Gipfelbruch
Midheim 1216, Glitzerhalt
Ulm starrte immer wieder mit Überraschung die Gipfel herauf, stets mit wundersamen Blick auf die Geschwind aufgehende Sonne und ihr durch die hohen, silbrig weißen gebrochenen Gipfel in Büschel geteiltes Licht. Stets war sie lange hinter dem Gestein versteckt, bis sie sich plötzlich, scheinbar aus der Tiefe, über selbst dem höchsten Berg erhob, jeden Tag mit der scheinbar selben Leichtigekeit.
Vielleicht war es dieser Anblick, der ihn so lange im Dorf gehalten hatte. Vielleicht war es der Schmerz, der ihn auch diesen Morgen aus dem Bett getrieben hatte. Grimmig hielt der in die Jahre gekommene, eigentlich junge Jäger seine Schulter, während er seine alte Pelzkleidung anlegte, die Werkzeuge seines Handwerkes festzurrte und die Sehne seines Bogens kontrollierte. Doch es war nicht die Schulter, von welcher aus die Schmerzen durch seinen Geist strahlten.
Eigentlich wollte Ulm auf die Pirsch, jedes Bisschen seiner Existenz sehnte sich danach, in den Wäldern und Auen zu verschwinden, tagelang nicht in das Dorf zurückzukehren und schließlich nur mit fetter Beute für wenige Tage mit dem Ausschlachten selbiger beschäftigt zu sein, bevor er wieder verschwinden konnte.
Dieser Seelenfrieden, so nannte er es, diese Flucht, so nannten es andere, sollten ihm so oder so die nächsten Tage nicht gegönnte sein.
Erst grade hatte er einen Hirschen erlegt. Das Fleisch dieser fetten, edlen Beute würde am morgigen Abend den Banketttisch des Dorfplatzes zieren, nebst all der anderen Gaben, welchen Dörfler und Wanderarbeiter zusammengetragen hatten, um in der Mitte von Glitzerhalt den hereinbrechenden Frühling zu feiern. Einige würden hinab in das Tal steigen um dort bis zum Sommer zu arbeiten, manche, grade die Jungen, richteten ihre Augen auf die großen Talstädte hangabwärts, um Bürger, Soldaten oder Gelehrte zuwerden. Man erwartete Gäste, welche in den Mienen zu schürfen gedachten und Viehtreiber mit ihren Herden.
Trubel, Abscheidsstimmung, Chaos der Veränderung, Tränen und Freude waren für die nächsten Tage wahrlich garantiert.
Dies konnte man Glitzerhalt auch wahrlich ansehen. An einer niedrigen Klippe stand das Bergdorf, Oval in zyklischen Gassen errichtet. Zwischen jeden der Stein und Holzhäuser, welche sich flach und lang aneinander schmiegten, waren Girlanden gespannt. Die Versammlungsbäume der Hinterhöfe und selbst die Zeigen- und Schweineställe waren mit bald schon bunt leuchtenden Lichtern versehen worden und stolz ragte über allem der alte Immerrotbaum in der Mitte des Dorfplatzes, der mit Winterblumenketten versehen wurde und wo der Älteste des Dorfes, Armund , die Geschichte eines weiteres Jahres in die Steintafel schlug, welche rund um den Baum in den Boden eingelassen war.
Der einzelgängerische Jäger sträubte sich wie ein Hund vor dem Wasser, den Dorfplatz zu betreten, wo die Kinder zwischen ihren Eltern spielend tobten, während die fleißigen Erwachsenen Tische, Stühle und Gestecke heranbrachten, um bloß allen Dörflern und Gästen Platz zu bieten. Ein mancher Gruß wanderte in richtig Ulm, welcher stets mit mehr und mehr verzogenenm Gesicht erzwungen höflich erwiderte.
Glitzerhalt war klein, keine 500 Leute lebten hier den Winter über, beinahe einjeder kannte sich, viele Jäger hatte das Dorf nicht und bei einigen der Leute stand Ulm in der Schuld, auch wenn er dem Dorf wahrlich reichlich Beuite einbrachte.
Ulms erstes Ziel des Tages war Armund selbst. Der alte Greis kniete vor der Steintafel, in einer grünen Festtagsrobe mit goldener Mantelbrosche, das lange graue Haar mitsamt des langen Bartes ungebändigt zu Boden fallend, wo eine der Steintafeln lag. Armund war dürr, mit ledriger Haut und kauzigem Auftreten. Doch er hielt Hammer und Meißel noch immer mit ruhigen Händen. Schon bald würden die Zeichen eines weiteren friedlichen Winters in Stein geschlagen sein. Neues Leben kehrten in das Land, neue Kinder waren unter dem Gipfel geboren worden, niemand hatte hungern müssen, der Winter hatte Milde walten lassen.
Unwillig den alten bei seiner präzisen Arbeit zu stören, setze sich Ulm auf einen der alten Menhire nahe des riesigen alten Baumes, dessen Wurzeln, so sagte Armund stets, dass ganze Dorf unterwanderten. An Tagen wie heute hatte Ulm daran keinen Zweifel. Jede Seele Glitzerhaltes würde hier heute auflaufen und selbst der sonst so farblose Jägersmann musste zugeben, dass des Baumes Rotblätterspiel im morgentlichen, noch winterfrischen Gipfel-Abwindes ein wahrlich anmutiger Anblick war. An einem solchen Morgen hatten selbst die wichtigsten Gespräche etwas Zeit zu ruhen.
Midheim 1216, Glitzerhalt
Ulm starrte immer wieder mit Überraschung die Gipfel herauf, stets mit wundersamen Blick auf die Geschwind aufgehende Sonne und ihr durch die hohen, silbrig weißen gebrochenen Gipfel in Büschel geteiltes Licht. Stets war sie lange hinter dem Gestein versteckt, bis sie sich plötzlich, scheinbar aus der Tiefe, über selbst dem höchsten Berg erhob, jeden Tag mit der scheinbar selben Leichtigekeit.
Vielleicht war es dieser Anblick, der ihn so lange im Dorf gehalten hatte. Vielleicht war es der Schmerz, der ihn auch diesen Morgen aus dem Bett getrieben hatte. Grimmig hielt der in die Jahre gekommene, eigentlich junge Jäger seine Schulter, während er seine alte Pelzkleidung anlegte, die Werkzeuge seines Handwerkes festzurrte und die Sehne seines Bogens kontrollierte. Doch es war nicht die Schulter, von welcher aus die Schmerzen durch seinen Geist strahlten.
Eigentlich wollte Ulm auf die Pirsch, jedes Bisschen seiner Existenz sehnte sich danach, in den Wäldern und Auen zu verschwinden, tagelang nicht in das Dorf zurückzukehren und schließlich nur mit fetter Beute für wenige Tage mit dem Ausschlachten selbiger beschäftigt zu sein, bevor er wieder verschwinden konnte.
Dieser Seelenfrieden, so nannte er es, diese Flucht, so nannten es andere, sollten ihm so oder so die nächsten Tage nicht gegönnte sein.
Erst grade hatte er einen Hirschen erlegt. Das Fleisch dieser fetten, edlen Beute würde am morgigen Abend den Banketttisch des Dorfplatzes zieren, nebst all der anderen Gaben, welchen Dörfler und Wanderarbeiter zusammengetragen hatten, um in der Mitte von Glitzerhalt den hereinbrechenden Frühling zu feiern. Einige würden hinab in das Tal steigen um dort bis zum Sommer zu arbeiten, manche, grade die Jungen, richteten ihre Augen auf die großen Talstädte hangabwärts, um Bürger, Soldaten oder Gelehrte zuwerden. Man erwartete Gäste, welche in den Mienen zu schürfen gedachten und Viehtreiber mit ihren Herden.
Trubel, Abscheidsstimmung, Chaos der Veränderung, Tränen und Freude waren für die nächsten Tage wahrlich garantiert.
Dies konnte man Glitzerhalt auch wahrlich ansehen. An einer niedrigen Klippe stand das Bergdorf, Oval in zyklischen Gassen errichtet. Zwischen jeden der Stein und Holzhäuser, welche sich flach und lang aneinander schmiegten, waren Girlanden gespannt. Die Versammlungsbäume der Hinterhöfe und selbst die Zeigen- und Schweineställe waren mit bald schon bunt leuchtenden Lichtern versehen worden und stolz ragte über allem der alte Immerrotbaum in der Mitte des Dorfplatzes, der mit Winterblumenketten versehen wurde und wo der Älteste des Dorfes, Armund , die Geschichte eines weiteres Jahres in die Steintafel schlug, welche rund um den Baum in den Boden eingelassen war.
Der einzelgängerische Jäger sträubte sich wie ein Hund vor dem Wasser, den Dorfplatz zu betreten, wo die Kinder zwischen ihren Eltern spielend tobten, während die fleißigen Erwachsenen Tische, Stühle und Gestecke heranbrachten, um bloß allen Dörflern und Gästen Platz zu bieten. Ein mancher Gruß wanderte in richtig Ulm, welcher stets mit mehr und mehr verzogenenm Gesicht erzwungen höflich erwiderte.
Glitzerhalt war klein, keine 500 Leute lebten hier den Winter über, beinahe einjeder kannte sich, viele Jäger hatte das Dorf nicht und bei einigen der Leute stand Ulm in der Schuld, auch wenn er dem Dorf wahrlich reichlich Beuite einbrachte.
Ulms erstes Ziel des Tages war Armund selbst. Der alte Greis kniete vor der Steintafel, in einer grünen Festtagsrobe mit goldener Mantelbrosche, das lange graue Haar mitsamt des langen Bartes ungebändigt zu Boden fallend, wo eine der Steintafeln lag. Armund war dürr, mit ledriger Haut und kauzigem Auftreten. Doch er hielt Hammer und Meißel noch immer mit ruhigen Händen. Schon bald würden die Zeichen eines weiteren friedlichen Winters in Stein geschlagen sein. Neues Leben kehrten in das Land, neue Kinder waren unter dem Gipfel geboren worden, niemand hatte hungern müssen, der Winter hatte Milde walten lassen.
Unwillig den alten bei seiner präzisen Arbeit zu stören, setze sich Ulm auf einen der alten Menhire nahe des riesigen alten Baumes, dessen Wurzeln, so sagte Armund stets, dass ganze Dorf unterwanderten. An Tagen wie heute hatte Ulm daran keinen Zweifel. Jede Seele Glitzerhaltes würde hier heute auflaufen und selbst der sonst so farblose Jägersmann musste zugeben, dass des Baumes Rotblätterspiel im morgentlichen, noch winterfrischen Gipfel-Abwindes ein wahrlich anmutiger Anblick war. An einem solchen Morgen hatten selbst die wichtigsten Gespräche etwas Zeit zu ruhen.