If We Don't Lie (Kiimesca & Minamimoto)

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Aaron hatte sich wohl falsch ausgedrückt oder Mo verstand nur nicht, worauf er hinaus wollte. Beide waren auch nicht gerade in der besten Verfassung, um über das Leben zu philosophieren. Seufzend blickte der Braunhaarige in den Sternenhimmel hinauf. Als Mo fragte, warum er hier war, senkte er seinen Blick wieder und richtete ihn auf den Schwarzhaarigen.
      "Warum schickst du mir deinen Standort ohne weitere Informationen, worum es geht? Hätt ja sein können, dass gerade eine Anomalie vor dir aufgetaucht ist!" Okay, das ergab keinen Sinn, denn dann hätte er wohl kaum die Zeit gehabt, ihm überhaupt eine Nachricht zu senden. Etwas genervt rieb er sich die Schläfen.
      "Ich weiß es doch auch nicht...", zischte er, mehr an sich selbst gerichtet und rutschte mit dem Rücken am Auto herab, sodass er nun an diesem in der Hocke lehnte und sein Gesicht in seine Hände legte, während seine Ellenbogen auf seinen Knien lagen.
      "Ich dachte, du willst, dass ich zu dir komme. Ich habe mich über deine Nachricht gefreut, sodass ich gar nicht weiter darüber nachgedacht habe. Ich.." Es ergab einfach keinen Sinn und war alles so widersprüchlich, weshalb er nicht wusste, was er sagen sollte.
      "So hab ich das nicht gemeint.. Jeder sollte glücklich sein dürfen.." Jeder außer ihm. Aber warum? Aber nun verstand er, was Mo damit meinte, dass er in Selbstmitleid versank, ohne das es ihm selbst bewusst war. Aaron hätte natürlich auch das Recht glücklich zu sein. Davon dürfte ihn sein Vater nicht abhalten. Dennoch war das einfacher gesagt, als getan.
      "Ich will den Menschen helfen und gegen die Anomalien kämpfen. Aber ich will auch Herr der Ringe gucken. Ich will.." Es gab so vieles was er wollte und nie machen durfte. Noch immer nicht machen dürfte, wenn es nach seinem Vater ginge. Das Problem war, dass er weder seinen Vater, noch seine Kameraden oder die Menschheit enttäuschen wollte. Aber auch nicht seine Mutter, Mo oder andere Menschen um ihn herum. Dennoch befand er sich gerade in der Situation, dass er immer irgendjemanden mit seinen Entscheidungen enttäuschen würde. Dieser Druck lastete einfach so sehr auf ihm, dass er seinen Vater entscheiden ließ und sich ihm fügte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mo hatte das Gefühl, so langsam begriff Aaron, worauf er hinaus wollte. Gut, weil er nämlich immer weniger Lust hatte, darüber zu sprechen. Er war doch kein Therapeut!
      Auf der anderen Seite wollte er ihm trotzdem helfen. Es sich erklären konnte er selbst nicht so ganz, schon gar nicht aktuell in seinem Zustand. Aber er wollte Aaron sich nicht sich selbst überlassen. Und irgendwie fühlte sich das sogar verpflichtend an. Als müsste er das tun.
      Schleichend packte ihn so langsam die Müdigkeit. In seinem Magen brodelte es immer noch, so schnell verflog seine Wut nicht. Er war mies drauf und genervt und gab sowohl Aaron als auch Nelson zu gleichen Anteilen die Schuld. Aber er wurde zu müde, um sich weiter streiten zu wollen, also blieb er für eine Zeit lang einfach stumm, starrte auf seine Finger, die er miteinander verknotete und wieder voneinander trennte.
      "Gut." Nach einer Zeit stand er auf, kämpfte kurz mit dem Schwindel, fing sich aber rasch wieder. "Wirf nur dein Leben nich einfach so weg. Hast ja nur eins und so." Mann, er hörte sich schon an wie diese dusseligen Kalendersprüche. Vielleicht sollte er Aaron mal einen davon kaufen, dann musste er selbst nicht mehr solches Zeug von sich geben.
      "Wie auch immer, ich hau ab. Tschüss." Kurz hob er seine Hand, wandte den Blick von ihm ab und setzte sich dann endlich doch in Bewegung. Er wohnte hier direkt um die Ecke, keine zehn Minuten entfernt, also konnte er locker zu Fuß gehen. Auf Aaron achtete er dabei gar nicht. So viel hatte dieser doch eh nicht getrunken, also glaubte Mo nicht, dass er nicht mehr fahren könnte.
    • Was Aaron von diesem Gespräch halten sollte, wusste er noch nicht so genau. Er wusste nicht einmal, was er da alles von sich gegeben hatte und vor allem wieso. Noch nie hatte er sich über irgendetwas beklagt und doch heulte er sich bei Mo aus. Kein Wunder, dass er meinte, er würde in Selbstmitleid versinken. Was war denn nur in ihn gefahren? Lag das an Mo? Aber wieso? Fragen, über die er sich aktuell nicht den Kopf zerbrechen wollte. Stattdessen kletterte er in sein Auto und kauerte sich auf der Rücksitzbank zusammen. Alles war so anders, seit er auf Mo getroffen war. So durcheinander. Seinetwegen hatte er auch Kontakt zu seiner Mutter aufgenommen.

      Irgendwann in der Nacht, nachdem er auf dem Rücksitz eingeschlafen war, fuhr er wieder nach Hause. Der nächste Morgen begann bald und so fand er sich mit seiner Schwester am Frühstückstisch wieder.
      "Hast du eine Nachtschicht eingelegt?", fragte Alice, ohne von ihrem Teller aufzusehen, bevor sie sich ein Stück Rührei in den Mund schob.
      "Sozusagen."
      Damit war das Gespräch auch schon erledigt. Aaron stand nach dem Essen auf, schnappte sich seine Jacke mit dem Medaillon und fuhr wieder zu ihrem Treffpunkt. Sie hatten zwar nichts ausgemacht, doch Aaron nahm an, dass sie weiterhin täglich trainieren würden, um dem Colonel bald etwas vorweisen zu können. Immerhin gönnte er Aaron nicht aus Freundlichkeit eine Pause, sondern nur wegen des Trainings. Eine andere und nicht unwichtige Beschäftigung während der Arbeitszeit. Das bedeutete aber auch, dass er gewisse Erwartungen hatte.

      Während Aaron am Ufer sitzend auf Mo wartete, dachte er über gestern Abend nach. Mo und er kamen irgendwie nicht auf einen Nenner, aber mussten sie das überhaupt? Man brauchte ja nicht zwangsläufig eine innige Freundschaft aufbauen, nur weil man Kameraden war. Das Wichtigste war, dass sie ihre Meinungsverschiedenheiten ausblenden konnten, sollten sie auf einen Einsatz gehen. Beim letzten Mal schien es zumindest so, als würde es funktionieren. Was früher mal war, war an jenem Tag bedeutungslos. Mo's Abneigung ihm gegenüber schien jedoch nicht verschwunden zu sein, was er gestern Abend verdeutlicht hatte. Aaron hingegen fragte sich, warum genau Mo eigentlich etwas gegen ihn hatte. Er war so anders, wenn sie allein waren. Da gab es auch diese nette Seite an ihm. Er hatte neulich selbst einen Witz mit seinem Spitznamen gemacht, aber wenn Mo ihn gegenüber anderen nutzte, fühlte es sich eigenartig an. Besser, sie würden alles außerhalb der Arbeit sein lassen. Was interessierte es Mo überhaupt, ob Aaron sich Filme ansah oder sonst etwas spaßiges unternahm? Gestern jedenfalls erinnerte er ihn mehr an den Mo aus der Schulzeit.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es war nicht verwunderlich, dass Mo am nächsten Morgen an einem Kater litt. So war es meistens. Doch legte sich heute zu dem Gefühl des Elendseins noch eine weitere Ebene, die sich nicht weniger elendig anfühlte, jedoch anders als er es gewohnt war.
      Aktiv musste er versuchen, sich an den gestrigen Abend zu erinnern. Er hatte keinen Filmriss, aber die Erinnerungen waren dennoch leicht verschwommen und nicht so klar wie Erinnerungen an einen Vorabend normalerweise waren. Ihm fehlten einige Details.
      Konnte nicht mehr ganz rekapitulieren, wie er mit Aaron geredet hatte. Was genau er gesagt hatte oder in welcher Reihenfolge und welche Antworten er bekommen hatte. Ziemlich gut wusste er noch, dass er wütend gewesen war, unter anderem daher, weil ein Teil von ihm es nach wie vor war. Ein weiterer Teil wollte lieber voller Scham im Boden versinken, erst recht weil er sich nicht exakt erinnern konnte, was, wann, wie sich der Abend abgespielt hatte. Welche Worte hatte er benutzt, als es darum ging, dass das Leben mehr wert war oder zumindest sein sollte?
      Anstatt im Bett liegen zu bleiben, erhob Mo sich nach der Einsicht, seine Gedankenkreise nur gegen ausreichend Bewegung loszuwerden.
      Er warf einen Blick aufs Handy; bemerkte zuallererst, dass Aaron sich nicht gemeldet hatte. Bevor er die ersten Anzeichen von Genervtheit ausarten ließ, entsperrte er das Smartphone schnell und warf einen Blick auf seinen Kontostand und der hellte seine Laune doch wieder etwas auf.
      Vielleicht wars doch was wert, die Monster zu bekämpfen.

      Den Tag startete Mo mit einem ausgiebigen Frühstück in einem Café, stopfte Bacon und Ei in sich hinein und trank irgendein Latte-Getränk mit viel Sahne, Schaum und Sirup, der verzierend wirkte und an der Innenseite des Glases sich mit dem heißen Getränk vermischte und es süßte. War sicherlich nicht der beste Kaffee, den er je getrunken hatte, ganz bestimmt jedoch der teuerste seit einiger Zeit. Und an der Kasse mit seiner Karte bezahlen zu können, ohne sich heimlich und unbemerkt davon zu schleichen, fühlte sich verdammt gut an.
      Wenn der Bund jedes Mal so gut zahlte, könnte er sich nach drei, vielleicht vier Malen eventuell eine hübschere Karre zulegen als seine alte Klapperkiste und wenn er ein wenig sparte, konnte er vielleicht auch in eine größere Wohnung ziehen. Oder er besorgte sich einen Bediensteten, der für ihn aufräumte! Ha!

      Nach dem Frühstück spazierte Mo durch die Straßen, anstelle den Bus zu nehmen, um weiterhin seinem Kater entgegen zu wirken. Er steuerte ein paar Läden an, um sich neue Kleidung zu kaufen. Das Dilemma vom Vorabend war schon fast vergessen und kehrte erst zurück, als er voller neuer Motivation mal wieder an Aaron dachte und daran, dass dieser ja das Medallion hatte. Ihre einzige reelle Chance, dass sie auch wirklich die drei, vier Male überlebten. Und mit dem er immer noch dringend üben musste. Genauso wie mit dem Schwert. Da immer nur einer das Medallion halten konnte, vielleicht sogar vor allem mit dem Schwert.
      Wieder nahm er das Smartphone zur Hand und wieder war er genervt davon, dass Aaron sich nicht gemeldet hatte. Verdammt nochmal, musste Mo denn immer den ersten Schritt machen? Er war echt beschissen darin, über seinen Schatten zu springen!
      In der einen Hand die Tüte voller neuer Klamotten, in der anderen das Handy, verpasste Mo an der grünen Ampel über die Straße zu gehen und knirschte mit den Zähnen. Das Geld würde für ein paar Wochen ausreichen, sogar wenn er die Miete bezahlte. Allerdings hatten sie nur begrenzt Zeit und was, wenn Aaron sich doch noch dazu entschied, einfach sein eigenes Ding durchzuziehen? Wenn er die Eismagie bald so gut beherrschte, dass er gar kein Feuer brauchte? Nee, so nicht! Mo würde ihm schon beweisen, dass er ihn nicht allzu leicht loswerden konnte, auch wenn er ihn teilweise halb zu Tode nervte!
      Es passte ihm zwar nicht, trotzdem schickte er eine Nachricht an den anderen: "Ich bin dran." und meinte damit natürlich mit dem Medallion. Danach ging er über die mittlerweile rote Ampel erst nach Hause, zog sich dort seine neue Sportkleidung an und stieg dann ins Auto, um zu ihrem Treffpunkt zu fahren.

      Abgesehen davon, dass in dem Stadtteil, in dem die Anomalie erschienen war, immer noch Umleitungen herrschten, hatte sich der Verkehr einigermaßen daran gewöhnt und Mo kam gegen späten Nachmittag an, parkte den Wagen neben Aarons, nicht wenig überrascht, dass dieser tatsächlich hier war und stieg dann trotz seiner neuen roten Schuhe, die an ihm aktuell das teuerste waren, durch den Wildwuchs hinunter bis zum Kiesstrand, wo er seinen Partner auch direkt fand.
      Unbeholfen wusste er nicht wirklich, wie er reagieren sollte und entschied sich dazu, so zu tun als sei nix. Was auch bedeutete, dass Aaron keine warme Begrüßung von ihm erwarten konnte.
      "Jo." Mo nickte kurz mit dem Kopf in seine Richtung und hielt dann die Hand auf. "Gib her."
    • Mo tauchte zwar nicht auf, doch das war für Aaron kein Grund, dass er sein Training vernachlässigen würde. Vielleicht klappte es ja sogar besser, wenn er seine Ruhe hätte. Mo setzte ihn immer so unter Druck. Geduld war eindeutig nicht seine Stärke. Doch Aaron befand sich auf einem guten Weg, das Medaillon nutzen zu können. Noch mochten es Spielereien sein, aber wer wusste, wozu sie gut sein würden. Die Anomalien einfrieren zu können schien nicht verkehrt zu sein. Bestimmt ginge da auch mehr. Vorerst versuchte er überhaupt etwas bewusst einzufrieren. Dieses Mal gelang es ihm auch. Wasser zu gefrieren stellte also kein Problem mehr da.

      Bis Mo am Nachmittag doch noch auftauchte, hatte Aaron seine Magie wohl schon verbraucht. Das Schneeflockensymbol war vollständig, glühte aber nicht mehr, als wäre es erloschen. Außerdem klappte es mit dem Einfrieren auch nicht mehr. Die Theorie besagte also, dass das Mana aufgebraucht war. Vielleicht. War im Moment auch die logischste Erklärung.
      Als Mo ihm also seine Hand hinhielt, ließ Aaron es darauf nieder. Er sagte nichts, während er aufstand und den Schwarzhaarigen anschließend betrachtete. "Du kannst es bis morgen behalten." Mit diesen Worten schien er sich zu verabschieden und setzte sich auch schon in Bewegung. "Ich bin mit meiner Mutter verabredet." Es gab vieles, was er mit ihr besprechen wollte. Er wusste nur nicht genau, wo er anfangen sollte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mo bekam das Medallion ohne Widerrede. Es war erstaunlich, wie einfach manche Sachen mit Aaron waren. Meistens rechnete Mo mit Gegenwehr und Zickereien, aber die blieben bei Aaron häufig aus. Da bekam er einfach das, wonach er gefragt hatte.
      Und das sollte offenbar auch schon ihr Aufeinandertreffen gewesen sein. Aaron teilte ihm mit, dass er das Artefakt bis morgen behalten dürfte. Leider verpasste er es Mo auch mitzuteilen, seit wann er das zu entscheiden hatte, weswegen Mo ihm schlicht einen skeptischen Blick zuwarf. Doch der andere wandte ihm schon den Rücken zu und marschierte davon.
      Traf sich mit seiner Mutter. Schön für ihn. Mo wandte sich dem Wasser zu und äffte Aaron nach, ohne genaue Worte auszusprechen, brummte nur leise vor sich hin.
      Die Münze in seiner Hand drehend, spürte er bereits die Wärme in seinem Körper aufsteigen. Sie war angenehm, aber sie heizte ihn -- wortwörtlich -- mehr auf. Er war nicht wirklich wütend gewesen vorher, vielleicht ein wenig genervt. Doch mit der Zeit fing er nicht nur an, Aaron nachzuäffen, sondern führte beinahe regelrechte Selbstgespräche. Er verfluchte den anderen mit seiner Über-Wasser-Lauferei und hochnäsigen Art, Nelson und die anderen Taugenichtse aus der Kneipe, fluchte und wetterte vor sich hin, während er mit dem Feuer spielte, das Wasser zum Kochen brachte und sich mal wieder nicht gerade selten selbst in Brand setzte.
      Dieses Mal hatte er es verpasst, seine Kleidung auszuziehen; aber das war ihm egal. Kaufte er halt neue. Er hatte das Geld ja nun.
      Und so stand er dort an ihrem Treffpunkt, schoss Feuer über das Wasser in die Luft; mal kleine und große Bälle, mal wie zischender Funkenregen einen Feuerschwall und sich selbst dabei immer mehr in Rage redend.

      Es hörte sich an als würde Stoff reißen, nur etwas lauter. Mo war allmählich bereits die Puste ausgegangen, weswegen er sich leicht ablenken ließ und seine Aufmerksamkeit zu der Stelle richtete. Und augenblicklich einen Satz nach hinten machte. Direkt vor ihm -- oder besser gesagt neben ihm öffnete sich gerade ein Spalt und das laut knisternd. Ihm war nach wie vor heiß, Schweiß tropfte ihm von der Stirn und doch ließ der Anblick ihm das Blut in den Adern gefrieren. Kaum war er einen Schritt zurückgewichen, fühlte er sich wie angewurzelt, während der Riss wuchs und Mo ihm dabei zusah.
      Wieso hier? Wieso jetzt? Konnte er es vielleicht einfach mit Magie wieder schließen? Wenn er das Feuer heiß genug hinbekam, vielleicht könnte er das Tor zuschweißen oder so?
      Zitternd streckte er seine Hand zögerlich aus, nur ganz vorsichtig, um dem Spalt keinesfalls zu nah zu kommen. Noch weitete er sich immer noch aus und das Geräusch tat Mo bereits in den Ohren weh. Nicht, weil es so laut war, nur penetrant und unangenehm.
      Doch aus seiner Hand kam kein Feuer. Fuck! Warum nicht?! Hatte er zu große Angst?
      Mo sah auf die Münze, auf der nun eine kleine Flamme eingraviert war. Er erinnerte sich daran, dass er die auch gesehen hatte, als sie den Spalt beim letzten Mal verlassen hatten. Auf der anderen Seite befand sich auch eine Schneeflocke, aber die konnte er fast schon nicht mehr ausmachen.
      Hübsche Muster auf seinem Manavorrat halfen ihm nun aber auch nicht weiter! Mo fluchte das kleine Ding in seiner Hand an, während er weiter versuchte, irgendwie Feuer aus sich herauszuholen. Das hatte doch die gesamte Zeit vorher auch geklappt, warum ließ die Magie ihn ausgerechnet jetzt im Stich?!
      Aber egal wie sehr und oft er es versuchte, nichts kam aus ihm heraus. Höchstens noch mehr Angstschweiß. Fuck!
      Der Riss hörte auf zu wachsen, das unangenehme Geräusch klang ab. Mo sah wieder zum Tor und nahm dann schließlich seine Beine in die Hand. Er musste weg von hier, bevor da auch noch was aus dem Tor rauskam, das Mo nicht bekämpfen konnte. Nicht ohne Magie; und eine Waffe hatte er auch nicht.
      Schnell kraxelte er den nicht allzu steilen Hügel durch den Wildwuchs hoch und schaffte es doch, mehrfach zu stolpern und auszurutschen. Die Autoschlüssel fielen ihm natürlich auch zu Boden, als er sie beim Laufen aus der Tasche fummelte. Hinter sich spürte er nun auch eine Präsenz. Und er flehte, dass er sich das nur einbildete, weigerte sich, zurück zu blicken.
      Als er endlich im Auto saß und den Schlüssel versuchte in die Zündung zu friemeln, musste Mo leider feststellen, dass diese Präsenz keine Einbildung gewesen war. Vor seinem Auto befand sich eine schwarze Anomalie und erneut fühlte sich Mo von dem Anblick wie eingefroren. Er ermahnte sich, wegfahren zu müssen, aber das Ding vor ihm hielt nichts von seinem Plan. Es drückte sich gegen das Auto, gegen die Windschutzscheibe. Das Metall an der Motorhaube verformte sich, das Glas begann zu reißen. Und obwohl die Anomalie das Material noch nicht gesprengt hatte, schien sie sich allmählich trotzdem durch die Scheibe zu quetschen; als würde diese sie nur bis zu einem gewissen Maß aufhalten.
      "Fuck!" Mo fluchte weiter vor sich hin, versuchte den Motor zum Laufen zu bringen, während das gestaltlose Monster sich allmählich durch sein Auto quetschte. Und das schneller als sein Wagen anspringen konnte. Er verwarf den Plan also, öffnete die Wagentür wieder und purzelte nach draußen, gerade als die Anomalie es geschafft hatte, ins Fahrzeug ganz einzudringen. Als würde es langsam eine Gestalt annehmen, schien sich eine Hand auf die geöffnete Tür zu legen, mit welcher sich die Anomalie wieder aus dem Auto zog.
      Und Mo begann wieder zu rennen.
      Und jetzt?! Ihm fiel nichts besseres ein, also nahm er schnell sein Handy zur Hand, bemühte sich dreimal so stark, es trotz seiner schwitzigen Hände nicht wie die Autoschlüssel fallen zu lassen und schickte Aaron abermals seinen Standort. Das hatte gestern geklappt, es musste jetzt auch klappen! Schließlich hatte er gerade nicht etwa die Zeit, jetzt auch noch jemanden anzurufen; zumal er die Nummer von der Bundeswehr sowieso nicht kannte. Zeit zu googlen? Wohl kaum!
    • Bevor Aaron sich allerdings auf den Weg zu seiner Mutter machen konnte, kehrte er noch einmal nach Hause zurück. Dort traf er auch unerwartet auf seinen Vater, der ihn fragte, wie es mit dem Training lief. Der Braunhaarige berichtete von den Fortschritten, konnte aber leider noch nicht viele Informationen zum Medaillon selbst geben. Der Colonel war für den Anfang zumindest zufrieden. Außerdem schien es Aaron auch wieder ausreichend gut zu gehen, dass man ihn für weitere Einsätze einplanen könnte. Dafür könnte er auch weiterhin ein Team mit Mo bilden. Da die beiden schließlich gemeinsam trainierten, schien bei dem Freiwilligen ja das Interesse an weiterer Arbeit zu bestehen. Leute wie Mo, die sich nicht gleich in die Hose machten oder draufgingen, waren gern gesehen.
      Wegen des Gesprächs musste Aaron sich so langsam aber beeilen, da er sich noch frisch machen wollte. Auf jeden Fall wollte er sich doch ein wenig eleganter kleiden, als in einem einfachen Sweatshirt, dass er zum Training anhatte. Im Wagen hatte er auch nur seine Dienstkleidung dabei. Nun kleidete er sich mit einem schwarzen Hemd, um damit auch seinen Arm zu verdecken. Seine Mutter wusste davon schließlich noch nichts und das müsste sie auch nicht unbedingt. Aaron wollte ihr keine Sorgen bereiten, immerhin ging es ihm gut.

      Kaum war er losgefahren, erhielt er eine Nachricht. Sein Blick huschte auf den Bildschirm, auf dem die Benachrichtigung stand, dass Mo ihm eine Nachricht geschickt hätte. Wieder nur ein Standort.
      Was wollte Mo denn dieses Mal von ihm? Ob ihm irgendein toller Trick gelungen war, den er ihm jetzt unbedingt zeigen wollte? Das könnte doch auch bis morgen warten, oder nicht? Wie sollte er aus Mo nur schlau werden? Aaron konnte das aber auch nicht ignorieren, also sah er genauer hin, um festzustellen, dass der Standort wirklich ihr Trainingsplatz war. Zumindest bedeutete das, dass er nicht wieder in irgendeiner Kneipe landen würde.
      Er ahnte nichts schlimmes, bis ihm etwas vor den Wagen sprang und er erschrocken bremsen musste. "Was ist los?!", rief er und stieg aus, um Mo verwirrt anzusehen. Er hätte ihn beinahe umgefahren! Was los war, musste der Schwarzhaarige allerdings nicht groß erklären, als Aaron die Anomalie erblickte. Sie musste ihn wohl überrascht haben. "Was zum.. Bist du verletzt?", fragte er und griff zu seinem Handy, um die Leitstelle darüber zu informieren, während er zum Kofferraum ging. Da Mo nicht verletzt war, sollte er einsatzbereit sein. Die Auswahl an Waffen war zwar begrenzt, aber für den Anfang sollte es reichen. "Kannst du noch das Feuer benutzen?" Aaron hatte nicht darauf geachtet, wie lange er die Magie hatte nutzen können und er wusste auch nicht, wie lange es dauern würde, bis er sie wieder nutzen konnte. Es wäre allerdings hilfreich. Doch auch mit den herkömmlichen Waffen könnten sie verhindern, dass es in die Stadt gelang und dort Unruhen stiftete. Verstärkung war ja auch schon gerufen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Kaum hatte Mo die Nachricht gesendet, landete mit einem lauten Krachen die Motorhaube seines Wagens direkt vor ihm. Erschrocken ließ er sein Smartphone fallen und dachte gar nicht mehr daran, es wieder aufzuheben. Stattdessen sah er zu der Anomalie zurück, der er so ziemlich ausgeliefert war.
      Wieso waren diese Dinger überhaupt so aggressiv?! Und wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass es hier direkt neben ihm aufgetaucht war? Wie viel Pech musste er wohl haben, oder war es gar kein Zufall?
      Viel Zeit, um sich zu diesen Fragen Antworten zu überlegen, hatte er nicht. Er musste sich irgendwie in Sicherheit bringen, bis Aaron kam und ihm helfen konnte. Falls Aaron kam. Wehe Aaron kam nicht!
      Mo nahm erneut seine Beine in die Hand und verbrachte die nächsten Minuten damit den Angriffen auszuweichen. Zum Glück war er flink und als er langsam den Atem verlor, kauerte er sich hinter seinem Auto zusammen und hoffte, das Monster würde ihm wenigstens eine kurze Verschnaufpause gönnen. Er wusste nicht, wie lange er schon vor ihm weglief, stets im Kreis rennend, weil er sich nicht von dem Ort hier entfernen wollte. Wenn das Ding ihm folgte, dann würde Aaron ihn nicht mehr finden. Und die Stadt und somit andere Menschen waren viel zu weit weg, als dass er es heil dorthin schaffen würde. Dabei bedachte er nicht, dass aus dem Riss noch weitere Monster folgen könnten.
      Ihm blieb nichts anderes übrig, außer weiter allem auszuweichen. Auch wenn die Zeit sich langsam zog und er komplett das Zeitgefühl verlor.
      Schwer atmend drückte er sich mit dem Rücken gegen das Metall seines Autos, stets bereit, jederzeit wieder loslaufen zu können. Aber die Anomalie war entweder dumm oder beschäftigt, denn sie gönnte ihm tatsächlich eine Pause. Fand sie ihn nicht? Oder war sie schon weitergezogen? Beides war ihm recht.
      Vorsichtig spähte Mo über das Vorderteil, dem nun eine Haube fehlte. Aber die Anomalie war noch da. Stand dort auf der Mitte der Straße und schien sich... zu formen? Zusätzlich zu dem Teil, den man mehr oder weniger als eine Hand identifizieren könnte, die ohne Zweifel an einem Arm hing, welcher mehr einem Ast glich, dünn und lang, formten sich gerade zwei weitere dieser dünnen Gliedmaße, wodurch das Monster in die Höhe wuchs. Wie... Beine?
      Das erschien ihm eigenartig; die Anomalien im Spalt hatten weder Beine noch hatten sie Arme. Andererseits fiel ihm ein, dass die Anomalien, die bereits auf der Erde bekämpft worden waren und zu denen es Aufzeichnungen gab, durchaus mehr Form hatten. Und somit durchaus auch Gliedmaßen. Aber die hier vor ihm erschien ihn nun fast schon menschlicher Statur. Wenn man den Kopf schieflegte und ein Auge zukniff, konnte man mit viel Fantasie vielleicht sogar einen Kopf erkennen.
      Er hätte nicht so lange die Anomalie dabei zusehen sollen, wie sie immer dünner und länger wurde, denn schließlich schien sie ihn zu bemerken. Sie hörte auf zu wachsen und machte ihren ersten Schritt -- einen gewaltig großen Schritt und Mo gab seine Deckung auf, um wieder loszusprinten. Gerade noch rechtzeitig, denn der eine Arm schlug gegen das Auto und schubste es um.
      Ihre neuen Beine waren zudem außerdem nicht nur zum Laufen da, denn kaum hatte sie das Auto umgestoßen, trat sie mit ihrer dünnen, spitzen neuen Gliedmaße ohne Fuß nach Mo, so schnell, dass er ihr auch nicht mehr ausweichen konnte. Das Bein drückte sich gegen seine Schulter, drang irgendwie in ihn ein und gleichzeitig auch nicht; ein furchtbar merkwürdiges und auch schmerzhaftes Gefühl, aber gleichzeitig war Mo bereits so mit Adrenalin vollgepumpt, dass er dem Schmerz im Augenblick nicht viel Beachtung schenkte.
      Stöhnend riss er sich von dem Ding los und rannte weiter, als ein Auto um die Ecke bog, Mo schlagartig stehen blieb und schützend den Arm vor das Gesicht hob.
      Überfahren wurde er nicht. Stattdessen stieg Aaron aus dem Wagen und Mo fing an zu lachen. So froh, den Zombie zu sehen, war er wohl noch nie gewesen!
      "Nein.", keuchte er zurück und durchsuchte seine Taschen. Das Herz rutschte ihm in die Hose, als er das Brandloch in seiner Jackentasche bemerkte. Aber keine Sekunde später fand er das Medallion in der anderen. "Hier." Beinahe tonlos reichte er Aaron das Artefakt.
    • Vielleicht hätte Aaron Mo auch noch in anderen Bereichen trainieren sollen. Wie gut konnte er überhaupt mit Schusswaffen umgehen? Da er angenommen wurde, wohl einigermaßen passabel. Unter einer Abdeckung im Kofferraum kamen ein paar Waffen zum Vorschein, die Aaron immer für den Notfall dabei hatte. Aber sie mussten ja nicht unbedingt auf der Hutablage zur Schau gestellt werden. Sie waren allerdings nicht für mehrere Personen gedacht, sondern nur für ihn.
      Ohne es weiter zu beachten, steckte er das Medaillon ein und drückte seinem Partner ein Schwert in die Hand. Damit könnte er sich wenigstens verteidigen und er konnte auch ziemlich gut damit umgehen. Aber sollte er ihm wirklich nur eine Nahkampfwaffe überlassen? Es wäre schließlich besser, wenn sie ihn gar nicht erst erreichten. "Nimm die.. Weißt du, wie man die benutzt?", fragte er, als er ihm die Schrotflinte in die Hand drückte. Falls nicht, würde er es ihm schnell erklären. Durch die Streuung müsste er auch kein perfekter Schütze sein und da man nicht genau sehen konnte, wohin man überhaupt schießen musste, um den Kern zu treffen, waren präzisere Waffen ohnehin unpraktischer. Für ihn blieb dann nur noch der Bogen. Der war ganz praktisch, um nicht gleich die ganze Nachbarschaft mit Schüssen zu verschrecken. In Zukunft sollte er besser ein zweites Schwert mitführen, da er auch gern eins gehabt hätte.
      Vorher holte er jedoch das Amulett aus der Tasche und drehte es einmal in der Hand. Die Schneeflocke war verschwunden. Aaron hatte auch vormittags schon alles verbraucht und saß dann im Grunde nur noch herum, um auf Mo zu warten und über gestern Abend nachzudenken. Ein paar Stunden waren somit schon vergangen. Um sicher zu gehen, dass es wieder funktionierte, richtete er seine Handfläche nach oben und erzeugte einen Eisklumpen darauf. Perfekt! Inzwischen glaubte er zu wissen, wie er damit umgehen musste. Allerdings konnte er bisher nur Dinge einfrieren, die er auch berührte.
      Sein Blick fiel auf die Pfeile, ehe er sich den Köcher schnell umwarf. Sie sollten definitiv eine Kette für das Amulett besorgen, da es nicht funktionierte, wenn er es nur in der Hosentasche hatte. Das stünde ganz oben auf seiner To-Do Liste. "Ich will was ausprobieren.. Versuch sie auf Abstand zu halten, ja?", meinte der Braunhaarige und sah zu Mo. "Stirb nicht..", fügte er noch hinzu und zog einen Mundwinkel für ein kurzes, kaum sichtbares Lächeln hoch. Dann steckte er sich das Amulett zwischen die Zähne und holte den Bogen aus dem Kofferraum. Mit einem knappen Nicken versuchte er Mo etwas Zuversicht zu schenken, bevor er seine Haltung einnahm und einen Pfeil spannte. Seine Erfahrung damit war ihm deutlich anzusehen, hatte er immerhin seit seiner Kindheit viel im Garten damit geübt.
      Konzentriert sah er zu der Anomalie, die nicht mehr weit entfernt war. Ob es funktionierte? Mit dem ausgestreckten Zeigefinger am Bogen berührte er kurz die Pfeilspitze in der Hoffnung, dass er seine Eismagie irgendwie darauf übertragen könnte. Dann müsste er sich nicht in Gefahr begeben, um sie einzufrieren indem er sie berührte. Die Spitze wurde tatsächlich von einem dünnen Nebel umgeben. Also schoss er den Pfeil auf die Anomalie, die kurz nach dem Treffer zu einer Eisstatue erstarrte. "Es klappt!", presste Aaron kaum verständlich zwischen seinen Zähnen und dem magischen Objekt hervor, während er ihn mit großen Augen ansah. Sein Blick offenbarte, dass er sich darüber freute, als hätte er gerade Atlantis gefunden. Außerdem war er nicht sicher gewesen, ob es funktionieren würde, auch wenn es bei Mo mit dem Schwert ja auch funktioniert hatte. Üben musste er dennoch, denn der zweite Pfeil verlor auf seinem Weg den Nebelschleier und somit die Magie und traf die nächste Anomalie, die sich kaum dafür interessierte. Noch etwas, dass er sich auf seine To_Do Liste schrieb. Im Moment müsste er dann wohl warten, bis er nah genug dran war. Ähnlich wie bei Mo's Feuerball, den er werfen wollte. Die beiden würden das schon meistern. Kaum vorstellbar, was sie irgendwann alles damit erreichen könnten!
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mo nahm erst das Schwert entgegen; ein Glas Wasser wäre ihm lieber gewesen, aber er wollte sich nicht beschweren. Stattdessen versuchte er, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn er gut in Schuss war, der Überraschungsangriff und allgemein der Fakt, dass es sich um ein Monster aus einer anderen Dimension oder Welt oder Universum handelte und er alleine in der Pampa gesteckt hatte, hatte doch schon einiges an Kraft gezehrt. Etwas, was wohl verständlich wäre; Mo hatte immerhin noch nicht so viel mit den Anomalien zu tun gehabt wie die richtigen Soldaten. Trotzdem ging es gegen seinen Stolz, laut keuchend und schnaufend vor Aaron zu stehen, weswegen er dies weitgehenst einschränkte.
      Mehr verdattert war er über das Gewehr, das ihm kurze Zeit später in die Hand gedrückt wurde. "Nein?", antwortete er knapp und vielleicht auch etwas verunsichert. Aaron erklärte ihm aber recht schnell, wo er zu drücken und wo zu ziehen hatte.
      Das Schwert in der einen, die Flinte in der anderen Hand sah Mo zwischen den beiden Waffen hin und her. Er hatte noch nie geschossen und -- wahrscheinlich war das besser so. Aber nun sollte er das Ding auf Abstand halten und das ging mit der Schusswaffe höchstwahrscheinlich besser, als wenn er sich wieder in den Nahkampf wagte. So legte er das Schwert wieder zurück in den Kofferraum; keine Zeit, es sich vernünftig anzulegen, damit er es bei sich tragen konnte und versuchte also mit dem Gewehr zu zielen.
      Stellte sich heraus, die reale Welt war doch ein wenig anders als ein Shooter Game, denn er schoss daneben und musste sogleich nachladen. Die Schrotpatronen befanden sich ebenfalls im Kofferraum, also nahm er sich zwei heraus und lud das Gewehr so schnell, wie er bei seinem ersten Versuch konnte, nach.
      Als er erneut zum Zielen ansetzte, sah er vorher, wie Aaron den Bogen spannte.
      Seine Haltung war gerade, der Rücken durchgedrückt, die Schultern angespannt. Er verstand nicht so richtig, was passierte, als der andere mit seinem Finger die Spitze des Pfeils berührte und sich der Nebel bildete; Mo war jedoch auch von dem Fakt abgelenkt, dass Aaron gar nicht so beschissen aussah. Genau genommen stand ihm der Bogen verdammt gut.
      Kurze Zeit später und er hatte den Pfeil abgeschossen, freute sich sichtlich über seinen Erfolg und Mo hatte noch nicht mal bemerkt, dass die Anomalie eingefroren war. Erst jetzt wurde er aus seinen Gedanken gerissen, hatte Aaron vielleicht ein wenig zu lange angestarrt und schüttelte nun heftig den Kopf. Aaron war nicht hässlich, hatte er nie geglaubt; er hatte sich aber auch nie ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob er nun okay, gut, oder verdammt gut aussah. Wie war das nochmal mit der Voraussetzung 'letzte zwei Überlebenen auf der Welt', die erst erfüllt sein müsste, damit er solche Dinge überhaupt in Erwägung zog? Aaron war schließlich... Aaron! Einsteins Zombie! Es sollte egal sein, wie er aussah, weil...
      Er unterbrach seine Gedanken, weil der zweite Pfeil nämlich traf, jedoch nichts bewirkte. Moment -- seit wann gab es überhaupt mehr als eins von den Dingern?!
      Ergab aber Sinn; da kamen doch immer mehrere Viecher raus! Mo sah in die Richtung von dem Spalt, konnte von hier aus jedoch nichts erkennen. Er sah jedoch, dass ein paar mehr, viel kleinere Dinger entwischt waren und munter flockig über den Hang glitchten.
      "Hey..." Nur ungern unterbrach er Aaron in seiner Konzentration, andererseits fixierte er sich ohnehin gerade darauf, nicht wieder zu ihm zurück zu sehen. "Das Tor ist da unten. Kannst du es zufrieren, bis die Verstärkung eintrifft?" Mit dem Finger deutete er zu ihrem Trainingsplatz und dass er es zuschweißen wollte, verschwieg er an dieser Stelle. "Ich halte die Stellung hier oben." Und er legte das Gewehr wieder zurück und nahm doch wieder das Schwert.
    • Aaron wandte seinen Kopf zu Mo, als seine Stimme erklang. Dann blickte er seinem Finger nach. Das Tor zufrieren? Einen Versuch war das allemal wert. Allerdings war er nicht sicher, ob er das mit einem Pfeil schaffte. Schon gar nicht aus dieser Entfernung.
      Wieder sah er zu Mo und nickte. Den Bogen hatte er schon wieder entspannt, als er schnell den Hang runterrutschte und es erneut mit einem Pfeil versuchte. Es war nicht überraschend, dass der Pfeil nicht getroffen haben zu schien. Sie konnten auch mit Schusswaffen nicht auf den Riss schießen, auch wenn es sich so anfühlte, als könnte man ihn mit den Händen berühren. Dann blieb ihm wohl keine andere Wahl. Um Mo allerdings zu entlasten, fror er noch zwei weitere Anomalien mit einem Pfeil ein.
      Als er den Riss erreichte, legte er beide Hände daran und versuchte es einzufrieren. Er sah eine Bewegung unterhalb seines Blicks und trat instinktiv auf, woraufhin die Anomalie, die gerade an ihm hochkriechen wollte, ebenfalls gefror. Am Riss bildeten sich tatsächlich Eiskristalle, aber das ging nicht so schnell, wie bei Wasser. Außerdem fühlte es sich an, als würde es ihn eine Menge Kraft kosten. Immerhin dachte er gerade nur daran, alles rauszuholen, um es einzufrieren. Eine gefühlte Ewigkeit starrte er in das Innere des Rissen, ehe sich eine Wand aus Eis vor seiner Nase befand. Der Braunhaarige wich taumelnd ein paar Schritte zurück und betrachtete das Eisgebilde. Anschließend nahm er das Medaillon aus seinem Mund und betrachtete es. Dann fiel ihm jedoch ein, dass Mo noch da oben war und vielleicht seine Hilfe brauchte, weshalb er es im Mangel an Alternativen wieder in den Mund steckte und zurück zum Auto lief. Nun, wo er den Dreh raushatte, könnte er noch weitere Eispfeile verschießen und auch die restlichen Anomalien einfrieren. Dann müssten sie nur noch hoffen, dass das Eis lange genug stand hielt, bis die Verstärkung kam.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es hätte Mo brennend (pun unintended) interessiert, ob Aaron den Spalt zufrieren konnte oder nicht, aber er hatte kaum die Zeit, ihm zu folgen oder am Rand der Straße zu stehen und ihm dabei gespannt zuzusehen. Stattdessen atmete er nochmals tief durch und freundete sich mit dem Gedanken an, mit Monstern zu kämpfen.
      War nicht mehr sein erstes Mal, es blieb dennoch aber so surreal. Wären es nun wenigstens Tentakel gewesen, dann wüsste er wenigstens, was sie erwartete. Jedoch auch wenn die Anomalien sich gegen alle physischen Gesetze verhielten, schienen sie von hier, der Erde, doch anders beeinflusst sein als in ihrer Welt. Sie kamen jedenfalls nicht so leicht durch Hindernisse wie Fahrzeuge oder bewegten sich durch den Boden wie sie es im Riss mühelos getan hatten.
      Mo nahm seine Haltung mit dem Schwert ein. Zunächst musste er sich abermals an sein Gewicht gewöhnen und das brachte seine Schulter unangenehm zum Ziehen. Aber er missachtete den Schmerz. Nicht nur, dass er durch weiteres Adrenalin weiterhin die Überhand über den Schmerz hatte, auch war er körperliche Leiden viel zu gewöhnt als sich so schnell von ihnen ablenken zu lassen.
      Der Arm der eingefrorenen Anomalie zitterte. Sie versuchte wohl, auszubrechen und da das die Anomalie gewesen war, scheinbar die Hauptanomalie (kam Mo jedenfalls so vor, sie hob sich zumindest von den anderen ab, sofern die anderen sich nicht auch noch Gliedmaßen wachsen ließen), die Dinge wie Motorhauben zum Werfen missbrauchte, fackelte Mo nicht lange und schlug ihr mit dem Schwert den Arm ab.
      Dieser fiel weiterhin eingefroren zu Boden, reglos nun. Die anderen Anomalien, die Aaron eingefroren hatte, bewegten sich unter dem Eis aber auch schon, und als die erste aus ihrem Käfig aus Eis ausbrach, konnte Mo sie gerade so noch parieren. Durch das Schwert kam sie nicht und mithilfe seiner breiten Klinge konnte er das Monster von sich stoßen, um ihm im nächsten Moment auf gutes Glück das Schwert durch den Körper zu jagen.
      Die Anomalie verpuffte einen Bruchteil der Sekunde später, also musste er wohl den Kern getroffen haben.
      Inzwischen hatte die Hauptanomalie sich ebenfalls befreien können. Armlos holte sie nun wieder mit ihrem Bein aus und Mo machte sich bereit, ihr ausweichen zu können. Vorher jedoch ertönte ein lautes Horn. Es lenkte das Monster ab und anstelle von Mo trat sie mit ihrem spitzen, langen Bein zum Militärfahrzeug, das gerade auf sie zufuhr. Bevor die Anomalie den Wagen treffen konnte, sprangen die Soldaten schon aus dem Auto und nahmen die Dinger sogleich unter Beschuss. Mo wurde von einer Soldatin beiseite genommen; er solle nicht so im Weg rumstehen.
    • Erleichterung machte sich in Aaron breit, als er das Horn hörte. Ihm waren die Pfeile ausgegangen und erschöpft fühlte er sich auch. Außerdem schmerzte sein Arm nun doch wieder mehr, weil er ihn wohl zu sehr beansprucht hatte. Egal. Er musste zu Mo und hielt Ausschau nach ihm. Als er ihn jedoch entdeckt hatte, kam der Captain auf ihn zu und fragte nach Informationen. Also erzählte Aaron ihm von dem Riss und das er momentan noch zugefroren sein sollte. Wie was wo, könnte er vom Colonel erfahren, denn Aaron verspürte keine große Lust, ihm das zu erklären.
      Stattdessen ging er zu Mo und musterte ihn ein wenig. "Alles okay?" Er schien nicht verletzt zu sein. Ein Glück. Der Gedanke, seine kleine Waffenkammer aufzustocken, blieb jedoch. Bisher war Aaron immer allein unterwegs und da hatte das vollkommen gereicht. Wobei er die Waffen auch erst zweimal benötigte.
      Ein kurzer Blick auf sein Handy verriet ihm, dass er die Verstärkung vor 34 Minuten gerufen hatte. Das Symbol auf dem Medaillon war etwa zur Hälfte zu sehen. Um mehr über die Dauer der Nutzbarkeit herauszufinden, sollte er sich das in Zukunft notieren. Immerhin wusste er nun, dass man die Magie wirklich mit Waffen kombinieren konnte. So wie das Feuerschwert. Bei ihm funktionierte das also auch. Es war durchaus praktisch, seine Gegner einzufrieren, wobei es ihm schon lieber wäre, wenn sie dadurch zu Grunde gehen würden. Das zögerte das unvermeidliche ja doch nur heraus.
      Als ihm einfiel, dass er mit seiner Mutter verabredet war, zischte er leise. "Shit.." Schnell nahm er also wieder sein Handy zur Hand und schrieb ihr eine Nachricht. Er schrieb auch, dass es ihm gut ging und die Situation nun unter Kontrolle war. Die anderen Soldaten würden sich schon darum kümmern.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Würde er sich jemals daran gewöhnen? Mo hatte immer ein Soldat sein wollen und dass er so lange überlebte, sah er irgendwie auch als Zeichen an, dass er richtig war, wo er sich gerade befand. Nicht als richtiger Soldat, leider, aber immerhin als Söldner. Sein Überleben war nicht einfach nur mehr Glück als Verstand -- auch, klar, aber es lag auch daran, dass er irgendwie für den Kampf gemacht zu sein schien. Sollte er jemals auch ausreichend dafür vorbereitet sein... vielleicht bräuchte er Aaron dann nicht mehr, der ihn rettete. Und vielleicht würde er sich dann auch daran gewöhnen, nach dem Kampf auf dem Boden zu sitzen und sich nichts mehr als ein Glas Wasser zu wünschen.
      Aaron gesellte sich zu ihm und erkundigte sich kurz nach seinem Zustand, ehe er im Handy rumtippte. Mo sah ihm dabei zu, überlegte nach einer Antwort.
      "Meine Schulter brennt und ich bin mit meinem eigenen Auto beworfen worden. Also... zum Teil jedenfalls. Ich weiß nicht, ob 'okay' der richtige Ausdruck ist." Vor allem das mit seinem Wagen war... ärgerlich. Nun war er wohl dazu gezwungen, weiterhin als Söldner zu arbeiten; das Schicksal hatte für ihn entschieden. Denn ohne Auto wollte er nicht bleiben. Das Geld, das sie ihm bereits überwiesen hatten, würde für eine weitere Klapperkiste ausreichen. Das war wirklich ungünstig gelaufen... Er hatte auf etwas besseres sparen wollen. Es sei denn er würde einen Wagen stehlen. Aber etwas sagte ihm, dass es nicht der cleverste Schachzug wäre, wenn er schon für den Staat arbeitete.
      Reichte ja schon aus, dass er keinen Führerschein besaß.
      Flüchtig sah er zu Aaron hoch, der vor ihm stand. "Hey... du hast was gut bei mir." Nickend sah er schnell wieder weg. Zwar mochte er nicht der beste Mensch auf Erden sein, aber er verstand etwas von Ehre. Und auf den Zombie... konnte er sich verlassen. Das wurde ihm so langsam klar.
      Während er sich darüber Gedanken machte, wie er es ihm zurückzahlen konnte, fiel sein Blick doch noch einmal kurz auf den Bogen, den Aaron trug. "Wie wärs mit Herr der Ringe... später heut abend?"
      Schließlich erhob Mo sich wieder und zog sich sein neues Oberteil aus, das nun selbst ohne Brandlöcher an einigen Stellen kaputt gegangen war. Nicht jedoch dort, wo das Bein ihn getroffen hatte; dort hatte sich der Stoff mit der Anomalie wohl in seine Haut gefressen. Schmerzhaft stöhnte er leise auf, als er die Fasern versuchte, von seiner Haut zu trennen, doch blieben sie fest mit seiner Haut verwoben. Langsam drehte sich mit der Schulter zu dem anderen. "Du hast nicht zufällig eine Schere oder ein Messer bei dir? Hilfst du mir kurz? Und... muss das behandelt werden...?"
    • Ja gut. Alles war wohl nicht okay, aber Mo lebte zumindest noch und das war doch viel Wert.
      "Hm?" Fragend blickte er zu dem Schwarzhaarigen, als dieser meinte, dass Aaron etwas bei ihm gut hätte. Für ihn war es selbstverständlich, seine Kameraden, aber auch Mitmenschen, zu beschützen. Dennoch war es nett, gelegentlich solche Worte zu hören. Ein kurzes Lächeln umspielte seine Lippen, ehe Mo ihn zu Herr der Ringe einlud. 5 Teile gäbe es davon ja noch zu sehen.
      "Ja... gern..", antwortete Aaron mit einem breiteren Lächeln. Dieses Gefühl der Freude blieb allerdings nicht lang, als Mo sich auszog und so eine Verletzung offenbarte.
      "Warte kurz." Er ging schnell zu seinem Auto rüber und holte den Verbandskasten heraus, um sich die Schere zu holen. Damit löste er die Stelle vorsichtig von dem Rest des Oberteils und half ihm, es auszuziehen. Sein Blick war auf die Wunde fixiert und als Mo's Oberkörper entblößt war, beugte er sich etwas vor, um sie näher zu betrachten. Das sah nicht so gesund aus. Einfach abziehen sollten sie es auf keinen Fall.
      "Das sollte sich jemand ansehen... Ich fahr dich." Der Arzt am Stützpunkt könnte das behandeln, sodass Mo nicht stundenlang in einem Wartezimmer hocken musste.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es ziepte unangenehm, als Aaron an ihm herumschnibbelte; oder eher am Stoff. Gut, dass Mo sowieso nicht sonderlich gut mit Geld umgehen konnte; anderenfalls hätte er bestimmt um sein neues Shirt gejammert, das gar nicht mal so billig gewesen war und das gerade zerschnitten wurde. Aber das war ihm ziemlich egal. Er weinte mehr seinem Wagen nach und dem Geld, das er nun für einen neuen rausschmeißen könnte. Sein altes Schrottteil reparieren zu lassen wäre höchstwahrscheinlich nämlich nicht viel günstiger.
      Bereit zu demonstrieren, öffnete Mo bereits den Mund, um Widerworte zu geben, unterließ das dann aber doch. Er tendierte dazu, jegliche Wunden als 'Kratzer' abzustempeln, aber hierbei hatte Aaron vielleicht doch recht? Dabei tat es gar nicht mal so weh, zog nur unangenehm und fühlte sich etwas taub an. War aber wirklich aushaltbar. Doch wer wusste schon, was Anomalien für Schäaden anrichteten? Mo wusste es jedenfalls nicht, also nickte er, genervt die Augen verdrehend und folgte Aaron dann zuseinem Auto.
      Als sie am Kofferraum vorbeigingen, wo all die Waffen darin lagen, schüttelte er kurz mit den Kopf. "Das bedeutet wohl beim Militär 'Arbeit mit nach Hause nehmen', was?", witzelte er leicht schmunzelnd, warf sich dann auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. Dachte kurz daran, was man nochmal in seinem Kofferraum finden würde... ein paar leere Flaschen und, glaubte er, ein paar Kartons aus Pappe, die er wegbringen wollte und es am Ende aus Faulheit doch noch nicht getan hatte. Na, hoffentlich nahm das Militär seinen Schrotthaufen gleich mit; dann müsste er sich auch nicht mehr drum kümmern.

      Sie fuhren zum Stützpunkt zurück und obwohl es langsam dunkel wurde, herrschte weiterhin reges Treiben. Die Ärzte hatten viele Verwundete zu behandeln, trotzdem dauerte es nicht lange, bis Mo an der Reihe war. Und das beste: es wurde noch nicht einmal nach der Versichertenkarte gefragt! Den Ort sollte er sich merken.
      Es blieb unangenehm, als der Arzt die Stofffasern aus seiner Haut heraus holte und weil dieser gründlich und vorsichtig war, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit. Am Ende bekam Mo eine Spritze in die Schulter gejagt, die mehr schmerzte, als die Verletzung selbst. Aber dann hatte er es überstanden und er konnte zu Aaron zurückkehren. Weiterhin halb nackt und so langsam wurde es frisch.
      "Wenn du sonst nichts mehr zu tun hast... Du müsstest mich auch nach Hause fahren."
    • Bei seinem Witz lachte Aaron kurz verlegen auf. Das war nur für den Notfall, aber Arbeit mit nach Hause nehmen, kannte er von seinem Vater nur zu gut. Er selbst lernte ja auch immer noch nebenbei, wobei das nur zur Hälfte freiwillig war. Jedenfalls war diese Angewohnheit von Vorteil. Mo willigte zum Glück ein, denn Aaron wäre nicht der Typ dafür gewesen, lange auf ihn einzureden. Er konnte anderen nichts aufdrängen.
      So wartete Aaron, als Mo in Behandlung war und stand sofort von seinem Stuhl auf, als dieser zurückkehrte. "Klar." Auch das war für Aaron selbstverständlich. Ob nun mit oder ohne Herr der Ringe. Bevor sie zum Auto gingen, öffnete der Braunhaarige seine Sweatjacke und legte sie ihm um die Schultern, wie er es schon neulich im Riss getan hatte. Dieses Mal lächelte er jedoch und ging dann vor. Aaron konnte nicht anders, als sich um andere zu sorgen.

      Auf dem Weg zu seiner Wohnung, sah Aaron kurz zu ihm rüber. "Wie geht's dir? Brauchst du Ruhe?" Er war ernsthaft an seinem Befinden interessiert, nicht nur, ob sein Angebot noch stand, da er sich ihm nie aufdrängen würde. Schon komisch, dass sie nun ein Team waren. Manchmal fragte er sich jedoch, wieviel von dem alten Mo noch in ihm steckte. Dieser hier schien ganz umgänglich zu sein. Aaron würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass er nett war. Vielleicht war er auch einfach nur erwachsen geworden. Diesen Mo konnte er ganz gut leiden. Auch, weil er ihn dazu motiviert hatte, seine Mutter zu treffen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Ja.", beantwortete Mo die Frage ehrlich. "Aber das passt schon. Du bist nun nicht die Aufregung in Person." Und das meinte er gar nicht böse; war ja nur die Wahrheit. Wenn er daran dachte, wie ruhig der andere beim letzten Film das Geschehen einfach nur verfolgt hatte. Oder wie er ihn beim Training den letzten Nerv geraubt hatte mit seinem Rumsitzen und Grübeln.
      Er stieg aus, ließ die Jacke im Auto und holte seinen Schlüssel heraus, den er zum Glück bei sich hatte und im Kampf nicht verloren hatte. In der Wohnung angekommen, lief er als aller erstes in die Küche, untesuchte seine Gläser, die in und an der Spüle standen, und entschied sich für das am wenigsten schmutzigste, um es mit Wasser aus dem Kran zu füllen und damit sich endlich die Kehle zu befeuchten. Das tat er gleich noch ein zweites Mal und nach dem dritten fühlte er sich auch endlich wieder einigermaßen gut.
      "Brauchst du noch was?", fragte er, als er an Aaron vorbei ging auf dem Weg ins Schlafzimmer. Sein Bett lächelte ihm richtig fett zu, aber er ging nur zu seinem Schrank, um sich gemütliche Kleidung rauszusuchen und ein Handtuch. "Ansonsten störts dich, wenn ich kurz dusche? Bedien dich einfach, wenn du was suchst." Und das war eh nur eine rhetorische Frage, weil er es so oder so nun tun würde.
      Mit der Kleidung unter seinem Arm ging er abermals an Aaron vorbei, hob beim Vorbeilaufen die Fernbedienung vom Boden auf und drückte sie ihm in die Hand. "Du kannst ja schon mal anmachen." Zögernd blieb er kurz stehen und sah Aaron prüfend an. Der wusste doch, wie man Netflix bediente, oder? "Ach du... kriegst das schon hin." Mit der freien Hand klopfte er seinem Besuch behutsam auf die Schulter und ging dann weiter ins Bad.
      Ihn alleine in seiner Wohnung zu lassen, war ihm noch nicht einmal unangenehm. Er hatte manchmal Besuch -- selten, zugegeben, kam aber manchmal vor. Und den würde er sicherlich nicht einfach so unbeaufsichtigt lassen. Auch wenn er nicht gerade wertvolle Dinge besaß, ging es eher um ein Prinzip. Aber bei Aaron blieb das unbehagliche Gefühl aus. Und er fühlte sich vom vielen Rennen und auf die Schnauze fallen viel zu schmutzig, als länger ungewaschen sein zu wollen.
    • Ob 'nicht die Aufregung in Person' positiv oder negativ war, konnte Aaron nicht wirklich bestimmen. Vermutlich lag es am Blickwinkel. In diesem Fall also, dass Aaron ihn nicht stören würde. Nahm er jedenfalls an.
      Also fuhren sie zu Mo's Wohnung, wo der Braunhaarige ihm durch die Haustür folgte und ein paar Schritte mit ihm hinein ging, nachdem er die Schuhe ausgezogen hatte. Wo das Wohnzimmer war, wusste er ja bereits. Er sah dem anderen nur kurz hinterher, ehe er zurückkam und fragte, ob Aaron noch was bräuchte. "Nein, mach nur." Für ihn war das kein Problem, dass Mo sich duschen wollte. Sich irgendwo bedienen, würde er allerdings auch nicht. Über den Vorschlag, schon mal mit dem Film anzufangen, dachte er jedoch kurz nach. Mo kannte den Film ja schon, also sprach ja nichts dagegen. Aber so mitten drin einsteigen?
      Deshalb überlegte er noch einen Moment, nachdem Mo im Badezimmer verschwunden war und er auf dem Sofa Platz genommen hatte. Letztendlich entschied er sich dann, den Film zu starten, da Mo ja gesagt hatte, er könne schon mal anmachen. Aaron wusste auch, wie man eine Fernbedienung und Netflix bediente, auch wenn er sich bisher nur Dokumentationen und Vorlesungen angesehen hatte. Umso aufregender war es, mal einen Spielfilm anzusehen. Die Story war fesselnd und jeder Charakter war richtig gut dargestellt. Er hatte zwar keinen Vergleichswert, um wie ein echter Filmkritiker zu bewerten, aber ihm gefiel diese Filmreihe.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Frisch geduscht und wieder besser duftend kehrte Mo nach einer Weile in Jogginghose ins Wohnzimmer zurück und setzte sich neben Aaron aufs Sofa. Sein Haar war noch feucht, deswegen hatte er sich lieber kein Oberteil angezogen und nach der heißen Dusche war ihm ohnehin warm genug.
      So viel vom Film hatte er nicht verpasst, aber die Filme gingen ja auch insgesamt recht lange. Auch wenn er stillschweigend genau wie sein Besuch zum Fernseher sah, konnte er sich nicht auf das Geschehen konzentrieren. Gut, dass er sowieso schon wusste, was passierte, denn so störte es auch nicht, wenn seine Gedanken abdrifteten.
      Er kam gar nicht umhin, die Schlachten gegen die Orks mit den Anomalien zu vergleichen, denn sie unterschieden sich sehr stark. Auch mit Bogen war Aaron kein Legolas und selbst mit Schwert Mo kein Aragorn. Er fühlte sich auch gar nicht so heldenhaft, wie er immer geglaubt hatte, dass seine Helden sich fühlen würden. Stattdessen blieb es einfach weiterhin so verdammt surreal.
      "Der Spalt ist direkt neben mir aufgegangen. Direkt...", völlig ungläubig gestikulierte Mo in der Luft, also könnte er damit den Riss darstellen. "...vor mir." Er seufzte. Der Film war gerade vergessen, jedenfalls für ihn. Tat ihm auch nicht leid, Aaron mit seinem Gerede abzulenken, denn irgendwie musste er da jetzt drüber reden. "Ich war da in dem Moment echt wütend. Oder hat die Magie ihn angezogen? Ich weiß nicht. Aber ein Zufall...? Wie hoch ist die Chance?"
      Erschöpft strich er sich das feuchte Haar aus seiner Stirn und ließ sich tiefer ins Sofa sinken, alles ohne die Augen vom Bildschirm zu nehmen. Fühlte sich schon eigenartig an, mit Aaron über so ernste Themen zu reden, weil es ihn ganz schön beschäftigte. Wäre Aaron nicht direkt gekommen, nachdem er ihm den Standort geschickt hätte, wäre Mo nun Matsch und der dritte Partner, den Aaron insgesamt an die Anomalien verloren hatte. Das war doch verrückt! Und das an ihrem friedlichen, geheimen Trainingsort. Er verstand's einfach nicht.