Der Himmel war auch in dieser Dämmerung Limes‘ Territorium.
Fast lautlos glitt der große blaue Sturmdrache durch die Luft, getragen von Windströmen, die er unter seinen Schwingen entfachte. Gefangen zwischen den Wolken in den höheren Schichten der Atmosphäre und der Erde mit ihren winzigen Menschlein flog der Drache eine gerade Linie, eine Art Aufklärungsflug. Zwischen den hohen Rückenstacheln saß ein junger Mann am Übergang zum Hals, sicher in einem ledernen Sattel, den er eigens angefertigt hatte. Diesen Drachen flog er ohne Zaum, seinen Meteoras hatte er seit dem Schlupf entsprechend trainiert. Ihre Arbeit verlief meist wortlos, ohne Zeichen oder ähnliches, fast so, als verstünde der Drache die Gedanken seines Meisters. Niemals hatte Meteoras unter dem jungen Limes aufbegehrt und war schon immer die Wahl gewesen, wie er seine Luftkämpfe bestritt. Die Narben, die fehlenden Schuppen, die verheilten Risse in seinen Flügeln; all das waren Beweise für zahllose siegreiche Kämpfe, die er mit seinem Reiter bestritten hatte.
Jetzt hatte der junge Mann seinen Blick konstant nach oben in die Wolken gerichtet. Sie flogen diesen Kurs nicht aus Spaß, sondern weil sie einen Auftrag verfolgten. Und das Ziel dieses Auftrages lauerte irgendwo oberhalb ihrer Köpfe.
Rückblick
„Es muss ein Späher sein. Vielleicht ein Rebell, aber auf jeden Fall ist er allein.“
Limes stand mit verschränkten Armen vor dem großen Kartentisch, auf dem ganz Eldoria abgebildet worden war. Es wurden kleine Figürchen auf der Karte platziert, entsprechend der Bewegung des Ziels, das sie verfolgten. Seine Augen verfolgten die einzelnen Punkte, wo der Späher gesichtet worden war und zog gedanklich die Linie weiter. Wenn man es ganz wild spinnen wollte, dann zog sich der Weg von einem Reservat der Drachen quer über die Karte zu dem nächsten auf der anderen Seite des Reiches. Die Sichtungen hatten sich in der Nähe des Gebirges Rinzack gehäuft, doch nun musste der Späher mit seinem Drachen den Schutz der Berge verlassen und über offenes und damit gefährliches Gebiet fliegen.
„Wann war die letzte Sichtung?“, fragte Limes den Offizier des Bodentrupps, der durch seine Männer die Sichtungen zusammengetragen hatte. Drachenreiter, die Feinde sichteten, gingen meistens direkt in den offenen Konflikt anstelle Meldung zu erstatten. Deswegen arbeiteten die Reiter so eng mit den Bodentrupps zusammen; die einen sahen, was den anderen entging.
„Vor gut zwei Tagen, etwa hier“, er beugte sich vor und zeigte auf eine der Ebenen Eldorias. „Er hat die Berge verlassen und zieht über die Ginsta-Ebene hinweg. Wir haben keine Meldungen aus den umliegenden Städten oder Dörfern. Er wird sich also außerhalb halten und bewusst die Zivilisation meiden.“
„Was für einen Drachen hat er?“ Eine essenzielle Frage, denn darauf stimmte Limes in der Regel seinen Kampfstil ab. „Konnte man das auf die Entfernung bestimmen?“
Der Offizier schüttelte den Kopf. „Nein. Nur, dass er weiß und relativ groß ist. Das ist alles. Deswegen schicken wir Sie wegen Ihres Sturmdrachens.“
Träge nickte der Drachenreiter. Mit Meteoras war er hervorragend für Verfolgungen in der Luft ausgestattet und mit seinem beachtlichen Erfahrungsschatz im Kampf würde er den Späher ohne Probleme zu Fall bringen können. Vielleicht ergab sich sogar die Möglichkeit, ihn in Gewahrsam zu nehmen und herauszufinden, zu welcher Organisation der Späher gehörte. Und einen weißen Drachen hatte Limes auch noch nicht in seiner Sammlung.
„Ich werde mich alsbald auf den Weg machen. Sollte es in der Zwischenzeit eine neue Information zum Standort des Zieles geben, informieren Sie mich bitte und ich passe den Kurs an“, ließ er den Offizier wissen, salutierte und verließ den Besprechungsraum, um seine Ausrüstung zu holen und Meteoras vorzubereiten.
Eine Gefangennahme klang nach einer willkommenen Abwechslung zu den lächerlich einfach gewordenen Luftkämpfen, die er mittlerweile seltener bestritt.
Limes‘ Augen verschmälerten sich unter der Flugbrille, die ihn vor dem harschen Wind hier oben schützte. Seine behandschuhte Hand fasste fester den schwarzen Rückenstachel des Sturmdrachens, während er sich leicht zur Seite lehnte um einen anderen Blickwinkel auf die dichten, üppigen, weißen Wolken über seinem Kopf zu erlangen. Er hätte schwören können, dort vorhin eine Bewegung gesehen zu haben. Schnell war ihm aufgegangen, dass der Späher sich mit seinem weißen Drachen innerhalb der Wolken fortbewegen musste. Das war seine einzige Deckung in der offenen Ebene und erklärte auch, wieso man ihm ausgerechnet diese Farbe zugeteilt hatte.
Dann hob Meteoras unvermittelt den Kopf und deutete auf eine Wolkenformation etwas weiter vor ihnen. Limes folgte dem Wink, strengte seine Augen noch mehr an und dann sah er ihn; den groben Umriss von Beinen und langsam schlagenden Flügeln.
Das war Hinweis genug für den jungen Drachenreiter. Er lehnte sich nach vor, hielt sich mit beiden Händen an dem Rückenstachel fest und gab seinem Sturmdrachen das Signal, Geschwindigkeit aufzubauen. Nun setzte er aktiv seine breiten Schwingen ein und dirigierte den Windstrom unter seinen Flügeln neu, um mit beachtlicher Beschleunigung zu der Formation aufzuschließen. Als er unter ihr angekommen war, ging der Drache plötzlich in einen Steilflug, genau auf die Wolken zu. Wie ein Pfeil durchstieß er die Wolken, wobei sich feine Blitze um seinen Körper rankten. Mit einem kräftigen Flügelschlag erhob er sich aus den Wolken, die er mittels seiner Kraft auseinandergetrieben hatte. Sofort rutschte Limes auf die andere Seite und ließ den Blick nach unten gleiten.
Endlich sah er sein Ziel.
Ein schneeweißer Drache, so wie es schien ein Wolkendrache, mit beachtlicher Größe, flog etliche Meter unter ihnen. Von hier oben entdeckte Limes keinen Zaum und keine Plattierung, dafür aber einen Reiter auf dem vorderen Teil des Drachen. Auch er trug Flugzeug, größtenteils wohl aus Leder, doch unter der Kappe wehte ein silberner Strang an langem Haar hervor. Die ganze Silhouette wirkte nicht nach einem Mann, sondern vielmehr einer Frau. Das war eine Seltenheit. Frauen wurden nur in Ausnahmefällen zu Reitern ausgebildet und wenn man das auch noch als Späher tat, dann war definitiv Unterbesetzung das Problem. Nichts davon beunruhigte Limes, denn eine Frau bedeutete für ihn nur leichteres Spiel. Da würde es ihm leichter fallen, sie gefangen zu nehmen und abzuführen. Sie musste nur von ihrem Drachen fallen, von Meteoras aufgefangen und zu Boden gebracht werden, während sich Limes selbst darum kümmerte, den Wolkendrachen unter Kontrolle zu bekommen. Das Flugmanöver hatte das eingespielte Team schon so oft durchgeführt, dass es wie im Schlaf ablief.
Dieser Fall hier würde kein anderer werden.
@Hera
Link zur Vorstellung
Fast lautlos glitt der große blaue Sturmdrache durch die Luft, getragen von Windströmen, die er unter seinen Schwingen entfachte. Gefangen zwischen den Wolken in den höheren Schichten der Atmosphäre und der Erde mit ihren winzigen Menschlein flog der Drache eine gerade Linie, eine Art Aufklärungsflug. Zwischen den hohen Rückenstacheln saß ein junger Mann am Übergang zum Hals, sicher in einem ledernen Sattel, den er eigens angefertigt hatte. Diesen Drachen flog er ohne Zaum, seinen Meteoras hatte er seit dem Schlupf entsprechend trainiert. Ihre Arbeit verlief meist wortlos, ohne Zeichen oder ähnliches, fast so, als verstünde der Drache die Gedanken seines Meisters. Niemals hatte Meteoras unter dem jungen Limes aufbegehrt und war schon immer die Wahl gewesen, wie er seine Luftkämpfe bestritt. Die Narben, die fehlenden Schuppen, die verheilten Risse in seinen Flügeln; all das waren Beweise für zahllose siegreiche Kämpfe, die er mit seinem Reiter bestritten hatte.
Jetzt hatte der junge Mann seinen Blick konstant nach oben in die Wolken gerichtet. Sie flogen diesen Kurs nicht aus Spaß, sondern weil sie einen Auftrag verfolgten. Und das Ziel dieses Auftrages lauerte irgendwo oberhalb ihrer Köpfe.
Rückblick
„Es muss ein Späher sein. Vielleicht ein Rebell, aber auf jeden Fall ist er allein.“
Limes stand mit verschränkten Armen vor dem großen Kartentisch, auf dem ganz Eldoria abgebildet worden war. Es wurden kleine Figürchen auf der Karte platziert, entsprechend der Bewegung des Ziels, das sie verfolgten. Seine Augen verfolgten die einzelnen Punkte, wo der Späher gesichtet worden war und zog gedanklich die Linie weiter. Wenn man es ganz wild spinnen wollte, dann zog sich der Weg von einem Reservat der Drachen quer über die Karte zu dem nächsten auf der anderen Seite des Reiches. Die Sichtungen hatten sich in der Nähe des Gebirges Rinzack gehäuft, doch nun musste der Späher mit seinem Drachen den Schutz der Berge verlassen und über offenes und damit gefährliches Gebiet fliegen.
„Wann war die letzte Sichtung?“, fragte Limes den Offizier des Bodentrupps, der durch seine Männer die Sichtungen zusammengetragen hatte. Drachenreiter, die Feinde sichteten, gingen meistens direkt in den offenen Konflikt anstelle Meldung zu erstatten. Deswegen arbeiteten die Reiter so eng mit den Bodentrupps zusammen; die einen sahen, was den anderen entging.
„Vor gut zwei Tagen, etwa hier“, er beugte sich vor und zeigte auf eine der Ebenen Eldorias. „Er hat die Berge verlassen und zieht über die Ginsta-Ebene hinweg. Wir haben keine Meldungen aus den umliegenden Städten oder Dörfern. Er wird sich also außerhalb halten und bewusst die Zivilisation meiden.“
„Was für einen Drachen hat er?“ Eine essenzielle Frage, denn darauf stimmte Limes in der Regel seinen Kampfstil ab. „Konnte man das auf die Entfernung bestimmen?“
Der Offizier schüttelte den Kopf. „Nein. Nur, dass er weiß und relativ groß ist. Das ist alles. Deswegen schicken wir Sie wegen Ihres Sturmdrachens.“
Träge nickte der Drachenreiter. Mit Meteoras war er hervorragend für Verfolgungen in der Luft ausgestattet und mit seinem beachtlichen Erfahrungsschatz im Kampf würde er den Späher ohne Probleme zu Fall bringen können. Vielleicht ergab sich sogar die Möglichkeit, ihn in Gewahrsam zu nehmen und herauszufinden, zu welcher Organisation der Späher gehörte. Und einen weißen Drachen hatte Limes auch noch nicht in seiner Sammlung.
„Ich werde mich alsbald auf den Weg machen. Sollte es in der Zwischenzeit eine neue Information zum Standort des Zieles geben, informieren Sie mich bitte und ich passe den Kurs an“, ließ er den Offizier wissen, salutierte und verließ den Besprechungsraum, um seine Ausrüstung zu holen und Meteoras vorzubereiten.
Eine Gefangennahme klang nach einer willkommenen Abwechslung zu den lächerlich einfach gewordenen Luftkämpfen, die er mittlerweile seltener bestritt.
Limes‘ Augen verschmälerten sich unter der Flugbrille, die ihn vor dem harschen Wind hier oben schützte. Seine behandschuhte Hand fasste fester den schwarzen Rückenstachel des Sturmdrachens, während er sich leicht zur Seite lehnte um einen anderen Blickwinkel auf die dichten, üppigen, weißen Wolken über seinem Kopf zu erlangen. Er hätte schwören können, dort vorhin eine Bewegung gesehen zu haben. Schnell war ihm aufgegangen, dass der Späher sich mit seinem weißen Drachen innerhalb der Wolken fortbewegen musste. Das war seine einzige Deckung in der offenen Ebene und erklärte auch, wieso man ihm ausgerechnet diese Farbe zugeteilt hatte.
Dann hob Meteoras unvermittelt den Kopf und deutete auf eine Wolkenformation etwas weiter vor ihnen. Limes folgte dem Wink, strengte seine Augen noch mehr an und dann sah er ihn; den groben Umriss von Beinen und langsam schlagenden Flügeln.
Das war Hinweis genug für den jungen Drachenreiter. Er lehnte sich nach vor, hielt sich mit beiden Händen an dem Rückenstachel fest und gab seinem Sturmdrachen das Signal, Geschwindigkeit aufzubauen. Nun setzte er aktiv seine breiten Schwingen ein und dirigierte den Windstrom unter seinen Flügeln neu, um mit beachtlicher Beschleunigung zu der Formation aufzuschließen. Als er unter ihr angekommen war, ging der Drache plötzlich in einen Steilflug, genau auf die Wolken zu. Wie ein Pfeil durchstieß er die Wolken, wobei sich feine Blitze um seinen Körper rankten. Mit einem kräftigen Flügelschlag erhob er sich aus den Wolken, die er mittels seiner Kraft auseinandergetrieben hatte. Sofort rutschte Limes auf die andere Seite und ließ den Blick nach unten gleiten.
Endlich sah er sein Ziel.
Ein schneeweißer Drache, so wie es schien ein Wolkendrache, mit beachtlicher Größe, flog etliche Meter unter ihnen. Von hier oben entdeckte Limes keinen Zaum und keine Plattierung, dafür aber einen Reiter auf dem vorderen Teil des Drachen. Auch er trug Flugzeug, größtenteils wohl aus Leder, doch unter der Kappe wehte ein silberner Strang an langem Haar hervor. Die ganze Silhouette wirkte nicht nach einem Mann, sondern vielmehr einer Frau. Das war eine Seltenheit. Frauen wurden nur in Ausnahmefällen zu Reitern ausgebildet und wenn man das auch noch als Späher tat, dann war definitiv Unterbesetzung das Problem. Nichts davon beunruhigte Limes, denn eine Frau bedeutete für ihn nur leichteres Spiel. Da würde es ihm leichter fallen, sie gefangen zu nehmen und abzuführen. Sie musste nur von ihrem Drachen fallen, von Meteoras aufgefangen und zu Boden gebracht werden, während sich Limes selbst darum kümmerte, den Wolkendrachen unter Kontrolle zu bekommen. Das Flugmanöver hatte das eingespielte Team schon so oft durchgeführt, dass es wie im Schlaf ablief.
Dieser Fall hier würde kein anderer werden.
@Hera
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