Im einen Moment noch hallte das Erdreich von dem geisterhaften Kampf des weit und breit einzigen Asteiners wider und im nächsten war es vorbei. Aiden glitt von einem Fiebertraum in den nächsten, zitternd und mit unsichtbaren Armen die Erde bewegend, und dann verfiel er in einen traumlosen Schlaf. Das Fieber ging mit der Schwellung seines Beines zurück, als sich gerissene Blutgefäße schlossen und kaputtes Gewebe sich wieder stärkte. Selbst der Knochen, oder eher das, was in diesem Stadium davon übrig war, schien sich mit den Einzelteilen verbinden zu wollen, aber er ließ sich nicht wieder zusammensetzen. Der Bruch war zu groß, die Verletzung zu alt. Es musste dabei belassen werden.
Die Heilerin ging und Aiden schlief viele, ungestörte Stunden, in denen er lange vermissten, guten Schlaf aufholte. Er rührte sich kaum und schlief wie ein Toter, während sein Körper sich noch erholte. Aber sein Atem war gleichmäßig und er schwitzte nicht mehr.
Als Aiden dann nach vielen Stunden zum ersten Mal aufwachte, war er völlig orientierungslos. Er war wohlig warm und lag in einem Bett, das so weich wie Himmelswolken war. Eigentlich hätte er nichts lieber getan, als sich umzudrehen und einfach weiterzuschlafen, aber die Wärme und die Sicherheit schienen ihm trügerisch. Er sollte nicht einfach so hier liegen bleiben, bis er nicht wusste, wo er war und ob er wirklich in Sicherheit war. Da zwang er sich doch wach zu bleiben und richtete sich auf, bis er sich sitzend ans Kopfende lehnen konnte.
Der Raum, in dem er lag, war von der untergehenden Sonne in ein dämmriges Licht getaucht. Es roch hauptsächlich nach altem Holz, nach Erde - einer von Aidens Lieblingsgerüchen - und ganz entfernt nach Stall oder Heu oder irgendwas mit Tieren. Aus dem Winkel, den er auf das Fenster hatte, konnte er einen abendroten Himmel erblickten.
Dumpf erinnerte er sich, dass er mit der Bauersfamilie zum Frühstück gegessen hatte und dass Gerrit ihn eigentlich zur Heilerin hatte bringen wollen. Er erinnerte sich, dass er versucht hatte, den Bauer nicht weiter zu reizen und dass ihm unheimlich heiß gewesen war - heiß und dann auch noch schwindelig. Danach herrschte in seiner Erinnerung ein großes schwarzes Loch.
Er blieb eine Weile lang so sitzen und lauschte auf Geräusche, bis von unten gedämpfte Stimmen heraufkamen, Schritte und außerdem so etwas, das sich wie das Geklapper von Geschirr anhörte. Sogleich versteifte er sich. Man hatte ihn doch nicht ausgeliefert oder? Sollte er noch verschwinden, solange ihn niemand beachtete? Sein Bein fühlte sich auf wundersame Weise schon besser an, der Schlaf hatte wohl wirklich gut getan.
Bevor er aber noch einen Fluchtplan hätte zusammenstellen können, kamen ein paar dieser Schritte näher und Aiden blickte mit angespannter Haltung auf die Tür. Als es dann nur Edda war, die hereinkam - er befand sich wohl noch im Haus - hätte er vor Erleichterung fast laut ausgeatmet.
"Hallo."
Er schenkte ihr ein Lächeln, das hoffentlich freundlich genug herüberkam. Seine Stimme kratzte ihm im Hals und er musste sich mehrfach räuspern.
"Es geht mir nicht schlecht, eigentlich sogar ganz gut. Sagt, was ist passiert?"
Ella kam näher und setzte sich furchtlos auf die Bettkante. Sie trug ihr Haar wieder offen, was sie wohl häufiger abends tat, und trug ein Gewand in Aidens Lieblingsfarbe, das ihr ganz ausgezeichnet stand, wie er fand. Von diesem Gedanken sollte bloß Gerrit nichts mitbekommen.
Sie setzte sich auf die Seite des Fensters und für ein paar Sekunden lang strich das sanfte Rot der Abenddämmerung über ihre Haare hinweg, beleuchtete einzelne Strähnen und ließ ihre Augen aufleuchten. Edda war eine erstaunliche, wunderschöne Frau, wie Aiden durch den Kopf schoss. Jung, ja, aber davon entsprang ihre Schönheit nicht alleine. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie mit ein paar Jahren älter eine genauso umwerfende Schönheit darstellen würde - vielleicht sogar noch mehr als das. Die Männer würden ihr wortwörtlich hinterherlaufen.
Aiden blinzelte diese Gedanken beiseite, denn sie rühmten sich keineswegs für eine fremde Frau, deren Familie so nett war, ihm Unterschlupf zu gewähren. Stattdessen versuchte er sich auf ihre kurze Zusammenfassung der Geschehnisse zu konzentrieren und den leichten Heiligenschein um ihren Kopf herum auszublenden.
Eine schier unmögliche Aufgabe, wie sich herausstellte.
Es erleichterte ihn aber doch zu hören, dass die Heilerin hatte helfen können. Nur nicht in dem Maße, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte.
"Oh."
Er sah auf sein Bein hinab, das unter der Decke verborgen lag. Vielleicht spiegelte sich da etwas in seinem Gesicht wieder, das der Bäuerin auffallen musste, denn sie schob gleich hinterher, dass es doch wenigstens gut sei, keine Schmerzen mehr zu leiden. Das fand Aiden auch und weil er sie nicht mit seinen trübseligen Gedanken herunterziehen wollte, lächelte er zur Antwort selbst leicht.
"Ja. Das ist wirklich gut."
In Wahrheit aber war er enttäuscht. Wie sollte das nur weiter in Zukunft funktionieren? Er würde nicht jagen können, er würde nicht einmal rennen können. Wie sollte er sich versteckt halten? Wie sollte er an Essen kommen, an Kleider? An eine Unterkunft?
Mit einem gespielt unbeschwerten Lächeln sah er Edda an.
"Würdet Ihr wohl - wärt Ihr so freundlich, mir etwas Wasser zu bringen? Mein Mund ist ganz trocken."
Sie war so freundlich, die gute, bildhübsche Edda, und ging gleich wieder nach unten, um ein Glas zu holen. Aiden schlug derweil die Decke zurück, betrachtete sein Bein und betastete es vorsichtig.
Es sah fast schon normal aus. Es begehrte auch nicht unter jeder noch so feinen Berührung auf, aber als er die Beine über die Bettkante schwang und aufzustehen versuchte, schoss der gleiche, bislang bekannte Schmerz durch seinen Schenkel. Er sog scharf die Luft ein und ließ sich wieder aufs Bett fallen, wo er darauf wartete, dass der Schmerz abklingen würde.
Er wusste nicht mehr weiter. Wenn Axana ihm schon nicht helfen konnte, wer dann? Er konnte keine andere Heilerin aufsuchen, denn irgendwem würde er dabei seine Augen zeigen müssen. Die Bauersfamilie hatte sie schon gesehen, aber er konnte sich nicht hier niederlassen und sich auf ihre Hilfe verlassen oder so etwas. Gerrit würde ihn köpfen! Aiden wusste schon jetzt nicht, wie er sich für all diese Gefälligkeiten revanchieren sollte.
Verzweifelt stützte er den Kopf auf den Händen auf.
Die Heilerin ging und Aiden schlief viele, ungestörte Stunden, in denen er lange vermissten, guten Schlaf aufholte. Er rührte sich kaum und schlief wie ein Toter, während sein Körper sich noch erholte. Aber sein Atem war gleichmäßig und er schwitzte nicht mehr.
Als Aiden dann nach vielen Stunden zum ersten Mal aufwachte, war er völlig orientierungslos. Er war wohlig warm und lag in einem Bett, das so weich wie Himmelswolken war. Eigentlich hätte er nichts lieber getan, als sich umzudrehen und einfach weiterzuschlafen, aber die Wärme und die Sicherheit schienen ihm trügerisch. Er sollte nicht einfach so hier liegen bleiben, bis er nicht wusste, wo er war und ob er wirklich in Sicherheit war. Da zwang er sich doch wach zu bleiben und richtete sich auf, bis er sich sitzend ans Kopfende lehnen konnte.
Der Raum, in dem er lag, war von der untergehenden Sonne in ein dämmriges Licht getaucht. Es roch hauptsächlich nach altem Holz, nach Erde - einer von Aidens Lieblingsgerüchen - und ganz entfernt nach Stall oder Heu oder irgendwas mit Tieren. Aus dem Winkel, den er auf das Fenster hatte, konnte er einen abendroten Himmel erblickten.
Dumpf erinnerte er sich, dass er mit der Bauersfamilie zum Frühstück gegessen hatte und dass Gerrit ihn eigentlich zur Heilerin hatte bringen wollen. Er erinnerte sich, dass er versucht hatte, den Bauer nicht weiter zu reizen und dass ihm unheimlich heiß gewesen war - heiß und dann auch noch schwindelig. Danach herrschte in seiner Erinnerung ein großes schwarzes Loch.
Er blieb eine Weile lang so sitzen und lauschte auf Geräusche, bis von unten gedämpfte Stimmen heraufkamen, Schritte und außerdem so etwas, das sich wie das Geklapper von Geschirr anhörte. Sogleich versteifte er sich. Man hatte ihn doch nicht ausgeliefert oder? Sollte er noch verschwinden, solange ihn niemand beachtete? Sein Bein fühlte sich auf wundersame Weise schon besser an, der Schlaf hatte wohl wirklich gut getan.
Bevor er aber noch einen Fluchtplan hätte zusammenstellen können, kamen ein paar dieser Schritte näher und Aiden blickte mit angespannter Haltung auf die Tür. Als es dann nur Edda war, die hereinkam - er befand sich wohl noch im Haus - hätte er vor Erleichterung fast laut ausgeatmet.
"Hallo."
Er schenkte ihr ein Lächeln, das hoffentlich freundlich genug herüberkam. Seine Stimme kratzte ihm im Hals und er musste sich mehrfach räuspern.
"Es geht mir nicht schlecht, eigentlich sogar ganz gut. Sagt, was ist passiert?"
Ella kam näher und setzte sich furchtlos auf die Bettkante. Sie trug ihr Haar wieder offen, was sie wohl häufiger abends tat, und trug ein Gewand in Aidens Lieblingsfarbe, das ihr ganz ausgezeichnet stand, wie er fand. Von diesem Gedanken sollte bloß Gerrit nichts mitbekommen.
Sie setzte sich auf die Seite des Fensters und für ein paar Sekunden lang strich das sanfte Rot der Abenddämmerung über ihre Haare hinweg, beleuchtete einzelne Strähnen und ließ ihre Augen aufleuchten. Edda war eine erstaunliche, wunderschöne Frau, wie Aiden durch den Kopf schoss. Jung, ja, aber davon entsprang ihre Schönheit nicht alleine. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie mit ein paar Jahren älter eine genauso umwerfende Schönheit darstellen würde - vielleicht sogar noch mehr als das. Die Männer würden ihr wortwörtlich hinterherlaufen.
Aiden blinzelte diese Gedanken beiseite, denn sie rühmten sich keineswegs für eine fremde Frau, deren Familie so nett war, ihm Unterschlupf zu gewähren. Stattdessen versuchte er sich auf ihre kurze Zusammenfassung der Geschehnisse zu konzentrieren und den leichten Heiligenschein um ihren Kopf herum auszublenden.
Eine schier unmögliche Aufgabe, wie sich herausstellte.
Es erleichterte ihn aber doch zu hören, dass die Heilerin hatte helfen können. Nur nicht in dem Maße, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte.
"Oh."
Er sah auf sein Bein hinab, das unter der Decke verborgen lag. Vielleicht spiegelte sich da etwas in seinem Gesicht wieder, das der Bäuerin auffallen musste, denn sie schob gleich hinterher, dass es doch wenigstens gut sei, keine Schmerzen mehr zu leiden. Das fand Aiden auch und weil er sie nicht mit seinen trübseligen Gedanken herunterziehen wollte, lächelte er zur Antwort selbst leicht.
"Ja. Das ist wirklich gut."
In Wahrheit aber war er enttäuscht. Wie sollte das nur weiter in Zukunft funktionieren? Er würde nicht jagen können, er würde nicht einmal rennen können. Wie sollte er sich versteckt halten? Wie sollte er an Essen kommen, an Kleider? An eine Unterkunft?
Mit einem gespielt unbeschwerten Lächeln sah er Edda an.
"Würdet Ihr wohl - wärt Ihr so freundlich, mir etwas Wasser zu bringen? Mein Mund ist ganz trocken."
Sie war so freundlich, die gute, bildhübsche Edda, und ging gleich wieder nach unten, um ein Glas zu holen. Aiden schlug derweil die Decke zurück, betrachtete sein Bein und betastete es vorsichtig.
Es sah fast schon normal aus. Es begehrte auch nicht unter jeder noch so feinen Berührung auf, aber als er die Beine über die Bettkante schwang und aufzustehen versuchte, schoss der gleiche, bislang bekannte Schmerz durch seinen Schenkel. Er sog scharf die Luft ein und ließ sich wieder aufs Bett fallen, wo er darauf wartete, dass der Schmerz abklingen würde.
Er wusste nicht mehr weiter. Wenn Axana ihm schon nicht helfen konnte, wer dann? Er konnte keine andere Heilerin aufsuchen, denn irgendwem würde er dabei seine Augen zeigen müssen. Die Bauersfamilie hatte sie schon gesehen, aber er konnte sich nicht hier niederlassen und sich auf ihre Hilfe verlassen oder so etwas. Gerrit würde ihn köpfen! Aiden wusste schon jetzt nicht, wie er sich für all diese Gefälligkeiten revanchieren sollte.
Verzweifelt stützte er den Kopf auf den Händen auf.