Vorstellung
Der Anblick von Polizisten war im St. Louis nichts Ungewöhnliches.
So waren die Blicke des Personals entsprechend unbeteiligt, als man die Polizisten durch die Gänge der Einrichtung für mentale Gesundheit, oder plakativ geschlossene Psychiatrie, führte. Man hatte bei der Errichtung des Gebäudes sehr darauf geachtet, helle Farben und eine wohlige Atmosphäre zu schaffen, um möglichst wenig den Eindruck einer klinischen Einrichtung zu erwecken. Dafür waren immerhin die hohen Mauern und Sicherungen rund um das Gelände zuständig, die diejenigen mit Freigang davon abhalten sollten, einfach zu verschwinden. Insgesamt verfügte die Einrichtung über eine sehr gute Mensa, eigene Wohngemeinschaften, sofern es denn die Entwicklung zuließ, aber eben auch die typischen Einzelräume mit Sonderausstattung.
Jeden dieser Räume hatte eine gewisse Bewohnerin des St. Louis schon unlängst gesehen ehe sie wieder in ihr Einzeldomizil zurück verfrachtet wurde.
Die Dame am Empfang war so freundlich gewesen, die beiden Beamten, einen Mann und eine Frau, durch die Gänge bis zum Büro von Doctor Kingsley zu führen. Nicht, dass der Weg besonders unbekannt sein dürfte, immerhin war Kingsley der Ansprechpartner für all jene Fälle, die in der Justizvollstreckung noch relevant waren oder würden. Auf ihrem Weg kamen sie sowohl an Angestellten als auch an Bewohnern vorbei, von allen wurden sie knapp gegrüßt, wodurch der Eindruck entstand, dass das hier einfach nur eine große Gemeinschaft war. Jedenfalls solange man sich in den richtigen Abteilungen befand, wo nicht die Schizophrenen schrien und man die schwer gesicherten Stahltüren nicht mehr abdecken konnte.
Mit einem Nicken entließ die Empfangsdame die beiden Beamten in das Büro und verabschiedete sich zurück zum Tresen. Es klickte leise und ein älterer Mann kurz vor der Rente stand auf, um auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch zu deuten. Er trug den typischen weißen Arztmantel mit seinem Namensschild am Rever geklemmt. Neben etlichen Unterlagen und Akten standen auch Tassen samt Thermoskanne und ein Teller mit Gebäck bereit. So als würden sie eine einfache, lockere Besprechung führen und keine Ersteinschätzung über eine ihrer Bewohnerinnen.
„Wie Sie sehen können, haben wir selbst nach sechs Jahren noch immer absolut keinen Hinweis auf den Verbleib ihrer Familie. Der DNA-Abgleich hat keinen Treffer ergeben und auch in den Vermisstenanzeigen war nichts über sie zu finden. Noch immer behauptet sie, keinen anderen Namen zu haben als jenen, mit dem sie sich vorgestellt hat. Sie brauchen sie nicht mit Miss oder dergleichen anzureden, darauf scheint sie keinen Wert zu legen. Wir nahmen an, dass sie ‚Mortem‘ womöglich als eine Art Titel missinterpretiert, aber die Untersuchungen haben ergeben, dass dem nicht so ist.“
Kingsley lehnte sich mit einem Knarren in seinem Stuhl zurück und griff nach der Tasse mit dem dampfenden Kaffee. Man hatte ihnen mittlerweile eine weitere Kanne gebracht, da das Erstgespräch immer am längsten andauerte. Erst recht, wenn niemand so recht wusste, mit welchem Prozedere man fortfahren sollte.
„Wir schätzen ihr Alter also auf etwa 21 Jahre. Da sie mit etwa fünfzehn Jahren hier eingeliefert wurde, dachten wir, sie hätte noch nicht allzu viel Bildung erfahren. Doch dafür ist ihr Wortschatz viel zu eloquent. Dadurch wirkt sie oftmals älter, als sie es augenscheinlich ist. Lassen Sie sich nicht von der Art und Weise irritieren, wie sie mit Ihnen spricht. Selektive Apathie, in ihrem Fall also nur das Interesse für Angelegenheiten, die ihr nützlich zu sein scheinen, stellt manchmal ein Problem im Falle der Kooperation dar. Sie ist nicht überaus manipulativ, weiß aber durchaus wie man willensschwache Menschen dazu bringt, zu tun, was sie will. Sie hat am Anfang ihrer Zeit hier eine Auszubildende dazu gebracht, ihr bei jedem Besuch Zartbitterschokolade mitzubringen. Ohne, dass wir es wussten und Sonderbehandlungen stehen den Bewohnern eigentlich nicht zu. Spannend hierbei war, dass Mortem Schokolade forderte und nichts, um Schaden anzurichten oder aus der Einrichtung verschwinden zu können. Kaffee?“
Er hob fragend die Augenbrauen und schütteten den Polizisten Kaffee nach. Dann blätterte er in seinen Unterlagen auf die nächsten Seiten.
„Im Frühstadium haben wir ihr narzisstische Züge attestiert mit Verdacht auf Narzissmus. Allerdings besitzt Mortem kein übertriebenes Selbstwertgefühl und auch kein Bedürfnis nach Bewunderung. Allerdings scheint sie absolut kein Einfühlungsvermögen zu zeigen. Deswegen wirken ihre Herangehensweisen und Wortwahl meist unpassend und gar unmenschlich. Sie spricht des Öfteren mit dem Personal in anmaßender Weise, sodass sie ihnen Angst einjagt und es sich mittlerweile als schwierig gestaltet, jemanden zu finden, der sich mit ihr auseinandersetzt… Wir sind uns nicht sicher, wie sie es anstellt, aber es ist bereits mehrfach vorgekommen, dass Mortem die Todesursachen und -zeitpunkte erschreckend genau vorhersagen konnte. Wir haben Beweise dafür, dass sie zu keinem Zeitpunkt ihr Zimmer verlassen hat, wann immer ihre Aussagen eintraten. Zur Überwachung haben wir Kameras in den Einzelzimmern installiert. Alles datenschutzkonform, natürlich. Nachdem sie mehreren Schwestern Krankheiten genannt hatte, die daraufhin tatsächlich diagnostiziert wurden, hegten die meisten Argwohn gegen dieses Mädchen. Zu keinem Zeitpunkt hat Mortem Anzeichen von Gewalt oder dergleichen gezeigt. Vielmehr wirkt sie passiv, manchmal gar teilnahmslos. In letzter Zeit tritt dieses Phänomen häufiger auf, sodass sie nur noch mit ausgewählten Menschen spricht. Welchen Kriterien das unterliegt, konnten wir nicht feststellen.“
Er blätterte weiter, suchte jedoch augenscheinlich nach einer bestimmten Seite. Mit einem zufriedenen Geräusch fand er sie und enthüllte eine Akte voll mit medizinischen Fachtermini, den die Beamten vermutlich nicht mehr entziffern konnten.
„Mortem hat nachgewiesenermaßen eine Analgesie, also eine natürliche Schmerzunempfindlichkeit. Sie reagiert nicht auf Verletzungen, seien es Schnitte, Quetschungen oder Verbrennungen. Wir haben in einer klinischen Untersuchung mit Nadeln getestet, ob es bei ihr zutrifft, nachdem wir ihren Worten, sie sei unsterblich, nicht glauben. Mehrfach hat sie versucht zu beweisen, dass sie es sei und mit teilweise sehr kreativen Wegen versucht, sich das Leben zu nehmen. Dabei zeigte sie keinerlei Schmerzreaktion, weder auf die Schnitte an ihren Handgelenken noch auf die Würgemale an ihrem Hals. Anfänglich nahmen wir an, sie sei suizidgefährdet, doch sie vollzog diese Handlungen nur in Form einer Beweiserbringung für ihre These. Sollte sie Sie also fragen, ob Sie daran glauben, sie wäre in der Tat unsterblich… Versuchen Sie, das Thema zu umgehen, wenn möglich. Im Notfall bejahen Sie es, aber sollte sie spüren, dass Sie es heucheln, wird sie einen Beweis erbringen wollen.“
Sein Finger folgte Zeile für Zeile, Wort für Wort, als er weitersprach.
„Trotz ihres sehr schmalen Körperbaus leidet sie nicht an Anorexie. Sie isst, wenn man sie darauf aufmerksam macht, vergisst es aber, wenn man es nicht tut. Ein strikter Tagesplan ist empfehlenswert, damit sie ihren Körper nicht vernachlässigt. Das tut sie nicht absichtlich, aber sie empfindet scheinbar das Hungergefühl anders. Generell scheint sie die Anzeichen ihres eigenen Körpers nicht recht einordnen zu können, dies hat sich im Laufe der Jahre jedoch deutlich gebessert. Außerdem attestieren wir ihr Alexithymie, also eine Gefühlsblindheit. Sie kann Emotionen nicht lesen, differenzieren oder verarbeiten. Das wird Ihnen vermutlich als Erstes mitunter auffallen. Wenn man sich davon nicht sonderlich ablenken lässt, kann man mit ihr normal interagieren und sprechen.“
Mit einem bestimmten Nicken klopfte er einmal auf den Tisch und schlug die dicken Akten zu. Das Zeichen dafür, dass er mit seinem Vortrag geendet hatte. Sein Blick ging von dem kräftig gebauten Mann zu der schmaleren Frau an seiner Seite, dann faltete er die Hände vor seinem Bauch.
„Bis auf die Fingerabdrücke an der Leiche damals hat man ihr noch immer nichts nachweisen können. Auch in den Zeugenberichten aus den Fällen davor war mehr als die Sichtung nicht ihr zuschreibbar. Es wirkt alles so, als sei sie einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen, zumal sie auf das Thema angesprochen immer wieder behauptet, sie habe niemanden getötet, sondern lediglich seine Seele erlöst. Oder das Ende seiner Zeit eingeläutet, was in weiterer Hinsicht auch missverstanden werden kann. Sie sehen also, dieses Mädchen ist nicht wirklich therapierbar, verstört unsere Mitarbeiter und lässt sich nicht in Wohngemeinschaften etablieren. Demnach wäre es schon unser Anliegen, wenn Sie sich ihr annehmen könnten und vielleicht etwas… Licht in die Sache bringen könnten.“
@Codren
Der Anblick von Polizisten war im St. Louis nichts Ungewöhnliches.
So waren die Blicke des Personals entsprechend unbeteiligt, als man die Polizisten durch die Gänge der Einrichtung für mentale Gesundheit, oder plakativ geschlossene Psychiatrie, führte. Man hatte bei der Errichtung des Gebäudes sehr darauf geachtet, helle Farben und eine wohlige Atmosphäre zu schaffen, um möglichst wenig den Eindruck einer klinischen Einrichtung zu erwecken. Dafür waren immerhin die hohen Mauern und Sicherungen rund um das Gelände zuständig, die diejenigen mit Freigang davon abhalten sollten, einfach zu verschwinden. Insgesamt verfügte die Einrichtung über eine sehr gute Mensa, eigene Wohngemeinschaften, sofern es denn die Entwicklung zuließ, aber eben auch die typischen Einzelräume mit Sonderausstattung.
Jeden dieser Räume hatte eine gewisse Bewohnerin des St. Louis schon unlängst gesehen ehe sie wieder in ihr Einzeldomizil zurück verfrachtet wurde.
Die Dame am Empfang war so freundlich gewesen, die beiden Beamten, einen Mann und eine Frau, durch die Gänge bis zum Büro von Doctor Kingsley zu führen. Nicht, dass der Weg besonders unbekannt sein dürfte, immerhin war Kingsley der Ansprechpartner für all jene Fälle, die in der Justizvollstreckung noch relevant waren oder würden. Auf ihrem Weg kamen sie sowohl an Angestellten als auch an Bewohnern vorbei, von allen wurden sie knapp gegrüßt, wodurch der Eindruck entstand, dass das hier einfach nur eine große Gemeinschaft war. Jedenfalls solange man sich in den richtigen Abteilungen befand, wo nicht die Schizophrenen schrien und man die schwer gesicherten Stahltüren nicht mehr abdecken konnte.
Mit einem Nicken entließ die Empfangsdame die beiden Beamten in das Büro und verabschiedete sich zurück zum Tresen. Es klickte leise und ein älterer Mann kurz vor der Rente stand auf, um auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch zu deuten. Er trug den typischen weißen Arztmantel mit seinem Namensschild am Rever geklemmt. Neben etlichen Unterlagen und Akten standen auch Tassen samt Thermoskanne und ein Teller mit Gebäck bereit. So als würden sie eine einfache, lockere Besprechung führen und keine Ersteinschätzung über eine ihrer Bewohnerinnen.
„Wie Sie sehen können, haben wir selbst nach sechs Jahren noch immer absolut keinen Hinweis auf den Verbleib ihrer Familie. Der DNA-Abgleich hat keinen Treffer ergeben und auch in den Vermisstenanzeigen war nichts über sie zu finden. Noch immer behauptet sie, keinen anderen Namen zu haben als jenen, mit dem sie sich vorgestellt hat. Sie brauchen sie nicht mit Miss oder dergleichen anzureden, darauf scheint sie keinen Wert zu legen. Wir nahmen an, dass sie ‚Mortem‘ womöglich als eine Art Titel missinterpretiert, aber die Untersuchungen haben ergeben, dass dem nicht so ist.“
Kingsley lehnte sich mit einem Knarren in seinem Stuhl zurück und griff nach der Tasse mit dem dampfenden Kaffee. Man hatte ihnen mittlerweile eine weitere Kanne gebracht, da das Erstgespräch immer am längsten andauerte. Erst recht, wenn niemand so recht wusste, mit welchem Prozedere man fortfahren sollte.
„Wir schätzen ihr Alter also auf etwa 21 Jahre. Da sie mit etwa fünfzehn Jahren hier eingeliefert wurde, dachten wir, sie hätte noch nicht allzu viel Bildung erfahren. Doch dafür ist ihr Wortschatz viel zu eloquent. Dadurch wirkt sie oftmals älter, als sie es augenscheinlich ist. Lassen Sie sich nicht von der Art und Weise irritieren, wie sie mit Ihnen spricht. Selektive Apathie, in ihrem Fall also nur das Interesse für Angelegenheiten, die ihr nützlich zu sein scheinen, stellt manchmal ein Problem im Falle der Kooperation dar. Sie ist nicht überaus manipulativ, weiß aber durchaus wie man willensschwache Menschen dazu bringt, zu tun, was sie will. Sie hat am Anfang ihrer Zeit hier eine Auszubildende dazu gebracht, ihr bei jedem Besuch Zartbitterschokolade mitzubringen. Ohne, dass wir es wussten und Sonderbehandlungen stehen den Bewohnern eigentlich nicht zu. Spannend hierbei war, dass Mortem Schokolade forderte und nichts, um Schaden anzurichten oder aus der Einrichtung verschwinden zu können. Kaffee?“
Er hob fragend die Augenbrauen und schütteten den Polizisten Kaffee nach. Dann blätterte er in seinen Unterlagen auf die nächsten Seiten.
„Im Frühstadium haben wir ihr narzisstische Züge attestiert mit Verdacht auf Narzissmus. Allerdings besitzt Mortem kein übertriebenes Selbstwertgefühl und auch kein Bedürfnis nach Bewunderung. Allerdings scheint sie absolut kein Einfühlungsvermögen zu zeigen. Deswegen wirken ihre Herangehensweisen und Wortwahl meist unpassend und gar unmenschlich. Sie spricht des Öfteren mit dem Personal in anmaßender Weise, sodass sie ihnen Angst einjagt und es sich mittlerweile als schwierig gestaltet, jemanden zu finden, der sich mit ihr auseinandersetzt… Wir sind uns nicht sicher, wie sie es anstellt, aber es ist bereits mehrfach vorgekommen, dass Mortem die Todesursachen und -zeitpunkte erschreckend genau vorhersagen konnte. Wir haben Beweise dafür, dass sie zu keinem Zeitpunkt ihr Zimmer verlassen hat, wann immer ihre Aussagen eintraten. Zur Überwachung haben wir Kameras in den Einzelzimmern installiert. Alles datenschutzkonform, natürlich. Nachdem sie mehreren Schwestern Krankheiten genannt hatte, die daraufhin tatsächlich diagnostiziert wurden, hegten die meisten Argwohn gegen dieses Mädchen. Zu keinem Zeitpunkt hat Mortem Anzeichen von Gewalt oder dergleichen gezeigt. Vielmehr wirkt sie passiv, manchmal gar teilnahmslos. In letzter Zeit tritt dieses Phänomen häufiger auf, sodass sie nur noch mit ausgewählten Menschen spricht. Welchen Kriterien das unterliegt, konnten wir nicht feststellen.“
Er blätterte weiter, suchte jedoch augenscheinlich nach einer bestimmten Seite. Mit einem zufriedenen Geräusch fand er sie und enthüllte eine Akte voll mit medizinischen Fachtermini, den die Beamten vermutlich nicht mehr entziffern konnten.
„Mortem hat nachgewiesenermaßen eine Analgesie, also eine natürliche Schmerzunempfindlichkeit. Sie reagiert nicht auf Verletzungen, seien es Schnitte, Quetschungen oder Verbrennungen. Wir haben in einer klinischen Untersuchung mit Nadeln getestet, ob es bei ihr zutrifft, nachdem wir ihren Worten, sie sei unsterblich, nicht glauben. Mehrfach hat sie versucht zu beweisen, dass sie es sei und mit teilweise sehr kreativen Wegen versucht, sich das Leben zu nehmen. Dabei zeigte sie keinerlei Schmerzreaktion, weder auf die Schnitte an ihren Handgelenken noch auf die Würgemale an ihrem Hals. Anfänglich nahmen wir an, sie sei suizidgefährdet, doch sie vollzog diese Handlungen nur in Form einer Beweiserbringung für ihre These. Sollte sie Sie also fragen, ob Sie daran glauben, sie wäre in der Tat unsterblich… Versuchen Sie, das Thema zu umgehen, wenn möglich. Im Notfall bejahen Sie es, aber sollte sie spüren, dass Sie es heucheln, wird sie einen Beweis erbringen wollen.“
Sein Finger folgte Zeile für Zeile, Wort für Wort, als er weitersprach.
„Trotz ihres sehr schmalen Körperbaus leidet sie nicht an Anorexie. Sie isst, wenn man sie darauf aufmerksam macht, vergisst es aber, wenn man es nicht tut. Ein strikter Tagesplan ist empfehlenswert, damit sie ihren Körper nicht vernachlässigt. Das tut sie nicht absichtlich, aber sie empfindet scheinbar das Hungergefühl anders. Generell scheint sie die Anzeichen ihres eigenen Körpers nicht recht einordnen zu können, dies hat sich im Laufe der Jahre jedoch deutlich gebessert. Außerdem attestieren wir ihr Alexithymie, also eine Gefühlsblindheit. Sie kann Emotionen nicht lesen, differenzieren oder verarbeiten. Das wird Ihnen vermutlich als Erstes mitunter auffallen. Wenn man sich davon nicht sonderlich ablenken lässt, kann man mit ihr normal interagieren und sprechen.“
Mit einem bestimmten Nicken klopfte er einmal auf den Tisch und schlug die dicken Akten zu. Das Zeichen dafür, dass er mit seinem Vortrag geendet hatte. Sein Blick ging von dem kräftig gebauten Mann zu der schmaleren Frau an seiner Seite, dann faltete er die Hände vor seinem Bauch.
„Bis auf die Fingerabdrücke an der Leiche damals hat man ihr noch immer nichts nachweisen können. Auch in den Zeugenberichten aus den Fällen davor war mehr als die Sichtung nicht ihr zuschreibbar. Es wirkt alles so, als sei sie einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen, zumal sie auf das Thema angesprochen immer wieder behauptet, sie habe niemanden getötet, sondern lediglich seine Seele erlöst. Oder das Ende seiner Zeit eingeläutet, was in weiterer Hinsicht auch missverstanden werden kann. Sie sehen also, dieses Mädchen ist nicht wirklich therapierbar, verstört unsere Mitarbeiter und lässt sich nicht in Wohngemeinschaften etablieren. Demnach wäre es schon unser Anliegen, wenn Sie sich ihr annehmen könnten und vielleicht etwas… Licht in die Sache bringen könnten.“
@Codren