Bound by Eternity [Stiftchen & Nao]

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    • Bound by Eternity [Stiftchen & Nao]

      Hauptrollen

      Kitalpha 'Kit' = @Stiftchen
      Aries 'Ari' = @Nao.nline

      Vorstellung


      Name: Aries Petridis | Leben Nr.: 1 | Alter: 25 | Zeit: Jahr 1 | Ort: Griechenland

      Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, sich eine Karriere in der Taverne aufzubauen, als sich jeden Tag mit diesen ohrenbetäubenden Geräuschen herumschlagen zu müssen. Ari konnte spüren, wie die Nerven in seinen Ohren langsam aber sicher nacheinander abstarben. "Zenon, du spielst wieder die falsche Saite", erhob Ari seine Stimme über die Gruppe der Jungen, die vor ihm saßen. Aber Zenon war hier nicht das Problem. Mittlerweile war Aries aufgefordert worden, den Musikunterricht an den Stadtrand zu verlegen, wo sie niemanden stören konnten, abgesehen von den armen Wildtieren, die sich ihren Nachmittag anders vorgestellt hatten. Auch die strahlende Sonne schien sich langsam hinter den Wolken zu verstecken, als wäre sie dort endlich das Geplärre los. Heiliger Zeus, irgendjemand musste Callistus endlich den Aulos wegnehmen, bevor die Welt unterging. Wer hatte dem Kind erlaubt, ein Blasinstrument zu lernen? Konnte er sich nicht wie alle anderen mit der Lyra zufrieden geben?
      Ari gab auf. Er beugte sich vor, glücklicherweise dröhnte das Intrument gleich vor seiner Nase, und nahm dem Jungen den Aulus aus der Hand. "Wir beginnen nochmal von vorne, Callistus. Während du spielst, hörst du nicht, was ich sage", versuchte er ihm in aller Ruhe zu erklären, dann begann er ihm erneut vorzuzeigen, welche Töne er zu spielen hatte, damit er nicht das ganze Orchester in den Wahnsinn trieb. Ari's Ansprüche waren nicht gerade hoch. Aber langsam bereute er, Lehrer geworden zu sein. Zumindest hätte er sich eine andere der sieben Künste aussuchen können, aber leider war er verdammt gut darin, Musik zu machen. In der Taverne hätte er es bestimmt zu etwas gebracht. Vielleicht wäre er dann auch dazu gekommen, zu reisen und überall Menschen mit der Musik zu beglücken. Der Gedanke, das einfach nachzuholen, schwebte seit Wochen, wenn nicht Monaten in seinem Kopf herum. Und auch, als er heute seine Schüler verabschiedete und auf dem Weg nachhause war, konnte er nicht anders, als über ein anderes Leben zu fantasieren. Was wohl passiert wäre, wenn er gleich losgezogen wäre, als er zum ersten Mal darüber nachgedacht hatte…
      Auf einmal stolperte Ari über einen Stein, als er in seinem Tagtraum gefangen war, fing sich zum Glück aber gleich. Dieser kleine Schock ließ ihn stehen bleiben. Er zupfte seinen Himation zurecht, der ihm langsam etwas zu weit über die Schulter rutschte, und betrachtete den Stein, der sich ihm in den Weg gelegt hatte. Irgendwie war er selbst ein Stein, der sich in den Weg seines Lebens legte, nicht? Wenn er etwas tun wollte, dann sollte er es einfach tun. Was konnte schon passieren, außer, dass es ihm doch nicht gefiel und er nachhause zurückkehrte? Allerdings konnte er sich kaum vorstellen, dass er zu Antheia zurückkehren wollen würde. Die Frau hatte mehr Spaß daran, ihre Sklaven zu schikanieren, als an irgendetwas anderem.
      Damit war ein Entschluss gefasst. Ein halber Entschluss, zumindest. Am Heimweg machte Aries kehrt und lief in Richtung der Agora. Es war noch recht früh, nicht einmal Abend, also würde er kaum Menschen in der Taverne finden, aber so war es sicherlich besser, falls er sich doch noch anders entschied. Man kannte hier schließlich die meisten Bürger und er wollte nicht, dass gleich Gerüchte in den Umlauf kamen, dass ein Musiklehrer sich als Tavernenmusiker umorientieren wollte. Ein, zwei Nachteile hat der Beruf ja schon… Die Leute wurden nicht umsonst oft mit Prostituierten gleichgesetzt. Aber Ari würde sich schon irgendwie durchschlagen und auf anderem Wege zu Geld kommen. Wenn er später nachhause kam, würde er einfach ein bisschen etwas von ihrem Ersparten mitnehmen… So etwas fiel Antheia sowieso nicht auf. Und Ari war überzeugt davon, gut genug zu spielen, dass er Spenden bekommen würde. Vielleicht engagierte eine Taverne ihn sogar irgendwann einmal gegen Bezahlung. Wer wusste das schon.
      Er umgriff fest seine Lyra als er in die Taverne eintrat. Erstmal bestellte er sich einen Krug Wein. Nicht, dass er sich den Mut antrinken musste, aber es war wohl besser, sich erst einen Überblick über die Anwesenden zu verschaffen. Es war tatsächlich nicht viel los. Das schien ein guter Start zu sein, um etwas Neues auszuprobieren. Er musste sich mit dem Mann hinter der Theke kaum absprechen, denn wer gratis Unterhaltung angeboten bekam, die das Geschäft antreiben konnte, sagte nicht Nein. Kurzerhand stellte Aries sich also auf einen Tisch und sah über die Gäste hinweg. Nur Mut. Das war erst der Anfang. Also begann er zu spielen.
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    • Name: Kitalpha Nicolaides | Leben Nr.: 1 | Alter: 27 | Zeit: Jahr 1 | Ort: Griechenland
      Die Planken des Schiffes ächzten, während die Mannschaft geschäftig von links nach rechts lief und routinierte Handgriffe ausführte, um das Schiff sicher an dem kleinen Hafen anlegen zu lassen. Kitalpha lehnte an der Reling und ignorierte den feinen Wassernebel, der über das Boot zog. Die Mannschaft wusste, was sie tat. Bei Poseidon, er hatte ihnen so oft zugesehen, dass er fast selbst dazu in der Lage wäre, das Boot anlegen zu lassen. Aber er war kein Seemann. Er war Händler - als Kunde auf dem Schiff gerne gesehen, als Unterstützung allerdings nur im Weg. Nicht, dass er sich darüber beschweren würde. Ab und an war es doch ganz nett, anderen bei der Arbeit zuzusehen und sich selbst zurücklehnen zu können. Auch wenn die Stadt, an der sie anlegten, nicht minder interessant war. Kit hatte in seinem Leben genug Städte gesehen, um auf den ersten Blick ein ungefähres Gefühl für sie zu entwickeln, aber diese Stadt war irgendwie besonders. Aus irgendeinem Grund konnte er es kaum abwarten, endlich anzulegen und die Straßen zu erkunden, gerade so, als würde ihn irgendetwas magisch anziehen. Er hatte dieses komische Gefühl ab und an schon mal gehabt, aber nie so stark, wie heute, nie so stark wie hier.
      "Du träumst wieder."
      Kit zuckte zusammen, als Pyrros sich neben ihn an die Reling lehnte. Es wäre gelogen zu behaupten, dass sie sich gut kannten. Sie waren beide Händler und sich infolgedessen vielleicht zwei-drei mal über den Weg gelaufen, aber irgendwie hatte das für eine lockere Freundschaft gereicht. "Wir legen an einem wunderschönen Hafen an und du starrst ins nichts, als würdest du einen Geist sehen." Pyrros seufzte, während er sich mit den Fingern durch die hellbraunen Locken fuhr. Er stand nah genug an Kit, um vor seinen Augen ein wenig zu verschwimmen. Ein Problem, das der rothaarige Händler immer schon gehabt hatte.
      "Warst du schon mal hier?", fragte Kit, während er sich in Richtung Hafen drehte. Wenigstens konnte er die ersten Häuserreihen ohne Probleme sehen. Warum zog es ihn nur so sehr dort hin? Der Hafen sah aus, wie jeder andere Hafen auch!
      "Nicht, dass ich wüsste. Aber heute hat der Markt sicher schon geschlossen, also werd ich mir das Örtchen erst morgen ansehen. Wie wäre es mit einer Runde Tabula?"
      Kit zögerte kurz, dann schüttelte er mit dem Kopf. "Ich glaube, ich werd mir den Hafen mal ansehen."
      "Okay. Dein Verlust."

      Es war vielleicht wirklich irgendwie ein Verlust. Die Straßen sahen nicht anders aus, als in den anderen Häfen und Städten, in denen Kit schon gewesen war und am Ende trieb sein Gefühl ihn viel weiter zur Agora, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Er fürchtete fast, nie wieder zurück zum Schiff zu finden und wollte gerade umkehren, als er eine kleine Taverne erreichte. Er wusste nicht, was es war, aber alles in ihm schrie danach, in diese Taverne zu gehen.
      Kurz blieb er etwas unsicher stehen, dann gab er sich einen Ruck. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, auf sein Bauchgefühl zu hören, oder? Er schob die Türe auf und betrat den Innenraum gerade, als ein Mann sich auf einen der Tische stellte und begann, Musik zu spielen. Dieses unbeschreibliche Gefühl traf ihn mit voller Wucht und veranlasste Kit dazu, einfach kurz vor der Tür zu erstarren. Er wusste nicht, wer der Mann auf dem Tisch war, aber er hatte das Gefühl, dass er seinen Blick unmöglich von ihm abwenden konnte. So, als wollte etwas im Universum, dass sie genau hier aufeinander trafen. Kit wartete ab, bis der Musiker das Stück beendet hatte, bevor er an seinen Tisch heran trat.
      "Du spielt wirklich gut. Darf ich dich auf einen Wein einladen?" Er wusste selbst nicht, wieso er ihn ansprach. Er musste es einfach tun.
    • Die erste Weile hielt Ari ganz automatisch die Augen geschlossen und ließ sich in sein Lied hinein kippen. Es machte ihn irgendwie nostalgisch für etwas, das er nicht richtig beschreiben konnte. Aber der Wunsch, diese Stadt zu verlassen, wuchs mit jeder gezupften Saite. Am Ende des Lieds verweilte er kurz, doch dann hörte er eine Stimme. Da spielte er gerade zum ersten Mal in einer Taverne und wurde direkt angeflirtet. Ari schlug die Augen auf und öffnete bereits den Mund, um dankend abzulehnen, aber dann sah er diesen rothaarigen jungen Mann, der ihn mit einer Eindringlichkeit in den Augen betrachtete, dass Ari erst kein Wort über die Lippen brachte. "Oh, äh… ja, danke", erwiderte er leicht durch den Wind und kletterte vom Tisch herunter. Er folgte dem Mann zur Theke und ließ sich auf den zweiten Trunk des Tages einladen. Er musste nur aufpassen, dass er nicht zu enthusiastisch wurde. Während er auf das Getränk wartete, musterte er den Rothaarigen. Ari konnte schwören, ihn schonmal irgendwo gesehen zu haben.
      "Also… wie heißt du? Entschuldige, aber…" Ari konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Du kommst mir so bekannt vor. Hast du vielleicht… ein Kind, das meinen Musikunterricht besucht?" Dabei konnte er sich kein einziges Kind in den Kopf rufen, das solche auffälligen roten Haare hätte. Nur konnte Ari kaum aufhören, das Gesicht des Fremden zu scannen, als würde es irgendwelche Informationen für ihn bereithalten.
      Der Wein stand sogleich vor ihnen und Ari nahm einen großen Schluck, während er weiter angestrengt nachdachte. "Oder vielleicht… warst du letzte Woche auf dem Obstmarkt? Ich bin selbst fast jeden Tag hier, auf der Agora meine ich, nicht in der Taverne. Aber ich kann mich einfach… nicht erinnern…", gegen Ende wurde er etwas leiser, weil er so intensiv versuchte, sich die Erinnerungen der letzten paar Wochen in den Kopf zu rufen. Er war so oft auf der Agora, weil er es zuhause kaum aushielt, dass er immer wieder mit Menschen ins Gespräch kam und sich so die Zeit vertrieb, aber das ließ die Bekanntschaften nach einer Weile ineinander verschwimmen. Außerdem war Ari sich sicher, dass er diese Haare nicht vergessen würde… Und diese Augen… Ari blinzelte, als er merkte, wie eindringlich er sein Gegenüber anstarrte.
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    • Der Fremde wirkte irritiert, was auf eine seltsame Art und Weise beruhigend war - Kit selbst wusste immerhin auch nicht so genau, was gerade passierte. Er wusste nur, dass er den Mann nicht gehen lassen wollte, ohne mit ihm geredet zu haben. Wenn er sich nicht so sicher wäre, dass er heute noch keinen Alkohol getrunken hatte, würde er fast denken, dass er in irgendeinem Rausch wäre.
      Er schüttelte kurz den Kopf, als der Fremde - offenbar Lehrer - über Kinder redete. Kinder waren für ihn und seine Frau nie eine Option gewesen. Es war gleich das zweite gewesen, worauf sie sich geeinigt hatten, direkt nachdem Klio ihm gebeichtet hatte, dass sie in ihre Köchin verliebt war. Was viele Dinge in ihrer Ehe erheblich vereinfacht hatte.
      "Oh, ich komme nicht aus der Gegend. Ich bin Fernhändler", erklärte er, während er sein Gegenüber musterte. Es war irgendwie seltsam, dass der Mann offenbar das Gefühl hatte, ihn zu kennen. Kit ging es nicht anders. Er war sich sicher, dass er ein solches Gesicht nicht vergessen würde. Die bezaubernden Augen, die geschwungenen Lippen. Seltsamerweise störte ihn nicht mal der starrende Blick seines Gegenübers. "Ich heiße Kitalpha. Kit reicht. Und dein Name?" Irgendwie hatte er das merkwürdige Gefühl, den Namen seines Gegenübers bereits zu kennen. So, als müsste er nur genauer nachdenken, um drauf zu kommen. Was unmöglich war. Er sah den Mann zum ersten mal in seinem Leben und er war eigentlich ziemlich gut darin, sich Namen zu merken.
      "Spielst du öfters in Tavernen?", fragte er schließlich, während er nach seinem Wein griff. Der Mann kam ihm nicht wie jemand vor, der hier sein Geld verdiente und er hatte seinen Musikunterricht bereits erwähnt. Trotzdem würde Kit ein dermaßen großes Musiktalent eher in einem der vielen Theater vermuten. "Es klang wirklich professionell. Man kann sehen, dass du die Musik irgendwie spürst." Er lächelte seinem Gegenüber entgegen. Vielleicht war er auch einfach etwas voreingenommen, weil er sich ihm immer noch so seltsam nahe fühlte.
    • Ah… ein Händler also. Dann musste er bestimmt mit dem Schiff gekommen sein. Wie schön es sein musste, immer neue Länder und Städte zu sehen… und das Meer. Immerzu glitzernde Wellen direkt vor den Augen zu haben und die Luft der Freiheit zu riechen. Getroffen hatten sie sich dann allerdings wohl noch nie, was Ari wirklich wunderte. Vielleicht sah er bloß jemandem ähnlich, den er kannte?
      Aries schlich sich ein Grinsen ins Gesicht, als der Mann ihm seinen Namen verriet. Er klang definitiv nicht wie jemand von hier. Aber davon konnte er selbst ein Lied singen. "Aries Petridis", stellte er sich vor. "Ari reicht" Er spielte mit seinem Krug während er den Rothaarigen weiter mit einem Lächeln musterte. Es war komisch, er fühlt sich seltsam wohl mit ihm, obwohl sie gerade mal zwei Worte gewechselt hatte. "Eine Schande, dass du nicht früher hier gehandelt hast", sagte er, einfach so heraus, plötzlich mit dem Verlangen, sein gegenüber irgendwie um den Finger zu wickeln. Ein seltsamer Gedanke.
      Er stützte seinen Kopf in die Hand. Bei Kits Kompliment musste er kurz lachen. "Ich spiele zum ersten Mal hier. Ich dachte mir, ich schaue mal, wie es läuft und dann… verlasse ich die Stadt vielleicht und spiele da, wo es mich gerade hinzieht" Dann seufzte er sanft. "Ich würde für einen Lebensstil wie deinen wirklich alles tun. Du bist bestimmt mit einem Schiff angekommen?" Vielleicht sollte er die Musik auch gleich aufgeben, und sich Arbeit auf irgendeinem Schiff suchen.
      "Womit handelst du?", fragte Ari dann neugierig. "Irgendetwas, das ich gebrauchen kann?" Dabei konnte er sich demnächst vermutlich von dem Großteil seines Besitzes erstmal verabschieden, denn auf einer Reise wollte er nicht wirklich etwas mitschleppen. Der Gedanke, so minimalistisch unterwegs zu sein, reizte ihn allerdings umso mehr. Was brauchte man im Leben schon wirklich, außer Nahrung und etwas anzuziehen? Solange er seine Lyra dabei hatte und seine Finger intakt waren, konnte er überall glücklich sein. Hauptsache er sah etwas von der Welt. Mehr als dieses winzige Städtchen.
      "Ihr braucht nicht zufällig etwas Unterhaltung auf dem Schiff?", lachte Aries leise, halb im Scherz, auch wenn es ihm traumhaft vorkam, sein Leben auf See zu verbringen. Da war man schließlich deutlich schneller unterwegs als zufuß oder mit einem Pferd.
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    • Ja, es war wirklich schade, dass sie sich nicht schon früher begegnet waren, auch, wenn es Kit wirklich so vorkam, als ob er Ari eigentlich kennen müsste. Er hatte sein ganzes bisheriges Leben irgendwie das Gefühl gehabt, irgendwo ankommen zu müssen und seit er Ari angesprochen hatte, war das Gefühl einfach weg. So, als hätte er endlich das gefunden, was er immer schon gesucht hatte. Einen jungen Mann, den er nicht kannte mit einem umwerfenden Lachen.
      "Ja, ich bin mit einem Schiff angekommen. Ich handel mit Stoffen, also wahrscheinlich eher nichts, was du brauchen kannst, außer du willst dich neu einkleiden." Kit lächelte leicht. Es war nie sein Traumberuf gewesen, immer eher ein Vorwand, um seine Reisen irgendwie rechtfertigen zu können und nicht vollkommen mittellos zu enden. Aber man bekam den Tag gut rum und traf ständig neue Leute. Außerdem hatte sich das Ansehen Händlern gegenüber in den letzten Jahren stetig gebessert. Aber alles das schien ihm plötzlich furchtbar unwichtig, als Ari scherzte, mitzukommen. Es war vollkommen bizarr. Es war mit Abstand nicht das erste mal, dass jemand Kit erzählte, dass er auch gerne auf dem Boot reisen würde. Mal war es ein Flirt, mal jemand, der einfach unzufrieden mit seiner Lebenssituation war. Bisher hatte Kit immer einfach trocken angemerkt, dass die Schiffe jeden mitnahmen, der für die Mitnahme zahlen konnte. Es war ihm immer relativ egal gewesen, ob die Person dieses Angebot annahm, oder nicht. Aber dieses mal war es anders. Ari hatte es nur als Scherz gemeint, aber Kit hatte irgendwie das Gefühl, dass er nicht leben konnte, wenn Ari ihn nicht begleiten würde.
      "Auf dem Boot ist auf jeden Fall noch Platz", antwortete er, vielleicht eine Spur zu schnell. "Die Reise kostet, aber vielleicht wird dir ein Teil erlassen, wenn du dafür ab und an spielst." Es war durchaus eine Möglichkeit, nicht? "Die See ist rau und unberechenbar, aber nachts hat man einen fantastischen Blick auf die Sterne und man sieht jeden Tag etwas Neues. Überleg es dir." Kit lächelte in der Hoffnung, dass sein Angebot nicht so verzweifelt klang, wie er sich fühlte. Aus irgendeinem Grund hoffte er wirklich, dass Ari es sich überlegte und mitkommen würde. Jemand, mit dem er kaum zwei Sätze gewechselt hatte.
      "Wir legen morgen in Richtung Athen ab. Heute machen wir hier nur einen kleinen Zwischenstopp. Du hast also noch Zeit", fügte er schließlich mit einem kleinen Zwinkern hinzu.
    • Kits Antwort holte Ari aus seinem Lachen heraus. Er sah auf, suchte in seinen braunen Augen nach etwas, das seine Aussage als Witz bestätigte, aber stattdessen sprach er so schnell weiter, dass er es wirklich ernst zu meinen schien. Bei der Realisation öffnete sich Aries Mund leicht und seine Ungläubigkeit kam zum Ausdruck. Er wandte den Blick auf den Wein und in seinem Kopf begannen sich die Zahnrädchen schnell zu drehen. Vor seinen Augen zog das Leben vorbei, das er die letzten 25 Jahre wie ein passiver Beifahrer beobachtet hatte, immerzu den Drang unterdrückend, dass es eigentlich etwas anderes gab, das er wollte. Ein fantastischer Blick auf die Sterne und jeden Tag etwas Neues, hm?
      Ari sah wieder auf und zögerte, bevor er antwortete. "Ich- ja. Ich denke, dann komme ich wohl mit", erwiderte er und lachte leicht im Schock, den seine eigenen Worte auslösten. Als würden Steine von seinen Schultern fallen. Aber er musste sich irgendwie Antheia erklären. So unangenehm diese erzwungene Ehe für die letzten Jahre auch gewesen war, sollte er sie nicht einfach ohne ein Wort zurücklassen. Wobei sie vermutlich sogar glücklich darüber sein würde, wenn er verschwand… Aries biss sich auf die Lippe, während er nachdachte. Brachte es wirklich etwas, ihr zu sagen, dass er ein Leben auf dem Schiff ihr vorzog, wenn sie das bestimmt wusste? Sie konnten einander kaum ausstehen, aber ihre Eltern hatten diese Beziehung arrangiert, nachdem beide Familien ihr Erbe an einem sicheren Ort wissen wollten. Seinetwegen konnte Antheia alles behalten, abgesehen von ein paar Münzen, die seine Reise eine Weile finanzierten. Es war vielleicht sogar besser, sie glauben zu lassen, dass er einfach im Wald verschwunden oder tot und unauffindbar war.
      Damit hatte er sich wohl entschieden.
      "Was… sind denn deine Pläne für den Abend?", fragte er den Rothaarigen. Wenn das Schiff morgen erst ablegte, konnte er vielleicht am besten irgendwelchen Fragen aus dem Weg gehen, wenn er irgendwann Nachts einen Abstecher zuhause machte, um sich nur das Geld zu holen. Und bis dahin… naja, vielleicht hatte Kit ja ein wenig Zeit. Ari wollte irgendwie alles über ihn wissen. Am liebsten würde er alle Informationen und dessen Erinnerungen einfach in sich aufsaugen, anstatt sich lange zu unterhalten, was ein wirklich seltsames und einmaliges Gefühl war.
      "Ich sollte meinem Haus lieber fern bleiben, bis wir die Stadt verlassen", kündigte er an und hoffte, dass Kit ihm anbot, ihn zu begleiten, wohin auch immer. Komischerweise hatte Ari nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, obwohl er alles und jeden wortlos zurücklassen würde.
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    • Kit musste an sich halten, sich nicht selbst zu kneifen, nur um ganz sicher zu gehen, dass das hier kein wirrer Fiebertraum war. Alles an dieser Situation schien viel zu perfekt. Das konnte einfach nicht real sein. Er ging einfach auf gut Glück in eine Taverne und fand dort einen bezaubernden jungen Mann, der sofort damit einverstanden war, alles stehen und liegen zu lassen und auf Reisen zu gehen? Mit ihm? Zumindest ein Stück, immerhin hatte Ari im nächsten Hafen wieder die freie Wahl, mit welchem Schiff er fahren würde, vorausgesetzt, er würde nicht direkt in Athen bleiben wollen. Aber alleine die paar Tage bis dahin schienen Kit viel zu gut, um wahr zu sein.
      "Ich hab nichts mehr vor. Ich bin irgendwie meiner Intuition bis hierhin gefolgt, um mir die Zeit zu vertreiben und hab ehrlich gesagt nicht weiter gedacht." Bis hierher, zu ihm. Eigentlich würde Kit vorschlagen, dass Ari ihm noch die Stadt zeigte, oder sowas in der Art, aber irgendwie hatte er Angst, dass der Musiker sich vielleicht dadurch doch dazu entscheiden würde, hier zu bleiben, wo ihm jede Ecke und jedes Haus vertraut war und wo er Familie hatte. Auch, wenn das vielleicht auch nicht so schlimm wäre - immerhin konnte Kit auch bleiben, wenn er wollte. Er würde schon irgendwie über die Runden kommen, solange er einfach mehr Zeit mit dem Mann ihm gegenüber verbringen konnte. Was wahrscheinlich der nächste absolut abstruse Gedanke dieses Abends war.
      "Schreibst du auch selbst Musik?", fragte Kit schließlich, während er kurz auf die Lyra in Aris Händen deutete. Tausende von Fragen schwirrten ohne Pause durch seinen Kopf. Er wollte irgendwie alles über ihn wissen und wie konnte man am besten etwas über einen Künstler erfahren, wenn nicht durch seine Kunst? Kit selbst war nie sonderlich musikalisch gewesen. Zahlen und Fakten lagen ihm immer schon mehr, als Lyra und Gesang. Vielleicht war es das, was ihn so zu Ari hinzog, die Tatsache, dass er so anders war, als Kit selbst.
    • Ari schmunzelte. "Super, ich hab nämlich auch noch keinen genauen Plan", kündigte er an. Und das war definitiv nicht nur auf die nächsten paar Stunden bezogen. Dass er tatsächlich die Stadt verlassen würde, in der er sein ganzes Leben verbracht hatte, wirkte schon irgendwie verrückt. Auf der anderen Seite kam es ihm beinahe verrückter vor, diesen Schicksalsschlag an sich vorbeiziehen zu lassen. Genau an dem Tag, an dem er sich entschloss, in der Taverne zu spielen und vielleicht zu verreisen, kam dieser Fremde hier herein und fragt ihn, ob er auf seinem Schiff mitfahren möchte? Wie konnte er da bloß Nein sagen. Und dann auch noch zu ihm…
      "Ich…", wiederholte Aries und sah selbst auf seine Lyra, um sich zu vergewissern, dass sie existierte. "Ja, tue ich. Ich bringe meinen Schülern viele selbstgeschriebene Stücke bei. Sonst würde es irgendwann zu eintönig werden", sagte er lächelnd. Die kleinen Quälgeister würde er bestimmt ein wenig vermissen. Aber nur ein wenig.
      "Ich wollte übrigens gerade… eine Art Reise planen, bevor du mir das Schiff vorgeschlagen hast. Das trifft sich also sehr gut", weihte er den Rothaarigen ein, damit er nicht dachte, er sei vollkommen durchgeknallt. Wobei Kit das ja vorgeschlagen hatte, also eigentlich war er wohl der Wahnwitzige. Oder vielleicht hatten sich auch einfach Zwei gefunden.
      "Wo ist denn euer nächster Stop? Vielleicht kann ich dort… ja ein bisschen Musik spielen?", fragte er. Das war einfach zu schön, um wahr zu sein. Wo auch immer sie als nächstes anlegen würden, konnte er eine Stadt erkunden, neue Menschen kennenlernen und ihnen vorspielen. Und das in vermutlich schon ein paar Tagen.
      "Erzähl mir, wo du schon warst", sagte er und betrachtete Kit aufmerksam mit großen Augen. Er hatte zwar nun die Möglichkeit, selbst neue Orte zu sehen, aber dennoch musste er gerade irgendwie hören, dass da draußen noch mehr existierte. Sonst kam ihm das einfach zu surreal vor.
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    • Es überraschte Kit wenig zu hören, dass Ari offenbar noch keinen wirklichen Plan für den heutigen Abend hatte. Wenn er sich spontan dazu entscheiden konnte, mit einem unbekannten Schiff zu einem unbekannten Hafen aufzubrechen, klang es nicht mal so, als ob er überhaupt irgendeinen Plan für sein weiteres Leben in dieser Stadt gehabt hatte. Sowas warf man immerhin nicht leichtfertig einfach so weg. Obwohl Ari kurz darauf erklärte, dass seine Entscheidung offenbar nicht ganz so aus der Luft gegriffen war, wie es den Anschein hatte. Er hatte also schon länger geplant, auf eine Reise zu gehen. Kit wusste nicht ganz, was diese Information mit ihm machte. Irgendwie war er zeitgleich sehr erleichtert darüber, dass Ari nicht für ihn sein komplettes Leben umkrempelte, und sehr enttäuscht, dass Kit selbst offenbar keine große Rolle in der Entscheidungsfindung gespielt hatte. Er war eben nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.
      "Wir halten morgen in Phabra, ein relativ kleiner Hafen, aber eine nette Stadt, dann geht es direkt weiter in den Norden nach Athen", erklärte er. In Athen würde er dann das Schiff wechseln, aber er hatte es bisher noch nicht über sich gebracht, eine neue Route zu planen und gerade kam ihm das auch furchtbar unwichtig vor, solange er nur weiter mit Ari reden konnte.
      "Man kommt irgendwann an so vielen kleinen Häfen vorbei, dass sie alle zu einem großen Ort verschwimmen", erklärte er anschließend mit einem kleinen, entschuldigenden Lächeln. "Obwohl sie alle irgendwie ihre schönen Ecken haben. Die großen Städte wie Athen oder Korinth sind natürlich etwas eindrucksvoller. Vor allem der Weg nach Korinth. Das Wasser ist an manchen Stellen so flach, dass die Schiffe gezogen werden müssen." Die Stadt war zur Zeit römisch besetzt, also verhinderte die Sprachbarriere ab und an einen reibungslosen Ablauf, aber trotzdem waren Kits Aufenthalte dort bisher immer höchst interessant gewesen. Angeblich hatte dort mal ein sehr eindrucksvoller Tempel für Aphrodite gestanden, welchen man heute leider nicht mehr ganz erkennen konnte. Warum Kit gerade dieser Fakt gerade nochmal bewusst wurde, war ihm ein Rätsel.
      "Wie kommt es, dass du Reisen wolltest? Das Leben in so einer Stadt stelle ich mir doch eigentlich ganz nett vor", fragte er schließlich zurück.
    • Ari hörte aufmerksam zu, als Kit ihm ein wenig über seine Reise erzählte. Vermutlich hätte er ihn auch mit Lügen locken können. Selbst hatte er außer dieser Stadt sowieso noch nichts gesehen und würde es nicht durchschauen können. Doch dass die Schiffe gezogen werden mussten, stellte er sich abenteuerlich vor. Durchs Wasser waten und ein Schiff hinter sich her ziehen? Gut, für die, die es tun mussten, war es vielleicht weniger cool, als es auf Ari gerade wirkte. Aber er war leicht zu beeindrucken. "Das klingt wie etwas, das man gesehen haben sollte", sagte er und grinste. Dann verwandelte sich sein Blick in etwas nachdenkliches. Wie erklärte er Kit denn am besten, was er all die Jahre gefühlt hatte, wenn er es selbst nicht ganz verstanden? Jeder schien hier ganz zufrieden leben zu können und besonders in Aries Lage, dem es nicht an Geld mangelte und der sowohl eine gute Ausbildung als auch die Möglichkeit hatte, zu unterrichten, was er liebte… Eigentlich war es alles, das man sich wünschen konnte. Zumindest sagte man das so. Und er hatte sich immer sehr undankbar gefühlt, weil er diese Zufriedenheit einfach nie spüren konnte.
      "Ich fühle mich irgendwie… eingeengt", versuchte er zu erklären, während er keine Ahnung hatte, warum er einem Fremden jetzt das Herz ausschüttete. Er konnte doch auch einfach sagen, dass er eben die Welt sehen wollte. Das stimmte auch zum Teil. Aber da war viel mehr, als das. "Ich kann einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich kann es nicht so richtig beschreiben" Er lächelte leicht verzweifelt. Es war wirklich schwer, das in Worte zu fassen. "Irgendetwas zieht mich einfach hier weg", schloss er seine Erklärung ab. "Ich hoffe, dass ich irgendwann finde, was ich suche", murmelte er. Dabei war er sich gar nicht sicher, ob er überhaupt etwas suchte. Der Gedanke, irgendwo anders wieder in einem Haus zu leben und jeden Morgen aufzustehen, um immerzu dasselbe zu tun… der stellte ihm die Nackenhaare auf. Er hatte nicht vor, an einem anderen Ort sein Leben wieder aufzubauen. Aber war es überhaupt möglich, für immer nur zu reisen? Die Unsicherheit, die damit einherging, war auch nicht unbedingt, was er sich für sein Leben vorstellte. Fast hatte er das Gefühl, nie zufrieden sein zu können.
      "Wie wär's, wenn wir zum Hafen gehen und du mir das Schiff zeigst?", fragte er und versuchte sich damit wohl selbst irgendwie von seinem Elend abzulenken. Das Schiff zu sehen würde bestimmt Vorfreude in ihm auslösen.
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    • Es war seltsam, wie gut Kit Aris Gefühl verstehen konnte, auch, wenn es das komplette Gegenteil von seinem eigenen Leben zu sein schien. Ari wollte von etwas weg, Kit hatte sein ganzes Leben lang das Gefühl gehabt, irgendwo hin zu müssen. Hier hin, offenbar, zu Ari. Er lächelte leicht und nickte bestätigend. "Ich glaube, ich weiß ungefähr, was du meinst. Manchmal lenken einen die Götter einfach auf andere Wege und man kann sich nicht widersetzen. Ich hoffe auch, dass du irgendwann findest, was du suchst." So, wie er ihn gefunden hatte, auch, wenn ihre Bekanntschaft wahrscheinlich nur von kurzer Dauer sein würde, wenn es die Götter nicht gut mit ihm meinten. Oder das hier war wirklich der Anfang einer langjährigen Freundschaft. Irgendetwas musste ihn immerhin hierher gezogen haben.
      "Gerne", antwortete Kit, als Ari vorschlug, dass sie sich das Schiff ansehen könnten. "Das Schiff ist nur relativ klein, also hab keine zu hohen Erwartungen." Er lächelte kurz, bevor er dem Wirt signalisierte, dass er ihre Getränke zahlen wollte.

      Einen kleinen Moment später standen sie zusammen vor der Taverne an der frischen Luft. Kit sah zu den Leuten, die immer noch geschäftig durch die Gegend liefen, ein paar zur Taverne hin, ein paar andere aus der Taverne raus, offenbar auf dem Heimweg, um den Tag mit der Familie ausklingen zu lassen.
      Jetzt, wo er nicht mehr das Gefühl hatte, irgendwo ankommen zu müssen, kam ihm so ein Leben eigentlich gar nicht mehr so schlimm vor. Ein Haus, eine Familie, die er tatsächlich liebte und zu der er jeden Abend zurückkehren wollte - irgendwie klang das furchtbar schön. Aber nicht hier. Nicht, wenn er das Gefühl hatte, so lange bei Ari bleiben zu müssen, wie der Musiker ihn aushalten würde.
      "Erzähl mir von dir", setzte Kit an, während er Ari durch die Straßen und Gassen hin zum Hafen führte. "Du bist Musiker, Lehrer und offenbar möchtest du die Welt sehen. Was noch?" Er lächelte dem jungen Mann neben sich leicht zu. Eigentlich war ihm vollkommen egal, was Ari antworten würde, solange er nur eine kleine Information über ihn herausbekommen würde. Ihm war alles recht.
    • "Meine Erwartungen sind aufgrund dieser Stadt so gering, dass mich alles begeistern würde", gab Ari zurück. Und das war wirklich nicht untertrieben. Er würde vermutlich auch auf einem Holzpflock dankbar ins Meer hinaus treiben, wenn es das war, was Kit ihm vorstellen würde.
      Der Weg zum Hafen war Aries sehr vertraut. Die Häuser, in denen Menschen lebten, die er zumindest vom Sehen kannte und sogar die Bäume hatte er schon etliche Mal gesehen und er konnte vermutlich blind durch diese Stadt navigieren. Aber nichts löste etwas in ihm aus. Er hatte nicht das Gefühl, irgendetwas hier wirklich zu vermissen, wenn er erst einmal weg war. War das seltsam? Kit riss ihn aus seinen Gedanken.
      "Oh, äh, ich mag Katzen", sagte er aus dem Nichts. Ein besserer Fakt war ihm gerade nicht eingefallen. Was konnte er ihm noch erzählen… Wieso interessierte es den Rothaarigen eigentlich? "Ich liebe Oliven und meine Eltern bauen die auch selbst an" Er stoppte, bevor er zu der nächsten Sache kam, die er erzählen wollte. Er hatte beinahe gesagt, dass seine Frau aus einer Weinbau-Familie kam und sie deshalb mehr oder weniger in die Ehe gezwungen wurden. Aber das war irgendwie nicht der richtige Moment, so etwas zu erzählen. Wenn es dafür überhaupt je einen richtigen Moment gab. Vermutlich nicht. Manche Dinge behielt man wohl lieber für sich. Er warf einen Blick zu Kit. Aber eigentlich wollte er ihm gerade ohnehin viel mehr erzählen, als vielleicht vernünftig war.
      "Hast du… eine Familie mit der du reist? Eine… Person, die dich begleitet?", fragte er vorsichtig.
      Dass Ari verheiratet war, war jedenfalls nie eine freiwillige Entscheidung seinerseits gewesen. Er mochte Frauen, zumindest oberflächlich, aber definitiv nicht diese spezielle Frau, die vermutlich direkt aus der Hölle geschickt wurde, um ihm sein Leben zu vermiesen. So wirklich verliebt war er in seinem Leben noch in niemanden gewesen, aber wenn es am Ende ein Mann gewesen wäre, hätte er ohnehin keine Beziehung mit ihm führen können, die über etwas körperliches hinausging. So war es nunmal. Das wurde nicht gerne gesehen.
      Ari fragte sich, ob er Kit vielleicht missverstanden hatte, als er ihn vorhin angesprochen und auf ein Getränk eingeladen hatte. Wenn er es wirklich nur darauf abgesehen gehabt hätte, ihn für eine Nacht zu entführen, dann würden sie gerade kaum zu seinem Schiff laufen und eine tagelange Reise planen, während sie sich über ihr Leben unterhielten. Also hatte er wohl wirklich nur sein Lied gemocht und suchte einen Musiker für das Schiff? Er ärgerte sich ein wenig über sich selbst, dass er wohl in beiden Fällen mit ihm mitgegangen wäre.
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    • Katzen. War es seltsam, dass Ari auch irgendwie wie jemand wirkte, der Katzen mochte? Kit meinte das nicht mal wertend. Er hatte nur irgendwie das Gefühl, als hätte er diesen Fakt selbst erraten können, wenn Ari ihn gefragt hätte. So, als würden sie sich schon viel länger und besser kennen, als sie es tatsächlich taten. Vielleicht bildete er sich das aber auch einfach ein und Ari hatte einfach eine...katzenfreundliche Ausstrahlung, oder sowas. Oder Kit wollte einfach nur, dass sie sich auf einer anderen Ebene vertraut waren und sein Unterbewusstsein spielte ihm Streiche.
      "Nein, ich reise meistens alleine", antwortete Kit. "Also, mehr oder weniger alleine. Irgendwann kennt man die meisten anderen Händler und nutzt halt zufällig mal die selben Schiffe. Ich bin seit zwei Häfen mit dem Schiff unterwegs und im letzten ist ein Bekannter von mir auch dazugestiegen, zum Beispiel. In Phabra steigt er aus, während ich nach Athen weiterreise. Wenn du lange genug unterwegs bist, werden wir uns hoffentlich auch öfter über den Weg laufen." Es brauchte zwei Schritte, bevor Kit realisierte, dass er das eigentlich gar nicht hatte sagen wollen. 'Vielleicht' war das Wort gewesen, an das er gedacht hatte. Sie würden sich 'vielleicht' über den Weg laufen. Er wusste nicht, wieso er 'hoffentlich' gesagt hatte, auch...wenn es eigentlich viel passender war. Er hoffte wirklich, mehr Zeit mit Ari verbringen zu können, wenn auch vielleicht nicht direkt an einem Stück.
      "Oh, da vorne kannst du das Schiff schon sehen." Kit war ein bisschen froh über die Ablenkung, während er auf eines der Schiffe im Hafen deutete. Die Paralus war ein kleines Schiff - mit Ari wären sie wahrscheinlich fast komplett ausgebucht - aus dunklem Holz mit einem Segel, das eventuell irgendwann mal weiß gewesen war, durch die salzige See und die viele Sonne aber nun leicht gelblich wirkte. Ein paar der Seemänner, die das Schiff am Laufen hielten, standen an Deck und lachten über irgendeinen Witz, ein Matrose war damit beschäftigt, die Taue zu prüfen. "Der Kapitän ist relativ umgänglich und die Paralus liegt gut in den Wellen. Bis jetzt hab ich die Fahrt noch nicht bereut", versicherte Kit mit einem kleinen Lächeln, während er zu Ari sah. "Ich will dich nicht in eine Reise hineinreden, aber falls du dir sicher bist, dass du die Welt sehen willst, ist das wahrscheinlich ein ziemlich guter Anfang."
    • Hoffentlich? Kannten sie sich nicht seit höchstens einer Stunde? "Oh, ja, vielleicht", erwiderte Ari mit einem Lächeln. Er hatte ja keine Ahnung, wo es ihn hintreiben würde. Seinetwegen konnte er auch einfach Kit auf Schritt und Tritt folgen, solange er Lust dazu hatte und keinen gröberen Plan, was er mit seiner Reise eigentlich erreichen wollte. Aber sie kannten sich schließlich kaum und er wollte ihm nicht gleich auf den Fersen kleben. Auch wenn Kit anscheinend Gefallen an ihm gefunden hatte, auf welche Art auch immer. Wenn er alleine reiste… bildete Ari sich vielleicht doch nicht alles ein.
      Er betrachtete staunend das Schiff, das offenbar seine Heimat sein würde für de nächsten Tage oder… Monate, wer konnte das schon wissen? Es war wunderschön. Man konnte beinahe die ganzen Abenteuer am abgenutzten Holz sehen, die es schon erlebt haben musste. Paralus. Ein toller Name.
      "Oh, ich bin mir sicher", sagte er sofort. Jetzt sicherer, als nie zuvor. Etwas zog ihn auf dieses Schiff. Er wollte am liebsten sofort los segeln. "Und wann genau legt das Schiff ab?", fragte er mit einer leichten Ungeduld, die für ihn eigentlich sehr untypisch war. So dringend hatte er im Leben vorher noch nie etwas gewollt. Er war schon kurz davor, einfach auf das Schiff zu rennen und tief die Meeresluft einzuatmen, um einen Vorgeschmack auf die Fahrt zu bekommen, aber er wollte auch nicht unbedingt wie ein Verrückter auf Kit wirken. Stattdessen ließ er sich kurzerhand auf dem Pier fallen, sobald sie diesen erreicht hatten und ließ seine Füße von der Brücke baumeln, während er noch eine Weile das Schiff anstarrte, bevor er seien Aufmerksamkeit wieder Kit schenkte.
      "Ist es nicht einsam, so lange alleine zu sein?", fragte er und lächelte. Er selbst wollte zwar definitiv lieber alleine sein, als Zeit mit Antheia zu verbringen, dennoch verspürte er schon immer eine Art Loch in sich, die er mit nichts füllen konnte. Nur hatte er sich daran einfach gewöhnt. Ob er also nun alleine auf dem Schiff reisen würde oder in seiner Stadt blieb, machte für ihn keinen sonderlichen Unterschied, nur dass er auf Reisen die größere Chance hatten, doch noch etwas zu finden, dass diese Leere in ihm füllen konnte. Vielleicht war es dämlich, so etwas zu denken, aber wenn es sein Schicksal war, diese Stadt zu verlassen, war es vielleicht auch Schicksal gewesen, dass Kit ihn dazu letztendlich brachte und ihm den finalen Stoß in die richtige Richtung gab? Vielleicht war das alles so von den Göttern gewollt und Ari konnte bald aufhören, sich so unruhig und ziellos zu fühlen.
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    • Es klang wahrscheinlich vollkommen bescheuert, aber irgendwie war es nett, Ari dabei zu beobachten, wie er das Schiff beobachtete. Wen sich Kit wirklich Sorgen darum gemacht hatte, dass Ari nur aus einem Impuls heraus mit ihm kommen würde, hatte sich diese nun erledigt - irgendetwas in Aris Blick ließ ihn so wirken, als wäre er zum Reisen geboren worden. Manche Menschen schienen diese Art Ausstrahlung einfach zu haben. Zu wissbegierig, um zu lange im selben Dorf zu wohnen.
      "Wir legen morgen früh bei Sonnenaufgang ab", erklärte Kit, während er sich neben Ari setzte und auf das Meer hinaus sah. "Bis dahin werden Vorräte aufgestockt, kleine Blessuren repariert und so." Er hatte in den letzten Jahren einiges über das Seefahren gelernt und bei kleineren Booten ab und an selbst handangelegt, auch, wenn er sich selbst nicht mal ansatzweise als Matrosen bezeichnen würde. Es war faszinierend, in die Logistik hereinzuschauen, aber am Ende des Tages wahr Kit ziemlich froh, sich nur um Stoffe und Buchhaltung den Kopf zerbrechen zu müssen.
      "'Einsam' ist nicht ganz das richtige Wort. Es ist...es ist irgendwie schwer zu beschreiben. Ganz alleine ist man ja nie. Man hat immer Menschen um sich herum. Man muss sich halt nur irgendwie daran gewöhnen, dass man sich meistens nur kurz trifft und sich dann eventuell nie wieder über den Weg läuft." Was ihn bisher nie so richtig gestört hatte. Bei Ari kam ihm das allerdings wie die schlimmste Sache auf Erden vor. Er wollte ihn nicht gehen lassen, bevor er nicht alles mögliche über ihn herausgefunden hatte. "Es kann sich ab und an etwas seltsam anfühlen, wenn man auf einem Schiff oder in einer Stadt ist, in der man niemanden kennt", schob er hinterher. Da musste man schon ein wenig über seinen Schatten springen und damit anfangen, neue Kontakte zu knüpfen, was eigentlich überhaupt nicht Kits Hobby war - Ari schien hier erneut die einzige Ausnahme zu sein.
      "Wie ist das in deinem Leben?", fragte Kit schließlich zurück, während er zu Ari sah. "Jeden Tag die selben Menschen. Vermisst du sie nicht, wenn du das alles zurücklässt?"
    • Ari sah auf seine Füße, die er über dem Wasser baumeln ließ. Er wollte nicht unsensibel klingen. Aber es gab in dieser Stadt niemanden, den er unbedingt in seinem Leben brauchte. Er würde noch nicht einmal seine Eltern großartig vermissen, hatten diese ihn in eine Ehe gezwungen und ihm nie zugehört, wenn er seine eigenen Wünsche angesprochen hatte. Nur, weil er sie nicht vermissen würde, hieß das nicht, dass er sie garnicht leiden konnte. Sie waren bloß alle irgendwie… insignifikant. Und jeder wie der andere. Ja, das klang schrecklich. So konnte er das jedenfalls nicht weitererzählen.
      "Vielleicht sehe ich sie ja irgendwann wieder", sagte er also, um einer direkten Antwort etwas aus dem Weg zu gehen, und lächelte. Vielleicht packte ihn ja auch irgendwann das Heimweh und er wollte doch wieder zurück an einen vertrauten Ort mit vertrauten Menschen. Vielleicht machte er ja einfach nur eine Phase durch, die… sein ganzes Leben angehalten hatte und in dem Moment verschwand, in dem er bekam, was er wollte. Wie ein Kind, das nie zufrieden war mit dem, was es hatte. Irgendwann musste aus dieser Phase doch jeder herauswachsen.
      "Ich mag es, neue Menschen kennenzulernen. Ich glaube, ich bin wie für das Leben auf einem Schiff gemacht", grinste er. "Lieber treffe ich jeden Tag andere Menschen als den Rest meines Leben dieselben um mich zu haben" Zumindest bekam er so immer neue Dinge zu hören. Außerdem gab es wirklich interessante Gestalten, sogar hier. Also musste es doch in anderen Städten noch um einiges spannender sein, sich mit Fremden zu unterhalten, die alle ein eigenes Leben hatten und unterschiedliche Erfahrungen. Ari fühlte sich manchmal, als würde er durch Gespräche mit anderen bloß versuchen, Wissen in sich aufzusaugen, wie ein Schwamm. Es kam ihm vor, als wäre er ein Beobachter von Außen, der so viel über diese Welt lernen musste, wie es nur irgend möglich war.
      Mit einem Ruck hob er die Beine wieder auf den hölzernen Pier und setzte sich im Schneidersitz Kit gegenüber, um ihn besser ansehen zu können. "Wo kommst du her, Reisender?", fragte er und grinste. "Du musst doch auch mal die Entscheidung getroffen haben, dein Zuhause zu verlassen. Also?"
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    • Eigentlich war das das Schöne am Reisen - man konnte jederzeit wieder zurück nach Hause gehen, wenn man genug hatte. Nur schien Ari nicht wie jemand, der sich nach zuhause sehnte. Vor allem, weil er keine Anstalten machte, sich von jemandem zu verabschieden. Wusste seine Familie, wie sprunghaft er war und würde sich keine Sorgen machen, wenn er verschwand, oder plante er eigentlich gar nicht, je wieder zurück zu kommen? Obwohl Kit diese Frage wahrscheinlich gar nicht stellen durfte - er hatte sich nie nach seinem Zuhause gesehnt und war einen Großteil seiner Karriere ohne Pause unterwegs gewesen, immer auf der Suche nach...Ari. Jemandem, wie Ari.
      "Kennenlernen und Aushalten. Letzteres ist nicht immer so leicht, wie es sich anhört", antwortete Kit mit einem kleinen Lächeln, als Ari davon sprach, wie gerne er neue Leute kennen lernte, was irgendwie offensichtlich war. Kit war eine neue Person für ihn und ihre Unterhaltung verlief dermaßen gut, dass Ari ihm das Gefühl gab, dass sie sich schon viel länger kennen würden. Daher musste er fast Lachen, als Ari ihm die nächste Frage stellte.
      "Ich komme aus einem furchtbar kleinem Dorf oben im Süden. Ich glaube, mir ging es nicht anders, als dir - ich wollte einfach mal was anderes sehen, als immer die selben Leute." Er sah wieder auf das Wasser hinaus. Man konnte ein paar kleine Fischschwärme sehen, die durch das Wasser flitzten, das in sanften Wellen gegen den Steg schlug. "Ich hatte immer das Gefühl, dass ich irgendetwas gesucht habe. Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie hat sich nie ein Ort wirklich richtig angefühlt, also habe ich einen Beruf gewählt, bei dem ich so viele Orte wie möglich sehen kann." Nur um am Ende das seltsame Gefühl zu haben, dass er gar keinen Ort suchte, sondern eine Person. Manchmal war das Leben merkwürdig. "Bis jetzt hab ich die Entscheidung noch nicht bereut, also hast du vielleicht auch Glück und tust das Richtige." Vielleicht mussten manche Menschen einfach reisen, um glücklich zu sein.
      "Wie bist du an die Musik gekommen? War das immer schon etwas, in dem du gut warst?", frage er zurück, während er wieder zu Ari sah, dessen Profil von der untergehenden Sonne so angestrahlt wurde, dass es kurz so aussah, als ob er selbst leuchten würde, was irritierend hübsch war.
    • Er hatte recht. Menschen auszuhalten war ein ganz anderes Level an sozialer Kompetenz und an der scheiterte sogar Ari oft genug. Irgendwann gingen ihm die meisten Leute ja doch auf die Nerven. Und irgendwann begannen sie auch alle, weniger interessant zu wirken, als noch zu Beginn ihres Kennenlernens. Trotzdem hatte er irgendwie das unerklärliche Gefühl, es lange mit Kit aushalten zu können. Zumindest lauschte er wahnsinnig gerne seiner Stimme. Ein bizarrer Gedanke. Aber er konnte seinetwegen ewig weiterreden, und das nicht nur, weil er Interessantes von sich gab. Es war einfach schön, ihm zuzuhören und das freundliche Lächeln immer wieder dabei zu beobachten, wie es sich auf seinen Lippen bildete.
      "Dann haben wir uns ja gefunden", grinste Ari. So hatten sie beide jemand Neuen kennengelernt, wie sie es vorgehabt hatten. Und offensichtlich konnte er auch die Langeweile nachvollziehen, die mit der ganzen kleine-Ortschaft Atmosphäre kam, ob es nun ein Dorf oder eine Stadt war. Am Ende war man jeden Winkel einmal abgegangen und hatte alles gesehen, was sie zu bieten hatte. Und dann hieß es Weiterziehen. Für Ari hatte es ja dennoch lange genug gedauert. Er hätte auch viel früher einen Beruf wählen sollen, der ihm die Freiheit schenkte. Aber es wäre bestimmt ein Kampf mit seinen Eltern gewesen. Sich davonzustehlen wirkte wirklich wie die einzig sinnvolle Lösung.
      Ari sah auf das glitzernde Wasser, in dem sich die Farben des Sonnenuntergangs langsam zu spiegeln begannen. Das war zu romantisch, um wahr zu sein. Er liebte das Meer gerade mehr denn je. Ihm fielen sofort Noten ein, die dieses Gefühl einfangen könnten. Dementsprechend antwortete er: "Ja, ich mochte Musik schon immer. Es lag mir irgendwie, also hab ich mich damit von meinem Fernweh abgelenkt" Das so auszusprechen, machte diese Tatsache irgendwie noch realer. "Ich denke, Musik wird mich trotzdem immer begleiten, egal wie weit ich reise", sagte er lächelnd. Einen Moment wurde er still und betrachtete Kit, wie er da saß und seine goldbraunen Augen von der Sonne hervorgehoben wurden. Seine Haare hatten fast die Farbe des Sonnenuntergangs. Wie schön.
      Ari gab irgendeinem seltsamen, Magnetismus-ähnlichen Gefühl nach und streckte gedankenverloren einen Arm aus, recht weit, denn Kit und er saßen garnicht so nah beieinander, und strich ihm eine verwehte Haarsträhne hinters Ohr. "Deine Haare sind toll. Das hörst du bestimmt oft", murmelte er, vollkommen fixiert auf deren Farbe und die einzelnen leuchtenden Haarsträhnen, die überall von der sanften Brise weggeweht wurden.
      Es war seltsam, sie kannten sich kaum und normalerweise würde Ari sich niemals jemandem annähern, den er nicht einschätzen konnte. Aber das war ja gerade das, was ihn irritierte: Er hatte das Gefühl, Kit hervorragend einschätzen zu können, auch wenn sie sich gerade erst kennengelernt hatten.
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    • 'Gefunden' war wohl genau das richtige Stichwort. Kit konnte es nicht wirklich beschreiben, aber er hatte das Gefühl, dass etwas in ihm ruhiger wurde, je länger er sich mit Ari unterhielt. Wahrscheinlich war es nur die Aufregung, eine neue Person kennen zu lernen, die sich langsam legte, aber so extrem hatte er es zuvor noch nie gespürt. Allerdings war es ihm auch noch nie so wichtig gewesen, jemanden kennen zu lernen, wie bei Ari. Zuvor hatte er die Leute um sich herum immer kurz angetestet, um zu sehen, ob sich ein längeres Gespräch lohnen würde und dann entsprechend reagiert, aber bei Ari hatte er einfach ab der ersten Sekunde gewusst, dass er mit ihm reden musste.
      Trotzdem wusste Kit nicht, wie er reagieren sollte, als Ari ihm die Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Ari hatte recht - Kit hörte oft Kommentare über seine Haare. Die meisten eher neugierig, weil die Farbe in dieser Gegend eher ungewöhnlich war. Ab und an schienen Leute auch einfach das Bedürfnis zu haben, seine Haare anzufassen, was er bisher nie gemocht hatte, aber bei Ari war es anders. Bei Ari hatte er den schrecklichen Drang, seinen Kopf ein wenig zur Seite zu neigen und seine Wange gegen Aris Hand zu drücken. Was vollkommen irre war. Sie kannten sich immerhin kaum.
      "Danke", antwortete er, immer noch ein wenig überfordert. Er konnte fühlen, wie sein Herz schlug. "Die meisten Leute hier finden die Haare eher seltsam, wenn ich ehrlich bin." Was ihn eigentlich auch nie gestört hatte. Der verträumte Blick von Ari war da fast schlimmer, alleine, weil dieser Blick Sachen mit Kits Kopf anstellte, über die er nicht nachdenken wollte.
      "Ich mag deine Augen. So ein Blau sieht man selten." Kit war selbst ein bisschen irritiert darüber, dass er diesen Gedanken gerade laut und deutlich ausgesprochen hatte. Er wusste nicht mal wirklich, was seine Intention dahinter gewesen war - wollte er Ari einfach mit seltsamen Fakten über ihn selbst langweilen, oder war es ein Flirt? Kit war immer schon absolut furchtbar im flirten gewesen. Aber wollte er mit Ari flirten? Er hatte ein paar kurze romantische Erlebnisse auf seinen Reisen gehabt, aber bisher waren diese nie von ihm ausgegangen. Er hatte noch nie das Bedürfnis gehabt, jemanden anzuflirten. Alle Romanzen waren mehr aus Neugierde entstanden, als aus tatsächlichen Gefühlen. Vielleicht hatte er wirklich nur darauf hinweisen wollen. Aber warum hatte er dann das Bedürfnis, seine Worte zu rechtfertigen?