If We Don't Lie (Kiimesca & Minamimoto)

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    • Da hatte Mo vielleicht nicht ganz unrecht, aber etwas mehr Ernst könnte auch nicht schaden. Chillen. Als hätte Aaron jemals in seinem Leben chillen können. Mit Ausnahme des gestrigen Filmabends, den man wohl als Chillen bezeichnen konnte. Dennoch brachte chillen kein Erfolg.
      Seine nächste Aussage jedoch, wehte Aaron's Anflug von Frust fort. Er biss sich auf die Unterlippe und kämpfte. Er wollte es sich wirklich verkneifen. Ernsthaft! Aber noch während Mo sich beleidigt umdrehte und schmollte, fing Aaron an zu lachen. So witzig war das doch gar nicht. Oder doch? Sein gekühlter Hintern wird die Menschheit retten. Was war denn daran so witzig, dass er so lachen musste? Das war nicht zum Lachen! Dennoch konnte Aaron nicht aufhören.
      Er räusperte sich und blickte kurz zu dem anderen rüber, der ihm den Rücken zugedreht hatte.
      "Vielleicht sollten wir mit etwas leichterem anfangen.. Ich könnte stattdessen versuchen, überhaupt irgendetwas bewusst einzufrieren.. Wär das okay? Und danach bist du dran."
      Also lehnte er sich nach vorn und blickte in das Wasser. Er atmete tief durch und steckte seinen Finger hinein, in der Hoffnung, dass etwas passieren würde. Wenn sich das Eis immer unter ihm ausbreitete, dann könnte das bedeuten, dass er es berühren müsste, was er einfrieren will.
      Doch es passierte nichts. Das war irgendwie frustrierend und gleichzeitig auch peinlich. Danach bist du dran, klang so selbstbewusst und jetzt geschah einfach nichts. Ob er vielleicht einfach wieder an etwas denken sollte, was ein starkes Gefühl in ihm auslöste? Furcht, wie in der Anomalie. Und vorhin war das doch Wut, oder? Ein kleines bisschen zumindest.
      Erneut atmete er tief durch und das Wasser erfror um Umkreis von gut einem Meter.
      Aaron zuckte zurück und starrte auf das Eis. Doch anstatt sich zu freuen, wirkte er eher skeptisch. Kein Wunder. Seine Gedanken, denen er sich für diesen Versuch widmete, waren auch nicht besonders schön.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Überrascht drehte Mo sich wieder zu Aaron um, als dieser plötzlich loslachte. Es verwirrte ihn und er verstand nicht, woher dieses Gelächter nun kam. Aber der fröhliche Aaron gefiel ihm auch mehr als der zickige Aaron und auch wenn Mo nicht ganz begriff, worüber genau er nun lachte, zauberte es ihm trotzdem ein leichtes, wenn auch verwundertes Lächeln auf sein Gesicht.
      Zumal manche Menschen sich ja wirklich dämlich anhörten, wenn sie ohne Vorbehalt lachten. Aaron gehörte nicht dazu.
      Danach war er dran. Fein, Mo hatte es nicht so eilig. War zugegeben ungewöhnlich; eigentlich war er ungeduldig und wollte immer zuerst Dinge ausprobieren, aber im Augenblick machte es ihm tatsächlich nichts aus. Er mochte den Ort hier. Er strahlte so eine Ruhe aus, der irgendwie auf ihn übergeschwungen war.
      Aber das Nickerchen schminkte er sich nun ab. Mo setzte sich wieder auf; hätte sich auch auf die andere Seite gelegt, aber sein verbranntes Ohr verhinderte das. Also sah er Aaron eben doch dabei zu; neugierig, was und ob dieser es schaffen würde.

      Jedoch passierte weiterhin... Nichts. Mo gähnte im Hintergrund und wollte sich gerade doch wieder umdrehen und schlafen, als Wasser mit einem Mal doch gefror. Nicht der ganze Fluss, noch nicht einmal bis zum anderen Ufer.
      "War das diesmal Absicht?" Aufrichtig neugierig lehnte Mo sich in seinem Schneidersitz nach vorne und etwas seitlich, um einen besseren Blick auf die Stelle zu bekommen und einzuschätzen zu können, wie viel genau Aaron da vom Wasser eingefroren hatte. Es war nicht viel und auch nicht besonders eindrucksvoll wie es gewesen wäre, wenn er den Stein in der Luft mit dem Eis gefangen hätte, aber an sich war es trotzdem ziemlich cool. Die Magie selbst. Und dass sie diese wirken könnten.
    • Ob es dieses Mal mit Absicht war?
      "Mehr oder weniger.. schätze ich.."
      Er betrachtete die Stelle noch einen Moment, ehe er leise seufzte.
      "Ich habe.. nur daran gedacht, dass ich meine Mutter hier zum letzten Mal gesehen habe.." Dabei konnte er sich kaum noch an sie erinnern. Er wusste noch, dass sie gern gelächelt hat. Sie war so anders, als sein Vater. Deswegen hatte diese Beziehung wohl auch nicht gehalten. Während Aaron weiter auf den Fluss starrte und seine Hände auf seine Knöchel drückte, fing auch er an einen deutlichen Unterschied bei der Temperatur zu spüren. Er sah schnell zur Seite und legte hastig das Medaillon auf den Boden. Das Eis um ihn herum hatte sich noch weiter ausgebreitet, ohne das er es gewollt hatte. Diese Magie war wohl ziemlich gefährlich. Ob sie sie überhaupt jemals effektiv nutzen könnten? Es brachte ja nichts, sie immer nur versehentlich einzusetzen. Wobei sie in Gefahrensituationen sehr nützlich war. Dennoch. Im Moment war sie keine effektive Waffe. Seinem Vater würde auch nicht gefallen, wie er sich gehen ließ. Er hätte auch Mo ausgetauscht, aber Aaron hatte ihn angelogen und gesagt, dass nur Mo und er das Medaillon nutzen konnten. Dabei wusste er nicht einmal, ob das so stimmte. Eigentlich hätte es ihm doch egal sein können, wer es an Mo's Stelle nutzen würde. Aber irgendwie wollte er es nicht. Schließlich hatten sie beide es gefunden. Und Mo hatte ihn damit doch gerettet. Warum sollte er Mo also austauschen wollen? Weil er ihn früher mal gemobbt hatte? Das hatte Aaron zwar nicht vergessen, aber es war Vergangenheit. Jetzt war er doch eigentlich ziemlich nett. Er hatte sogar einen Film mit ihm geschaut. Vielleicht könnten sie sich anfreunden. Vielleicht war das aber auch zu viel des Guten. Es genügte ja, wenn sie sich nicht gegenseitig an die Gurgel gingen.
      "Also dann.. Du bist dran. Versuch doch mal eine Flamme in deiner Hand zu erzeugen oder so."
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mehr oder weniger -- nur dass Aaron sich nicht ganz darüber zu freuen schien. Mo neigte seinen Kopf zur Seite und musste auch gar nicht nachhaken, ehe Aaron sich erklärte. Gerade eben hatte er noch gelacht, aber nun wirkte er traurig, fast schon niedergeschlagen.
      Bevor Mo auf irgendeine Weise hatte reagieren können, breitete sich das Eis mit einem Mal weiter aus. Schnell hastete er auf die Beine und nahm einen guten Satz Abstand. Die Luft wurde schlagartig kälter und er zog seine Jacke fester zu, fröstelte. Und begann mit sich zu hadern.
      Sollte er ihn trösten? Jedoch hatte das Eis ihn mehr oder minder von Aaron weggestoßen; beabsichtigt oder nicht. Und außerdem wusste Mo sowieso nicht so recht, wie er ihn hätte trösten sollen. Er verstand ja noch nicht einmal, wieso die Erinnerung an die Mutter überhaupt so traurig war. Musste er aber auch nicht. Er verstand jedenfalls sehr wohl, seine große Klappe hier und jetzt nicht aufzumachen und Aaron nicht weiter provozieren zu wollen.
      Trotzdem wusste er auch nicht, was er dazu sagen sollte, wenn überhaupt etwas. Was konnte er sagen ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, ihm zu nahe zu treten? Auch er hatte sensible Themen, über die er... nicht gerne sprach und er konnte es nicht einschätzen, wie Aaron dazu stand.
      Unsicher blieb Mo einfach stehen und beobachtete Aaron weiterhin, wie dieser nun das Medallion in den Schnee fallen ließ. Vergrub sein Kinn hinter dem Reißverschluss seiner Jacke und wartete ab, was noch passieren würde.
      Aber nichts passierte und Aaron bot ihm an, als nächstes es mit Feuer zu versuchen.
      Vorsichtig näherte Mo sich ihm über das Eis und versuchte währenddessen nicht auszurutschen, lief wie ein Storch über die glatte und durch die Steine unebene Fläche. Wenigstens fiel er nicht direkt nochmal hin, auch wenn er nicht sonderlich elegant aussehen musste, während er versuchte, nah an Aaron heranzutreten.
      Er bückte sich, um das Medallion aufzuheben und sah es sich an. Eigentlich war Magie total klasse und er hatte sich schon gefreut, dass sie es auch hier draußen nutzen konnten. Mit Feuermagie zu trainieren... Es war immer noch so unbegreiflich, aber auch so fantastisch! Trotzdem freute er sich nun nicht darüber, machte noch nicht einmal Anstalten, gleich damit loszulegen und dafür zu sorgen, dass dieses gemeingefährliche Eis hier verschwand, bevor doch noch jemand ausrutschte. Zerbiss sich nur seine Unterlippe und entschied sich letztendlich dazu, Aaron wenigstens einmal die Hand auf die Schulter zu legen, einmal kurz zuzudrücken, ehe er sich genauso vorsichtig wieder von ihm entfernte.
      Er sah auf das Medallion, besah sich die silbernen Linien auf der einen Seite, die wohl zu Aaron gehörten. Besah sich dann seine eigene Seite. Musste er nun auch an etwas Trauriges denken, damit das funktionierte? Er war allerdings nicht gerne traurig; schob auch jetzt schon alle Gedanken in diese Richtung von sich. Sowas wollte er nicht an sich heran lassen und bevor er völlig die Lust verlor, riss er sich am Riemen und versuchte es wie im Spalt nach dem Funken zu suchen, den er ergreifen könnte. Je länger er nachdachte, an was er denken könnte, welches Gefühl er fühlen könnte, wieso Aaron traurig war, desto mehr konsumierte ihn diese wortwörtliche kühle Stimmung.
      Darauf hatte er keine Lust.
      Er war nun hier und er würde ein paar Feuerkunststücke vorführen.
      Mo fühlte die Wärme, die in ihm aufstieg. Aaron hatte gesagt, er solle versuchen, eine Flamme in seiner Hand zu erzeugen, also streckte er seine Handfläche nach oben.
      Na los. Das hatte im Spalt auch funktioniert. Unruhig, mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er auf seine Handfläche und konzentrierte sich, konzentrierte sich vielleicht auch zu sehr, weil er irgendwo sich immer noch fragte, was denn nun mit Aarons Mutter war. Denn in seiner Hand tat sich nichts und es machte Mo nur umso ungeduldiger. Wenn er keine Flamme hinbekam, hatte er stattdessen zu viel Platz in seinem Kopf für andere Gedanken. Aarons Mutter, Mos Bruder. Und schließlich drückte er die nach oben gerichtete Handfläche zu einer Faust zusammen, verkrampfte sich und wieso stand hier kein Mülleimer, den er umtreten konnte?!
      "Verdammt nochmal...!" Leise fluchte er zwischen seinen zusammen gebissenen Zähnen. "Das lenkt mich ab. Was ist mit deiner Mutter?!" War nicht gerade die einfühlsamste Frage, aber er hatte sie stellen müssen! Sonst zerbrach er sich da noch ewig den Kopf drüber.
    • Nachdem Mo seine Schulter gedrückt hatte, sah Aaron etwas verwundert zu ihm auf. Das fühlte sich komisch an. Aber irgendwie.. nett.
      Er beobachtete den anderen eine Weile, doch auch ihm schien es schwer zu fallen, bewusst Magie zu wirken. Das konnte Aaron nur zu gut verstehen. So einfach war das eben nicht. Es vergingen ein paar Augenblicke, aber viel zu schnell, begann Mo zu fluchen. Hatte er so schnell schon aufgegeben? Aaron öffnete schon seinen Mund, um ihn zu ermutigen, als er plötzlich stockte. Er war seinetwegen abgelenkt? Wegen seiner Mutter? Wieso? Das war doch nicht sein Problem.
      "Sie.. ist gegangen, als ich 6 Jahre alt war. Sie hat sich oft mit meinem Vater gestritten. Meinetwegen. Er hat ihr verboten, mich zu besuchen. Deswegen hab ich sie seit 20 Jahren nicht gesehen. Sie arbeitet in einer anderen Stadt, soweit ich weiß.." Das wars. Mehr gabs da nicht zu erzählen. Könnte er sich jetzt besser konzentrieren? Mo war wohl ganz schön neugierig oder warum hatte ihn das so beschäftigt? Oh.. dachte er etwa sie wäre gestorben oder sowas? So wie Aaron es versehentlich formuliert hatte, könnte das durchaus sein.
      Um nicht weiter wie ein Trauerkloß auf dem Boden zu hocken, stand er auf und zupfte seine Kleidung ein wenig zurecht.
      "Warum beschäftigt dich das?" Erinnerte ihn das an irgendetwas?
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      - Eugene Ionesco
    • Es erleichterte Mo, dass Aaron wirklich antwortete und das sogar ernsthaft und vernünftig. Keine blöden Ausreden, kein Drumherumreden oder Ausweichen. Es beruhigte ihn auch, dass seine Mutter nicht gestorben war; immerhin etwas, aber den Rest der Geschichte verstand er mal wieder nicht. Sein Vater erschien ihm immer unsympatischer, aber erneut begriff er nicht wirklich, wieso Aaron das mit sich machen ließ.
      Gut, er war noch ein Kind gewesen, so viel ließ Mo ihn durchgehen. Aber das war er doch heute nicht mehr.
      Er zuckte mit seinen Schultern, sah wieder zum Medallion in seiner Hand und wollte 'Nur so' sagen, stattdessen sagte er: "Ich sehe dich nicht gerne traurig. Und mir ist aufgefallen, dass ich nichts über dich weiß, nicht wirklich. Ich kann aber nicht für dich da sein, wenn ich dich zu wenig kenne." Er könnte sich nun wieder aufregen, dass er Dinge von sich gab, die er nicht hatte von sich geben wollen, aber diesmal war es irgendwie okay. Er wollte Aaron nur nicht unbedingt ansehen, wenn er solche Sachen von sich gab, also tat er es auch nicht. Ließ lediglich seine Schultern hängen und sah auf das Wasser, das langsam flussabwärts strömte.
      "Fahr du doch in diese andere Stadt. Wenn dir das wichtig ist, solltest du sie besuchen. Du kannst doch bestimmt irgendwie im Personenregister rumfutschen oder sowas? Sollte doch für einen Mann in deiner Position nicht so schwierig sein. Sei froh, dass du eine Mutter hast, die dich noch sehen will, also... mach was draus."
      Wieder ließ er sich auf dem Boden nieder, öffnete seine Hand und versuchte nochmal sich auf eine Flamme zu konzentrieren. Nun, wo er die Antwort kannte, machte ihn die Frage auch nicht mehr so nervös und tatsächlich fiel es ihm gar nicht mal so schwer, den Funken in seinem Inneren wieder zu finden. Kurz darauf flammte eine Flamme in seiner Hand, tanzte hin und her. Aber sie war klein und wirklich über sie freuen konnte er sich auch nicht.
    • Nicht traurig sehen? Dafür, dass er ihn früher selbst und voller Absicht versuchte traurig zu machen, kam diese Antwort ganz schön unerwartet. Das sie nichts übereinander wussten, beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit. Aber für ihn da sein? Dieses Mal kam es sogar Aaron wie Stuss vor, den er von sich gab. Das ergab doch gar keinen Sinn. Als hätte er einen Geist gesehen, starrte er kurz auf Mo's Rücken und drehte sich schnell um. Er wollte ihn bestimmt nur aufmuntern und hatte es deswegen gesagt. Aber selbst das ergab keinen Sinn. Bereute Mo seine Vergangenheit? Möglich. Ja, das würde zumindest einen Sinn ergeben. Dennoch war Aaron ziemlich verwirrt. Verwirrt, ein wenig schockiert, aber.. insgeheim irgendwie auch glücklich. Es gab immerhin nicht viele Menschen, die nett zu ihm waren. Sie waren nicht alle gemein zu ihm, wie Mo und die anderen damals in der Schule, aber die meisten waren doch eher neutral.
      Erwartete Mo eigentlich eine Antwort? War das eine indirekte Aufforderung ihm mehr von sich zu erzählen? Aber was? Und wieso? Und was?!
      Als Mo wieder sprach, war Aaron ein wenig erleichtert. Allerdings war sein Vorschlag.. nun, objektiv betrachtet war der Vorschlag nur logisch, denn er hatte einen Führerschein, ein Auto und wusste, dass sie in einem Krankenhaus arbeitete. Wenn er dort nach ihr fragen würde, würde er sie schon finden. Aber sein Vater wäre davon überhaupt nicht begeistert. Nicht nur, dass Aaron die Zeit, die er zum Trainieren nutzen sollte, mit solchen Kinkerlitzchen vertrödelte. Er konnte die Menschheit ja wohl kaum retten, indem er sich mit seiner Mutter treffen würde.
      Aaron blieb still und dachte nach, während er vermied zu Mo rüber zu sehen. Irgendwann spähte er aber doch hinüber und sah die Flamme. Nun allerdings wirkte Mo irgendwie niedergeschlagen. Etwa wegen ihm? Wegen ihm und seiner Mutter? Nein. Vermutlich wegen dem, an das er dachte, um die Flamme zu erzeugen, oder? Musste er überhaupt an solche Dinge denken, um seine Magie zu nutzen? Vielleicht hatte Mo ja einen anderen Trick dafür.
      "Willst du mitkommen?", fragte er etwas zurückhaltend und wandte seinen Blick wieder ab, um in die Richtung des Autos zu sehen.
      "Allerdings wird es vermutlich sehr spät, bis wir wieder zuhause sind.." Zum einen, war Mo derjenige, der ihn dazu angestiftet hatte und irgendwie brauchte er vielleicht noch einen weiteren Arschtritt von ihm, um es wirklich durchzuziehen und zum anderen, wollte er Mo jetzt auch nicht einfach hier sitzen lassen. Gut, er hätte ihn noch nach Hause gefahren, aber dann wäre er immer noch allein. Und Aaron würde wohl auch eher nach Hause fahren, als etwas so waghalsiges zu unternehmen.
      Besonders die letzte Bemerkung spukte noch in seinem Kopf. Er sollte froh sein, eine Mutter zu haben, die ihn noch sehen will. Wollte seine Mutter ihn etwa nicht sehen? Sollte er danach fragen, so wie Mo ihn gefragt hatte? Fühlte sich komisch an mit einem ehemaligen Mobber über ihre Mütter zu sprechen.. Sehr komisch. Was sollte er tun? Er durfte sich doch nicht den Kopf wegen solch banaler Dinge zerbrechen. Weder seine Mutter, noch die von Mo würden irgendetwas zum Erfolg ihrer Mission beitragen. Aber.. es fühlte sich so gut an, mit Mo diesen Film zu schauen. Und.. vielleicht fühlte es sich genau so gut an, seine Mutter zu besuchen.
      "Ich.. will nicht allein gehen.." Genauer gesagt, wollte er irgendwie das Mo mitkam, aber so genau müsste er es ja nicht wissen. Aaron hatte sich schon genug Schwäche an diesem Tag erlaubt.
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      - Eugene Ionesco
    • Als er die Hand um die Flamme in seiner Handfläche schloss, erlitt er keine Verbrennungen. Die kleine Flamme erlosch und Mo hielt die Hand geschlossen, um sicher zu gehen, während er sich zu Aaron umdrehte, der offenbar mit ihm nun seine Mutter suchen gehen wollte.
      Sein Gesichtsausdruck war skeptisch. Nicht, weil er 'zu spät Zuhause' sein würde; das war ihm doch egal. Ob er nun bis 3 Uhr in einer Bar rumhockte oder sich in einem Auto aufhielt; so viel Unterschied machte das nicht.
      Skeptisch war er, weil er schon am Morgen des heutigen Tages nicht scharf drauf war, Aarons Eltern kennenzulernen. Und wenn Aaron seine Mutter nicht gesehen hatte seit er ein kleines Kind war, dann wusste die ja noch nicht mal, wie geschunden ihr Sohn teilweise nach Hause zurückgekehrt ist -- wegen ihm. 'Hey Mum, lang nicht mehr gesehen! Wir haben uns so viel zu erzählen! Wieso fangen wir nicht gleich mit dem Mann an, der mir die Schulzeit zur Hölle gemacht hat?' War kein so dufte Gefühl.
      "Eltern mögen mich nicht besonders. Sicher, dass du gerade mich mitnehmen willst?" Dabei sollte Aaron wirklich gehen, das war Mos feste Meinung. Er wollte nur nicht unbedingt der Frau ins Gesicht sehen. Er hatte ja jetzt schon ein schlechtes Gewissen. Sollte er da einfach im Auto bleiben? Andererseits... wieso sollte überhaupt gerade er mitgehen? Aaron hatte doch... wie hießen diese beiden Soldaten nochmal? Die Frau hieß James und... er kam nicht mehr drauf, wie der Mann geheißen hatte. War auch egal. Er sollte sich nicht wieder mit unwichtigen Details ablenken. Fakt war, dass Aaron bestimmt geeignetere Kandidaten kannte, die mit ihm seine Mutter besuchten.
      Mo erhob sich wieder, denn scheinbar war das Eis- und Feuertraining abgeschlossen, ob Aaron nun mit ihm oder alleine oder mit sonst jemanden seine Mutter besuchen wollte oder nicht. Sobald er jedoch seine Hand demnach wieder öffnete, flammte das Flämmchen in seiner Handfläche erneut auf und da er eine Jacke mit langen Ärmeln trug, fing auch sogleich der Saum an seinem Handgelenk Feuer. Schnell versuchte er, das Feuer auszuschütteln, doch ohne Erfolg. Bis er aus der anderen Hand, genau wie es Aaron auch getan hatte, das Medallion einfach fallen ließ. Prompt erlosch das Feuer, diesmal auch wirklich.
      "...Vielleicht nimmst du das lieber.", sagte Mo und sah zu dem Artefakt zu seinen Füßen. Wenn Aaron es auch noch nicht kontrollieren konnte, war eine gekühlte Eisfläche unter seinem Hintern wenigstens weniger gefährlich als wenn Mo gleich alles in Brand steckte. Und offenbar vorwiegend sich selbst oder seine Kleidung.
    • Eltern mögen ihn nicht besonders? Konnte man das überhaupt so einfach pauschalisieren? So oder so hatte Aaron sonst niemanden, den er hätte mitnehmen können. Mit Mo hatte er mehr Freizeit verbracht, als mit sonst jemanden. Wenn man so darüber nachdachte, dass diese Zeit aus gerade mal einem Film bestand, war das schon irgendwie traurig. James und Wilson waren nur Kameraden. Kollegen. Seine Schwester würde sich auch kaum dafür interessieren. Nicht nur, weil es nicht ihre Mutter war, sondern auch, weil ihr gemeinsamer Vater darüber nicht begeistert wäre.
      "Ja..", meinte er deshalb. Auch wenn es für Mo wohl nicht überraschend wäre, wollte er jetzt nicht sagen, dass er sonst niemanden hätte. Das würde Mo nur herabwerten und das wollte er nicht, auch wenn es die Wahrheit war.
      Er beobachtete Mo ein wenig bei seinen Übungen und wollte gerade eingreifen, als er das Medaillon einfach fallen ließ und das Feuer erlosch. Glück gehabt. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass er sich selbst angekokelt hatte. Die Feuermagie war also weitaus gefährlicher, als die Eismagie. Wobei es sicher auch nicht gesund wäre, würde Aaron versehentlich andere Menschen einfrieren. Doch selbst in diesem Raum hatte er alles außer ihnen beiden eingefroren. Ob das Glück war?
      "Okay", sagte er darauf lediglich, um ihn nicht in dem Gedanken zu bestärken, dass Mo eine Gefahr für andere und sich selbst war, wenn er es hatte. Er musste es ja nicht noch schlimmer machen.
      "Danke." Wofür genau, spezifizierte er nicht. Es war eben für alles. Für das Training, seine Unterstützung, den Film und auch, dass er ihn jetzt begleiten würde.
      Also steckte er das Medaillon in seine Hosentasche und kehrte mit Mo zum Auto zurück, um in die nächste Stadt zu fahren, welche sie am Nachmittag schließlich erreichten. Aaron blickte aus der Frontscheibe zu dem Krankenhaus vor ihnen. Was sollte er eigentlich sagen? Sie würde bestimmt fragen, warum er ausgerechnet jetzt zu ihr käme. Aber es machte keinen Sinn, sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen. Vielleicht war sie auch gar nicht mehr hier. Wenn sie einen anderen Mann kennengelernt hatte, könnte sie auch schon weggezogen sein. Irgendwo jetzt eine neue Familie haben. Neue Kinder.
      "Denkst du, sie freut sich?" Das konnte Mo zwar nicht wissen, aber die Frage kam einfach so aus ihm heraus, um seine Unsicherheit zu unterstreichen. Im Berufsleben machte ihm im Selbstbewusstsein niemand etwas vor. Alles andere lag ihm jedoch nicht.

      Als sie das Krankenhaus betraten, ging Aaron direkt auf den Empfang zu. Die Frau lächelte freundlich und fragte, was sie für ihn tun könnte.
      "Nun, ich.. Mein Name ist Aaron Alister.. Kann ich.. Ist meine Mutter hier? Amanda Hudson.."
      Die Frau sah ihn anfangs etwas besorgt an, aber nachdem Aaron endlich seine Frage ausgesprochen hatte, lächelte sie noch breiter als vorher.
      "Amanda? Warte kurz", antwortete sie und tippte kurz auf der Tastatur vor ihr herum.
      Aaron's Nervosität stieg und er sah kurz zu Mo, den er wohl mehr gegen seinen Willen hierher geschleppt hatte. Dafür sollte Aaron sich auf jeden Fall revanchieren. Ihn zum Essen einladen oder so. Aber erstmal mit seiner Mutter sprechen.
      "Sie dürfte gleich vorbeikommen. Sie hat gerade Feierabend."
      Genau in diesem Moment? Wäre er also später gekommen, hätte er sie verpasst. Was für ein Glück.
      "Wartet da drüben, ja?" Sie deutete auf den Wartebereich, woraufhin Aaron nickte.

      "Hey, Amanda. Da drüben sitzt ein junger Mann, der dich sehen will. Sein Name ist Aaron Al-"
      "Aaron?" Sie drehte sich hastig um und erblickte den Braunhaarigen. Die Frau am Empfang war ein wenig verwundert über ihre Reaktion, doch damit war ihre Aufgabe erledigt. Amanda ging auf die beiden zu und betrachtete Aaron die ganze Zeit.
      "Aaron.. du siehst.. du bist schon so erwachsen.." Ihr war durchaus bewusst, dass schon 20 Jahre vergangen waren, aber sie konnte es nicht glauben, dass er wirklich hier war. Sie wusste, dass Alexander ihm nicht erlauben würde, herzukommen.
      "Was machst du hier?", fragte sie deshalb etwas ungläubig. Sie freute sich über seinen Besuch und war gleichzeitig jedoch traurig, dass sie ihn so lange nicht gesehen hatte. Kaum war Aaron aufgestanden, umarmte sie ihn, womit Aaron nicht umgehen konnte. Er wurde noch nie so umarmt. Das letzte Mal zum Abschied seiner Mutter und erst jetzt zur Begrüßung.
      "Ich.. Mo sagte, dass ich dich besuchen soll...", erklärte er, woraufhin sich die Ärztin von ihm löste und seine Begleitung ansah.
      "Dann sollte ich mich wohl bei ihm bedanken.." Sie lächelte Mo zu und ging einen Schritt zurück.
      "Habt ihr Hunger? Lasst uns was essen gehen. Du auch, Mo. Schließlich hast du ihn überredet, nicht wahr?"
      Sie bezweifelte, dass Alexander sich geändert hatte und von seinem Tod hätte sie erfahren. Mo hatte Aaron also irgendwie dazu gebracht, gegen seinen Willen herzukommen.
      "Ja.. ohne ihn hätte ich mich nicht getraut..", gab Aaron zu und wurde etwas verlegen, weil er es versehentlich laut ausgesprochen hatte.
      Gleich um die Ecke gäbe es einen Italiener, wo sie sich weiter unterhalten könnten. Es wäre zumindest gemütlicher, als hier in der Eingangshalle.
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      - Eugene Ionesco

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    • Kurze Zeit später und Mo saß wieder neben Aaron im Auto. Scheinbar war es nun entschieden, dass er mitkam, auch wenn Mo weiterhin nicht ganz davon überzeugt war. Die Stille im Auto war erneut unerträglich, vor allem da er nicht wusste, wie lange sie nun fahren würden, schweigend, und er sich den Kopf zermaterte, wie die Mutter wohl war, wie sie auf ihn reagieren würde, ob er etwas sagen sollte oder doch lieber im Auto bleiben?
      Kurzerhand schaltete Mo das Radio ein. War immerhin ein wenig Hintergrundsound, dem er lauschen konnte, während er aus dem Fenster starrte und mit seinen Fingern trommelte.

      Irgendwann hielt Aaron an. Und fragte ihn, ob seine Mutter sich wohl freuen würde. Bis gerade eben noch war Mo fest entschlossen gewesen im Auto zu bleiben. Die Frage warf diese Entscheidung wieder um. "Ja?", antwortete knapp als halbe Aussage, halbe Frage. Natürlich würde sie sich freuen, da war er sich eigentlich sicher. Welche Mutter würde das auch nicht? Aber dann dachte er an seine und was, wenn Aarons Mutter sich doch nicht freute? Und aus diesem Grund stieg er doch mit aus und folgte Aaron ins Krankenhaus. Nur für den Fall...

      Aber das war natürlich unbegründet, denn sie freute sich und wie! Freundlich sah sie aus, richtig lieb und Mo fragte sich wie dieser Kotzbrocken an Colonel an so eine liebe Frau geraten war. Zufrieden sah er dabei zu, wie die beiden sich wiedersahen, wenn gleich dieses mulmige Gefühl nicht von ihm wich. Er rückte etwas beiseite, tat so als würde er sich die... eher dürftige Deko des Krankenhauses ansehen (war diese Blume hier in der Ecke echt? Nein, doch nur aus Plastik). Währenddessen stellte er sich die Reaktion seiner eigenen Mutter vor. Er würde sich wünschen, er könnte sich vorstellen es wäre so wie hier. Aber das konnte er nicht. Sie würde ihn wahrscheinlich eher zum Teufel jagen.
      Auf jeden Fall machte er sich ebenso bereit, demnächst dann klammheimlich zu verschwinden. Er hatte Aaron hergebracht, seine gute Tat war erfüllt. Seine nächste gute Tat sollte es sein, den beiden ihren Freiraum zu lassen. Er müsste vorher nur herausfinden, in welcher Stadt sie genau waren und wie er zurück kam... Aber darüber machte er sich wenig Gedanken. War auch nicht das erste Mal, dass er in einer fremden Stadt herumirrte. Das erste Mal nüchtern, zugegeben, aber nicht das erste Mal allgemein.
      Aber Mo wurde angesprochen, ob er nicht auch etwas essen wollte. Verwundert sah er zu den beiden zurück und ja doch, er hatte einen tierischen Hunger! Wieso kostenloses Essen ablehnen? Er könnte auch einfach während dem Essen die Schnauze halten und so tun als wäre er nicht da, damit die beiden ihre zwanzig Jahre nachholen konnten.
      "Tja, ich bin halt super überzeugend.", stimmte er kopfnickend zu und folgte den beiden dann ins Restaurant.
    • Amanda schien Mo zu mögen und gab ein zaghaftes Lachen, fast mehr ein Kichern von sich, als er meinte, er wäre super überzeugend. Aaron hatte er auch schon einmal zum Lachen gebracht und wäre er nicht so aufgeregt, hätte er darüber bestimmt wenigstens geschmunzelt. Doch stattdessen schwieg er, begleitete seine Mutter ins Restaurant. Es war gar nicht mal so klein und auch recht gut gefüllt. So nah am Krankenhaus kamen sicher viele Besucher-Patienten Combos hierher. Zum Glück nicht zu viele, sodass sie noch einen Tisch bekamen. Die Dekoration war ziemlich liebevoll. Ein Weinregal, das bis oben hin gefüllt war, als Raumtrenner. Ein paar Topfpflanzen, echte, und überall nette Tischdeckchen, die in der Mitte des Tisches unter einem roten Teelichtglas, sowie der Pfeffer- und Salzmühle und einigen Fläschchen, die mit Knoblauch- und Olivenöl gefüllt waren. Sehr gemütlich.

      Aaron saß neben Mo und gegenüber von seiner Mutter, die die beiden anlächelte. Ihr Lächeln war wirklich schön und beruhigte Aaron irgendwie. Zum Glück hatte Mo ihn hierzu überredet. Wobei Aaron sich auch nicht groß dagegen gewehrt hatte.
      "Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll..", gestand sie etwas verlegen und sah die beiden abwechselnd an. "Als erstes vielleicht.. Seid ihr beide ein Paar?", fragte sie neugierig und ihre Augen schienen dabei fast zu leuchten. Welche Mutter würde sich denn nicht für ihr Kind freuen, wenn es einen Partner hatte.
      Aber Mo und Aaron? Ein Paar? Das war ihre erste Frage?! Anscheinend hätte sie nichts gegen eine gleichgeschlechtliche Beziehung, aber Aaron hatte sich bisher keine Gedanken darüber gemacht, eine Beziehung zu führen. Geschweige denn, mit welchem Geschlecht überhaupt. Dennoch brachte ihn diese Frage sehr in Verlegenheit, weshalb er seinen Blick senkte.
      "Nein.. leider nicht.." Leider? Wieso leider? Das klang jetzt so, als hätte Aaron Interesse daran. Das sollte er schnell korrigieren.
      "Ich mein.. Ich hätte gern einen Freund, aber so gut kennen wir uns noch nicht", versuchte er zu erklären, doch irgendwie machte es die Situation nicht besser. Jetzt klang es so, als würde er auf Männer stehen. Er war doch sonst nicht so unbeholfen und redete komisches Zeug. Das musste die Aufregung sein. Aber Gott, war das peinlich! Hauptsächlich Mo gegenüber.
      "Aber du magst ihn, nicht?" Kichernd sah sie Aaron an, als würde es ihr Spaß machen, ihn aufzuziehen. Was sollte diese Frage? Ernsthaft?! Waren alle Mütter so grausam?! So diabolisch?
      "Äh.. Ja.. schon irgendwie.. aber in der Schule haben wir uns nicht so gut verstanden.." Konnte sie bitte aufhören, solche Fragen zu stellen? Aaron wusste gar nicht, was er darauf antworten sollte. Das wurde immer peinlicher. Er sollte mehr über seine Antwort nachdenken, bevor er den Mund aufmachte.
      "Naja. Jetzt seid ihr eben erwachsen. Da spielt es doch keine Rolle, was früher war."
      "Er ist jetzt auch viel netter zu mir.. Wir haben sogar einen Film geschaut." Daran war für Normalsterbliche vielleicht nichts besonderes, aber für Aaron war es das. Dennoch klang es ganz anders, als er wollte. Langsam wünschte er sich, im Erdboden versinken zu können oder von einer Anomalie gefressen zu werden.
      "Das freut mich.. Es muss dir nicht peinlich sein."
      DAS war ihm auch nicht peinlich! Das einzige was ihm peinlich war, waren ihre Fragen! Nein, eher seine Antworten darauf! Er sollte sich besser zusammenreißen.

      Zum Glück kam endlich ein Kellner, um ihre Getränkebestellung aufzunehmen. Beide bestellten lediglich Mineralwasser.
      Aaron starrte in die Karte und dachte nach. Er musste verhindern, dass sie noch mehr Fragen stellte, also musste er jetzt die Fragen stellen.
      "Hast du eigentlich.. eine neue Familie..?"
      "Ja.. Ja, habe ich.. Ich habe einen liebevollen Ehemann und einen 12jährigen Sohn. Ich würde dich ihnen gern vorstellen, wenn du das möchtest."
      "Ich weiß nicht.." Was, wenn sie ihn nicht mochten? Wäre es nicht total seltsam, wenn er so plötzlich auftauchte?
      "Du musst nicht sofort antworten. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn du mich öfter besuchst."
      "Ja.. ich mich auch.." Auch wenn sie jetzt keine komischen Fragen mehr stellte, war die Stimmung immer noch eigenartig. Aaron wusste nicht, worüber er reden sollte und sie wollte ihn wohl nicht weiter mit irgendwelchen Fragen bedrängen. Gott sei Dank. Sein Herz schlug viel zu schnell und seine Hände fühlten sich irgendwie schwitzig an. Er hatte sich nicht ein einziges Mal getraut Mo anzusehen, seit sie hier waren. Vermutlich amüsierte er sich gerade köstlich darüber, dass Aaron so vorgeführt wurde.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • So gut es ging versuchte Mo sich im Hintergrund zu halten. Er war nur noch wegen dem Essen hier. Weder wollte er sich dazwischen drängeln und den beiden den Raum nehmen, sich ordentlich kennenzulernen, noch war er überhaupt scharf darauf im Lampenlicht zu stehen. Er konnte ja noch nicht einmal peinliche Geschichten über ihn erzählen; jedenfalls keine ohne dass sie mit einer Faust in der Magengrube geendet hatte.
      Sie setzten sich an einen freien Tisch und Mo beschäftigte sich damit, dem kleine Pflänzchen, das als Deko neben der Kerze auf dem Tisch stand, an seinem Blatt rumzuzupfen. Als die freundliche Dame -- Amanda -- dann aber ihre Fragen stellte, hielt Mo nicht nur inne, als er Aarons Antwort vernahm, er riss dem armen Pflänzchen sogar versehentlich und vor Schreck einen Teil seines Blatt ab.
      Er hatte vor Aaron antworten wollen. Sie? Ein Paar?! Pah, ja, nee, klar! Doch Aaron war schneller und Mo sah ihn erschreckt, das Stück Pflanze zwischen seinen Fingern, an. Wie bitte? Leider?!
      Röte schoss ihm in den Kopf, während Aaron sich um Kopf und Kragen redete. Klar, Aaron war bestimmt nicht der hässlichste Kandidat auf diesem Planeten und angenommen sie wären die letzten verbliebenen Menschen auf der Welt, na ja. Mo würde ihn dann wohl nicht ablehnen. Aber das war auch die Voraussetzung, die erst mal erfüllt werden musste!
      Amanda schien auch ihren Spaß dabei zu haben, zumindest schien sie sehr zufrieden zu kichern. Und als Aaron von der Schule sprach, konnte Mo sich nicht mehr halten und trat unter dem Tisch nach Aarons Fuß, sah ihn böse an.

      Der Kellner war wie eine Rettung, als der endlich kam. Aaron und Amanda bestellten ein Wasser, Mo brauchte vor allem nach diesem Schock (Aaron und Mo ein Paar... sahen sie etwa nach einem aus!?) etwas Stärkeres und bestellte sich einen dieser italienischen Weine.
      "Klar will er.", mischte Mo sich schließlich doch ein, weil Aarons zögerliche Art ihm auf den Sack ging. "Ein paar vernünftigere Menschen als Familie würden Einst-- ich meine Aaron bestimmt nicht schaden." Das war ihm mehr oder minder einfach so herausgerutscht; er hatte jedenfalls nicht bewusst über seinen Vater lästern wollen. Aber Aaron saß hier mit einem Arm, der sich keinen Zentimeter breit entscheiden konnte, ob er nun grün, blau oder lila war und hätte Mo ihn nicht auch zu dem Training überredet, würde Aaron genau jetzt mit dem anderen Arm in einem anderen Spalt stecken. Da war das hier doch viel netter. Zumal Amanda wahrscheinlich noch viel besser wusste, wovon Mo da sprach.
      Er war trotzdem froh, dass die Getränke gebracht wurden und er sich hinter seinem Weinglas verstecken konnte, bestellte sich eine Lasagne und rutschte tiefer in den Stuhl.
    • Unsicher, ob Mo's Gegenwart nun ein Segen oder ein Fluch war - mal so, mal so - sah er nun doch etwas verwundert zu ihm. Er kassierte einen Tritt, weil er fast etwas von den Prügeleien ausgeplaudert hatte, aber Mo war kein bisschen besser. Doch er bekam gerade so noch die Kurve.
      "Ahhh.. du kennst also Alexander?", fragte sie und legte ihren Kopf in ihre Handfläche, während sie die beiden betrachtete. So wie Mo sich da einmischte, war es kein Wunder, dass sie dachte, sie wären ein Paar.
      In der Zwischenzeit hatte Aaron die Carbonara und Amanda die Tagliatelle al Salmone bestellt. Wenigstens verlief es jetzt etwas weniger peinlich.
      "Benjamin ist ein wirklich netter Kerl. Aufrichtig, witzig und ein riesiger Tollpatsch. Er würde sich auf jeden Fall freuen, dich zu treffen. Er liegt mir auch schon eine Weile damit in den Ohren, dass ich doch einfach zu dir fahren soll. Aber ich wollte Alexander nicht über den Weg laufen.." Ihr neuer Ehemann wusste von Aaron, aber offensichtlich war sie genau so feige wie Aaron. Sein Vater war immerhin auch ein sehr dominanter Mensch.
      Sie stellte nicht eine Frage darüber, was Aaron beruflich machte, denn das konnte sie sich schon denken. Immerhin hatte Alexander Aaron's Leben schon von A bis Z geplant gehabt. Weil sie es nicht länger mit ansehen konnte, war sie gegangen. Ob das die richtige Entscheidung war, wusste sie nicht. Für sie offenbar schon, aber für Aaron? Für ihn hätte ihre Anwesenheit vermutlich kaum einen Unterschied gemacht..
      Nun hob sie ihren Kopf wieder und legte ihre Arme auf dem Tisch ab.
      "Ich.. komm mir so egoistisch vor.."
      "Nein!", schoss es aus ihm heraus, da er sie nicht so betrübt sehen wollte. Ihr Lächeln war viel schöner. "Ich bin froh, dass du jetzt ein schönes Leben hast.. Du hättest eh nichts ändern können.." Das meinte er nicht einmal böse, doch das war ihnen beiden nur zu gut bewusst.
      "Und was ist mit dir? Du bist volljährig. Er kann nicht mehr über dich entscheiden. Du kannst alles hinwerfen und der sein, der du selbst sein willst." Zumindest hoffte sie, dass Aaron dazu fähig war.
      "Mo hilft dir bestimmt!", meinte sie mit einem breiten Lächeln und lehnte sich zurück, als das Essen serviert wurde.
      Mo sollte ihm helfen, er selbst zu werden? Wer wollte er denn überhaupt sein? Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Ein paar Wünsche fielen ihm dabei aber ziemlich schnell ein, weshalb er seinen Blick senkte.
      "Wenn ich das tue.. Wer hilft dann den Menschen? Ich kann sie doch nicht im Stich lassen.." Vor allem nicht, weil sie mit dem Medaillon womöglich mehr erreichen könnten, als zuvor. Aaron konnte sich nicht vorstellen, so egoistisch zu handeln.
      "Tut mir leid, da habe ich mich wohl etwas mitreißen lassen. Du musst ja nicht alles hinwerfen.. Aber du könntest ausziehen. Dein Job ist dein Job, aber alles drumherum solltest du selbst gestalten können, nicht? Du könntest dir noch mehr Filme ansehen!", schmunzelte sie, da sie sich schon denken konnte, was für eine einmalige Besonderheit das für ihn war. Niemand erzählte so freudig, dass er einen Film geschaut hatte.
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      - Eugene Ionesco

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    • Er war schon etwas stolz auf sich, das Gespräch am Laufen gehalten zu haben. Dieses Gesprächsthema gefiel ihm auch viel besser als dieses Gefasel von Beziehungen, vor allem weil die Mutti ganz seiner Meinung zu sein schien. Er schüttelte den Kopf auf die Frage, ob er Alexander kannte -- nicht persönlich und das durfte auch so bleiben. Menschen wie er machten Mo viel zu schnell wütend und das würde nicht gut augehen.
      Das Essen wurde vor ihnen auf den Tisch gestellt und Mo wartete nicht auf eine Erlaubnis, schnappte sich das Besteck und schaufelte sich die Lasagne in den Mund. Sie schmeckte so gut wie sie roch; konnte aber auch daran liegen, dass Mo erstens echt hungrig gewesen war und zweitens sich die letzten Tage und Woche von nicht viel Anständigem ernährt hatte. Manchmal nahm er sich sogar vor zu kochen, hielt das zwei Tage lang durch, bis Fast Food doch bequemlicher war. Doch wann er das letzte Mal in einem richtigen Restaurant war, das weder Burger noch King im Namen stehen hatte? Musste ewig her sein. Möglicherweise bei dem Geburtstag seiner Oma, zumindest schoss es ihm gerade in den Kopf. Aber die Gute war nun auch bereits seit vielen Jahren verstorben.

      Fast hätte er mit vollem Mund 'Siehst du? Das hab ich dir auch gesagt!' dazwischen geredet, aber die Lasagne schmeckte zu gut und lieber schaufelte er sich die nächste Gabel hinein, weswegen er sich nun doch verschluckte, als es hieß, er solle Aaron dabei helfen. Wobei genau? Beim ausziehen? Bei Aarons Selbstfindung?
      Überraschte ihn selbst, dass er das gar nicht mal so abwegig fand. Irgendwie wollte er das sogar. Ihm helfen. Bei was auch immer. Ein wenig von allem vielleicht.
      Verspielt setzte er ein Schmunzeln auf die Lippen. "Hab ich dir gesagt, dass es nach Herr der Ringe auch noch Der Hobbit gibt? Und du bist bestimmt der Typ, dem Frozen gefallen wird." Er lachte leise, ehe er sich einen Schluck vom Wein genehmigte, Aaron einen mit gehobener Braue herausfordernden Blick zuwarf. Es machte ihm Spaß, ihn ein wenig aufzuziehen, vor allem da dieser gar nicht wusste, wovon Mo genau eigentlich sprach. Aber sich Aaron als Eisprinzessin vorzustellen war gar nicht mal so unwitzig.
      "Auf jeden Fall ist deine Ma echt nett. Du solltest auf sie hören."
    • Der Hobbit? Wieviele Filme gab es denn davon? Aber Aaron würde sie alle gern sehen. Bei Frozen zog er allerdings eine Augenbraue hoch. Nicht, weil es ihm was sagte - er hatte keine Ahnung - sondern weil es ihm wie eine Anspielung auf seine Eismagie vorkam. Zum Glück hatte er gerade den Mund voll und konnte nicht nachfragen, als seine Mutter ebenfalls lachte.
      "Das ist echt süß von dir, Mo." Sie war irgendwie viel zu amüsiert und schmunzelte schon die ganze Zeit vor sich hin.
      "Ihr habt also Herr der Ringe geschaut?"
      "Ja." Aaron war kaum zu bremsen, als er begann den Inhalt zusammenzufassen, obwohl er gar nicht wusste, ob sie den Film kannte oder nicht. Tat sie. Aber sie fand es viel zu schön ihm zuzuhören. Ihr Sohn war schon ein sehr spezieller Fall. Den einen Moment sagt er noch so dahin, dass er die Menschheit retten muss - wie ein Held. Und den anderen erzählte er voller Begeisterung von einem Film, als wäre er ein Kind. Man könnte das wohl als ziemlich traurig ansehen, dass er nie eine richtige Kindheit hatte, aber umso mehr freute sie sich, dass er es jetzt nachholen konnte.
      Beziehung hin oder her. Mo schien ihm ganz gut zutun, was sie unheimlich freute. Deswegen könnte sie nur unterstützen, dass er mehr Zeit mit ihm verbrachte.
      "Wann können wir uns denn den nächsten Teil ansehen?", fragte er schließlich an Mo gewandt.
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      - Eugene Ionesco
    • Während Aaron den Film zusammenfasste, obwohl Mo sich ganz schön sicher war, dass es bis auf ihn keinen einzigen Menschen gab, der den nicht bereits kannte, aß er seinen Teller auf. Er hörte nur halb zu, schließlich hatte er den Film schon so oft gesehen, er brauchte auch keine Zusammenfassung mehr. Trotzdem hatte er noch nie erlebt, dass jemand so eifrig die Handlung und Charaktere beschrieb. Das war fast schon süß. Aber nur fast!
      Da Aaron mit dem vielen Reden beschäftigt war, war sein Teller noch nicht leer, als Mo bereits fertig war. Und er fragte sich, wie die Spaghetti von ihm schmeckten; wollte ihn nicht unterbrechen und anstelle zu fragen, tauchte er seine Gabel auch ohne Erlaubnis in sein Gericht, drehte sich ein paar Nudeln auf das Besteck und aß dann auch diesen Happen. Genau wie er es mit der Pizza getan hatte, nur konnte er Aaron dieses Mal nichts im Austausch anbieten, hatte das ja schon aufgegessen. Darüber machte er sich aber weniger Sorgen; fast hätte er dasselbe auch mit Amandas Teller getan, aber sich ganz quer über den Tisch zu beugen war ihm zu mühsam. Also genügte er sich damit, Aarons Teil probiert zu haben, ehe er sich mit vollem Bauch wieder in seinen Stuhl sinken ließ und gähnte.
      Mitten in der Erzählung musste Aaron aufhören, die Geschichte der Hobbits zusammenzufassen, denn er wusste schließlich noch nicht, wie es weiterginge. Offenbar wollte er jedoch gerade das nachholen.
      Mo fummelte sein Handy aus der Jacke, die er über die Stuhllehne hinter sich gehängt hatte und sah auf die Uhr. Ein paar seiner Mobile Games beschwerten sich hatten ihm eine Nachricht gesendet, dass er Münzen einzusammeln hatte, genug Energie hatte, um wieder jemanden anzugreifen usw. Dass er den gesamten Tag nicht wenigstens einmal ein Spiel für nebenbei gespielt hatte, war auch selten, zeigte ihm jedoch auch, wie lange Aaron und er heute schon zeit miteinander verbracht hatten. Fast den gesamten Tag. Nun wars abends, Aaron hatte bereits angekündigt, dass es spät werden würde, bis sie nach Hause kommen würden. Und sein Auto stand auch noch vor dem Haus der Alisters. Zumindest solange der Colonel es nicht hatte abschleppen lassen.
      "Heute hab ich erst mal genug von dir. Morgen oder so?" Er steckte das Handy wieder weg. Jetzt, als sein Magen voll war, merkte er schon, dass er recht müde wurde. Das war eindeutig zu viel sozialer Kontakt für einen Tag für ihn und er war froh, als der Kellner für die Rechnung vorbeikam.
      Er schlüpfte also wieder in seine Jacke, ärgerte sich nochmal kurz über den verbrannten Ärmel und wandte sich dann wieder an Aaron. "Bereit zu fahren oder willst du noch bleiben?" Er nickte nochmal deutend zur Mutter; vielleicht wollte Aaron ja über Nacht bleiben oder... für immer. Mo wollte ihm da nicht im Wege stehen, aber für ihn sollte der Ausflug nun ein Ende haben.
    • Das Mo sich einfach an seiner Portion bediente, überraschte Aaron nur wenig. Schließlich tat er immer, wonach ihm der Sinn stand. Warum sollte er sich also darüber beschweren? Für seine Mutter sah das allerdings wieder sehr eindeutig aus. Diese Selbstverständlichkeit, die sie beide dabei demonstrierten. Doch sie entschied sich dazu zu schweigen.
      "Ja, klar. Morgen oder so." Er wollte Mo ja auch nicht zur Last fallen, da er sicher auch noch besseres zutun hatte, als mit ihm abzuhängen. Dann hatte er ihn auch noch mit hierhergeschleppt. Das sollte wohl für einen Tag genügen.
      Seine Mutter duldete keine Widerrede und zahlte die Rechnung. Mo war das bestimmt Recht und Aaron war noch nie gut im Widersprechen. Außer jemand erzählte fachlichen Unsinn.
      "Nein, nein. Ich fahr dich nach Hause." Oder zu ihm nach Hause? Sein Auto stand schließlich noch da. Allerdings wäre sein Vater nun auch zuhause und wer wusste schon, wie er auf Mo reagieren würde.

      Nachdem er sich also von seiner Mutter verabschiedet und sie ihre Nummern ausgetauscht hatten, kehrte Aaron mit Mo zum Auto zurück.
      "Soll ich es behalten oder willst du es wieder mitnehmen?", fragte er und holte das Medaillon aus der Tasche, nachdem er sich ins Auto gesetzt hatte.
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      - Eugene Ionesco
    • Mo protestierte ganz sicher nicht; er hatte noch nicht einmal sein Portemonnaie dabei, um selbst zahlen zu können.
      Sie verabschiedeten sich von Amanda, sie drückte Aaron zum Schluss nochmal, Mo gab ihr nur die Hand und dann saßen sie wieder im Auto.
      "Zu dir. Ich will mein Auto nicht abholen müssen." Er hatte auf der Straße vor dem Haus geparkt, nicht direkt auf der Einfahrt. Da die Alisters aber so abgeschieden wohnten, war wahrscheinlich trotzdem kein Sherlock Holmes notwendig, um zu begreifen, wieso der Wagen gerade dort stand. Auch wenn der alte Corsa sehr schlecht zu dem Rest der Umgebung passte; aber dasselbe galt irgendwie für Aarons Auto auch, so im Vergleich zum Anwesen zumindest. Da erwartete man eher einen Porsche oder Tesla oder sowas. Na ja, wie auch immer. Mo machte sich da nicht so viel draus. Es fuhr. Das war die Hauptsache.
      Als Aaron ihm die Münze hinhielt, nahm Mo sie leicht zögerlich an sich. Er musste sie nur gut verstauen, dann würde auch schon nichts passieren. Und lieber sie war bei ihm als dass sie von irgendwem gefunden wurde, der lieber andere Soldaten mit der Nutzung beauftragte.
      Aaron fuhr also los, Mo schaltete wieder das Radio ein und war nach nur wenigen Minuten im Wagen mit dem Kopf am Fenster gelehnt eingeschlafen. Dabei hatte er ihn eigentlich noch fragen wollen, ob er sich seine Mutter so vorgestellt hatte oder ob sie ganz anders war...

      Erst als Aaron hielt, wachte Mo wieder auf und lieber hätte er weiter geschlafen. Sonderlich große Lust, nun selbst weiterzufahren hatte er kaum, aber da war nun auch nichts mehr dran zu ändern.
      Er stieg aus, rieb sich die Augen und suchte nach seinen Schlüsseln in der Tasche. Sollte er sich jetzt für den Tag bedanken? Nee, lieber nicht; das war nicht sein Stil. Zumal nicht alles gut heute war. Aber ihm hatte der Abend gefallen.
      "Wir sollten morgen nochmal zu diesem Ort da fahren. Treffen wir uns dort? Außerdem schuldest du mir noch ein Bier. Du hast vorhin verloren, erinnerst du dich?"
    • Die Fahrt war nicht besonders spektakulär, da Mo auch eingeschlafen war und Aaron ihn schlafen ließ. Das er das Medaillon aufbewahrte, war ihm auch recht. Bei Aaron wäre sie genau so sicher, aber irgendwie fühlte es sich ein wenig besser an, wenn sie bei Mo blieb.
      Sich morgen an ihrem scheinbar neuen Trainingsplatz zu treffen, war Aaron ganz recht, allerdings stutzte er ein wenig wegen des Biers. Es war doch nie die Rede davon, dass Aaron ihm eines ausgeben würde, oder? Er hatte nur gesagt, dass Aaron eines bekäme, wenn er es schaffte. Doch vielleicht funktionierten Wetten einfach so, dass das gegenteilige automatisch eintrat.
      "Okay..", sagte er und nickte. Sollte ihm Recht sein. "Dann bis morgen. Gute Nacht.."

      Nachdem sie sich verabschiedet hatten, ging Aaron ins Haus. Die drei Schlafzimmer und das Studienzimmer waren oben. Unten befanden sich das eigentliche Wohnzimmer, das kleine Esszimmer, welches für die Drei vollkommen ausreichte und das Arbeitszimmer seines Vaters, unter dessen Türschwelle noch immer Licht drang. Dabei war es schon fast Mitternacht. Überstunden waren für den Colonel aber auch nichts neues und Aaron wunderte sich nicht darüber. Colonel Alexander Alister hatte zwar einige fragwürdige Seiten an sich, aber eigentlich war er ein guter Mensch. Mehr als jeder andere vermutlich. Er war kein Tyrann, der Aaron und Alice knechtete. Er war ein Mann, der sein Leben der Menschheit verschrieben hatte. Er verlangte von Aaron also nichts, was er nicht selbst bereit war zu geben. Als Soldat betrachtet, war er also so etwas wie ein Paradebeispiel. Väterlich mochte er hingegen eine Katastrophe sein. Deshalb konnte Aaron auch nicht wütend auf ihn sein. Er versuchte nur das Richtige zutun. Das richtige, für die Mehrheit. Denn die Leben vieler wog nun mal mehr als das Leben eines einzelnen.

      Aaron zog sich um und betrachtete sich einen Moment in dem großen Spiegel an seinem Schrank. Zum Glück hatte er ein langärmliges Sweatshirt angehabt, sonst wäre seine Mutter vielleicht besorgt gewesen. Nicht nur sein Arm strahlte in den verschiedensten Farben, auch Teile seines Bauches. Dennoch konnte man wohl sagen, dass er es ziemlich gut verkraftet hatte. Nicht nur diese Wunden, sondern auch die Überdosis. Möglicherweise hatte er das ja auch dem Medaillon zu verdanken. Wie, wusste er noch nicht. Aber es war auch immer noch ein vollständiges Rätsel für ihn. Wie dem auch sei.
      Als er im Bett lag, sah er noch eine Weile auf sein Smartphone, das in nicht einmal einer Woche gleich um zwei Nummern voller war. Mit einem dezenten Lächeln legte er es beiseite und schloss seine Augen, um nicht sehr viel später einzuschlafen.

      Dem Wecker gehorchend, stand er auf, nahm eine Dusche und aß auch zu Frühstück, bevor er sich zum Treffpunkt begab. Hoffentlich kämen sie heute ein gutes Stück voran.
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      - Eugene Ionesco
    • Normalerweise verschlief Mo, aber am heutigen Tag war er vergleichsweise früh auf den Beinen. Auch blieb er nicht ellenlang im Bett liegen, daddelte nicht unnötigerweise am Handy, sondern erob sich direkt, machte zum Wachwerden ein paar Liegestützte und schlurfte dann ins Bad, um sich anzuziehen und zu waschen.
      Er war ganz gut gelaunt, die Sonne schien und es wurde von Tag zu Tag wärmer; aber vor allem freute er sich richtig darauf, nochmal mit Aaron und dem Medallion zu trainieren.
      Der gestrige Tag war... vieles gewesen. Er hatte seine Hoch-, aber auch Tiefpunkte gehabt und so aufregend wie gestern musste heute nicht unbedingt werden, auf alle Fälle wollte aber heute ein paar mehr Feuerkunststückchen erlernen. Und zwar auf Kommando, nicht mehr nur aus Versehen.

      Das Medallion lag auf dem Beifahrersitz und befand sich in seiner Jackentasche -- zum Glück! Denn auf der Strecke zu dem abgelegenen Ort, an dem Aaron und Mo sich treffen wollten, herrschte ganz schön viel Stau auf den Straßen und einiges an Mos guter Laune verflog. Scheinbar war eine kleine Anomalie aus einem Spalt entkommen und sorgte in sofern für Chaos. Polizisten standen in der Mitte des Getümmels und versuchten, die vielen Autos zu navigieren. Mo war sich unsicher, ob sie den Stau wirklich in Grenzen hielten oder ihn nicht sogar verschlimmerten.
      Die Gefahr war laut den Nachrichten schon gebannt; bzw. hatte es sich wohl allgemein um keine allzu gefährliche Situation gehandelt, behaupteten zumindest die Sprecher. Dafür war die Anomalie zu klein und zu schwach, wodurch die Situation wohl schnell geklärt worden war. Sah durch das viele Gedränge dank den Absperrungen und den vielen Umleitungen von der Hauptstraße zu engen, schmaleren Nebenstraßen anders aus, aber was wusste er schon.
      Mo hätte es sicherlich auch mit der Angst zu tun bekommen können, denn so nah, hier, in dieser Stadt... das war bisher noch nicht vorgekommen. Die Welt war groß; da konnte man schon von Pech reden, wenn ein Tor gerade vor der Haustür auftauchte. Aber diesen Fakt verdrängte er gekonnt und überspielte ihn stattdessen mit Wut. Ärger über die vielen Polizisten auf der Straße; Gereiztheit nun so lange hier zu stehen und Aaron wahrscheinlich warten zu lassen (und Mo war ja nun auch nicht der geduldigste Mensch); Wut über die verdammten Idioten auf der Straße, die allesamt das Reißverschlussverfahren nicht verstanden, ... Nicht selten fluchte er, nicht selten schlug er genervt gegen das Lenkrad und rief den Fahrern vor sich, hinter sich, neben sich beleidigende Schimpfwörter zu. Hätte er das Medallion bei sich getragen, man hätte gleich noch die Feuerwehr dazu rufen können.

      Es ärgerte ihn, dass er pünktlich aufgestanden war und trotzdem viel zu spät bei ihrem Treffpunkt ankam. Mo hielt hinter Aarons Auto, steig aus und knallte die Tür von seiner Klapperkiste so fest zu, dass sie laut ins Schloss schepperte. Aber sein Wagen war ohnehin nicht mehr der neuste, schon gar nicht der schnellste und entschieden nicht der hübscheste, also was soll's.
      "Hi." Mit den Zähnen knirschend ging er um das Auto herum, öffnete die Beifahrertür, um das Medallion aus seiner Jacke zu fummeln, ließ die Jacke aber im Auto und knallte auch diese Tür (ein wenig sanfter). Das Medallion warf er dann schnell Aaron zu. "War nicht meine Schuld.", murmelte er dann noch bezüglich seiner Verspätung ohne es zu wagen Aaron dabei anzusehen und begab sich in Richtung des Flusses.