My Bodyguard? I'm not your Bodyguard [Wynnie & Aurelius]

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    • My Bodyguard? I'm not your Bodyguard [Wynnie & Aurelius]

      zur Vorstellung

      @Wynnie

      Richard Cavallo

      Der Sicherheitschef saß mit einem Kopf auf seiner Hand abgestützt in seinem Wagen und blickte auf das altehrwürdige Empfangsgebäude des Imperial College in London. Es war die beste Universität der britischen Hauptstadt und neben Oxford und Cambridge wohl eine der besten des Landes. Rick schüttelte genervt den Kopf. "Snobs", raunte er als die ersten jungen Studenten aus der Universität kommen sah. Sie hatten feine Pullover aus Kashmir, Seidenkleider oder schöne Pelzmäntel an. Sie waren doch zum Studieren hier und nicht zu einer Modenschau, oder? Ricks Augen folgten aufmerksam den immer wieder auf der großen Doppeltür kommenden Menschen. Er suchte sein eigentliches Ziel - Theodore Reyes. Von seinen alten Jobs war es gewohnt auf der Lauer zu liegen und auf sein Ziel zu warten. Er kannte den jungen Mr. Reyes kaum, hatte ihn nur drei- oder viermal im GAIA-Hauptquartier, wo Richard sein Büro hatte, gesehen. Er wusste jedoch genau, wie der junge Mann aussah, da es zu seinen Pflichten gehörte auf den Firmengründer und seine Familie ein wachsames Auge zu haben. Theodore Reyes war ein blonder Mann, 25 Jahre und etwa 1,82 Meter groß. Viel ist über ihn - aufgrund seiner geringen Anwesenheit im Konzern selbst - nicht bekannt. Der Sicherheitschef hatte es jedoch nicht unterlassen etwas in der firmeneigenen Datenbank zu recherchieren und fand heraus, dass der Firmenerbe ein Jahr in Island für GAIA gearbeitet hat. Einige Telefonate später hatte er ein grobes Bild von seinem neuen Objekt, das er beschützen sollte. Seine ehemaligen Vorgesetzten beschrieben ihn als distanziert, kühl, arrogant und absolut uninteressiert. Eine Beschreibung, die sich Rick kaum vorstellen konnte. Er würde mal einer der reichsten Briten werden und einen Konzern erben, der so viel Gutes für die Menschen mit seiner Technik tut. Er schnaufte ungewohnt laut, da er es beinahe als Beleidigung empfand, diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Stattdessen richtete er seinen Blick wieder auf die Stufen zum Eingang des Hauptgebäudes des Imperial Colleges. Es kam einer neuer Stoß an Studenten heraus und Theodore war immer noch nicht unter ihnen. Rick sah auf die große Uhr an seinem Handgelenk. Es war mittlerweile 13 Uhr und der Firmenerbe sollte bereits seit 15 Minuten Vorlesungsende haben. Rick war das Sitzen leid und verließ den Wagen. Er lehnte sich von außen gegen den schwarz lackierten Audi und behielt den Haupteingang fest im Blick.

      Er sah kurz in die Innenseite seines Sakkos, ehe er seufzte. Früher hatte er geraucht (und nicht gerade wenig). Für einen Kommissar bei der NCA war dies aber durchaus üblich. Anders schaffte man den Job gar nicht. Doch seit des LAZARUS-Programms und dem Ersatz einiger seiner Organe war ihm das Rauchen verboten. Er runzelte die Stirn, dass er nach all der Zeit immer noch die Angewohnheit hatte, wenn er auf Termine warten musste nach einer Zigarette zu suchen. Nun war ihm dieses zweifelhafte Vergnügen nicht mehr gegönnt. Jedoch nutzte er die Zeit und musterte seinen schwarzen Anzug und das weiße Hemd. Wie immer trat er makellos zu seinen Jobs auf und zu seinem eigenen Wohlbefinden, sah auch so niemand blöd auf seine vielen technischen Implantante. Auch wenn es mittlerweile Usus war, dass die Leute eine Vielzahl von Cyberware in und an sich trugen, war man immer noch ein Blickfang. Dem wollte Rick entgehen. Er war kein Freund der großen Bühne. Das überließ er lieber anderen, was vermutlich auch erklärte, wieso er immer Jobs wählte, die Sicherheit bringen, bei denen aber nie eine einzelne Person im Fokus steht.
      Der Braunhaarige richtete den Blick wieder auf und beobachtete, wie sich erneut die Tür des Imperial College Hauptgebäudes öffnete. Dabei entging dem Sicherheitschef nicht der blonde, elegant gekleidete Mann, der nun mit ein paar anderen ebenso gekleideten Personen die Stufen hinunter lief. Am Ende der Stufen schienen sie sich zu verabschieden und Rick nutzte die Gunst der Stunde und ging auf sein Objekt zu. "Mr. Reyes junior?", fragte er den blonden Mann, der sich daraufhin zu ihm drehte und ihn von oben nach unten musterte. "Wir hatten bisher nur ein paar Mal das Vergnügen. Euer geliebter Vater schickt mich um ..." Rick kam ins Grübeln, wie sollte er seinen Job verkaufen? Sein Chef hatte ihn bereits auf großen Widerstand seines Sohns vorbereitet. "um ein Auge auf euch zu haben. Ihr habt das Interesse anderer Akteure geweckt. Das werde ich unterbinden."
      Ihm entging nicht der missfallende Blick seines Gegenübers. "Euer Vater hat mir für euch die komplette Sicherheitsfreigabe erteilt. Das heißt - ich warne euch nur vor - ich kann auch gegen Ihren Willen handeln, wenn es zum ihrem körperlichen Wohle oder dem des Konzerns ist." Richards Miene veränderte sich dabei nicht, jedoch genoß er den Anblick des jungen Reyes, der ihn mit einem starren und fassungslosen Blick anzusehen schien. Die Vorkommnisse, in die Theodore verwickelt gewesen war, gaben ihm Recht. Wie Theodores Vater sah Rick es als richtig an, den Jungen genauer zu beobachten und solche "Annäherungsversuche" konkurrierender Konzerne abzuhalten. Theodore war seinem Vater zu wichtig und in Anbetracht des Größe und Wichtigkeit des GAIA-Konzerns konnte der Sicherheitschef diese Bedenken nur nachvollziehen.

      Theodores Freunde, die mit ihm aus dem Hauptgebäude kamen, standen unweit der Treppen und beobachteten die beiden. Der Braunhaarige wand seinen Blick zu den Menschen. Neugierig beobachteten sie die beiden und kicherten. Richard sah zu seinem Schützling. Er rollte die Augen über diese verzogenen Großstadtgören und sah wieder zu dem Blonden. "Ich heiße übrigens Rick Cavallo, Sicherheitschef von GAIA PLC. Euer Vater sagte mir jedoch bereits, dass er euch vorge ..." Erneut fiel Rick die ungünstige Wortwahl auf. Die Reaktion, die Theodore an den Tag legte, wirkte nicht so, als ob dieser besonders zufrieden war mit dem 'Schutz'. Dies spürte auch der Sicherheitschef, der es gewohnt war menschliche Reaktionen zu lesen und daraus seine Schlüssel zu ziehen. "Euer Vater sagte mir, dass er euch bereits informiert hat. Dann seid ihr mit dem weiteren Verfahren ja vertraut."

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    • Theodore Archie Reyes
      Nach mittlerweile mehr als zwei Jahren an der Uni hatte Theo aufgegeben so zu tun, als würde er zuhören. Wenn das letzte Jahr für eines gute gewesen war, dann dafür, dass ihm ziemlich schnell klar geworden war, dass man bei einem Großteil der Vorlesungen gar nicht zuhören musste, um die Kurse erfolgreich abzuschließen. Bei einem Vortrag am Ende des Semesters konnte er einfach ein zufälliges Thema nehmen, dass wenigstens oberflächlich etwas mit dem Inhalt des Kurses zu tun hatte. Diese Art der Prüfung war Theos liebste. In Vorträge musste man die wenigste Arbeit stecken und sein natürlicher Charme und Selbstbewusstsein erledigten den Rest. Der nervigste Part war hier noch das auswendig lernen. Technische Hilfsmittel, wie Cyberware, waren beim Vortragen nicht zugelassen. Überhaupt zwang man sie an der Uni, vieles auf langweilige, altmodische Art zu tun. Das stärkt Charakter und Fähigkeiten, oder so. Theo hatte schon bei der Willkommensrede des Dekans nicht zugehört.
      Hausarbeiten waren etwas kniffliger als Vorträge. Auch hier musste man nicht zwangsweise während der Vorlesungen zuhören und konnte eine Thematik wählen, die sich irgendwie mit dem Namen des Kurses verknüpfen ließ, aber Hausarbeiten waren deutlich mehr Arbeit als ein Vortrag. In seinem ersten Jahr hatte Theo ein- oder zweimal einen Ghostwriter seine Arbeiten schreiben lassen. Nicht so auffällig perfekt, wie es eine AI gewesen wäre und doch gut genug, um seine Kurse zu bestehen. Aber dann war einer seiner Kommilitonen mit genau derselben Masche erwischt worden und war ohne Vorwarnung exmatrikuliert worden. Was ein Trottel, dass er sich hatte erwischen lassen.
      Trotzdem hatte Theo aufgehört, Ghostwriter anzuheuern. Stattdessen hatte er einfach gar keine Hausarbeiten mehr geschrieben. Ein Fehlversuch führte nicht zur Exmatrikulation und er war zu beschäftigt gewesen, seine neugewonnene Freiheit auszukosten, um sich mit Hausarbeiten rumzuärgern. Zumindest, bis sein Vater ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Jetzt ärgerte Theo sich also regelmäßig damit herum, wissenschaftliche Quellen zu sichten und richtig zu zitieren. Für beides hatte er zwar ein Programm, aber alles Zusammentragen und neue Erkenntnisse aufschreiben musste er immer noch selbst.
      Was war also schlimmer als eine Hausarbeit, die regelmäßig Stunden seines wertvollen Tages fraß?
      Klausuren.
      Kurse, die am Ende des Semesters durch Klausuren prüften, hatte Theo festgestellt, waren die anspruchsvollsten. Denn sie erwarteten eine dauerhafte Aufmerksamkeit der Studenten. Jede Information, jedes Wort und jeder Slide der Präsentation konnte relevant werden. Besonders arschige Dozenten, die ihren Machttrip über die Studenten bis zum letzten Zug ritten, gaben nicht mal eine Übersicht der zu erwartenden Themen. Für diese Menschen war ein besonderer Platz in der Hölle reserviert. Theo glaubte nicht an viel, aber ganz fest daran.
      Was er in zwei Jahren Universität also gelernt hatte, war, wo er zuhören musste, und wo er es nicht musste. Bestimmt nicht das Ziel des Studiums, aber doch eine ganz eigene Fähigkeit, die Theo bis dato mit einem Mindestmaß von Arbeit erlaubte, weiterhin zu studieren. Oder zumindest so zu tun.
      Gerade saß er gelangweilt in einem Kurs, der sich Business Analytics schimpfte. Es war Theos letzter Kurs des Tages und die Chance damit allein schon verschwindend gering, dass er auch nur einen Hauch Aufmerksamkeit erübrigen würde, für das, was sein Professor schwafelte. Außerdem war das hier kein Kurs, in dem er eine Klausur schreiben musste und damit war auch die letzte Hoffnung verloren, dass Theo doch zuhören würde.
      Lässig hatte Theo sich in dem unbequemen Sitz des Vorlesungsraums zurückgelehnt, die Beine ausgestreckt und an den Waden überkreuzt. In seinem Kopf tickten die Sekunden runter, bis der Scheiß hier endlich vorbei war. Ganz kurz kam ihm der Gedanke, dass das Gelaber seines Dozenten vielleicht wichtig sein könnte für den Erben eines der größten Konzerne der heutigen Zeit. Aber Theo schob den Anflug eines selten vernünftigen Gedankens achtlos bei Seite und trommelte mit den Fingern seiner linken Hand gegen die Armlehne seines Sitzes. Eine steile Falte zwischen seinen Augenbrauen zeugte von seinem Unmut.
      „Und damit sind wir am Ende der heutigen Vorlesung angelangt.“, sagte Professor Davies. Augenblicklich ertönte das Geraschel von Taschen und Jacken. Gemurmelte Gespräche wurden lauter und ein Großteil der Studenten erhob sich und verließ schon den Raum, während Davies sie in einem verzweifelten Versuch daran zu erinnern versuchte, dass noch nicht alle ihre Themen für die Fachpräsentation eingereicht hatte. „Denkt bitte daran. Nächste Woche möchte ich alle Themen haben!“
      Theo rollte seine Augen, schnappte sich seine hochwertige Ledertasche, die wahrscheinlich in mehreren Ländern illegal war, und duckte sich aus dem Hörsaal, bevor Davies ihn noch persönlich darauf ansprechen konnte, dass er noch kein Thema eingereicht hatte. Er würde sich schon noch was einfallen lassen.
      Aber kaum hatte Theo sich aus dem Hörsaal gestohlen rutschte der Gedanke ganz nach unten auf seiner Liste.
      „Hat Davies auch wieder so einen Müll gelabert? Ich dachte echt kurz, wenn ich noch einen Satz mehr über Shareholder und internationale Schachtelbeteiligung höre, muss ich kotzen.“, Benjamin, Ben wie ihn alle nannten, kam durch die Masse an wandernden Studenten auf Theo zugeschritten. An seiner Seite war Victoria, die ebenso gelangweilt aussah, wie Theo sich fühlte.
      Theo zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich habe nicht zugehört.“ Ben fing an zu grinsen. „Der einzige Weg, um Davies‘ langweilige Tiraden zu überleben.“
      Victoria, die offensichtlich gleichzeitig mit dem Ende ihres letzten Kurses auch komplett mit der Uni für den Tag abgeschlossen hatte, zupfte an ihrem perfekt sitzendem Kaschmirpullover herum und rollte mit den Augen. Ihr strenger Pferdeschwanz aus Haselnussbraunen Haaren wippte mit jedem geschwungen Schritt von ihr hin und her. „Können wir mal über die wirklich wichtigen Dinge reden?“ Sie verzog das Gesicht und hielt ihre gespreizten Finger so hin, dass Ben und Theo sie sehen konnten. „Mir ist vorhin ein Nagel abgebrochen.“

      Das Dreiergrüppchen schlenderte mit einer Gelassenheit durch das alte Universitätsgebäude, wie sie nur Leute aufbringen konnten, die wussten, dass nicht sie auf die Welt, sondern die Welt auf sie wartete. Jeder von ihnen reich und einflussreich genug um mit einem Fingerschnippen die Welt um sie herum zum Erliegen zu bringen. Oder zumindest war dies das Gefühl, nach dem sie lebten. Öfter als nicht war es die Realität, dass Menschen mit Macht und Geld die Welt um sich herum formten. Jeder von ihnen würde einmal eine solche Person werden – wenn das Leben ihnen keinen Strich durch die Rechnung machte. Aber das würde sich das Leben niemals wagen.
      „Charlotte hatte auf der Gala einfach dasselbe Kleid an wie ich. Diese Bitch, das hat sie hundertprozentig extra gemacht.“, Victorias Ausdruck wandelte sich in ein unschuldiges Lächeln. „Also habe ich ihr aus Versehen Rotwein drüber gekippt.“
      „Aus Versehen.“, echote Theo und hob eine perfekt geschwungene Braue, während er die Tür des Universitätsgebäudes aufstieß. Zu dritte liefen sie durch die Tür und die Treppen etwas dahinter hinunter.
      Victoria kicherte. „Ist ja nicht mein Problem, wenn sie nicht aufpasst, wo sie hinläuft.“
      Ben schüttelte nur den Kopf, aber auch er grinste. „Niemals dasselbe tragen wie Victoria, alles klar.“
      „Solange du nicht plötzlich anfängst, Kleider zu tragen, musst du dir da keiner Sorgen machen.“, summte Victoria und ließ ihren Blick kurz musternd über Ben wandern. „Das würde ich gerne sehen.“, kommentierte Theo und lachte kurz auf. Ben machte mit den Armen eine Pose. „Ihr wärt überrascht. Aber ne – Victorias Zorn ist mir das nicht wert.“
      „Gute Entscheidung.“, kommentierte Victoria mit so einem liebenswerten Lächeln, dass es schon fast wieder unheimlich war.
      Mittlerweile waren sie am Ende der Treppen angekommen. Theo hob halbherzig die Hand, um sich zu verabschieden. „Bis morgen, Leute.“ Dann wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung von den beiden.
      „Hey – bist du morgen bei der Party dabei?“, rief Ben ihm hinterher. Theo machte sich nicht die Mühe, sich herumzudrehen, sondern gab einfach nur ein Daumenhoch über die Schulter. Ehrlich gesagt hatte er nicht richtig zugehört, als Ben vorhin auf dem Weg durch die Uni etwas von einer Party erzählt hatte. Seine Gedanken waren bei der Erwähnung zu dem Gespräch gedriftet, dass er vor ein paar Tagen mit seinem Vater geführt hatte. Oder besser, sein Vater mit ihm. Theo war nicht viel zu Wort gekommen und alles, was er gesagt hatte, war auf taube Ohren gestoßen. Letztlich schien seinen Vater Theos Sicht der Dinge nicht wirklich interessiert zu haben. Er wollte nur seine Konsequenzen durchdrücken. Das der Vorfall Konsequenzen haben würde, wusste Theo. Das hatte sein Vater mehr als deutlich gemacht. Woraus diese Konsequenzen jedoch bestanden, wusste er nicht. Die letzten Tage war es verdächtig ruhig gewesen. Fast hoffte Theo, dass sein Vater ihn einfach vergessen hatte. Aber da war ein leises Gefühl in seinem Hinterkopf, dass ihn nicht losließ. Früher oder später würden sich die Konsequenzen bemerkbar machen.
      Das Ganze war komplett überzogen, wie Theo fand. Der Vorfall war eine einmalige Sache gewesen. Dann würde er halt zukünftig besser aufpassen. Und selbst wenn – er führte keine geheimen Gespräche über die Firma seines Vaters. Theo wusste gerade mal, wie man GAIA schrieb. Von ihm hätte niemand Insiderinformationen bekommen.
      Aber dann ertönte hinter ihm eine Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. Theo fuhr herum und war schon direkt genervt davon, wie er angesprochen worden war. Das sprach auch aus der Neigung seiner heruntergezogenen Brauen und den leicht zusammengekniffenen Augen. Weder machte Theo einen Hehl daraus, dass er genervt war, noch machte er sich die Mühe, den Mann, der ihn angesprochen hatte, unauffällig zu mustern. Stattdessen wanderte sein Blick mehr als auffällig von Kopf bis Fuß und wieder zurück. Der schwarze Anzug und das weiße Hemd saßen gut genug, um Theo nicht ablehnend das Gesicht verziehen zu lassen. Das schaffte der Typ allerdings mit den Worten ‚geliebter Vater‘. Augenblicklich sank Theos Laune an einen Tiefpunkt. Das war sie also, die Konsequenz.
      Irgendein Sicherheitsheini, der ein Auge auf ihn haben sollte. Oh, Theo zweifelte nicht an dem Können der armen Sau – dafür war sein Vater viel zu genau und akribisch. Nur das Beste vom Besten. Leider hatte Theo jedoch keinen Bock auf Personenschutz irgendeiner Art und stellte sich dementsprechend alleine schon aus Reflex quer.
      „Dann unterbinde es von so weit weg, dass ich es nicht mitbekomme.“, gab Theo schlecht gelaunt zurück und machte sich nicht die Mühe, den Kerl höflich anzusprechen. Warum auch – er war in Gleichung immer noch die wichtigere Person. Wenn er keinen Bock hatte, höflich zu sein, dann war es auch nicht. Und Höflichkeit hätte Theo gerade nicht weniger Interessieren können. Der Typ versuchte ihm in netten Worten zu erzählen, dass sein Vater ihm seine Freiheit genommen hatte.
      Theos verkniffener Gesichtsausdruck wandelte sich jedoch in pure Fassungslosigkeit, als der Mann weitersprach. Einen Augenblick starrte er ihn nur blinzelnd an. Komplette Sicherheitsfreigabe? Gegen seinen Willen handeln?
      Theos Augenbrauen wanderten nach unten, ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Aha. Und was genau soll das heißen? Wenn ich nicht mitspiele, kriege ich Hausarrest?“, fragte er spöttisch. So weit weg geholt war das in Theos Augen nicht. Sein Vater behandelte ihn ohnehin wie ein Kind, dass nicht auf sich selbst aufpassen konnte.
      Ihm entging der kurze Blick des Kerls an ihm vorbei nicht, aber Theo weigerte sich, selbst nachzuschauen, was ihn seine Augen rollen ließ. Ein kleinlicher Trotz, der niemandem etwas brachte.
      „Tut mir leid, Rick. Mein Vater hat mich über gar nichts informiert. Soweit ich weiß, könntest du irgendein dahergelaufener Freak sein. Und heutzutage muss man ja vorsichtig sein.“, gab Theo von sich und lächelte mit kühler Arroganz. Aber in seinen Augen blitzte es – Ausdruck seiner Wut über die ganze Situation. Niemals würde er da mitspielen. Sein Vater musste sich schon etwas Besseres einfallen lassen, als ihm einen glorifizierten Wachhund zur Seite zu Stellen.
      „Warum bringst du nicht nächstes Mal ein offizielles Dokument von Mr. Reyes Senior mit. Dann glaube ich dir vielleicht.“
      Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte Theo sich um und wollte gehen. Sie konnten ihn alle mal kreuzweise. Sowohl sein Vater als auch dieser Rick Typ. Theo war kein verdammtes Kindes, auf das man aufpassen musste.
      i identify as a threat. my pronouns are try / me
    • Richard Cavallo

      Er hatte sicherlich keine Freudensprünge von dem Sohn seines Chefs erwartet, da dieser ihn bereits vorgewarnt hatte. Sein Sohn sein besonders. Besonders arrogant wohl? Rick beobachtete den Jungspund und hörte in dem kühlen Unterton neben Abneigung auch etwas Wut heraus. Nun der Sicherheitschef war durchaus im Bilde, das Mr. Reyes und sein Sohn ein zwiegespaltenes Verhältnis hatten, aber das ihre Beziehung so abgekühlt war, überraschte selbst ihn. Nun wusste er, wieso er den Job übernehmen sollte. Er sollte nicht nur ein Auge auf den Firmenerbe werfen, nein er musste diesen wohl auch in seine Schranken verweisen. Eine Möglichkeit, die durchaus bestand, diesen Job aber nur lästiger machte. Daneben bekam er auch gleich die ersten Anweisungen von Theodore, wonach er doch so weit weg von ihm möglich arbeiten solle, dass dieser es nicht mitbekommt. Er würde sich nicht darauf einlassen mit dem Blonden zu diskutieren. Vermutlich fühlte er sich einfach im Recht und war es nicht anders gewohnt. Das erklärte auch die herablassende Art. Aber Rick war dies egal. Das hier war sein Job und er brauchte keine fröhlichen oder netten Worte eines 25jährigen, um diesen professionell auszuführen. Viel mehr kannte es bereits schon von seinem früheren Job als Kommissar, dass man manche Menschen einfach zu ihrem Glück zwingen muss.
      So verzog der Braunhaarige auch keine Miene, als sich der junge Mann vor ihm über potenziellen Hausarrest lustig machte. Stattdessen winkte der Blonde einfach ab und wollte seinen neuen Personenschützer lieber sofort als gleich los werden. Er drehte sich um und setzte zum ersten Schritt an, ehe Rick seine Hand auf die Schulter des Jungen legte und diesen sanft aber bestimmt zu sich drehte. "Wie bereits erwähnt, Mr. Reyes. Ihr Vater hat mir für Sie die volle Sicherheitsfreigabe erteilt." Richard verzog dabei kein bisschen das Gesicht. Er sah Theodore einfach ernst an. "Das umfasst auch gegen euren Willen zu handeln, wenn ihr es so wollt. Euer Vater war sehr genau, was das anging und erzählte mir von eurem Missmut über dieses Situation." Er fixierte den Blonden mit seinen stahlgrauen Augen. "Ich werde euch zwar keinen Hausarrest erteilen, aber ich kann meine Kontrollmöglichkeiten sehr engmaschig auf euch legen, wenn ihr weiterhin dieses Verhalten an den Tag legen wollt. Wenn ihr kooperativ seid, können wir jedoch ein 'entspannteres' Verhältnis haben. Das wird maßgeblich an euch liegen. Mir ist es im Endeffekt egal, wie ihr euch verhaltet. Euer Vater hat mir klare Instruktionen erteilt und die setze ich um - mit oder gegen euch."

      Richard löste seinen Griff um die Schulter des jungen Mannes. "Da ihr nach einer Verifikation gefragt habt", erklärte er und griff in seine Sakkotasche. "Hier. Das ist von eurem Vater er meinte ihr wisst, wie man es bedient." Der Braunhaarige händigte dem Firmenerbe ein kleines Gerät in der Größe eines Buchs aus. Es bestand aus einem metallischen, schwarzen Rahmen mit goldener Gravur in der das GAIA-Konzernlogo mehrmals eingearbeitet war und in der Mitte befand sich eine fast durchsichtige Scheibe. Rick kannte diese Geräte. Es waren von GAIA entwickelte Kommunikationstransponder, die eine Nachricht oder Aufzeichnung abspielten sobald die Person, auf die das Gerät programmiert war, ihre Hand in die Mitte legte. Rick verschränkte die Hände vor sich und beobachtete seinen Gegenüber. Dieser starrte ihn noch immer an. "Ihr müsst es auch nicht abhören, wenn ihr lieber meine Konzernidentifikationsnummer und meine Sicherheitsmarke sehen wollt. Oder aber ich sage euch, was ihr gestern mit der Kreditkarte eures Vaters gekauft habt oder welche wenigen Dinge Ihr mit Eurer eigenen Kreditkarte kauft" Innerlich musste Richard grinsen, da er seinem Gegenüber, der sich viel Mühe gab, möglichst arrogant und abweisend zu wirken, für diesen Moment die Fassungslosigkeit ansah.
      "Oh kommt schon. Denkt ihr echt euer Vater hatte vorher kein Auge auf euch? Wir hatten ein ganzes Team von Mitarbeitern, das nur Euch beobachtet hat. Leider", Richards Stimme wurde von einem zornigen Unterton begleitet, "nicht genau genug." Er räusperte sich und verdrängte den Frust über den Misserfolg des Teams. "Deswegen übernehme ich das hier. Habe sowieso genug von diesem monotonen Büros im GAIA HQ." Er streckte sich dabei, ehe er wieder auf den Studenten sah. Dieser hatte sich mittlerweile von seiner Fassungslosigkeit erholt und blickte Richard wieder so an wie im ersten Moment als er ihm offenbart hatte, dass er nun ein Auge auf ihn hat. Richard ließ es ratlos zurück wieso der Firmenerbe so abgebrüht war, wo sich sein Vater doch nur Sorgen um ihn machte. Doch er war nicht hier für eine Familientherapie, er hatte einen Job zu erledigen. Und das wollte er zu hundert Prozent richtig machen.

      "Alles gut bei euch?", riss eine Stimme die beiden aus dem Gespräch. Die beiden Studenten, mit denen Theodore gerade aus dem Hauptgebäude des Imperial Colleges kam, waren von ihrem ursprünglichen Standort am anderen Ende der Treppen zu den beiden gekommen. Richard musterte die junge Frau und den jungen Mann. Dank fortschrittlicher Cyberware und der fast lückenlose Dokumentation von Theodores Tagesablauf, die sein Team in minutiöser Kleinstarbeit erstellt hatte, erkannte Richard die beiden als Theodores Freunde Victoria und Benjamin. Richard schaute stumm auf die beiden, ehe er zu Theodore sah. Er würde gerne etwas sagen und den beiden erklären, dass man Menschen im Gespräch nicht störte. Jedoch - so ermahnte er sich - war er hier nicht als Kontroll-Daddy oder ähnliches. Er würde die Situation seinem neuen gehässigen Schützling überlassen, der sich nun sicherlich über den Kontrollwahn seines Vaters beklagte.
      Schon jetzt spürte Richard eine gewisse Abneigung gegen den Jungen. Er verdrängte den Gedanken, wollte er sich doch nicht von solch persönlichen Dingen in seiner Arbeit beeinflussen lassen. Vielleicht gab es deswegen so wenig Kontakt zwischen ihm und seinen Eltern? Richard erinnerte sich, wie Mr. Reyes Senior eines Tages auf ihn zukam und ihn um ein persönliches Gespräch bei sich Zuhause zu bitten. Er kam dieser Bitte natürlich nach und besuchte noch am Abend Theodores Mutter und seinen Vater in ihrem großen Anwesen vor den Toren Londons. Dort eröffnete ihm vor allem seine Mutter, dass sie sich große Sorgen mache. Seinem Vater ging es vor allem um den Ruf des Konzerns und dass der Junge irgendwann diesen irgendwann übernehmen sollte. Sie kamen auf Richards neuen Job als Bodyguard zu sprechen. Er lehnte diese Bezeichnung ab und wies daraufhin, dass er maximal ein Auge auf den Jungen werden kann. "Ihr Sohn ist alt genug, um die Tragweite seiner Entscheidung zu kennen. Ich kann ihn lediglich in bestimmten Situationen helfen. Ich werde ihn jedoch nicht beschatten oder ..."
      "Oh nein! Mr. Cavallo! Natürlich nicht! Es reicht uns absolut aus, wenn Sie unseren Theo im Auge behalten.", beteuerte die beiden Reyes und waren froh über die Entscheidung des Sicherheitschefs. Dieser wiederum hatte im Fortlauf des Gesprächs feststellen müssen, dass die Eltern so gut wie gar nicht über ihr Kind wissen. Tagesablauf, Freunde, Ziele, Motivationen ... alles blieb sehr vage und er musste sich am Ende alle Daten aus den Beobachtungen seines Teams ziehen. Diese Stümper waren immerhin gut genug detaillierte Listen über Theodore aufzustellen. In Anbetracht seiner missmutigen Art war dies für Richards nun beginnende Arbeit sein größter Trumpf.

      Richard spürte fragende Blicke auf sich und verdrängte diese Erinnerungen. Stattdessen blickte er in die fragenden Gesichter von Theodores Freunden. Er sah die beiden musternd von oben nach unten an. Ihren Background hatte er bereits mit ihrer firmeninternen Datenbank abgeglichen und es gab bei den Beiden keine Auffälligkeiten. Das Freundesfeld von Mr. Reyes Sohn blieb jedoch die größte Schwachstelle in seinem Sicherheitskonzept. Bereits einmal, war es einer Person gelungen, nah an Theodore ranzukommen. Er würde also alle seine Bekanntschaften genau im Auge behalten. Diese beide Zeitgenossen schienen zwar bisher unauffällig, jedoch in gewisserweise penetrant. Als ob Theo bei seinem Auftreten noch irgendwelche Freunde brauchte ... außer sie waren genauso verkorkst wie er. Ein kurzer Blick auf die Kleidung und ablehnende Körpersprache der Beiden verriet ihm: ja sie waren alle aus dem selben arroganten Holz geschnitzt. Eine schöne Scheiße, Rick, dachte sich der Sicherheitschef. Worauf hast du dich hier nur eingelassen? Dachte er ernsthaft es wäre so einfach den Sohn einer Familie zu überwachen, die selbst weniger über ihren Sohn wusste, als die Sicherheitsmitarbeiter des Unternehmens? Rick ahnte, dass hier viel Arbeit auf ihn zukommen würde. Immerhin besaß Mr. Reyes die 'Gütigkeit' Richard mit voller Sicherheitsfreigabe für seinen Sohn auszustatten und hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm jedes Mittel Recht sei, damit sein Sohn sich 'gebührend' verhält. Eine Definition, die Richard erst jetzt verstand: man hätte auch sagen können, damit Theodore weiß, wie man sich respektvoll verhält. Ein schwaches Grinsen rutschte ihm dennoch über die Lippen. So anstrengend dieser Job auch sein wird, genauso viel Spaß würde es ihm machen, diesen Quälgeist zurechtzuweisen und er wusste noch nicht, welche Mittel Richard alle im Repertoire hatte.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Aurelius ()

    • Theodore Archie Reyes
      Fassungslos starrte Theo die Hand auf seiner Schulter für einen Moment an. Niemand wagte sich, Theo einfach anzufassen – außer er lud denjenigen dazu ein. Und Theos herablassende Worte und seine kühle Arroganz waren unmissverständlich keine Einladung gewesen. Wenn sie irgendwas waren, dann ein Wink mit dem Zaunpfahl ihn in Ruhe zu lassen.
      Seine Nase kräuselte sich und seine Augenbrauen wanderten ein Stückchen zusammen. Ein Ausdruck irgendwo zwischen Entsetzen und Ekel, den vielleicht ein besonders großer Käfer verdient hätte.
      Ein etwas bessere Mensch hätte sich die Mühe gemacht, nicht so zu schauen. Aber Theo wollte, dass der Typ ganz genau verstand, was er von ihm hielt. Also ließ er seinen Blick betont langsam von der Hand auf seiner Schulter zu Ricks Gesicht wandern. Einen abschätzenden Blick in den Augen und die Lippen leicht zusammengepresst.
      Er verschränkte die Arme vor der Brust und hörte mit offensichtlicher Abneigung zu, wie man ihm gerade deutlich zu machen versuchte, dass es ja in seinen Händen läge, wie das ganze hier ablaufen würde. Theo konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. Nichts hier von hatte je in seiner Macht gelegen. Andernfalls würde der Kerl ihm nicht gerade ernsthaft erklären, dass er im Endeffekt einen Scheiß darauf gab, ob Theo nun mitspielte oder nicht. Er hatte Anweisungen, die er durchsetzen würde. Die kleine Rede verfehlte ihr Ziel jedoch vollkommen. Alles, was sie bei Theo auslöste, war der Drang, sich nur noch mehr quer zu stellen.
      „Dieses Verhalten?“, echote er. Eine seiner Brauen wanderte ein Stück nach oben, ehe sich wieder dieses kühle Lächeln auf seine Lippen legte, dass von einer unantastbaren Arroganz zeugte, wie sie nur jemand haben konnte, der als Millionenerbe aufgewachsen war. Theos Blick wurde eindringlich, gewann an Schärfe. „Keine Ahnung, wovon du sprichst. Aber wenn es dich so stört, kannst du ja zu Mr. Reyes Senior rennen und dich beschweren. Vielleicht hat er ja Mitleid und versetzt dich wieder.“
      Theo pokerte darauf, dass Rick ihn in der Öffentlichkeit wohl kaum ‚gegen seinen Willen‘, wie er es so nett umschrieben hatte, behandeln würde. Dumm stellen, hatte er über die Jahre herausgefunden, war außerdem etwas, das Menschen schnell dazu trieb, frustriert zu werden. Und oh – wie es Theo reizte, dass der Kerl so ruhig blieb.
      Als Rick seine Hand von Theos Schulter nahm, wischte er sich mit der eigenen Hand über sie. Genau dort, wo Rick seine Hand abgelegt hatte, um ihn umzudrehen. Als hätte sie Theos Oberteil beschmutzt. Eine Geste, die selbst für Theos Standards überzogen war, aber der neutrale Gesichtsausdruck, mit dem Rick seine auswendig gelernten Zeilen vortrug, nervte ihn. Wie konnte es jemanden so vollkommen kalt lassen, jemandem seine Freiheit zu rauben? Denn, Ricks Worte konnten noch so nett und höflich verpackt sein, genau das tat er hier gerade. Benimm dich, oder rechne mit Konsequenzen. Konsequenzen, die ich aussprechen und durchziehen kann, weil dein Vater es mir erlaubt hat. Als wäre er ein verdammter Grundschüler und nicht ein erwachsener Mann Mitte zwanzig.
      Rick Griff nach etwas in der Innentasche seines Sakos und zog ein schwarzes, rechteckiges Teil heraus. Ein Blick auf die metallisch glänzende Oberfläche und das den opulenten Goldrahmen, in dem GAIAs Firmenlogo nahtlos eingearbeitet war, genügte und Theo wusste genau, worum es sich hier handelte. Tja, scheiße. Wenn er vorher Zweifel gehabt hatte, war dafür jetzt definitiv kein Raum mehr. Sein Vater hatte ihm tatsächlich diesen überdimensionalen Wachhund auf den Hals gehetzt. Um das zu wissen, musste er die Nachricht nicht abhören, die in dem Kommunikationstransponder auf ihn wartete. Er konnte das Gesicht und die Stimme seines Vaters gerade sowieso nicht ertragen. Natürlich hatte sein Vater einen Kommunikationstransponder ausgewählt, um ihm die Neuigkeiten zu vermitteln. So musste er sich wenigstens nicht mit Theos Einwänden beschäftigen. Oder überhaupt mit Theo.
      Außerdem, und das war für Theo viel ausschlaggebender, würde Theo sich sicher nicht die Blöße geben, die Nachricht vor Ricks Ohren abzuhören. Also nahm er das Teil einfach nur mit spitzen Fingern entgegen, verzog dabei leicht das Gesicht und hielt es dann unbeachtet in der Hand.
      Sein Blick wanderte zurück zu Ricks Gesicht. Unter den arroganten Ausdruck hatte sich etwas anderes gemischt. Ein leicht asymmetrisches Lächeln umspielte seine Lippen, der rechte Mundwinkel etwas höher, dass seine Augen nicht erreichte und Ausdruck der unterschwelligen Genervtheit war, die sich mittlerweile dauerhaft unter jede Geste, jede Mimik und jedes Wort von Theo gelegt hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde verrutschte der Ausdruck jedoch und offenbarte Theos Fassungslosigkeit darüber, dass man ihn so engmaschig überwacht hatte. Und das bereits vor dem Vorfall!
      Als ob sein Vater nur auf einen Vorwand gewartet hätte, jemanden vom Sicherheitsdienst an seine Seite zu stellen und ihm so auch noch das erste und letzte bisschen Freiheit zu rauben.
      Die Fassungslosigkeit wandelte sich in einen Ausdruck mühsam beherrschter Wut. Da war wieder dieses verräterische Blitzen in Theos Augen, das jedoch schnell wieder hinter einer Maske aus kühler Arroganz verschwand.
      Es war Theo nicht peinlich, dass offensichtlich eine ganze Abteilung von Sicherheitsleuten wusste, was er alles mit wessen Kreditkarte gekauft hatte. Da stand er drüber. Nein, es war die Tatsache, dass man sich die Mühe gemacht hatte, ihn auf diese Art zu überwachen. Und ganz sicher hatte sein Vater es nicht bei dem Auslesen seiner Kreditkartendaten belassen. An diesem Punkt würde es ihn nicht mal mehr wundern, wenn er wüsste, welches Paar Socken Theo heute trug.
      "Das wird nicht nötig sein.“, gab Theo beherrscht von sich, aber da war ein schwacher, verbissener Unterton in seiner Stimme.
      Im nächsten Moment offenbarte Rick ihm auch schon, dass es tatsächlich ein ganzes Team gab, dass sich nur mit Theos Sicherheit beschäftigte. ‚Ein Auge auf jemanden haben‘ und ‚ein ganzes Team von Sicherheitsleuten‘ war nach Theos Definition ein meilenweiter Unterschied. Rick streckte sich locker, während er Theo darüber informierte, dass er im Prinzip nicht einen seiner Schritte im Leben getan hatte, ohne, dass er dabei beobachtet worden war. So fühlte es sich zumindest an. Vielleicht war es blauäugig von Theo gewesen zu glauben, dass er, als Erbe eines der bedeutendsten Megakonzerne des Landes, dieselben Freiheiten hatte wie das Kind einer normalen Mittelstandsfamilie. Nein – das war es nicht mal. Theo hatte sein gesamtes Leben gewusst, und auch gespürt, dass er nicht dieselben Freiheiten hatte. Aber zu wissen, dass man ihn so extrem überwacht hatte, fühlte sich dennoch an wie ein Schubs ins kalte Wasser.
      „Das hier“, begann Theo und griff dabei Ricks Worte gezielt auf, „wird nicht funktionieren. Warum ersparst du uns nicht einfach beiden eine Menge Drama und gehst zurück zu deinem monotonen Büro?“ Beiläufig zuckte Theo mit den Schultern. „Oder such dir einen neuen Job, wenn du so gelangweilt bist.“ Das sagte er auf eine abweisende Art, die deutlich machte, dass er sicher nicht als Ablenkung von irgendwelchen monotonen Bürojobs dienen würde und es ihm nicht egaler sein konnte, wo Rick arbeitete. Solange es nicht in seiner Nähe war.
      Im nächsten Moment traten Ben und Victoria an die beiden heran und erkundigten sich, ob alles gut war. Das geschah nicht etwa aus Nächstenliebe, sondern viel mehr, weil sie sich Drama erhofften. Dennoch war Theo über ihre Anwesenheit dankbar. Die beiden musterten Rick ähnlich abschätzend, wie Theo es vorhin getan hatte. Ihre Körpersprache war mehr als abweisend und Victoria warf ihren Pferdeschwanz mit einer abschätzigen Kopfbewegung über ihre Schulter, während Ben sich nicht einmal die Mühe machte, Rick mehr als einen musternden Blick zu gönnen und nun Theo ansah, während er auf eine Antwort wartete.
      „Alles bestens.“, gab Theo von sich. Der kühle Unterton in seiner Stimme wandelte sich in etwas provokantes, dass sich in dem Lächeln widerspiegelte, dass sich nun auf seine Lippen legte. „Mr. Cavallo wollte gerade gehen.“
      Eine stumme Herausforderung, vor Augenzeugen seine ‚Sicherheitsfreigabe‘ durchzusetzen. Erneut pokerte Theo darauf, dass Rick nicht forsch genug sein würde, seine Worte mit Aktionen zu untermalen, während zwei weitere Paare Augen direkt auf ihn gerichtet waren.
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    • Richard Cavallo

      Mit kühler Miene beobachtete der Sicherheitschef den arroganten Firmenerben. Wie ein Schauspiel schienen es beide zu beherrschen ihre jeweiligen Masken vor dem eigentlichen Gesicht zu tragen. Für Rick war das wohl - wie für seinen Gegenüber - ein Leichtes. Es war ein bisschen wie ein schauspielerische Darbietung, in der der jeweils andere versuchte dem anderen seine Gefühlswelt nicht zu offenbaren. Sicherlich war Rick genervt von diesem Schnösel, doch er war zu erfahren und professionell um sich dies anmerken zu lassen. Theodore Reyes schlug vor, Rick solle sich doch bei seinem Chef beschweren. Daraufhin lachte Rick kurz. "Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihren Vater mit solchen Kleinigkeiten behellige? Er hat mir was dieses Operation hier betrifft freie Hand gelassen. Und mich könnt ihr damit auch nicht abbringen von meinem Vorhaben, da ich es selbst auch als wichtig erachte euch längerfristig im Auge zu behalten. Irgendwann werdet Ihr das vielleicht genauso sehen.", winkte Rick die Vorwände seines Gegenübers ab. Er versuchte scheinbar das Unausweichliche (die Überwachung jeden seiner Schritte) abzuwenden. Rick konnte darüber nur stumpf lächeln. Kurz darauf klopfte sich Theodore seine Schulter sauber. Dieses ganze Gehabe erinnerte Rick an frühere Fälle bei der National Crime Agency, für die er damals vor seinem tödlichen Unfall gearbeitet hatte. Er wusste daher, wie er mit seinem neuen Schützling und dessen 'Verhalten' umzugehen hatte: alles was der Erbe erwartete, war eine Reaktion des Sicherheitschef. Doch dieses würde er dem jungen Mann nicht liefern. Er wusste, dass er seinen Gegenüber nur überzeugen konnte, wenn sich Ricks Anwesenheit als notwendig herausstellte.

      Eine Zeit lang verbrachte der Blondhaarige mit der Säuberung seiner Kleidung, kritischen und arroganten Blicken und Kräuseln der Lippen. Eine erste abweichende Reaktion von der sonst so kühlen Fassade trat erst ein, als Theodore den Kommunikationstransponder seines Vaters in den Händen hielt. Richard sah genau auf die minimalen Änderungen in der Mimik. Und das asymmetrische Lächeln des Gegenübers verriet es: Fassungslosigkeit. Vermutlich war Theodore so darüber schockiert, dass sein Vater ihm einen Wachhund vorsetzte ohne es ihm persönlich mitzuteilen. Dabei stellte dies doch nur die Spitze eines aus dem Wasser emporsteigenden Eisbergs dar. Theodore wurde bereits seit klein auf überwacht. Desto älter er wurde, umso engmaschiger und genauer wurde die Kontrolle, was - wie der letzte Vorfall zeigt - auch nicht unbegründet war. Für seinen Beschützer war dieser Umstand nicht einmal im Ansatz schockierend. Vielmehr wandelte er diese verdeckte Operation in eine teil-offene Überwachung um. Doch für den Firmenerben offenbarte sich erst jetzt das Ausmaß dieser rigorosen Überwachung. Die eingetretene Fassungslosigkeit hielt jedoch nur für einen Augenblick an, ehe er wieder seine Maske eines kühlen Blicks aufsetzte.

      Und erneut innerhalb weniger Minuten versuchte Theodore dem Sicherheitschef sein Unterfangen auszureden. "Machen Sie sich um meine beruflichen Perspektiven und Motivation keine Gedanken. Ich bin froh mit dieser Abwechslung. Euer Vater wusste, dass ich sowieso besser im Außendienst aufgehoben bin." Mit diesen Worten winkte er den halbherzigen Versuch seines Schützlings ab. Wie oft wollte er es eigentlich noch versuchen, Rick die Aufgabe auszureden? Es würde nicht funktionieren. Richard stand zu seinem Wort, dass er der Familie Reyes gegeben hatte. Die Beharrlichkeit, mit der Theodore versuchte, ihn loszuwerden, überzeugte ihn nur umso mehr zu bleiben und den Jungen genauer zu beobachten. Er war nicht naiv und wusste, dass dieser Job - gegen Theodores Willen - nicht einfach werden würde. Doch er schätzte diese Herausforderung und war im Inneren doch irgendwie froh mit dem Job, der anfangs eher nach einer langweiligen Nummer klang.

      Und um die Situation noch spannender zu gestalten stießen Theodores Freunde zu den beiden. Die junge Frau warf ihm einen abschätzenden Blick zu (in der Attitüde genau identisch zu Theodore). Wer hatte sich diese Art des herabwürdigenden Anschauen wohl von wem angeeignet? Hätte Theodore einen Pferdeschwanz hätte er diesen wohl genauso arrogant nach hinten geworfen. Der andere Typ würdigte Richard nur eines kurzen musternden Blickes. Umso besser, dachte sich der ehemalige Kommissar und beobachtete das bunte Snob-Trio. Provokant nutzte sein Gegenüber die Situation und sprach, dass Richard nun gehen wolle. Er wusste genau, worauf der Blonde hinaus wollte und lächelte kühl auf den provokanten Gesichtsausdruck, der sich auf Theodores Gesicht abzeichnete zurück. "Gehen werde ich nicht, Mr. Reyes. Jedoch steht es euch frei eure kostbare Freizeit zu nutzen." Er lächelte nun breiter "Ich muss nicht neben euch stehen, um meinen Auftrag zu erfüllen." Mit diesen Worten verschränkte er die kybernetischen Arme vor der Brust und blickte auf die drei jungen Erwachsenen, die ihn beinahe verachtend ansahen. Musste er jetzt für diesen Generationenkonflikt herhalten? Er verkniff sich eine Reaktion und starrte die drei stattdessen weiterhin kühl an.
      Ricks erste Aufgabe seinem neuen Schützling ganz offiziell mitzuteilen, dass er nun unter seiner Obhut stand, hatte er damit erledigt. Den von Mr. Reyes senior ausgehändigten Kommunikationstransponder hatte er ebenso auftragsgemäß bei seinem Sohn abgegeben. Nun begann die an seine alte Tätigkeit als Kommissar erinnernde Tätigkeit der Observation. Er wusste nicht, was Theodore erwartet hatte, jedoch würde er ihm nicht am Körper kleben wie ein Bodyguard. Er war schließlich nicht sein Bodyguard, der auf einen Rockstar aufpasste. Vielmehr musste er einfach Theodore im Auge behalten und erkennen, ob es fremde Konzerne oder Sicherheitsdienste auf ihn abgesehen hatten. Die letzte dieser Begegnungen, weswegen Richard überhaupt er hier war, sollte sich unter keinen Umständen wiederholen. Am liebsten hätte er jetzt eine Zigarette angezündet. Er vermisste seine Glimmstängel und spürte noch immer, wie sehr er unter dem Einfluss dieser Sucht stand. Dass er wiederbelebt wurde, war vielleicht für einen Großteil seines Körpers gefährlich gewesen, doch seit dem ging es seiner Lunge bedeutend besser. Er atmete einmal tief durch als könne die 'frische' Luft das Bedürfnis nach dem bitteren Zigarettenrauch und dem Brennen in der Kehle ersetzen. Doch die Luft erfüllte nur seinen halbelektronischen Lungen mit Freude. Zurück blieb das Gefühl etwas fehlt.

      Noch immer ging dem großen Braunhaarigen durch den Kopf wie wenig begeistert sich Theodore angesichts der neuen besonderen Überwachung gab. Womöglich war kein Mensch in diesem Alter wirklich angetan von dieser Form der Überwachung, doch Rick wusste, dass es nur zum besten für den Firmenerben. Dieser schein bisher nicht zu wissen (oder es nicht einzusehen zu wollen) in welcher mächtigen Position er eigentlich stand und welche Gefahren dies mit sich brachte. Gleichwohl war es in Anbetracht des angeschlagenen Verhältnisses zwischen ihm und seinem Vater schwierig zu vermitteln. Rick hoffte, dass er hier nicht den Familienschlichter spielen müsste; so hatte er bereits Mrs. Reyes darauf hingewiesen, dass er keinen Erziehungsauftrag ausübt sondern lediglich den Sohn beobachtet und potenzielle Gefahren von ihm abwendet. Nicht mehr und nicht weniger war sein Auftrag, seine Pflicht gegenüber einem Konzern und seines Chefs dem er alles verdankte, was er noch hatte. Sich, seinen Körper und seinen Geist. Zumindest glaubte Rick das ...
    • Theodore Archie Reyes
      Theo ließ die Aussage unkommentiert, die Rick darüber traf, für wie wichtig er die ‚Operation‘ hielt und dass Theo es vielleicht eines Tages genau so sehen würde. Nun, zumindest unkommentiert mit Worten. Denn der Ausdruck in seinem überheblichen Gesicht veränderte sich zu einem Blick der deutlich sagte: ganz sicher nicht. Und wieder machte Theo sich nicht die Mühe, diese Nachricht subtil zu halten. Rick seine Abneigung spüren zu lassen verschaffte Theo ein Gefühl von Genugtuung. Aber nur minimal, denn eine wirkliche Reaktion bekam er darauf trotzdem nicht. Im Gegenteil nagte es nur noch mehr an Theo, dass sein Gegenüber seine Einwände einfach so beiseiteschob. Ihm war schon lange niemand mehr begegnet, den er nicht aus der Fassung bringen konnte. Ricks Reaktionen waren minimal, seine Mimik und Gestik strahlten eine ruhige Selbstsicherheit aus, die Theo reizte. Unter anderen Umständen hätte er es vielleicht spannend oder gar als Herausforderung empfunden. Im Anbetracht von Ricks Funktion und dem Grund, aus dem er überhaupt mit Theo in Kontakt getreten war, diente die Selbstbeherrschung des Sicherheitschefs jedoch nur dazu, seine Laune zu verschlechtern.

      Auch Theos nächsten Versuch ihn loszuwerden oder irgendwie aus der Fassung zu bringen, winkte Rick einfach ab. Offensichtlich war er immun gegen Theos kühle Abweisung und ließ sie einfach an sich abprallen. Unterschwellig irritierte Theo seine zur Schau gestellte Gleichgültigkeit. Rick war durch und durch professionell und Theo durch und durch genervt. Langsam wurde ihm klar, dass es aus dieser Situation kein herauskommen gab. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass sein Vater ihn engmaschiger überwachen würde. Mal ganz davon abgesehen, dass er Theo offensichtlich schon länger nur so weit traute, wie er ihn werfen konnte. Nämlich gar nicht.
      Ein ganzes, verdammtes Sicherheitsteam hatte ihn bereits überwacht. Der Gedanke löste ein seltsames Stechen in seiner Brust aus. Enttäuschung, vielleicht. Empörung? Verrat.
      Das Gefühl schwamm nutzlos in ihm herum. Unfähig, es zu benennen, schob Theo es stattdessen zu dem lodernden Feuer in ihm, um seine Wut zu füttern. Das war ein Gefühl, mit dem er umgehen konnte. Das er benennen konnte.
      Gut war es trotzdem nicht, denn er wusste nicht, wie er sie rauslassen sollte, ohne Rick deutlich zu zeigen, wie sehr ihn die Situation mitnahm. Er sollte ruhig denken, dass Theo einfach nur ein dummer, arroganter Schnösel war. Also kröselte er seine Nase und schaffte es, so auszusehen, als sähe er auf Rick hinab, obwohl der größer war als er. „Ich mache mir keine Gedanken um deine berufliche Perspektive, sondern um meinen Alltag.“

      Letztlich war Theo sich nicht mehr so sicher, ob es gut war, dass Ben und Victoria zu ihnen gestoßen waren. Zwar bildeten sie nach außen eine vereinte Front mit Theo gegen den Sicherheitschef von GAIA, aber Theo zweifelte nicht einen Moment daran, dass die beiden sich über die gesamte Situation die Münder zerreißen würden, sobald Theo außer Hörreichweite war. Und das Rick auf seine Provokation nur mit einem kühlen Lächeln und betont ruhigen Worten reagierte, gab ihnen nur mehr Futter.
      „Welchen Auftrag?“, fragte Victoria direkt. Sie hatte eine interessante Story gewittert, die sie später breittreten konnte. An ihrer abweisenden Körpersprache hatte sich zwar nichts geändert und ihr Gesichtsausdruck war noch immer abschätzig verzogen, aber Theo wusste es besser.
      Bens Blick war nun neugierig zu Rick gewandert. Er sah zwischen ihnen hin und her und zog dann abwartend die Brauen ein Stückchen zusammen, offensichtlich ebenfalls an der Antwort interessiert.
      Wenn er Rick wirklich nicht loswurde, konnte Theo wohl auch ehrlich sein. Gleichzeitig überkam ihn aber das Gefühl, sich mit dem Geständnis, einen Wachhund abgestellt bekommen zu haben, seltsam bloßzustellen. Also beschloss er, so viel wie nötig zu erzählen, ohne dabei den Vorfall zu erwähnen, der überhaupt erst zu…nun ja - Rick geführt hatte.
      „Mein Vater ist paranoid und hat mir diesen sympathischen Mann als Überwachung zur Seite gestellt.“, Theos kühles Lächeln hatte seine herausfordernde Note verloren, aber dafür an Verachtung dazugewonnen. Ob sie Rick, seinem Vater oder beiden galt, sollte jeder für sich selbst interpretieren. Theo war sich da selbst nicht ganz sicher.
      Victoria spitzte die Lippen zu einem Ausdruck von Abscheu. „Ew.“, machte sie, völlig unbewusst dafür, was dieses Geräusch vielleicht bei Rick auslösen könnte.
      Ben hingegen verzog mitleidig das Gesicht. Was Theo fast noch schlimmer fand. Er wollte kein Mitleid, sondern einfach nur diesen Typen loswerden und seine verdammte Ruhe.
      „Aber um zum Thema zurückzukommen; Dann stell dich doch woanders hin.“, wandte Theo sich nun wieder direkt an Rick – und wenn auch nur, um Bens nervigen Blick loszuwerden. Oh, Theo war mittlerweile nicht mehr dumm genug, um zu glauben, dass er Rick so loswerden konnte. Nein, er hatte schon vor einiger Zeit verstanden, dass Rick auf diese Art der Abweisung nicht reagierte. Aber er hatte bereits Theos ersten Versuch unterbunden, einfach zu gehen. Jetzt war das hier etwas Persönliches. Zu stur, um einen erneuten Versuch zu starten und dabei unter Umständen nur vor seinen Freunden bloßgestellt zu werden, weigerte Theo sich, selbst zu gehen. Das Angebot hatte er Rick bereits einmal gemacht.
      „Bin ich auch für.“, kam Victoria ihm zur Hilfe und hatte die Lippen noch immer gespitzt. Für etwas waren die Tratschtanten also doch gut.
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    • Richard Cavallo

      Scheinbar hatte es der Firmenerbe nicht eilig von Richard wegzukommen, denn er stand noch immer mit seiner Clique vor dem großen Mann. Er wusste genau, welches Spielchen Theodore hier zu spielen versuchte. Das Gebaren kannte er so oder so ähnlich bereits von den Gangstern mit denen er früher zu tun hatte und von einigen Konzernen (sei es von GAIA oder anderen Konzernen). Es war ein reines Machtspiel, das Theodore nun spielen wollte. Er wollte nicht wegtreten und Rick genauso wenig. An den Gesichtszügen seines Gegenübers konnte Rick nicht viel ablesen. Die Fassade saß wieder und Richard war ehrlich gesagt beeindruckt, wie gut der Firmenerbe schauspielern konnte. Oder aber ihm war das hier alles wirklich total egal, doch dann hätte er nicht so fassungslos auf den Umstand reagiert, dass er rund um die Uhr von einem ganzen Team an Sicherheitsmitarbeitern überwacht wird. Vielmehr würde er das dann gelassen wegstecken, was er auch versuchte zu zeigen, doch seine vorherige Mimik hatte ihn für einen Bruchteil einer Sekunde verraten. Doch Rick war nicht hier, um das Verhalten zu bewerten oder gar weitere Schlüsse daraus zu ziehen. Zumindest so lange nicht, wie keine Firmengeheimnisse oder das Leben des jungen Mannes gefährdet waren. Der abwertende Ausdruck im Gesicht des Blonden verriet, dass dieser wenig Interesse an dieser gesamten Operation hatte. Das waren wohl die Widerstände, di sein Vater in unserem Gespräch erwähnt hatte, dachte sich Rick und wollte die Stirn runzeln. Er unterließ es jedoch, da er nicht mehr Reaktionen zeigen wollte als nötig.

      "Wie beruhigend, Mr. Reyes, dass sie sich nur um Ihren Alltag kümmern. Wir können es alle kaum erwarten, dass sie ihr Studium erfolgreich abschließen und einen Job bei GAIA antreten", kommentierte Rick die Aussage des Firmenerbe. Gerne hätte Rick diese Nachricht gehässig gesagt, doch dazu hatte er zu viel Respekt vor Mr. Reyes senior und dem Konzern als dass er seinem Sohn einen gehässigen Kommentar an den Kopf werden würde. Des Weiteren war Rick tatsächlich neugierig, wie sich Reyes junior im GAIA-Konzern schlagen würde, wenn er sein Studium beendet hatte. (Seine mittelmäßigen Leistungen, die er in Island gezeigt hatte, würde sein Vater im HQ nicht dulden, war sich Richard sicher.) Er kannte Reyes lange genug und wusste, dass er ein Perfektionist, Kontrollfreak und Pedant war. Jede Änderung im Sicherheitskonzept ging bis vor wenigen Monaten über Reyes Tisch bis er dem Sicherheitschef vertraute und diesem seitdem alleine schalten und walten lässt. Die Übertragung der Bewachung des Reyes-Anwesen vor den Toren Londons war ein großes Stück dieses Zuwachses an Vertrauen, was Rick sehr schätzte.

      Alsbald schaltete sich Theodores Freundin ein, die wissen wollte, welchen Auftrag Richard hier erfüllte und auch Theodores anderer Freund schaute neugierig zwischen den beiden umher. Rick belieb mit verschränkten Armen vor den Dreien stehen und sagte nichts dazu. Es hatte zum einen dieses frechen Gören nichts zu interessieren und zweitens waren dies Belange, die Theodore persönlich betrafen. Wenn er wollte, könnte er darüber reden, doch für Richard war klar, dass er dazu kein Wort sagen würde. Verschwiegenheit wurde im GAIA-Konzern geschätzt und war eine der internen firmeneigenen Regeln (insbesondere wenn man wie Richard als Sicherheitschef arbeitete). Er entdeckte bei seiner Arbeit immer wieder 'pikante Angelegenheiten', die der Konzern ohne großes Aufsehen intern abklärte. Nicht für umsonst sprach man bei Richard Cavallo vom Bluthund von GAIA. Der gesamte Sicherheitsapparat der Firme fungierte wie ein firmeneigener Geheimdienst und bewachte nicht nur die Firma sondern beschattete auch konkurrierende Unternehmen.
      Die eingetretene Stille wurde von Theodore beendet, in dem er erklärte sein paranoider Vater hätte für Ricks Anwesenheit gesorgt. Dass timmte so jedoch nicht ganz. Rick verzichtete jedoch darauf das klarzustellen. Er musste keinem Rechenschaft ablegen und wenn es sich für Mr. Reyes junior mit dieser Illusion besser leben ließ, war das für Rick in Ordnung. Das Mädchen kommentierte dies mit einem 'Ew', was Rick nur müde lächeln ließ und keine weitere Bedeutung zumaß. Der andere Typ verzog das Gesicht mitleidig. Was für Freunde sind das denn?, fragte sich der Sicherheitschef und musterte die beiden nochmals. Dieses Mal jedoch mit einem deutlich abwertenden Gesichtsausdruck. Ob Theodore sich bewusst mit solchen Menschen abgab? In seinem Kopf passten die drei zwar charakterlich gut zusammen, doch er konnte sich kaum vorstellen, dass Theodore, der laut Schilderungen seiner Eltern eigentlich ein sehr intelligenter Mann ist, sich mit solchen oberflächlichen Menschen abgibt.

      Um von der Situation abzulenken schlug Theodore vor, Rick solle sich woanders hinstellen. "Nein. Ist nicht nötig. Aber ihr seid nicht dazu angehalten hier vor der Treppe der Universität stehen zu bleiben. Ihr habt sicherlich noch andere Dinge zu tun. Lernen oder so Dinge, die Studenten eben machen." Rick zuckte mit den Schultern. Er spürte daraufhin den bissigen Blick des vorlauten Mädchens neben Theodore. Er wandte sich dem Mädchen zu. "Und du solltest dir angewöhnen, dass mich deine Meinung nicht im Geringsten interessiert. Scheinbar hast du nicht gelernt, dass man die Klappe hält, wenn zwei Menschen sich unterhalten." Mit geweiteten Augen sah ihn das Mädchen an und machte den Mund auf. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, spürte Richard sein Handy klingeln. Er zückte sein Handy, drehte dem Mädchen den Rücken zu und ging an der Treppe in paar Schritte von den drei weg. "Ja, Rick hier. Was gibts Amanda?", meldete er sich und hörte die Stimme seiner besten Mitarbeiterin, die ihn über die neusten Ereignisse briefen wollte. Rick nickte und hörte ihr stumm zu. Was sie sagte, war für Ricks zukünftige Operation, die Bewachung Mr. Reyes junior, von höchster Brisanz. Er schürzte die Lippen und hörte ihrer aufgeregten Stimme zu. Selten hatte er Amanda so aufgeregt am Telefon gehört. Sie war länger bei GAIA als Rick und kannte eigentlich nichts, was es nicht gab.
    • Theodore Archie Reyes

      Wie fast jeder seiner Sätze, war Ricks Kommentar professionell ruhig gewesen und ließ nicht auf die eigentliche Emotion dahinter blicken. Es wäre einfach gewesen, die Bemerkung als das zu nehmen, was sie war. Aber, trotz des neutralen Tons, beschlich Theo das Gefühl, dass eine unterschwellig gehässige Botschaft in ihnen mitschwang. Ohne den Finger genau darauf legen zu können, wieso. Es war nicht Ricks Körpersprache oder Tonfall – nein. Beides war nervig beherrscht. Viel mehr lag es wohl an ihrem gemeinsamen Wissen, dass Theo sich nicht um eine Position bei GAIA riss, geschweige denn einen guten CEO abgeben würde. Gereizt festigte sich sein Griff um den Kommunikationstransponder kaum merklich. Ein subtiler Hinweis in seiner Körpersprache, dass Ricks Kommentar, ob nun beabsichtigt oder nicht, sein Ziel getroffen hatte. Theo wusste selbst, dass er nicht die beste Wahl für den Posten des Firmenerbens war. Zu ihrer aller Leid, Theo eingeschlossen, war er jedoch die einzige. Außer sein Vater versteckte irgendwo ein paar uneheliche Kinder.
      Theos Gesichtsausdruck, hingegen, blieb unverändert. Er weigerte sich, etwas von seinen Gedanken durchscheinen zu lassen. „Schön, dass wir uns da einig sind. Dann können wir uns ja vielleicht auch darauf einigen, dass ich mein Studium wesentlich erfolgreicher abschließen kann, wenn mir kein Aufpasser im Nacken sitzt.“ Seine Mundwinkel zuckten wieder nach oben zu diesem kühlen Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. „Was uns wieder zu dem Thema zurückbringt, den Job entweder an den Nagel zu hängen oder außerhalb meiner Sichtweite zu machen.“
      Trotz des Wissens, dass seine Abweisungen genau so wenig erfolgreich sein würden, wie eine leere Hausarbeit einzureichen und ein Bestanden zu erwarten, wurde Theo nicht müde, mit einer fast schon bewundernswerten Beharrlichkeit, jeden Satz so zu drehen, dass er Rick damit vor den Kopf stoßen konnte. Vielleicht würde ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit ihn doch irgendwann zermürben. Aber das war wohl eher Wunschdenken und Theo neigte nicht dazu, den Kopf in den Wolken zu haben.

      Ebenso bewundernswert war, wie ruhig der Sicherheitschef im Angesicht so viel gebündelter Arroganz und Abneigung blieb. Die einzige Reaktion auf Victorias abfälligen Laut, war ein müdes Lächeln. Theo konnte nicht anders, als ein wenig beeindruckt zu sein. Viele Menschen zerbröckelten schon allein unter Victorias abfällig musterndem Blick. Rick wirkte jedoch komplett souverän. Fast schon unbeeindruckt von der präsentierten Hochnäsigkeit, der offensichtlichen Abneigung, die mittlerweile fast an Feindseligkeit grenzte.
      Dann ließ er jedoch zum ersten Mal etwas anderes als geleckte Professionalität durchblicken. Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich und jetzt war es der Sicherheitschef, der Victoria und Ben abwertend musterte.
      Theo zog die Brauen ein wenig zusammen, streckte unbewusst den Rücken durch und sah Rick mit leicht verengten Augen durchdringend an. Ricks abwertender Blick seinen Freunden gegenüber gefiel Theo nicht. Sie waren vielleicht ein wenig oberflächlich und rational betrachtet verhielten sie sich Rick gegenüber komplett unangebracht, aber Theo fühlte sich ihnen dennoch verbunden. Immerhin waren sie herübergekommen, um sich zu versichern, dass alles in Ordnung war. Auch, wenn ihre Intentionen vielleicht nicht die reinsten gewesen waren.

      Und wieder wies Rick Theos Versuch ab, ihn zum Gehen zu bewegen. Wischte ihn wie beiläufig bei Seite und forderte Theo gleichzeitig heraus, selbst abzuziehen. Aber Theo weigerte sich noch immer, diesen unsichtbaren Machtkampf zwischen ihnen aufzugeben. Denn nichts als das war es mittlerweile. Theo hatte verstanden, dass er Rick nicht loswerden würde. Das war ein Kampf, den er nicht mehr gewinnen konnte. Er hatte nie eine faire Chance gehabt.
      Aber das hier – so klein und unbedeutend es auch von außen betrachtet war – war ein Kampf, den Theo austragen würde, entschlossen, zu gewinnen. „Oh, ich habe Zeit. Wir können gerne jetzt ausdiskutieren, wie du deinen Job künftig machen wirst.“ Da war wieder dieses Lächeln, ein klein wenig schärfer als zuvor. Fast schon höhnisch. „Auf eine gute Zusammenarbeit.“ Dann deutete er mit der freien Hand auf eine unbestimmte Stelle auf der anderen Seite des Platzes vor der Universität. „Von da drüben, halte ich immer noch für eine gute Option. Am besten hinter der Ecke, falls es dir nicht zu viele Unannehmlichkeiten bereitet. Das würde mir sehr helfen, meine Studentendinge zu tun.“
      Als Rick sich schließlich direkt an Victoria wandte und sie zurechtwies, klappte ihr deutlich geschockt die Kinnlade runter. Unbewusst tat Theo einen halben Schritt nach vorne und funkelte Rick an. Er wollte Victoria nicht den Raum nehmen, sich selbst zu verteidigen, konnte den Impuls aber nicht komplett unterdrücken, sich zwischen Rick und seine Freunde zu stellen.
      Theo war eine Vielzahl von Dingen. Darunter wohl mehr schlechte als gute, aber eines konnte man ihm nicht vorwerfen.
      Fast schon übermäßig loyal durchzuckte ihn das Verlangen, Victoria zur Seite zu springen. Sie hatte zwar den Mund geöffnet, um etwas zu erwidern, aber es kam kein Ton raus. Gerade, als Theo stattdessen einen scharfen Kommentar abgeben wollte, zückte Rick jedoch ein Telefon und nahm einen Anruf entgegen. So viel zum Thema respektvoll sein, dachte Theo mit verengten Augen. Scheinbar hatte ihm niemand beigebracht, dass man nicht mitten in einer Unterhaltung einfach das Handy zückte.
      Was, gemessen an Ricks Position, sehr kleinlich war. Aber Theo war zu genervt, um sich daran festzuhalten.
      „Was zum Teufel.“, ertönte Bens Kommentar und holte Theos Aufmerksamkeit zu seinen Freunden zurück. Auch Victoria hatte mittlerweile ihre Stimme wiedergefunden. Ihr Gesicht war zu einer Maske unverhohlener Entrüstung verzogen. Ihre Augen blitzten und ihre Mundwinkel waren nach unten geneigt. „Feuer den Typen.“, verlangte sie verbissen und richtete ihren wütenden Blick direkt auf Theo.
      Wie sollte er ihr erklären, dass das nicht so einfach ging? Glaubte Victoria wirklich, das hätte er nicht schon längst getan, wenn er die Macht darüber hätte? Als ob es ihm Spaß machte, hier vor der Universität mit seinem Babysitter zu diskutieren. Theos Ausdruck verschloss sich ein wenig. „So einfach ist das leider nicht.“, gab er widerwillig zu.
      Victoria funkelte ihn wütend an. Überhaupt nicht bewusst oder dankbar dafür, dass Theo sich ohne zu zögern zwischen sie und Rick gestellt hatte, spießte sie ihn mit ihrem Blick auf. „Dann sorg dafür, dass es so einfach ist! Ruf Daddy an und beschwer dich. Was weiß ich! Denk dir was aus, Theo! Aber dieser Typ –“ mit einem perfekt manikürten Zeigefinger deutete sie auf den immer noch telefonierenden Rick – „geht gar nicht. Kümmer‘ dich drum.“, zischte sie. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, warf sich in der Bewegung ihren Pferdeschwanz über die Schulter und stakste aufgebracht davon. Ben hatte mal wieder gar nichts gesagt, sondern einfach nur mit großen Augen zwischen ihnen hin und her gesehen. Jetzt warf er Theo ein entschuldigendes Lächeln zu. „Sorry.“ Kurz zuckte er noch mit den Schultern, dann drehte er sich ebenfalls um und rannte Victoria hinterher.
      Theo sah zu, wie er angeregt anfing, auf sie einzureden. Für einen Moment stand er wie betäubt da. Dann verhärtete sich der Ausdruck auf seinem Gesicht und es kam wieder Bewegung in seinen Körper.
      Er warf einen verkniffenen Blick auf Rick, ein Ausdruck resignierter Entschlossenheit in den Augen. Vielleicht konnte er seinen Vater milde stimmen, wenn er sich kooperativ für diese Form der Überwachung zeigen würde – im Gegenzug für eine andere Person, die diese Tätigkeit übernehmen würde. Rick war jemand, den er Eintauschen konnte. Entbehrlich. Seine Freunde, hingegen, waren das nicht. Und Victoria hatte deutlich gemacht, was sie von ihm erwartete.
      Einen Moment beobachtete Theo noch, wie Rick angespannt zu lauschen schien, was die Stimme am anderen Ende der Leitung zu sagen hatte. Dann beschloss er, dass Rick durch die Annahme des Telefonats und den Schritten, die er sich dabei von ihm entfernt hatte, die Pattsituation zwischen ihnen genug aufgebrochen hatte, um es nicht wie ein Nachgeben aussehen zu lassen, wenn er nun ging. Ein Unentschieden, vielleicht. Außerdem wollte er sich nicht die Blöße geben, wie ein treues Hündchen darauf zu warten, dass Rick fertig telefoniert hatte. Theos setzte seine übliche, arrogante Maske auf. Aber der Zug um seinen Mund war ein wenig härter als zuvor, seine Brauen ein klein wenig nach unten geneigt. Die Finger um den Kommunikationstransponder schlossen sich fester.
      Dann, während Rick ihn nicht ansah und auf sein Telefonat konzentriert war, setzte Theo sich mit großen Schritten in Bewegung. Nicht so schnell, dass es als Flucht durchgehen würde, aber doch eilig genug, dass er bald um die nächste Ecke im Getümmel der Hauptstraße verschwunden wäre.
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    • Richard Cavallo

      Rick hatte nicht das Bedürfnis sich für das Annehmen seines Telefonats beim Trio abzukündigen. Umso geplanter war das Kalkül hinter der Aktion. Wenn er wollte konnte er die Kids auch provozieren, da er sowieso am längeren Hebel war. Er war jedoch nicht aus die drei Kleinen zum Weinen zu bringen, dennoch spürte er, dass seine Handlung ihre gewünschte Reaktion nicht verfehlt hatten. Er war zwar nicht abhängig von ihrer Gunst, aber seine Mission würde zukünftig natürlich deutlich entspannter laufen, wenn Theodore sich auf ihn einließ oder zumindest nicht von sich aus die Aktion behinderte, was er angesichts der Reaktion des Jungen, diesem aktuell zutraute. Doch, das musste Richard zugeben, diese Aktion war vielleicht etwas unnötig. Musste ich sie gleich provozieren, fragte er sich während er noch Amandas Stimme am anderen Ende der Leitung hörte. Doch ihre Worte vernahm er nicht mehr. Zu sehr dachte er nach. Er hatte lange dafür trainiert seine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen. Doch seit er das LAZARUS-Programm hinter sich gebracht hatte, hatte er sich anfangs gar nicht wieder erkannt: er war schnell gereizt, aggressiv und reagierte hypersensibel. Eine Folge der vielen Cyberimplantate und der Medikamente meinten die Ärzte, doch Rick hatte damals ein viel schlimmeres Gefühl ergriffen. Das kalte Metall, das nun mehr Teile seines Körpers zierten, fühlten sich wie Fremdkörper an, die er am liebsten aus sich herausgerissen hätte. Sie abgestoßen und wäre lieber sterbend zurückgeblieben. Schließlich hatte ihn keiner für diesen Eingriff gefragt. Er kam sich vor wie Frankensteins Monster. Fremd in einem Körper, der aus viel Metall bestand. War er überhaupt noch ein Mensch? Er wusste es nicht genau. Die Arbeit bei GAIA und die regen Mengen an Psychopharmaka, die er regelmäßig konsumieren muss auf Anweisung seines Arztes, dämpfen seine Gedanken. Sie halfen den Schmerz zu verkraften. Schmerzen, die er heute in mancher Nacht immer noch hat. Mediziner nennen das Phantomschmerz. Rick seufzte und spürte ein Ziehen in seinem Rücken. Alleine bei dem Wort bekam er automatisch Schmerzen als ob sein Körper darauf konditioniert sei. Doch er versank nicht weiter im Gedanken, Amandas eindringliche Stimme riß ihn aus seinen Gedanken.

      "Hörst du mir überhaupt zu, Rick?", fragte sie besorgt am anderen Ende der Leitung. Der Sicherheitschef schüttelte den Kopf und blickte verwirrt auf das Handy. "Sorry, Amanda. Ich habe einen Auftrag zu erledigen. Schick mir die Details und Bilder bitte per Mail. Ich checke sie nachher. Danke, dir!" Er hörte, wie sie besorgt Luft holte und etwas sagen wollte, doch er legte auf. Er hatte keine Zeit für ihre Monologe über die Gefahren der langfristigen Einnahme von Psychopharmaka. Amanda hatte einmal seinen Arbeitsvorrat entdeckt und ihm dann minuziös genau zu allen Mitteln, die Nebenwirkungen vorgelesen. Doch was nützte es? Richard brauchte die Medikamente, er fühlte sich damit wohler in seiner Haut und spürte die Ruhe, die sie in seinen Körper brachten. Er traute außerdem dem GAIA-Arzt, der ihn im Rahmen des Projekts alle paar Wochen begutachtete und die Dosierung unter Umständen anpasst. Ihre besorgenden Worte würden den erfahrenen Mann nun nicht weiterbringen, so war er sich sicher. Stattdessen drehte er sich wieder um und stellte fest, dass sein Schützling mit seinen Freunden bereits das Weite gesucht hatte. "Hmm", raunte er und sah auf sein Handy. Er wählte eine App an und es erschien eine Karte, auf der ein Punkt unweit des aktuellen Standorts sich bewegte. "Hast wohl die Flucht ergriffen? Schade.", sagte er gespielt traurig und ging zu seinem Wagen. Tatsächlich war es ein einfaches Theodore auf Karten zu überwachen. Das tat das Team und sein Vater schon seit Jahren (einen Umstand, den er seinem Sohn wohl nicht verraten hatte - so mutmaßte Rick in Anbetracht deren schwierigen Verhältnisses). Er würde es dem Jungen auch nicht auf die Nase binden. Im Wagen sitzend zog er die Karte vom Smartphone auf die Mittelkonsole im Wagen, die die Karte wie ein Hologramm projizierte. "Na dann schauen wir doch mal, wo du hin willst." Rick startete den Motor des schwarzen Wagens und fuhr langsam los. Er ging davon aus, dass sein Schützling nun irgendwo mit seinen Freunden abhängen wird. Andererseits könnten sie sich auch trennen. So oder so war das im Ergebnis egal, denn es ging dem Braunhaarigen nur darum Theodore im Auge zu behalten. Dies umfasste keine 24/7 Überwachung, denn dazu wäre er alleine nicht im Stande und er traute dem Sohn seines Chefs schon zu nicht sofort in einen Haufen Scheiße zu treten, wenn er direkt vor ihm lag.

      Während er mit dem Wagen in Richtung einer belebten Hauptstraße fuhr, checkte er die beiden Freunde von Theodore. "Victoria und Ben also. Ihr seht auf euren Bildern und Social Media genauso hochnäsig aus wie ihr im echten Leben seid", lachte Rick und schüttelte den Kopf. Nebenbei las er auf dem Monitor des Wagens die Akten, die sein Team zu den beiden erstellt hatte. Sie beinhalteten auch grobe Profile zu den beiden, die eine KI auf Auswertung ihrer Social Media Daten und sonstiger gekaufter Daten aus dem Web generieren konnte. Der moderne Datenhandel war für Ricks Team ein wahrer Segen. Doch er war aktuell nicht an den Details (Victorias Lieblingsdesigner oder bei welchem Wettanbieter Ben mit der Kreditkarte seines Vaters auf riskante Sportwetten gesetzt hat) wissen. Die Neuerungen der Technik waren Fluch und Segen zugleich, dachte sich der Sicherheitschef und starrte wieder auf die Karte, auf der sich der Punkt, der Theodore markierte, weiterhin bewegte.
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