Bewitched (Wynnie & Nao)

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    • Bewitched (Wynnie & Nao)

      Bewitched
      ۵ Vorstellung ۵

      @Wynnie & @Nao.nline



      Valentine Ellsworth
      250 Jahre… in Dunkelheit, alleine, umgeben von der Kälte der Erde in- was? Einem Wald? Auf einem Friedhof? Val war sich nicht mehr sicher. Alles, was hier unten zu hören war, waren die Regenwürmer, die ihr Bestes gaben, die Erde aufzulockern und in ihrer Arbeit immer wieder irritiert an diesen verfluchten Sarg stießen. Nach 250 Jahren entwickelte man ein Gespür für dieses Geräusch. Zu Beginn war es etwas abstoßend gewesen, irgendwann war es dann amüsant geworden und mittlerweile deprimierte es ihn nur noch. Er schwankte konstant zwischen dem Wunsch, endlich zu sterben, und der Hoffnung, dass er einen wirklich sehr, sehr langen Traum durchlebte und irgendwann aufwachen würde. Er konnte sich allerhöchstens in den eigenen Oberschenkel kneifen, mit der Hand, die genau daneben lag, mehr Bewegungsfreiheit hatte er nicht und bislang war er dadurch auch nicht aufgewacht. Seltsamerweise triefte sein Körper nur so vor Energie und Kraft, angetrieben von einem enormen Hunger, der nicht locker ließ. Man würde meinen, ein Viertel Jahrtausend war genug, um sich an dieses Gefühl zu gewöhnen, aber das war es nicht. Wenn überhaupt, stieg es bloß immer weiter an und breitete sich mitsamt brennender Wut in seinem Körper aus. Daher war es kein Wunder, dass er kurzzeitig das Gefühl hatte, die Ketten des Sargs aufbrechen zu können, als er etwas hörte, das definitiv nicht den Regenwürmern in die Schuhe geschoben werden konnte.
      Es wurde gegraben. Irgendjemand grub ihn aus. Nach einer Ewigkeit schien endlich jemand den Ort gefunden zu haben, an den Valentine Ellsworth verschleppt worden war. Er hatte ja immer gewusst, dass man nicht aufhören würde, nach ihm zu suchen. Nicht, wenn er der Erbe eines weltweit bekannten Unternehmens war und seine Familie alle Mittel hatte, um die Suche am Laufen zu halten. Gott, endlich, Himmel, Sonne, Gras unter den Füßen. Etwas zu essen. Etwas zu…
      Ein dumpfes metallisches Geräusch drang durch das Holz zu Vals Ohren, während durch die Spalten ein wenig Licht den minimalen Raum erhellte und er zum ersten Mal die Farbe des Holzes feststellen konnte. Erwartungsvoll starrte er den Deckel an, nicht, dass er den Kopf wirklich woanders hindrehen konnte, und er sah vor seinem geistigen Auge schon den Himmel, als auf einmal ein Erdbeben losging und er in dem wenigen Platz, der bestand, hin und her rutschte. "Hey, hey!", rief er, lauter werdend. Er spannte etwas panisch den Körper an und drückte die Handflächen an den Deckel. "Hey, lasst mich hier raus!" Vals Blick schoss in jede Ecke des Sargs. "Mein Gott", flüsterte er im Schock zu sich selbst. Er hatte 250 Jahre lang versucht, hier rauszukommen und war sich ziemlich sicher, dass er nicht magisch auf einmal entkommen konnte, aber dennoch kickte er um sich. Er wollte nicht wieder begraben werden, wenn er gerade erst wieder Licht gesehen hatte. Zu seiner Verwirrung hörte das Ruckeln plötzlich auf und jemand machte sich an den Ketten des Sargs zu schaffen. Okay, das Erdbeben hatte sich wohl wieder verabschiedet. Er atmete kurz durch, eigentlich um sich zu entspannen, aber da stieg ihm ein intensiver Geruch in die Nase, der ihn wieder völlig unter der Strom setzte.

      Es war nicht geplant gewesen, zwanzig Männer zu töten. Val wusste auch nicht, was in ihn gefahren war. 250 Jahre lang zu überleben, war spätestens nach den ersten 60 leicht merkwürdig geworden und die Tatsache, dass die Sonne auf seinen wenigen Hautstellen, die nicht von Kleidung bedeckt waren, schrecklich brannte, wollte er wirklich auf die lange Episode an Dunkelheit setzen, der er ausgesetzt gewesen war. Aber… eine richtige Ausrede hatte er nicht dafür, dass er über ein Dutzend Körper an Blut leergesaugt hatte.
      Als er sich über den Mund wischte und einen Blick auf seinen Handrücken warf, fiel ihm auch ein unguter, gräulicher Teint unter dem verschmierten Rot auf. Von den gut hundert Litern hatte er nicht viel verschwendet, aber er wusste nun, dass Halsschlagadern unter einem derartigen Druck standen, dass kleine Verletzungen zu Sprühmustern auf seiner Kleidung führten und ein tiefer Biss einen befriedigenden Blutschwall erzeugte. Zu spät gelernt hatte er das trotzdem, seine Kleidung war durchtränkt. Ausziehen konnte er jedenfalls nichts davon, wenn die Sonne seine Haut so sehr zu überfordern schien. Naja, zumindest war der lästige Hunger endlich gestillt. Also ließ er zum Schutz vor der Sonne seine Haare gleichmäßig über seinen Hals und leicht ins Gesicht fallen und hielt sich im Schatten, während er sich den Weg aus… einer Art lichtem Waldrand schaffte. Ein paar Mal konnte er nicht verhindern zurückzublicken. Die Männer, die ihn ausgraben hatten, waren absolut merkwürdig gekleidet gewesen und dieses… gelbe, gigantische… Metallwesen aus der Hölle, das sie bei sich hatten, jagte ihm immer noch Schauer über den Rücken. Seltsame Leute. Früher oder später hätte sie wohl ohnehin ein ähnliches Schicksal ereilt.
      Der feste, glatte Boden, den er nach einer Weile unter den Füßen hatte, beunruhigte ihn nicht weniger. Er zog sich in einer langen Strecke quer durch den Wald. Val zögerte, folgte der Spur dann aber trotzdem. Er wusste nicht, in welche Richtung er nachhause kam, also war es sicher nicht schlecht, erstmal einem Weg zu folgen. Nach einer Weile ließ dann auch der Schock immer mehr nach, wenn eine der lauten magischen Kisten an ihm vorbei raste. Irgendwann blieb eins der Dinger stehen und Val machte sich bereit sprungfertig, um wegzurennen, aber dann hörte er eine menschliche Stimme heraus und sah, wie tatsächlich ein Mann im Inneren des… Dämons saß.
      "Alles gut bei Ihnen? Brauchen Sie 'ne Mitfahrgelegenheit?", fragte er, durch schrecklichen Lärm hindurch, der nach außen drang, während er an einer winzigen Version einer Zigarre zog. Die Bemalungen auf der Haut des Mannes schrien geradezu nach Teufelswerk. Val tippte vorsichtig mit einem Finger an das Äußere der Kiste. Aha, wieder so ein Metallwesen. Vielleicht sollte er einfach mal sein Glück versuchen.
      Val räusperte sich und bemühte sich, das Gefährt nicht zu skeptisch zu beäugen. "Es wäre sehr freundlich, wenn Ihr mich zu meinem Landhaus in Skirlaugh bringen würdet"
      "Aha, also… in die Stadt kann ich Sie fahren, aber… das wär ein ziemlicher Umweg", erwiderte der Herr und Val wog kurz seine Chancen ab, zufuß schneller nachhause zu kommen, und entschied sich schließlich trotzdem für die Mitreise.
      Nachdem er es geschafft hatte, einzusteigen, flog die Landschaft auf einmal an ihm vorbei und er musste unweigerlich lachen. So schnell wäre er wohl nicht einmal auf einem Pferd vorangekommen. "Das ist ja verrückt. Teufelspäkte lohnen sich, was?", sagte er fröhlich zu seinem Gastgeber, der leicht den Kopf schüttelte und die Augen geradeaus gerichtet hielt. Er schien keinen guten Tag zu haben. Val dagegen stiegen fast Tränen des Glücks in die Augen, als er den kühlen Wind im Gesicht spürte.

      Der ungemütliche, lange Anstieg aus der Stadt hinauf zu seinem Anwesen lohnte sich. Es war immer ein prächtiger Anblick, der ein wundervolles Heimatgefühl auslöste und Val konnte garnicht abwarten, sich umzuziehen und vor dem Kamin auszuruhen. Er konnte wieder im Garten spazieren, Bücher lesen, sich um das Geschäft kümmern und… Irgendwie wurde hier renoviert, oder? Näher betrachtet sah das Haus nicht mehr ganz so aus, wie vorher. In Vals Kopf wollte auch noch nicht ganz klicken, wieviel Zeit verstrichen war. Unterbewusst war ihm klar, dass seine Familie nicht hier sein würde. Er beeilte sich, den Weg zum Eingang hinter sich zu legen, weil die Sonne recht stark auf ihn herabbrannte, wenn sie sich zwischen den Wolken zeigte. Zumindest fühlte es sich stark an. Die Luft dagegen war eher kühl. Der Tag konnte kaum seltsamer werden. Dachte er, aber dann war die Eingangstür natürlich verschlossen und er musste anklopfen, unwissend, wer ihm die Türe öffnen würde. Aber rechtmäßig war dies nunmal sein Haus und er würde es wieder in Anspruch nehmen, jetzt, wo er zurück war.

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    • Finnley Hopkins
      Spinatsmoothie sah schon zu grün aus, um gut zu schmecken. Allein beim mischen im Mixer hatte sich Finns Magen zusammengezogen. Augenblicklich hatte er eine tiefe Abneigung gegen schäumende, grüne Getränke entwickelt. Aber heute stand auf seinem Detoxingplan eben Spinatsmoothie. Und da dieser scheiß online Berater zu viel Kohle gekostet hatte, um auf Grund der seltsamen Konsistenz und der widerlich grünen Farbe, die ihn an einen Zaubertrank gegen Verstopfung erinnerte, schon an Tag drei aufzugeben, würde er das jetzt durchziehen.
      Also sog Finn den geblümten Strohhalm zwischen die Lippen und nam einen kräftigen Zug von dem Ekelzeug. Theatralisch verzog er das Gesicht, obwohl niemand hier war außer Sao, um ihn dabei zu beobachten. Gewöhnt an sein Schauspiel, ignorierte der Vierbeiner Finns übertriebenes „Ew.“ und die rausgestreckte Zunge. Gelangweilt blinzelte er, seine schlauen, dunklen Augen auf den Hexer mit dem verzogenen Gesicht gerichtet.
      „Die wissen schon, wieso sie das Zeugs nicht an den ersten Tag gepackt haben.“ Beleidigt kräuselte Finn die Lippen und stieß das Glas mit einem spitzen Finger etwas von sich. Sao schnaubte vielsagend. „Ich stelle mich nicht an, das Zeug ist grausam.“ Hätte er es gekonnt, hätte der Hund mit den Augen gerollt.
      Saos eigentlicher Name war Saoirse. Ein altes, irisch gälisches Wort, dass keine genaue Übersetzung hatte. Viel mehr bezeichnete es das Gefühl von Freiheit. Ganz gleich, wie die einzelne Person sie empfand.
      In einem Anflug seltsamer Melancholie hatte Finn den Hund damals so genannt. Wer weiß, was für einen langweiligen Namen das arme Tier vorher gehabt hatte. Wahrscheinlich Vincent, oder so. Einfallslos.
      Bei der Familie, die ihn vorher besessen hatte, hätte es Finn nicht gewundert. Der Gedanke ließ ihn das Gesicht verziehen. Etwas, dass er viel zu tun pflegte. Gut, das es Cremes gegen Falten gab. Und Magie.
      Für Finn, jedenfalls, war Sao kein Besitztum, sondern ein Familienmitglied. Auch, wenn er das niemals laut zugegeben hätte. Das würde dem Hund nur zu Kopf steigen. Und so lebten sie in einer grummeligen Koexistenz, seit Sao sich damals dazu entschieden hatte, bei Finn zu bleiben. Wie sehr er an dem Hund hing, wurde aber spätestens deutlich, als er sich durch seinen gesamten Bekanntenkreis an Hexen und Hexern gefragt hatte, um herauszufinden, wie man jemanden unsterblich machte. Ohne Nebenwirkungen. Man wollte ja niemanden aus Versehen in einen Vampir verwandeln, oder so.
      Beim Ausführen des Zaubers hätte Finn sich fast seine perfekten Augenbrauen versenkt, ganz zu schweigen davon, dass der oberste Hexenzirkel auf ihn aufmerksam geworden war. Menschen und Tiere unsterblich zu machen, war verboten. Irgendwas von wegen man müsste das Gleichgewicht wahren und dürfe seine Macht als Hexer nicht missbrauchen. Bla bla bla. Immer die gleiche Leier, die die Alten ausspuckten. Andererseits hatten einige von ihnen den Höhepunkt der Hexenverfolgung miterlebt und wohl guten Grund dafür, die Regeln so streng durchzusetzen.
      Und Finn hatte sie für den Flohbeutel einfach ignoriert. Da war ihm wohl aus Versehen die Hand ausgerutscht und der Hund als Ergebnis unsterblich geworden. Ups. Sowas blödes aber auch.
      War ja aber nicht das erste Mal, dachte Finn und zuckte gleichgültig mit den Schultern, während er den mühsam gemischten Ekelsmoothie ignorierte und aus der Küche schlenderte. Damals hatte ihn auch keiner erwischt. Aber damals waren die Hexen und Hexer auch weniger vernetzt gewesen als heute.
      Sao stand sofort auf und trabte ihm hinterher. Wenn sie eines gemeinsam hatten, dann, dass sie in diesem großen, leeren Haus nicht gerne alleine waren.
      Ganz zu Beginn hatte Finn noch Genugtuung gespürt, wenn er durch das Anwesen gewandert war. Mit einem teuflischen Grinsen hatte er die Gemälde der Ellsworths in Flammen aufgehen lassen und Dinge, die besonders nach Familienerbstücke aussahen, zerschmettert.
      Irgendwann gab es aber nichts mehr zu zerstören. Alles was zurückblieb, war ein Haus ohne Seele. Bewohnt aber verlassen.
      Auch neue Möbel und Bilder von Landschaften, die er noch nie gesehen hatte, konnten dem Haus keinen Sinn von Leben geben. Zu einem Zeitpunkt war er kurz davor gewesen, fremde Personen aus dem Internet auszudrucken und an die Wände zu hängen. Einfach, damit es hier nicht mehr so einsam wirkte. Natürlich hatte er das dann doch nicht getan.
      Das Haus aus der trüben Stimmung hervorzuholen, die sich seit nun mehr als zweihundert Jahren über einen Großteil seiner Räume erstreckte, schien unmöglich. Also mied Finn halt die Räume, die besonders traurig oder vorwurfsvoll wirkten. Gott, wieso lebte er eigentlich noch in diesem trübsalblasendem Anwesen?
      Rückblickend hatte er vielleicht ein wenig übertrieben. Hätte er mal zumindest einige der Bilder hängen lassen, dann wäre das Haus bestimmt milder gestimmt. Zumal er dann zumindest so hätte tun können, als ob er Familie hatte.
      Oh - der große, schwarzhaarige Typ dessen Gesicht gar nicht so aussieht wie meins? Mein Großonkel. Die Frau da, die im Leben nicht mit mir verwandt ist? Oma Hilde, natürlich!
      Tsk.
      Ein feuchte Hundenase stieß ihn an der Hand an. „Ja ja.“, murrte Finn und rollte mit den Augen. Trotzdem kraulte er den treuen Border Collie kurz hinter den Ohren, dankbar für die Ablenkung. „Keine Sorge, meine depressive Phase habe ich schon seit fünfzig Jahren hinter mir gelassen.“
      Finn fuhr sich fahrig durch die Haare und ließ seine Gedanken zurück in die Gegenwart driften. Ob ein Schluck von dem Smoothie wohl ausreichte, um ihn als ‚getrunken‘ in seinem Plan zu markiere? Wer sollte es schon kontrollieren?
      Jap. Ein Schluck genügte. Den Rest konnte der Abfluss fressen.
      Mitten im großen Foyer des Anwesens und gerade bei dem Gedanken, dass Haus einfach abzureißen und einen Spa zu bauen, ertönte plötzlich ein völlig ungewohntes Geräusch. Langsam ließ Finn seine Schritte ausklingen, bis er ganz zum Stehen kam. Ungläubig zogen sich seine Brauen zusammen. Unverhohlene Verwirrung blitzte in seinen Augen.
      Dann wanderte sein Blick misstrauisch zu der großen, aus Massivholz bestehenden Tür des Eingangsbereiches, die er in Gedanken schon durch eine hochmoderne, automatisierte Glastür ersetzt hatte.
      Klopfte da etwa jemand?
      Auch Sao hatte den Kopf nun neugierig Richtung Tür gewandt und schien aufmerksam zu lauschen. Beide standen sie einen Moment erstarrt auf dem Marmorboden herum. Keiner bewegte sich.
      Es klopfte erneut. Eindringlicher, dieses Mal.
      Mit einem lauten Ausatmen, gefolgt von einem genervten Augenrollen, setzte Finn sich in Bewegung. Ganz so, als gäbe es nichts schlimmeres, als dass sich irgendjemand dazu erdreistete, an seine Tür zu klopfen und ihn beim Nichtstun zu stören.
      Genau das strahlte er auch aus, als er sich mit geschürzten Lippen in Bewegung setzt und sich dazu bereit machte, den verlaufenen Touristen zu erklären, dass sie das Haus ganz sicher nicht besichtigen konnten. Bevor er die Tür aufschwang, richtete Finn seine Haare beiläufig mit ein wenig Magie und dem Schwung eines Fingers, so dass sie wieder perfekt saßen. Dann öffnete er schwungvoll die Tür.
      Jeder Gedanke verpuffte augenblicklich. Die Augen leicht geweitet blinzelte Finn perplex.
      Er wollte verdammt sein.
      Vor ihm standen nicht etwa Ernie und Bernd, die sich verlaufen hatten, sondern ein Geist. Okay. Vielleicht nicht Geist. Dafür war er zu undurchsichtig. Blass zwar, aber nicht transparent.
      Valentine Ellsworth.
      Selbst komplett verdreckt und mit dunklen Flecken auf der Kleidung, die verdächtig nach getrocknetem Blut aussahen, erkannte Finn ihn sofort. Was irgendwie mehr über ihn aussagte, als ihm lieb war. Aber hey, der Typ hatte ihm das Herz gebrochen. An so jemanden erinnerte man sich halt. Ja, auch nach einer halben Ewigkeit. Hör auf zu urteilen.
      Abgesehen von dem wirklich grauenhaften Zustand seiner Klamotten und Haare und irgendwie einfach allem, sah Valentine noch immer genau so aus wie vor zweihundertfünfzig Jahren. Nur mit roten statt grünen Augen. Ein wenig fahler, vielleicht. Aber auf jeden Fall ganz schön mitgenommen.
      Was war heute nochmal für ein Tag? Ah, ja. Nur der Tag, an dem Finn mit der größten Sünde seiner Vergangenheit konfrontiert wurde. Klar, wieso nicht. Ihm war eh langweilig gewesen.
      Sein erster Impuls war, die Tür einfach wieder zuzuknallen und so zu tun, als hätte er nichts gesehen. Aus den Augen aus dem Sinn, mäßig.
      Aber dann dachte er daran, was er mit Dr. Lupus besprochen hatte und das er ja eigentlich gerade dabei war, ein besserer Mensch zu werden und hielt inne. Das mindeste, was er machen konnte, war wohl, sich anzuhören, wie es Valentin so in den letzten zweihundertfünfzig Jahren ergangen war.
      In einem Sarg.
      Unter der Erde.
      Nein, wenn er es sich genau überlegte, wollte Finn das gar nicht wissen denn - Oh Gott. War das etwa ein schlechtes Gewissen, dass sich da ganz leise in seinem Hinterkopf bemerkbar machte? Himmel, das war neu. Ach du liebe Güte. Wie wurde er das wieder los? Hilfe!
      „Valentine Ellsworth.“, sagte er in Ermangelung einer Begrüßung und seiner Stimme war klar sein Unglaube anzuhören. „Was verschafft mir die Ehre?“ - Außer, dass er ihn in einen für immer verdammten Blutsauger verwandelt hatte (was, nebenbei bemerkt, in Hexenkreisen illegal war - oh scheiße, wenn das rauskam, war er am Arsch), in einen Sarg verfrachtet und für ein viertel Jahrtausend unter die Erde verbannt hatte. Ganz normal halt.
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    • Valentine Ellsworth
      Aha, der Mann kannte seinen Namen. Besser war es, er lebte ja auch in seinem Haus. Dann hatte er bestimmt kein Problem damit, es an seinen rechtmäßigen Erben zurückzugeben. Val setzte sein charmantestes Lächeln auf, er musste sein hübsches Gegenüber ja nicht verärgern, auch wenn er schlechte Nachrichten überbrachte. Die Blutflecken auf der Kleidung milderten den Charme vielleicht ein wenig, aber er tat sein Bestes.
      "Ach, mich hat es zurück in die… Heimat verschlagen und… wisst Ihr, das ist mein Haus. Mein… Landhaus, in dem Ihr gerade steht. Und ich möchte wieder einziehen. Aber Ihr seid natürlich frei, in einem Gästezimmer zu bleiben, bis Ihr eine neue Unterkunft gefunden habt", erklärte er. Hervorragend, das fasste es doch gut zusammen. Mehr Details zu seiner Unsterblichkeit und dem Verschluss in einem Sarg brauchte der junge Mann definitiv nicht. Er wollte ihm ja keine Angst einjagen, verschreckt sah er bereits zur Genüge aus. Das konnte Val ihm schlecht verübeln, bei seinem Auftreten.
      "Wenn Ihr mich dann gütigerweise reinlassen würdet und dem Personal mitteilt, dass… OH-" Val stockte und seine Augen weiteten sich kurz bevor sie sich glasig mit ein paar Tränen füllten. "Oh, mein Vince", stieß er aus und ging in die Knie, um den hechelnden Hund zu empfangen, der hinter dem blonden Mann versteckt geblieben war. Innerhalb von Sekunden fühlte er sich wieder wie der 17 Jährige, der den Border Collie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie waren sofort wie Seelenverwandte gewesen und sein Vater hatte ihn einfach adoptieren müssen. Val ließ sich von dem überdrehten Hund begrüßen und kraulte ihn hinter den Ohren, während er sein ehemaliges Haustier erst freudestrahlend, dann immer skeptischer musterte. Irgendwie sah Vincent nicht wie der alte Herr aus, den er unfreiwillig zurückgelassen hatte. Irgendwie… aktiver. Jünger, um genau zu sein. Und dabei musste er nun 263 Jahre alt sein. Vals Blick glitt hinauf zu dem Mann, der in der Tür stand. Er hatte sein Haus und seinen Hund. Zeit, sich kennenzulernen.
      Er stand auf und räusperte sich wie zur Entschuldigung für seinen plötzlichen Schwall an Freude. Dann schnappte er sich in einer eleganten Bewegung die Hand des Mannes, beugte sich ein Stück herab und gab ihm einen leichten Kuss auf den Handrücken. Seiner Meinung nach keine übertrieben Geste für den Dienst, den er ihm erwiesen hatte, indem er auf sein Eigentum Acht gegeben hatte. Und, naja, die Schönheit verdiente ein Handkuss. "Und ihr seid?", fragte er lächelnd.
    • Finnley Hopkins
      Faszinierend, wie Valentine es nach zweihundertfünfzig Jahren noch immer schaffte, so charmant zu lächeln. Und nicht nur irgendwie charmant, sondern genau mit dem selben Kräuseln seiner Lippen, dem exakten Schwung nach oben, dem Finn damals verfallen war. Und ohne Zweifel war Finn nicht der einzige gewesen.
      Jetzt sorgte dieses Lächeln jedoch nur dafür, dass Finn misstrauisch die Brauen zusammenzog und Valentine eindringlich beobachtete. Der wollte doch irgendwas von ihm.
      Wäre nicht das erste Mal.
      Damals war es sein Herz gewesen. Ob Valentine es nun gewollt hatte, oder nicht. Finn hatte es ihm gegeben, quasi als Opfergabe dargebracht. Stümperhaft, wie er damals gewesen war.
      Und was hatte Valentine gemacht? Es genau für zwei Abende in der Hand gehalten, eher er beschlossen hatte, das ihn irgendwas daran störte. Dann hatte er es gelangweilt zerquetscht und achtlos auf den Boden geworfen. Und jeder vielsagende Blick, jede Berührung und jede Liebschaft danach mit anderen Personen war ein weiterer Tritt auf sein am Boden liegendes Herz gewesen.
      Ja, Finn konnte ein wenig theatralisch sein. Zu seiner Verteidigung musste man sagen, dass er damals jung und unerfahren in allen Dingen gewesen war und naja…da tat man dann schon mal etwas dummes. Übertrieb hier und da ein wenig. Verwandelte jemanden in einen Vampir und verbannte ihn unter die Erde. Solche Dinge passierten.
      Im 21. Jahrhundert, jedenfalls, würde er nicht nochmal auf dieses charmante Lächeln reinfallen.
      Und mit jedem Wort, dass Valentine da so zusammenspannte, vertiefte sich die Falte zwischen Finns Brauen. Seine Augen verengten sich genervt.
      Aber bevor der Ausdruck zu präsent werden konnte, schallte ihn die Stimme von Dr. Lupus in seinem Kopf, sich zunächst unvoreingenommen anzuhören, was Valentine zu sagen hatte.
      Und ihn danach zu verfluchen - äh. Und danach ein völlig rationales Urteil zu fällen, was sein nächster Schritt sein würde.
      Eins musste man dem frisch auferstanden Blutsauger jedoch lassen; Er machte das wirklich gut. Natürlich war es absoluter Quatsch, was er da erzählte, aber immerhin wäre Finn nicht schreiend weggerannt, wenn er seine Lage nicht gekannt hätte und hätte auch nicht direkt den Ernawagen gerufen.
      Trotzdem stieß es Finn sauer auf, dass Valentine gerade ernsthaft behauptete, dass hier sei sein Haus. Plötzlich überaus besitzergreifend, obwohl er das alte Gemäuer eben noch als trübsalblasend bezeichnet hatte, unterdrückte Finn einen spitzen Kommentar und das Augenrollen, dass sich anbahnte. Er hatte dieses Haus hier rechtmäßig erworben. Okay, zugegeben. Ein wenig Magie war im Spiel gewesen. Ganz koscher war er nicht an die Besitzurkunde gekommen, aber das wusste ja niemand. Das Anwesen war seines.
      Und obwohl er sich doch so gut im Griff hatte, konnte er den leicht missbilligenden Zug um seinen Mund nicht ganz unterdrücken. „Tut mir leid,“ Nein, tat es nicht. „, aber ich habe dieses Anwesen rechtmäßig erworben.“ Wenn überhaupt konnte Valentine in einem der traurigen Gästezimmer pennen. Er konnte ja zusammen mit dem Haus schmollen. Tsk.
      Aber bevor Finn noch viel mehr sagen konnte, stürmte plötzlich Sao an ihm vorbei und begrüßte Valentine mit einer Freude, die Finn genervt die Augen zusammenkneifen ließ. Verräter.
      So schnell hatte der Flohsack vergessen, dass Finn fast für ihn in den magischen Knast gewandert wäre. Und nein - Finn war ganz bestimmt nicht eifersüchtig. Sao hatte halt seinen alten Besitzer wiedererkannt. Auch wenn der bestimmt nach Tod und Verwesung riechen musst und - Okay. Atmen. Ganz ruhig.
      Eins, zwei. Ein.
      Eins, zwei. Aus.
      Finn verbrachte die Zeit, die sich Sao und Valentine begrüßten unauffällig mit Atemübungen, um den aus der Zeit gefallenen Vampir nicht gleich wieder unter die Erde zu verbannen, ins Meer oder wahlweise einen Vulkan zu werfen. Das Valentine Sao Vince nannte, hätte ihn fast wieder aus der Fassung gebracht. Mal wieder konnte er das Augenrollen gerade noch so stoppen. Kaum zu glauben. Der Arme Stinker hatte wirklich einen furchtbar langweiligen Namen gehabt. Vince. Würg.
      Valentines Räuspern zog Finns Aufmerksamkeit auf sich. Ungefragt griff er nach Finns Hand, beugte sich hinab und platzierte dann einen Kuss auf Finns Handrücken. Vielleicht sollte ihn mal einer aufklären, dass man im 21. Jahrhundert nicht mehr einfach ungefragt Leute anfasste. Machte er das bei der falschen Person, er sonst eine Anzeige am Arsch.
      Aber Finn hätte die Geste, großzügig, wie er eben war, vielleicht sogar wirklich ein wenig charmant gefunden, hätte Valentine nur einfach den Mund gehalten.
      Wer er war?
      ….
      Missbilligend wanderten Finns Mundwinkel wieder nach unten und seine Augen funkelten mit kaum verhohlener Empörung. Klar, damals hatte er seine Haare anders getragen. Länger, wie es eben Mode gewesen war. Und auch seine Klamotten hatten mit dem altmodischen Zeugs, dass Valentine anhatte, nichts mehr gemein (und wiesen deutlich weniger Blutflecken auf), aber sein Gesicht war immer noch dasselbe.
      Höchstens noch einen ticken besser aussehend.
      Und Valentine erkannte ihn nicht.
      Er erkannte ihn nicht!
      Finn zog seine Hand zurück und bewegte sich demonstrativ keinen Zentimeter aus dem Türrahmen, während er darüber nachdachte, ob er Valentine nicht einfach in der Sonne verbrutzeln lassen sollte. Aber dann wäre Sao sicher sauer.
      „Finnley.“, stellte Finn sich dann betont langsam vor um abzuwarten, ob der Name bei Valentine irgendwelche Glocken ringen ließ. Die hellen Augen aufmerksam auf sein Gesicht gerichtet und den eigenen Ausdruck zu einer offensichtlichen Aufforderung geformt, sich, verdammt nochmal, gefälligst zu erinnern, wartete Finn ab.
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    • Valentine Ellsworth
      Vals Gesichtszüge variierten bei der Antwort zwischen 'Aha, okay, weiter?' und 'Mhm, sagt mir was', um nicht allzu unfreundlich zu wirken, aber er konnte sich nicht für eine Reaktion entscheiden und zerstörte damit seine Option der Lügenfassade, indem seine Augenbrauen etwas anderes machten als seine Mundwinkel. Letztendlich blieb ihm also keine Wahl. Er hatte keine Ahnung, wer der Mann war und wieso er davon ausging, dass Val ihn kennen sollte. Er hatte deutlich mehr Zeit unter der Erde verbracht, als sein Gegenüber auf der Welt war. Ein Nachname würde ihm ehrlicherweise wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen, er war nicht sonderlich gut mit Namen. Oder mit Gesichtern. Wobei er sich fast sicher war, sich an so ein hübsches Gesicht erinnern zu müssen.
      Die strahlende Haut, die aventuringrünen Augen… hellblond… klein. Hm…
      Jedenfalls hatte er sein Haus gekauft, was… eigentlich nicht möglich sein sollte. Dafür hätte Val es erstmal zum Verkauf anbieten müssen. Oder seine Familie. Und niemand hätte dieses Anwesen, das sich seit Jahrhunderten im Familienbesitz befand, je aufgegeben.
      Val musterte den Mann auffällig, nicht bemüht seine Verwirrung länger zu verstecken. Wie sollten sie sich denn auch kennen? Dafür müsste dieser Finnley ja schon eine Ewigkeit leben und sich an die Zeit vor dem Sarg erinnern. Tja, dann hätte er das Haus wohl noch seinem Vater abkaufen können, aber wie hoch wahr die Wahrscheinlichkeit… Und wieso würde man das denn tun? Wieso-
      Ein Schalter legte sich kurzerhand in Vals Gehirn um.
      "Finnley Hopkins?", fragte er und der Stolz, sich erinnert zu haben, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Für Val war das wirklich eine Leistung. Bei all den Leuten, die er so kannte. Gekannt hatte, wie auch immer. Zumindest konnte er die peinliche Stille zu einem Ende kommen lassen.
      "Finn, das ist ja ewig her", schmunzelte Val. "Du hast mein Haus gekauft? Wieso das?" Er ging einen Schritt zurück und sah hinauf, ließ den Blick über das Gebäude schweifen. Bestimmt, um Renovierungen veranlassen zu dürfen. "Du hast es in gutem Zustand behalten. Hat ja nun schon ein paar Jahre auf dem Rücken" Er lächelte. "Wie wir. Interessanterweise… wie du"
      Er betrachtete den Blonden von oben bis unten. Er hatte sich, soweit Val sich ersinnen konnte, kein Stück verändert, abgesehen von der Frisur. Und der abartigen Kleidung. Irgendetwas hatte sich hier über die Jahrhunderte deutlich ins Schlechte gewandelt. Allerdings kam seine Blässe nicht annähernd an Vals heran und er sah rundum sehr gesund, fast leuchtend aus. Jedenfalls nicht wie jemand, der aus demselben Grund wie Val gerade hier stand.
      So gutaussehend hatte er Finn auch in Erinnerung. Leicht peinlich waren nun nur die an die Erinnerungen gekoppelten Umstände. Schließlich hatte ihre Bekanntschaft nicht unbedingt lange gehalten. Nicht, dass das bei Irgendeiner in Vals Leben der Fall gewesen wäre. Aber diese Leute später wiederzusehen… Ja, das war immer ein wenig merkwürdig. Der eben noch geschockte Blick in Finns Gesicht, machte nun auch deutlich mehr Sinn. Wer wäre nicht überrascht, eine kurzweilige Affäre von vor 250 Jahren auf seiner Türschwelle aufzufinden? Zugegeben war es Vals Haus. Gewesen, jedenfalls. Er konnte sich weiterhin nicht erklären, was dieser Mann hier wollte.
      "Also… wie wäre es, wenn du mich reinlässt, damit ich… mich erstmal umziehen kann. Um den Elefanten im Raum auszusprechen" Wieder lächelte er Finn an und langsam fror dieser Gesichtsausdruck an ihm fest, allerdings wollte er den Blonden wirklich nicht verärgern, solange er sein Zuhause belagerte. Aber er sah schließlich die blutbefleckten Klamotten. In dem Aufzug würde Val auch sonst nirgends unterkommen können, außer hier im Garten. Die Leute würden schreiend vor ihm davon rennen. Abgesehen von dem interessanten Mann, der ihn in der gespenstisch veränderten Stadt abgesetzte hatte. Val wollte da ehrlich gesagt ungern wieder hinunter gehen. Es war unheimlich. Diese neue Zeit war dezent überfordernd. Man hatte Pferde mit Dämonen-Kisten ausgetauscht, auf jedem zweiten Gebäude leuchteten seltsame Lichter… Val fühlte sich ein wenig, als wäre er in der Hölle gelandet. Ganz zu schwiegen von der grässlichen Alltagskleidung. Er konnte nur hoffen, dass noch einige seiner Sachen in seinem Schlafzimmer waren. Gewiss hatte Finn das Haus nicht ganz ausgeräumt, es gab schließlich genügend Wohnraum, ohne jedes der Schlafzimmer besetzen zu müssen. Für Val musste in jedem Fall genügend Platz sein, auch wenn es eine… eigenartige Wohnsituation sein würde, für's erste. Bis Finn ihm das Haus zurückverkaufte und auszog.
      "Wir können alles weitere anschließend besprechen. Sicherlich finden wir eine Lösung, mit der wir beide leben können" Zeit, seine diplomatischen Fähigkeiten auszupacken.
    • Finnley Hopkins
      Unter anderen Umständen wäre das Schauspiel, das sich auf Valentines Gesicht bot, amüsant gewesen. Umstände, die Finn nicht eingeschlossen hätten. So aber verengten sich seine Augen nur Millimeter für Millimeter, während Valentines Gesichtsgymnastik grotesque Ausmaße annahm. Der Winkel seiner Brauen und der Zug seines Mundes gingen in zwei völlig verschiedene Richtungen und konnten nicht darüber hinweg täuschen, dass er keine Ahnung hatte, wer Finn war.
      Das konnte doch nicht sein ernst sein. Finn schaffte es ja auch, sich nach der ganzen Zeit noch an ihn zu erinnern!
      Unfähig, länger still zu stehen, fing er an, mit dem Fuß zu tippen, verschränkte die Arme und presste die Lippen aufeinander.
      Sein Tappen füllte die peinliche Stille, die Finn nicht bereit war, anders zu beenden. Er würde kein Wort mehr sagen, bis Valentine den Mund öffnete und sich entweder entschuldigte, oder endlich darauf kam, wer er war. Wobei - nein. Zu spät. Er war bereits genervt und sauer. Selbst wenn Valentine jetzt den Mund öffnen und ihm bis ins kleinste Detail erzählen könnte, wer Finn war, wie sie sich kennen gelernt und ihre wenigen Tagen miteinander verbracht hatten.
      Jetzt musterte Valentine Finn so offensichtlich, Verwirrung deutlich erkennbar in dem Ausdruck auf seinem Gesicht, dass Finn kurz davor war, die Wolkendecke mit einem magischen Wisch bei Seite zu fegen und es so wie einen Unfall aussehen zu lassen.
      Er reckte das Kinn ein Stück vor und sog einen Schwall Luft durch die Nase ein. Valentines Auftauchen, gekoppelt mit dem unverschämten Fakt, dass er sich nicht an Finn erinnert, forderte alles, was Finn in den letzten zweihundertfünfzig Jahren getan hatte, um ein bessere Mensch zu werden, heraus. Seine gesamte Therapie mit Dr. Lupus und ganz bestimmt war er schon über den Punkt hinaus, an dem diese dämlichen Atemübungen halfen. Vielleicht würde es ja helfen, wenn er einfach in den Sonnengruß ausbrach. Maximale Verwirrung oder Angst, dass er durch Teufelswerk verflucht werden würde (ha ha, verflucht) brachten Valentine vielleicht dazu, einfach zu flüchten.
      Aber von einem Tag, der mit einem Spinatsmoothie startetet, konnte man wohl nicht fiel erwarten.
      Vielleicht war es aber auch gut so. Wenn Valentine sich nicht an ihn erinnerte, musste Finn nicht fürchten, dass der Kerl ihn an den obersten Zirkel verpetzen würde. Einen Menschen in einen Vampir verwandeln? Dafür hätten sie ihn auf jeden Fall weggesperrt. Vielleicht sogar entschieden, dass er eine zu große Gefahr für ihr ach so tolles Gleichgewicht war und sich seiner einfach entledigt. Entgegen ihrer ständigen Predigen für Frieden und Blümchen und pinke Fürze, konnten die alten Knacker nämlich sehr brutal sein.
      Genau in dem Moment, in dem Finn der Gedanke kam, öffnete Valentine seinen Mund. Offensichtlich stolz, dass er sich erinnerte. Erwartete er jetzt etwa ein Patscherchen auf die Schulter? Was guckte der so? Hätte er sich nicht einfach doch nicht erinnern können?
      Die freudige Reaktion, die Valentine wahrscheinlich erwartete, blieb aus. Stattdessen bedachte Finn ihn mit einem Blick, der ‚nicht dein Ernst‘ aussagte.
      Es schmeichelte ihm schon ein wenig, dass Valentine sich doch noch an ihn erinnert hatte. Deutlich schlimmer war aber das Wissen, dass er dafür so hart und angestrengt hatte nachdenken müssen. Das kratze ziemlich hart an einer Ecke seines Egos, von der Finn eigentlich dachte, dort würde nie wieder etwas kratzen. Und dann kam noch dazu, das er jetzt doch eigentlich gar nicht mehr wollte, dass Valentine sich an ihn erinnerte. Super. Toll. Wirklich großartig.
      Wenig begeistert, die Arme noch immer verschränkt und die Mundwinkel missmutig nach unten gezogen, hörte Finn Valentine zu.
      „Die Ellsworth haben so viel gutes für Skirlaugh getan, da wollte ich ein bisschen zurückgeben.“, in seiner Stimme schwang ein sarkastischer Unterton mit. Oh, er hatte auf jeden Fall zurückgegeben. Und zwar genau das, was diese reichen Säcke verdient hatten - verbrannte Familienportraits und zerstörte Erbstücke. Hätte er mal besser einige behalten. Die wären über die Jahrhunderte auf dem Schwarzmarkt bestimmt was wert gewesen.
      Auf die offensichtliche Schlussfolgerung, dass nicht nur das Haus ziemlich alt war, sondern auch Valentine und Finn, erwiderte der Hexer nichts. Er gab nicht einen Zentimeter nach, obwohl jetzt wohl der perfekte Zeitpunkt gewesen wäre, um Valentine aufzuklären. „Ein Wunder, was man mit guter Ernährung alles bewirken kann.“
      Seine Nase kräuselte sich ein wenig, während er seinen Blick über Valentine fahren ließen. Er sagte nichts, aber ‚Dasselbe kann man von dir nicht behaupten‘ stand ihm ins Gesicht geschrieben.
      Jap. Absolut unfair und mega nachtragend für eine Ungerechtigkeit, die mehr als ein Jahrhundert zurücklag und, streng genommen, wohl auch gar nicht so dramatisch gewesen war. Finn wusste das.
      Scheiße, ja. Er wusste es. Sei leise jetzt, Dr. Lupus.
      Nicht mal in seinem eigenen Kopf war er sicher vor der ruhigen, eindringlichen Stimme des Werwolfs. Das hieß wohl, die Therapie wirkte. Toll. Ohne schlechtes Gewissen lebte es sich leichter.
      Kurz sah Finn so aus, als würde er sich nicht bewegen und Valentine einfach da draußen stehen lassen. Aber dann seufzte er in einer Mischung aus Schicksalsergeben- und Genervtheit und trat einen Schritt zur Seite, um Valentine durchzulassen. Er musste wohl sowieso rausfinden, wieviel Valentine über die Umstände seiner Verwandlung wusste. Und dann sicherstellen, dass er ihn nicht verpfiff.
      In einem Ausdruck von stiller Verzweiflung fuhr Finn sich durch die Haare, die danach auf magische Weise trotzdem noch perfekt saßen. Nachdem Valentine und Sao eingetreten waren, schloss er die Tür, die mit einem eindringlichen Geräusch Finns Schicksal besiegelte. Dich hat keiner gefragt, dachte Finn genervt.
      „Sicherlich.“, antworte Finn trocken. Ganz bestimmt nicht.
      „Ich würde dir ja alles zeigen, aber du kennst dich wohl bestens aus.“ Immerhin hatte das Haus auch in den zweihundertfünfzig Jahren von Valentines Abwesenheit nicht seinen Grundriss geändert. Ein wenig bereute Finn das gerade. Wäre sicherlich lustig gewesen, Valentine durch die Gänge irren zu sehen. „Außerdem weiß ich ohnehin nicht, wo dein altes Zimmer ist.“ Beiläufig drehte Finn mit dem Daumen einen Ring an dem Zeigefinger derselben Hand. Natürlich wusste er, wo Valentines Zimmer war. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie er wutentbrannt hereingestürmt war, fest entschlossen, den gesamten Raum in Flammen aufgehen zu lassen.
      Stattdessen hatte er einen Schritt nach der Zimmerschwelle gestoppt. Eine seltsame Melancholie schlagartig in den Knochen. Plötzlich war ihm nicht mehr danach gewesen, dass Zimmer zu zerstören. Oder sich überhaupt dort aufzuhalten. Nie wieder.
      An jenem Tag hatte er den Raum verlassen und die Tür für immer verschlossen.
      Nun, wohl nicht für immer. Nach einer halben Ewigkeit würde sie heute wohl wieder geöffnet werden. „Kann gut sein, dass Motten deine Sachen zerfressen haben.“
      Insgeheim wünschte er sich das vielleicht ein bisschen. Nein, nicht nur insgeheim und sogar ganz sicher.
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    • Valentine Ellsworth
      Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören und langsam aber sicher wurde das Lächeln auf Vals Gesicht gezwungener. Finn schien ihm nicht aus dem Weg gehen zu wollen, aber er würde sich sicher nicht aus seinem Haus sperren lassen. Er stützte sich mit einer Hand in den Türrahmen, damit ihm nicht die Türe vor der Nase zugeknallt werden konnte, denn sein Gegenüber wirkte so, als würde er sich das derzeit durch den Kopf gehen lassen.
      Val versuchte, sich seine Empörung nicht anmerken zu lassen, als Finn ihn musterte, wie ein verwestes Stück Fleisch. Sollte er doch mal 250 Jahre in einem Sarg verbringen und dann noch den rosigen Teint und perfekt gestylte Haare beibehalten. Tsk. Am liebsten hätte er ein, zwei Kommentare dazu abgegeben, dass seine Diät über die letzten Jahrhunderte aus Nichts bestanden hatte, nicht einmal sonderlich viel Luft zum Atmen, und dass seine Kleidung vielleicht ein bisschen knittrig war, von der ungemütlichen Position, in der er, gezwungenermaßen, eine ganze Weile innegehalten hatte. Er verkniff sich das alles. Finn wusste nichts von der Sache und er würde so beibehalten, bis er vor allen Dingen herausfand, warum der Blonde selbst noch am Leben war.
      Er stolzierte an dem Kleineren vorbei, innerlich äußerst erleichtert, zuhause zu sein, bis er sah… dass das hier definitiv nicht sein Zuhause war.
      "Großer Gott… was hast du mit meinem Haus angestellt", flüsterte er und blieb nach ein paar Schritten starr stehen, um zu verarbeiten, was er gerade sah. Ihm stand der Schreck ins Gesicht geschrieben. Mit einigem Blinzeln versuchte er sich wieder in Bewegung zu versetzen. Er sah auf seine Füße, während er den weißen, flauschigen Läufer im Gang mit seinen erdigen, blutigen Schuhen verdreckte und versuchte seine Tränen zurückzuhalten, bevor er die strahlenden Lichter an der Raumdecke einfach ignorierte. Es tat weh, hineinzusehen, aber zumindest brannten sie nicht auf seiner Haut. Sie beleuchteten jedoch ausnahmslos jede Ecke dieses Gangs, jeden seltsamen Gegenstand, und wie Val gleich sah, auch das große Wohnzimmer. In dem… ein gigantisches, weißes Ledersofa stand, auf dem kaum mehr Platz war, dank all der Kissen, die darauf lagen. Val ließ seinen Blick missbilligend über den Raum schweifen, sah etwa zwei Dutzend Dinge, die er nicht einordnen konnte und beschloss, weiterzuschleichen. Am Ende des Gangs befand sich, gleich über der Bibliothek, in die er sich nicht hineinzusehen traute, eine Treppe in den zweiten Stock, in dem sein Schlafzimmer und einige Gästezimmer, sowie Badezimmer und Arbeitszimmer gelegen waren.
      "Ich bin sicher, dass noch irgendetwas da ein muss", grinste er Finn gezwungen entgegen, bevor er sich die Treppe hinauf stürzte, um von diesem Psychopathen wegzukommen.
      Zumindest schienen hier und da ein paar der Mahagoni Möbel noch zu existieren, es wäre auch eine Sünde, diese auszutauschen. Und viel Arbeit. Jedes Stück war ein Kunstwerk für sich und außerordentlich… schwer. Dass an den Wänden alle Gemälde von seinem Familienstammbaum entfernt worden waren, fiel Val sehr spät auf. Dafür war er von den blendend hellen Tönen im gesamten Haus zu sehr eingenommen. Doch mit jedem Schritt steigerte sich seine Wut ins unermessliche.
      Als er endlich die Türe zu seinem Schlafzimmer öffnete, wollte er sich am liebsten in das alte Bett legen und für ein paar Stunden so tun, als wäre alles ein böser Traum gewesen. Hier drin war alles beim Alten. Keine Magie, kein künstliches Licht oder flache, schwarze Kisten. Nur gutes, altes Holz, Leinen und Kerzenhalter. Allerdings… war bei näherem Betrachten alles in eine Staubschicht gehüllt, die ihn erstmal nur die Nase rümpfen ließ, bevor er sich zaghaft zum Kleiderschrank bewegte und einen Blick hinein warf. Ahh, wusste er es doch. Es zahlte sich schon aus, bei hochwertigen Stoffen nicht zu sparen. Er nahm ein weißes Hemd aus dem Schrank und ein Paar Hosen. Dann konnte er sich nicht zurückhalten und hielt sich die Kleidungsstücke an die Nase.
      Oh, Gott. Val unterdrückte einen Hustenanfall. Das… war grenzwertig. Aber er hatte sicher noch irgendwo ein Flasche Parfum stehen, die Abhilfe verschaffen konnte, bis er in die Stadt gehen konnte, um sich neue Kleider zu beschaffen.
      Mit den Klamotten in der Hand ging er in den Raum gegenüber, eines der Badezimmer. Davon hatte Finn seine Finger allerdings auch nicht lassen können. Val hätte ein Tuch gereicht, um sich das Blut aus dem Gesicht zu tupfen, allerdings konnte er hier nirgends einen Eimer mit Wasser sehen und seltsamerweise hatte er ebenfalls noch kein Personal entdeckt. Er trat unsicher an die gigantische Badewanne heran, die mit metallenen Hebeln ausgestattet war. Glücklicherweise verließ ihn langsam die Angst, diese Dinge zu berühren. Bisher hatte ihm nicht einmal der Straßendämon etwas getan. Er zog an dem Teil an, dann floss magisch das Wasser aus einer Öffnung heraus und Val versuchte zu erörtern, von wo es kam. Aber… es war einfach da. Es kam aus der Wand. Verstörend. Es war allerdings ein gutes Stück einfacher, als Eimer für Eimer das Wasser ins Haus zu schaffen, denn darauf hätte er nun auch wenig Lust gehabt, nachdem hier keine Bediensteten zu existieren schienen, die das für ihn übernommen hätten.
      Er zog sich die befleckte Garnitur aus, wobei es ihn gerade selbst anekelte, das getrocknete Blut anzufassen, obwohl er es gerade noch getrunken hatte, und setzte sich nach einer Weile in die Badewanne. Wie man die Temperatur regulierte hatte er auch recht schnell gelernt. So etwas hätten sie damals auch gebraucht… Sehr praktisch. Und sehr, sehr angenehm. Val wusch sich das Gesicht und färbte das Wasser ein wenig rötlich ein, bevor er sich zurücklehnte, die Augen schloss und erleichtert seufzte. Hier konnte er definitiv eine Weile bleiben.
    • Finnley Hopkins
      Valentine stolzierte an ihm vorbei und Finn konnte gerade so den Drang unterdrücken, ihm ein Bein zu stellen. Bei dem Kommentar des Vampirs wünschte er sich aber sofort, er hätte es doch getan. Vielleicht wäre der Kerl dankbar für den weichen Läufer, wenn er mit dem Gesicht voran darauf gelandet wäre.
      Außerdem bekam Finn das Bedürfnis, jeden Winkel des Hauses mit weißen Flauscheläufern auszulegen, grelle Lampen anzubringen, die das tragen einer Sonnenbrille erfordern würden und kitschigen Scheiß auf jede freie Oberfläche zu stellen. Pass auf, was ich noch alles mit meinem Haus mache.
      Finn bedachte Valentines Hinterkopf mit einem vernichtendem Blick und verschränkte die Arme wieder, um sich davon zu stoppen, weiter an seinem Ring herumzuspielen. Oder die Hände zu schwingen und Valentines perfekt geschwungene Nase ein paar Höcker zu verpassen, die einem Kamel Konkurrenz gemacht hätten. Nicht, das er dafür seine Hände benötigt hätte. Finn mochte nur einfach die theatralische Note, die mit ein wenig Gefuchtel vor einem Zauber einherging.
      Valentine drehte sich mit einem angestrengten Grinsen zu ihm um. Bemüht darum, so zu wirken, als wäre alles in bester Ordnung. Aber das täuschte nicht darüber hinweg, dass er gerade wahrscheinlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Buhu. Dein altes Anwesen hat endlich mal Stil.
      Genugtuung machte sich in Finns Brust breit, die für den Moment das schlechte Gewissen am Rande seines Bewusstseins übertönte.
      Langsam, ganz langsam, breitete sich als Antwort ein felines Grinsen auf seinen Lippen aus. Finns Augen funkelten. „Sieh dich ruhig um.“, säuselte er freundlich. Ein wohliges, schadenfrohes Gefühl in der Brust, bei dem Gedanken, dass nichts mehr da war. Oder zumindest so anders, dass es Valentine schocken würde.
      Natürlich gab es Räume in dem riesigen Anwesen, die Finn nicht oder kaum angerührt hatte. Die Bibliothek, zum Beispiel, war größtenteils noch dieselbe wie vor zweihundertfünfzig Jahren. Vielleicht um ein paar gemütliche Sessel reicher, die einen beim hineinsetzen quasi verschluckten. Aber ganz bestimmt hatte Finn die wirklich beeindruckende Sammlung an Büchern nicht angerührt. Er war ja kein Banause.
      …Okay, ja. Die Spur der Zerstörung, die er tagelang nach Erwerb des Anwesens hinter sich her gezogen hatte, ließ einen anderen Schluss zu. Es gab aber Grenzen, die selbst Finn nicht überschritt. Bücher gehörten dazu. Weiche Teppiche, Kissen, Kräuter, die in der trockenen Luft und den lichtarmen Verhältnissen der Bibliothek gediehen und noch viel mehr - ja. Aber kein einziges der Blätter zwischen den Buchdeckeln hatte auch nur ein Eselsohr abbekommen.
      Und dann war da halt noch Valentines Zimmer. Damit war er wesentlich weniger fürsorglich umgegangen. Hoffentlich begrub die Staubschicht dort den Vampir direkt für die nächsten zweihundertfünfzig Jahre wieder. Oder länger.
      Obwohl…ein wenig seltsam wäre es schon, im selben Haus zu leben, in dem jemand begraben war. Naja, er hatte den Raum bereits so lange gemieden, da würde ein lebloser Blutsauger dort wohl auch nicht weiter ins Gewicht fallen.
      Valentine verkrümelte sich über die Treppe nach oben. Finn sah ihm von seinem Platz neben der Tür aus dabei zu und stand dort auch noch eine Weile rum, als Valentine schon aus seinem Blickfeld verschwunden war.
      Unschlüssig, was er nun tun sollte. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er auf Valentine wartete oder sich zu sehr für ihn interessierte. Gleichzeitig war er….neugierig. Ein wenig geschockt und überrascht aber vor allem neugierig.
      Jetzt, wo Valentine nicht mehr unmittelbar vor ihm stand, verschob sich Finns Verärgerung in etwas, das er nicht ganz zu benennen wusste. Innere Unruhe, ein nagendes Gefühl am Rande seines Bewusstseins und Magengrummeln. Letzteres war vielleicht darauf zurückzuführen, dass er seit diesem verdammten Smoothie immer noch nichts richtiges gegessen hatte. Aber der Rest?
      Ugh. Es bereitete ihm körperliche Schmerzen, aber ja, verdammt. Ja, er fühlte sich schuldig.
      Der Gedanke, in einem Sarg unter der Erde eingesperrt zu sein, war furchtbar. Grauenhaft. Panikattacke verursachend. Für zweihundertfünfzig Jahre so ausharren zu müssen?
      Scheeeeiße. Vielleicht hatte er ein wenig übertrieben.
      Sich das einzugestehen war gar nicht so einfach. Grummelnd setzte sich der Hexer in Bewegung und platzierte sich so zwischen den zahlreichen Kissen auf der Couch, dass Valentine ihn sehen würde, sobald er sich wieder nach unten begeben würde. Finn könnte wohl zumindest ein wenig Aufklärungsarbeit leisten. ‚Kulturschock‘ war wohl noch ein zu kleines Wort für das, was Valentine empfinden musste.
      Aber da Finn ja nicht zu hilfsbereit wirken wollte, schnappte er sich sein Notebook, dessen Rücken zahlreiche, hexenartige Aufkleber verzierten, von dem Couchtisch. Er öffnete seinen Browser, ging auf Amazone und fing an, wahllos Dinge in seinen Einkaufswagen zu hauen, von denen er glaubte, dass sie bei Valentine einen Herzinfarkt verursachen würden. Falls der Blutsauger überhaupt noch eines hatte.
      Pft. Das olle Teil hatte ja damals als Mensch schon nicht funktioniert.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Wynnie ()

    • Valentine Ellsworth
      War er kurz eingeschlafen? Zumindest war Val reichlich verwirrt, als er die Augen öffnete und seine neue Realität erneut verarbeiten musste. Das Wasser wurde langsam… lauwarm. Ungewohnt, dass es so lange warm blieb, aber das war wohl kein Wunder, wenn man dank der Eimer-Routine nicht schon bei lauwarm anfing. Irgendwann hatte er sogar herausgefunden, dass die Flaschen, die überall standen, eine duftende, flüssige Seifenversion enthielten und er hatte in seinen 279 Jahren wohl noch nie so gut gerochen wie heute. Obwohl sein Parfum schon was konnte. Das würde er hoffentlich gleich wiederfinden. Mittlerweile musste der Geruch Nostalgie auslösen…
      Frisch gekleidet, und dank der Kleidung schlimmer riechend als noch eben unter der Erde, suchte er nach seinem Parfum, fand das kleine Glasfläschchen schließlich in einer Schublade und leerte sich fast die Hälfte davon über den Körper, um den Geruch auszugleichen und gleich drang der intensive Zitrusgeruch des Eau de Cologne in seine Nase. So intensiv, dass Val kurz das Gesicht verzog und aus seinem eigenen Körper fliehen wollte, aber zum Glück milderte das nach ein paar Sekunden ab.
      Dann versuchte er seine Gedanken kurz wieder zu ordnen und atmete ein paar Mal tief durch, bevor er wieder nach unten ging und Finn auf dem Sofa vorfand, das in ihm Klaustrophobie auslöste. Sie hatten auf jeden Fall ein paar Dinge zu klären, also ging er zu ihm, räusperte sich und setzte sich zögerlich ans andere Ende der Couch, während er noch versuchte sich zwischen den Kissen Platz zu schaffen.
      Das leuchtende Tablett in seinen Händen irritierte Val für einen Moment, aber er riss sich zusammen. Langsam kam bei ihm an, dass 250 Jahre doch eine sehr lange Zeit waren in der… bestimmt Vieles erfunden worden war. Mittels… schwarzer Magie. Wohl jene, der er diese wunderbare Existenz zu verdanken hatte. Und Finn vermutlich auch, auf die ein oder andere Art, wenn er nun hier saß.
      "Also… äh… was hat dich denn veranlasst, das Haus zu kaufen, wenn ich fragen darf? Und was… was gibt's Neues bei dir? Irgendwas besonderes passiert in den letzten… Jahren?"
      Er lächelte verlegen während seines schäbigen Versuchs, eine Konversation zu starten, die ihn Faktentechnisch ein wenig weiter bringen würde, ohne dass er direkt nachbohrte, wie der Blonde noch am Leben sein konnte.
      Dass Finn ein Problem mit ihm hatte, spürte Val. Er war sich nicht sicher, wieso, aber selbst konnte er sich gerade auch Schöneres vorstellen, als sein Haus irgendwie von einer Art Exfreund zurück erwerben zu müssen, der ihn ansah, als wolle er ihm den Kopf abbeißen. Ein Wunder, was für Blicke dieses engelsgleiche Gesicht drauf hatte, aber Val fühlte sich zunehmend unwohl in seiner Gegenwart und wollte dieses Gespräch schnell hinter sich bringen, die Gegebenheiten klären und sich langsam mal mit diesem neuen Alptraum vertraut machen, in dem er nun gefangen war.
      Er konnte sich auch nicht ganz erklären, wie jemand ihn so verabscheuen konnte. Sie hatten doch ein paar schöne Stunden vor all den Jahren gehabt, oder nicht? Hatte er ihn irgendwie… unabsichtlich beleidigt? Was zum Teufel musste Val zu ihm gesagt haben, das er ihm so lange vorhielt? Oder war sein Problem die Tatsache, dass er sich kaum erinnern konnte? Zu seiner eigenen Verteidigung konnte Val sich aus gutem Grund nicht erinnern. Wer merkte sich schon jedes einzelne Gesicht jeder Person mit der er geschlafen hatte, wenn es so viele waren. Naja- er zumindest nicht. Aber er hatte sich eingebildet, dass jeder wusste, worauf er sich einließ. Mehr als zwei, drei Nächte waren nie drin gewesen. Er hatte keine Ablenkung gebraucht, kurz bevor er das Unternehmen übernommen hätte, aber wer wollte schon lange alleine sein? Vielleicht… konnte er es auch garnicht. Die letzten Jahrhunderte hatten ihm das aber definitiv beigebracht.