Valentine Ellsworth
250 Jahre… in Dunkelheit, alleine, umgeben von der Kälte der Erde in- was? Einem Wald? Auf einem Friedhof? Val war sich nicht mehr sicher. Alles, was hier unten zu hören war, waren die Regenwürmer, die ihr Bestes gaben, die Erde aufzulockern und in ihrer Arbeit immer wieder irritiert an diesen verfluchten Sarg stießen. Nach 250 Jahren entwickelte man ein Gespür für dieses Geräusch. Zu Beginn war es etwas abstoßend gewesen, irgendwann war es dann amüsant geworden und mittlerweile deprimierte es ihn nur noch. Er schwankte konstant zwischen dem Wunsch, endlich zu sterben, und der Hoffnung, dass er einen wirklich sehr, sehr langen Traum durchlebte und irgendwann aufwachen würde. Er konnte sich allerhöchstens in den eigenen Oberschenkel kneifen, mit der Hand, die genau daneben lag, mehr Bewegungsfreiheit hatte er nicht und bislang war er dadurch auch nicht aufgewacht. Seltsamerweise triefte sein Körper nur so vor Energie und Kraft, angetrieben von einem enormen Hunger, der nicht locker ließ. Man würde meinen, ein Viertel Jahrtausend war genug, um sich an dieses Gefühl zu gewöhnen, aber das war es nicht. Wenn überhaupt, stieg es bloß immer weiter an und breitete sich mitsamt brennender Wut in seinem Körper aus. Daher war es kein Wunder, dass er kurzzeitig das Gefühl hatte, die Ketten des Sargs aufbrechen zu können, als er etwas hörte, das definitiv nicht den Regenwürmern in die Schuhe geschoben werden konnte.
Es wurde gegraben. Irgendjemand grub ihn aus. Nach einer Ewigkeit schien endlich jemand den Ort gefunden zu haben, an den Valentine Ellsworth verschleppt worden war. Er hatte ja immer gewusst, dass man nicht aufhören würde, nach ihm zu suchen. Nicht, wenn er der Erbe eines weltweit bekannten Unternehmens war und seine Familie alle Mittel hatte, um die Suche am Laufen zu halten. Gott, endlich, Himmel, Sonne, Gras unter den Füßen. Etwas zu essen. Etwas zu…
Ein dumpfes metallisches Geräusch drang durch das Holz zu Vals Ohren, während durch die Spalten ein wenig Licht den minimalen Raum erhellte und er zum ersten Mal die Farbe des Holzes feststellen konnte. Erwartungsvoll starrte er den Deckel an, nicht, dass er den Kopf wirklich woanders hindrehen konnte, und er sah vor seinem geistigen Auge schon den Himmel, als auf einmal ein Erdbeben losging und er in dem wenigen Platz, der bestand, hin und her rutschte. "Hey, hey!", rief er, lauter werdend. Er spannte etwas panisch den Körper an und drückte die Handflächen an den Deckel. "Hey, lasst mich hier raus!" Vals Blick schoss in jede Ecke des Sargs. "Mein Gott", flüsterte er im Schock zu sich selbst. Er hatte 250 Jahre lang versucht, hier rauszukommen und war sich ziemlich sicher, dass er nicht magisch auf einmal entkommen konnte, aber dennoch kickte er um sich. Er wollte nicht wieder begraben werden, wenn er gerade erst wieder Licht gesehen hatte. Zu seiner Verwirrung hörte das Ruckeln plötzlich auf und jemand machte sich an den Ketten des Sargs zu schaffen. Okay, das Erdbeben hatte sich wohl wieder verabschiedet. Er atmete kurz durch, eigentlich um sich zu entspannen, aber da stieg ihm ein intensiver Geruch in die Nase, der ihn wieder völlig unter der Strom setzte.
Es war nicht geplant gewesen, zwanzig Männer zu töten. Val wusste auch nicht, was in ihn gefahren war. 250 Jahre lang zu überleben, war spätestens nach den ersten 60 leicht merkwürdig geworden und die Tatsache, dass die Sonne auf seinen wenigen Hautstellen, die nicht von Kleidung bedeckt waren, schrecklich brannte, wollte er wirklich auf die lange Episode an Dunkelheit setzen, der er ausgesetzt gewesen war. Aber… eine richtige Ausrede hatte er nicht dafür, dass er über ein Dutzend Körper an Blut leergesaugt hatte.
Als er sich über den Mund wischte und einen Blick auf seinen Handrücken warf, fiel ihm auch ein unguter, gräulicher Teint unter dem verschmierten Rot auf. Von den gut hundert Litern hatte er nicht viel verschwendet, aber er wusste nun, dass Halsschlagadern unter einem derartigen Druck standen, dass kleine Verletzungen zu Sprühmustern auf seiner Kleidung führten und ein tiefer Biss einen befriedigenden Blutschwall erzeugte. Zu spät gelernt hatte er das trotzdem, seine Kleidung war durchtränkt. Ausziehen konnte er jedenfalls nichts davon, wenn die Sonne seine Haut so sehr zu überfordern schien. Naja, zumindest war der lästige Hunger endlich gestillt. Also ließ er zum Schutz vor der Sonne seine Haare gleichmäßig über seinen Hals und leicht ins Gesicht fallen und hielt sich im Schatten, während er sich den Weg aus… einer Art lichtem Waldrand schaffte. Ein paar Mal konnte er nicht verhindern zurückzublicken. Die Männer, die ihn ausgraben hatten, waren absolut merkwürdig gekleidet gewesen und dieses… gelbe, gigantische… Metallwesen aus der Hölle, das sie bei sich hatten, jagte ihm immer noch Schauer über den Rücken. Seltsame Leute. Früher oder später hätte sie wohl ohnehin ein ähnliches Schicksal ereilt.
Der feste, glatte Boden, den er nach einer Weile unter den Füßen hatte, beunruhigte ihn nicht weniger. Er zog sich in einer langen Strecke quer durch den Wald. Val zögerte, folgte der Spur dann aber trotzdem. Er wusste nicht, in welche Richtung er nachhause kam, also war es sicher nicht schlecht, erstmal einem Weg zu folgen. Nach einer Weile ließ dann auch der Schock immer mehr nach, wenn eine der lauten magischen Kisten an ihm vorbei raste. Irgendwann blieb eins der Dinger stehen und Val machte sich bereit sprungfertig, um wegzurennen, aber dann hörte er eine menschliche Stimme heraus und sah, wie tatsächlich ein Mann im Inneren des… Dämons saß.
"Alles gut bei Ihnen? Brauchen Sie 'ne Mitfahrgelegenheit?", fragte er, durch schrecklichen Lärm hindurch, der nach außen drang, während er an einer winzigen Version einer Zigarre zog. Die Bemalungen auf der Haut des Mannes schrien geradezu nach Teufelswerk. Val tippte vorsichtig mit einem Finger an das Äußere der Kiste. Aha, wieder so ein Metallwesen. Vielleicht sollte er einfach mal sein Glück versuchen.
Val räusperte sich und bemühte sich, das Gefährt nicht zu skeptisch zu beäugen. "Es wäre sehr freundlich, wenn Ihr mich zu meinem Landhaus in Skirlaugh bringen würdet"
"Aha, also… in die Stadt kann ich Sie fahren, aber… das wär ein ziemlicher Umweg", erwiderte der Herr und Val wog kurz seine Chancen ab, zufuß schneller nachhause zu kommen, und entschied sich schließlich trotzdem für die Mitreise.
Nachdem er es geschafft hatte, einzusteigen, flog die Landschaft auf einmal an ihm vorbei und er musste unweigerlich lachen. So schnell wäre er wohl nicht einmal auf einem Pferd vorangekommen. "Das ist ja verrückt. Teufelspäkte lohnen sich, was?", sagte er fröhlich zu seinem Gastgeber, der leicht den Kopf schüttelte und die Augen geradeaus gerichtet hielt. Er schien keinen guten Tag zu haben. Val dagegen stiegen fast Tränen des Glücks in die Augen, als er den kühlen Wind im Gesicht spürte.
Der ungemütliche, lange Anstieg aus der Stadt hinauf zu seinem Anwesen lohnte sich. Es war immer ein prächtiger Anblick, der ein wundervolles Heimatgefühl auslöste und Val konnte garnicht abwarten, sich umzuziehen und vor dem Kamin auszuruhen. Er konnte wieder im Garten spazieren, Bücher lesen, sich um das Geschäft kümmern und… Irgendwie wurde hier renoviert, oder? Näher betrachtet sah das Haus nicht mehr ganz so aus, wie vorher. In Vals Kopf wollte auch noch nicht ganz klicken, wieviel Zeit verstrichen war. Unterbewusst war ihm klar, dass seine Familie nicht hier sein würde. Er beeilte sich, den Weg zum Eingang hinter sich zu legen, weil die Sonne recht stark auf ihn herabbrannte, wenn sie sich zwischen den Wolken zeigte. Zumindest fühlte es sich stark an. Die Luft dagegen war eher kühl. Der Tag konnte kaum seltsamer werden. Dachte er, aber dann war die Eingangstür natürlich verschlossen und er musste anklopfen, unwissend, wer ihm die Türe öffnen würde. Aber rechtmäßig war dies nunmal sein Haus und er würde es wieder in Anspruch nehmen, jetzt, wo er zurück war.
Es wurde gegraben. Irgendjemand grub ihn aus. Nach einer Ewigkeit schien endlich jemand den Ort gefunden zu haben, an den Valentine Ellsworth verschleppt worden war. Er hatte ja immer gewusst, dass man nicht aufhören würde, nach ihm zu suchen. Nicht, wenn er der Erbe eines weltweit bekannten Unternehmens war und seine Familie alle Mittel hatte, um die Suche am Laufen zu halten. Gott, endlich, Himmel, Sonne, Gras unter den Füßen. Etwas zu essen. Etwas zu…
Ein dumpfes metallisches Geräusch drang durch das Holz zu Vals Ohren, während durch die Spalten ein wenig Licht den minimalen Raum erhellte und er zum ersten Mal die Farbe des Holzes feststellen konnte. Erwartungsvoll starrte er den Deckel an, nicht, dass er den Kopf wirklich woanders hindrehen konnte, und er sah vor seinem geistigen Auge schon den Himmel, als auf einmal ein Erdbeben losging und er in dem wenigen Platz, der bestand, hin und her rutschte. "Hey, hey!", rief er, lauter werdend. Er spannte etwas panisch den Körper an und drückte die Handflächen an den Deckel. "Hey, lasst mich hier raus!" Vals Blick schoss in jede Ecke des Sargs. "Mein Gott", flüsterte er im Schock zu sich selbst. Er hatte 250 Jahre lang versucht, hier rauszukommen und war sich ziemlich sicher, dass er nicht magisch auf einmal entkommen konnte, aber dennoch kickte er um sich. Er wollte nicht wieder begraben werden, wenn er gerade erst wieder Licht gesehen hatte. Zu seiner Verwirrung hörte das Ruckeln plötzlich auf und jemand machte sich an den Ketten des Sargs zu schaffen. Okay, das Erdbeben hatte sich wohl wieder verabschiedet. Er atmete kurz durch, eigentlich um sich zu entspannen, aber da stieg ihm ein intensiver Geruch in die Nase, der ihn wieder völlig unter der Strom setzte.
Es war nicht geplant gewesen, zwanzig Männer zu töten. Val wusste auch nicht, was in ihn gefahren war. 250 Jahre lang zu überleben, war spätestens nach den ersten 60 leicht merkwürdig geworden und die Tatsache, dass die Sonne auf seinen wenigen Hautstellen, die nicht von Kleidung bedeckt waren, schrecklich brannte, wollte er wirklich auf die lange Episode an Dunkelheit setzen, der er ausgesetzt gewesen war. Aber… eine richtige Ausrede hatte er nicht dafür, dass er über ein Dutzend Körper an Blut leergesaugt hatte.
Als er sich über den Mund wischte und einen Blick auf seinen Handrücken warf, fiel ihm auch ein unguter, gräulicher Teint unter dem verschmierten Rot auf. Von den gut hundert Litern hatte er nicht viel verschwendet, aber er wusste nun, dass Halsschlagadern unter einem derartigen Druck standen, dass kleine Verletzungen zu Sprühmustern auf seiner Kleidung führten und ein tiefer Biss einen befriedigenden Blutschwall erzeugte. Zu spät gelernt hatte er das trotzdem, seine Kleidung war durchtränkt. Ausziehen konnte er jedenfalls nichts davon, wenn die Sonne seine Haut so sehr zu überfordern schien. Naja, zumindest war der lästige Hunger endlich gestillt. Also ließ er zum Schutz vor der Sonne seine Haare gleichmäßig über seinen Hals und leicht ins Gesicht fallen und hielt sich im Schatten, während er sich den Weg aus… einer Art lichtem Waldrand schaffte. Ein paar Mal konnte er nicht verhindern zurückzublicken. Die Männer, die ihn ausgraben hatten, waren absolut merkwürdig gekleidet gewesen und dieses… gelbe, gigantische… Metallwesen aus der Hölle, das sie bei sich hatten, jagte ihm immer noch Schauer über den Rücken. Seltsame Leute. Früher oder später hätte sie wohl ohnehin ein ähnliches Schicksal ereilt.
Der feste, glatte Boden, den er nach einer Weile unter den Füßen hatte, beunruhigte ihn nicht weniger. Er zog sich in einer langen Strecke quer durch den Wald. Val zögerte, folgte der Spur dann aber trotzdem. Er wusste nicht, in welche Richtung er nachhause kam, also war es sicher nicht schlecht, erstmal einem Weg zu folgen. Nach einer Weile ließ dann auch der Schock immer mehr nach, wenn eine der lauten magischen Kisten an ihm vorbei raste. Irgendwann blieb eins der Dinger stehen und Val machte sich bereit sprungfertig, um wegzurennen, aber dann hörte er eine menschliche Stimme heraus und sah, wie tatsächlich ein Mann im Inneren des… Dämons saß.
"Alles gut bei Ihnen? Brauchen Sie 'ne Mitfahrgelegenheit?", fragte er, durch schrecklichen Lärm hindurch, der nach außen drang, während er an einer winzigen Version einer Zigarre zog. Die Bemalungen auf der Haut des Mannes schrien geradezu nach Teufelswerk. Val tippte vorsichtig mit einem Finger an das Äußere der Kiste. Aha, wieder so ein Metallwesen. Vielleicht sollte er einfach mal sein Glück versuchen.
Val räusperte sich und bemühte sich, das Gefährt nicht zu skeptisch zu beäugen. "Es wäre sehr freundlich, wenn Ihr mich zu meinem Landhaus in Skirlaugh bringen würdet"
"Aha, also… in die Stadt kann ich Sie fahren, aber… das wär ein ziemlicher Umweg", erwiderte der Herr und Val wog kurz seine Chancen ab, zufuß schneller nachhause zu kommen, und entschied sich schließlich trotzdem für die Mitreise.
Nachdem er es geschafft hatte, einzusteigen, flog die Landschaft auf einmal an ihm vorbei und er musste unweigerlich lachen. So schnell wäre er wohl nicht einmal auf einem Pferd vorangekommen. "Das ist ja verrückt. Teufelspäkte lohnen sich, was?", sagte er fröhlich zu seinem Gastgeber, der leicht den Kopf schüttelte und die Augen geradeaus gerichtet hielt. Er schien keinen guten Tag zu haben. Val dagegen stiegen fast Tränen des Glücks in die Augen, als er den kühlen Wind im Gesicht spürte.
Der ungemütliche, lange Anstieg aus der Stadt hinauf zu seinem Anwesen lohnte sich. Es war immer ein prächtiger Anblick, der ein wundervolles Heimatgefühl auslöste und Val konnte garnicht abwarten, sich umzuziehen und vor dem Kamin auszuruhen. Er konnte wieder im Garten spazieren, Bücher lesen, sich um das Geschäft kümmern und… Irgendwie wurde hier renoviert, oder? Näher betrachtet sah das Haus nicht mehr ganz so aus, wie vorher. In Vals Kopf wollte auch noch nicht ganz klicken, wieviel Zeit verstrichen war. Unterbewusst war ihm klar, dass seine Familie nicht hier sein würde. Er beeilte sich, den Weg zum Eingang hinter sich zu legen, weil die Sonne recht stark auf ihn herabbrannte, wenn sie sich zwischen den Wolken zeigte. Zumindest fühlte es sich stark an. Die Luft dagegen war eher kühl. Der Tag konnte kaum seltsamer werden. Dachte er, aber dann war die Eingangstür natürlich verschlossen und er musste anklopfen, unwissend, wer ihm die Türe öffnen würde. Aber rechtmäßig war dies nunmal sein Haus und er würde es wieder in Anspruch nehmen, jetzt, wo er zurück war.
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