Regardless [Kiimesca & Wynnie]

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    • Josephine atmete tief ein, nachdem sie den Raum betreten hatte und lächelte. Der Geruch war nur eine der Besonderheiten dieses Raums. Kalias' Anblick, wenn er so vertieft war, hatte immer so etwas magisches an sich. Das sich jemand für etwas so sehr begeistern konnte, dass er kaum noch seine Umwelt wahrnahm. Irgendwie faszinierend.
      Doch er bemerkte sie schneller, als erhofft, weshalb sie nicht weit kamen, ohne ihn zu stören. Josephine hob lächelnd ihre Hände und schüttelte ihren Kopf.
      "Nein, nein. Ich zeige Cordelia nur die Räumlichkeiten", beruhigte sie ihn sogleich, damit er nicht sofort aufsprang, um ihnen irgendeinen Wunsch zu erfüllen. Sie blickte ihn noch einen Moment an und wandte sich dann wieder der Dame zu. "Lass dich bitte nicht von uns stören." Damit legte sie auch schon vorsichtig eine Hand an Cordelia's Handgelenk, ehe sie wieder zu ihm rüber sah. Auch wenn sie noch bleiben könnte, sollten sie ihn wohl nicht weiter stören.

      Nach dem sie das Zimmer wieder verlassen hatte, seufzte Josephine leise und warf nochmal einen Blick zu Cordelia. Der nächste Raum war der große Festsaal, wo sie die Vermählung feiern würden. Er war bereits hübsch dekoriert und mit Tischen ausgestattet. Platz zum Tanzen gab es ebenfalls reichlich. In der Mitte des Saals standen Simon und Henriette, die vermutlich noch einige Kleinigkeiten durchgingen.
      "Lady Josephine. Lady Cordelia", begrüßte sie die Frau und verneigte sich, ebenso wie Simon. "Können wir etwas für Euch tun?", fragte sie und sah kurz zu der Rothaarigen, ehe sie sich voll und ganz dem Gast widmete. "Simon, Henriette. Gut, dass wir euch hier treffen. Cordelia würde sich sehr darüber freuen, wenn ihr euch ihretwegen nicht so viele Gedanken machen würdet." Henriette sah sie kurz etwas verwirrt an und sah dann zu Simon. "Beabsichtigt Ihr die Bitte Eures Vaters aufzuheben, Mylady?", fragte er noch einmal nach, woraufhin sie mit einem breiten Lächeln nickte und seine Hände ergriff. "Es gefällt mir so, wie es immer ist, am besten. Ich denke, dass sich auch Cordelia darüber freuen würde." Sein Blick ging zu der anderen Dame. "Verzeiht bitte, falls wir Euch Unannehmlichkeiten bereitet haben." "Seid einfach, wie immer, ja?", bat Josephine noch einmal deutlich. "Gewiss, Mylady.." Die beiden waren immer so ernst bei der Sache und hatten wegen den Feierlichkeiten wohl auch viel zu viel zutun, als das sie sich entspannen könnten.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Als Erwiderung zu Josephines Lächeln legte sich dieses ganz besondere Lächeln auf Kalias Lippen, dass er nur für sie zeigte. Seit dem Essen und Cordelias Bitte an Josephine, sie auf ihre Gemächer zu bringen, war einige Zeit vergangen. Kalias fragte sich, ob die beiden seit dem den ganzen Nachmittag miteinander verbracht hatten, oder ob sie sich durch Zufall wieder über den Weg gelaufen waren. Vielleicht war Josephine auch bei ihr vorbeigegangen um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkunden.
      Jedenfalls wunderte es ihn nicht, dass Josephine es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht hatte, die baldige Lady Torvelle persönlich herumzuführen. Bei dem Gedanken wanderte Kalias' Blick zu der jungen Frau an Josephines Seite. Sein Lächeln wurde von einem Ausdruck freundlicher Aufmerksamkeit abgelöst. Cordelia war unterdessen noch immer damit beschäftigt, nicht in ein dämliches Grinsen auszubrechen, dass ganz sicher verraten hätte, dass sie etwas wusste. Aber dafür brauchte sie nur daran zu denken, dass diese Liebe zum Scheitern verurteilt war und schon fühlte sie sich direkt bedrückt.
      Kalias sah wieder zu Josephine zurück, die sich bereits zum gehen gewandt hatte. Auf seiner Zunge lag eine Erwiderung a la 'Du könntest mich niemals stören', aber er wusste, dass das viel zu vertraut war um angebracht zu sein, also schluckte er sie hinunter und nickte nur mit einem Lächeln. Während die beiden Damen das Atelier wieder verließen, ruhte sein Blick noch einen Moment auf der Stelle, an der Josephine eben gestanden hatte. Dann hob er den Pinsel in seiner Hand wieder und zog einen weiteren, roten Strich über die Leinwand.

      Der nächste Raum, in den Josephine sie führte, war unverkennbar der Festsaal der Burg. Oder zumindest der Saal, der dazu auserkoren worden war, um ihre baldige Vermählung zu feiern. Unwillkürlich ließ dieser Gedanke Cordelia die Lippen aufeinander pressen und die Augenbrauen nach unten ziehen. Innerlich erinnerte sie sich daran, dass niemand hier etwas für ihre Situation konnte. Am allerwenigsten die Angestellten, die gerade mitten in den Vorbereitungen waren und auf die Josephine nun mit ihr zu lief.
      Sie stand stumm daneben, während Josephine mit Henriette und Simon, wie sie lernte, redete. Die vertraute Art und Weise ließ sich Cordelia fühlen wie ein Eindringling, der hier nichts verloren hatte. Unbehaglich streifte sie der Gedanke, das sie bald Lady Torvelle, und somit in großen Teilen für den Haushalt verantwortlich sein würde. Eine Aufgabe, für die sie zwar theoretisch unterrichtet worden war, aber vor der es ihr dennoch grauste.
      Trotzdem mühte sie sich ein Lächeln ab, das zwar ein wenig verkniffen wirkte, aber deutlich besser als die kühle Distanz war, die sie vorher an den Tag gelegt hatte. "Ihr habt mir keine Unannehmlichkeiten bereitet.", versicherte sie. "Aber ich würde mich sehr darüber freuen, wenn hier alles so bleibt, wie vor meiner Ankunft." Das war passabel, richtig? Cordelia hasste es, Etikette und Höflichkeiten zu navigieren. Sie war nie besonders gut darin gewesen, aber hier, fernab ihrer vertrauten Umgebung und unter zahlreichen, fremden Gesichtern, fiel es ihr besonders schwer. Fast war es einfacher, alle auf einer armlänge Distanz zu halten. Aber so wollte sie nicht leben und da sie, wohl oder übel, hier würde leben müssen, wollte sie zumindest versuchen, eine Beziehung zu den Angestellten aufzubauen.
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    • Simon und Henriette stimmten zu, denn wenn es Cordelia's Wunsch war, würden sie dem nie widersprechen. Vielleicht waren sie auch froh, dass alles beim Alten bleiben könnte, auch wenn man es den beiden kaum anmerkte. Es war ja auch für Josephine eine schwierige Umstellung gewesen, distanzierter mit den Angestellten umzugehen, sobald Cordelia eintraf. So würde es für jeden einzelnen deutlich angenehmer werden. So wie es aussah, würde Cordelia eine gute Lady Torvelle abgeben. Valerian ahnte zwar noch nichts von seinem Glück, aber das konnte er ruhig selbst herausfinden. Josephine würde es ihm jedenfalls nicht auf die Nase binden.

      Nachdem sie Cordelia auch den Rest ihres neuen Heims gezeigt hatte, zog sie sich in ihre Gemächer zurück. Sie musste darüber nachdenken, was die zukünftige Lady Torvelle zu ihr gesagt hatte. Es war ein verlockendes Angebot, aber man würde ihren Vater und Valerian dafür verspotten. Außer sie würde ihren Tod vortäuschen. Aber wollte sie so weit gehen?! Nein. Was wenn es herauskäme?

      Wenigstens konnte sie etwas für Cordelia tun. Beim täglichen Morgenapell der Angestellten, trug Simon ihnen die Bitte der Damen vor. Abgesehen von der Feier selbst, könnten sie alles andere wie üblich handhaben. Das bedeutete, dass beim Frühstück niemand völlig starr an der Seite stand und auf einen Befehl wartete. Es war ein wenig lebhafter. Hier und da unterhielt sich jemand. Selbst im Speisesaal, während die Herrschaften zu Frühstück aßen. Auch wenn der Herr des Hauses von Vincent einen Tee bekam, so stellte er für die anderen frischen Orangen- und Apfelsaft auf den Tisch und für den Fall der Fälle auch eine Karaffe mit Wasser. Während Josephine ihr Glas selbst mit Orangensaft füllte, trat Isabelle an ihren Gast heran. "Lady Cordelia. Wenn ihr später etwas Zeit für mich habt, wüsste ich gern von Euch, ob ihr Wünsche für die Feierlichkeiten habt. Sagt mir nur, was Euch besonders gut schmeckt und ich gebe mein bestes", teilte sie Cordelia mit einem herzlichen Lächeln mit. "Ihr findet mich in der Küche, wenn es Euch Recht ist."
      "Vielleicht verratet Ihr mir auch was Ihr gern trinkt", fügte Vincent hinzu, als er den dampfenden Tee vor dem Fürsten abstellte. "Das ist eine gute Idee. Uns bleibt genug Zeit, um Euren Geschmack in die Planung mit einzubeziehen", stimmte Xavier zu. Josephine schenkte Cordelia ein erfreutes Lächeln, da die Angestellten nun deutlich entspannter wirkten. Sie waren noch immer überaus höflich und gewissenhaft, aber nicht mehr so krampfhaft versucht, bei Cordelia den Eindruck von perfekten Angestellten zu erwecken. Perfekt im Sinne von der Erwartung der Gesellschaft. Für Josephine war ihre eigene kleine Welt wesentlich perfekter. Ein Bad mit den Dienstmädchen im See. Ein ausgelassenes Gespräch im Garten bis zum Unterricht ihrer jüngeren Angestellten. Peter war gerade dabei das Lesen und Schreiben zu lernen. Jeder Angestellte durfte sich auch nach Lust und Laune in der kleinen Bücherei bedienen. Heute würde Cordelia also öfter jemandem begegnen, der den Eindruck erweckte, er würde gerade wohl eher faulenzen, als zu arbeiten. Besonders Alice glänzte nicht gerade mit dem größten Fleiß. Manchmal konnte man sogar Simon und Henriette bei einem Spaziergang im Garten antreffen. Auch die Wachen stünden nicht steif in der Gegend herum, sondern verloren sich gelegentlich in Gesprächen mit den anderen. All diese kleinen Dinge waren es, die Josephine so an ihrem Zuhause liebte. Was es etwas lebendiger machte. Sie freute sich darüber, dass sich hier nichts verändern würde, solange sie noch hier war. Und auch, dass danach noch alle ein hoffentlich glückliches Leben führen könnten.
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    • Auch Cordelia fiel auf, dass die Atmosphäre im Raum eine ganz andere war, als gestern Mittag. Zum einen sprachen die Angestellten nun miteinander, niemand stand steif auf der Stelle und auch die eisige Luft, die sie gestern umgeben hatte, war verschwunden. Keiner hielt mehr angespannt den Atem an oder achtete darauf, den Teller beim servieren auch bloß nicht einen Zentimeter zu weit nach links zu setzen. Eine gemeinsame Bemühung von sowohl dem Personal, als auch Cordelia. Die Angestellten kamen offensichtlich Josephines Bitte nach, sich wie immer zu verhalten und Cordelia bemühte sich im Gegenzug, keine pessimistische Aura über sich hängen zu lassen und aufgeschlossener zu sein.
      Seltsam fasziniert beobachtete sie, wie die Leute im Raum sich verhielten und miteinander agierten. Ja, Cordelia hasste Etikette und Höflichkeit, aber im Hause ihres Vaters war es dennoch gelebt worden. Sobald sich der Lord im Raum befand, waren alle stocksteif geworden. Die kleinen Veränderungen des Verhaltens des Personals hier, die doch eine so große Auswirkung hatten, wurden mit einer ungewohnten Offenheit zur Schau gestellt, die Cordelia zwar fremdartig, aber erfrischend fand. Es zauberte ihr ein kleines Lächelns ins Gesicht.
      Sie wurde jedoch aus ihren Gedanken gerissen, als jemand aus dem Personal sie ansprach. Kurz zerbrach Cordelia sich den Kopf nach ihrem Namen und war sich dann ziemlich sicher, dass es sich hierbei um Isabelle handelte. Die Erwähnung der Feierlichkeiten ließ Cordelias Lächeln ein wenig schrumpfen und gab ihrer Stimmung einen kleinen Dämpfer. Richtig. Heute waren es nur noch zwei Tage bis zur Hochzeit. Aber Isabelles Angebot war sehr freundlich und aufmerksam und bei der Planung mitreden zu können war wohl besser, als eine Feier zu haben, auf der sie am Ende alles hasste. Wobei Cordelia sich nicht sicher war, ob sie sich überhaupt weiter mit Feiern und Hochzeiten auseinandersetzen wollte. "Danke, ich komme gerne später vorbei.", nahm sie das Angebot dennoch an und sagte dann zu dem Angestellte, von dem sie glaubte, dass er Vincent hieß: "Ich lasse es dich wissen, sobald ich mir darüber selbst im Klaren bin." Denn sie hatte wirklich keine Ahnung. Bezeichnend dazu griff Cordelia nach der Karaffe mit Wasser und füllte sich selbst etwas in ihr Glas. So, wie es Josephine getan hatte. Sie war nicht weltfremd und kannte einer Vielzahl von unterschiedlichen Getränken und ihren Geschmäckern, aber gerade schwamm Cordelia der Kopf mit zu vielen anderen Dingen, um sich spontan entscheiden zu können. Oder vielleicht war es auch ein letztes bisschen sturer Protest gegen das unausweichliche, an dem sie festhielt.
      Was auch immer es war, spielte aber keine Rolle. Sie sollte besser früher als später darüber hinwegkommen. Bei dem Gedanken wanderte ihr Blick zu Valerian. Ein kleiner Fortschritt, hatte sie ihn doch gestern in der genau selben Situation noch eisig ignoriert. Aber auch jetzt brachte sie es nicht über sich, eine Konversation zu starten.

      Kalias stand an seinem üblichen Platz neben der Tür. Ihm war nicht entgangen, dass es eine Veränderung in der Atmosphäre gegeben hatte. Zwischen gestern Mittag und heute früh musste sich irgendwas verändert haben und ihn beschlich das Gefühl, dass Josephine maßgeblich daran beteiligt gewesen war, so wie sie gestern mit Cordelia im Schlepptau durch die Burg gewandert war. Aber ob das wohl alles war, was dahintersteckte? Vielleicht hatten die beiden Damen nach dem gestrigen Essen doch mehr Zeit miteinander verbracht.
      Auf jeden Fall wunderte es Kalias nicht im geringsten, dass Josephine es geschafft hatte, innerhalb eines halben Tages dafür zu Sorgen, dass alle sich deutlich wohler fühlten und Cordelia mit ihrer kühlen Abweisung nicht den ganzen Raum gefror. Das war ihre ganz besondere Magie.
      Er unterdrückte ein Gähnen und blinzelte die Müdigkeit kurz weg. Das Malen hatte ihn gestern so in seinen Sog gezogen, dass er die Zeit vergessen hatte und viel zu lange wach gewesen war. Und unzufrieden war er mit dem Ergebnis trotzdem gewesen.
      Am Ende hatte er den Pinsel bei Seite gelegt, lange, nachdem die Sonne schon untergegangen war, sich schnell Reste aus der Küche geschnappt und war dann ins Bett gefallen. Heute morgen war er bereits vor den ersten Sonnenstrahlen wieder auf den Füßen gewesen und hatte schon im Hof mit seinem Schwert trainiert. Jetzt, wo man nichts anderes von ihm verlangte, als auf der Stelle zu stehen und aufmerksam zu sein, machte sich die Müdigkeit bemerkbar. Aber Kalias war Kalias und so stand er trotzdem pflichtbewusst mit geradem Rücken auf seinem Platz und behielt den Raum aufmerksam im Auge. Auch, wenn er heute schon deutlich weniger fürchtete, dass Cordelia jemanden mit dem Brotmesser aufspießen würde. Einen kurzen Augenblick fing er Josephines Blick auf. Augenblicklich hoben sich seine Mundwinkel in einem angedeuteten Lächeln, das niemand außer ihr sah, bevor er seinen Blick wieder weiterwandern ließ.
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    • Während Isabelle ihre Antwort mit einem fröhlichen Grinsen beantwortete, hielt Vincent sich ein wenig bestürzt die Hand an die Brust. "Habt Ihr etwa nie etwas anderes als Wasser zu trinken bekommen? Ich werde etwas finden, das Euch mundet. Das verspreche ich!" Dieses Mal konnte er sein Entsetzen kundtun, wobei er sich einerseits zwar zügelte, aber andererseits ziemlich theatralisch auftrug. Das Brühen von Tees hatte zuerst seine Leidenschaft geweckt, doch inzwischen ist es seine persönliche Lebensaufgabe geworden, die verschiedensten Getränken von kalten und warmen Tees, bis zu Säften und Limonaden zu zaubern. Er versuchte auch, Eliza mit seiner Experimentierfreudigkeit anzustecken und zu versuchen, nicht nur puren Alkohol zu servieren, sondern ihn mit unterschiedlichen Zutaten ein wenig spannender zu gestalten. Viel Erfolg hatte er dabei bisher jedoch nicht.
      Josephine kicherte leise bei diesem Versprechen und Cordelia konnte sich gewiss sein, dass Vincent ihr von nun an immer wieder etwas vorsetzen würde. Einige ihrer Angestellten waren manchmal eben etwas zu enthusiastisch. Hoffentlich missfiel es Cordelia nicht, dass er sich solche Freiheiten herausnehmen würde. Vermutlich plante er schon die Auswahl für das Mittagessen. Erfreut darüber, dass alles wieder so schön wie vorher war - jedenfalls nach ihrem Empfinden - konnte die Rothaarige nicht anders, als die Angestellten im Raum zu betrachten. Für Gewöhnlich bekamen die Angestellten wohl wenig Beachtung und wurden kaum wahrgenommen. Josephine schenkte jedoch jedem einzelnen von ihnen ihr freundliches und dankbares Lächeln, wie es ihre Mutter schon immer getan hatte. Fast, als wären sie alle Teil dieser Familie. Dabei blieb ihr Blick einen Moment an Kalias hängen, der ihr von allen auf andere Weise besonders ans Herz gewachsen war. Es war die Art und Weise, wie er sie ansah und wie er mit ihr sprach. Er war schon viele Jahre in diesem Haus und so wuchsen sie gemeinsam zu jungen Erwachsenen heran. Es war, als wären sie Geschwister. Aber nein. Es war ganz anders, als mit Valerian. Valerian's Lächeln war zwar durchaus schön und erfreute sie, aber wenn Kalias lächelte, dann waren da diese Schmetterlinge im Bauch und ein viel größerer Wunsch sich in seiner Nähe aufzuhalten.
      Eine Zeit lang hatte sie die Befürchtung, dass Valerian sich ebenfalls in eine Angestellte verliebt haben könnte. Isabelle. Sie gingen so vertraut miteinander um und er liebte ihre Backkünste. Irgendwann war ihr jedoch bewusst, dass ihr Bruder einfach nur in alles, was süß schmeckte, vernarrt war. Das war gut so. Sonst hätte ihr Bruder womöglich genau so leiden müssen wie sie. Oder er hätte sie zu seiner Mätresse gemacht, was Cordelia bestimmt nicht gefallen hätte. Wobei es Cordelia vielleicht auch egal war, was ihr ihr aufgezwungener Ehemann trieb. Irgendwo hoffte Josephine jedoch, dass sich bei ihnen wenigstens ähnliche Gefühle wie bei ihren Eltern entwickeln könnten. Das würde Cordelia's Leben sicher angenehmer machen.

      Valerian sah recht häufig zu seiner zukünftigen Braut rüber, als wolle er sich ihr Gesicht gut einprägen. Viel Gelegenheit dazu hatte er bisher ja noch nicht gehabt und sie war wirklich wunderschön. Man konnte es ihm daher wohl kaum verübeln, dass er sich davon angezogen fühlte. Aber vermutlich versuchte er nur zu erkennen, ob sie sich wohl fühlte. Als ob er das erkennen würde.. Josephine brachte dieser Versuch aber zum Schmunzeln. Er war ein liebenswerter Narr und sie war froh, dass sie Cordelia nicht in die Augen sehen müsste mit dem Wissen, dass ihr Bruder ein furchtbarer Mann wäre.
      "Lady Cordelia..", begann er etwas unsicher und sah erst zu Josephine und dann zu Isabelle, die hinter ihr stand. "Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Ihr auch etwas Zeit für mich erübrigen könntet..", fuhr er fort, während er Cordelia ansah. So zurückhaltend hatte seine Schwester ihn noch nie erlebt. Er wollte sie nicht in Bedrängnis setzen, aber er wollte sie auch nicht ignorieren und als Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Sie war hier, um ihn zu heiraten und er wollte versuchen, ein gutes Verhältnis zu ihr aufzubauen. So das er zumindest nicht mehr das Gefühl hätte, dass sie ihn verabscheuen würde. Er selbst hatte sich das schließlich auch nicht ausgesucht und war seit Tagen auch ziemlich nervös, wie sie wohl sein würde. Der gestrige Eindruck hatte ihm ein wenig Sorgen bereitet, doch heute schien ihre Stimmung schon ein wenig besser zu sein. Ihm war bewusst, dass er das höchstwahrscheinlich Josephine zu verdanken hatte. Diese lächelte ihm kurz ermutigend zu und schenkte dann auch Cordelia ein Lächeln, das sie hoffentlich beruhigte und sie zustimmen ließ.
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    • Das unverhohlene Entsetzen trug Vincent mit der Hand an der Brust so ungewohnt locker vor, das Cordelia nicht anders konnte. Das kleine Lächeln auf ihren Lippen entwickelte sich ein ein voll aufgeblühtes Grinsen, das schon einen ticken zu breit war, um noch als angebracht damenhaft und verhalten durchzugehen. Es war die Art Grinsen, das nur hinter vorgehaltener Hand gelächelt werden durfte. Auf der Stelle beschloß sie, dass sie den selbsternannten Teemeister des Hauses ganz besonders mochte. "Ich freue mich darauf.", erwiderte sie und meinte jedes Wort. Natürlich kannte sie andere Getränke als Wasser. Aber Vincents Ehrgeiz ergriff Cordelia auf eine seltsame Art und Weise und sie wollte ihm das nicht dadurch kaputt machen, dass sie aufzählte, was sie kannte und was nicht. Und wer weiß - vielleicht würden bekannte Getränke bei ihm komplett anders schmecken. Sie freute sich wirklich darauf, sich mit ihm zusammen auf diese Erkundungstour einzulassen.
      Neben ihr kicherte Josephine leise. Unverhofft schwappte eine Welle der Dankbarkeit schwappte durch Cordelia bei dem Geräusch. Ohne die junge Frau an ihrer Seite, hätte sie wohl immer noch starr wie ein Eisblock hier gesessen und sich komplett verschlossen.
      Mit einer seltsamen Leichtigkeit in der Brust schob Cordelia sich einen Bissen von ihrem Frühstück in den Mund.
      Es hätte sie deutlich schlechter treffen können. Nun, zumindest, was die allgemeine Stimmung im Haus und den Umgang miteinander über ihre Klassen hinaus anging. Bezogen auf ihren künftigen Ehemann...hatte Cordelia noch immer nichts als Josephines Wort, dass er kein schlechter Mann war.
      Sie wollte Josephine glauben, tat es eigentlich auch. Aber ein letztes bisschen Verbitterung machte ihr das Herz schwer und trübte ihre Stimmung ein wenig, wenn sie an die bevorstehende Hochzeit dachte.
      Als Cordelias Blick also schließlich zu Valerian wanderte, wusste sie nicht so ganz, wie sie reagieren sollte, als er sie ansprach. Längst war das unverfrorene Grinsen von ihren Lippen verschwunden. Aber nicht nur das Grinsen glänzte mit Abwesenheit, sondern auch das Eis in ihrem Blick. Stattdessen begegnete sie Valerinas Blick mit vorsichtiger Offenheit. Jeder von ihnen auf seine ganz eigene Weise verunsichert wirkte es fast ein wenig ulkig, wie sie sich ansahen.
      An der Art, wie Valerians Blick erst zu Josephine neben ihr, und dann zu jemandem hinter Josephine wanderte, merkte Cordelia, wie unsicher Valerian wirklich war und wieviel ihn dieser eine Satz wohl abverlangt hatte. Einen Wimpernschlag lang sagte sie nichts, erinnerte sich aber an das stumme versprechen, dass sie Josephine, und im übergreifenden Sinne wohl auch Valerian und sich selbst gegeben hatte.
      Also nickte sie. "Wenn es Isabelle nichts ausmacht und Ihr noch nichts vorhabt, könnten wir nach dem Frühstück Zeit miteinander verbringen."
      Besser früher als später, bevor sie der Wille verließ, aufgeschlossener zu sein. Gleichzeitig hoffte sie, dass sie sich den Namen der Frau richtig gemerkt hatte, die ihr angeboten hatte, sie in der Küche aufzusuchen.

      Kalias beobachtete den vorsichtigen Austausch der beiden Verlobten und konnte nicht umhin, es fast schon niedlich zu finden. Sie wirkten beide ein wenig überfordert und versuchten es doch. Die Szene prägte sich vor seinem inneren Augen ein und er beschloss, sie später auf die Leinwand zu bringen. Vielleicht würden die beiden sich in ein paar Jahren mit einem Lachen an diese ersten Versuche erinnern.
      Es war zwar nicht an Kalias, sich über all das ein Urteil zu bildern, aber es freute ihn, zu sehen, dass es einen ersten Annährungsversuch gab. Valerian war einer guter Mann und er verdiente niemanden, der ihm für den Rest seiner Ehe die kalte Schulter zeigte.
      Aber sein Kopf hielt sich nicht lange bei Valerian und Cordelia auf. Stattdessen überlegte er, ob er wohl später einen Moment mit Josephine allein würde in seine Routine schleichen können. Nicht lange - er wollte seine Pflichten nicht vernachlässigen - aber es brannte ihm doch unter den Fingern, herauszufinden, wieviel genau sie mit der veränderte Atmosphäre sie zu tun und wie sie es hinbekommen hatte. Und vor allem, wie es ihr mit der bevorstehenden Hochzeit ging. Ohne Zweifel würde eine Vielzahl von Lords die Gelegenheit nutzen, um sie unter die Lupe zu nehmen und so herauszufinden, ob es sich lohnte, Lord Torvelle ein Angebot für seine Tochter zu unterbreiten.
      Bei dem Gedanken senkte sich etwas schweres über Kalias Herz und seine gute Stimmung wurde ein wenig gedämpft. Aber er blinzelte es weg. Wie es ihm damit ging, war irrelevant. Josephine war diejenige, deren Zukunft fern ab von ihrem Zuhause lag.
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    • Isabelle und Vincent schienen von der zukünftigen Lady bereits sehr angetan zu sein. Vor allem, als ihr Name in Cordelia's Zusage fiel. "Ganz und gar nicht. Ihr könnt vorbeikommen, wann immer es Euch beliebt." Auf Valerian's Lippen legte sich ein erleichtertes Lächeln. Das bedeutete wohl, dass sie sich ziemlich bald unterhalten könnten. Worüber, wusste er zwar noch nicht so genau, aber es freute ihn, dass sie überhaupt zusagte.
      Nach dem Frühstück, verabschiedete sich Josephine mit einem breiten Lächeln von Cordelia und würde für's Erste weiterhin ihrem üblichen Tagesplan folgen. Als nächstes stand also Klavierspielen an, weshalb sie zugleich in diesem Raum verschwand. Die Wachen verteilten sich in und außerhalb der Burg und doch, war es so gut wie immer Kalias, der ihr Gesellschaft leistete. Ein wenig übertrieben, eine Wache in einem Raum zu haben in der sich lediglich eine einzige Person aufhielt. Aber sie könnte sich niemals darüber beklagen.
      Als sie am Flügel Platz genommen hatte, sah sie zu dem jungen Mann auf und musste unwillkürlich an Cordelia's Worte denken. Sie wartete darauf, dass er sich setzte, da es sie irgendwie ablenkte, wenn er die ganze Zeit an der Tür stand und Löcher in die Luft starrte. Erst als er saß, entlockte sie dem Flügel eine leise Melodie, indem sie ihre Finger sanft über die Tasten gleiten ließ. Am Tag der Hochzeit müsste sie etwas vorspielen und deshalb musste sie sich darauf vorbereiten. Es war vergleichbar mit der Viehschau auf dem Markt, nur dass das Vieh, das ausgestellt wurde, Josephine war. Kritische Blicke würden an diesem Tag auf ihr lasten und die Lords würden abwägen, welchen Vorteil sie davon hätten, ihre Söhne mit ihr zu vermählen. Ebenso würden sicher ein paar Heiratskandidaten persönlich anwesend sein. Ein Mann konnte schließlich noch ein wenig selbst darüber entscheiden, welche Frau er wollte. Sofern sich die Gelegenheit ergab. Valerian hatte nie eine Frau getroffen, die in Frage gekommen wäre. Die Torvelle's wurden nicht sehr häufig zu den Feierlichkeiten anderer eingeladen. Also blieb diese Entscheidung allein ihrem Vater zu treffen.

      Währenddessen führte der junge Lord seine Verlobte durch die Gärten und betrachtete das Werk der Gärtner. Hübsch zugeschnittene Hecken und Magnolien zierten diese. Zwischendurch gab es auch ein paar Rosensträucher. aber grundsätzlich nicht all zu viel zu sehen. Auch von hier hatte man allerdings einen guten Blick auf den See. "Wenn es etwas gibt, dass Ihr Euch wünscht, dann.. lasst es mich bitte wissen..", begann er das Gespräch und betrachtete Cordelia. Sein Blick war nicht aufdringlich, wenngleich ein wenig neugierig. Am meisten sprach jedoch der Abstand zwischen ihnen für sich, dass der Rothaarige ihr kein Unwohlsein bereiten wollte, indem er ihr zu nahe träte. "Ich freue mich, dass Ihr Euch so gut mit meiner Schwester zu verstehen scheint." Er wusste, dass es für sie sehr wichtig wäre, dass sich Cordelia hier wohl fühlen würde. Das sie dafür alles tun würde, was ihr möglich wäre. Die Stimmung war heute auch wesentlich angenehmer gewesen.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Wer Kalias und Josephine kannte, würde sich nicht darüber wundern, dass sie sich mal wieder im selben Raum aufhielten, obwohl eine Wache für eine Person ziemlich übertrieben schien. Und auch, wenn Kalias seine Tätigkeit sehr ernst nahm und stets aufmerksam war, war er gerade doch vor allem als Josephines Freund und nicht als ihre Wache hier. Und so wurde es auch stillschweigend toleriert, dass die beiden immer eine Möglichkeit fanden, Zeit miteinander zu verbringen. Lord und Lady Torvelle hatten Kalias damals aufgenommen und ihn heranwachsen sehen. Lady Torvelle war leider nicht mehr, aber der Lord wusste doch, das Kalias ein pflichtbewusster junger Mann war und niemals etwas tun würde, dass Josephines Ruf in Verruf bringen würde. Alle in der Burg, ob nun Lord und Lady oder Angestellte, wussten, dass die beiden quasi miteinander aufgewachsen und befreundet waren. Daher dachte niemand zweimal darüber nach, dass hinter der Nähe, die sie häufig zueinander suchten, vielleicht mehr stecken könnte.
      Jetzt, jedenfalls, hatte Kalias es mal wieder erfolgreich geschafft, die einzige Wache und auch sonst die einzige Person, neben Josephine, in dem Raum zu sein. Gemäß ihrer Routine hatte Josephine sich den den Raum mit dem Flügel begeben und hatte sich bereits auf die niedrige Bank vor dem Klavier gesetzt.
      In Kalias' Körpersprache erfolgte eine kaum wahrnehmbare Veränderung. Seine Schultern waren nicht mehr ganz so gestraft, seine Haltung nicht ganz so steif. Er ließ sich neben Josephine auf der Cantabile nieder. Nah genug, um deutlich zu machen, dass sie nicht nur Lady und Wache waren, doch mit genug Abstand, dass es von außen nicht unziemlich aussah.
      Josephine begann zu spielen und eine Weile war Kalias nur damit beschäftigt, der Musik zu lauschen, die ihre Finger den Saiten entlockten. Musik, fand Kalias, war nicht einfach nur das Drücken von Tasten und das Aneinanderreihen von Tönen. Jeder konnte eine Melodie spielen, wenn er nur lange genug übte. Doch die Töne wurden erst dann wirklich zu Musik, wenn man ihnen einen Hauch seiner selbst gab. Persönlichkeit, Emotionen.
      Und Josephine ließ in jeder einzelnen Note die sie spielte einen Teil ihrer selbst mitklingen. So, wie Kalias es jedes Mal versuchte, wenn er den Pinsel schwang. Jeder von ihnen ein Künstler seiner ganz eigenen Art.
      Er hätte noch eine Weile hier sitzen und einfach nur lauschen können. Doch als die letzten Töne der bekannten Melodie verklangen, konnte er doch nicht anders, als das Wort zu ergreifen.
      "Das war wunderschön.", ein Lächeln kurvte seine Mundwinkel nach oben und ließ seine Augen warm schimmern. Dann wurde sein Ausdruck ein wenig ernster, aber nicht weniger sanft. "Wie geht es dir?"
      Eine einfach Frage. Aber die Art und Weise, wie Kalias sie aussprach und wie der Blick aus seinen Augen auf Josephine lag, trugen doch eine unbestreitbare Schwere mit sich. Er wollte nicht wissen, ob sie gut geschlafen hatte oder das Essen ihr noch schwer im Magen lag. Nein, Kalias war ehrlich daran interessiert, wie es ihr ging. Was sie beschäftigte und ob sie Sorgen hatte, wegen der bevorstehenden Hochzeit und dem, was dieses Ereignis für sie bedeuten würde.

      Das Atmen fiel Cordelia hier draußen noch immer leichter, als in den starren Mauern der Burg. Sie bezweifelte, dass Valerian dies wusste und deswegen bewusst die Gärten gewählt hatte, aber sie war dennoch froh darüber. Nach ihrem Ausritt mit Josephine gestern war es zwar einfacher, aber noch immer nicht leicht geworden. An jeder Ecke lauerten Dinge, die ihr deutlich machten, wie fremd sie hier war. Die hellrosa blühenden Magnolien waren schön, aber unvertraut und hatten mit den weißen, schneeballförmigen Blüten der Virbunumbäume im Norden nichts gemein. Und selbst die Pflanzen, die es an beiden Orten gab, waren doch vollkommen anders. Die Rosen viel zu kräftig und rot, als hätte man die zartrosa Rosen des Nordens in einen Farbeimer getunkt. Alles war anders und verstärkte in Cordelia nur das Gefühl, nicht hierher zu gehören.
      Selbst der See war klarer, dass Wasser heller als die dunklen Gewässer ihrer Heimat. Hier war das Wasser ruhiger, weniger stürmisch. Heimweh traf sie mit einem Mal so scharf direkt unter der Brust, dass sie den Blick abwandte und stattdessen den Kiespfad zu ihren Füßen betrachtete.
      Erst, als Valerian die unangenehme Stille zwischen ihnen durchbrach, sah sie auf. Aber ihr Blick streifte den Lord nicht, sondern richtete sich stur geradeaus. Tausend Gedanke und Wünsche schoßen ihr durch den Kopf, keiner davon angebracht für diesen Ort oder dieses Gespräch. Nicht, wenn sie es wirklich versuchen wollte. Kurz streifte ihr Blick bei dem Gedanken Valerian, dann nickte sie.
      Als er von Josephine sprach, stahl sich doch kurz ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. "Josephine ist wundervoll." Unbewusst hatte sie Josephines Titel weglassen, verbesserte sich aber auch nicht, als es ihr auffiel. Stattdessen bemühte sie sich, die Stille zu füllen, die sich wieder zwischen ihnen zu erstrecken drohte. Konversation betreiben war noch nie ihre Stärke gewesen. Besonders dann nicht, wenn sie eigentlich gar keine Lust darauf hatte.
      Aber das hier war ihr zukünftiger Ehemann und da war immer noch ihr stummes Versprechen.
      Versuchen. Sie konnte es wenigstens versuchen.
      Also zerbrach sie sich das Hirn nach einer angebrachten Frage und sagte dann das erste, was ihr einfiel. "Also.", startete sie ungeschickt "Wie gestaltet Ihr Eure Freizeit?" Die Frage klang selbst in ihren eigenen Ohren schmerzhaft gezwungen, aber wenigstens konnte keiner behaupte, sie würde es nicht versuchen.
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    • Das Klavierspielen war eine der wenigen Freuden in ihrem Lehrplan. Tanzen gefiel ihr auch sehr, aber wenn sie nicht mit Kalias tanzen könnte, würde es ihr nie die Freude bereiten, wie in seiner Gegenwart zu spielen. Sollte sie in ihrem neuen Zuhause weiterhin spielen dürfen, würde sie immer an diese Momente zurückdenken können. Jedoch war sie nicht sicher, ob sie ihr Trost spenden oder nur mehr Kummer bereiten würden.
      Nach seinem Kompliment, erwiderte Josephine sein Lächeln und sah in seine Augen. Ihr Lächeln wich, als er sich nach ihrem Befinden erkundigte und sie wandte ihren Blick auf die Tasten vor sich. Sie strich mit den Fingern der rechten Hand über die Tasten, ohne sie zu spielen und schwieg eine ganze Weile. Sie wollte ihm antworten, sie wusste nur noch nicht genau, was. Er würde sie aber auch nie drängen. Ihre Hand blieb stehen und sie atmete tief durch.
      "Ich weiß nicht, was ich tun soll...", hauchte sie leise und drehte ihren Kopf zu ihm, ohne ihren Blick zu heben. "Kalias.." Zurückhaltend legte sie ihre Hand auf seine und hob ihren Kopf, um in seine Augen zu sehen. Wie gerne würde sie ihm jetzt ihre Gefühle gestehen, aber sie konnte nicht. Ein riesiger Kloß steckte in ihrem Hals, während ihr Herz gegen ihre Brust hämmerte. Sie würde es nur schwerer machen - für sie beide. Allerdings fragte sie sich, wie vielversprechend Cordelia's Plan sein könnte. Wie sehr sie sich doch in seine Arme legen würde.

      Cordelia schien Josephine wirklich zu mögen, was sehr wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Valerian war ein wenig überfordert damit, worüber er mit Cordelia sprechen sollte. Deshalb nahm er sich vor, bei Gelegenheit seine Schwester zu fragen. Er erwartete aber auch nicht, dass seine Braut ihn schon vor der Hochzeit ausstehen könnte. Das brauchte Zeit, hatte Isabelle gesagt. Und er solle sich nicht zu viele Gedanken machen. Als ob er das so einfach abstellen könnte.
      Froh darüber, dass Cordelia das Gespräch am Leben erhalten wollte, lächelte er etwas unbeholfen. "Meistens verbringe ich meine Freizeit mit den Angestellten in der Küche...", antwortete er ehrlich, um ihre Bemühungen zu würdigen. "Und Ihr? Gibt es etwas, dass Ihr auch hier tun könnt?" Immerhin gab es hier zahlreiche Möglichkeiten, um ein Hobbie auszuleben. Wie er schon sagte, war er auch bereit dazu, etwas neues anzuschaffen, wenn sie es benötigte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Geduldig wartete Kalias, während Josephine über seine Frage nachdachte. Es war offensichtlich, dass sie etwas bedrückte. Ihre Finger schwebten einen Moment über den Tasten das Klaviers, ohne den Saiten einen Ton zu entlocken. In der Stille, die sich in der Abwesenheit der Musik um den Raum gelegt hatte, konnte er hören, wie sie tief durchatmete, sich offensichtlich wappnete, zu reden. Und die Worte, die ihren Mund verließen, waren so herzzerreißend ehrlich, dass Kalias näher zu ihr rutschen und seine Arme um sie schließen wollte. Die Welt und all ihre Sorgen einen Moment für Josephine abfangen. Ihr Sicherheit geben. Aber er bewegte sich nicht, sondern wartete nur weiter geduldig, während sie den Kopf zu ihm drehte, den Blick gesenkt sein gehauchter Name von ihren Lippen fiel.
      Als Josephine ihre Hand auf seine legte und ihre Augen hob, ruht Kalias' Blick schon auf ihr. Er drehte die Hand mit der Handfläche nach oben und verflocht ihre Finger miteinander, in den Augen noch immer dieser ruhige, warme Ausdruck der ihn auszeichnete.
      "Du wirst deinen Weg finden. Das hast du bis jetzt immer getan."
      Er übte einen behutsamen Druck auf ihre Hand aus. Die Mundwinkel in einem sanften Lächeln nach oben gezogen sah er sie mit unerschütterlicher Überzeugung an. "Und wenn du doch mal Hilfe brauchst, bin ich stets zur Stelle." Er wusste nicht genau, was sie mit ihren Worten gemeint hatte. Aber Kalias musste die Wurzel des Problems nicht kennen, um sich sicher zu sein, dass Josephine es überkommen würde. Und obwohl er merkte, dass sie mehr als nur die bevorstehende Hochzeit und die damit verbundene Aufmerksamkeit zukünftiger Verehrer beschäftigte, drängte er nicht weiter nach einer Erklärung.

      Aus dem Augenwinkel konnte Cordelia das unbeholfene Lächeln erahnen, dass sich auf Valerians Lippen gelegt hatte. Seine Antwort ließ sie irritiert die Brauen zusammenziehen, unsicher, was sie von dem Geständnis halten sollte. Es wäre einfach gewesen, seinen Worten eine Zweideutigkeit zu interpretieren. Aber jeder Mann, der zumindest ein wenig bei Verstand war, würde seiner zukünftigen Frau wohl kaum so offen gestehen, wenn er eine Affäre hatte. Außerdem hatte Josephine gesagt, ihr Bruder sei ein guter Mann. Es war also nicht das Interesse an den weiblichen Angestellten, dass Valerian in die Küche zog, beschloss Cordelia mit einer Prise trockenem Humor und einem größeren Haufen Irritation. Vielleicht...aß er einfach nur gerne? Oder kochte?
      Im Anbetracht der Lockerheit zwischen Adel und Angestellten in diesem Haus war es gar nicht so unwahrscheinlich. Aber alles Grübeln half nicht, also beschloss sie, einfach nachzufragen. "Und was macht Ihr dort?", fragte sie und bemühte sich, ihren Ton neutral zu halten, um nicht zu vermitteln, wie irritiert sie davon war, dass der zukünftige Lord Torvelle seine Freizeit gerne in der Küche verbrachte.
      Seine Frage beantwortete Cordelia allerdings nicht weniger unbeholfen. "Ihr habt Pferde."
      Das hier war wirklich äußerst schmerzhaft. "Ich reite gerne.", schob sie schnell hinterher um sich besser zu erklären und da der erste Satz alleine einfach nur dumm klang. Dann verzog sie ein wenig das Gesicht. Ihre Versuche ein Gespräch zu führen waren wie die ersten, wackligen Schritte eines Rehkitz'. Nur deutlich schmerzhafter. Hoffentlich würde sie bald Laufen lernen.
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    • Kalias' Hand fühlte sich so anders an, als die ihres Bruders oder ihres Vaters. Damit meinte sie nicht, dass sie kräftiger und ein wenig rauer waren. Viel mehr das Gefühl, das die Berührung in ihr auslöste. So warm. In seiner Nähe fühlte sie sich so sicher wie nie.
      Auch seine Worte vermochten es immer, ihr neue Kraft zu schenken. Dieses Mal reichten sie jedoch nicht aus. Keine Worte dieser Welt könnte ihren Kummer beenden. Nicht einmal von Kalias' Lippen. Dann sagte er etwas, dass sie niemals in Frage stellte. Er war immer zur Stelle. Kurz dachte sie daran, ihm wirklich ihre Gefühle zu gestehen, als eine Maid hereinkam, um das Zimmer zu säubern. Der Anstand entfernte den jungen Mann viel zu weit von ihr, was sie betrübte. Doch als sie sich davon erholt hatte, blickte sie auf. Es war Susan. Sofort kam ihr eine absurde Idee. Doch wieder einmal baute der Anstand eine unüberwindbare Mauer. Ein Tag. Mehr wollte sie doch gar nicht. Ein Tag hinter diesen Mauern. Ein Tag nicht Josephine Torvelle sein.
      "Warte hier..", richtete sie an Kalias und näherte sich der jungen Frau. Sie flüsterte ihr etwas zu, ehe die beiden in einer weniger einsehbaren Ecke verschwanden. Dort zogen sie sich beide aus und tauschten ihre Kleider. Susan hatte eine ähnliche Haarfarbe und Statur. Damit sie jedoch nicht entlarvt werden würde, sollte Susan vortäuschen, dass es ihr nicht gut ginge und die Zeit im Bett verbringen. Diesen Wunsch konnte sie der jungen Lady natürlich nicht ausschlagen.
      Schon etwas fröhlicher gestimmt, kehrte sie zu Kalias zurück. Es war gewiss nicht die erste eigenartige Idee, die ihrem Köpfchen entsprang. "Kalias.. sag Peter doch bitte, dass er dein Pferd satteln soll.." Ähnlich wie der Ausritt mit Cordelia, wollte sie nun mit Kalias ausreiten. Egal wohin. Die vermeintliche Susan konnte allerdings kein eigenes Pferd nehmen, weshalb sie bei Kalias mitreiten würde, um weniger Verdacht zu wecken. "Ich bringe Josephine zu Bett. Sie fühlt sich nicht wohl", erklärte sie, während Susan etwas unbeholfen neben ihr stand. Marie würde niemandem etwas verraten, sollte sie Susan begegnen, weil sie sich um sie kümmern wollte. Jeder würde sie sofort erkennen, wenn sie ihr Gesicht sahen oder ihre Stimme hörte, doch wenn sie so tat, als würde sie schlafen, sollte es irgendwie schon gut gehen. Sie selbst würde danach dann zu den Ställen gehen, um sich dort mit Kalias zu treffen.

      Selbst wenn Cordelia's Ton noch irritierter klänge als jetzt, würde der zukünftige Fürst es wohl nicht wirklich erkennen. Für ihn war daran nichts sonderbares, da er schließlich in diesem herzlichen Umfeld aufgewachsen war. "Ich unterhalte mich mit Isabelle und Vincent. Außerdem darf ich immer ihre Teige und Cremes abschmecken", meinte er und lächelte dieses Mal sehr aufrichtig. "Manchmal versuche ich mich auch am Kochen, wenn mein Vater mich dazu überredet. Allerdings bin ich darin nicht so gut wie er.. Josephine kann auch wesentlich besser kochen."
      Cordelia hingegen schien zu mögen, dem er gar nichts abgewinnen konnte. Pferde und Reiten. Selbst Kutschfahrten bereiteten ihm Unwohlsein, wenn der Weg holprig wurde. Auf einem Pferd zu sitzen fühlte sich jedoch fast schon beängstigend an. Womöglich lag es daran, dass er als Kind und auch noch als Jugendlicher sehr oft von den Pferden abgeworfen wurde. Seine Unruhe schien sich auf die Tiere zu übertragen und wenn er einmal falsch am Zügel zog, flog er runter.
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      Ehe er wusste, was passierte, war Josephine schon aufgestanden und zu Susan rübergegangen. Das junge Dienstmädchen hatte vor wenigen Momenten den Raum betreten und so unbeabsichtigt Distanz zwischen Josephine und ihm geschaffen. Denn auch, wenn der Umgang im Hause Torvelle zwischen Lords, Ladies und Angestellten unüblich locker und familiär war - Kalias würde niemals Josephines guten Ruf beschädigen. Und auch, wenn etwas in seiner Brust mit der wachsenden Distanz zwischen ihnen zunehmend zu ziehen begann, war es doch das Richtige.
      Jetzt jedenfalls saß er verlassen auf dem Hocker vor dem Piano und versuchte, nicht zu lauschen, während Josephine mit Susan tuschelte. Verstanden hätte er sie wahrscheinlich sowieso nicht, dennoch wollte er nicht so unverschämt sein und den beiden ihre Geheimnisse lassen. Also ließ er seinen Blick stattdessen über die Saiten des Klaviers gleiten und dachte darüber nach, wie Josephine es nur immer wieder schaffte, diesem ordinär aussehendem Instrument so viel Leben zu entlocken. Das die beiden Frauen in einer Ecke des Zimmers verschwanden, bekam er nicht mit.
      Erst, als er Schritte vernahm, die sich ihm nährten, sah Kalias wieder auf. Josephine kam auf ihn zu. Irgendwo auf dem Weg von Susan zu ihm schien sie ihre teuren Stoffe gegen das einfach Kleid einer Angestellten ausgetauscht zu haben. Das trübe Licht in ihren Augen gegen ein Funkeln.
      Sofort verstand er.
      Das war bei weitem nicht die seltsamste Idee, die Josephine je gehabt hatte, aber gewiss war sie ganz weit oben mit dabei. Er hob beide Brauen ein wenig. "Natürlich, Susan. Richtet Lady Josephine meine Besserungswünsche aus.", ging er jedoch ohne zu zögern auf ihr kleines Schauspiel ein, obwohl niemand im Raum war, der nicht eingeweiht war.
      Während Josephine und Susan, die ein wenig bedröppelt in Josephines teuren Kleidern aussah, sich also zu Josephines Zimmer begaben, um die vermeidliche Lady Torvelle dort ins Bett zu legen, ging Kalias zum Stall. Wenn es Josephine helfen würde, den Kopf frei zu bekommen, würde er keine Einwände erheben. Ohnehin konnte sie wohl kaum sicherer sein, als in seiner Anwesenheit. Kalias war nicht arrogant, aber selbstbewusst in seine Fähigkeit, mit Waffen umzugehen.
      "Hallo, Peter.", Kalias lächelte dem Stallburschen zu. Der sprang sofort eifrig von dem Strohballen auf, auf dem er sich gesonnt hatte. "Kalias! Musst du in die Stadt? Soll ich dein Pferd für dich satteln?"
      "Ja, bitte.", gab er zurück. Peter nickte eifrig, grinste breit und eilte dann in den Stall davon. Zurückgelassen mit nichts als seinen Gedanken als Gesellschaft, lehnte Kalias sich gegen einen Holzbalken, der das einen Teil des Vordachs des Stalls hielt. Er wusste nicht, wohin genau Josephine wollte. Ob nun in die Stadt, oder einfach nur die Hügel um ihr Anwesen. Der See, vielleicht. Aber es war egal. Er wäre bereit, sie bis ans Ende der Welt zu begleiten.

      "Ah.", machte Cordelia wenig wortgewandt. Gott, das war wirklich schmerzhaft. Einen Moment war nur das Knirschen des Kies' unter ihren Füßen zu hören. "Sind Isabelle und Vincent für die Küche zuständig?", versuchte sie dann, die Konversation auf ein Thema zu lenken, dass vielleicht endlich bewirken würde, dass ihre Unterhaltung ein wenig flüssiger wurde. Außerdem konnte es nicht schaden, mehr über die Angestellten der Torvelles zu erfahren. Immerhin wäre Cordelia bald für sie zuständig. Für den Rest ihres Lebens.
      Sie behielt den Seufzer, der bei dem Gedanken aufkommen wollte, bei sich. Stattdessen lenkte sie ihre Gedanken wieder zu dem Thema ihrer Unterhaltung.
      Isabelle war diejenige, die ihr angeboten hatte, später in der Küche vorbeizukommen. Vincent derjenige, der ehrlich entsetzt davon ausgegangen war, sie hätte in ihrem Leben nie etwas anderes als Wasser getrunken. Sie mochte die beiden.
      Valerian hätte seine Zeit wohl also durchaus schlechter verbringen können. Auch, wenn es für einen Mann seines Ranges sehr ungewöhnlich war, Zeit in der Küche zu verbringen. Egal, aus welchem Grund. Aber hier, so hatte Cordelia erkannt, lief wohl alles ein wenig anders. Was nicht schlecht war - im Gegenteil. Ungewohnt, vielleicht, aber gewiss eine willkommene Abwechslung zu dem, wie sie aufgewachsen war.
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      Josephine lächelte glücklich, als Kalias antwortete. Auf ihn konnte sie sich immer verlassen und er stellte keine Fragen, die sie nicht ehrlich beantworten dürfte.
      Also brachte sie Susan in ihr Zimmer, die sich ihren Tag wohl etwas anders vorgestellt hatte und ihn nun offensichtlich faulenzend verbringen durfte, gar sollte. Allerdings war es auch nicht so, dass es für eine von beiden großen Ärger bedeuten würde, sollten sie auffliegen. Das war ganz gewiss eine der schönen Dinge in ihrem Hause. Dennoch fühlte sich Josephine in den einfachen Kleidern etliche Pfunde leichter, als sie zum Stall ging und Kalias bereits dort stehen sah. Ihr Herz füllte sich mit Wärme und die Gedanken an die bevorstehende Verlobung wehten mit der sanften Brise, die mit ihrem Haar und den Röcken spielte, davon. Der heutige Tag galt nur ihnen beiden, auch wenn Josephine möglicherweise im Begriff war etwas unkluges zutun. Doch ihr Herz schrie wie ein Vogel im Käfig, sodass sie nicht anders konnte, als das kleine Türchen zu öffnen und es fliegen zu lassen. Nur ein Tag nicht Josephine Torvelle sein.

      Sie wartete etwas abseits, um nicht auch den kleinen Peter mit ihrem Einfall zu belasten. Ein Ziel hatte sie auch nicht. Wobei es sie am Ende doch immer wieder zum selben Ort führte: Ihrem Lieblingsort, den sie gestern bereits Cordelia vorgestellt hatte.
      Als Kalias mit seinem Pferd zu ihr kam, strich sie ihm über den Nasenrücken und schmiegte sich an dessen Hals. Ihre Leidenschaft mochte vielleicht nicht so groß wie die ihrer Schwägerin sein, doch ihre Liebe galt jedem Menschen und jedem Tier hier.
      Sorgenfrei, wie sie in diesem Moment war, legte sie ihre Arme um den Mann ihres Herzens und saugte seinen Geruch auf, als könnte es das letzte Mal sein, dass sie ihn so intensiv wahrnehmen konnte. Ohne Hast ritten sie vom Hof und ließen sich treiben. Erst als sie kurz davor waren den schmalen Weg zu verpassen, äußerte die Rothaarige den Wunsch diesem zu folgen. So brachte Kalias sie zu dem Ort, an dem sie ihren Kummer vergessen und gleichzeitig stärker denn je spüren konnte. Der Ort, der ihre Sehnsucht für sich behielt. Der Ort, an dem Cordelia in der jungen Adligen einen klitzekleinen Funken entfacht hatte, der darum kämpfte nicht im Keim zu ersticken.

      "Genau genommen ist mein Vater dafür zuständig, aber Vincent zeigt eine Leidenschaft für Kräuter und eigentlich allem, woraus man ein Getränk machen kann. Oder auch nicht. Und Isabelle backt für ihr Leben gern", begann er zu erklären. Ob sie daran nun ernstes Interesse hatte oder nicht - Valerian hatte jedenfalls nicht das Gefühl, als würde sie es nicht hören wollen. Aber da konnte er sich wie so manches Mal auch einfach nur irren. Jedenfalls erzählte er auch von den anderen Damen in der Küche, die von ihrem Vater höchstpersönlich in der Küche angelernt wurden. Im Gegensatz zu anderen Adelshäusern hatten ihre Angestellten ein echtes Lächeln im Gesicht, auch wenn der junge Adlige kaum zwischen einem echten und unechten unterscheiden konnte. Ihm gefiel es aber sehr mit den Angestellten zu reden und zu lachen.
      Flüssiger wurde ihre Unterhaltung alle mal, denn so lange Cordelia ihn nicht ausbremste, erzählte er immer mehr von den Angestellten des Hauses. Mit einigen wuchs er auf, andere kamen erst kürzlich dazu.
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      Die Sonne stand bereits hoch am wolkenlosen Himmel. Eine laue Brise wehte, Vögel zwitscherten und wer genau hinhörte, konnte im Unterholz Nagetiere rascheln hören. Unter den Gesang der Vögel und das Flüstern der Blätter im Wind mischte sich der Schlag von Hufen auf Erde.
      Weder Josephine noch Kalias sprachen ein Wort, während sie ritten. Ihm entging nicht, wie Josephine ihre Arme um ihn legte und sich augenblicklich ein warmes Gefühl in ihm ausbreitete. Der kleine, egoistische Wunsch, es könnte immer so sein.
      Aber er schob den Gedanken hinten an. Es ziemte sich nicht. Außerdem waren seine Sinne in diesem Moment nach Außen gerichtet. Denn auch, wenn die Straßen rund um die Burg der Torvelles nicht als besonders gefährlich galten, lag ihr Land doch weit genug von der Stadt entfernt, dass die Ritter des Königs hier nicht regelmäßig patrouillierten und somit immer die Gefahr bestand, dass sich doch Schurken und Halunken am Rande der Straße eingenistet hatten und einen Überfall planten.
      Daher war Kalias immer aufmerksam, wenn er sich hier aufhielt. Mehr noch, wenn Josephine hinter ihm saß und ihre um ihn geschlungenen Arme ihm deutlich machten, wen er zu beschützen hatte.
      Erst, als sie sich einem schmalen Weg nährten, von dem Kalias wusste, dass er einen Hügel hinaufführte, ergriff Josephine das Wort. Natürlich. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
      Das sie zu dem Platz über dem See wollte, hätte er sich denken können.
      Nickend lenkte er sein Pferd mit einem sanften Zug am Zügel nach rechts und den schmalen Pfad entlang.
      Oben angekommen verlangsamte er sein Pferd stetig, bis sie neben einem Baum zum stehen kamen. Da Josephine hinter ihm saß, musste sie zuerst absteigen. Er wusste, dass sie eine gute Reiterin war und daher keine Schwierigkeiten haben sollte. Hätte er gekonnt, hätte er ihr trotzdem Hilfe angeboten.
      Stattdessen klopfte er seinem Pferd auf den Hals. Das Tier hatte eine Pause mehr als verdient, nachdem es sie beide den steilen Pfad nach oben geschleppt hatte.
      "Ich wusste gar nicht, das Lady Josephine dir ihren Lieblingsort gezeigt hat, Susan. Sie muss dich wirklich mögen.", scherzte Kalias mit warmer Stimme und funkelnden Augen.

      Cordelia schien genau die richtige Frage gestellt zu haben. Denn irgendwie hatte sie bei Valerian damit einen Redefluss losgetreten, der gar nicht mehr stoppen wollte. Er erzählte ihr alles über die Angestellten und ihre Tätigkeiten im Haus. Aber da stoppte er nicht. Nein, Valerian erklärte ihr nicht nur, wer wer war und was tat, sondern konnte ihr zu jedem einzelnen auch mindestens eine Kindheits- oder Jugendgeschichte erzählen. Dinge, die diese Menschen liebten oder hassten. Worüber sie gemeinsam gelacht hatten und wie sie sich miteinander umgingen.
      Statt genervt zu sein oder Valerians Stimme auszublenden, bemühte Cordelia sich, aufmerksam zuzuhören. War ihr Gesichtsausdruck anfangs noch betont neutral gewesen, so zogen sich ihre Brauen mit jeder neuen Information, die sie schnell versuchte, irgendwo in ihrem Kopf zu verstauen, bevor Valerian schon die nächste ausspuckte, ein wenig mehr zusammen. Nach einiger Zeit sah sie fast ein wenig angestrengt aus. Konzentriert.
      Das die Sonne so unerbittlich auf sie nieder schien, half auch nicht gerade dabei, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ihr war der Frühling hier schon zu warm, die Kleider zu hoch und geschlossen für dieses Wetter - wie sollte da erst der Sommer werden?
      Gab es in diesem Garten denn nicht ein verdammtes Fleckchen Schatten?
      Hinter einem niedrigen Beet und ein Stück die Wiese hinunter erblickte Cordelia ihre Erlösung. Ein Laubbaum, den sie nicht genauer kannte. Aber ganz gleich, worum genau es sich bei ihm handelte - sein Blätterwerk war dicht und grün und so groß, dass es die Sonne fern hielt und einen ungleichen Fleck Schatten um seinen Stamm herum bot. Perfekt.
      "Was haltet Ihr davon, wenn wir uns irgendwo hinsetzen und dort weiterreden?", nutzte sie eine Lücke in Valerians Redefluss, während er gerade Luft holte. Ohne auf eine Antwort zu warten raffte sie ihre Röcke ein wenig und bog dann scharf links ab, sobald sich eine kleine Lücke zwischen den Beeten auftat und sie keine Blumen zertrampeln würde. Dabei ignorierte sie gekonnt die Bank, die ein paar Schritte weiter vorne am Rande des Kieswegs auf sie gewartet hatte, aber genau in der Sonne stand.
      Zielstrebig lief sie durch das Gras auf den Baum zu und ließ sich dann mit einer fließenden Bewegung direkt an seinem Stamm im Gras und unter dem Schatten seines Blätterdachs nieder, die eher zu einem Thron gepasst hätte. Perfekt.
      Dann sah sie zu Valerian, einen völlig nonchalanten Ausdruck der Höflichkeit im Gesicht und nicht so, als hätte sie sich gerade in den Dreck gesetzt. "Entschuldigt - wo wart Ihr?"
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      Sie lauschte den Klängen der Natur und genoss die Wärme, die Kalias ausstrahlte. Es gab nicht viele Gelegenheiten ihm so nahe sein zu können wie jetzt und deshalb versuchte sie alles abzuspeichern und auf immer bewahren zu können. Bei Kalias musste sie sich um nichts sorgen, weshalb sie ihre Augen geschlossen hatte.
      Erst als sie langsam zum Stehen kamen, löste sie sich ein wenig von ihrem starken Beschützer und rutschte gekonnt vom Pferd, ehe sie zu ihm aufsah. Seine Worten brachten sie zum Lachen, doch sie erwiderte kein Wort darauf. Während Kalias sich um das Pferd kümmerte, trat sie etwas näher an den Rand und ließ ihren Blick über den Horizont wandern. Dieser Anblick war unendlich schön. "Malst du mir ein Bild hiervon?", fragte sie mit verträumter Stimme und streckte ihre Hand ein wenig aus, als könne sie damit das Bild vor ihren Augen tatsächlich anfassen. Wenn sie ein Bild davon hätte, würde sie sich immer wieder an diesen Ort erinnern können.
      Als sie die Schritte hörte, die sich ihr näherten, sah sie über ihre Schulter zu ihm nach hinten und lächelte. Am liebsten würde sie auch noch weitere Bilder mitnehmen, die er gemalt hatte. Sie liebte seine Bilder und vor allem das, was darauf abgebildet war. Ihr Zuhause und ihre Liebsten. Vielleicht noch ein Bild von allen Angestellten? Doch danach würde sie später fragen. In diesem Moment ging es ganz allein um diesen Ort und um sie beide.
      Ihr Blick hing an seinen Augen, die im Sonnenschein schimmerten. Noch immer hatte sie das Gefühl seine Wärme spüren zu können. Vielleicht war das auch nur der Wunsch nach einer Umarmung. Hier oben waren sie allein und niemand könnte sie stören, weshalb sie ihre Hand nach ihm ausstreckte. In der Hoffnung, er würde sie halten, wie er sie auch beim Klavierspielen gehalten hatte. In der Hoffnung, möglichst wenig Distanz zwischen ihnen zu haben.

      Anders als andere Männer vermutlich, verlor Valerian kaum ein Wort über sich selbst. Gelegentlich folgte eine Erwähnung seines Vaters, doch die meiste Zeit ging es um die, die das Leben hier erst in dieser Form ermöglichten, wie sie es führten. Über die, die dieses Haus zum Leben erweckten. Aber auch über seine Mutter fielen einige Wörter im Zusammenhang mit den Angestellten. Dennoch konnte man heraushören, wie sehr Valerian sie geliebt hatte.
      Bei Cordelia's Vorschlag nickte er und begleitete sie. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sah er zu der Bank, die er für das ursprüngliche Ziel hielt, doch sie zog weiter. Bis ihre Röcke durch die galante Drehung und ihr Setzen tänzelten und er seinen Blick auf sie fallen lassen musste. Einen Moment lang sah es wohl so aus, als wäre er über ihr Verhalten verwundert, doch das dezente Lächeln, dessen er sich in ihrer Gegenwart bemühte, wurde größer. "Simon war schon ein Angestellter der Torvelle's als mein Vater in Kinderschuhen steckte", fuhr er fort und setzte sich neben sie. Dabei legte er ein Bein angewinkelt auf dem Boden ab und zog das andere an sich heran, sodass er einen Arm auf dem Knie ablegen konnte. Er hatte sich so dicht an den Baum gesetzt, dass er sich zurücklehnen und hinauf zu den Blättern sehen konnte. Im Anschluss erzählte er von der vermeintlich unglücklichen Liebe zwischen Simon und Henriette, doch sie fand Platz in diesem Haus und brachte sogar ein Kind hervor. Damit hatte er fast alle Angestellten vorgestellt, was eine Weile dauerte bei den ausführlichen Beschreibungen.
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