehensweise überhaupt aufgefallen war. Diese Einsicht war ungewöhnlich für ihn. Normalerweise hatte er nichts mit so einem komplexen Kram zu tun. Doch irgendwie schien es ihm plötzlich glasklar. War es die intensive Beobachtung der letzten Tage oder der Einfluss seines stillen Kameraden, zu dem er sich auch während des Appells gesellt hatte der ihn schärfer hatte denken lassen?
      Er richtete seinen Blick auf eben jenen, der wie immer schweigsam und distanziert wirkte. Was mochte er über diese neue Entwicklung denken? War er ebenso besorgt oder sah er dies als eine Möglichkeit, seinen eigenen Dämonen zu entkommen?
      Als sie sich auf den Weg zurück zu ihren Zelten machten, war Finn entschlossen, seine Wachsamkeit zu erhöhen. Die kommenden Tage würden entscheidend sein, und er musste vorbereitet sein. Egal was passieren würde, er würde nicht aufgeben. Er würde nicht zulassen, dass sie nur als Kanonenfutter in die Schlacht geschickt wurden.
      Die nächsten Stunden verbrachte Finn damit, seine Ausrüstung zu überprüfen und zu trainieren. Er sprach nicht viel, aber seine Gedanken rasten. Diese Taktik, die er sich überlegt hatte, machte Sinn. Aber warum war ihm das aufgefallen? Hatte er unbewusst eine militärische Intuition entwickelt? Oder war es nur die schiere Verzweiflung, die ihn schärfer denken ließ?




      Aurin van Belenus
      Der Abend senkte sich über das Land, und die Schatten der Nacht begannen, den bescheidenen Hof zu umhüllen. Nach dem Versprechen, das er Lorettas Familie gegeben hatte, fühlte sich Aurin etwas erleichtert. Doch die Verantwortung, die auf ihm lastete, wog schwer auf seinen Schultern. Die Reise, die vor ihnen lag, würde kein leichtes Unterfangen sein.
      Nachdem die Familie das Essen beendet hatte, entschuldigte sich Aurin und trat aus dem Haus. Er brauchte einen Moment für sich, um seine Gedanken zu ordnen. Die klare Nachtluft half ihm, den Kopf frei zu bekommen. Er wanderte langsam über das Anwesen, ließ seine Blicke über die Felder und den nahen Wald schweifen. Es war ein friedlicher Ort, und er konnte verstehen, warum Loretta zögerte, es zu verlassen.
      Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er sich wohl ebensosehr dagegen gesträubt diese Liebevolle Familie und dieses friedliche Land hinter sich zu lassen. Dass sie den Mut dazu aufgebracht genau dies zu tun und sich ihrer >Bestimmung zu stellen, sprach nur bände darüber wie stark sie eigentlich war.
      Ja, Aurin war sich sicher, jetzt schon Anzeichen einer Starken Königin in ihr zu erkennen, die in der zukunft mit sicherheit das ganze Volk für sich gewinnen konnte.
      Als er zum Stall vorbei kam, hörte er leises Murmeln. Er trat näher und sah Loretta, wie sie eine ältere Kuh streichelte. Ihr Gesicht war im Halbdunkel kaum zu erkennen, aber ihre Haltung sprach Bände über ihre innere Zerrissenheit.
      Aurin blieb auf respektvollem Abstand und zögerte, seine Anwesenheit bemerkbar zu machen.
      Er wollte sie nicht stören. Nicht jetzt, wo sie noch die Letzten Züge ihres Lebens zu genießen versuchte.
      Die Kuh machte ihm einen Strich in die Rechnung, als diese ihn bemerkte und zuerst ihr Ohr und dann ihren massiven Kopf sich in seine Richtung neigte, als würde sie versuchen, Loretta vor dem Eindringling zu warnen.
      Respektvoll trat er einen Schritt zurück und räusperte sich: "Verzeiht, ich wollte euch nicht erschrecken.”
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Die Ansprache schien den Stummen kaum zu berühren. Er beachtete auch Finn nicht und kehrte sofort um, als sie die Erlaubnis erhielten, um weiter zu trainieren. Als wäre er unerschütterlich, schwang er sein Schwert, egal wie sehr seine Muskeln brannten.
      Am letzten Tag war ihre Trainingseinheit kürzer. Torian hatte Finn's Gemurmel vernommen und konnte sich diese Taktik gut vorstellen, aber er hatte keine Ahnung von solchen Dingen. Er war nur eine Marionette, wie alle anderen auch. Wenn sie Glück hatten, würde der Feind bei ihrem Anblick Angst bekommen, doch daran zweifelte er. Sinnlose Schlachten wurden immer wieder geführt.

      Gemeinsam mit Finn - da dieser nicht von ihm abließ - saß er auf einer Bank und betrachtete den Wolkenhimmel. Auch in diesem Moment kam kein Wort über die Lippen des Dunkelhaarigen. Er hatte nichts zu erzählen, das gehört werden wollte. Seine Sünden würden ihm nicht vergeben werden, sondern nur für Zorn unter den Rekruten sorgen. Außerdem wollte er Finn so in Erinnerung behalten, wie er jetzt war. Ein seltsamer Typ, der sich an ihn gehängt hatte. Ein Typ, der offenbar sein Freund sein wollte, obwohl Torian sich so an die Einsamkeit gewöhnt hatte.


      Loretta

      Als Gaby - so tauften sie die Kuhdame - auf etwas Aufmerksam wurde, löste sich die junge Frau von ihr und entdeckte den jungen Ritter.
      "Ich bin nicht schreckhaft", beruhigte sie ihn und lächelte kurz. Dann sah sie in die großen Augen des Tieres und kraulte sie.
      "Ich bin mit Gaby aufgewachsen. Sie war immer meine beste Freundin", schwelgte sie in Erinnerungen und kicherte leise, weil es sich für ihn vermutlich albern anhörte mit einer Kuh befreundet zu sein.
      "Ich weiß, dass Ihr große Hoffnungen in mich habt... Ich werde mich bemühen sie nicht zu enttäuschen..", sagte sie dann und sah wieder zu dem Blonden. Ihr Blick war voller Sorge.
      "Ich.. habe Angst.. Aber ich will, dass Emily und Pepe ein gutes Leben haben können", teilte sie ihm ihre Beweggründe mit.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finn
      Die Tage bis zum Abmarsch vergingen quälend langsam und doch zu schnell. Jeder Moment war erfüllt von einer Mischung aus Anspannung und Vorfreude, die in der Luft hing wie ein drohendes Gewitter.
      Am letzten Abend vor dem Aufbruch war die Stimmung im Lager besonders gedrückt. Die meisten Rekruten saßen still um die Feuer herum, ihre Gesichter in düstere Gedanken vertieft. Einige versuchten, sich gegenseitig Mut zuzusprechen.
      Finn hingegen fand sich einmal mehr in der Nähe seines stummen Kameraden wieder.
      Wie immer hatte dieser sich von den anderen abgesetzt und saß auf einer Bank, den Blick auf den bewölkten Himmel gerichtet. Finn setzte sich neben ihn unsicher, wie er das Gespräch beginnen sollte, oder ob es überhaupt notwendig war, Worte zu finden.
      Die Stille zwischen ihnen war mittlerweile vertraut geworden, fast schon beruhigend, aber heute fühlte sie sich schwerer an.
      Eine ganze Weile lang betrachtete er schweigend den Himmel, aus dem mit dem Untergang der Sonne immer mehr Farbe wich und bereits einzelne Sterne begannen, das Firmament zu schmücken, und fühlte sich plötzlich sehr klein und unbedeutend. „Es ist seltsam, nicht wahr?“ sagte er schließlich leise, mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber, dessen Namen er nach all der gemeinsamen Zeit immer noch nicht in Erfahrung hatte bringen können. „Hier sitzen wir, bereit, in eine Schlacht zu ziehen, die vielleicht genauso bedeutungslos ist wie ein Sandkorn im Meer.“
      Finn erwartete keine Antwort, aber es war ihm wichtig, seine Gedanken laut auszusprechen. Vielleicht weil es ihm half, seine Gedanken so besser zu ordnen.
      Mit einem Seufzen fuhr er fort: „Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Dieser ganze Plan, uns als Kanonenfutter zu verwenden... Es ist so offensichtlich, und doch fühlt es sich an, als ob niemand anderes es bemerkt.“
      Er sah zum Anderen hinüber, der immer noch keine Anstalten machte, zu sprechen. „Ich weiß nicht, warum, aber seit ich dich kenne, habe ich das Gefühl, dass ich genauer hinsehen muss. Mehr nachzudenken, weniger zu reden.“ beim letzten Teil des Satzes musste er ein wenig in sich hinein schmunzeln. Er sprach davon weniger zu reden, während er gleichzeitig genug für zwei Personen vor sich her quasselte.
      Es musste dem anderen mittlerweile doch bestimmt auf die Nerven gehen?
      „Weißt du,“ sagte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, „egal, was passiert, ich bin froh, dass ich dich getroffen habe. Du hast mir mehr beigebracht, als dir vielleicht bewusst ist.“
      Sein Blick war wieder zu den Sternen gerichtet und versuchte in diesem irgendein Sternbild zu erkennen, wie er es schon viele Nächte zuvor tat und darüber nachdachte, ob er, bevor er sein Gedächtnis verlor, dasselbe schonmal getan hatte.
      „Vielleicht überleben wir beide das ganze ja? Oder du hast Glück und wirst mich endlich los.“


      Aurin Van Belenus
      Lorettas Ehrlichkeit und Entschlossenheit beeindruckten Aurin, aber auch ihre Angst und Zerrissenheit waren deutlich zu spüren. Er trat näher, wobei er darauf achtete, Gaby nicht zu erschrecken. Die Kuh schnaubte leicht, beruhigte sich aber schnell wieder, als sie erkannte, dass von ihm keine Gefahr auszugehen schien.
      „Ich verstehe eure Bedenken, Lady Loretta,“ begann Aurin verständnisvoll und sah ihr fest in die Augen. „Es ist nur natürlich, sich vor dem Unbekannten zu fürchten, vor allem, wenn so viel auf dem Spiel steht. Aber ich habe keine Zweifel daran, dass Ihr die Stärke habt, die es braucht, um diesen Weg zu gehen.“
      Die Nacht war still, nur das gelegentliche Zirpen von Grillen und das leise Schnauben von Gaby waren zu hören.
      „Ihr seid nicht allein,“ fuhr Aurin fort. „Ich werde an eurer Seite sein, und euch unterstützen, die Herausforderungen meistern, die vor euch liegen. Ihr habt mehr Mut gezeigt, als viele andere es je könnten, und das ist der erste Schritt zu wahrer Größe.“
      Die beiden standen noch eine Weile schweigend nebeneinander, die Stille der Nacht war beinahe tröstlich. Schließlich brach Aurin das Schweigen und sagte: „Wir sollten uns ausruhen. Die Reise wird lang und beschwerlich, und wir brauchen all unsere Kräfte.“
      In the midst of chaos
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    • Torian

      Finn teilte ihm seine Gedanken mit, wie es viele andere Rekruten wohl auch an diesem letzten, friedlichen Tag taten. Dabei sah Torian nicht ein einziges Mal vom Himmel zu ihm. Nicht einmal als er sich für etwas bedankte, auf das er keinen wirklichen Einfluss genommen hatte. Er bezweifelte, irgendjemandem etwas nützliches beizubringen, doch er schwieg weiterhin. Nicht einmal hatte er in den letzten Tagen etwas gesagt.
      "Das würde ich nicht als Glück bezeichnen", antwortete er leise, fast heiser vom seltenen Gebrauch seiner Stimme, als wäre er selbst unsicher, ob sie noch funktionierte. Doch für ihn wäre es kein Glück, wenn der Fischergehilfe sterben und er überleben würde. Finn hatte es deutlich mehr verdient zu leben, als er. Finn war ein offener, mitfühlender Mensch. Zumindest tat er so, denn Torian konnte nicht anders als das zu hinterfragen. Hinter jeder Geste steckte eine Absicht. Vertrauen konnte man niemandem. In seinem Fall konnte er nicht einmal sich selbst trauen, denn er wusste nicht, wie gut er in diesem Kampf bestehen würde. Sein Körper war noch immer zu unzuverlässig.



      Loretta

      Lady.. daran müsste sie sich wohl gewöhnen. Seine Worte schenkten ihr ein wenig Mut. Dann gäbe es zumindest eine Person, die keine Zweifel hatte. Die Zuversicht des Ritters war aber genau das, was sie brauchte. So richtig daran glauben konnte sie noch nicht, deshalb musste er es für sie beide tun.
      Er sprach weiter, doch Loretta erwiderte nichts weiter als ein Lächeln. Es war alles gesagt, was gesagt werden musste. Bis Aurin ansprach, dass sie sich ausruhen sollten.
      "Ja." Die junge Frau nickte und verabschiedete sich von Gaby. Morgen früh müsste sie sich dann auch von ihrer Familie verabschieden.
      "Gute Nacht, Sir Aurin", wünschte sie ihm, als sie gemeinsam das Haus betraten. Kurz sah sie ihm nach, wie er zum Gästezimmer, dass nicht mehr als ein Bett fassen konnte, ehe sie ihren eigenen Weg die Treppen hinauf bestritt. Sie versuchte nicht zu viel nachzudenken, um ausreichend Schlaf zu finden. Dies gelang ihr sogar einigermaßen, dennoch begrüßte sie ein flaues Gefühl im Magen, als sie mit dem Krähen des Hahns aufwachte. Normalerweise würde sie voller Tatendrang aus dem Bett hüpfen und zu den Hühnern gehen. Heute würde dies jemand anderes tun. Sie hörte schon kurz darauf, wie die kleinen Füße ihrer Schwester über die Dielen flitzten und wie die Haustür zufiel.

      Nachdem sie sich frisch gemacht hatte, setzte sie sich zu der Familie an den Frühstückstisch. Es war ruhiger als sonst. Sie sprachen nicht immer viel am Esstisch, doch heute war die Stille weitaus erdrückender. Der Abschied stand bevor, weshalb sie nach dem Frühstück mit ihrer Stiefmutter in ihrem Zimmer verschwand, um sich ein paar Sachen für die Reise einzupacken.
      "Ich danke dir für alles, Mutter", sprach sie aus und sorgte dafür, dass die Tränen in den Augen der Älteren den Kampf gewannen und über ihre Wangen flossen. Loretta hatte schon früh angefangen sie Mutter zu nennen, doch nie bedeutete dies mehr, als in diesem Augenblick. Die beiden Frauen umarmten sich und die Jüngere gab sich große Mühe, um nicht auch zu weinen.

      Als Pepe dann mit dem Pferd des Ritters vor dem Haus stand und alle ihre Arbeit verschoben hatten, um sie zu verabschieden, fiel es ihr zunehmend schwerer. Der Gedanke, dass sie auch ihnen damit helfen könnte, half ihr dabei ihre Tränen wegzulächeln. Alle Blicke ruhten auf dem Blonden, von dem sie in diesem Moment großes erwarteten. An Darwin's Seite hätten sie sich regelmäßig besuchen können, aber so konnten sie sich nur gelegentlich Briefe zuschicken. Emily überreichte ihr noch ein selbstgemachtes Armband, welches sie aus verschieden farbigen Stoffresten geflochten hatte. Loretta umarmte sie, wie jeden anderen auch und sah dann zum Ritter. Je länger sie den Aufbruch hinauszögerten, desto schwieriger würde es für sie werden.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finn
      "Das würde ich nicht als Glück bezeichnen" Die Worte, die kaum mehr als ein flüstern im Wind waren, hallten unerwartet in der Stille der Nacht wider.
      Finn erstarrte für einen Moment, überrascht und zugleich erfreut über die unerwartete Reaktion seines schweigsamen Kameraden. Es war das erste Mal seit ihrer Bekanntschaft, dass er seine Stimme hörte, und es fühlte sich an, als ob ein langer, düsterer Schleier sich langsam zu lichten begann.
      Ein Moment der Stille folgte, während Finn versuchte, die Bedeutung dieses Augenblicks zu erfassen. Eine einfache, aber bedeutende Antwort, und es schien, als ob eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen durchbrochen worden war.
      "Das ist das erste Mal, dass ich deine Stimme höre" Seine Stimme von einem Hauch Ehrfurcht durchdrungen. "Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, wie deine Stimme wohl klingen mag.“ Gestand er mit einem aufrichtigen und ermutigenden Lächeln, das einzig und alleine seinem nun doch nicht mehr so stummen Kameraden galt


      Aurin Van Belenus
      Der Morgen brach an, und Aurin fand sich früh auf den Beinen, um die letzten Vorbereitungen für ihre Reise zu treffen. Die Luft war frisch und klar, und die ersten Sonnenstrahlen versprachen einen schönen Tag. Doch in seinem Herzen lag eine Mischung aus Aufregung und Melancholie.
      Er hatte die Nacht kaum geschlafen, seine Gedanken waren unruhig gewesen und hatten ihn immer wieder aus seinen Träumen gerissen. Doch jetzt, da der Tag der Abreise gekommen war, gab es keine Zeit mehr für Zweifel.
      Er zog sich rasch an und verließ sein bescheidenes Gästezimmer, um nach Loretta zu sehen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie früh aufbrechen würden, um den langen Weg vor ihnen zu bewältigen. Der Ritter fand sie bereits mit dem Rest ihrer Familie in der Küche versammelt und Aurin konnte nicht umhin, die Traurigkeit in ihren Augen zu bemerken. Er wusste, dass der Abschied schwer für sie war, aber er war fest entschlossen, sie auf dieser Reise zu unterstützen, so gut er konnte.
      Nach dem Frühstück half er ihr, ihre letzten Vorbereitungen zu treffen und ihre gepackten Sachen an dem Sattel seines Pferdes, welches Pepe bereits aus dem Stall geholt hatte, zu befestigen.
      Schließlich, als alles bereit war und die Sonne langsam über den Horizont stieg, standen Aurin und Loretta vor dem Haus, bereit für ihren Aufbruch.
      Während sie sich von ihrer Familie verabschiede, blieb der Ritter auf respektvollem Abstand um ihr diesen letzten gemeinsamen Moment noch halbwegs normal zu ermöglichen.
      Er wandte sich ebenfalls ein letztes Mal an ihre Versammelte Familie. „Habt dank für eure Gastfreundschaft, und dass ihr mich an Speis und Trank habt teilhaben lassen. Ich verspreche, Lady Loretta mit meinem Leben zu beschützen.“
      Zusehen zu müssen wie das eigene Kind hinfort gebracht wurde, musste ihre Eltern zweifelsohne schmerzen. Doch er hoffte, dass seine Worte ihre Herzen zumindest ein wenig beschwichtigen konnte.
      Als es schließlich soweit war, dass auch die letzten Umarmungen und letzten Abschiede Gesprochen wurden, bot Aurin ihr seine Hand an, um ihr beim Aufstieg auf das Pferd zu helfen.
      Loretta war zwar auf dem Land aufgewachsen, aber der Ritter wusste nicht, wie gut sie das Reiten beherrschte. Schließlich hatte er auf ihrem Hofe keine Pferde erblicken können.
      Daher setzte er sich, um sicher zu gehen, dass sie während des langen Rittes nicht ausversehen vom Pferd fiel, hinter sie und ergriff die Zügel.
      mit einem finalen Schnalzen seiner Zunge setzte sich das stolze Tier schließlich mit einem Schnauben in Bewegung.
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    • Torian

      Die Stille, die nach seiner Antwort eintrat, wurde schließlich - wie zu erwarten - von Finn durchbrochen, als er zu bewundern schien, seine Stimme nun doch gehört zu haben. Das sich seine Hartnäckigkeit ausgezählt hätte. Als wäre es eine große Belohnung.
      Warum hatte Torian nun doch geantwortet? Weil Finn sich ihm mit diesem Satz untergeordnet hatte. Die Antwort kam, ohne groß darüber nachzudenken. Für Torian war Finn eindeutig der bessere Überlebende.
      Aus seinen Augenwinkeln sah er zu dem jungen Fischergehilfen an seiner Seite, um sein Lächeln zu sehen. Er war anders als die anderen. Irgendwas hatte Finn an sich, das undefinierbare Emotionen in Torian hervorrief. Diese roten Augen, die ihm oft seine Aufmerksamkeit schenkten. Dieses Lächeln und seine Worte. Der Schweigsame war nicht mehr allein, doch er fragte sich noch immer, was Finn sich aus diesen Unterhaltungen erhoffte. Freundschaft? Da gäbe es sicher bessere Kandidaten unter den Rekruten. Wobei ohnehin ungewiss war, wer am Ende noch lebend zurückkehren würde.
      Falls Finn sich aber nun Hoffnungen machte, ein Gespräch mit ihm führen zu können, würde er enttäuscht werden. Torian blickte wieder zum Himmel, den er 5 Jahre lang nicht sehen konnte und schwieg.




      Loretta

      Nachdem sich Loretta von ihrer Familie abgewandt hatte, atmete sie einmal tief durch und blickte das Pferd an. Als Zugtiere dienten ihnen die Kühe, die ihnen bei der Feldarbeit, als auch beim Transport halfen. Pferde waren ihr zwar nicht fremd, doch sie war noch nie geritten.
      Mit den Gedanken noch nicht ganz bei der Sache, sah sie den Ritter an und nahm seine Hilfe an. Als sie auf dem Pferd saß, schenkte sie ihrer Familie noch einmal ein Lächeln. Ihre Geschwister winkten und sie winkte kurz zurück, ehe die Hände des Ritters an ihrem Körper vorbeigingen, um nach den Zügeln zu greifen. Dann ritten sie los. Allein wäre der Ritter deutlich schneller gewesen, doch Loretta wusste nicht genau, wie sie sitzen oder wo sie sich festhalten sollte. Ihre Hände lagen auf dem hochgekrempelten Rock zwischen ihren Beinen, womit sie auf den Halt des Ritters hoffte. Sie versuchte aufrecht zu sitzen, doch lehnte sie sich gelegentlich zu weit zurück, sodass sie sich gegen ihn lehnte. Der hintere Teil ihres Rocks war ungewohnt hoch gekrempelt, damit sie wie ein Mann sitzen konnte. Für eine lange Reise wäre das auf Dauer besser. Dabei konnte man allerdings ihre Waden sehen. Auch wenn sie in Strümpfen steckten, war es ihr unangenehm und brachte sie in Verlegenheit.
      "Wie lange.. brauchen wir?", fragte sie, kaum als sie den Hof verlassen hatten. Sie hatte nicht erwartet, dass sie sich dabei so unwohl fühlen würde. Deshalb bat sie den Ritter noch einmal umzukehren. Ihre Mutter sah sie verwundert an, doch Loretta erklärte sich schnell.
      "Kann ich eine Hose von Vater haben?" Es dauerte einen kleinen Moment, ehe sie verstand und der jungen Frau eine Hose aus dem Schrank holte, die sie mit einem Stoffgürtel festzogen. Den Rock trug sie noch darüber, aber ihre Beine würden so wenigstens während des Reitens verdeckt bleiben.
      Also wagten sie einen erneuten Versuch aufzubrechen und dieses Mal, würde sie nicht noch einmal zurückkehren. Möglicherweise würden andere ihre Erscheinung eigenartig finden, wenn sie an ihnen vorbeiritten, aber dann dachte Loretta daran, wie sich der Anblick einer Königin in einfachen Leinenkleidern machen würde. Eine seltsame Vorstellung. Königin. Sie.
      Sie machte sich keine falschen Hoffnungen und gab bewusst etwas auf, das sie liebte, damit andere behalten konnten, was sie liebten. Die Legende und die immer schlechter werdenden Lebensbedingungen hingen zusammen. Das war kein Zufall, dass es dem Land stetig schlechter ging, nachdem der König vom Thron gestoßen wurde.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Finn
      Die all zu vertraute Stille zwischen ihnen kehrte wieder ein und Finn lehnte sich zurück um nun ebenfalls noch eine Weile den Sternen bedeckten Himmel zu betrachten.
      Fürs erste waren keine weiteren Worte von Nöten.
      Er wusste, dass dieser eine Satz wahrscheinlich das Einzige sein würde, was sein schweigsamer Kamerad für eine lange Zeit sagen würde. Aber das war in Ordnung. Es war ein Anfang.
      Für einen Moment fühlte sich die Nacht weniger bedrückend an, die bevorstehende Schlacht weniger bedrohlich.
      Ein Windstoß ließ die Flammen des nahegelegenen Feuers tanzen, und Finn begann ein wenig zu frösteln.
      Zwar konnte er Torians Gesicht in der Dunkelheit nicht gut erkennen, aber er hoffte, dass seine Worte etwas bewirkt hatten. Wenn auch nur ein kleines bisschen.
      Die Nacht schien endlos, und doch war der Morgen schon zum Greifen nahe.
      Irgendwann stand Finn schließlich auf. „Es wird ein langer Tag morgen. Wir sollten versuchen, etwas Schlaf zu bekommen.“ schlug er vor und wandte sich in Richtung der Schlafunterkünfte.
      „Vielleicht“, dachte er laut, „vielleicht finden wir in diesem Chaos unseren eigenen Weg. Vielleicht geht es im Leben nicht immer darum, gegen den Sturm zu kämpfen, sondern zu lernen, mit ihm zu segeln.“
      Die Worte klangen poetischer, als er es beabsichtigt hatte, und ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wusste, dass der bevorstehende Marsch, die bevorstehende Schlacht, alles, was sie erwartete, real und gefährlich war. Aber für den Moment schien die Welt um sie herum noch friedlich und ruhig.


      Der nächste Morgen begann mit einem kühlen Hauch in der Luft, der durch das Lager zog und die letzten Reste der nächtlichen Ruhe hinwegfegte. Die ersten Lichtstrahlen der Morgendämmerung schoben sich zaghaft über den Horizont und tauchten die Umgebung in ein sanftes, goldenes Licht.
      Finn erwachte von den Geräuschen des aufkommenden Tages – das Knirschen von Stiefeln auf dem harten Boden, das Klappern von Metall, als die anderen Rekruten ihre Ausrüstung überprüften, und das leise Murmeln von Stimmen, die sich auf den bevorstehenden Marsch vorbereiteten. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und streckte sich, die Anspannung der Nacht fiel von ihm ab.
      Finn seufzte leise und stand auf. Er fühlte das Gewicht der bevorstehenden Aufgabe auf seinen Schultern, aber auch eine neue Entschlossenheit. Die Gespräche der letzten Nacht hatten ihn verändert, ihm einen neuen Fokus gegeben. Er würde diesen Tag mit einem klaren Ziel vor Augen angehen.
      Nachdem er seine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt hatte, machte sich Finn auf den Weg zur Wasserstelle, um sich das Gesicht zu waschen. Das kalte Wasser brachte ihn vollends zur Besinnung und er fühlte sich erfrischt und wach. Als er zurückkehrte, bemerkte er, dass die Stimmung im Lager gedämpft, aber bestimmt war. Die Rekruten sprachen weniger, ihre Blicke waren konzentriert, ihre Bewegungen zielgerichtet. Jeder wusste, dass heute ein entscheidender Tag war.


      Aurin van Belenus
      Der Morgen war klar und kühl, und die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Bäume, als Aurin und Loretta den Hof verließen. Das Pferd trottete gemächlich voran, und die Geräusche des erwachenden Tages wurden leiser, je weiter sie sich entfernten. Doch trotz der friedlichen Umgebung spürte Aurin das Unbehagen, das von Loretta ausging. Sie saß steif vor ihm, ihre Hände lagen verkrampft auf ihrem hochgekrempelten Rock, und sie lehnte sich gelegentlich ungewollt gegen ihn.
      Er hörte ihre leise Frage: „Wie lange brauchen wir?“ Ihre Stimme verriet die Nervosität, die sie zu verbergen suchte.
      „Es könnte eine ganze oder vielleicht sogar zwei Tagesreisen dauern,“ antwortete Aurin ruhig und versuchte, einen beruhigenden Ton anzuschlagen. „Wir müssen einige Umwege machen, da Teile der Hauptstraßen seit einiger Zeit von Banditen belagert werden. Sie nutzen das aktuelle Chaos im Königreich aus.“
      Er spürte, wie sich ihre Anspannung verstärkte, und bevor er weiterreden konnte, bat sie plötzlich, noch einmal umzukehren. Zunächst war Aurin zögerlich. Jede Verzögerung könnte ihre Reise riskanter machen. Doch er sah die Unsicherheit in ihren Augen und das Unbehagen, das sie fühlte, und entschied, dass es besser wäre, sie vollständig vorbereitet und komfortabel auf die Reise zu schicken.
      „Natürlich, wir sind noch nicht weit gekommen,“ stimmte er zu und lenkte das Pferd zurück zum Hof. Als sie den Hof erreichten, sah ihre Mutter sie verwundert an. Loretta sprang fast schon hastig vom Pferd und erklärte, dass sie eine Hose von ihrem Vater benötigte.
      Einige Minuten später kam sie in einer Hose zurück, die sie mit einem Stoffgürtel festgezogen hatte, und trug den Rock darüber. Diese einfache Änderung schien ihr etwas mehr Selbstsicherheit zu geben.
      „Bist du bereit?“ fragte Aurin geduldig, als sie erneut vor ihm auf dem Pferd Platz nahm. Dieses Mal wirkte sie weniger angespannt. Sie hatten sich nun endgültig von ihrer Familie verabschiedet, und der Abschied war gefasster und endgültiger.
      Das Pferd setzte sich erneut in Bewegung, und sie ritten langsam aus dem Hof. Der Weg war beschwerlich, und sie mussten immer wieder anhalten, um sicherzustellen, dass sie auf dem richtigen Pfad waren.
      „Es tut mir leid, dass wir solche Umwege machen müssen,“ sagte er nach einer Weile, um das Schweigen zu brechen. „Aber es ist zu gefährlich, die Hauptstraßen zu nehmen. Die Banditen sind zahlreich und gut organisiert. Doch wir werden sicher ankommen, das verspreche ich.“
      In the midst of chaos
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    • Torian

      'Vielleicht finden wir in diesem Chaos unseren eigenen Weg. Vielleicht geht es im Leben nicht immer darum, gegen den Sturm zu kämpfen, sondern zu lernen, mit ihm zu segeln.'
      Dieser Satz blieb ihm noch lange im Gedächtnis, als er zu Bett ging. Sie begleiteten ihn, doch hielten sie ihn nicht wach. Beinahe das Gegenteil davon. Er schlief zum ersten Mal seit der Ausbildung ruhig. Kein Alptraum plagte ihn.

      Für Torian fühlte sich sowohl die kühle Abendluft, als auch die frische Morgenbrise wie eine Wohltat an. Tagsüber, wenn die Sonne auf ihre Köpfe schien, wurde ihm warm. Zu warm. Seine Haut schmerzte die ersten Tage und fühlte sich trockener an als jemals zuvor. Deswegen war die Abkühlung ein Segen. Sie war noch immer wärmer, als der Boden und die Wände im Kerker.
      Torian besaß weniger, als die anderen Rekruten. Er besaß buchstäblich nichts, außer den Kleidern, die er am Leib trug. Und der spärlichen Ausrüstung, die so aussah, als wären es die Abfälle der eigentlichen Armee. Doch es war besser als nichts. Nachdem sich der Dunkelhaarige also gewaschen und angezogen hatte, trat er an.
      Jedem war klar, dass sie nur überleben konnten, wenn sie sich wirklich bemühten. Ein halbherziger Aushilfsritter war eindeutig dem Tode geweiht. Sie mussten weise vorgehen und ihr Geschick beweisen. Nur dann hatten sie eine Chance zu überleben und Zeuge des Ruhms zu werden, den diese Schlacht brachte. Wenn sie gewannen. Es gab noch immer die Option einfach gnadenlos ausgelöscht zu werden. Ihr Feind hatte sich vielleicht schon jahrelang auf diesen Tag vorbereitet. Sie hatten nur ein paar Tage. Hatte sich der König zu sehr auf den Schutz der Legende verlassen und die Armee deshalb so vernachlässigt? Hätten sie die Rekruten schon früher, ohne Anzeichen eines Krieges, herangezogen, wären sie nun deutlich besser dran.

      Torian atmete durch und sah zu Finn, der sich weiterhin in seiner Nähe aufhalten zu wollen schien. Sein Blick war anders - nicht mehr gänzlich leer. Ein winziger Funken Hoffnung blitzte auf, doch worauf? Auf seine gerechte Strafe? Seine Erlösung? Oder das Leben als freier Mann? Hauptsächlich konnte man darin jedoch lesen, dass er ähnliche Annahmen hatte wie Finn. Das sie nur Deko waren und schlussendlich Kanonenfutter. Es könnte also der letzte Blick sein, den die beiden in der noch friedlichen Stunde austauschten.




      Loretta

      "Ja...", antwortete sie auf die Frage, ob sie bereit wäre. Sie war nun entspannter, aber auch ein wenig verlegen wegen der Verzögerung. Es ziemte sich jedoch nicht für eine Frau, ihre Beine so zur Schau zu stellen. Nun sah sie nur noch etwas eigenartig aus, aber diese ganze Situation war eigenartig. Gestern noch war sie ein einfaches Mädchen und morgen oder übermorgen eine Königin.
      "Bitte, macht Euch keine Gedanken deswegen. Ich vertraue Euch." Ihm, einem Fremden. In seinen Augen konnte sie jedoch erkennen, dass sie ihm vertrauen konnte. Dieser Blick mit dem sie noch nie jemand vor ihm bedacht hatte. Sie tat es für ihn und für das Reich.
      "Sagt, Sir Aurin.. Wie lange sucht Ihr schon nach mir? Gibt es noch andere, die nach mir suchen?" War der königliche Hof auf ihre Ankunft vorbereitet? Wurde sie sehnsüchtig erwartet? Würde sie einen großen Empfang bekommen? Nicht, dass ihr diese Dinge wichtig wären - jedenfalls nicht der Empfang - doch es gab ihr Auskunft darüber, wie leicht oder schwer ihr Weg zum Thron sein würde.
      Nachdem ein einfacher Junge, im Dienste des Königs, diesen ermordete, übernahmen wohl dessen engsten Vertraute, seine Berater, die Macht. Irgendeiner musste es ja tun, damit das Land nicht seinen Kopf verlor. Nun aber sollte sie bald dieser Kopf sein. Dabei würde sie sicher weiterhin auf die Unterstützung dieser Männer zählen können. Sie hatten mehr Ahnung von all dem. Loretta war letztendlich nur ein Aushängeschild. Wegen der Legende. Solange jemand vom Blute des Drachen die Krone trug, würde es dem Reich gut ergehen. Mehr war sie nicht. Eine Königin zum Schein. Doch das war ihr bewusst und es war in Ordnung. Sie bildete sich nicht ein, dass sie eine gute Königin wäre, nur weil ihre Großmutter offenbar eine Mätresse des Königs war.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco