Gipfelbruch (Reginn, Winterhauch, cada)

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    • Gipfelbruch (Reginn, Winterhauch, cada)

      Gipfelbruch

      Midheim 1216, Glitzerhalt

      Ulm starrte immer wieder mit Überraschung die Gipfel herauf, stets mit wundersamen Blick auf die Geschwind aufgehende Sonne und ihr durch die hohen, silbrig weißen gebrochenen Gipfel in Büschel geteiltes Licht. Stets war sie lange hinter dem Gestein versteckt, bis sie sich plötzlich, scheinbar aus der Tiefe, über selbst dem höchsten Berg erhob, jeden Tag mit der scheinbar selben Leichtigekeit.

      Vielleicht war es dieser Anblick, der ihn so lange im Dorf gehalten hatte. Vielleicht war es der Schmerz, der ihn auch diesen Morgen aus dem Bett getrieben hatte. Grimmig hielt der in die Jahre gekommene, eigentlich junge Jäger seine Schulter, während er seine alte Pelzkleidung anlegte, die Werkzeuge seines Handwerkes festzurrte und die Sehne seines Bogens kontrollierte. Doch es war nicht die Schulter, von welcher aus die Schmerzen durch seinen Geist strahlten.
      Eigentlich wollte Ulm auf die Pirsch, jedes Bisschen seiner Existenz sehnte sich danach, in den Wäldern und Auen zu verschwinden, tagelang nicht in das Dorf zurückzukehren und schließlich nur mit fetter Beute für wenige Tage mit dem Ausschlachten selbiger beschäftigt zu sein, bevor er wieder verschwinden konnte.
      Dieser Seelenfrieden, so nannte er es, diese Flucht, so nannten es andere, sollten ihm so oder so die nächsten Tage nicht gegönnte sein.

      Erst grade hatte er einen Hirschen erlegt. Das Fleisch dieser fetten, edlen Beute würde am morgigen Abend den Banketttisch des Dorfplatzes zieren, nebst all der anderen Gaben, welchen Dörfler und Wanderarbeiter zusammengetragen hatten, um in der Mitte von Glitzerhalt den hereinbrechenden Frühling zu feiern. Einige würden hinab in das Tal steigen um dort bis zum Sommer zu arbeiten, manche, grade die Jungen, richteten ihre Augen auf die großen Talstädte hangabwärts, um Bürger, Soldaten oder Gelehrte zuwerden. Man erwartete Gäste, welche in den Mienen zu schürfen gedachten und Viehtreiber mit ihren Herden.
      Trubel, Abscheidsstimmung, Chaos der Veränderung, Tränen und Freude waren für die nächsten Tage wahrlich garantiert.

      Dies konnte man Glitzerhalt auch wahrlich ansehen. An einer niedrigen Klippe stand das Bergdorf, Oval in zyklischen Gassen errichtet. Zwischen jeden der Stein und Holzhäuser, welche sich flach und lang aneinander schmiegten, waren Girlanden gespannt. Die Versammlungsbäume der Hinterhöfe und selbst die Zeigen- und Schweineställe waren mit bald schon bunt leuchtenden Lichtern versehen worden und stolz ragte über allem der alte Immerrotbaum in der Mitte des Dorfplatzes, der mit Winterblumenketten versehen wurde und wo der Älteste des Dorfes, Armund , die Geschichte eines weiteres Jahres in die Steintafel schlug, welche rund um den Baum in den Boden eingelassen war.

      Der einzelgängerische Jäger sträubte sich wie ein Hund vor dem Wasser, den Dorfplatz zu betreten, wo die Kinder zwischen ihren Eltern spielend tobten, während die fleißigen Erwachsenen Tische, Stühle und Gestecke heranbrachten, um bloß allen Dörflern und Gästen Platz zu bieten. Ein mancher Gruß wanderte in richtig Ulm, welcher stets mit mehr und mehr verzogenenm Gesicht erzwungen höflich erwiderte.
      Glitzerhalt war klein, keine 500 Leute lebten hier den Winter über, beinahe einjeder kannte sich, viele Jäger hatte das Dorf nicht und bei einigen der Leute stand Ulm in der Schuld, auch wenn er dem Dorf wahrlich reichlich Beuite einbrachte.


      Ulms erstes Ziel des Tages war Armund selbst. Der alte Greis kniete vor der Steintafel, in einer grünen Festtagsrobe mit goldener Mantelbrosche, das lange graue Haar mitsamt des langen Bartes ungebändigt zu Boden fallend, wo eine der Steintafeln lag. Armund war dürr, mit ledriger Haut und kauzigem Auftreten. Doch er hielt Hammer und Meißel noch immer mit ruhigen Händen. Schon bald würden die Zeichen eines weiteren friedlichen Winters in Stein geschlagen sein. Neues Leben kehrten in das Land, neue Kinder waren unter dem Gipfel geboren worden, niemand hatte hungern müssen, der Winter hatte Milde walten lassen.


      Unwillig den alten bei seiner präzisen Arbeit zu stören, setze sich Ulm auf einen der alten Menhire nahe des riesigen alten Baumes, dessen Wurzeln, so sagte Armund stets, dass ganze Dorf unterwanderten. An Tagen wie heute hatte Ulm daran keinen Zweifel. Jede Seele Glitzerhaltes würde hier heute auflaufen und selbst der sonst so farblose Jägersmann musste zugeben, dass des Baumes Rotblätterspiel im morgentlichen, noch winterfrischen Gipfel-Abwindes ein wahrlich anmutiger Anblick war. An einem solchen Morgen hatten selbst die wichtigsten Gespräche etwas Zeit zu ruhen.
    • Milde Frühlingsluft begrüßte die Dorfbewohner von Glitzerhalt an diesem freudigen Morgen. Trotzdem fröstelte Moira ein wenig unter dem gefütterten Mantel. Selbst der Frühlingbeginn hoch oben in den Bergen wurde von einer hauchdünnen Frostschicht begleitet. Die lang ersehnten Festivitäten rückten stetig näher und versprachen das Ende eines langen, harten Winters in den Bergen. Moira nahm einen tiefen Atemzug und der dezente Duft der ersten Frühlingsblumen erfüllte ihre Nase. Während der kalten Wintermonate zeigte sich kaum Leben zwischen den kargen, scharfkantigen Felsen der Gebirge und mit den ersten zarten Grün, taute auch Glitzerhalt langsam auf. Moira sah in strahlende, lachende Gesichter, egal, durch welche der schmalen Gassen sie schlenderte. Über ihrem Kopf schwebten hübsche Blumengirlanden zwischen den niedrigen Dächern der Stein- und Holzhäuser. Mit viel Fingerspitzengefühl waren die zerbrechlichen Blüten gepflückt und geknüpft worden. Dieses Jahr hatten sich die Bewohner des Bergdorfes wirklich selbst übertroffen.
      Gewöhnlich verbrachte Moira den Winter im Tal, doch der Ausbruch eines Fieberleidens hatte sie dazu bewogen in Glitzerhalt zu bleiben. Die aufkeimende Panik vor Mortes Fluch war zur Erleichterung der Kräuterfrau schnell verflogen. Es hatte seit Jahren keinen Ausbruch der Seuche mehr in der Nähe von Glitzerhalt und Flusshain gegeben. Zur Erleichterung aller hatte sich der Verdacht nicht bestätigt, aber Moira hatte es nicht übers Herz gebracht, die Familien allein zu lassen. Unermüdlich hatte sie bis in die späten, nächtlichen Stunden unzählige Tassen mit Tee gebraut, fiebersenkende Kräuterumschläge gewickelt und Salben hergestellt. Sie würde im Anschluss an das Frühlingsfest wieder den Berg hinabsteigen, um sich ihrem Vater wieder anzuschließen. Alaric war nicht mehr der Jüngste und seine Gelenke machten ihm zu schaffen. Um die Kräutergärten zu pflegen, war er auf die Hilfe seiner Tochter angewiesen.
      Sie bog nach links in eine Gasse ab und erkannte am Ende des grob geschlagenen Kopfsteinpflasters die gewölbten, knorrigen Wurzeln des Immerrotbaumes. Die mächtige Baumkrone mit seinem roten Blattwerk glühte geradezu im Sonnenlicht, das über die Gipfel kroch. Der Anblick verschlug ihr jedes Mal aufs Neue die Sprache. Glitzerhalt besaß wenig üppige, grüne Wälder und überwog zumeist in tristen Grautönen und karger Felsenlandschaft, doch der Immerrotbaum war einzigartig für diese Flora. Er war alt und hatte mehr gesehen, als die Bewohner, die sich alljährlich um ihn scharrten um das Frühlingserwachen zu feiern. Lächelnd rückte Moira den geflochtenen Korb in ihrer Armbeuge zurecht und hüpfte behände ein kleines Stück zur Seite, als ein Wirbelwind lachender Kinder den Weg kreuzte. Auf dem Dorfplatz wimmelte es vor Dorfbewohner, die wie fleißige Ameisen umher eilten und alles Notwendige für die Festivitäten herbeischafften. Moira schmunzelte, als sie an einer Gruppe von jungen Frauen vorbeizog, die kichernd Blumenkränze fertigten und über die Rückkehr ihrer Liebsten tuschelten. Der Wechsel war auch immer eine Zeit des Wiedersehens. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie es war an diesem besonderen Tag sehnsüchtig den Horizont nach den ersten Rückkehrern abzusuchen.
      Moira schüttelte den Kopf und steuerte zielstrebig eine kleine Anhäufung von polierten Findlingen an, die am Fuße des Immerrotbaumes beinahe kunstvoll aufgetürmt waren. Ausgebrannte Kerzen, frische Frühlingsblumen und kleinere Gaben waren von den Dorfbewohnern darauf abgelegt worden um dieser Tage die Göttin des Lebens zu ehren, Diana. Moira hielt inne und schob die Hand unter das Tuch, dass den Inhalt des Korbes verbarg. Als Erstes zog sie ein Bund duftender, frischer Kräuter, Salbei, hervor. Die Pflanze gedieh auch in der Kargheit der Berge und hatte Moira in diesem Winter gute Dienste geleistet. In geübter Geste führte die Heilkundige den Bund durch die Flamme der letzten brennenden Kerze und augenblicklich erfüllte ein dezenter, angenehmer Duft die Luft. Behutsam legte sie den glühenden Bund in einer Schale aus verziertem Ton ab, schloss die Augen und wisperte leise Silben in den Rauch. Blind fischte sie einen weiteren Gegenstand aus ihrem Korb. Ein Salbentiegel aus Glas mit Wachs versiegelt um die heilenden Aromen zu bewahren. Mit beiden Handflächen hob sie das Gefäß auf Höhe ihres Gesichtes, atmete einmal tief ein und pustete den sanften Atem gegen den Tiegel. Als Moira die Augen aufschlug, erblickte die Kräuterfrau das zarte Schillern, das sich durch die eigentlich farblose Salbe zog bis es verblasste und schließlich ganz verschwand. Sie lächelte.
      Sorgfältig verstaute Moira alles wieder in ihrem Korb und erhob sich von dem kalten, steinigen Boden. Vor Beginn des Frühlingsfestes stand ihr noch ein mühseliger Fußmarsch bevor. Der Tiegel war eine Lieferung für einen besonders, schwierigen Patienten. Ulm, einer der wenigen Jäger von Glitzerhalt, lebte wie ein Einsiedler entfernt vom geschäftigen Treiben des Dorfes. Wortkarg und mit verkniffener Miene war er nicht der geselligste Zeitgenosse, aber die Dorfbewohner wussten seine Bemühungen zu schätzen. Selten bekam Moira den schweigsamen Mann zu Gesicht, wenn sie ihn nicht regelmäßig und mit größter Beharrlichkeit aufsuchte. Obwohl sie Ulm seit einiger Zeit mit Heilkräutern und Salben versorgte, wusste sie so gut wie nichts über den Mann, der viel älter aussah, als es der Fall war. Die Zeit war nicht gnädig mit ihm gewesen. Es war überhaupt schwer genug ein Wort aus ihm herauszubekommen. Noch schwerer war es gewesen, ihn davon zu überzeugen, sich helfen zu lassen. Moira hatte bei einem Besuch den Anblick nicht ertragen, wie er kaum seine Beute hatte vernünftig schultern können. Sie war ihm so lange auf die Nerven gegangen, bis er knurrend ihre Medizin angenommen hatte. Einen Preis hatte sie dafür nie verlangt.
      Die Göttin schien Moira an diesem Morgen gewogen zu sein, denn als ihr Blick über den Dorfplatz wanderte, entdeckte sie Ulm unweit der Immerrotbaumes. Mit einem vertrauten Lächeln, vorsichtig und keinesfalls zu überschwänglich, als könnte sie den Jäger sonst selbst davonjagen, näherte sie sich Ulm. Moira umgab eine allgegenwärtige Wärme und Ruhe, dennoch blitzte der Schalk in ihren Augen hervor.
      „Ich hatte nicht erwartet, dich heute hier anzutreffen. Zu viel Trubel für deinen Geschmack. Die Göttin Diana muss es heute besonders gut mit mir meinen“, neckte Moira und ließ sich ungefragt neben Ulm nieder.
      Sie hatte zu viel Freude daran, dem distanzierten Jäger ein wenig aufzuziehen und ließ sich die gute Laune nicht von seiner brummigen Miene verderben. Bevor der Mann die Flucht ergreifen konnte, fischte Moira den Tiegel aus ihrem Korb, griff nach seinem Handgelenk und drückte ihm das Mitbringsel in die Hand. Manche Menschen musste sie ein wenig zu ihrem Glück zwingen. Sie ignorierte den wenig begeisterten Blick, den Ulm ihr zuwarf. Moira war nie wirklich schlau aus ihm geworden, aber solange er ihre Bemühungen und Medizin akzeptierte, war sie zufrieden. Sie begnügte sich damit, ehe sie den Blick wieder auf das bunte Treiben des Dorfplatzes richtete und den dunkelbraunen, rebellischen Haarschopf zu einem unordentlichen Knoten in ihrem Nacken zusammenband.
      „Für deine Schulter. Eine neue Mixtur“, erklärte sie. „Lass mich wissen, ob diese besser wirkt, als die Alte. Ich kehre nach dem Frühlingsfest für ein paar Wochen ins Tal zurück… Falls du noch etwas brauchst. Aber ich bleibe bei meinem Rat: Es wäre vernünftiger mich einen Blick darauf werfen zu lassen, Ulm.“
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Ein sachtes, flinkes Huschen zwei athletischer Beine streifte durch das dunkle Grün des Unterholzes... getrieben von einem unsichtbaren Geist, der sich in der Dunkelheit des Waldes rings um sie nur noch besser verstecken konnte, hastete der großgewachsene Körper der jungen Dame durch den Albtraum. Ausgeliefert, ja, das war sie. Gehetzt, Woge um Woge dicht gedrängt, schnappend ging der Spitzohrigen Atem, das sonst so zarte Grün ihrer Augen stach getrieben glänzend hervor, während Nylvas Blick durch die endlose Schwärze glitt. Nur ein Zeichen, ein kleines Aufglimmen von Hoffnung... "... irgendetwas!", brach es mit krächzender Stimme über ihre gespannten Lippen, die von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr der kostbaren Atemluft in sich saugten, nur um sie im Übermaß, ja beinahe schon schmerzend in ihrer Lungen zu stauen. Doch da! Ein feines Glosen am Ende des schier ziellosen Tunnels. Hastig, beinahe wäre sie gestolpert, eilten ihre Beine dorthin und sogleich badete ihr zitternder Körper in dem zarten weißen Schleier, der sie von oben herab beschien, als würden die Götter vom Himmel herabsteigen und ihr die heiligste aller Kronen überreichen, die Dunkelblonde somit in ihren innersten Kreis einladen. Doch nichts dergleichen geschah. Sich keuchend vornübergebeugt, stützte sich die Halbelfin die Arme auf den Oberschenkeln ab, während ihr Brustkorb immer noch schwer daran tat, seiner Arbeit nachzugehen. Verschwamm ihr die Sicht vor Augen? Ein Gefühl der Übelkeit überkam sie, als Nylva die plötzlich eingetretene Stille wahrhaftig wurde. Zuvor hatte sie nicht zu sehr darauf geachtet... Was war das im Hintergrund? Ein Flüstern, ein Säuseln? Etwas das sie verfolgte, jedoch unfassbar war. Eine fremde Stimme? Eine Mahrt, ein Schrat... gar ein Dämon?

      Das Keuchen wich einem Husten, der schwammige Blick klärte sich und erkannte in der endlosen Dunkelheit dann doch schemenhaft das Ungetüm welches sie jagte... Glosend hob sich ein Paar gülden glänzender Augen in die Luft, übertrumpfte ihre Person dann um gute zwei Meter, ehe das Gold einem stumpfen Ocker wich und sich dann in glosendes Rot verzog. Ein tiefes Röcheln drang über die Weite an ihre Ohren, schlurfend gingen die Schritte des Wesens, welches die junge Frau nicht erkennen konnte. Ein unsicherer Griff an ihre linke Flanke ging ins Leere. Dort wo ihr treuer Begleiter fixiert sein müsste, umfasste Nylva bloß karge Luft... der Schock in ihren sonst so geglätteten Zügen verriet sie, ließ die Gestalt ihrerseits taumeln, Wehrlos. "Verdammt...", gar erleichtert kam der Blonden jenes Wort über die Lippen. Hatte sie denn Erlösung gefunden? Das formlose Ungetüm aber zog sich zurück... das Rot verblasste in der Umgebung und verschwand dann zur Gänze. Nylva stockte der Atem. Das... war´s? Beim letzten Mal blendete es sie noch einen Moment lang mit einer unbekannten magischen Kraft, ehe sie von dem Maul des Monsters verschlungen wurde. Während ihr Körper sich umkehrte, zogen ihre Augenbrauen sich gerunzelt zusammen, doch nur um -UMPF! "...!!!", er war dem Überraschungsmoment geschuldet, jener schockierter Ausdruck, jener... Unglauben, der sich nun in dem langsam ermattenden Grün ausbreitete. Erstarrte blicke Nylva an sich hinab und fand sich erdolcht wieder. Das Blut breitete sich wie verschüttete Farbe auf ihrem weißen Hemd aus, legte sich kalt und nässend über ihren Körper, ehe die Schattengestalt das Messer aus ihrer Brust zog und die Blonde gen Erdboden kippte. Doch bevor ihr Körper aufschlug, riss es Nylva empor.

      Kaum in der Lage ihren hektischen, vor Todesangst getriebenen Atem unter Kontrolle zu bringen, krallte sich die Halbelfin verbissen in die Decke, welche ihren Unterkörper umsäumte. Ein Pfeifen drang durch ihre Ohren und sie brauchte ein paar Momente um sich klar zu werden, wer sie war und vor allem wo sie war. Ihren Blick minimal durch den kleinen Raum gleiten lassend, hob sich das Grasgrün in unbekannte Geister, flackerte selbst in der stumpfen Dunkelheit lebendig, im Moment jedoch bloß gehetzt, hervor. Durch den spärlich angebrachten Fensterladen drang von außen bereits der glühende Sonnenschein und langsam nahm die junge Frau auch Stimme wahr, als der unliebsame hohe Ton nachließ. Mittlerweile hatte sich auch der Blonden Atem wieder beruhigt. So gefasst nun, konnte sie den Albtraum endlich einordnen und fand sich in der Realität wieder. Ihre Hände emporgleiten lassend, strich sich die Halbelfin über ihr ausgelaugtes Gesicht, schloss die Augen und bedeckte die erschrockenen Züge im Anschluss mit jenen. Der vierte diese Woche... sie konnte langsam aber sicher Wetten abschließen ob nächste Nacht erneut eine derartige Heimsuchung stattfinden wird oder nicht. Die Chancen dafür standen mit jedem Mal besser. Sich mit einem Seufzen die Schulterlangen Haare über ihr Haupt zurückstreichend, öffneten sich Nylvas Lider einen Spalt. Ein letztes Mal rieb sich die junge Frau über das vom Albtraum gezeichnete Gesicht und schwang die Beine unter der Decke hervor. Diese nahm sie sogleich auch an sich, trat mit dem Bausch unter dem Arm an das Fenster heran, öffnete es und ließ sogleich einen Schwall frischer Luft in die kleine Kammer. Die Decke über die Fensterbank hinaushängend, schob sich auch ihr Oberkörper durch das Fenster. Ihr Blick und ihr Geist erfrischten sich, als Nylva das rege Treiben auf der Straße zu ihren Füßen erkannte.

      Zaghaft hoben sich ihre Mundwinkel empor, einen kleinen Moment vernahm man etwas ähnliches wie Friedlichkeit auf dem Antlitz der Halbelfin, ehe sie in die gewohnt neutrale Miene verfiel. Sie brauchte eine Dusche. Diese Träume wurden von Mal zu Mal realistischer und ließen die sonst so der Logik Folgenden Sinne vernebeln. Fern erinnerte sich Nylva daran, eine Kräuterkundlerin namens Moira kennengelernt zu haben, wenn auch nur flüchtig. Wenn ihr jemand helfen konnte, dann wohl eine in der Natur bewanderte. Nichts desto trotz, bevor sie sich Glitzerhalt präsentierte, musste sie wieder einen ganzen Mensch-... ein tiefes Einatmen ihrerseits durchbrach den Gedankengang der Blonden und ihr Blick verschmälerte sich, gar ein boshafter Glanz legte sich in jenen. Richtig... ihre Ohren, welche ihr das Halbblut auf den Körper prägten, zuckten verräterisch nach oben, ehe ein Fauchen aus Nylvas Kehle erklang. Mit schnellen Schritten hatte die Grünäugige ihr Zeug geschnappt, war in eine lockere Tracht geschlüpft um den Weg zu den Wasserbassins zu überbrücken, hatte polternd ihre Zimmertüre hinter sich zugeschlagen und begann, verfolgt von ihrem eigenen Unmut gegenüber ihrerselbst, mehr schlecht als recht, den Tag.

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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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    • Es hatte etwas beruhigendes an sich, wie der Dorfälteste langsam auf den Stein einschlug, ohne Ulm dabei Beachtung zu schenken. Dabei war es dem Jäger egal, ob Armund ihn bloß nicht gehöret hatte, oder ob er ihn wissentlich ignorierte. Viele hätten in seiner Situation wohl auf den Dorefplatz und das ferstliche Treiben geblickt, doch Ulm hatte nur Augen für die Äste und Blätter des Baumes, für die alte Rinde, die hart wie der Stein selbst sein musste und doch warm, von Moss und ranken überzogen, eine Gewebe aus Leben. Vielleicht sollte heute ja ein guter Tag werden? Vielleicht stand der Wind heute richtig, vielleicht würden die Gäste welche im Laufe des Tagen noch zu den Feierlichkeiten erscheinen würden ersehnte Gestalten mit sich bringen?
      Ulm hatte noch offene Rechnungen, die er zu begleichen dachte, solche, die er nie vergessen konnte. Ein neues Jahr brachte vielleicht auch neue Möglichkeiten mit sich. Selten schaute Ulm hoffnungsvoll in die Zukunft und bald schon sollte sein kurzzeitig strahlender Blick versiegen, doch für wenige Sekunden sah er zufrieden aus.

      Aber natürlich hatte ihn die Vergangeheit längst erreicht. Wie auf Kommando schmerzte die Schulter als er seinen Kopf darüber auf die Heilerin richtete, die ihn aufgespürt hatte wie einen Hasen in der Falle.
      "Sei gegrüßt." Entrichtete Ulm und kratzte sich ertrappt am Hals. Er wusste schon was jetzt kommen musste. Man konnte nicht sagen, Moira wäre nicht angestrengt zu helfen. Und natürlich war er auch dankbar, wie die fähige Kräuterfrau sicher wusste, doch schien sie nicht zu verstehen, dass seine Schmerzen mit Salben und Tinkturen nicht beizukommen war. Kopfschüttelnd blickte er auf die Salbe. "Ich werde sie zu den anderen stellen." sagte er, mit einem leichten, gegrunzten Schmeicheln. "Und natürlich benutze ich sie regelmäßig." versicherte er. Immerhin war dies die Wahrheit, Ulm hatte nie aufgegeben zu kämpfen, wer weiß ob er ohne Moiras Medizin überhaupt noch leben würde.
      "Ich habe auch noch etwas für dich, du alte Hexe." fügte er grinsend hinzu. "Da du nie genug für deine Arbeit nimmst, sollst du das hier haben." Er zog eine gebogene Klaue aus dem Mantel. Das Obsidianartige Stück hatte Ulm über Tage zu einer kleinen Sichel geschnitzt und mit einem Kiefergriff versehen. Der Knauf war in Messing eingefasst und Blätter, Wurzeln und Kräuter waren mit einem kleinen Messer in das Holz geritzt worden. Die Klaue selbst war etwa 16 Zentimeter lang und reichlich krumm. Das Horn hatte er in heißem Wasser etwas nachgeformt und daraufhin etwas nachgeschärft, die Rückseite nachserriert, sodass auch dickere Pflanzenhalme nicht wiederstehen würden.
      "Von der Hinterklaue eines Schafslindwyrms. Das war vielleicht ein Biest. Hat 5 von Furnans Lämmern gerissen. Nimm, vielleicht bewundern sie dich im Tal ja dafür. Darfst auch sagen, dass du das Teil selbst erlegt hast." erklärte er mit einem verzogenem Lächeln. Er hoffte, mit diesem Geschenk war die Angelegenheit um die Schulter erstmal vergessen, doch sollte er auch von Außen noch weitere Hilfe erhalten, den der alte Armund gesellte sich zu den beiden, nachdem er seine Meißelkunst vom letzten Steinstaub befreit hatte.

      "Ah, Ulm, hat Furnan schon mit dir gesprochen? Und seid gegrüßt Moira, sagt, habt ihr noch etwas für meinen Rücken? Und ich hab da noch so einen Ausschlag, ihr solltet euch das dringend mal ansehen!" sprach er langsam daher, als würde er mal wieder eine ausufernde Geschichte beginnen.
      "Nein Armund, ich habe tatsächlich nicht mit ihm gesprochen." antwortete Ulm, leicht genervt. Das konnte nichts Gutes bedeuten. "Eigentlich wollte ich auch noch etwas mit euch besprechen. Es ist recht wichtig."
      "Nun, eh, das muss wohl bis heute Abend warten. Furnan ist wieder eine Ziege abhanden gekommen! Eine schlimme Sache! War wohl seine beste Milchziege. Bitte, geht doch für mich bei ihm vorbei und schaut, ob ihr etwas tun könnt. Dann kann ich euch auch mit eurer Angelegenheit helfen." führte der alte Mann aus. Ulm fluchte innerlich, doch er konnte weder Furnan noch dem Alten etwas ausschlagen, er hatte versprochen sich um die Tiere des Hirten zu kümmern. Nun, das würde wohl bald vorbei sein.

      "Gut, gut Armund, ich kümmere mich. Moira, wollt ihr mich einige Meter begleiten? Ich habe da noch eine Frage an euch." nahm Ulm den Auftrag schulterzuckend an und richtete sich sogleich auf, um den Hirten Furnan am nördlichen Rande des Dorfes aufzusuchen, wo seine Ställe in die grünen Hangwiesen übergingen, die manchmal bis an den wolkigen Horizont reichten, oder zumindest bis in den tiefen morgentlichen Nebel, der so häufig den Gipfel hinab in das Tal schwebte.

      Ulm schien etwas lebendiger als sonst. Ohne Zögern machte er sich auf den Weg, sollte Moira ihn begleiten oder nicht. Hatte der Jäger ein Ziel im Sinne, welches er sonst zu verbergen mochte? Zumindest wirkte er in jedem Moment fokussiert, beinahe als wäre er auf der Pirsch und sein sonst stoisches Auftreten war von einer neuen Energie durchzogen. Vielleicht war er ja krank?
    • ‚Ich werde sie zu den anderen stellen.‘
      Eindringlich beäugte Moira den bärtigen Jäger, wobei sie auf diese einzigartige und tadelnde Art die linke Augenbraue in die Höhe zog wie sie es bei all ihren widerwilligen Patienten tat. Moira wusste, dass sie von Zeit zu Zeit etwas zu viel sein konnte. Die Verlegenheit von Ulm weckte beinahe ein schlechtes Gewissen. Nun sah sie ihn geduldig abwartend an.
      ‚Und natürlich benutzte ich sie regelmäßig‘
      Zufrieden mit der Antwort nickte Moira und reckte des Gesicht in die zarten, wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlingsmorgens, die sich langsam über den Hausdächern zeigten. Der Frühling war Moira immer die liebste Zeit des Jahres gewesen. Neuanfänge hatte etwas wirklich Wunderschönes an sich, wenn sie mit offenen Armen begrüßt wurden. Glitzerhalt erwarteten Tage voller köstlichem Essen und gefüllten Gläsern, Musik und Tanz bis spät in die Nacht hinein. Für einen Abend würde die Kräuterfrau sich den Feierlichkeiten anschließen und dann die restlichen Tage ganz dem Jungvolk überlassen. Die Frühlingsfeste waren für die hoffnungslos Verliebten, hatte ihr Vater Alaric stets zu sagen gepflegt und dabei das Gesicht ihrer Mutter mit Küssen übersät, bis die Frau mit den wilden Locken vor Lachen keine Luft mehr bekommen hatte. Zumindest erzählten Freunde aus Flusshain bei einem guten Tropfen gerne von den alten Zeiten, als Moiras Mutter noch gelebt hatte. Sie hatte die Geschichten schon als Kind geliebt. Weshalb sie mit Freude dem Abstieg ins Tal entgegensah, aber auch mit ein wenig Heimweh im Herzen. Glitzerhalt war zu einem zweiten Zuhause geworden, das sie ebenso liebgewonnen hatte, wie sie Flusshain im Herzen trug.
      Mit einem verträumten Lächeln glitt ihr Blick über den weitläufigen Platz und der erste Hauch von zuckersüßen Honigküchlein stieg ihr in die Nase. Beiläufig zog sie geschnitzte Wasserfalsche von ihrem Gürtel und beim Entkorken stieg der würzige Duft der Kräutermischung empor, die sie am Morgen ausgewählt hatte. Der Tee war bereits kalt, aber das machte ihn nicht ungenießbar. Gedankenverloren nippte sie daran und genoss die kurzweilige Ruhe.
      ‚…etwas für dich, du alte Hexe.‘
      Moira verschluckte sich hustend und prustend an ihrem Tee.
      Alte Hexe!?
      Empört schnappte die heilkundige Frau aus den grünen Tälern nach Luft und griff sich mit einer übertrieben theatralischen Geste an die Brust. Das Grinsen auf ihren Lippen strafte sie allerdings Lügen, ebenso wie das amüsierte Funkeln in ihren Augen. Sorgfältig verschloss sie die Wasserflasche, um die Hände für das unverhoffte Geschenk frei zu haben. Beinahe Ehrfürchtig nahm Moira die kleine Sichel entgegen und ließ die Fingerspitzen über die feine Schnitzerei tanzen. Zarte Blätter rankten sich über den hölzernen Griff, so geschickt und so detailliert, dass Moira die einzelnen Arten benennen konnte. Die Kunstfertigkeit darin suchte ihres Gleichen. Mit einer geübten Drehung ihres Handgelenks, ähnlich eines geschickten Schwertkämpfers, betrachtete sie die Sichel von allen Seiten.
      Der Schalk war aus ihren Augen gewichen, als sie Ulm ansah. Es kam wahrlich nicht oft vor, dass jemand die schlagfertige Frau überrumpelte. Als er endlich die Herkunft der geschliffenen Sichelklinge preisgab, schüttelte Moira den Kopf. Was sie dort in der Hand hielt, war im Tal ein kleines Vermögen wert.
      „Das kann ich nicht annehmen, Ulm. Das ist zu viel“, murmelte sie.
      Die Diskussion um die angemessene Entlohnung für ihre Dienste blieb Ulm zu seinem unverschämten Glück erspart, denn im passenden Augenblick gesellte sich der alte Armund zu dem ungleichen Gespann. Mit einem Blick, der Ulm bedeutete, dass das Thema noch nicht beendet war, wandte sich Moira schließlich an Armund und neigte zur Begrüßung vor einem Ältesten das Haupt.
      „Seid auch Ihr gegrüßt, Meister Armund", antwortete Moira. "Natürlich. Immerhin muss ich safür sorgen, dass alle meine Sorgenkinder gut versorgt sind, bevor ich meinen Vater im Tal besuche."
      Der Alte schien zufrieden mit ihrer Antwort. Ulm wohl eher irrtiert, weil sie ihm dabei schalkhaft zuwinkerte. Sie konnte es einfach nicht lassen. Eigentlich wollte Moira wirklich nicht lauschen, aber es war nicht ihre Schuld, dass sie neben Ulm saß und so das Gespräch der Männer hautnah miterlebte. Höflich senkte sie den Blick, um die Frage in ihren Augen zu verbergen. Was der Jäger wohl mit Armund zu besprechen hatte?
      Als Ulm sich erhob, folgte Moira seiner Einladung.
      Das würde zwar ihren heutigen Zeitplan ein wenig durcheinander würfeln, aber das war nichts, das die heilkundige Talbewohnerin nicht lösen konnte. Sie würde rechtzeitig zum Beginn der abendlichen Feierlichkeiten mit der Arbeit fertig sein. Und wie so oft, würde Moira die Pflicht über das Vergnügen stellen.
      Die gemütlichen Gassen von Glitzerhalt wurden breiter je näher sie dem Rand des Dorfes kamen. Es wurde stiller und weniger Dorfbewohner strömten ihnen entgegen. Moira warf verstohlene Blicke in Ulms Richtung und mahnte sich zur Geduld. Der Jäger würde ihr schon früh genug offenbaren, warum er um ihre Begleitung gebeten hatte. Die Suche nach verschwundenen Schafen zählte für gewöhnlich nicht zu ihren täglichen Pflichten als Heilerin. Als bereits das saftige der Hangwiesen unter ihren Stiefeln raschelte, warf sie alle guten Vorsätze über Bord.
      "Warte kurz", bat sie und berührte ihn leicht am Ellbogen, damit er in seinem zielstrebigen Vorankommen inne hielt.
      Moira entfernte sich wenige Schritte, aber blieb in Hörweite, bevor sie sich in das hohe Gras kniete und mit spitzen Fingern knorrige Wurzeln aus der Erde ausgrub. Sorgsam klopfte sie zu viel Erde wie möglich von den Knollen und warf Ulm einen bedächtigen Blick über die Schulter zu. Ein Schmunzeln kräuselte sich auf ihren Lippen.
      "Wirst Du mir noch verraten, welche Frage Dir auf dem Herzen liegt oder war das deine Art mich auf einen Spaziergang einzuladen?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Polternder Schritte stolperte die junge Halbelfin die Holztreppen hinab, der mehr als protestierend unter ihrem Gewicht ächzten, auch wenn sich Nylva zu der eher schlankeren Sorte Wesen zählen konnte. Elmain, eine gutherzige Witwe, die dieses in die Jahre gekommene Gutshaus führte und daraus ein Inn für allerlei Wanderer, Reisende und Fremde gemacht hatte, stand auch heute, zu bereits eher fortgeschrittener Stunde vor ihrem üblichen Platz am Tresen, Gläser polierend und für den Betrieb richtend, während aus der Hinterstube bereits ein deftiger Geruch in die Nase der Blonden strömte. Es musste ihr allseits beliebter Schmorbraten sein... mit Kartoffeln... und einem halben Krautkopf, eingewürzt mit Kümmel, Salz und... "Na, wieder mal einen schlechten Schlaf gehabt, meine Liebe?", mit kümmerlichen Augen, aber einem warmen Lächeln, riss die Graugelockte die Mieterin aus ihrer Hungertrance. Nylva zwinkerte ihr unverständlich entgegen. Es dauerte wohl einen Moment, bis sie verstanden hatte, was Elmain an Worten an sie gerichtet hatte... mehr noch, hatte die Aussicht auf ein festliches Mahl, ihre Gedanken besetzt und träumen lassen. So verlockt nun, griff sich die junge Frau mehr auffällig als ungewollt an ihren Magen, welcher in selbigen Moment ein verräterisches Knurren von sich gab. Die Schamesröte schoss Nylva auf die Wangen, als ein herzliches Kichern aus der Kehle der Wirtin drang. "Keine Sorge... ich lasse dir eine Portion übrig.", ein schelmisches Zwinkern flog in ihre Richtung, Elmain ergriff das nächste Glas und tat erneut ihr unbezahltes Tagesgeschäft. "Danke... könnte ich... ein Ha-" - "Liegt schon bereit... Seife, dein gewaschenes Hemd, ein Handtuch... ich hab mich sogar getraut den Kessel etwas zu wärmen heute...", wieder dieses gütige Zwinkern. Diese Frau tat wirklich zu viel für ihre Wenigkeit. Nylva fühlte sich kaum mehr wie ein Mieter, oder ein zahlender Gast, nein... in den wenigen Monaten die der Winter hier gedauert hatte, fügte sich die Halbelfin ein wie eine verlorene Tochter. Möglicherweise war das auch ihre unausgesprochene Abmachung. Ich helfe dir, du hilfst mir. So, wie es sich bei normal denkenden, von der Moral geleiteten Wesen, gehörte. Ein zögerliches Lächeln schob sich auf die Lippen der Spitzohringen, da war sie auch schon im Innenhof des Dreikanthofes verschwunden. Und da, fein platziert wie beschrieben lag ihre Kleidung, das Stück Schafsmilchseife und ein frisches Handtuch... Grob gewebt und eigentlich mehr Fetzen als edles Handwerk, aber dennoch erfüllte es seinen Zweck. Nylvas Blick glitt herum und unter dem eisernen Kessel, der eigentlich für das Regenwasser gedacht war, gloste noch ein kleines Feuer. Zaghaft fuhr sie mit den Fingern unter die Oberfläche und wurde von angenehmer Wärme begrüßt. Um diese nicht zu verlieren, zog sich die Halbelfin das durchschwitzte Schlafoberteil vom Körper und langte ordentlich zu. Ihr gesamter oberer Torso erfreute sich einer heilenden Badewaschung, die duftende Seife tat ihr übriges.


      Nur wenige Minuten später trat Nylva, sichtlich erfrischt und von jeglichem Beweis befreit, dass desnachts Dämonen in ihren Geist eingedrungen waren, in das gleißend helle Tageslicht. Verwundert ob dessen, dass sie so lichtscheu geworden war, hielt sich die Blauäugige die Hand vor die Augen. Wohl brachte der Winter hier in diesen Gefilden eine stumpfe Dunkelheit mit sich, die sich in jede Ecke fraß und auch Körper, Geist und Seele besetzte... kein Wunder, dass der Anbruch des Frühlings so heroisch gefeiert wurde. Diesen Teil verstand die schweigsame Blonde zumindest schon mal... das die Helligkeit sie zu übermannen drohte, damit musste sie wohl oder übel noch leben lernen. Nylva sah sich um. Es herrschte noch immer reges Treiben auf dem Hauptplatz von Glitzerhalt. Fern hörte man den Schmied bereits wieder seiner täglich Arbeit nachgehen, heißen Stahl zu dem zu schmieden, was so vielen tausenden schon vor dem Tode bewahrt hat. Die kleine Bäckerszunft von Alfrid öffnete seinen Stand vor dem eigentlichen Geschäft, aus welchem der frische, vollmundige Geruch von herzhaftem Gebäck und Brot strömte... unterschwellig nahmen Nylvas geschärfte Sinne auch die frische Süße von ... Keksen? wahr. Es konnte sich auch um Hefegebäck handeln... Nachdenklich führten der Halbelfin Schritte sie bereits durch das bunte Volk, ließ den wachen Blick streifen. Die Arme unter ihrem festgewebten Umhang versteckt, welcher sie nach wie vor vor der beißenden Kälte schütze, sollte ein Windstoß durch die Gassen pfeifen, suchte ein tiefes Seufzen ihre Lungen Heim. All diese Personen... all diese Köpfe, die herumwuselten... "... wer davon ist dann aber Moira...", verloren biss sich die Blauäugige auf die Unterlippe und zog die Nase kraus. Wallend, braunes Haar... das war ihr von der sonst so unbekannten Kräuterfee noch in Erinnerung gebliebe. "AH! Sagtest du eben Moira?", ein etwas älterer Herr drang in das Blickfeld Nylvas. Er war einen guten Kopf kleiner als sie und in seiner Haltung leicht gebeugt. Ein wunderliches Kerlchen, so schien es der jungen Frau. "Ja, werter Herr. Kennt ihr sie?", betont höflich dem alten Volk hier bleibend, legte Nylva ihren blonden Schopf schief und folgte dem verratenden Blickverlauf des Grauhaarigen. "Jaja... wir haben gerade eben noch miteinander gesprochen. Sie und der Jäger sind in Richtung des Waldes aufgebrochen. Bist du denn eine Freundin ihrer?", lag sein zusammengekniffener Blick erst in der Ferne, so neugieriger lag er nun auf der Blonden, das eben zuvor vor Höflichkeit gesetzte Siezen bewusst ignorierend. Da erst fiel sein Blick wohl das erste Mal so richtig auf Nylva, denn seine kleinen Augen wurden plötzlich ganz groß. "Da brat mir einer einen Storch... Eine Elfe... und das in diesem kümmerlichen Fleckchen Land... ein verschrobenes Volk, eh?" - das allein reichte Nylva und ihre zuvor so sorgsam aufgebaute Miene bekam einen Knacks, sie musste nichts mehr hören, bedankte sich kleinlaut und setzte ihre Schritte nun schnell gewählt vor einander. Der Wald also... die Gassen und Wege Glitzerhalts nun hinter sich lassend, war ihr sondierender Blick nach vor gerichtet. Irgendwo hier mussten die beiden doch... gerade bevor die Halbelfin in das Dunkel des angrenzenden Forsts abbiegen wollte, stach ihr das Nussbraun im Augenwinkel in den Blick, welches sie zurückwarf, die fünf Monate zuvor, als sie hier völlig erfroren und unterkühlt ankam und am großen Lagerfeuer in der Dorfmitte, die Statur der gesuchten Dame schwungvoll Tee an die Bevölkerung verteilte. Sie stand da im dichten Grasfeld, neben ihr ein Jägersmann. "Moira!", rief sie ihr nun entgegen, wartend dass ihre Stimme Gehör fand.

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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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