If We Don't Lie (Kiimesca & Minamimoto)

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    • Nur mit Training..
      "Ist gut." Training konnte er haben. Das Schwert natürlich auch. Dafür würde er schon sorgen können. Die Anomalien waren derzeit unter Kontrolle, daher sollte es sich einrichten lassen. Natürlich war es wichtig, sich nicht nur zu verteidigen, aber solange nicht wieder ein Notfall eintrat, sollte es kein Problem darstellen.
      "Ja. Mir würde man sogar glauben, wenn ich von fliegenden Schweinen erzähle", versuchte er zu scherzen und lächelte. Das würde man wirklich. Einer der Vorteile, wenn man der Sohn des Colonels war.
      Also gab er Mo seine Handynummer, ehe er aufstand, um sich zu verabschieden. Er wäre durchaus länger geblieben, aber er war jetzt voller Tatendrang.
      "Ich melde mich bei dir. Danke für den Film. Der war wirklich gut." Er lächelte noch einmal, ehe er sich auf den Weg machte. Doch er ging nicht zurück ins Krankenhaus, sondern fuhr nach Hause, wo sein Vater ihn etwas überrascht empfing. Positiv überrascht. Aaron schien bereit zu sein, was ihn zufrieden stimmte.
      Selbst zuhause hing sein Vater über den Unterlagen, wälzte Berichte aus unterschiedlichen Regionen und teilweise sogar aus weit entfernten Ländern. Die Lage war schließlich ernst und die Anomalien machten keinen Unterschied, ob sie nun in Asien, Europa, den USA oder sonst wo waren. Doch als Aaron vor seinem Schreibtisch Platz nahm und um ein Gespräch bat, ließ er die Unterlagen ruhen.
      Aaron erzählte ihm mehr über den Einsatz, über das Medaillon und das er glaubte, es wäre eine Art Magie, die ihm inne wohnte. Vor allem, dass er es ohne diese Magie und Ridley nicht geschafft hätte. Sein Vater grübelte und man sah ihm an, dass er seine Pläne nur ungern über den Haufen warf. Nicht, weil es eigenartig wäre, das Kommando zurückzurufen, sondern weil er Dinge ungern aufschob. Wie Aaron allerdings schon sagte, würde er ihm aktuell sogar fliegende Schweine abkaufen. Was allerdings auch an Aarons vorbildlichem Verhalten lag. Wenn es jemanden gab, dem der Colonel blind vertraute, dann ihm. Auch wenn er es nie so sagen würde, war er schon stolz auf ihn. Oder vielleicht auch mehr stolz auf sich selbst, dass er Aaron zu dem gemacht hatte, was er nun war.

      Am nächsten Tag, es war Samstag, ging Aaron hinaus in den Garten. Er hatte zuhause geschlafen, ein ordentliches Frühstück und eine Dusche hinter sich. Ihr Garten war alles andere als gewöhnlich. Keine Blumen, Bäume oder Kinderspielsachen. Sondern Klettergerüste, Zielscheiben. Es glich schon mehr einem Trainingscamp.

      Ein junges Mädchen mit dunklen Haaren spannte gerade einen Bogen und verfehlte das Ziel knapp.
      "Du musst den Ellenbogen höher heben. Auch deine Hand ist zu weit vom Gesicht entfernt..", meinte Aaron und legte seine Hand an ihren Arm, um ihre Haltung zu korrigieren. Sie sagte nichts, konzentrierte sich und traf dieses Mal fast die Mitte. So ging das noch eine Weile, während Aaron mit seinem linken Arm ein paar Schwerthiebe vollzog.
      In der Pause saßen sie gemeinsam auf einer Bank und tranken frisches Wasser, das ihnen ein Hausmädchen brachte.
      "Was ist mit deinem Arm? Hast du ihn wieder irgendwo reingesteckt?" Die Stimme des Mädchens klang sogar noch kühler, als die von Aaron. Dabei war sie gerade mal 14 Jahre alt und seine Schwester. Ihr Verhältnis glich allerdings mehr dem von Kameraden.
      "Ich habe die zweite Ebene untersucht."
      "Es gibt also noch mehr Ebenen?"
      "Ja."
      Ob Mo wohl kommen würde? Er hatte ihm vor einer Weile eine Nachricht geschrieben, dass er zu ihm kommen könnte, um zu trainieren. Sein Vater wäre sowieso den ganzen Tag unterwegs und seine Schwester würde auch bald zum Unterricht ins Haus gehen. Hier hätten sie also mehr Ruhe, als auf dem Militärgelände.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Aaron meldete sich wirklich schnell wieder; gleich am nächsten Tag. Mo lag noch im Bett, verwechselte die Vibration mit dem Wecker und versuchte daraufhin das bereits wieder stumme Handy (immerhin war es nur eine Nachricht) auf Snooze zu stellen.
      Reichlich verwirrt nahm er das Telefon letztendlich in die Hand und blinzelte verschlafen auf das Display beim Versuch, den Wecker um fünf Minuten nach hinten zu verlegen. Da das nicht möglich war und er sich stattdessen fragte, was diese Buchstaben dort auf dem Bildschirm, der ihm hell gegen das Gesicht strahlte, bedeuten sollten, wurde er so langsam doch wach. Und so kam es, dass Aaron der erste sein sollte, an den Mo an diesem Tag denken sollte, denn dieser lud ihn zu sich nach Hause ein. Zum Training.
      Wieso wunderte es ihn eigentlich nicht, dass dieser so früh schon voller Tatendrang war?

      Sein erster Impuls war es, sich umzudrehen und weiterzuschlafen. Aber kaum hatte Mo beide Arme auf dem Rücken liegend von sich gestreckt, wurde ihm bald klar, dass das nicht mehr funktionierte. Sein Hirn arbeitete bereits. Fragte sich, wo und wie Aaron wohnte. Warum sie sich bei ihm trafen und nicht in irgendeiner extra Halle zum Üben; das Militär hatte doch sicherlich sowas. Und da Aaron schließlich noch bei seinem Vater unter einem Dach wohnte; würde er die Familie kennenlernen?
      Vor allem letzteres bereitete ihm Bauchschmerzen. Hoffentlich nicht. Zum einen, weil es ein noch mulmigeres Gefühl war, die Eltern des Schulkameraden zu treffen, den er in der Schulzeit ordentlich vermöbelt hatte. Zum anderen, weil er noch nie gut mit Eltern war, weder mit seinen eigenen, noch mit denen von anderen (Eltern schienen ihn aus Prinzip nicht zu mögen und das beruhte meist auch auf Gegenseitigkeit) und drittens konnte er nicht versprechen, seine Klappe vor dem Colonel halten zu können und ihm stattdessen ordentlich die Meinung zu geigen.

      Er hatte das Medallion mitgenommen. Zwar dachte er, dass es hier draußen nicht funktionierte, aber vielleicht wollte es sich Aaron nochmal ansehen. Außerdem hatte er das Gefühl, dass es sich in seiner Tasche doch ein ganz klein wenig wärmer anfühlte... Oder war das Einbildung?
      Nun stand er vor Aarons Haus und staunte nicht schlecht, was... die Größe betraf. Es lag abgeschiedener weiter außerhalb der Stadt und war... riesig. Besser könnte Mo es nicht beschreiben. Ein wenig eingeschüchtert stieg er die paar Stufen zur Haustür hoch und betätigte fast schon zaghaft die Klingel. Danach war es zu spät, einen Rückzieher zu machen, denn aus dem Alter von Klingelstreichen war er herausgewachsen, und konnte nur noch hoffen, dass Aaron selbst öffnen würde.
    • Es war eine ältere Dame, das Hausmädchen, die die Tür öffnete, um Mo zu empfangen.
      "Guten Tag. Sie müssen Mr. Ridley sein. Mr. Alister erwartet Sie bereits. Hier entlang bitte." Bis auf Aaron, seiner Schwester und ihrem Lehrer, sowie dieser Dame war niemand im Haus. Seine Mutter wohnte hier nicht, ebenso wenig Alice's Mutter, die eine andere war. Sie waren also genauer gesagt Halb-Geschwister.
      Als Mo im Garten erschien, kam Aaron auf ihn zu und lächelte sanft.
      "Schön, dass du gekommen bist. Ich dachte, dass wir hier etwas mehr Ruhe hätten." Keine Kameraden, die ihnen zusehen könnten. Obwohl es das erste Mal war, dass er Besuch hatte.
      "Wir haben eine, vielleicht auch zwei Wochen Zeit zum Trainieren." Sie könnten sich ja nicht nur auf die Magie verlassen. Erst Recht nicht, wenn es ein Limit gab. Wenn sie es außerhalb der Risse nicht verwenden könnten, könnte Aaron auch nicht damit üben. Mo könnte allerdings mit dem Schwert üben. Für ein Feuerwaffentraining könnten sie zur Übungshalle der Basis fahren. Alles andere könnten sie hier vertiefen.
      "Also.. womit möchtest du anfangen?", fragte Aaron voller Elan und gab Mo die Möglichkeit sich genauer umzusehen. Schwertkampf, Bogenschießen, ein paar kleine Ausdauerübungen. Später könnte er auch gegen Aaron kämpfen, wobei Mo vermutlich nicht den Hauch einer Chance hätte, würde Aaron wirklich ernst machen.
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      - Eugene Ionesco

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    • Als die ältere Frau die Tür öffnete, rechnete Mo damit, die Mutter vor sich stehen zu haben. Sofern er sich erinnern konnte, war keiner der beiden Elternteile je beim Elternsprechtag erschienen... Wohl zu Mos Glück; noch ein wütendes Elternpaar wäre womöglich sein Tod gewesen, vor allem wenn es die von Aaron gewesen wären. Und dabei konnte er nur darüber sinnieren, ob Aarons Eltern ihn umgebracht hätten oder sein eigener Vater, wenn er deswegen von der Schule geflogen wäre; etwas, das zu oft auf der Kippe gestanden hatte. Und etwas, auf das Mo nie einen Deut gegeben hatte.
      Erst, als die freundlich wirkende Frau mit Schürze um ihre Hüfte ihm gegenüber so höflich und vornehm sprach, bezweifelte Mo, es mit der Mutter zu tun zu haben und folgte ihr insofern durch das Anwesen. Obwohl. Aaron nannte seinen Vater auch den Colonel. Vielleicht war diese Familie einfach von vorne bis hinten merkwürdig.
      Die Dame brachte ihn durch mehrere Räume bis zum Garten und Mo staunte wirklich nicht schlecht über dieses Haus. Alles erschien ihm so riesig. Aber irgendwie auch leer. Bis auf die vornehme Frau und im Garten dann Aaron begegnete er keinem einzigen Menschen. Wozu hatte man also so viel Platz, wenn es keinen gab, der ihn nutzte?
      Doch erst im Garten angekommen, der nicht etwa mit hübschen Blumen bepflanzt worden, einem großen Pool oder einer Hollywood-Schaukel ausgestatt war, belächelte Mo sich selbst. Wie dumm er doch gewesen war. Wie sehr er Aaron und auch andere Kinder früher beneidet hatte für ihr Geld, für ihre Familie. Und auch wenn es ja irgendwo schon cool war, ein eigenes Trainingslager Zuhause zu haben, hatte Mo bisher noch nicht wirklich etwas gefunden, weswegen er berechtigterweise neidisch hätte sein können.

      "Hier wohnst du also...", bemerkte er knapp und ging etwas in den Garten hinein, sah sich um. Vielleicht wenn er in die Ecken schaute, fand er doch noch einen Sandkasten...
      Leise prustete er durch die Nase, denn so langsam bahnte sich doch ein schlechtes Gewissen an. Also ein echtes; nicht einfach nur ein dahergesagtes oder monolog-artig gedachtes, mit dem er sich doch eher nur selbst bemittleidete.
      Wieder sah er zu Aaron zurück, fast prüfend oder abschätzend. Wie gegensätzlich sie doch waren. Und zuckte dann mit den Schultern. "Das wird wohl ausreichen müssen." Gespielt unbeeindruckt fasste Mo in seine Jackentasche und holte das Medallion hervor, warf es in einem hohen Bogen Aaron zu und zog sich dann die Jacke aus, die belanglos auf dem Boden landete. Begann seine Schultern zu dehnen, indem er seinen linken Arm auf die rechte Seite bewegte und ihn mit seinem rechten am Ellebogen an seinen Körper drückte. "Ich dachte, vielleicht willst dus nochmal ausprobieren oder studieren oder was auch immer ihr schlauen Leute so tut. Das oder du wärmst dich mit mir auf. Wie wärs mit 'nem Wettkampf, wer schneller laufen kann?"
    • Hier wohnst du also...
      Aaron konnte nicht einschätzen, ob das positiv oder negativ gemeint war. Letzteres ergab bei Mo jedoch meistens mehr Sinn. Mo war ein sarkastischer Mensch, soviel war sich Aaron über ihn sicher. Während Aaron seinen Frust all die Jahre so tief in sich vergraben hatte, dass er tatsächlich beinahe in Vergessenheit geriet, machte Mo sich über seine unangebrachten Sprüche und grundlos wirkende Gewalt Luft. Aaron war rational, realistisch und eben durch und durch ein Kopfmensch. Alles andere als Ich-bezogen. Mo hingegen emotional und impulsiv. Eher ein Bauchmensch, aber auf jeden Fall keiner, der seinen Kopf sinnvoll nutzte. Dennoch verurteilte Aaron ihn nicht dafür. Als er sagte, dass er ihn beneidete, hatte er es ernst gemeint. Die Freiheit, seine Gefühle zeigen zu dürfen, auch wenn es aggressive Gefühle waren. Die Freiheit, Spaß zu haben, Filme zu sehen, Freunde zu treffen, sich zu verlieben, auch wenn Mo vielleicht nicht all diese Freiheiten nutzte.

      Der Braunhaarige beobachtete einen Moment, wie der andere begann sich langsam aufzuwärmen, nachdem er das soeben gefangene Medaillon kurz angesehen hatte. Mit einem solchen Tatendrang hatte er bei Mo kaum gerechnet, doch er war erleichtert, dass man ihn nicht scheuchen musste. Aaron besah sich noch einmal das Medaillon, doch es geschah wieder nichts. In der zweiten Ebene hatte er schließlich ohne aktives Mitwirken dafür gesorgt, dass alles um ihn herum eingefroren war. Er würde tatsächlich gerne damit rumprobieren, doch als Mo ihn zu einem Wettkampf herausforderte, sah er zu diesem auf.
      Wer von ihnen schneller war?
      Beim Schulsport war das meistens Mo, denn er hatte einfach mehr Ehrgeiz zu gewinnen. Für Aaron war das vollkommen egal. Sein Vater hatte ihn schließlich gelehrt, seine Kräfte sinnvoll einzuteilen und sich bei einem Sportfest zu verausgaben, hatte keinen Sinn. Ein dortiger Sieg hatte überhaupt keine Bedeutung. Ob Mo allerdings bei einem Wettbewerb oder in einer gefährlichen Situation noch schneller sein könnte, als damals? Auf gerader Strecke könnte Mo eine wirklich realistische Chance haben. Beim Hindernislauf war Aaron vermutlich der geschicktere, da er so etwas regelmäßig durchmachen musste. In einem Kampf entschieden Sekunden, Millisekunden darüber, ob man überlebte oder nicht. Sich also plötzlich ducken oder springen zu müssen, war essentieller Bestandteil seiner Ausbildung. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sein Vater mehrere Männer aufgestellt hatte, die Aaron spontan mit einem Stock oder einem gespannten Seil behinderten, sodass er nie wusste, wie niedrig oder hoch das Hindernis am Ende sein würde. Einmal hatte er sich dabei den Unterarm gebrochen, aber Arme brauchte man zum Rennen ja nicht, weshalb das Training nur bedingt reduziert wurde. Wie dem auch sei.
      Mo wollte ein Wettrennen. Das fiel wohl eher in die Kategorie unnütze Kraftverschwendung, aber Aaron dachte darüber nach, die Herausforderung anzunehmen. Nicht nur, weil er befürchtete, Mo damit zu verärgern sollte er ablehnen. Vielleicht würde er ihn auch verspotten und als feige abstempeln. Feige war Aaron mit Sicherheit nicht.
      "Okay..", willigte er schließlich ein und steckte das magische Objekt in seine Hosentasche. Er fing ebenfalls an sich zu dehnen und ein paar Kniebeugen zu machen. Nicht zu sehr, solange sein Körper noch kalt war.
      Dann begab er sich in Stellung, schob einen Fuß zurück und wartete.
      "Bereit?"
      Aaron fühlte sich irgendwie motiviert, alles zu geben. Mo zu besiegen, auch wenn er keinen Vorteil davon hatte. Wie seine Chancen waren? Ohne Verletzungen möglicherweise bei 100%. Mo schien allerdings auch nach der Schule nicht zu einer wahren Couchpotato geworden zu sein, so wie er sich im Riss bewährt hatte. Er war also nicht zu unterschätzen.
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      - Eugene Ionesco

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    • Ein herausforderndes Lächeln blitzte auf Mos Gesicht auf, als Aaron die Herausforderung annahm. Sehr gut. Das sorgte für mehr Motivation, zumindest für Mo.
      Sport war schon immer sein Ding gewesen. Zwar verbrachte Mo mittlerweile seine Tage gerne auf der Couch oder im Bett, aber er hatte nie aufgehört, sich regelmäßig ordentlich auszupowern. Es gab ihm ein Gefühl vom Lebendigsein, wenn die Luft in seinen Lungen rasselte und seine Muskeln brannten. Wenn das Atmen schmerzte, war sein Kopf wenigstens frei. Es war auch die einzige Möglichkeit, sich nicht mehr wie getrieben, unter Strom gesetzt zu fühlen; eine stetige Unruhe, die Mo leider zu häufig in sich spürte.
      Er begab sich neben Aaron, besah sich die Strecke und prüfte den Boden mit seiner Schuhohle nach seiner Beschaffenheit und nickte.
      In der Schule hatte er immer gewonnen. Jedes einzelne Rennen, egal gegen wen. Dennoch bekam er es nun mit der Nervosität zu tun. Aaron hatte ihn damals auch nicht schlagen können. Und hätte man Mo nicht ständig bei anderen Sportarten, wie zum Beispiel im Fußball, vom Platz geschickt, weil er zu viele Foul-Plays hingelegt hatte, war er sich sicher, auch darin besser als andere gewesen zu sein. Aber war das immer noch so? Schließlich waren seitdem einige Jahre vergangen.
      "Zwei Runden? Der Start ist auch die Ziellinie."
      Sein aller erster Impuls war es, Aaron beim Start mit einem schnellen Stoß zu schubsen, um sich einen Vorsprung zu verschaffen. Auch vor dem Startsignal loszulaufen wäre eine Option. Doch dann bemerkte Mo, dass er das nicht nötig hatte. Er wäre definitiv schneller als Aaron. War es immer gewesen; wieso heute also nicht mehr? Er wurde oft unterschätzt, weil er schon mit breiteren Schultern geboren worden war, aber er war flinker als er aussah.
      Und tatsächlich freute er sich sogar darüber, den Einstein hinter sich zu lassen; und das auf eine faire Art und Weise.

      Aaron war definitiv schnell -- nein, schneller als zu Schultagen. Mo konnte ihn nicht einfach abhängen so wie er es früher mit jedem getan hatte. Sie lieferten sich ein gutes Kopf-an-Kopf-Rennen. Mo gab längst noch nicht alles; nicht bei mehreren Runden. Er sparte sich seine zusätzliche Kraft für das letzte Stück der zweiten Runde ein; etwas, das Aaron eventuell auch tat; wer weiß? Trotzdem blieb er zuversichtlich. Dass Aaron nicht meterweise hinter ihn lief, spornte ihn nur noch mehr an; er wollte gewinnen, um jeden Preis!
      Nur kannte Aaron das Gelände; Mo jedenfalls lief gerade das erste Mal auf diesem Boden. Vielleicht war es ein Baufehler, eventuell auch ein aus Absicht eingebautes Hindernis, denn auf dem Boden befand sich eine Mulde, in die Mo hineintrat und mit seiner Fußspitze hängen blieb.
      Er geriet ins Taumeln, als er mit seinem Fuß über den Boden schlurfte; konnte gerade noch die Hände vor seinen Körper halten, um den Sturz abzufangen. Unsanft landete er auf dem Knie des Beins, mit dessen Fuß er ins Stolpern geraten war. Durch den Aufprall tat es weh; sicherlich hatte er es sich aufgeschürft, genau wie seine Hände. Aber Schmerzen machten ihm nichts aus. Was ihm hingegen sehr wohl etwas ausmachte, war, überhaupt gestolpert zu sein. Vor Aaron. Ein Fehler, eine Schwäche, eine Blöße, die er sich nicht hatte geben lassen wollen.
      Mo biss genervt die Zähne aufeinander und rappelte sich wieder auf. Er hätte weiter laufen können oder ein Rematch verlangen können, aber das Rennen war nun erst mal vorbei. Wäre Aaron die Runden einfach zuende gelaufen, Mo hätte ihn womöglich nicht mehr einholen können.
      Es war zum Kotzen.
      "Bild dir darauf bloß nichts ein...", fauchte er regelrecht und rang nach Atem. Dabei war er sich immer noch sicher, dass er locker gewonnen hätte, wäre das nur nicht passiert.
    • Mo war schneller. Dabei rannte Aaron gar nicht so halbherzig wie sonst. Er wollte es ernst nehmen, so wie Mo. Was konnte daran schon schlimm sein?
      Als sein Gegner dann jedoch stolperte, wollte er nicht riskieren über ihn zu fallen und machte einen schnellen Satz zu Seite. Natürlich blieb er stehen und sah zu Mo herunter, der ihn dafür anfuhr. Fast wie früher. Aaron wandte seinen Blick zur Seite, während er deutlich ruhiger als Mo atmete. Immerhin war er auf Ausdauer trainiert. Was nützte es einem schnell zu sein, wenn man nach 10 Minuten nicht mehr konnte?
      "Du warst schneller", meinte Aaron und ging langsam zu dem kleinen Tischchen neben der Bank, um zwei Gläser mit Wasser zu füllen. Eines davon war für Mo, aber er würde es ihm nicht bringen. Mo war mit Sicherheit zu Stolz, um es dann anzunehmen. Er war verärgert und Aaron niemand, der andere betüdelte. Mitleid mit anderen zu haben, wurde ihm ausgetrieben. Außerdem schätzte er Mo so ein, dass er bei Mitleid vielleicht sogar ausrasten könnte.

      "Willst du mit dem Schwert üben?" Seine Hiebe waren nicht schlecht, aber noch viel zu willkürlich. Er verbrauchte dabei zu viel Kraft und kämpfte nicht effektiv, auch wenn es dieses Mal ausgereicht hatte. Aaron wollte ihn auch nicht kritisieren oder schlecht machen. Aber je besser er kämpfen konnte, desto wahrscheinlicher war es, dass er überleben würde. Egal wie gut er einen Kameraden kannte - jemanden zu verlieren war immer scheiße. Er selbst konnte zwar gerade nur mit dem linken Arm kämpfen, doch das war kein allzu großes Handicap.
      "Oder wollen wir ausprobieren, ob wir das benutzen können..", fragte er und holte das Medaillon aus der Tasche. Dazu wäre es wohl klug, einen verlassenen Ort aufzusuchen, damit niemand dabei zu schaden käme. Schließlich wussten sie nicht, welche Kraft in diesem Teil steckte. Etwa zwei Stunden Fahrt und sie hätten eine riesige Fläche Ödnis für sich.
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      - Eugene Ionesco
    • Schneller. Natürlich war er schneller. Und er hätte gewonnen. Bestimmt! Ohne Zweifel.
      Lächerlich, sich darüber nun aufzuregen, weil das Ergebnis klar war und Aarons Worte überflüssig. Aber trotzdem kränkte es ihn, ärgerte ihn tierisch! Wie gerne hätte er wirklich gewonnen und nicht nur hypothetisch. Verfluchter Boden! Auf jeder anderen Strecke wäre er auch nicht gefallen!
      Er wollte Aaron nicht ansehen, war zu gekränkt, aber auch peinlich berührt, also wich er Blicken aus. Ging ihm nur nach, um einen Schluck zu trinken. Dabei war er noch nicht mal wirklich außer Puste; wie denn auch? Sie waren nur die erste Runde knapp zuende gelaufen und so schnell verlor er seinen Atem nicht, jedenfalls nicht für gewöhnlich. Aber der Sturz hatte ihn erschreckt und nun klopfte sein Herz gegen seine Brust, weil er sich wünschte, dass wenn der Boden schon so beschissen beschaffen war, dann könnte er ihn doch auch gleich ganz verschlucken. Oder Aaron.

      "Wir können schlecht beide versuchen, das Ding da zu benutzen. Oder soll ich deine Hand halten, während du es versuchst? Ich nehm lieber das Schwert." Dieses lehnte am Rack; Mo ging darauf zu und nahm es. Wie beim ersten Mal war er zunächst von seiner Schwere überrascht, schlurfte es wenige Zentimeter mit seiner Klinge über den Boden, ehe er sein Gewicht besser einschätzte und es sich über die Schulter legte, um diese als Stütze zu benutzen. War viel zu unruhig, mal wieder, und war nun einfach lieber körperlich aktiv; vor allem nach dieser Eskapade. Und wenn er weder den Boden zu Brei prügeln konnte noch Aaron, dann eben die hölzernen Puppen mit dem Schwert!
      Er hatte sich ein paar Youtube-Videos angesehen. War natürlich nix im Vergleich zu echtem Training, aber ihm war nochmal etwas mehr eingefallen von der AG damals. Diese Bilder rief er sich nun wieder ins Gedächtnis, ignorierte dabei, dass Hände um den Griff des Schwertes schmerzten oder sein Knie, wenn er dieses beugte und begab sich in die Position; ein Fuß weiter nach hinten als den anderen, Beine schulterbreit auseinander.
    • Aaron sagte nichts. Weder zu seiner Aussage, noch zu der Haltung die er einnahm. Sah schon interessant aus. Aber während Mo so aufgebracht zu sein schien, hielt er sich lieber von ihm fern.
      Um niemanden zu gefährden, begab sich der Braunhaarige ans andere Ende des Gartens. Sein Vater wäre nicht sehr begeistert, wenn er das Haus einfriert oder es explodiert oder so etwas. Er drehte das Medaillon ein paar Mal zwischen den Fingern und schloss seine Augen. Ein Funken. Mo sagte was, von einem Funken. Doch er sah keinen Funken. War er vielleicht zu blöd dazu? Oder doch nur etwas abgelenkt, weil Mo hier war und die Holzpuppe verdrosch. Irgendwie hatte Aaron das Bedürfnis mit ihm zu reden. Ihn aufzumuntern. Doch er bezweifelte, dass ihm das gelingen könnte.

      Warum gelang es Mo denn und ihm nicht?!

      Er brauchte mehr Antworten, aber Mo war gerade beschäftigt und er wollte ihn nicht stören. Also versuchte Aaron sich an jedes Detail zu erinnern, wie Mo sich in diesem Raum verhalten hatte.

      Was unterschied die beiden voneinander?
      Gab es einen Zusammenhang, dass Mo Feuer- und er Eismagie benutzen konnte?
      Könnte er auch Feuer- und Mo Eismagie nutzen oder war ihnen das Element fest zugeordnet?
      Wenn ja, dann musste es doch einen Grund geben.
      Feuer...
      Man konnte wohl durchaus behaupten, dass Mo temperamentvoll war. Was Aaron ganz eindeutig nicht war.
      Mo war einfach lebendiger. Aaron war.. Einsteins Zombie.. emotionslos.. kalt!
      Heiß und kalt.
      Mo war hitzköpfig. Also heiß!
      Aaron war kalt! Ja, ganz klar!
      Das ergab im Moment einfach am meisten Sinn.

      Ob sie dann auch unterschiedlich an die Sache herangehen müssten? Wie sah Mo's Funken aus? Was machte diesen Funken aus? Woraus bestand er?
      Noch einmal rief er sich in Gedanken, wie Mo sich in dem Raum verhalten hatte. Ziemlich gewalttätig. Genau so verzweifelt wie Aaron. Und zum Schluss hatte er auch so gebrüllt.
      Wenn diese Hypothese stimmte, dann musste Aaron einfach das komplette Gegenteil sein, oder etwa nicht?
      Aber war er das gerade nicht?
      Er war doch wie immer.
      War denn jetzt irgendetwas anders, als sie in diesem Raum waren?
      Aaron war konzentrierter. Fest entschlossen und hatte eine Art Tunnelblick.
      Ja... Ja!
      Er war gestern etwas aufgetaut, als er mit Mo den Film gesehen hatte und auch jetzt, machte er sich viel zu viele Gedanken um ihn.
      Totaler Schwachsinn oder doch die richtigen Puzzleteile?
      Musste Aaron also einfach wieder kälter werden?
      Mehr so, wie sein Vater ihn wollte?
      Ein Soldat? Ein Killer? Ein Genie?

      Er wollte es versuchen.
      Ohne das Medaillon aus der Hand zu nehmen, steckte er sich die Zeigefinger in die Ohren und schloss seine Augen.
      Er blendete alles aus.
      Vergrub seine Gefühle und Wünsche. Den Neid, den er Mo gegenüber verspürte. Wurde wieder mehr wie Einsteins Zombie, der nur für seinen Job lebte. Der ohne Rücksicht auf sich selbst seinen Arm einfach irgendwo hineinsteckte.

      Aber er sah keinen Funken oder sonst irgendwas.
      Da war nichts. Rein gar nichts.
      Ob es hier draußen vielleicht doch nicht funktionierte? Aber warum nicht?
      Stop.
      Vielleicht lag es doch an etwas anderem.
      Aaron hatte zu viele Zweifel, er musste diese Zweifel loswerden.
      Als er fest davon überzeugt war, dass er das richtige tat und das Medaillon, von dem er nicht einmal wusste, dass es dort war, ergreifen wollte, hatte er auch keine Zweifel.
      Woran hatte er in diesem Moment noch mal gedacht? Was hatte er gefühlt, als der Raum plötzlich eingefroren wurde. Es konnte doch nicht einfach so diese Magie entfaltet haben. Dann würde es das jetzt doch auch tun.

      Er dachte daran, dass er nicht aufgeben durfte, denn das wäre das Ende für die beiden gewesen. Das alles an ihm hing und er sich Mühe geben musste. Das er nicht wollte, dass Mo seinetwegen sterben würde. Das er innerlich geschrien hatte, dass sie überleben. Ob Mo sich auch so gefühlt hatte? Schließlich wären sie ohne ihn da auch nicht rausgekommen.
      Das war es. Aaron ging hier draußen einfach zu halbherzig an die Sache ran.
      Voller Einsatz, als ginge es um Leben und Tod!
      Er stellte sich den Raum vor. Die Anomalien. Die Tentakel.
      Das reichte nicht..
      Lag er etwa immer noch falsch?
      Vielleicht musste er weiter denken.
      Er stellte sich Mo vor, der in Gefahr war.
      Als Mo ihm half seinen Arm herauszuziehen, wäre er beinahe getötet worden. Diesen Anblick rief er sich immer deutlicher ins Gedächtnis.

      Da!

      Während Aaron das Gefühl hatte, dass er etwas 'sehen' konnte, dass Mo's Funken sein könnte, breitete sich unter ihm eine Eisschicht aus, die das Gras in starre Eiszapfen verwandelte und den Baum hochkletterte. Es wurde kalt. Aber angenehm kalt. Eine Kälte, die sich wie Sicherheit anfühlte.
      Als Aaron die Augen öffnete, ließ er vorsichtshalber das Medaillon auf den Boden fallen, um keinen Schaden anzurichten.
      "Ich.. hab's geschafft.."
      Er fuhr mit der linken Hand durch das Gras und lächelte.
      "Mo, ich hab's geschafft!", rief er, ohne sich vorher vergewissert zu haben, ob Mo es nicht vielleicht schon selbst bemerkt hatte, da er erst danach zu ihm sah und lachte dabei leise erleichtert.
      "Ich.. ich glaube, ich hab es verstanden.."
      Mo's Schwert stand in Flammen. Sein Feuer vernichtete die Tentakel.
      Aaron's Eis hingegen, hielt sie nur auf, als hätte er die Zeit eingefroren.

      Mo war das Schwert und Aaron der Schild...
      Ergab das Sinn?
      Dann könnte Aaron allerdings keine Anomalien töten.
      Ob dem so war?
      So oder so, brauchte er Mo. Er brauchte Mo wohl mehr, als Mo ihn bräuchte.
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      - Eugene Ionesco
    • Das unruhige Gefühl, die Anspannung verschwanden mit der Zeit, in der Mo die Puppe verdrosch. Zunächst noch stürmisch und wütend und auch wenn er sich versuchte sowohl ans Video als auch an die Ausbildung zu erinnern, gab er sich nicht die größte Mühe dabei.
      Er hatte sich Kopfhörer in die Ohren gesteckt und streamte Musik über sein Handy, so laut, dass man das Lied auch neben ihm leise hören konnte, stünde man neben ihm. Somit bekam er nicht mit, was Aaron trieb und ehrlich gesagt: aktuell war es ihm egal.
      Erst nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, bereits spürte, dass seine Arme anfingen zu protestieren, dieses schwere Schwert nonstop auf und ab und hin und her zu schwingen, hielt er inne und besah sich die Puppe. Sie war nun bereits viel abgenutzter; Mo hatte sie definitiv hart beansprucht. Holz war abgetragen worden und lag splitterweise auf dem Boden. Sie hatte einige Dellen und nicht mehr ihren vollen Umfang. Ups.
      Anstelle sich für seine Schonungslosigkeit schlecht zu fühlen (es war nur eine Puppe; und im Kampf gegen Anomalien war es sicherlich auch von Vorteil, kein Mitleid oder falsche Scheu an den Tag zu legen), nahm er erneut das Handy in die Hand und schaltete einen Podcast ein, den er ebenfalls am gestriegen Abend noch gefunden hatte. Er hatte noch nicht reingehört; Videos waren schließlich besser, um eine Vorstellung zu bekommen, wie welche Position eingenommen werden sollte, aber der Podcast versprach im Prinzip nichts anderes; nur ohne Bildmaterial.
      Mo lauschte also konzentriert den Anweisungen und zusammen mit seiner Erinnerung an den visuellen Teil nahm er so gut es ihm gelang die einzelnen Posen ein und übte verschiedene Arten an Schlägen. Nun weitaus langsamer und konzentrierter als noch wenige Minuten zuvor. Und wahrscheinlich auch um einiges effektiver.
      Noch effektiver wäre es wahrscheinlich gewesen, hätte er Aaron gefragt. Dieser kannte sich bestimmt gut mit dem Schwert aus; hatte er immerhin bereits unter Beweis gestellt. Aber Mo wollte nicht. War zu stolz, zu stur, um ihn um Hilfe zu bitten, sich seine Schläge anzusehen und ob er sie so ausführte wie er sie ausführen sollte.
      War doch lächerlich. Dass er auf so einen Platz und Podcasts angewiesen war oder darauf, jemanden zu kennen, der ihm das A und O beibrachte obwohl das Militär ihn am liebsten gleich täglich in den Kampf schicken würde. Mo hatte Glück, bereits etwas vom Schwertkampf zu wissen, sowie dass er kräftig gebaut und flink war sowie gute Reflexe besaß. Wahrscheinlich hätte nur eine einzige Eigenschaft weniger ausgereicht, um ihn bei der Mission ins Grab zu befördern. Trotz Aaron, der ihm ebenfalls das Leben gerettet hatte.
      Und jetzt wollte er da wieder hin. Mo musste absolut lebensmüde sein, sich darauf einzulassen. Sollte Aaron das Medallion doch einfach einem Soldaten geben, der im Kampf besser war, nicht erst üben musste und Mo blieb in seinem sicheren Zuhause.
      Aber das kam einfach nicht infrage. Er wollte Aaron nicht einfach alleine lassen. Aus irgendeinem Grund erinnerte er ihn an sich selbst; war dämlich, denn sie könnten sich wohl kaum unterschiedlicher sein. Aber er hatte das Gefühl... er würde es anderenfalls bereuen. Und er bereute schon zu viel in seinem Leben. Lieber wollte er anfangen, ein paar Dinge wieder gut zu machen.
      Früher oder später würde er wohl oder übel mit Aaron anstelle von alleine trainieren müssen, das war ihm selbst klar. Anomalien blieben nämlich nicht gerade so stocksteif stehen wie eine Holzpuppe, ganz im Gegenteil. Sie würden auch nicht darauf warten getroffen zu werden ohne zum Gegenangriff anzusetzen.
      Nur eben... nicht jetzt. Er hasste es wie die Pest, dass Aaron so gut in allem war, dass alles so leicht aussah, was er tat. Bevor er sich dazu erniedrigte, ihn um seine Hilfe zu bitten, wollte er selbst sichergehen, kein blutiger Anfänger zu sein. Denn das war er nicht. Er war ziemlich gut im Kampf, er war nur... etwas eingerostet.

      Leise hörte Mo eine Stimme in seinem Ohr, die nicht zu seinem Podcast gehörte. Verwundert nahm er den Hörer heraus und sah in die Richtung, entdeckte Aaron weit von sich entfernt.
      Auf den ersten Blick war es schwierig zu erkennen, was dieser meinte mit seinem 'Ich habs geschafft'. Erst als Mo den Baum bemerkte und dann den weißen Boden; kein Schnee, sondern festes Eis, begriff er, was Sache war.
      Augenblicklich legte Mo das Schwert beseite und kam mit einem Grinsen auf dem gesicht Aaron entgegen. Je näher er ihm kam, desto kälter wurde es wieder, als würde er nun eine Schneelandschaft betreten. Eine Schneelandschaft und das mitten im Frühling!
      "Das... Das ist fantastisch!" Eis knirschte unter seinen Füßen, während es bei jedem seiner Schritte zersplitterte, während er sich weiterhin Aaron näherte. Aber das musste er sich eben auch einfach aus der Nähe ansehen! Zudem war ihm dank des Trainings genügend warm, sodass er nicht direkt ins Frösteln geriet. "Also funktioniert es hier draußen doch!? Wie ist dir das gelungen?"
    • Mo's Grinsen weckte ein Lächeln in Aaron's Gesicht. Fantastisch. Das war es. Jetzt musste er nur noch sicher gehen, dass er es nochmal und immer wieder hinbekäme. Und irgendwann auch mit weniger in sich hineinhorchen. Andernfalls waren sie für den Kampf viel zu langsam. Das musste schneller gehen. Lockerer.
      "Ich bin nicht sicher, ob es wirklich daran liegt, aber.. Ich habe einfach daran gedacht, dass ich dich beschützen wollte", meinte er, nachdem er das Medaillon wieder in die Hand nahm und eine feine Linie entdeckte. Die war also auch wieder da. Er hätte es sicher noch anders formulieren können, aber das traf den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Es würde sich wohl kaum nur auf Mo beschränken, sondern jeden, den er beschützen wollte.
      "Wenn ich da drin nicht alles eingefroren hätte, wären wir wahrscheinlich gestorben."
      Aaron erhob sich und legte seine Hand an den vereisten Baum.
      "Ich glaube, dass die Elemente vielleicht mit unserem Wesen zusammenhängen. Du bist ziemlich temperamentvoll und ich bin.. Ich bin Einsteins Zombie", sagte Aaron und lachte leise, ehe er Mo das Medaillon überreichte. Entweder das oder es war purer Zufall.
      "Versuch es mal. Woran hast du gedacht, als du gegen die Wand geschlagen hast? Aber.. versuch hier nichts abzufackeln.."
      Das wäre nicht gut. Ein kleiner Schaden wäre in Ordnung, aber sie sollten es nicht übertreiben.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Er wollte ihn beschützen? Mo stockte überrascht nach Aarons Worten, hielt ganz kurz inne, spürte wie er etwas verlegen wurde. Seine Ohren erröteten leicht und das, welches sowieso schon durch die Verbrennung warm war, spürte er nun umso deutlicher. Weil er es noch immer nicht verstand.
      Ganz ehrlich. Eine ganz kleine Stimme in ihm hatte ihm bei ihrer ersten Mission, ganz am Anfang, noch bevor sie in die zweite Ebene gefallen waren, zugeflüstert und damit Zweifel gesät, Aaron hätte nach keinem anderen Partner verlangt, um seine langersehnte Rache zu bekommen. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, Mo in eine der Anomalien zu stoßen oder in die Quelle, die sie schließen mussten. Oder kurz gesagt: ihn loszuwerden. Es hätte auch gut funktioniert, ihm weniger Rückendeckung zu geben, wodurch Mo mit Sicherheit weitaus mehr Verletzungen erlitten hätte.
      Stattdessen hatte er ihn wohl tatsächlich beschützt. Dabei ergäben heimliche Rachegelüste viel mehr Sinn als dieses Geständnis. Und das brachte Mo ziemlich aus der Bahn.
      War Aaron wirklich einfach nur ein so guter Mensch, der keinerlei Groll hegte? Gab es solche denn überhaupt?

      "Ääh--" Er stammelte leise, als er das Medallion entgegen nahm, immer noch perplex. Besser er würde Aarons Aussage ignorieren; weil sie ihn einfach zu sehr aus dem Konzept brachte. Er besah sich das Medallion in seiner Hand; ihre eine Hälfte immer noch schwarz, die andere hatte bereits wieder angefangen zackige Linien zu zeichnen. "Woran ich gedacht habe? Hm... Ich wollte wohl einfach nicht aufgeben. Das sollte noch nicht alles in meinem Leben gewesen sein und außerdem wollte ich dir beweisen, dass ich sehr wohl auch nützlich sein kann. Ich kann mich ja nicht nur auf dich verlassen, wollte ich auch nie. Ich wollte aber, dass du dich auch auf mich verlassen kannst."
      Nicht weniger perplex, aber diesmal über seine eigenen Worte, wandte er sich verlegen ab und spürte umso mehr Wärme in seinen Kopf steigen. Trotztdem versuchte er, sich auf das Feuer zu konzentrieren; deswegen hatte er das Scheißding doch in seiner Hand. Ums auszutesten. Und nicht um Blödsinn vor sich herzubrabbeln! Aber nun war er wieder zu abgelenkt, um sich auf nur einen Gedanken, auf seine Aufgabe zu konzentrieren. So rührseligen Scheiß würde er noch nicht einmal sturzbetrunken von sich geben und... könnte Aaron vielleicht einfach so tun als hätte er nichts gehört?!
      "Wieso rede ich eigentlich so einen Stuss?!" Außer sich trat Mo einmal kräftig mit seinem Fuß auf -- und als dieser den Boden wieder berührte, stieß eine Flamme lodernes Feuer auf, schmolz das Eis in Windeseile und verbrannte die Grashalme an seiner Stelle. So schnell wie es aufgebrannt war, so schnell verlosch es auch sogleich wieder und Mo machte einen erschreckten Satz zur Seite. Auch wenn die Macht tatsächlich von ihm zu kommen schien, daran müsste er sich dennoch erst noch gewöhnen. Dennoch -- dieses Feuerchen war keine Absicht gewesen; er hatte es nicht gesteuert. Jedenfalls nicht bewusst. Das war wir mit dem Schwert, das einfach so Feuer gefangen hatte, sobald er es berührte. Doch die Tentakel hatte er mit seinem eigenen Willen explodieren lassen.
      Mo zögerte, zerbiss sich die Unterlippe, während er mit sich haderte, ob er Aaron fragen wollte oder nicht. Entschloss sich letztendlich aber dafür: "Hast du das Eis hier selbst gesteuert? Bewusst? Oder das in diesem Spalt? Meinst du, wir können die Magie noch nicht richtig beherrschen oder werden jetzt ständig irgendwelche Dinge passieren, die wir gar nicht kontrollieren können, nur weil wir dieses Medallion halten..?"
    • Aaron war in der Tat ein wahrer Gutmensch. Vor allem war er nicht nachtragend, denn das wäre ein kindisches Verhalten gewesen. Er nahm es nicht persönlich und war bei ihrem Wiedersehen auch davon überzeugt, dass Mo sich inzwischen geändert haben könnte. Was er ja auch irgendwie hatte. Zumindest sah das für Aaron so aus. Dafür war Aaron aber auch blind, denn erkannte nichts eigenartiges an Mo's Verhalten. Selbst wenn er komplett rot angelaufen wäre, würde Aaron noch auf dem Schlauch stehen. Bisher kamen ihm seine Antworten, wenn er das Medaillon gehalten hatte, auch nicht übermäßig seltsam vor. Aaron sagte nämlich eigentlich immer die Wahrheit. Bisher jedenfalls.
      Deshalb verstand er Mo's Reaktion nicht so ganz, als er versehentlich ein kleines Feuer verursachte. Er schien irgendwie verärgert zu sein, aber warum? Für Aaron war das kein Stuss, den er von sich gegeben hatte. Nicht aufgeben zu wollen, weil man noch mehr vom Leben haben wollte, war doch vollkommen menschlich. Und das er selbstständig sein wollte, anstatt Aaron alles zu überlassen, war doch auch löblich. Das Aaron sich auch auf ihn verlassen können sollte, war ebenfalls vollkommen normal in einer Einheit. Gemeinsam war man stärker und Teamgeist wurde im Militär ganz groß geschrieben. Man könnte ja wohl kaum einen Einzelkämpfer in den Krieg schicken. Jedenfalls wusste er nicht, worüber Mo sich gerade so aufregte.
      Etwas besorgt betrachtete er den kleinen Brandfleck. Mit dem Feuer sollten sie auf keinen Fall leichtfertig umgehen. Bei seiner Frage sah er wieder zu ihm auf.
      "Hm.. Mehr oder weniger.. Ich denke, es war eher unterbewusst. Ich wollte es aufhalten, also hab ich versehentlich den ganzen Raum eingefroren. Und hier habe ich auch nicht genau darüber nachgedacht, was und wieviel ich einfrieren will. Ich habe nur an dieses Gefühl gedacht. Ob es nur von einem Gefühl ausgelöst werden kann, weiß ich nicht."
      Bei Mo schien Wut es jedenfalls auch auszulösen, was irgendwie auch zu Feuer passte. Aber bei ihm? Was genau war es denn für ein Gefühl, dass er verspürt hatte? Angst?
      "Nun.. wir konnten es ja einigermaßen schon bewusst einsetzen. Deshalb denke ich, dass wir es lernen können. Dadurch setzen wir es hoffentlich weniger aus Versehen ein, aber ganz auszuschließen ist das nicht. Man müsste seine Gefühle wohl unter Kontrolle haben.."
      Das sollte jetzt keine Kritik sein, aber Mo konnte das ganz offensichtlich nicht. Aaron hingegen tat ja sein Leben lang nichts anderes. Dennoch glaubte er, dass auch Mo das schaffen wird.
      "Willst du es nochmal versuchen? Aber lass uns erst woanders hinfahren, wo wir nichts abfackeln können."
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      - Eugene Ionesco
    • Aaron erwiderte ebenso wenig zu Mos Stuss wie Mo etwas zu dessen Gefühl gesagt hatte und das erleichterte ihn. Gut so, dann konnte Mo sich nämlich einreden, niemand hätte irgendetwas gehört. Aber die Sache musste aufhören; er musste wirklich mehr darauf achten, was er da eigentlich von sich gab. Seit er wieder mit Aaron zu tun hatte, gab er viel zu viel rührseeliges Zeug von sich. Nicht, dass es nicht stimmen würde -- irgendwo, tief in ihm drin -- aber erstens wollte Mo das nicht zugeben und zweitens noch nicht einmal vor sich selbst. Wäre ja noch schöner. Er war doch kein Softie!

      "Willst du damit andeuten, ich hätte mich nicht unter Kontrolle?", fauchte Mo als Antwort zurück. Im Augenblick war er schneller reizbar; erst der Sturz, dann seine Velegenheit; sein Inneres war eben bereits am Brodeln. Als ob das Feuer Aaron zustimmen wollte, flammte jedoch eine kleine Flamme an Mos Schulter auf -- und wieder erschreckte dieser sich. Panisch klopfte er das Feuerchen aus, das ein Loch in seiner Kleidung hinterließ. Na wunderbar. Mo seufzte.
      Also nicht nur, dass es offenbar tatsächlich auf seine Gefühllage zu reagieren schien; gleichzeitig sorgte es aber auch dafür, dass er sich schnell wieder beruhigte oder diesen Gefühlen nicht weiteren freien Lauf gestattete. Zumindest bisher tat es das, wenn er sich bei jedem wortwörtlichen Ausbruch erschreckte. Man stand nunmal auch nicht alle Tage plötzlich in Brand.
      Mo steckte das Medallion schnell in die Hosentasche. Vielleicht hatte Aaron Recht. Vielleicht reagierte es auf seine Gefühle. Trotzdem sträubte er sich noch gegen diese Aussage, Gefühle unter Kontrolle halten zu müssen.
      "Wer seine Gefühle immerzu unter Kontrolle hat, ist und bleibt ein Zombie." Und das meinte er so. Er war nicht immer stolz auf seine Ausbrüche, vor allem wollte er seine aggressive Neigung irgendwie mal in den Griff bekommen. Dennoch, so machte ihn das wenigstens lebendig. Sich von gar nichts mehr ergriffen zu fühlen... das konnte er sich auch nicht vorstellen.
      Er nickte, dass sie woanders hinfahren sollten; war das logischste. Also wandte er sich von Aaron ab und begab sich wieder in Richtung des Hauses, sammelte dort seine Jacke ein und besah sich nochmal das Brandloch an seinem Shirt. Seine Haut selbst schien okay zu sein.
    • Da ist Aaron wohl erneut in ein Fettnäpfchen getreten, als er Mo mangelnde Kontrolle unterstellte. So war das gar nicht gemeint, aber falsch war das ja offensichtlich auch nicht. Denn nur kurz darauf, wich Aaron einen Schritt zurück, als Mo erneut ein Feuer entfachte. Das bewies ja wohl, dass er Recht hatte. Allerdings wusste der Braunhaarige nicht, wie er Mo beschwichtigen sollte, denn er war nicht gut darin, die Gefühle anderer zu verstehen oder zu beeinflussen. Alles, was er hätte sagen können, wäre, dass Mo sich einkriegen sollte oder sowas. Eben etwas, das sein Vater früher zu ihm oft gesagt hatte. Wut macht blind, in diesem Fall.
      Doch auch wenn Aaron gelernt hatte, über seinen Gefühlen zu stehen, waren Mo's Worte verletzend. Dann war er eben ein Zombie.. Aber ein Zombie, der nicht seine Kameraden abfackelte. Ein Zombie, der im Kampf einen kühlen Kopf behielt und Dinge objektiv betrachten konnte. Dennoch sagte er nichts dazu und führte Mo durch das Haus zur Garage.
      Anders, als manch einer erwartet hätte, stand dort kein unbezahlbarer Schlitten, der die Aufmerksamkeit aller erregte, sondern ein ganz gewöhnlicher Kombi. Materielles war seinem Vater nicht wichtig. Er brauchte nicht das beste Auto, die beste Kleidung oder das beste Haus. Warum das Haus dann für eine 3köpfige Familie so groß war? Zum einen, weil sie genug Gartenfläche hatten. Zum anderen, weil neben den Schlafzimmern - es gab auch kein Wohnzimmer - das Büro seines Vaters war (Das waren somit schon 4 Zimmer), aber auch eine kleine Trainingshalle, die man bei schlechtem Wetter nutzte (Wobei die in dem eigentlich recht großen Wohnzimmer war) und einem Studienzimmer, das an ein mit Bücher vollgestopftes Klassenzimmer erinnerte, nur das dort eben nur 2 Schreibtische standen. Und halt noch ein Esszimmer. Damit waren die 7 Zimmer des Hauses also für den Colonel sinnvoll belegt.

      Aaron holte den Schlüssel aus der Kommode, die neben der Tür zum Haus stand und sperrte den Wagen auf, während er zur Fahrerseite rüber ging. Wie er zuvor schon gedacht hatte, wäre es außerhalb der Stadt wohl am sichersten. Eine große, freie Landschaft war also ihr Ziel. Dort könnten sie üben und das Medaillon nebenbei noch etwas erforschen. Was hatte es beispielsweise mit diesen Zeichen zutun, die sich nach und nach bildeten?
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      - Eugene Ionesco
    • Mo sagte nichts mehr. War vielleicht auch besser so, wenn er sich in Aarons Gegenwart so dämlich aufführte. Klar, er war in dem Sozialen echt nicht so geübt, schon lange nicht mehr; eventuell auch nie, wenn man bedachte, wie er sich zu Schulzeiten aufgeführt hatte... Auch wenn er sich damals wenigstens noch mit Menschen abgegeben hatte und ein paar seiner Mitschüler als Freunde bezeichnet hatte, war das wohl kaum ein Zeichen dafür, dass Mo jemals gelernt hatte, was diese Sozialen Kompetenzen eigentlich waren. Er war sich aber ziemlich sicher, dass er auch damals nicht so einen Schmarrn von sich gegeben hätte. Und dass, hätte er es getan, er ganz schnell verspottet worden wäre. Woran lag es, dass er vor Aaron nun Zeugs zugab, dass er noch nicht einmal unter der Dusche sich selbst eingestehen würde?
      Wie auch immer, jedenfalls hielt er nun lieber seine Klappe. Er sagte in seinem aufgebrachten Zustand oft Dinge, die er im Nachhinein bereute. Aber das waren meist eher Beleidigungen, die er gar nicht so gemeint hatte und nicht das genaue Gegenteil. Aber er kam nicht drauf, woran das lag. Daran, dass Aaron und er sich so lange schon kannten, sich so lange nicht gesehen hatten? Aber was sollte das schon für einen Unterschied machen?

      Mo kam nicht drauf, auch wenn er sich den Kopf darüber zermaterte. Saß im Auto neben Aaron und starrte stur aus dem Fenster. Aaron fuhr irgendwo an den Arsch der Welt; jedenfalls war von einer Stadt nichts mehr zu sehen und schon bald kamen sie an Kornfeldern und Kuhweiden vorbei. Aber Aaron fuhr weiter.

      Nach einer Zeit (und es kam Mo wie eine Ewigkeit vor; stillsitzen und nachdenken war aber auch für gewöhnlich nicht so sein Ding und sorgte nur für weitere Unruhe in seinem Körper), wurde das Auto gestoppt und Mo stolperte förmlich aus dem Auto, froh, sich endlich wieder bewegen zu können.
      Sie befanden sich auf einer freien Fläche, viel Gras, aber weiter hinten konnte Mo Wasser erkennen. Ein Kiesstrand? Er kannte die Gegend hier nicht und so wie es aussah, andere auch nicht. Dafür wucherte das Gras hier vorne zu sehr als wäre es ewig nicht mehr geschnitten worden, keine Menschenseele konnte er weit und breit ausmachen. Dabei war es eigentlich ganz hübsch. Oder war es so hübsch, gerade weil es so verlassen war? Kein Müll fand sich auf dem Fußboden, nicht einmal ein einziger Kronkorken.
      Da er bezweifelte, dass sie hier auf der großen Grasfläche mit Feuer spielen wollten, kämpfte Mo sich durch die Pflanzen bis zu dem Strand, der glücklicherweise breit gebaut war. Er müsste zwar trotzdem aufpassen, dass seine Funken nicht zu weit flogen, aber das bekam er schon hin. Hoffentlich. Und für Aaron und sein Eis war so nah an diesem Fluss auch der perfekte Ort zum Üben.
      "Woher kennst du diesen Ort?" Irgendwie war es so friedlich hier. Windiger als in der Stadt, aber der Wind roch gut, weil er den Geruch des Wassers und der Steine trug. Und je nachdem, wohin man seine Nase streckte, auch ein wenig den der verwilderten Blumen. Wären sie in einem Familienfilm oder wäre auch nur einer von ihnen in eine intakte Familie geboren worden, wäre das hier wohl der geeignetste Ort für ein Picknick.
      Kurz vergaß er, dass sie nicht hier waren, um sich der Natur zu erfreuen, bückte sich nach einem der Steine und ließ diesen mit einem gekonnten Wurf über das Wasser titschen. Ganze sieben Mal berührte der Stein die Wasseroberfläche, bis er doch im Fluss versank. Da kam ihm eine Idee. War womöglich noch zu früh; Aaron hatte doch gerade erst gelernt, wie er überhaupt an die Eismagie rankam. Aber was war das Leben schon ohne irgendeine Art von Herausforderung?
      "Hier." Er hielt Aaron das medallion entgegen. "Versuch mal das Wasser an der Stelle einzufrieren, bevor der Stein aufschlägt. Wie wärs mit 'ner Wette? Wenn du das schaffst, geb ich dir ein Bier aus."
    • Da sie niemandes Erträge zunichte machen wollten, mussten sie noch weiter hinter die Kornfelder. Ein Ort, an dem niemanden ein paar verkohlte Grashalme störten. An einem solchen Ort angekommen, stellte Aaron den Motor ab und stieg aus dem Auto, um seinen Blick über die Gegend schweifen zu lassen. Noch immer genau so verlassen, wie eh und je. Als Mo fragte, woher er diesen Ort kannte, sah er kurz zu diesem und dann schweigend in den Himmel.
      "Ich war hier mal mit meiner Mutter, als ich noch klein war." Er hatte ja sonst nie die Gelegenheit diesen Ort mal wieder zu besuchen. Als er darüber nachdachte, wo sie üben könnten, war das das erste, was ihm eingefallen war. Aber jetzt, wo sie hier waren, betrübte ihn das auch ein wenig.
      Schweigend folgte er Mo an den kleinen Fluss und beobachtete, wie er den Stein gekonnt über das Wasser hopsen ließ. Plötzlich hielt Mo ihm das Medaillon hin, welches er etwas verdutzt entgegennahm. Eine Wette? Und die Belohnung soll ein Bier sein? Auf so eine Belohnung könnte er ja irgendwie verzichten. Die Idee an sich war aber nicht schlecht.
      "Okay. Nur an der Stelle?" Den ganzen Fluss einzufrieren wäre vermutlich einfacher. Er setzte sich in den Schneidersitz, hielt das Medaillon in der rechten Hand und starrte auf das Wasser. Wenn er an eine bestimmte Stelle zielen wollte, könnte er seine Augen nicht schließen. Außerdem müsste er sowieso lernen, die Magie auch mit offenen Augen zu wirken. Konzentriert rieb er mit dem Daumen über die Seite mit den silbernen Linien. Der erste Stein plumpste ungehindert ins Wasser. Ebenso der zweite und der dritte. Er hatte auch nicht erwartet, dass es ihm auf Anhieb gelingen würde. Allerdings konnte er sich auch nicht wirklich konzentrieren. Nicht so wie im Garten. Sich eine gefährliche Situation vorzustellen, reichte nicht. Er fühlte sich unruhig in seinem Inneren. Ob es an der Erinnerung an seine Mutter lag? Oder wieder weil Mo bei ihm war? Es war ja schon irgendwie eigenartig mit ihm Zeit zu verbringen, aber irgendwie auch erfreulich. Es gefiel ihm zumindest besser, als die Zeit, in der Mo ihn immer verprügelt hatte.
      Ein Stein nach dem anderen fiel ins Wasser. Nicht eine einzige Schneeflocke oder sonst was war zu sehen. Aber er dachte doch ans Beschützen! Daran diese Dinger aufzuhalten!
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      - Eugene Ionesco
    • Mo strengte sich doppelt so an, die Steine weit und oft über das Wasser springen zu lassen. Damit Aaron gut ein paar Versuche hatte, bis der Stein vom Wasser verschluckt wurde. Aber da rührte sich rein gar nichts bei ihm. Das Wasser fror ja noch nicht einmal am Ufer zu. Nicht mal ein bisschen.
      "Gibst du dir überhaupt Mühe?" Mo hörte auf, nach Steinen auf dem Boden zu fischen und sah kritisch zu Aaron herab, der auf dem Boden saß, verschränkte seine Arme vor der Brust. Er hatte leicht reden, hatte selbst noch nicht willentlich ein paar Feuerkunststückchen an den Tag gelegt und die zwei unbeabsichtigten Flammen waren alles andere als für ihn erfreulich gewesen, aber trotzdem hatte er sich mehr erhofft. Entweder das Aaron es direkt von Anfang an beherrschte (und davon war er am ehesten ausgegangen) oder dass er zu langsam wäre und Mo ihn auslachen könnte. Aber nicht mal ein kleines Eiskriställchen war witzlos.
      "Wenn dus gar nicht erst versuchen willst, die Wette zu gewinnen, kannst dus ruhig sagen." Er ließ sich neben ihm auf den Boden nieder, winkelte sein linkes Bein an, während er das rechte ausgestreckt ließ und stützte sich mit seinen Armen hinten ab. Neben Aaron war es um einiges kälter, genau wie im Spalt, aber nicht so eiskalt, mehr wie eine Klimaanlage. Was wohl daran lag, dass hier noch nicht alles zu einer Eislandschaft zugefroren war. Er konnte also sitzen bleiben. Vor allem, da der Wind ihnen entgegen kam und somit keine eiskalte Luft ihm ins Gesicht bließ.
      "Oder ist dir der Einsatz nicht hoch genug?" Nochmal hob er eine Braue und sah fragend seinen Nebenmann an. Doch wüsste Mo auch nicht, was er sonst besseres anzubieten hätte, um Aarons Ehrgeiz ein bisschen anzukurbeln. Obwohl für Mr. Die-Welt-Retten der Ehrgeiz eigentlich hoch genug sein sollte.
    • "Ja..." Natürlich gab er sich Mühe. Das hier war schließlich enorm wichtig. Nicht diese blöde Wette, aber er müsste doch alles nutzen, um gegen die Anomalien zu kämpfen. Und dieses Medaillon schien dafür wie geschaffen zu sein.
      "Das ist kein Spiel. Hier geht es nicht um ein blödes Bier, sondern um die Menschheit. Ich versuch es doch, aber es klappt nicht. Egal, was du mir als Belohnung anbietest", meinte er ein wenig angesäuert. Wenn Mo ständig dazwischen laberte, konnte er sich ja auch schlecht konzentrieren. Doch es tat sich einfach nichts, außer das die Temperatur um noch ein, zwei Grad fiel.
      "Du bist gerade keine große Hilfe." Auch wenn es wahr war, so wollte Aaron ihn dennoch nicht so anmachen. Mo konnte doch auch nichts dafür. Oder vielleicht ja doch. Aber Aaron musste über seinen Gefühlen stehen. Gefühle hatten nichts auf dem Schlachtfeld zu suchen und machen einen schwach. Und Mo gab ihm auch ohne seine Gefühle schon das Gefühl, schwach zu sein.
      Scheinbar konnten jedoch sowohl positive, wie negative Gedanken eine Art Impuls auslösen, weshalb der Boden um Aaron herum gefror.
      "Siehst du? Es funktioniert.. Nur eben nicht auf Kommando.. Noch nicht", murmelte er und klopfte mit dem Zeigefinger auf die Eisschicht unter ihm. Das Eis war dick und ziemlich stabil. Andernfalls hätte es auch wohl kaum die Tentakel in dem Raum aufhalten können.
      Ob er sich bei Mo entschuldigen sollte? Er war nicht so gemein, wie Mo es zu ihm gewesen war, aber ganz nett waren seine Worte auch nicht. Doch stattdessen schnaubte er nur leise und starrte auf den Boden.
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      - Eugene Ionesco
    • Mit einem Mal schnauzte Aaron ihn ganz schön von der Seite an. Beschwichtigend hob Mo seine Hände flach vor seinen Oberkörper, konnte sich aber ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er war ja nicht aus Zucker, dass er ein solche Gezicke nicht verkraften könnte.
      "Okay, okay, du Spielverderber. Aber nur weil das kein Spiel ist, heißt das nicht, dass man nicht trotzdem Spaß haben kann. Ich glaube der Menschheit ists nämlich egal, ob du beim Üben Spaß hattest oder ein Bier gewonnen hast oder nicht. Nimm die Dinge nicht ernst und chill mal." Und einem anderen zu sagen, er solle mal chillen, gefiel ihm ganz schön gut. Normalerweise war er schließlich der hitzköpfige, der schnell die Geduld verlor und nicht etwa Aaron. Hieß aber nicht, dass das nicht stimmte und Aaron mal einen Gang tiefer schalten sollte. Seiner Meinung nach nahm dieser die Dinge nämlich viel zu ernst.
      Trotzdem erschien nun unter seinem Körper eine dicke Eisschicht. So viel also dazu, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Mo nickte anerkennend. "Spitze. Dein gekühlter Hintern wird die Menscheit nun bestimmt retten. Weiter so." Dann sollte Aaron eben sehen, wie er alleine klar kam, wenn Mo ihm dabei so im Wege stand. Ihn zu behindern war auch nicht seine Absicht gewesen. Er hatte nur etwas Witz in die Sache einbauen wollen.
      Er zog sich die Kaputze in sein Gesicht (eigentlich hätte er die Jacke ausgezogen, aber dafür war es ihm neben Aaron trotz Sicherheitsabstand doch zu kalt) und drehte sich auf dem Boden zur Seite, mit dem Rücken zu Aaron, winkelte seinen Arm unter seinen Kopf an und schloss die Augen. "Sag mir bescheid, wenn ich wieder eine Hilfe sein soll.", murmelte er noch anschließend.