Regardless [Kiimesca & Wynnie]

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    • Regardless [Kiimesca & Wynnie]

      @Wynnie

      Vorstellung



      Vom Winter verblieben nicht mehr als ein paar vereinzelte Häufchen Schnee auf dem Land der Torvelle's. Im Norden soll er wohl noch eine Weile andauern hieß es. Hier waren die Temperaturen jedoch mild und gut zu ertragen. Auch die Sommer wurden hier nie unerträglich heiß. Das perfekte Wetter für eine erfolgreiche Landwirtschaft wie die der Adelsfamilie. Nicht überraschend, gab es im Hause auch nur das vorzüglichste Essen. Immerhin gab es Gewürze aus erster Hand und die Angestellten des Hauses wussten diese bestens einzusetzen. Die Küche war sozusagen das Herzstück des Hauses, in der ganze 7 Angestellte eingeteilt waren. Auf den Vorgarten wurde dafür verhältnismäßig wenig Wert gelegt, auch wenn dieser natürlich für eine eindrucksvolle Adelsfamilie was hermachen musste. Deshalb gab es dafür 3 Zuständige, die auch für den Pferdestall verantwortlich waren. Für die Räumlichkeiten waren aufgrund ihrer Größe selbstverständlich die meisten Angestellten zugeteilt. Diese waren seit einiger Zeit mit Hochdruck damit beschäftigt, sie für die Ankunft der zukünftigen Fürstin Torvelle herzurichten. Ein gemütliches Gästezimmer, wo sie bis zur Vermählung nächtigen konnte, aber natürlich auch der Ballsaal. Dann gab es noch einige Wachen, die für die Sicherheit der Familie sorgen sollte. Es war immer besser auf etwas vorbereitet zu sein, dass nicht eintraf, als umgekehrt. Für die Verwaltung all dieser Angestellten war Simon, der älteste und treueste Butler, der einen gesunden Humor besaß und deshalb beim Adel, wie den Angestellten gleichermaßen beliebt war, zuständig. Er sah immer wieder mal nach, ob alles auch so lief, wie es sollte.

      "Hervorragend. Bezaubernd", rief eine ältere Dame, während sie in die Hände klatschte und noch diverse andere Lobe aussprach. Im Hintergrund lief Musik und vor ihr tanzten gerade die beiden Geschwister, um sicherzugehen, dass sie bestens für die Feierlichkeiten gewappnet waren.
      "Man sagt, Lady Cordelia wäre noch hübscher, als du, Schwesterherz", meinte Valerian, nachdem er seine jüngere Schwester wieder zu sich gezogen hatte.
      "Hoffentlich ist sie nett...", gab Josephine daraufhin besorgt zurück, während sie ihre Hand zurück an seine Schulter legte. Gewürze erbrachten gute Preise und reichten aus, um ein Fürstentum zu unterhalten, aber Adlige, die mit solch wertvollen Mineralien wie die Decatur's handelten, sahen oft auf sie herab.

      Wenig später huschten schon die Angestellten hektisch durch die Gänge, um noch einmal alles zu überprüfen. Lady Cordelia sollte jeden Moment hier eintreffen. Das Essen wurde noch einmal abgeschmeckt und das Besteck akkurat zurecht gerückt, während die Familie vor den Türen ihres Hauses warteten. Die Kutsche war bereits in Sicht, sodass die beiden Geschwister zunehmend darauf achteten, eine gerade Haltung zu bewahren. Simon, der sich noch recht fit hielt, aber schon komplett weiße Haare hatte, die nach hinten gekämmt waren, trug eine Hand auf seinen Rücken und zupfte noch einmal seinen eleganten, nach oben geschwungenen Bart zurecht, als die Kutsche zum Stehen kam. Dann öffnete er die Tür und verneigte sich, um Cordelia zu begrüßen.
      "Herzlich Willkommen, Lady Cordelia", sagte er und reichte ihr eine Hand, die vornehm in einen weißen Handschuh gekleidet war. Die andere Hand verweilte noch immer hinter seinem Rücken, während er der Dame beim Aussteigen half, um die Herren des Hauses zu begrüßen.
      "Es ist uns eine große Ehre, Euch hier empfangen zu dürfen, Lady Cordelia", begrüßte sie nun auch der Vater und gab ihr, wie es sich gehörte, einen Kuss auf den Handrücken, während er sich vor ihr verneigte.
      "Welch überaus große Freude, Euch kennenzulernen, Mylady. Wenn Ihr gestattet.. mein Name ist Valerian Torvelle", stellte er sich vor, wie es die Etikette nun einmal verlangte, auch wenn sie auch so mit Sicherheit wusste, dass ihr ihr Verlobter Gegenüber stand.
      Josephine hob ihren Rock an und machte einen Knicks. "Schön Eure Bekanntschaft zu machen, Lady Cordelia. Josephine Torvelle."
      Damit war die Familie nun auch persönlich vorgestellt und bereit, ihren Gast in den Speisesaal zu begleiten.
      "Ihr seid weit gereist. Simon wird sich um Euer Gepäck kümmern. Im Speisesaal wartet bereits Euer Empfangsmahl." Dem Fürsten war es wichtig, seine Gäste stets mit einem eindrucksvollem Mahl zu empfangen, da es schließlich zu seinem Aushängeschild gehörte, die Küche revolutioniert zu haben. Neben einfachen Gewürzen, verkaufte er nämlich auch gut abgewogene Gewürzmischungen und erlesenstes Gemüse und Getreide.
      Hinter Simon standen bereits 3 weitere Burschen, um das Gepäck in das Gästezimmer zu bringen. Anschließend würde er wieder zu ihnen stoßen, um der Dame ihre Wünsche zu erfüllen. Sei es ein warmes Bad oder eine Fußmassage. Die Damen erwarteten bereits ihre nächsten Anordnungen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Die letzen Tage hatte Cordelia aus dem kleinen Fenster ihrer Kutsche zugesehen, wie die weiße Puderdecke aus Schnee immer dünner wurde. Dunkle Tannen waren Eschen und Weiden gewichen. Die Schneedecke dezimiert zu vereinzelten Flecken, die Cordelia an ihre alte Fleckendecke erinnerte, die nun irgendwo in ihrem zuhause verstaut wurde. Wahrscheinlich im Innenraum einer dunklen Holztruhe in einem der weniger genutzten Stauräume. Bald schon würde sich eine ganz eigene Decke aus Staub und Vergessenheit darüberlegen.
      Der Gedanke versetzte Cordelia einen Stich und fütterte das niedrig brennende Feuer in ihr. Die letzten zwei Tage ihrer Reise hatte sie damit verbracht, es so weit herunterzudimmen, dass es nur noch gerade so glomm. Klein genug, um ihr nicht direkt anzusehen, wie wütend sie der Ausblick machte, in den Süden verscherbelt worden zu sein. Und für was? Bessere Handelsbeziehungen und einen Erben, der gleich auf zwei Vermögen würde zugreifen können. Aber ganz bestimmt nicht für <i>sie</i>.
      Das Feuer in ihr drohte aufzulodern. Cordelia zog die Augenbrauen zusammen, erlaubte sich einen Moment der Schwäche. In ihren Augen funkelte es. Die Lippen aufeinandergepresst und den Blick verengt wünschte sie sich nichts lieber, als dieses verdammt grüne Land in Brand zu setzen. Und die Burg, die gerade in Blick kam, gleich mit.
      Leider brannte Stein schlecht.
      Sie nahm einen tiefen Atemzug und unterdrückte das, mittlerweile vertraute, Gefühl von Wut. Es würde sich nicht ziemen, den Torvelles mit einem Ausdruck kaum verschleierten Zorns gegenüberzutreten. Ihr Vater hatte deutlich gemacht, was passieren würde, wenn sie diese Ehe vermasseln würde. Cordelia schluckte und versuchte, den Knoten in ihrem Magen zu ignorieren. Die Kutsche wurde langsamer. Das unsanfte hin und her wanken verwandelte sich in etwas langsameres, fast schon einlullendes. Schließlich kamen die Räder zum Stehen. Die Pferde wieherten laut. Draußen knarzte der Kies und Schritte nährten sich der kleinen Tür, die in die Seite der Kutsche eingelassen war.
      Erneut nahm Cordelia einen tiefen Atemzug und ordnete ihre Gesichtszüge zu kühler Gleichgültigkeit. Das war alles, was sie fertigbrachte. Und obwohl sie wusste, dass es sie nicht gerade beliebt machen würde, brachte sie es nicht fertig, sich zum Lächeln zu zwingen.
      Die Tür wurde geöffnet und jemand streckte seine Hand aus, die in einem weißen Handschuh steckte, um ihr aus dem Gefährt zu helfen. Fast hätte Cordelia die dargebotene Hilfe ignoriert. Im letzten Moment konnte sie sich jedoch daran erinnern, dass sich das auch nicht ziemte. Also ergriff sie die Hand, duckte den Kopf unter der Tür hindurch und stieg die zwei Stufen aus der Kutsche auf den Boden hinab.
      Und wieder <i>wusste</i> sie, dass sie den älteren Herren hätte anlächeln sollen. Das er nichts mit ihrer Lage zu tun hatte. Aber alles, was sie über die Lippen brachte, war ein kühles: „Danke sehr.“ Zu sehr damit beschäftigt, ihre brodelnden Emotionen zurückzuhalten schaffte sie es nicht auch noch, gleichzeitig etwas vorzuspielen.
      Die Füße auf sicherem Boden ließ sie die Hand des Butlers los und drehte sich zu den Personen um, die bereits ordentlich aufgereiht vor der Kutsche warteten, um sie zu begrüßen.
      Die Torvelles. In Abwesenheit ihres Vaters richtete sich der warme Ärger in Cordelia vor allem gegen ihre neue Familie. Ihr Blick glitt von einem älteren Mann mit ordentlich gestutztem Bart und nach hinten gekämmten Haaren - Lord Xavier Torvelle - zu dem jungen Mann neben ihm, der mit seinen roten Haaren und den blauen Augen nichts mit dem älteren Lord gemein zu haben schien, wären da nicht dieselben markanten Wangenknochen und der Zug um die Augen. Valerian Torvelle, wie Cordelia vermutete. Ihr Verlobter.
      Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas in Cordelias Augen. Ehrliche, ungefilterte Wut. So schnell wie er gekommen war, verschwand der Ausdruck aus ihren Augen jedoch wieder. Als wäre er nie dagewesen.
      Als drittes in der Reihe stand ein Mädchen, etwa in Cordelias Alter und mit derselben Haar- und Augenfarbe wie Valerian. Cordelias Ausdruck wurde ein wenig weicher, fühlte sie sich Josephine doch direkt verbunden für keinen anderen Grund als den, dass sie ebenfalls eine junge Frau war, die früher oder später dasselbe Schicksal wie sie durchmachen musste. Denn so funktionierte diese Welt.
      Cordelia reichte ihre Hand dem älteren Lord Torvelle, der sogleich einen Kuss auf ihrem Handrücken platzierte, während Cordelia einen kleinen, eleganten Knicks machte.
      „Die Ehre ist ganz Meinerseits.“, gab sie die angebrachte Floskel von sich. Es klang nicht besonders überzeugend, aber auch nicht so, als ob sie die Burg lieber dem Erdboden gleichmachen wollte. Es sind die kleinen Erfolge.
      Als sie dann Valerian Torvelle gegenüberstand, brachte sie nicht einmal mehr die geforderte Floskel heraus. Sie kämpfte so hart mit sich, ihn nicht mit einem Blick zu versengen, dass sie nur einen Knicks und ein kühles „My Lord.“ fertigbrachte.
      Schließlich war Josephine Torvelle an der Reihe. Auch für sie brachte Cordelia kein Lächeln auf, aber ihr Ausdruck bekam doch wieder diesen weichen Zug, der sie ein wenig nahbarer erscheinen ließ. „Es freut mich, Euch kennen zu lernen, Lady Josephine.“ Cordelia würde ihr anbieten, sie einfach bei ihrem Namen zu nennen, sobald sie diese Farce hinter sich gebracht hatte. Ihr kühles Auftreten hatte sie wahrscheinlich schon unbeliebt genug gemacht. Jetzt auch noch die Etikette zu brechen, in dem sie Josephine direkt bei ihrer ersten Begegnung anbot, auf ihren Titel zu verzichten, wäre nicht schlau. Wobei es genau deswegen gerade so verlockend war.
      Aber in ihrem Hinterkopf meldete sich wieder die Warnung ihres Vaters, also ließ Cordelia ihren Mund geschlossen. Später.
      Stattdessen wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Lord Xavier Torvelle zu, der etwas von einem Empfangsmahl erzählte.
      Das letzte, was Cordelia nun gebrauchen konnte, war ein langatmiges Essen mit den Leuten, deren Anblick sie kaum ertragen konnte, ohne an dem Feuer in ihr zu ersticken zu drohen. Entweder das oder es würde ausbrechen. Aber das Empfangsmahl ausschlagen war keine Option.
      „Wie umsichtig von Euch, Lord Torvelle.“ Es waren die richtigen Worte, aber etwas an der Art und Weise, wie sie sie sagte, klang falsch. Nichts, was man genau benennen konnte und doch offensichtlich genug, um es zu bemerken. „Ich freue mich darauf, Eure berühmte Küche kosten zu dürfen.“ Nichts hätte Cordelia lieber getan, als ihm seine Gerichte an den Kopf zu werfen. Aber ihr Gesicht war eine antrainierte Maske kühler Gleichgültigkeit, gehauen wie aus Stein.

      Kalias stand während des ganzen Austauschs in angemessener Entfernung hinter der Familie Torvelle. Genau genommen in gerade Linie hinter Josephine. Eine gewisse Bewegungsfreiheit hatte er bei der Wahl seiner Position gehabt.
      Eine Hand auf dem Knauf seines Schwertes an seinem Gürtel, die andere gerade an seiner Seite, hatte er Lady Cordelia Decatur schnell als uninteressant abgestempelt. Ihre kühle Art war ihm direkt unsympathisch und er hoffte, dass er zukünftig keine Wachdienste in ihrer Nähe zugeteilt bekommen würde. Valerian tat ihm fast ein wenig leid.
      Aber das waren alle Gedanken, die Kalias dazu hatte greifen können, bevor seine Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen worden war.
      Sonnenstrahlen hatten sich in Josephines roten Haaren gefangen und ließen es glimmern wie flüssiges Feuer. Kalias blinzelte. Die Finger seiner linken Hand zuckten.
      Es würde nicht einfach sein, eine Farbe anzumischen, die der Flamme ihrer Haare gerecht werden würde. Aber die frühe Morgensonne lag so perfekt auf der jungen Lady, dass Kalias sicher war, er würde nicht anders können, als diese Szene später zu zeichnen. Seltsam. Valerian hatte fast dieselbe Haarfarbe, aber bei ihm verspürte er nie den Drang, ihn zu zeichnen. Wie auch immer. Das war etwas für später, nach seinem Dienst.
      Jetzt hatte er mit der Aufmerksamkeit vor Ort zu sein. Es war zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass Lady Cordelia plötzlich aus ihren Röcken ein Messer fabrizieren und auf ein Mitglied der Torvelles losgehen würde, aber sicher war sicher. Außerdem viel es ihm äußerst schwer, die junge Lady richtig einzuschätzen. Und irgendwie beschlich ihn dann doch das Gefühl, dass es doch gar nicht so unwahrscheinlich war, dass sie auf die Torvelles losgehen würde.
      Kalias neigte den Kopf ein Stückchen zur Seite und warf Lady Cordelia einen abschätzenden Blick zu. Nein. Er konnte sie definitiv nicht ausstehen. Armer Valerian. Kurz ruhte sein mitleidiger Blick auf dem junge Lord Torvelle.
      Dann schickten sich die adligen Herren und Damen an, den Vorgarten zu verlassen und sich zum Speisesaal zu begeben. Kalias wartete einen Moment und folgte der Gruppe dann in angemessenem Abstand, während hinter ihm Simon noch immer die drei Burschen anleitete, die das Gepäck auf das Gästezimmer bringen sollten.
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    • Josephine's Hoffnung wurde so eben regelrecht zerschmettert. Wie eine Welle, schlug sie auf einen Felsen. Die nächste Fürstin Torvelle schien so starr wie ein Salzkristall zu sein. Der jungen Dame wurde irgendwie ein wenig unwohl und doch konnte sie sie nicht einfach so hassen. Mit jedem Tag fühlte sie sich mehr so, wie Cordelia sich vermutlich gerade fühlte. Ob ihr Herz einem anderen gehörte?! Gott bewahre. Die Ärmste. Hoffentlich nicht. Das wäre zumindest ein schwacher Trost.
      Ihren künftigen Gatten hatte sie jedenfalls so nicht um den Finger gewickelt. Er wusste nicht so recht, was er von ihr halten sollte. Sie war wunderschön, ja. Aber so kalt wie der Norden selbst, so schien es. Ein kalter Schauer lief über seinen Rücken, als er sich ihr Gesicht bei der Zeremonie vorstellte, dass ihn genau so ansah, wie jetzt. Vielleicht war sie ja nur hungrig oder müde. Vielleicht würde sich diese düstere Wolke über ihr noch lichten. Vielleicht war Valerian aber auch nur unfähig, die Gefühle anderer einzuschätzen.
      Anstandshalber, ließen sie ihren Gast vortreten. Ihr Vater würde nun erstmal übernehmen und sie in den Speisesaal führen. Die beiden Geschwister tauschten nur kurz einen Blick aus, ehe sie vorgingen. Da die junge Rothaarige von diesem Moment so überrollt war, vermied sie es einen Blick zu Kalias zu werfen. Sein Anblick würde sie jetzt nur umso mehr schmerzen. Er war weitaus charmanter, als ein Adliger je sein könnte. Aufmerksam und pflichtbewusst. Gelegentlich gab es jedoch Momente, in denen sie nicht so verbissen in ihren Rollen bleiben musste. Wenn sich ihre Blicke trafen, wünschte sie sich sehnlichst, dass er niemals eine andere Frau ansehen würde. Was für ein absurder Wunsch. Er war nur ein einfacher Mann.

      Im Speisesaal angekommen, verneigten sich alle dort anwesenden Damen und Herren vor dem Gast und ihren Herren. Der Tisch war in einer überschaubaren Größe, nicht überdimensional. An einem endlos langen Tisch würden die verschiedenen Behältnisse auch untergehen und schließlich sollte das Essen im Mittelpunkt stehen und kein angeberischer Tisch an dem über ein Dutzend Menschen Platz hätten. Hier passten, wenn nötig, 8 Leute ran. Die restlichen vier Stühle standen am Rand, da nur für vier eingedeckt war. Die Herren saßen an der einen Seite und die Damen an der anderen. Josephine versuchte Cordelia ein Lächeln zu schenken, um ihr zu zeigen, dass sie ein gern gesehener Gast war.
      Auf dem Tisch standen Saucieren mit zwei unterschiedlichen Soßen. Eine helle, passend zum Gemüse und eine dunkle, für das butterzarte Schweinefilet, das unter einer Glocke hervorkam, als die Angestellten, diese erhoben. Vincent stand am Kopfende des Tisches und verneigte sich, bevor er die Herrschaften fragten, ob sie einen Tee zum Essen wünschten. Auch Eliza stand bereit und fragte, ob jemand einen Wein bevorzugen würde. Zu einem Tee sagte der Fürst niemals nein, weshalb Vincent's Dienste als Teekoch mindestens dreimal in Anspruch genommen wurde. Einen Ingwertee für den Fürsten, einen süßen Früchtetee für den jungen Fürsten und einen bitteren Früchtetee für die Dame des Hauses.
      Der Fürst nickte anerkennend, als er den ersten Bissen nahm und war sehr zufrieden mit dem Werk seiner Köche. Kaum spürbare Erleichterung machte sich im Raum breit, doch das Personal wurde höchstpersönlich vom Fürsten gewählt und ausgebildet, weshalb ihnen ein großes Maß an Selbstvertrauen bei der Essenszubereitung innewohnte.

      Da die Herren etwas unbeholfen wirkten (Zumindest wusste Josephine genau, dass die beiden keine Ahnung hatten, was sie sagen sollten), ergriff sie als erstes das Wort.
      "Sagt, Lady Cordelia, liegt bei euch wirklich noch im Frühling Schnee?" Es gab keine Jahreszeit, die Josephine nicht mochte. Jede hatte ihre ganz eigenen Reize. Der Frühling erweckte alles zum Leben und machte die Welt bunter. Der Sommer war angenehm warm und die Sonne schien lang. Im Herbst sorgten die fallenden Blätter für eine besondere Farbpracht und im Winter, glitzerte der wunderschöne, weiße Schnee in der Sonne, wie kleine Diamanten.
      Warum fühlte es sich heute so schwer an, an der Etikette festzuhalten? Die Atmosphäre im Speisesaal war ungewohnt kalt. Die Angestellten waren ruhig und diszipliniert. Es fühlte sich an, als würde sie in einem Raum mit lauter Fremden sitzen. Valerian war auch so still und zurückhaltend. Sollte Cordelia etwa den Eindruck gewinnen, dass er unzufrieden mit seiner Verlobten war? Deshalb stupste sie ihn mit ihrem Fuß an, woraufhin er von seinem Teller aufsah, aber er trug nichts zum Gespräch bei. Worüber sollte er schon reden? Josephine wusste doch, dass er keine richtigen Interessen hatte.
      Nun sehnte auch sie sich ein schnelles Ende für dieses Dinner, um anschließend etwas Zeit allein mit ihrem Gast zu verbringen. Sie wollte ihr das Anwesen zeigen und den Angestellten vorstellen. Vor allem Mary. Ein wenig Wärme in das ganze hier bringen und sie ein wenig aufmuntern, wenn sie könnte. Ein halbes Jahr bliebe ihr ja noch, um an ihrer Seite zu sein, bevor auch sie in das Anwesen eines Fremden ziehen müsste.
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      - Eugene Ionesco

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    • Stumm folgte Cordelia dem Kopf des Hauses Torvelle in den Speisesaal und ließ sich auf dem ihr zugewiesenen Platz nieder. Josephine warf ihr ein Lächeln zu, das Cordelia versuchte zu erwidern. Aber es gelang ihr nicht und so konnte sie nur blinzeln, eher der Moment vorbei war.
      Kalias nickte den Bediensteten zu, als er den Raum betrat und lächelte die wenigen, die er besonders mochte, kurz an. Der Höflichkeit halber überging er dabei auch nicht Eliza, auch wenn er mit ihrer Art oft nicht gut umgehen konnte. Ihre ständigen Avancen irritierten ihn. Dann nahm er seinen Platz rechts neben der Tür ein und sah pflichtbewusst geradeaus. Jedoch nicht, ohne ab und zu einen Blick Richtung Tisch zu wagen. Vielleicht nicht nur Richtung Tisch, sondern einer ganz besonderen, rothaarigen Dame.
      Als Vincent den Adligen im Raum einen Tee anbot, äußerten die drei Torvelles ihre üblichen Wünsche. Cordelia hingegen schlug sowohl den Tee als auch den Wein aus. „Wasser genügt, danke.“ Das Personal war gut genug trainiert, um keine fragenden Blicke miteinander auszutauschen und die Bitte einfach hinzunehmen. Vincent zauberte neben drei dampfenden Tassen mit Tee ein kristallklares Wasserglas herbei.
      Für Cordelias Standards war es zu warm, um einen Tee zu trinken. Sie verstand nicht, wie die anderen drei am Tisch bei der Frühlingswärme auch noch ein heißes Getränk zu sich nehmen konnten. Das es draußen teilweise immer noch kalt genug war, um vereinzelt Schnee liegen zu haben, änderte für Cordelia nichts an der Wahrheit dieser Aussage.
      Und von Wein schwamm ihr der Kopf zu schnell. Besonders jetzt, wo sie seit mehreren Tagen nicht mehr zu sich genommen hatte als die spärliche Kost der Gasthäuser, in denen sie auf ihren Weg in den Süden gerastet hatte. So gerne sie die Realität auch gerade verdrängt hätte, würde der Wein doch nichts an der traurigen, viel zu warmen und sonnigen Realität ändern. Also auch kein Wein.
      Keiner von ihnen sprach ein Wort, während die Bediensteten das Essen servierten. Cordelia nahm einen Schluck von ihrem Wasser und ließ den Blick über die angerichteten Speisen schweifen. Sie war nicht darüber erhaben, zuzugeben, dass es köstlich aussah und aromatisch duftete. Gerüche, die sie nicht kannte, waberten in ihre Nase und führten doch nur dazu, dass sich ihr der Magen umdrehte. Alles hier war anders. Selbst das Essen roch fremd. Vielleicht würde es sogar schmecken, wenn sie ihm eine Chance geben würde. Aber sie war nicht dazu bereit, irgendetwas hier eine Chance zu geben.
      Es war wohl ein wenig kleinlich, aber Cordelia brachte es nicht fertig, mehr als ein paar Bissen von dem Essen auf ihrem Teller zu probieren. Mit ausdrucksloser Miene schob sie ein Stück Fleisch mit ihrer Gabel hin und her und hinterließ dabei dunkle Spuren aus Sauce auf ihrem Teller.
      Sie war gerade dabei, ein seltsames Gemüse zum Verwischen der anderen Sauce zu nutzen, als Josephine ihr eine Frage stellte.
      Cordelia erkannte die Worte als das, was sie waren. Ein wohlgemeinter, aber komplett verfehlter Versuch, eine Konversation zu starten und die unterkühlte Atmosphäre im Raum zu durchbrechen, für die, wenn sie ehrlich war, wohl vor allem sie selbst verantwortlich war. Verfehlt war der Versuch nicht wegen der Wahl des Themas oder Josephines Versuch, ein Gespräch zu starten, sondern schlicht weg, weil Cordelia nicht nach belanglosem Geschwätz war.
      Dennoch mochte sie die junge Adelstochter noch immer von allen hier am Tisch am meisten. Und wenigstens versuchte sie den Anschein zu wahren. Die beiden Torvelle Männer schienen darum jedenfalls nicht bemüht. Cordelia war es auf jeden Fall nicht.
      Also sah Cordelia von ihrem Teller auf, der sich kaum geleert hatte. Dabei achtete sie darauf, nur Josephine anzusehen. Ihr Blick glitt nicht einmal über den jungen oder alten Lord Torvelle hinweg. Mit einer beiläufigen, aber eleganten Bewegung legte Cordelia ihr Besteck neben ihrem Teller ab, ohne das es dabei einen Laut machte. Man konnte über sie sagen, was man wollte, aber ihre Tischmanieren waren tadellos.
      „Bis in den späten Frühling hinein. An manchen Orten taut der Schnee sogar erst zum Beginn des Sommers.“ Mit jedem Wort über ihre Heimat wurde ihr schwerer ums Herz. Ein Ziehen machte sich in ihrer Brust breit. Untergründig und dumpf. „Wir haben Berge, in denen das ganze Jahr Schnee liegt. Man kann sie nur im Sommer passieren.“ Ein schmales Lächeln umspielte ihre Lippen an dem Gedanken, wie sie einen Sommer mit einem improvisierten Schlitten in den Bergen gerodelt war. Den Wind in den Haaren, ihr Zopf gelöst und den Schal wild hinter sich flatternd. Ein wildes Kreischen, das in lautes Lachen überging. Umlenken im letzten Moment, bevor sie einen Baum treffen konnte. Weicher Schnee, der sie auffing und für einen Moment die Welt um sie herum verschluckte. Wie sehr wünschte sie sich, jetzt einfach vom kühlen Schnee verschluckt zu werden.
      Da war wieder dieses Ziehen. Stärker, diesmal. Das kleine Lächeln verflüchtigte sich. Ihr Ausdruck gefror, schlagartig wieder verschlossen.
      „An den meisten Orten fängt es schon wieder im frühen Herbst an zu schneien.“, beendete sie schnell ihre Erzählung und wandte sich dann wieder ihrem Teller zu. Ein deutliches Zeichen dafür, dass dieses Thema für sie beendet war. Es fühlte sich nicht gut an, so brüsk zu Josephine zu sein, aber über ihr zuhause zu sprechen hatte unerwartete Gefühle in Cordelia geweckt, denen sie sich gerade nicht hingeben konnte.
      Aber das Gefühl wollte nicht verschwinden. Kämpfte stattdessen mit der immer lodernden Glut in ihrer Brust um die Oberhand und verursachte ein seltsames Gefühl in ihrer Kehle. Das Atmen schien plötzlich schwer.
      Zur Hölle mit der Etikette.
      Cordelia erhob sich von ihrem Platz, darum bemüht nicht aufzuspringen und ihr Vorhaben wie die Flucht aussehen zu lassen, die es war. „Entschuldigt mich. Die Reise hat mich mehr mitgenommen, als ich gedacht habe. Das Essen war vorzüglich, danke." Eine offensichtliche Lüge, in Anbetracht ihres fast vollen Tellers. „My Lords.“ Sie machte einen kurzen Knicks in Richtung der beiden Männer, ihre kühlen Augen für einen Moment auf Valerian. Dann wandte sie sich zu Josephine. „Lady Josephine. Wärt Ihr so nett, und würdet mir meine Räume zeigen?“
      Sie wusste nicht genau, wieso sie das gefragt hatte. Vielleicht, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, die junge Adelstochter so brüsk abgewürgt zu haben. Vielleicht, weil Josephine die Einzige war, die sich zumindest bemüht hatte, mit ihr zu reden. Vielleicht auch einfach aus dem kleinen, egoistischen Grund, dass sie in Josephine eine Freundin vermutete und nicht alleine sein wollte.
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    • Diesen ganzen Schnee würde Josephine ja gern mal sehen. Generell hätte sie nichts dagegen mal etwas anderes als ihr Zuhause zu sehen. Vielleicht wäre es ja dort nett, wo sie es sie hin verschlagen würde. Wenigstens ein bisschen Hoffnung auf etwas Schönes. Aber vielleicht war ihr Gemahl ja auch gar nicht so schlimm. Vielleicht. Darüber zu grübeln brachte nichts, also ließ sie es lieber.
      Leider hatte ihr Versuch, die Stimmung ein wenig aufzulockern, nicht so geklappt, wie sie erhofft hatte. Im Nachhinein wurde ihr bewusst, dass es vielleicht eine dumme Frage war. Sie direkt nach ihrer Ankunft nach ihrer Heimat zu fragen. Etwas beschämt, widmete sie sich wieder ihrem Mahl, ehe Cordelia sich erhob.
      "Aber natürlich." Sie hätte auch eines der Mädchen schicken können, doch sie freute sich darüber, dass sie darum gebeten wurde und erhob sich sogleich. Beim Verlassen des Speisesaals konnte sie nicht vermeiden, den jungen Mann an der Tür anzusehen. Sie lächelte ihm kurz zu, auch wenn sie gerade das Gefühl überkam, möglichst schnell zu flüchten. Es machte keinen Unterschied, ob sie es verleugnete oder sich eingestand: Sie hatte sich in ihn verliebt. Einen Angestellten ihres Vaters. Ihr Herz schmerzte unerträglich, wenn sie daran dachte, dass sie Kalias bald schon nie wieder sehen würde. Nie wieder seine Stimme hören könnte. Ebenso würde sie auch all die anderen Angestellten vermissen. Man konnte oft keine 10 Schritte gehen, um keinem davon über den Weg zu laufen. Jeder war jedoch bestens darüber informiert, wie er sich Lady Cordelia gegenüber zu verhalten hatte.
      "Lady Cordelia, wünscht Ihr ein Bad zu nehmen?", fragte Delilah, die sich im Gegensatz zu den meisten anderen kaum anstrengen musste, wie eine gehorsame Magd auszusehen. Ihr Blick war immer recht kühl, auch wenn sie ein gutes Herz hatte. Sie nahm ihre Arbeit einfach nur sehr ernst.
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    • Ohne zu zögern erwiderte Kalias Josephines Lächeln mit diesem einen, ganz bestimmten Lächeln, das nur für sie reserviert war. Er wagte jedoch nicht, den Kopf zu drehen und den beiden adligen Damen hinterherzuschauen. Und so beschrenkte sich der Austausch ihres Lächelns auf einen kurzen Augenblick, bevor Josephine aus seinem Sichtfeld verschwunden war.
      Kurz überlegte Kal, ob es einen guten Grund gäbe, ihr zu folgen. Aber er war nicht die einzige Wache auf dem Anwesen, hingegen die einzige Wache in dem Speisesaal. Hier gab es keinen Spielraum, die Entscheidung klar, bei dem jungen und alten Lord Torvelle bleiben zu müssen. Den Rücken aufrecht und die Schulter in einer gerade Linie stand Kalias also neben der Tür und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Er tauschte einen kurzen, fragenden Blick mit Vincent, der kaum merklich die Augenbrauen zusammenzog. Trotz seiner etwas stoischen Art hatte Kalias eine gute Beziehung zu dem Teezauberer. Aus der Neigung seiner Brauen und dem flüchtigen Blick seiner Augen entnahm Kalias, dass Vincent zwar nicht glücklich über diese plötzliche Wandlung des Essens war, er aber weitermachen würde, als wäre nichts gewesen. Und so füllte er die leere Tasse von Lord Xavier stumm auf und nahm dann seinen Platz hinter dem Tisch ein.
      Kalias Blick glitt neugierig zu den beiden verbliebenden Personen am Tisch.

      Draußen auf dem Flur stand schon eine Angestellte bereit, die Cordelia fragte, ob sie ein Bad nehmen wollte. Das letzte, was sie wollte, war ein Bad. Wie kam sie darauf, ihr ein Bad anzubieten? Die schiere Normalität dieser Frage reizte Cordelia. Nichts von all dem hier war normal.
      Cordelia war kurz davor, all ihren Frust und ihre Wut rauszuschreien. Sie funkelte die junge Frau kühl an, erinnerte sich dann selbst daran, dass sie nur ihren Job machte und holte tief Luft um ein kurz angebundenes: „Nein, danke.“, hervorzubringen, das nicht zu unfreundlich klang. Dann packte sie Josephine am Handgelenk und zog sie mit sich an der gutmeinenden Angestellten vorbei, ganz so, als würden sie sich schon ewig kennen. Als wären sie eng genug, um einander durch die Gänge der Burg zu schleifen.
      Ohne zu wissen, wohin sie ging, bog Cordelia mit Josephine im Schlepptau um die nächste Ecke und ließ ein kleines, äußerst undamenhaftes Schnauben raus.
      Dann ließ sie Josephines Handgelenk los. „Tut mir leid. Das war unangebracht aber ich kann –“ unschlüssig, wie sie ihre Gefühle in Worte fassen sollte, machte sie eine Bewegung mit der Hand, die ihr gesamtes Umfeld einschloss „- das alles hier gerade einfach nicht.“ Etwas in ihrem Ausdruck veränderte sich. Das Eis schmolz und Cordelia erlaubte sich selbst, etwas von dem Feuer durchscheinen zu lassen. Von ihrer Wut. Mit entschlossenem Blick und einer Stimme, die keine Widerrede duldete, sagte sie: „Cordelia. Ich heiße einfach nur Cordelia. Ich weigere mich, die kurze Zeit, die wir miteinander haben werden, mit Floskeln und Höflichkeiten zu verschwenden.“ Damit spielte sie auf das Schicksal an, dass schon bald auch Josephine erwarten würde. Sie konnte nicht viel jünger sein als Cordelia und war ausgesprochen hübsch auf eine warme, sanftmütige Art. Die Lords und Grafen würden Schlange stehen um sie als Frau zu bekommen. Der Gedanke war wie Zunder für Cordelias Feuer. Diese Welt war ungerecht.
      „Habt ihr einen Stall?“, fragte sie Josephine dann, ihre Absicht, sich nicht in ihre Räume zurück zu ziehen plötzlich überdeutlich. Wenn sie die Burg nicht niederbrennen konnte, um sich frei zu fühlen, musste sie eben ein wenig zerstörerischen Weg wählen.
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    • Josephine schenkte dem Dienstmädchen noch ein zartes Lächeln, als Cordelia ihr Angebot ausschlug und sie sich daraufhin verneigte. Kurz darauf wurde sie jedoch überraschenderweise von ihrem Gast mitgezogen. Ohne Gegenwehr zu leisten, folgte sie ihr. Als sie sich entschuldigte, lächelte die Rothaarige verständnisvoll und schüttelte sachte ihren Kopf. Sie musste sich deswegen nicht entschuldigen, immerhin konnte sie es ganz gut nachvollziehen. Ihre Sorge, dass sie eine hochnäsige, herzlose Ziege war, die auf ihren Bruder herabsah, löste sich gerade in Luft auf. Ihr Verhalten war wohl nur allzu verständlich.
      "Gerne, Cordelia." Ihr Lächeln wurde größer, als die andere auf die Höflichkeiten verzichten wollte. Sie bekam das Gefühl, dass sie sie gut leiden werde können und ihr Bruder doch eine nette Frau bekam.

      "Du wirst jetzt aber nicht flüchten, oder?", scherzte sie etwas besorgt. "Mein Bruder ist wirklich in Ordnung.. Manchmal ein wenig schwer von Begriff, aber er hat das Herz am rechten Fleck." Als Glück, könnte man dies allerdings wohl nicht bezeichnen. Glück im Unglück, traf es perfekt. Zumindest konnte sie ihr Hoffnung schenken, dass es hier gar nicht so übel werden würde, wenn sie sich erst einmal dran gewöhnt hätte. Josephine zumindest, wäre froh, wenn ihr zukünftiger Gemahl wie Valerian war. Also so froh sie eben sein könnte.
      Ihr Blick, der versuchte Cordelia Mut zu machen, wich einem besorgten Blick, dem nur noch ein Seufzen fehlte, welches sie unterdrückte. "Ich hoffe, dass du hier dennoch ein wenig Glück finden wirst.." Da Cordelia niemand war, den man beeindrucken musste, musste Josephine nicht länger versuchen, eine vorbildliche Adlige zu sein. Im Gegenteil. Sie vermutete - und hoffte - dass sie sich vielleicht wohler fühlen würde, wenn sie alle etwas offener sein würden.
      "Darf ich dich begleiten?", fragte sie nun und ergriff Cordelia's Hand, um sie zum Stall zu führen. Sie fühlte sich schon deutlich freier, als zuvor. Sie freute sich sogar ein wenig darüber, dass Cordelia Valerian heiraten würde. Nun hatte sie ein weitaus besseres Gefühl bei diesem Gedanken.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Der Gedanke war Cordelia tatsächlich kurz gekommen. Flucht. Wer würde sie schon stoppen können, wenn sie erst mal auf dem Pferderücken saß? Josephine, so gerne Cordelia das Mädchen auch mochte, bestimmt nicht. Es würde nicht viel von Cordelias Fähigkeiten verlangen, die staubige Straße hinunter zu verschwinden. Und doch...
      Die junge Adlige war viele Dinge, aber nicht wahnhaft. Die Chance war verschwindend gering, dass eine Flucht ihr ein besseres Schicksal brachte. Sie war immer noch nur eine Frau, wusste gerade einmal, welches Ende vom Schwert man in den Gegner steckte und bezweifelte, dass sie überhaupt genug Kraft hatte, um eines anzuheben. In der Welt gab es viele Gefahren. Gerade für eine junge Frau, die alleine unterwegs war.
      Also, nein. Cordelia würde nicht flüchten. Aber bei Josephines Frage kreuzte für eine Sekunde dennoch ein Ausdruck über ihr Gesicht, der sie so aussehen ließ, als würde sie einfach in den Sonnenuntergang reiten und für immer verschwinden. „Nein.“, gab sie mit einem verkniffenen Lächeln zurück. Wäre die Welt da draußen eine andere, hätte sie es getan. Aber damit musste sie Josephine ja nicht beunruhigen. Diese versuchte gerade, sie davon zu überzeugen, dass ihr Bruder ein guter Mann war. Aber alles, was Cordelia daraus mitnahm, war, dass man sie mit einem Dummkopf verlobt hatte. Schwer von Begriff, super.
      Ja, sie war unfair und nicht mal im Ansatz gewillt, gerade nett über ihren zukünftigen Ehemann zu denken. Cordelia war sich dessen bewusst. Und vielleicht war das schon genug, um ihm irgendwann eine Chance zu geben. Aber nicht jetzt.
      Ihr Blick verengte sich ein wenig, aber sie biss sich auf die Zunge und hielt den Mund geschlossen.
      Josephines Blick wandelte sich in Besorgnis. Cordelia ertrug diesen Blick nicht, sog einen Schwall Luft ein und richtete ihren eigenen Blick auf einen Punkt hinter Josephines Schulter, um den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen zu müssen. „Ich schätze, das bleibt abzuwarten.“, war alles, was sie zu dem wohlgehmeinten Kommentar hervorbrachte. Es klang ein wenig verbissen, selbst in ihren eigenen Ohren.
      Als Josephine ihre Hand ergriff, landete Cordelias Blick wieder auf dem Gesicht der Anderen. „Ich bestehe darauf. Ohne dich verlaufe ich mich hier nur.“, in ihren Augen blitzte es kurz verschwörerisch. Begierig auf die Aussicht, die Burg zumindest für einen Moment hinter sich zu lassen, wartete sie darauf, dass Josephine sie zu den Stallungen führen würde.
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    • Vermutlich gab es keine Worte, mit denen sie Cordelia umstimmen könnte. Offenbar stand sie dem ganzen ähnlich wie Josephine gegenüber. Obwohl die Rothaarige vielleicht gar kein so großes Problem gehabt hätte, jemanden zum Wohle ihrer Familie heiraten zu müssen, wäre da nicht dieser eine Mann, dessen Lächeln ihr Herz jedes Mal aufs Neue höher schlagen ließ. Ob sie ihn eines Tages vergessen könnte? Das blieb genau so abzuwarten, wie Cordelia's Zukunft. Josephine konnte nur gutes über ihren Bruder sagen, aber sie betrachtete ihn auch aus der Sicht einer Schwester. Außerdem hatte sie auch nicht sehr hohe Ansprüche. Solange er nett war, wäre es für sie erträglich. Ein Mann, der sie so sein ließ, wie sie war? Unwahrscheinlich. Ihre Mutter hatte mit ihrem Vater eindeutig einen Glückstreffer gelandet. Sicher gab es auch Dinge an ihm, die sie gestört hatten. Aber er verlangte nie von ihr, dass sie sich auf bestimmte Weise verhalten sollte. Sie durfte sein, wie sie war. Dinge tun, die ihr beliebten. Ihr Vater schien sie auch genau deshalb sogar geliebt zu haben. Sie war ein fröhlicher und offener Mensch, der sich immer gut in andere hineinfühlen konnte.


      Ganz anders als die verbliebenen Männer ihrer Familie, die einen Wink mit dem Zaunpfahl meist nur dann verstanden, wenn man ihnen diesen ins Gesicht schlug. Und nicht einmal dann immer. Gerade in diesem Augenblick, als sie das Mahl beendet hatten und ins Gespräch kamen, konnte man es nur wieder zu gut erkennen.
      "Sie hasst mich, oder..?" Auch wenn er nicht wusste, welchen Grund sie dazu haben könnte, hatte er doch gar nichts getan.
      "Sie wird sich dran gewöhnen. Deine Mutter und ich haben dich schließlich gelehrt, wie man eine Dame zu behandeln hat." Ausreichend Freiraum lassen. Niemals zu irgendetwas drängen. Ihr jeden in seiner Macht stehenden Wunsch zu erfüllen. So wie seine Gemahlin ein Zimmer für sich allein hatte. Das Atelier in dem sie malen konnte, welches Talent keines ihrer Kinder geerbt hatte. Doch dafür war Kalias ein großartiger Künstler, der es jederzeit nutzen durfte. Auch die Angestellten hatten hier doch ein sehr angenehmes Leben. Abgesehen von Alice, die es hasste zu putzen und den Beruf der Magd als Abgrund aller Jungfern sah, die nichts wert waren. So ihre Worte. Diejenigen, die schon im Dienste anderer Herren standen - Henriette und Clara - wussten, dass es weitaus schlimmeres gab, als zu putzen. Einen wesentlich tieferen Abgrund. Sie sollte sich daher glücklich schätzen. Die Familie Torvelle bestand gelinde gesagt aus Weicheiern, die sich nicht durchsetzen konnten. Würden Simon und Henriette nicht für die nötige Disziplin bei den Angestellten sorgen, würden sie ihnen womöglich noch auf der Nase herumtanzen. Die meisten schätzten die Familie aber auch so sehr, dass sie ihre Arbeit gern verrichteten.
      "Was, wenn sie mich niemals leiden wird?" Sie war hier schließlich nicht die einzige, die einen Fremden heiraten musste! Auch er konnte es sich nicht aussuchen. Viele Damen standen jedenfalls nicht zur Auswahl. Herzog Decatur war vermutlich nur dazu bereit, weil er genug Kinder hatte. So eine schöne Frau hatte sicher viele Anwerber. Er hatte also Glück einer der wenigen interessanten Anwerber zu sein, mit denen er noch nicht verhandelt hatte. Andernfalls gäbe es sicher Herren, die mehr anbieten konnten, als die Torvelle's.
      "Ich leiste Euch gern Gesellschaft, sollte sie Eure Anwesenheit verschmähen", sagte Eliza dazu und verneigte sich gleich. Die anderen Angestellten waren es ja bereits gewohnt, dass Eliza solche Gelegenheiten gern nutzte. Es war offensichtlich - offensichtlicher ging es eigentlich kaum. Eigentlich...
      "Valerian ist noch viel zu jung, um seinen Kummer in Alkohol zu ertränken, Eliza." Wie der Vater, so der Sohn. Der Fürst nahm Eliza's Dienste seit dem Tod seiner Frau fast jeden Abend in Anspruch - als Magd, die sein Glas füllte. Valerian sollte so früh nicht so viel trinken, wie er es tat. Das es nicht das war, was Eliza meinte, kommentierte sie mit einem stillen Seufzen. Die beiden würden es vielleicht - aber auch nur vielleicht - begreifen, wenn sie sich vor ihnen ausziehen würde. So verzweifelt war sie jedoch nicht. Immerhin gab es auch ein paar attraktive Herren unter den Angestellten. Nicht alle konnten ihr widerstehen. In diesem Raum befanden sich allerdings gleich 4 davon. Auch Vincent und Kalias konnte sie bisher nicht verführen. Ob die beiden möglicherweise nicht an Frauen interessiert waren? Es soll ja einige Männer - auch Adlige - geben, die Männer bevorzugten. Ob die beiden miteinander- Diesen Gedanken fand sie irgendwie reizvoll, weshalb sie vor sich hin schmunzelte und die beiden kurz ansah.


      Josephine hatte ihre zukünftige Schwägerin zum Stall geführt, in dem sie auf den armen Stallburschen trafen, der von den anderen beiden immer die - im wahrsten Sinne des Wortes - Drecksarbeit abbekam. Die Pferde waren gerade allesamt versorgt, sodass er sich eine kurze Pause auf einem Heuballen genehmigte. Er war 15 und stand vor einem Jahr vor der Tür und fragte nach Arbeit. Er war keine Waise, allerdings hatte er zu seiner Schwester eine wesentlich stärkere Bindung, als zum Rest der Familie, weshalb er dort arbeiten wollte, wo sie es tat. Joanna wurde vor zwei Jahren von ihren Eltern abgeschoben, weil sie nach ihren 3 älteren Schwestern keinen Mann mehr abbekommen hatte. Irgendwann war sie wegen ihres Alters einfach zu uninteressant geworden. Eine weitere Sache, die nicht jeder nachvollziehen wollte. Sie war 21 und keine 30. Aber solange die beiden hier glücklich waren, gab es keinen Grund sich darüber aufzuregen.
      Der Bursche sprang sofort auf und stand stramm, zu stramm, als die beiden Damen den Stall betraten. Wie sollte er sich nochmal in der Gegenwart der Adligen verhalten, sobald die Verlobte seines jungen Herren hier war? Und wie war eigentlich der Name, der Dame?
      "H-hallo, Lady Josephine. Seid.. gegrüßt, Lady.. Cordelia..", sprach er etwas unsicher und verneigte sich übereifrig.
      Josephine kicherte und legte ihre Hand an seine Schulter.
      "Schon gut, Peter. Du musst nicht so förmlich sein. Sei einfach wie immer, ja?", beruhigte sie ihn, woraufhin er stumm aufatmete.
      "Was kann ich für dich tun, Jo..sephine..?" Henriette hatte ihn schon oft dafür gemaßregelt, weil er die Lady mit ihrem Spitznamen ansprach. Josephine störte das allerdings nicht und es gab einige neben Peter, die sie Josie nannten.
      "Henriette und Simon haben alle angewiesen, sich bei deiner Ankunft etwas vorbildlicher zu verhalten..", erklärte sie Cordelia und lächelte etwas verlegen deswegen. Alle machten sich so einen Stress, dabei war das vermutlich gar nicht nötig. Dann sah sie wieder zu dem Jungen.
      "Wir möchten ausreiten."
      "Sehr gern! Ich bereite die Pferde vor! Ähm.. welches soll ich für sie nehmen?"
      "Lucy. Sie freut sich bestimmt, wenn sie mal einen richtigen Ausritt bekommt." Da Valerian nicht gern ritt, kam es wesentlich seltener raus, als die anderen Pferde.
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    • Kalias blinzelte und lauschte mit neutraler Miene dem Gespräch. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen, als Lord Torvelle offensichtlich nicht verstand, was genau Eliza mit ihrem Angebot gemeint hatte. Er tauschte einen kurzen Blick mit Vincent aus, der für einen Moment so verkniffen guckte, als hätte jemand die falsche Teesorte serviert. Eliza und ihre Avancen waren etwas, dass sowohl er als auch Kalias regelmäßig erleiden mussten. Im Gegensatz zu den Männern der Torvelle Familie verstanden die beiden aber sehr wohl, dass Eliza nicht von Alkohol sprach. Ein weiteres Thema, dass sie einander nähergebracht hatte.
      Gleichzeitig hatte ein Gedanke Kalias‘ Verstand gekreuzt, als Lord Torvelle sagte, dass sie sich schon noch daran gewöhnen würde. Unwillkürlich musste Kalias an Josephine denken und dass sie sich in einem halben Jahr, wie der Lord es ausgedrückt hatte, auch an jemanden würde ‚gewöhnen‘ müssen.
      Mit einem Mal verstand Kalias, warum Lady Cordelia so frostig war. Er maßte sich nicht an, ihre Gefühle hundertprozentig nachvollziehen zu können. Das war wohl etwas, dass nur eine Frau konnte.
      Aber sie hatte ihre Familie, Heimat und alles, was sie kannte hinter sich lassen müssen, um an einen Lord verheiratet zu werden, den sie vorher noch nie gesehen hatte. Das konnte kein leichtes Schicksal sein. Plötzlich fühlte er sich schlecht, sie vorhin im Hof so verurteilt zu haben.
      Er räusperte sich. „Wenn ihr erlaubt, Lord Valerian. Ich glaube, es geht nicht darum, dass Lady Cordelia Euch hasst, sondern vielmehr das, was ihr repräsentiert.“ Vielleicht würde die Bemerkung ja genügen, um rüberzubringen, was Kalias meinte.

      Cordelia konnte nicht anders. Der unsichere Übereifer wie ihn nur ein Junge dieses Alters haben konnte, ließ ein kleines, sanftes Lächeln auf ihren Lippen erscheinen.
      „Cordelia genügt.“
      Kurz beobachtete sie den Austausch zwischen Josephine und Peter, aber ihre Aufmerksamkeit wurde schnell in eine andere Richtung gelenkt. Sie ging ein paar Schritte tiefer in den Stall hinein und streckte die Hand nach dem Schimmel aus, der neugierig seinen Kopf aus der ersten Box gestreckt hatte. Das Pferd stieß einen Schwall Luft aus den Nüstern aus und stupste ihre Hand vorsichtig an. Manche Dinge waren überall gleich. Egal ob Norden oder Süden.
      Mit halbem Ohr hörte sie Peter und Josephine weiterhin zu und drehte sich zu den beiden herum, als sich das Thema der Auswahl der Pferde und dem Aufsatteln zuwandte.
      „Welches ist Lucy? Ich würde gerne beim Satteln helfen.“
      Peters Augen wurden weit. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Hilfesuchend sah sich der Junge kurz nach Josephine um, aber Cordelias Ton hatte keinen Platz für Widerrede gelassen.
      „Äh…Ähm, dort drüben, die große Fuchsstute.“
      Peter deutete auf eine Box etwas weiter hinten im Stall. „Sattel und äh – Zaumzeug sind findet Ihr dort.“ Eine weitere Handbewegung des Jungen.
      Cordelia lächelte verhalten, freudige Erwartung blitzte durch ihre Augen. „Danke.“, dann wirbelte sie herum und machte sich auf dem Weg zu Lucy.
      Die Stute war ein eindrucksvolles Pferd, schlank und mit glänzendem, rötlichem Fell dass Cordelia an die Blätter der Laubbäume im Herbst erinnerte. „Hey, Lucy.“, flüsterte sie sanft.
      Wenig später war die Stute fertig gesattelt und lief am Zaumzeug hinter Cordelia aus dem Stall nach draußen. Peter hatte unterdessen Josephines Pferd vorbereitet und kam gerade nach draußen.
      Cordelia setzte den linken Fuß in den Steigbügel, zog sich selbst am Sattel nach oben und nutzte den Schwung aus der Bewegung, um das rechte Bein über den Rücken des Pferdes zu schwingen. Es war definitiv kein Damensattel, auf dem sie saß.
      „Bereit?“, fragte sie Josephine. Ihre Stimme klang fast ein wenig atemlos und aus ihrem Gesicht sprach etwas ungezähmtes – das komplette Gegenteil zu ihrem eisigen Ausdruck von zuvor.
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    • Als Kalias seine Stimme erhob, lag natürlich alle Aufmerksamkeit auf ihm. Mit zweideutigen Aussagen hatten die beiden Herren es nicht so. Aber sie hatten nicht nur Stroh im Kopf. Dennoch musste Valerian einen Moment überlegen. Was er repräsentierte?
      "Sie ist eine Frau, Lord Valerian. Ich weiß, dass Ihr da anderer Meinung seid, aber eine Frau besitzt für gewöhnlich nicht so viele Freiheiten. Ein Mann entscheidet, wen sie heiraten soll, damit ein fremder Mann darüber entscheidet, was sie zutun und zu lassen hat. Sie ist gewissermaßen jedoch auch von Euch abhängig. Manche können sich damit schwerer arrangieren als andere..", sprach Isabelle sanft und lächelte. Sie wusste, wie sie den beiden Herren etwas näherbringen konnte, ohne es so aussehen zu lassen, als wären sie nicht in der Lage selbst darauf zukommen. Auch ihre Stimme und Mimik sollten die Herren eher ermutigen, als sie herabzusetzen.
      "Abgesehen davon musste sie ihre Heimat und ihre Familie verlassen und hat nun niemand Vertrauten an ihrer Seite. Nehmt es ihr also nicht übel und macht Euch nicht zu viele Sorgen. Ich denke, dass sie schon bald ihr Glück erkennt, einen Mann wie Euch zu heiraten. Seid einfach Ihr selbst und fragt Euch nicht, was Ihr tun könnt, um sie für Euch zu gewinnen." Das war jedenfalls ihre Meinung. Sie war nun schon seit 7 Jahren bei den Torvelle's und liebte ihre Arbeit hier vermutlich mehr, als jede andere Angestellte. Sie könnte sich keinen besseren Herren vorstellen.
      "Ja.. ihr habt Recht.. Danke." Dank Isabelle verstand er auch, was Kalias damit sagen wollte. Aber wieso sollte er nicht darüber nachdenken, was er tun könnte, um ihr zu zeigen, dass es hier nicht so schlimm war, wie sie vielleicht dachte? Vielleicht würde sie das zu sehr bedrängen. Er musste sich in Geduld üben und ihr die Zeit lassen, die sie brauchte.

      Lucy schien Cordelia zu mögen und anders herum. Sie hatte aber auch nichts anderes von der zahmen Stute erwartet. Nachdem auch ihr Pferd - welches sie Hannah getauft hatte - gesattelt war, bedankte sie sich noch einmal bei Peter und stieg ebenfalls in den Sattel. Kurz sah sie zu der anderen rüber, die sich scheinbar mit dem gewählten Sattel zurecht fand. Etwas an ihr fesselte sie und sie konnte nicht anders, als breit zu lächeln.
      "Bereit!", antwortete sie entschlossen und gab ihrer Stute die Sporen. Sie musste nicht lang überlegen, wo sie Cordelia hinführen würde. Einer ihrer Lieblingsorte war ein gutes Stück am See entlang auf einem Felsvorsprung, der einen herrlichen Blick sowohl auf den See, als auch auf die weiten Blumenfelder auf der anderen Seite bot. Saftige Wiesen voller Margeriten. Abseits der Burg. Womöglich mochte sie diese Blumen deshalb so sehr. Das war der perfekte Ort. Vielleicht gefiel er auch und sie würde ihn auch noch besuchen, wenn Josephine nicht mehr da war.
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    • Manchmal hatte es schon fast einen ulkigen Charakter, dass die beiden Lords nicht alles sofort verstanden. Aber Kalias kannte sie lange genug, um zu wissen, dass sie beide gute Männer waren. Nur einfach nicht besonders begabt darin, zwischen den Zeilen zu lesen.
      Dankbar lächelte Kalias Isabelle zu. Sie wusste immer, wie man die passenden Worte fand, um den beiden Lords etwas näher zu bringen. Kalias bewunderte, wie sie es schaffte, dabei nicht herablassend zu wirken. Ihm selbst fiel es nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden. Seine Sprache bestand aus Bildern und Farben. Dass ließ ihn daran denken, dass er noch eine ganz bestimmte Szene zu zeichnen hatte.
      Pflichtbewusst stand er mit erhobenem Kopf im Speisesaal und wartete, dass die beiden Lords ihr Essen beendet würden, während sein Blick nach innen gekehrt war und er überlegte, wie er heute versuchen konnte, dieses ganz bestimmten Rotton anzumischen.

      Cordelia ließ sich nicht zweimal bitten, stieß Lucy sanft aber nachdrücklich in die Flanken und packte die Zügel feste mit beiden Händen. Wind sauste durch ihre Haare, zerrte an ihren Röcken und schnitt ihr kühl ins Gesicht. Für Cordelia gab es kein schöneres Gefühl auf dieser Welt. Der Wind fegte die brodelnden Gefühle und Sorgen in ihr zur Seite und gewährte ihr so einen Moment der Leichtigkeit. Ohne es überhaupt zu merken, breitete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Sie musste an sich halten, Lucy nicht noch mehr anzutreiben und Josephine zu überholen. Immerhin hatte sie keine Ahnung, wo die jüngere sie hinführte. Das Ziel ihres Ritts war Cordelia aber schon fast egal.
      Sie gab sich dem Gefühl der Freiheit hin, während Lucys Hufen unter ihr auf dem Boden Bebten und Staub und Matsch aufwühlten. Ein kleines, glückliches Jauchzen entfloh ihrer Kehle und plötzlich kam ihr der Gedanke, dass dieses Gefühl immer gleich war. Völlig gleich, ob sie durch die verschneiten Tannenwälder des Nordens, oder die dichten Laubwälder des Südens ritt. Die Umgebung war eine andere, aber das Gefühl von Wind und Freiheit blieb dasselbe.
      Die Nachmittagssonne glitzerte auf der ruhigen Oberfläche des Sees. Vögel zwitscherten und die ersten, zarten Blumen des Frühlings wehten sachte im Wind, während Josephine und Cordelia am See entlang donnerten. Nach einiger Zeit wandte sich der Pfad plötzlich bergauf. Ihre Pferde wurden ein wenig langsamer. Jetzt, wo sie. nicht mehr wild vorpreschten, war es ruhig genug, um sich über die kurze Distanz zwischen ihnen zu unterhalten. "Wohin führst du mich eigentlich?", rief Cordelia Josephine mit roten Wangen und funkelten Augen zu.
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    • Als Simon in den Speisesaal kam und sich schweigend verneigte, war dies das Zeichen für die Lords sich zu erheben. Die Damen räumten den Tisch ab, sobald sie sich von diesem entfernt hatten und waren auch nicht mehr so angespannt, wie zu Cordelia's Anwesenheit. Die beiden Ältesten sorgten zwar für Disziplin, doch im Großen und Ganzen, war es ihnen erlaubt, etwas lockerer zu sein. Einige von ihnen ließen sich das nicht zweimal sagen, andere wiederum blieben lieber auf ihrer Stufe stehen. Trotzdessen wagte sich niemand auf eine Stufe mit den Herrschaften zu stellen. Isabelle war da fast die Ausnahme und mit ihrem offenen Ohr und Ratschlägen fast wie eine ältere Schwester für Valerian. Mit ihr verbrachte er schließlich die meiste Zeit, auch wenn meist nur in der Küche beim Backen.
      Nun aber war es Zeit, um die letzten Feinheiten für die Zeremonie durchzugehen, die schon in wenigen Tagen stattfinden würde. Der ältere Fürst hatte wirklich genaue Vorstellungen vom Bankett - bis ins kleinste Detail geplant. Der jüngere hingegen befürwortete lediglich, dass es reichlich von Isabelle's Süßspeisen gab. Ab heute hieß es für sie auf Hochtouren zu arbeiten und alles vorzubereiten, dass nicht noch am selben Tag serviert werden musste. Die anderen Damen halfen ihr natürlich, aber sie gab den Ton an.
      Simon hatte ebenfalls viel zutun. Er musste planen, wer wo gebraucht wurde. Auch die Wachen müssten dezent genug anwesend sein, um weder die Sicherheit zu vernachlässigen, noch den Eindruck zu vermitteln, man würde einen Anschlag befürchten. Während die beiden Herren Simon in das Besprechungszimmer folgten, legte Xavier kurz seine Hand auf Kalias' Schulter. Sie bräuchten ihn jetzt nicht mehr, schließlich wollten sie es auch nicht übertreiben. Unter sich dreien, benötigten sie keine Wache im Raum. An Simon's Loyalität konnte nach all den Jahren niemand zweifeln.

      Sie hatten es nicht eilig, weshalb Josephine sich dachte, dass sie Cordelia zuerst ein wenig die Gegend zeigen konnte. So konnten sie beide und auch ihre Pferde, den Ausritt genießen, ehe sie ihr Ziel erreichten. Manchmal war auch der Weg das Ziel, aber das sollte der krönende Abschluss werden. Hoffte Josephine jedenfalls.
      Bei ihrer Frage, lächelte die Rothaarige und blickte verträumt nach vorn.
      "An meinen Lieblingsort. Von dort kann man den ganzen See und das Anwesen überblicken. Ich will dir zeigen, wie schön unser Land sein kann. Vielleicht kannst du es dann ein wenig mehr in dein Herz schließen." Es war so ruhig und friedlich dort oben und niemand, der sie überwachte. Sie war natürlich keine Gefangene in ihrem Anwesen, aber Henriette ermahnte sie jedes mal, wenn sie sich nicht damenhaft genug verhielt. Damit meinte sie es nur gut und sie würde sich auch nicht anmaßen, ihr etwas vorzuschreiben. Es war lediglich so etwas wie ein sanftes Rügen, um sie daran zu erinnern, dass die Lords Wert darauf legten.

      Auf der Erhöhung angekommen, atmete sie tief durch und ließ ihren Blick zuerst über den See schweifen.
      "Ich werde diesen Ort vermissen... Du hattest in deiner Heimat sicher auch einen Lieblingsort, nicht?" Nachdem sie vom Pferd gestiegen und es angebunden hatte, betrachtete sie die Wiesen. Vom Schnee war dort kaum noch etwas zu sehen, aber die ersten Blumen blühten schon. Etwas wehleidig legte sie ihre Hände an die Ellenbogen, während sie diesen Ausblick genoss, als wäre dies bereits schon das letzte Mal, dass sie ihn sehen würde.
      "Ich.. werde es hier schrecklich vermissen..." Damit meinte sie nun nicht mehr diesen kleinen Fleck ihrer Heimat, sondern ihre Heimat selbst. Viel mehr jedoch ihre Familie und die Angestellten. Kalias.
      "Ich hoffe, du gewöhnst dich schnell daran.. Alle sind so unglaublich nett. Vom unbeholfenen Peter bis zum strukturierten Simon. Ich liebe jeden einzelnen von ihnen.." Bei dem Wort liebe senkte sie ihren Blick, da sie ihn unbedacht gewählt hatte. Das war nur die Melancholie, die sie so eben ergriffen hatte.
      Sie konnte gut nachvollziehen, wie es Cordelia erging und doch fragte sie sich, wie schlimm es um sie stand, weshalb sie sich zu ihr wandte und sich bemühte zu lächeln und ihre Tränen zurückzuhalten. Keine Worte konnten diesen Verlust beschönigen und doch würde sie sich wünschen, auch so jemanden in ihrer neuen Heimat zu haben, mit dem sie sich so unterhalten könnte, wie sie beide es jetzt taten. Jemand, der ihr Mut machen würde. Josephine hatte keinen Grund sie zu belügen oder ihr Honig um den Mund zu schmieren. Ihr Schicksal war bereits besiegelt. Aber sie musste diesem Verlangen nachgehen, Cordelia ihre möglichen Ängste und Sorgen zu nehmen. Sie könnte mit ruhigerem Gewissen gehen, wenn sie wüsste, dass sie Cordelia - und vielleicht auch ein wenig ihrem Bruder - geholfen hatte.
      "Du musst dir keine Sorgen machen.. Mutter hat mir erzählt, wie es in ihrer Familie zuging, bevor sie Vater heiraten musste. So ergeht es wohl den meisten.. Vater und Valerian sind jedoch wirklich sehr umgänglich, so hat sie es genannt. Vater gab ihr all die Freiheiten, die sie brauchte, um glücklich zu sein. Er redet nicht über seine Gefühle und über Mutter, aber ich glaube, dass er sich sogar mehr und mehr in die glückliche Christine verliebt hat. Und sie war ihm sehr dankbar dafür, dass sie sich frei entfalten durfte. Sie war kindisch und manchmal konnte man sich für sie schämen, wäre jemand von Rang anwesend gewesen. Sie lachte viel und machte schon fast einen Wettbewerb daraus, wer die besseren Witze erzählte. Sie oder Simon." Apropos Simon. Er war ruhiger geworden, seit sie fort war, aber seinen charmanten Humor bekam man dennoch bei jeder Gelegenheit zu spüren. Hoffentlich würde Cordelia ihn mögen. Dieser Gedanke zauberte ihr kurz ein Schmunzeln ins Gesicht, dessen Wangen schon ganz rosig geworden waren.
      Sie konnte nicht anders, als die Hände der anderen zu ergreifen und in ihre Augen zu sehen. Auch Josephine wollte keine Zeit mit ihr verschwenden und so viel wie möglich aus der Zeit herausholen. Oder viel mehr, Cordelia so viel wie möglich von hier anvertrauen. Immerhin wäre sie fortan die Frau im Hause.
      "Deinetwegen haben sich alle große Sorgen gemacht, da du aus einem so noblem Hause kommst. Ich glaube, du wirst die gewöhnliche Atmosphäre allerdings sehr viel lieber mögen. Deshalb werde ich Simon später bitten, alles wieder zur Normalität zurückkehren zu lassen", kicherte sie leise.
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    • Die nonverbale Entlassung verstand Kalias sofort. Dennoch wartete er pflichtbewusst, bis alle wichtigen Personen den Raum auch wirklich verlassen hatten. Er hätte wohl auch bleiben und sich an den Gesprächen und Witzelein der anderen Angestellten beteiligen können, aber es juckte ihn schon seit Cordelias Ankunft in den Fingern, den Pinsel in die Hand zu nehmen.
      Also verabschiedete er sich mit einem Lächeln in die Runde, machte einen Abstecher in seinem Zimmer im Trakt der Angestellten, um seine Ausrüstung gegen bequemere Kleidung zu tauschen. Den Schwertgurt mitsamt Schwert ließ er ebenfalls zurück.
      Dann machte er sich auf den Weg in das Atelier, das er für die nächsten Stunden wohl nicht mehr verlassen würde.

      Bei Josephines verträumten Ausdruck beschlich Cordelia unwillkürlich Neugierde. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie der Ort aussah, aber Josephines Blick und Lächeln genügte, um instinktiv zu wissen, dass es ein ganz besonderer sein musste.
      In diesem Moment beschloss Cordelia, Josephine zur Liebe, es zumindest zu versuchen. Diese fremde Gegend ins Herz zu schließen. Oder…zumindest offener zu sein. „Vielleicht.“, sagte sie daher nachdenklich und konzentrierte sich dann darauf, Lucy den Abhang nach oben zu lenken.

      Oben angekommen rutschte Cordelia gekonnt aus dem Sattel, klopfte Lucy freundschaftlich auf die Seite und band die Stute dann neben Josephines Pferd an.
      Dann trat sie neben Josephine, den Blick geradeaus gerichtet. „Ja.“, bestätigte sie kurzangebunden. Nicht, weil die Frage sie störte, sondern weil sie in ihr unwillkürlich Bilder heraufbeschwört hatte, die ihr die Kehle zuschnürten. Stumm standen die beiden einen Augenblick nebeneinander, in dem sie die Aussicht in sich aufsogen und ihren ganz eigenen Gedanken nachhingen. Cordelias schwebten mit dem Wind über die weite Wiese und fernen Baumkronen gen Norden.
      Als Josephine sprach und sagte, dass sie es hier schrecklich vermissen würde, blinzelte Cordelia. Sie brauchte einen Moment, um aus den tiefen ihrer Gedanken aufzutauchen und sich zu orientieren. Der melancholische Ton in Josephines Stimme ließ Cordelia sich ihr zu drehen. Und während sie so weitersprach, wurde Cordelia plötzlich mit einem Schlag bewusst, wie egoistisch es von ihr war, Josephine als Stütze zu benutzen und zu beanspruchen, wo sie doch ganz eigene Sorgen hatte. Cordelias Augen nahmen einen sanften Ausdruck an, der Zug um ihren Mund wurde weicher.
      Josephine wusste es vielleicht nicht, aber in ihr wohnte eine ganz besondere Stärke. Nicht das laute, wilde Feuer, dass in Cordelia brodelte und sich mit aller Kraft befreien wollte, sondern etwas viel Sanfteres. Da stand sie. Offensichtlich tieftraurig darüber, ihre Heimat bald hinter sich lassen zu müssen. Und trotzdem versuchte sie, Cordelia gut zuzureden.
      „Danke, Josephine.“ Cordelia legte ihre ganzen Emotionen in diese zwei Worte. Ihr Gesicht und ihre Stimme so offen und verletzlich, wie sie sich sonst nie erlaubte zu sein. Aber sie wollte, dass Josephine wusste, dass sie nicht alleine war. Das Cordelia sie verstand. All ihre Sorgen, all ihre Gefühle…
      Und vor allem wollte sie, dass Josephine verstand, wie dankbar Cordelia ihr war.
      Dann schien wieder etwas von dem Feuer in Cordelia durch. Ihr Ausdruck nahm einen Entschlossenen Zug an, ihre Augen funkelten. „Und wenn sich doch herausstellt, dass der Lord, an den du verheiratet wirst, ein kompletter Arsch ist, können wir immer noch einfach unsere Pferde nehmen und davonreiten.“, es war als aufmunternder Scherz gemeint, aber etwas an ihrem Ausdruck vermittelte, dass Cordelia wirklich dafür bereit wäre. Sie grinste kurz. „Arsch.“, wiederholte sie und lachte dann unbekümmert und frei. Es fühlte sich wirklich gut an, so frei und ungefiltert zu sprechen.
      Als Josephine ihre Hände ergriff, erwiderte Cordelia ihren Blick komplett offen. Sie konnte nicht genau benennen, wann es passiert war. Aber der Ausflug zu diesem ganz besonderen Ort hatte eine Verbundenheit zwischen ihnen geschaffen.
      „Gewöhnlich ist deutlich besser.“, die Wangen rosig, die Röcke dreckig und die Haare vom Wind zerzaust funkelte Cordelia Josephine verschwörerisch an. Vielleicht war es ja doch gar nicht so schlimm, hier zu sein.
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    • Die Rothaarige wusste, dass sich ihre Welt von der gewöhnlicher Frauen noch einmal unterschied. Alle hatten es gewiss nicht leicht. Wenn die Bauerstochter keinen Mann fand, musste sie nicht selten bei einem Lord als Dienstmädchen arbeiten. Die Tochter eines Adligen musste jedoch immer perfekt sein. Vorzeigbar. Sie war viel mehr als ein Kind, das man in Männerhände geben wollte, damit sich jemand um sie kümmerte. Sie war wie ein Handelsgut, mit der man sich mehr Reichtum und Ruhm erkaufen wollte. Frauen, die Adlige beneideten, hatten keine Ahnung, wie viel Druck auf ihnen lastete. Einerseits besaßen sie keinerlei Macht. Andererseits jedoch, besaßen sie die Macht, dem Ansehen ihrer Familie zu schaden. Um das zu verhindern, musste sie Disziplin haben und das ertragen, was sie erwarten würde. Jedenfalls wenn es ihr etwas bedeutete. Josephine bedeutete ihre Familie sehr viel, weshalb sie ihr bestes geben wird, um sie mit ihrer Vermählung zu unterstützen.

      Als Cordelia sie versuchte aufzumuntern, schmunzelte sie ein wenig. Dann stimmte sie in ihr Lachen ein. Die zukünftige Fürstin Torvelle war noch nicht einmal einen Tag hier und doch hatte Josephine sie schon in ihr Herz geschlossen. Man konnte Menschen eben nicht nach dem Äußeren beurteilen. Man weiß nie, was in ihnen steckte. Und in Cordelia vermutete sie eine wirklich tolle Frau. Eine möglicherweise unzähmbare Frau, die ihren Bruder auf Trab halten würde. Ein wenig Feuer unter seinem Hintern würde ihm nicht schaden.
      Damit stand jedoch fest, dass sich niemand mehr verbiegen müsste, um Cordelia zu gefallen. Die wahren Eigenschaften ihrer Angestellten würden schon noch ihr Herz gewinnen, da war sie sich sicher. Jeder von ihnen war etwas einzigartiges. Für Josephine gehörten sie einfach zur Familie. Bei Cordelia würden sie sicher gut aufgehoben sein.
      "Valerian schätzt ehrliche und offene Menschen. Vielleicht, weil er nicht sehr gut zwischen den Zeilen lesen kann. Du darfst ihm also ruhig direkt sagen, wenn dich etwas stört. Aber diese Seite an ihm erlaubt dir auch, viele Späße mit ihm zu machen", kicherte sie. Manchmal war es einfach zu witzig, Valerian aufzuziehen, ohne das der das überhaupt realisierte.

      Die drei Männer waren derzeit damit beschäftigt, die heutige Post zu lesen. Bei einer Hochzeit erwarteten die benachbarten Häuser natürlich eine Einladung und so hatten sie reichlich versandt, um täglich Zu- oder Absagen zu erhalten. Darunter auch einige Interessenten für die Tochter des Hauses. Ein guter Zeitpunkt, um sie aus nächster Nähe zu betrachten. Möglicherweise sogar ein paar Anwärter selbst und nicht nur deren Väter oder Gesandte. Valerian hätte am liebsten auch weniger Wirbel um seine Hochzeit gemacht, aber sie wollten bei den Lords ja nicht in Ungnade fallen. Andernfalls würden sie einen Weg finden, um das Leben seiner Familie zu zerstören, wenn man sie verärgerte. Deshalb hatte der Fürst auch ziemliche Bauchschmerzen bezüglich Josephine. Er wünschte sich natürlich einen guten Mann für sie, aber wie sollte er das beurteilen? Für ihn waren sie ja auch allesamt Fremde. Die Väter einiger Herren kannte er persönlich. Über andere gab es Gerüchte. An manche Namen meinte er sich nicht mal erinnern zu können.
      Es gab hohe Erwartungen und noch keine konkreten Heiratsanträge. Man hatte ja schließlich die Chance, sie genauer anzusehen. Das die Vermählung seines Sohnes also gleichzeitig eine Präsentation seiner Tochter sein würde, gefiel ihm nicht besonders. Allerdings machte er sich keine Sorgen darüber, dass Josephine die Herren nicht bezaubern würde. Sie war liebreizend und bildschön. Möglicherweise reichte das dem ein oder anderem Lord, um Beziehungen zu den Torvelle's zu knüpfen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Bei Josephines Kommentar lächelte Cordelia verkniffen. Sie hielt bereits jetzt große Stücke auf die junge Frau. Wenn Josephine so von ihrem Bruder sprach – wie schlimm konnte er dann schon sein?
      Andererseits war Cordelia niemand, der seine Emotionen einfach so umkehren konnte und was sie ihrer Situation und der Hochzeit gegenüber empfand war Hass und Wut. Valerian war unweigerlich mit diesen beiden Gefühlen verbunden. Ihn von diesen Emotionen zu trennen, schien für Cordelia unmöglich. Dennoch machte sie Josephine das stumme Versprechen, es zumindest zu versuchen. Aber diese Gedanken behielt sie für sich.
      Stattdessen ging sie ein paar Schritte weiter auf den Vorsprung hinaus, ließ sich mit dem Gesicht zur Sonne auf das Gras nieder und schloss die Augen. Es war eine gute Idee gewesen, die Burg zu verlassen. Wäre sie dortgeblieben, hätte sie entweder jemandem den Kopf abgerissen, oder doch Feuer gelegt und gehofft der ganze, verdammte Stein würde auf magische Weise niederbrennen.
      Durch den Abstand zu dem Ort und das Gespräch mit Josephine waren diese Bedürfnisse nun zumindest nicht mehr vorhanden. Hoffentlich blieb es so, wenn sie unweigerlich zu der Burg zurückkehrten. Cordelia atmete tief ein. Zum tausendsten Mal fragte sie sich, wieso diese Welt so ungerecht war.
      „Josephine.“, begann sie. „Wenn du alles tun könntest, was du möchtest, völlig frei von allen Regeln und Erwartungen…was würdest du aus deinem Leben machen? Wer würdest du sein, wenn du nicht Lady Josephine Torvelle sein müsstest?“ Eine tiefgründige Frage. Aber Cordelia fand, dass Leben war zur kurz, um sich mit belanglosen Dingen wie dem Wetter und der Farbe von Kleidern aufzuhalten. Und ihre gemeinsame Zeit war noch so viel kürzer.
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    • Dass Cordelia der Ort zu gefallen schien, erleichterte die junge Dame. Es brauchte keine Worte, kein Versprechen, um es mit Valerian zu versuchen. Schließlich hatte sie kaum eine andere Wahl, oder etwa nicht? Mehr konnte Josephine in der Sache jedoch weder für ihren Bruder, noch für seine Verlobte tun. Es war gesagt, was gesagt werden sollte. Warum sollten sie in den nächsten Tagen auch stundenlange Gespräche über Valerian führen? Die Männer nahmen schon genug Platz in ihren Leben ein, da müssten sie nicht auch noch endlos über sie reden. Nun war Zeit für sie beide.
      Josephine betrachtete die andere einen Augenblick, ehe sie sich zu ihr setzte und es ihr gleich tat. Es hätte ihr nichts ausgemacht, eine Weile schweigend so zu verweilen, doch ein Gespräch war natürlich genau so willkommen. Sie rechnete jedoch nicht mit so einer Frage, nach dem sie ihren Namen vernommen hatte und Cordelia ansah. Wenn sie alles tun könnte, was sie wollte?
      "Ich..." Diese Frage brachte sie aus dem Konzept und schnürte ihr regelrecht die Kehle zu. Der Kloß in ihrem Hals erschwerte, ihre Gedanken auszusprechen. Aber sollte sie das wirklich tun? Sie hatte nicht einmal Mary davon erzählt. Andererseits.. was sprach schon dagegen? Cordelia war wohl kaum hier, um belastende Informationen über ihre Familie zu sammeln, um sie zu ruinieren. Oder doch? Wäre es paranoid, daran zu glauben? Oder wäre es naiv, das auszuschließen?
      Ihre Antwort verzögerte sich, als sie ihren Blick nach unten senkte. Es war nicht so, dass sie nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Viel mehr rief der Gedanke an dieses wünschenswerte Leben einen tiefen Schmerz aus, denn egal wie groß ihr Wunsch war, er würde wohl nie in Erfüllung gehen.
      "Ich würde ein einfaches Leben führen.. Vielleicht auf dem Land.. Wo auch immer..." Das wo und wie, war allerdings auch nicht von Bedeutung. In ihrem Tagträumen war sie schon alles. Von einer Bäuerin zur Magd. Sie drückte ihre ineinander verschränkten Finger etwas und seufzte leise.
      "Ich würde den Mann heiraten, den ich liebe.. und eine Familie mit ihm gründen.. Falls.. er überhaupt meine Gefühle erwidert..." Sie konnte nie genau sagen, was überhaupt schlimmer wäre. Wenn Kalias sie ebenfalls liebte oder wenn er es nicht täte. Wenn er es nicht täte, wäre sie die einzige, die leiden müsste. Wenn er es aber tat, dann mochte sie gar nicht daran denken, wie er dabei empfand, dass sie gehen müsste, um einen anderen Mann zu heiraten und sie sich somit nie wieder sehen würden. So wie es jetzt war, konnte sie sich einreden, dass er keine Gefühle für sie hatte. Das sie nur Freunde waren. Nein. Nicht einmal Freunde. Sie war doch nur die Tochter seines Herren. Er war pflichtbewusst, mehr nicht. So sollte sie jedenfalls denken. Doch es fiel ihr schwer.
      Denn wenn er sie anstelle von 'Lady Josephine' mit Josie ansprach, nachdem sie ihn endlich dazu überreden konnte, fühlte es sich so anders an. Diese Vertrautheit. Sein Lächeln. Seine Augen. Und... seine Bilder...
      "Nein... ich glaube sogar ganz fest daran, dass er sie erwidert..." Im Gegensatz zu ihren männlichen Verwandten war Josephine nicht blind. Sie konnte sehr wohl zwischen den Zeilen lesen. Vor allem aber, konnte sie es in seinen Bildern sehen. Es war nicht nur die Herausforderung, für alles die perfekte Farbe anzumischen und so auch eine für ihr Haar. Diese perfekte Farbe gab es in ihren Augen gar nicht. Für sie waren sie alle schon perfekt. Außer sie bildete sich das alles nur ein.
      Doch es spielte ohnehin keine Rolle. Er würde seine Gefühle genau so wenig durchscheinen lassen, wie sie ihre. Da war sie sich sicher. Dafür hatte er zu viel Anstand. Es war keine Feigheit, die ihn davon abhielt, um sie zu werben, sondern die Vernunft. Ihr war bewusst, dass sie den ersten Schritt machen müsste. Und selbst dann, wäre er vermutlich noch zu vernünftig, um sich darauf einzulassen. Für Kalias gab es nichts wichtigeres als seine Pflichten. So dachte Josephine jedenfalls darüber.
      "Er ist nur eine Wache meines Vaters...", hauchte sie fast lautlos aus und zog die Augenbrauen zusammen, um sich selbst erneut daran zu erinnern, dass diese Gefühle keinen Platz in dieser Welt hatten. Es war keine herablassende Bemerkung, sondern viel mehr ein Tadel an sich selbst. Sie atmete tief ein. Ihr Atemzug erzitterte ein wenig unter dieser traurigen Wahrheit.
      Sie brachte so schnell auch nicht die höfliche Gegenfrage zustande, wie Cordelia diese Frage beantworten würde. Stattdessen sah sie wieder zu ihr auf, während ihr Blick wie ein offenes Buch sein dürfte. Der Schmerz, die Trauer, dass es niemals dazu kommen wird. Aber auch die Scham, dass sie überhaupt solche Gefühle für jemanden von niedrigerem Stand entwickelt hatte. Alles was sie tun konnte war, sie zu ignorieren und sich Dinge einzureden, die ihr dabei halfen.
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    • Cordelia spürte mehr als das sie sah, wie Josephine sich neben ihr auf dem Gras niederließ. Zögerlich fing sie an zu sprechen, aber sie machte ein kleines ersticktes Geräusch und ließ ihren Satz unbeendet in der Luft hängen. Cordelia hielt ihr Gesicht weiterhin zur Sonne gewandt, die Augen geschlossen. Ihre Frage war vielleicht etwas zu viel, etwas zu tiefgründig und ganz bestimmt unerwartet gewesen. Also drängt sie Josephine nicht. Weder durch Worte noch durch Blicke. Stattdessen wartete sie.
      Und schließlich fand Josephine ihre Stimme wieder.
      Ein einfaches Leben mit dem Mann, den sie liebte. Sie klang zögerlich, ein wenig traurig, vielleicht. Darüber, dass es immer nur eine Vorstellung bleiben würde. Das sie niemand anders sein konnte, als Lady Josephine Torvelle und später dann Lady Josephine ‚was auch immer der Nachname ihres zukünftigen Mannes war‘, mutmaßte Cordelia.
      Cordelia lauschte unvoreingenommen und machte ein leises, summendes Geräusch, um zu vermitteln, dass sie zuhörte. Josephine war also verliebt. Ein Gefühl, dass Cordelia selbst nicht kannte und doch ein ziehendes Gefühl von Sehnsucht in ihrer Brust auslöste. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie viel schwerer es gewesen wäre, ihre Heimat zu verlassen und einen fremden Mann zu heiraten, wenn ihr Herz bereits vergeben gewesen wäre. Verankert nicht nur zwischen Schnee und Tannen, sondern in den Händen einer anderen Person. Auch ohne einen Mann zurücklassen zu müssen, den sie liebte, hatte es sie so, so wütend gemacht. Ob sie wohl mutig gewesen wäre, um mit ihrem Geliebten durchzubrennen? Stark genug, um nicht unter seinem Verlust zu einer Hülle ihrer selbst zu verkommen?
      Das Josephine sich mit solchen Gedanken auseinandersetzen musste, schürte das Feuer in ihr. Die Flammen leckten an ihrer Innenseite. Wie unendlich ungerecht diese Welt war. Wie machtlos sie im Vergleich.
      Josephines letzte, gehauchte Bemerkung klang, als wolle sie sich selbst daran erinnern, dass ihre Gefühle falsch waren. Als wäre es ihre Schuld, dass sie ihr Herz an jemanden verschenkt hatte, der nur eine Wache war. Als wäre die Welt nicht von Grund auf ungerecht.
      Cordelia öffnete ihre Augen und drehte ihren Kopf zu Josephine. Leicht neigte sie ihn. Eine strähne hellen Haares fiel über ihre Schulter. Aus ihrem Blick sprach eine tiefe, irrationale Verbundenheit, gepaart mit einer, vielleicht genauso irrationalen Wut auf die Welt.
      „Und wahrscheinlich ein besserer Mann als die meisten Männer mit Titel und Land.“ Ihr Blick verengte sich kurz, wurde dann aber sanfter. „Wenn du willst, schmuggle ich euch beide raus und lasse euch genug Gold zum Leben zukommen, wenn ich erstmal Lady Torvelle bin. Dann könnt ihr so viele Schafe und Kinder haben, wie ihr wollt.“ Kurz verzog sie das Gesicht bei der Aussicht auf ihren baldigen Namen. Aber dann zuckten ihre Mundwinkel nach oben und ihr Ausdruck bekam fast schon etwas Spitzbübisches. Es bestand kein Zweifel daran, dass Cordelia dieses lausige Vorhaben in die Tat durchsetzen würde, wenn Josephine es wollte. Dann wurde ihr Ausdruck wieder ein wenig ernster. „Du solltest dich niemals dafür tadeln, dein Herz zu verschenken. Völlig gleich, ob an einen reichen Herren oder eine Wache. Es ist nicht dein Fehler, dass die Welt dich dazu zwingt, einen adligen Mann zu heiraten.“ Ein Wenig kam Cordelia sich wie eine Heuchlerin vor. Als wüsste sie, wovon sie hier sprach. Als wäre sie nicht selbst vollkommen überfordert mit ihrer Situation. Und doch war da diese tiefe Gewissheit, von der sie nicht wusste, woher sie kam.
      Am Himmel war die Sonne mittlerweile weitergewandert. Einem immer gleichen Ablauf folgend war der späte Nachmittag in den frühen Abend übergegangen. Sie sollten wohl bald zurückkehren, wenn sie nicht wollten, dass man sich Sorgen um sie machte. Außerdem war es wohl keine gute Idee für zwei Damen, zu später Stunde allein unterwegs zu sein.
      Cordelia waren beide diese Dinge bewusst, dennoch machte sie keine Anstalten, sich zu erheben. Sie wollte nicht, dass dieser Moment endete. Zurück auf der Burg wartete die harte Realität auf sie. Hier, mit einer Verbündeten und in der Umgebung des fast schon magischen Vorsprungs, konnte sie atmen. Cordelia zog einen Schwall Luft ein und schloss kurz erneut die Augen.
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    • Ein besserer Mann als die meisten Männer mit Titel und Land... In der Tat.
      Ihr Vorschlag, sie rauszuschmuggeln, war gar nicht so fern ab der Realität. Allerdings liebte Josephine ihre Familie genau so sehr wie Kalias und deshalb könnte sie niemals ihrem Ruf Schaden zufügen.
      "Danke.. Aber ich kann meine Familie nicht hintergehen... Ich liebe sie. Und Kalias liebt sie auch. Er würde niemals etwas tun, das ihnen schadet. Er ist eine Waise. Vater und Mutter haben ihn aufgenommen, als er noch sehr jung war und auf der Straße lebte.." Kalias würde seine Pflichten nicht vernachlässigen. Daran könnte vermutlich auch Josephine nichts ändern.

      Einen Moment konnten die beiden noch diese Ruhe genießen, ehe es wohl oder übel Zeit war, zurückzukehren. Sie wollte nicht, dass alle in Aufruhr gerieten und nach ihnen suchen würden. Deshalb machten sie sich auf den Rückweg und gaben die Pferde zurück in Peter's Hände. Anschließend zeigte Josephine Cordelia die Räumlichkeiten und stellte ihr auch die Angestellten vor, die ihnen auf dem Weg begegneten. Am Flügel spielte sie unheimlich gern und Cordelia dürfte ihn selbstverständlich auch jederzeit nutzen, wenn sie es wollte.
      "Das ist das Atelier meiner Mutter... Kalias nutzt es jetzt..", sagte sie etwas gedämpfter, als sie sich der nächsten Tür näherten. Es war gut, wenn Cordelia erfuhr, dass sogar ihre Angestellten mehr Freiheiten hatten, als andere. Vermutlich gab es nicht viele Lords, die die Talente und Interessen ihrer Angestellten förderten.
      Sie lächelte ihr noch einmal kurz zu, ehe sie anklopfte und eintrat, falls er noch anwesend war. Wenn er einmal angefangen hatte, kam er jedoch nicht so schnell wieder davon los. Sie hatte auch nicht geplant sich lange hier aufzuhalten, sondern Cordelia nur kurz reinsehen zu lassen, damit sie sich irgendwann in der Burg zurechtfinden würde.
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    • Und da war es wieder. Das ewig gleiche Problem. Tat etwas für dich, und du würdest deiner Familie schaden. Also lebten die Damen des Adels ihre Leben nicht für sich, sondern ihre Familien. Immer darauf bedacht, das Bild zu wahren und Skandale fernzuhalten. Eine seltsame Art der Macht, wo die Frauen doch sonst in allem was ihr Leben anging so machtlos waren.
      "Mh. Verstehe.", murmelte Cordelia nachdenklich und ließ ihren Blick über das glitzernde Wasser des Sees wandern. Wenn man die Augen zusammenkniff konnte man die funkelnde Reflexion des Wasser fast für Schnee halten.
      Eine Weile saßen die beiden schweigen da und gaben sich ihren eigenen Gedanken hin. Dann ließ die sinkende Sonne es leider nicht länger zu, dass sie blieben. Und auch wenn es Cordelia ehrlich gesagt ziemlich egal war, ob man sich auf der Burg Sorgen um sich machen würde, wusste sie, dass es Josephine ganz sicher nicht egal war. Also erhob sie sich ohne Protest, als es Zeit war, zur Burg zurückzukehren.

      Zurück auf der Burg zeigte Josephine Cordelia die Räumlichkeiten. Der Flügel schien ihr besonders wichtig zu sein. Cordelia selbst hatte zwar eine Ausbildung an zahlreichen Instrumenten erworben, aber darüber hinaus nie ein besonderes Talent für das Musik machen gezeigt. Ihre Art, sich in der Musik zu verlieren, war eine andere. Dennoch nahm sie sich vor, Josephine bei nächster Gelegenheit einmal zu Fragen, ob sie ihr etwas vorspielen konnte. Aber diese Gelegenheit war nicht jetzt und so standen sie bereits vor der nächsten Tür. Das Atelier ihrer Mutter, wie Josephine mit gedämpfter Stimme informierte. Cordelia wusste, dass die ältere Lady Torvelle verstorben war, aber da endete ihr Wissen über sie auch schon. Sie war also eine Malerin gewesen. Und jetzt nutzte Kalias den Raum? Hm. Das war doch der Name der Wache, an die Josephine ihr Herz verschenkt hatte. Das er das Atelier nutzen durfte, obwohl er kein Mitglied der Familie war, sagte eine Menge über die Torvelles aus.
      Josephine lächelte ihr noch einmal zu und klopfte dann an. Es kam keine Antwort, aber das war zu erwarten gewesen. Wenn Kalias einen Pinsel in der Hand hatte, war er oft so vertieft, dass er die Welt um sich herum komplett ausblendete. Josephine schien dies zu wissen und öffnete die Tür trotz ausbleibender Antwort. Hinter der Tür offenbarte sich ein großer, rechteckiger Raum der von einer Fensterfront beherrscht war, wie sie äußerst untypisch für Burgen war, aber dazu diente, dass der Raum lichtdurchflutet war. Zu dieser späten Stunde tauchte das Licht den Raum in Gold- und Orangetöne und ließ die zahlreichen Leinwände, die an den Wänden lehnten und auf dem Boden lagen so aussehen, als stünden sie in Flammen. Der Geruch von frischer Farbe kroch in die Nasen der beiden Frauen.
      Kalias war mit seiner Leinwand zu einem der Fenster gerutscht und sah mit einem konzentrieren Ausdruck auf das unfertige Gemälde vor sich. Erst als Josephien und Cordelia den Raum betraten und das Geräusch ihrer Schritte an seine Ohren drang, hob er den Kopf. Das Licht der Sonne ließ sein Profil warm erstrahlen. Kurz weiteten sich seine Augen, als er aus der Welt seiner Farben und Formen gezogen wurde, doch schnell wurde der Ausdruck der Überraschung durch ein angedeutetes Lächeln ersetzt. Sein Blick verweilte einen Augenblick länger auf Josephine als auf Cordelia. "Lady Josephine, Lady Cordelia.", sagte er und neigte leicht den Kopf zur Begrüßung und als Geste des Respekts. "Braucht ihr etwas?", erkundigte er sich, bereit Palette und Pinsel sofort abzulegen, sollten sie seine Dienste benötigen.
      Cordelia überließ es Josephine zu antworten und nutzte die Zeit, um den jungen Mann neugierig, aber nicht zu aufdringlich zu mustern. Das war wahrscheinlich Kalias. Ihr Blick glitt zwischen Josephine und Kalias hin und her. Bemüht, um einen neutralen Ausdruck und nicht in ein wissendes Grinsen auszubrechen, blinzelte Cordelia kurz und ließ ihren Blick stattdessen über die zahlreichen bemalten Leinwände wandern. Sie zeigten ganz unterschiedliche Dinge. Von alltäglichen Szenen auf der Burg, bis hin zu Landschaften, die sie in der Umgebung der Burg vermutete bis hin zu Portraits von Personen. Ein leiser Ausdruck von Amüsement schlich sich dann doch in den Zug um Cordelias Mund als sie bemerkte, dass es ein immer wiederkehrendes Motiv in den Bildern gab.
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