Ein Sturm War aufgezogen. Natürlich. Wie hätte es auch Ander sein sollen bei dem Glück, was Kohaku stets besaß?
Fröstelnd schlang sie ihre mittlerweile durchnässte Jacke enger um sich, in der Hoffnung so noch etwas Wärme erhaschen zu können und behielt Ihre Augen gen Horizont gerichtet. Zum Einen, weil sie erhoffte dort endlich die Umrisse der Insel zwischen den Wogen des Meeres erspähen zu können, und zum anderen, weil der Blick in die Ferne sie zumindest ein wenig von ihrer Seekrankheit zu bewahren schien.
Dies war ihre erste, und mit Sicherheit auch letzte Reise auf einem Boot gewesen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass sie so empfindlich auf das Hin und her Schaukeln der Wellen reagieren würde... - Na super- Jetzt hatte sie wieder darüber nachgedacht und spürte sogleich einen neuen Anflug von Übelkeit.
Ein geringer Trost spendete ihr die Tatsache, dass sie offensichtlich nicht die Einzige war, der es so erging. Mindestens ein dutzend anderer Fahrgäste hatten ein ebenso blass-grünes Gesicht wie sie.
Das war nun Einmal der Preis, den man zahlen musste um auf die Insel zu gelangen. Ein altmodisches, wackliges Holzboot.
Moderne Fortbewegungsmittel würden den Geist aufgeben, sobald man den näheren Umkreis der Insel erreichte.
Jeder, der sich das Betreten der Insel zum Ziel gemacht hatte, war angewiesen auf ein Bot ohne Navigationssysteme und einen Kapitän, der noch wusste, wie man sich mit Kompass, Sextant und Seekarten auf hoher See orientierte.
Ein beinahe aussterbendes Handwerk - zumindest bis die Insel vor 50 Jahren entdeckt wurde, und die Nachfrage danach ein nie zuvor gewesenes Ausmaß erreichte.
Kohakus Gedankenkreise wurden Unterbrochen, als sie in der Ferne einen kleinen Schwarzen Punkt entdeckte, dem das Schiff sich zielstrebig näherte.
Dem Aufgeregten Murmeln, welches sich auf dem Schiff verbreitete zu urteilen, war sie nicht die Einzige, die diese Entdeckung am Horizont gemacht hatte.
Ihr Herz schlug Höher. Endlich war es so weit. Seit ihrer Kindheit hatte sie von diesem Moment geträumt, endlich in die Fußstapfen vieler anderer Entdecker und Forscher zu treten.
Mittlerweile konnte man immer mehr von der dunklen Umrissen der Insel erkennen. Das obere Deck füllte sich nach und nach mit mehr Leuten, welche die Unruhen vernommen hatten und trotz des kalten Reges einen ersten Blick auf die Insel werfen wollten.
Nebelschwaden bedeckten stellenweise, wie gezupfte Zuckerwatte, die vollständige Sicht auf die Küste, doch die emporstehenden Felsen, die den Krater des Abgrundes umgaben, erstreckten sich wie Dunkle Klauen imposant gen Himmel.
Die Küste War nun nahe genug, dass Kohaku die ersten kleinen Häuser erkennen konnte.
Mit den Jahren hatte sich eine kleine Bewohnerschaft um den Abgrund herum etabliert:
Ein Großteil davon bestand aus Wissenschaftlern und Forschern, die Ihr Leben der Erkundung und Analyse des Abgrundes widmeten - im herzen zählte auch Kohaku sich zu dieser Gruppe.
Aber auch viele religiöse Gruppierungen hatte ihre Anhängerschaft hier errichtet. Damit hatte sie eher weniger am Hut.
Der weitaus kleinere Anteil der dortigen Population bestand aus Leuten, welche die bestehende Marktlücke erkannt hatten und bedarfsmäßige Läden oder Wirtshäuser führten, und mit dem steten Strom der entdeckungslustigen Reisenden ein immer nachkommendes Klientel besaßen.
Erst als ein Sonnenstrahl zaghaft durch die Wolkendecke brach, und schon beinahe theatralisch einen Teil der Insel erleuchtete, bemerkte Kohaku, dass der regen aufgehört hatte.
Siehe da. Vielleicht war ihr ja doch noch ein kleines bisschen Glück erhalten geblieben.
Erfrischt, mit neuem Mut, straffte sie die Riemen ihres Üppigen Rucksacks, den sie seit Beginn ihrer Reise nicht abgelegt hatte. Mit einem Mal kam ihr dieser auch gar nicht mehr so schwer vor.
"Sehr geehrte Damen und Herren." die Barsche Stimme des Kapitäns schalle über das Rauschen der Wellen hinweg. "Wie sie unschwer erkennen können, näheren wir uns nun unserer Destination. Falls sie elektronische Geräte mit an Bord genommen haben, werden diese Ihnen hier nun nichts mehr nützen. Ich bitte sie, geduldig und zivilisiert an Bord zu bleiben, bis wir angelegt haben!"
Den letzten teil sprach er so eindringlich, dass Kohaku nicht umhin kam, zu vermuten, dass einige ungeduldige Seelen sich in der Vergangenheit bereits voreilig über Bord gehüpft waren. Schließlich verspürte sie ebenfalls den Drang, sich jetzt schon in Bewegung zu setzen, statt noch weiter zu Warten.
Doch sie hatte bereits so lange auf diesen Moment gewartet, diese paar Minuten der Geduld würde sie auch noch aufbringen können. Auch wenn sich diese Minuten wie eine Ewigkeit dahinzogen.
Doch dann war es endlich soweit. Endlich. Nach all der Zeit. Es fühlte sich beinahe surreal an, ihren Fuß auf diese Insel zu setzen, die vor 50 Jahren noch nicht einmal existiert hatte und einfach über Nacht entstanden war.
Kohaku schloss einmal kurz die Augen und nahm einen Tiefen Atemzug. "Ich hab's geschafft." murmelte sie zu sich selbst und konnte es selber kaum fassen.
Als würden die Strapazen der Langen Reise von einem Moment auf den anderen von Ihr abfallen, durchströmte sie eine nie dagewesene Energie die Ihre Füße in Bewegung setzte. Es fühlte sich beinahe wie ein Traum an, durch diese Provisorischen Straßen zu laufen. Sie ignorierte die Leute und Häuser an denen sie vorbei Zog und eilte schnurstracks in Richtung der Inselmitte. Und dann, auf einer kleinen Anhöhe angelangt, sah sie ihn endlich:
Den Abgrund. Den Abyss. Den Ort Ohne Wiederkehr. Er hatte viele Namen. Doch keiner wurde dem Anblick gerecht. Ein tiefer Schlund, umsäumt von üppiger Vegetation, die auch in sein Inneres Hinein reichte, soweit das Auge reichte.
Wasserfälle, dessen Wasser in die Tiefen stürzten und binnen weniger hundert Metern wieder als Nebelschwaden Emporstiegen.
Der Schlund war so gigantisch, dass sie nicht einmal Die andere Seite des Kraters erkennen konnte.
Hier war sie nun endlich. Am Anfang ihrer größten Reise. und sie konnte es kaum erwarten.
In the midst of chaos
there is also opportunity