If We Don't Lie (Kiimesca & Minamimoto)

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Als Mo's Stimme erklang, blickte er zu ihm auf. Dabei fiel ihm durchaus auf, dass er ziemlich skeptisch aussah. Nur weil er selbst kaum Gefühle zeigte, bedeutete es ja nicht, dass er die Gefühle anderer nicht erkannte. Aus irgendeinem Grund reichte dieses winzige "Was...?" zusammen mit seinem Blick dafür, dass Aaron sich erklärte, auch wenn er nicht wusste, warum.
      "Du kannst tun, was du willst.. Leute verprügeln, Videospiele spielen, Abhängen. Du hast Spaß am Leben.. oder nicht? Ich frage mich immer, warum die Menschen Kinder zeugen.. Macht es Spaß? Ist es die Liebe zu ihrem Partner und zu ihren Kindern der Grund? Oder wollen sie sich nur selbst verwirklichen? Ich.."
      Er seufzte kurz und blickte wieder auf das Medaillon in seiner rechten Hand, während er die linke Hand an seine rechte Schulter legte.
      "Ich wurde nur geboren, um den Willen meines Vaters fortzuführen.. Ich soll nicht nur in seine Fußstapfen treten, sondern noch besser sein als er. Immerhin hat er schon Erfahrung und wusste, wie er mich vorbereiten musste. Ich fing mit 3 an lesen und rechnen zu lernen. Im Kindergarten war ich nicht, denn das war nicht wichtig. Stattdessen hatte ich Unterricht. Die Grundschule war ziemlich langweilig, denn in der ersten Klasse war ich eigentlich schon mit dem Stoff aus den vier Jahren durch. Mein Vater ließ mich jede Woche einen Tag schwänzen, um zuhause effektiver zu lernen. [b]Dinge, die man in der Schule nicht lernte. Deshalb hatten viele den Eindruck, dass ich wohl sehr anfällig für Krankheiten war. Auch am Wochenende lernte ich jeweils 8 Stunden. Zum Ausgleich, musste ich danach viel Sport machen. Ich musste morgens um 3 Uhr aufstehen und joggen. In der Mittelschule fehlte ich auch 1-2 mal die Woche. Ich durfte das Haus nur für den Schulbesuch verlassen, sonst nicht. Aber ich hatte eh keine Freunde, mit denen ich hätte spielen können. Das hätte er mir auch nie erlaubt. Er hat sehr viel Geld in meine Ausbildung gesteckt, weil er ständig Fachleute engagierte, die mich schulten. In der High School war es nicht anders. Danach ging ich zum Militär und nebenbei besuchte ich mehrere Studiengänge, um das wichtigste daraus zu lernen. Ich bin also in keinem Gebiet ein wirklicher Meister, sondern besitze in jedem Bereich die Grundkenntnisse. Teilweise auch etwas mehr. So wollte mein Vater dafür sorgen, dass ich Zusammenhänge besser erkenne und Dinge miteinander kombiniere, an die niemand sonst im entferntesten dachte.. Ich habe noch nie ein Videospiel gespielt, einen Film nur zum Spaß gesehen. Ich war noch nie in einem Vergnügungspark oder auf einem Date.. Deine Schläge... waren das einzige, das nicht zum Masterplan meines Vaters gehörte.. Als ich mich in der Mittelschule gegen jemanden gewehrt hatte, ist mein Vater wütend geworden. Also habe ich es in der High School über mich ergehen lassen.. Und irgendwie war es auch gar nicht so schlimm.. Es hielt mich in der Pause davon ab, an meine Lehrpläne zu denken. Außerdem waren das die einzigen Interaktionen mit anderen, die nicht mein Vater oder meine Lehrer waren.."

      Er hatte wesentlich mehr erzählt, als er wollte. Eigentlich gab es gar keinen Grund, überhaupt etwas über sein Leben zu erzählen. Warum tat er es also? Glaubte er daran, dass er hier sterben würde, weshalb sozusagen sein Leben noch einmal an ihm vorbeizog? Nein, so schlimm war es doch noch gar nicht. Aber warum dann?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 8 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Zwar hörte Mo aufmerksam zu, dennoch sah er einmal kurz hinter sich, obgleich er genau wusste, dass dort nur die Wand war. Gleichzeitig konnte er sich dennoch nicht vorstellen, dass Aaron ihm das nun alles erzählte. Warum? Wieso gerade jetzt und ausgerechnet ihm? Weil er der einzige war, der da zuhören konnte? Verabschiedete Aaron sich gerade und wollte zum Schluss nochmal seine Geschichte loswerden? Kam nicht in die Tüte, das ließ Mo nicht zu!
      Er selbst war ein ziemlicher Rebell gewesen -- großer Schock für alle -- hatte vor allem seiner Mutter viel Kummer bereitet, was ihm heute teilweise leid tat. Daher fehlte ihm schlicht das Verständnis dafür, wie sich jemand nicht wehren konnte. Mo hatte sich immer gewehrt. Selbst gegen Regeln, die möglicherweise gar angemessen gewesen waren; einfach nur, weil es Regeln waren.
      Brachte aber nichts, nun auch seine traurige Vergangenheit auszuquatschen und ebenso brachte es nichts, Aaron zu sagen, was er alles hätte besser machen können. War erledigt. Kindheit war vorbei, ließ sich nicht wiederherstellen, aus die Maus.
      Dennoch ging Mo auf ihn zu, spürte, dass je näher er ihm kam, ihm kälter wurde. Die paar mehr Minusgrade veränderten jedoch auch nichts mehr und so hockte Mo sich vor Aaron hin, sah ihm direkt ins Gesicht. Eine Position, die er früher in der Schule schon häufiger eingenommen hatte, nur dass Aaron dann meist auf allen Vieren auf dem Boden lag und zwar wegen ihm. Zudem schaute Mo zwar ernst drein, aber nicht feindseelig.
      Er hob seine Hand, streckte zwei Finger aus und stieß mit denen gegen Aarons Stirn. "Schalt dein Hirn ein, Einstein. Falls dus nicht bemerkt haben solltest, du bist erwachsen. Dein Daddy ist ein Arsch, buhu -- aber du bist nicht mehr auf deinen Daddy angewiesen. Was will er schon tun, wenn du das machst, worauf du Bock hast? Also ich sag dir jetzt mal was. Du wirst mir jetzt dabei helfen, aus diesem verdammten Drecksloch hier herauszukommen und wenn du wieder Zuhause bist, dann ziehst du dir einen Film rein und die Rettung der Welt kann erst mal warten. Und wenn dus schaffst, sehr bald hier rauszukommen ohne dass ich wegen der Kälte eine Gliedmaße verliere, dann leih ich dir vielleicht sogar ein Videospiel aus. Deal?"
    • Aaron blickte vom Medaillon auf, als er merkte, dass Mo sich ihm genähert hatte. Er erwiderte seinen Blick, war aber etwas verwirrt und überrascht. Vor allem, als Mo ihm gegen die Stirn stieß.
      Erwachsen? Arsch? Sein Vater war kein Arsch. Er war einfach nur zielstrebig. Und er dachte an das Wohl der Menschheit. Vermutlich kämpfte er auch gerade irgendwo gegen Anomalien. Ein Arsch war er also nicht, denn er war nie auf seinen eigenen Nutzen aus. Er diente der Menschheit. Und das eben auch mit seinem Sohn. In früheren Kulturen wurden die Kinder als Opfergaben dargeboten. Sein Vater opferte eben Aaron. Wobei opfern nicht das richtige Wort war. Aaron war eher so etwas wie.. eine Maschine, die sein Vater gebaut hatte. So in etwa konnte man es beschreiben. Sein Erwachsensein änderte rein gar nichts daran.

      "Das geht nicht...", murmelte er leise. "Ich wohne noch bei ihm und er wird mich auch nicht ausziehen lassen." Er könnte also niemals unbemerkt einen Film schauen.
      "Außerdem habe ich keine Konsole.." Oder sollte er etwa an seinem Laptop spielen?!
      Dennoch brachte ihn der Gedanke irgendwie zum Lächeln. Nicht der Gedanke daran, ein Spiel zu spielen. Es war viel mehr der Gedanke daran, dass Mo ihm eins ausleihen würde. Warum war er auf einmal so nett? Vielleicht, weil er etwas von Aaron wollte. Ja. Und zwar, dass er ihn hier raus brachte.
      "Aber ich bringe uns trotzdem hier raus", sagte er entschlossen und lächelte noch breiter.

      Er stand auf und atmete einmal tief durch.
      "Schau mal."
      Er hielt ihm das Medaillon hin, auf dem nun deutlich mehr zu erkennen war, als vorher. Das Symbol auf der einen Seite war schon etwas größer geworden.
      "Was meinst du?", fragte er und drehte es auf die andere Seite.
      "Die hier hat sich nicht verändert.."
      Noch konnte er daraus aber nichts schließen.

      "Hier.. nimm du es", meinte er, schnappte sich einfach Mo's Hand und legte es hinein. Kurz darauf wurden seine Schmerzen zwar wieder stärker, aber das würde er schon aushalten. Er war Schmerzen ja irgendwie gewohnt. Sogesehen war Mo damals also ein guter Trainingspartner.
      "Versuch du es mal. Gezielt Magie zu wirken, meine ich. Vielleicht kannst du es besser." Das war sein ernst. Nur weil er es nicht schaffte, hieß es ja nicht, dass andere es nicht schaffen würden.
      "Wenn du mir das Schwert gibst, kümmere ich mich um die Tentakel, wenn sie auftauen. Versuch du, die Wand zu durchbrechen. Ich hätte sie sowieso als nächstes untersucht."
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mo musste sich wirklich ein lautes Aufseufzen verkneifen. Wenn er sich recht erinnerte, war sein ehemaliger Mitschüler in seinem Alter, also was lungerte der also überhaupt noch bei seinen Eltern herum?!
      Ehe er ebendies einwerfen konnte, lächelte Aaron und raubte Mo damit die Sprache. Er glaubte nicht, ihn je lächeln gesehen zu haben. Fair, er hatte ihm auch nie einen Grund dazu gegeben, doch war sein Lächeln... recht hübsch. Machte sein Gesicht freundlicher, weniger mechanisch und seinen Ausdruck in den Augen weniger untot.
      "Dann... nimmst du meine?", stammelte er noch recht unsicher hinterher. An einer Konsole sollte es wohl nicht scheitern. Mann, Mo würde ihm seine Konsole sogar schenken oder gleich noch seine Wohnung mit dazu; wenn er hier wieder herauskäme, wäre es ihm jeglichen Preis wert. Wenn er hier herauskäme, würde es außerdem eine stattliche Auszahlung geben, also Scheiß auf alles Materielle! Sein Leben war, wenn die Hoffnung denn bestand, ihm um einiges mehr wert!
      Und Aaron willigte ein, und endlich sagte er mal was richtig Vernünftiges. Erleichtert klopfte sich Mo kurz mit den Händen auf die Schenkel und erhob sich dann zusammen mit ihm.

      Das Medallion sah nun auf einmal ganz anders aus. Die eine Seite war immer noch genauso wie als er das letzte Mal darauf geschaut hatte, aber die andere war nun nicht mehr einfach nur schwarz, sondern zeichnete ebenfalls Linien, viel zackigere als die geschwungenen auf der gegenüberliegenden. Komisch.
      Hübsch. Aber Komisch.
      Außerdem wurde es ihm wieder wärmer, kaum dass Aaron es ihm übergab. Langsam, nicht schlagartig, doch taute er wieder auf, so sehr, dass er Aarons Jacke wieder von seinen Schultern streifte, um nicht zu überhitzen.
      Irgendetwas musste da also wohl tatsächlich dran sein. Aaron war für dieses Eis zuständig. Mo für das Feuer. Vielleicht war an dem ganzen Magie-Quatsch also auch etwas dran?
      Er war sich noch nicht ganz sicher, ob er es wirklich versuchen wollte, aber zumindest konnte er Aaron sein Schwert geben. Er reichte ihm erst die Jacke, dann nahm er das Schwert von seinem Rücken, das keine Sekunde später auch direkt wieder Feuer fing. Damit hätte er rechnen können, brache ihn aber trotzdem zum schreckhaften zusammenzucken, ehe er etwas unbeholfen versuchte, Aaron die Waffe zu überreichen, ohne dass einer von ihnen Verbrennungen erleiden musste. Kaum war das geschafft, ging das Feuer auch wieder aus. Mo blieb dennoch warm.
      "Okay...", murmelte er und drehte das Medallion in seiner Hand, strich mit dem Daumen über die Seite mit den geschwungenen Linien, die ja irgendwie seine Seite sein sollte? Denn auch jetzt kam es ihm wieder vor, als würden sie ihr Bild weiter zeichnen, während die andere Seite stillstand. Aber auch er spürte nichts. Da war kein zusätzlicher Muskel, den er bewegen konnte. Aber was dann? Wie sollte das sonst funktionieren?
      Bei Harry Potter war es ein überaus glücklicher Gedanke; vielleicht brauchte es auch einen Zauberspruch? Sesam öffne dich? Nein, das würde hier nicht helfen. Es gab noch nicht einmal ein Tor, das sich öffnen könnte.
      Konzentriert schloss Mo seine Augen und versuchte, in sich hineinzuhorchen. Wenn er wirklich Magie wirken könnte, dann müsste er doch irgendeine Ahnung haben, wie. Die Energie dafür müsste sich doch irgendwo befinden.
      Er kniff die Augen fester zusammen, umklammerte das Medallion in seiner Handfläche. Suchte nach der Quelle für die Wärme in seinem Körper, die sich in ihm ausbreitete. Irgendwo... Irgendwo...
      Da! Vor seinem inneren Auge leuchtete ein Funke auf; golden, in der Farbe der Linien auf der Münze. Doch kaum hatte er sein Aufglühen gesehen, war es schon wieder weg.
      Einbildung?
      Ein geplatztes Äderchen?
      Mo wurde wärmer.
      Nein, es durfte keine Einbildung gewesen sein, und es fühlte sich auch nicht an wie eine. Also musste er den Funken wieder finden!

      Er stand mit dem Rücken zur Wand, während ihm zunehmend wärmer wurde; heiß, könnte man sagen. Das Gefühl blieb weiterhin angenehm, er störte sich nicht daran; jedoch taute die Eisschicht an der Wand und schon bald war um ihn herum kein Eis mehr vorhanden, nur noch Wasser. Er stand in einer seichten Pfütze, die zu seinen Füßen langsam verdampfte, was er nicht bemerkte, denn er suchte immer noch nach dem Funken, so verzweifelt in dem Glauben, dass es keine Einbildung gewesen war.
      Mo spürte sogar, dass da, kaum dass die Wand freigelegt worden war, sich wieder etwas aus ihr erhob, direkt hinter ihm. Er konnte es hören, das leise Knistern, das von ihm ausging. Aber er fühlte sich dem goldenen Funken so nah, umklammerte die Münze fester.
      Die Tentakel näherte sich ihm und genau in dem Moment hatte er den Funken wieder gefunden. Anstelle ihn wieder zu verlieren, versuchte Mo ihn gedanklich zu ergreifen. Der Greifarm berührte flüchtig noch sein Ohrläppchen, als er plötzlich in Flammen aufging, und wortwörtlich zerplatzte.
      Erschrocken öffnete Mo seine Augen wieder und sprang einen Satz zur Seite, bloß weg von der Wand! Starrte auf die Stelle, aus die die Tentakel gekommen war. Sie war nun etwas schwarz, angekokelt von der kleinen Explosion, sowie dass sich eine leichte Delle in ihr abzeichnete.
      Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, seine Kehle war trocken. Schwer schluckte er einen Klos nach unten.
      "I-Ich... glaube, ich hab da was?!" Er konnte es selbst noch nicht glauben, es fühlte sich so surreal an und gleichzeitig war er sich doch so sicher, dass er diese Tentakel ganz willentlich in Brand gesetzt hatte. Er fühlte sich allgemein stärker, irgendwie... belebter? Als würde ihn Energie durchfluten, aber vielleicht war das auch nur das Adrenalin?!
      "Wenn die alle so explodieren, wenn ich sie in Brand setze, dann..." ...könnten sie so vielleicht die Wand zum Einstürzen bringen. Aber was, wenn das ein Glückfall gewesen war? Sollte Aaron nicht lieber wieder das Medallion halten, damit die Wand wieder zu Eis erstarrte und sie wieder in Sicherheit vor der Anomalie wären?
      Mo schaute wieder zu Aaron, um zu sehen, was der davon hielt.
    • Was für ein Glück, dass Aaron schon seit Jahren auf Beidhändigkeit getrimmt wurde. Schreiben. Kämpfen. Alles, um nicht total aufgeschmissen zu sein, sollte ihm eine Hand oder ein Arm abhanden kommen. Zumindest kam ihm dieser Gedanke, als er das Schwert in die linke Hand entgegen nahm, nachdem sie erneut in Flammen gestanden hatte. Früher hatte er es nicht in Frage gestellt und sich nichts dabei gedacht. Nun aber hatte er das Gefühl, dass sein Vater eben auch diese Möglichkeit mit einberechnet hatte. Ein Wunder, dass Aaron nicht gelernt hatte, mit den Füßen zu schreiben, wie die Menschen, die keine Arme hatten. Irgendwie.. ein wenig erschreckend. Sein Vater erwartete also, dass Aaron mal ein einärmiger Krüppel sein würde?!
      Er schweifte ab. Egal, was sein Vater dachte. Wenn sie hier nicht wieder herauskämen, war eh alles für die Katz'.

      Je länger Mo das Medaillon hielt, desto wärmer wurde Aaron wieder. Die Jacke hatte er deshalb erst gar nicht wieder angezogen. Irgendwann wurde die Wärme unerträglich, doch er konnte Mo nicht von der Seite weichen, wenn er ihn beschützen wollte. Der Schmerz war auch zurück, doch Aaron presste einfach die Kiefer aufeinander. Er beobachtete seinen Partner ein wenig, suchte aber gleichzeitig nach was auch immer.
      Sein Herz schlug schneller und er schwitzte. Es gab schlimmeres. Nach einem Kampf roch man schließlich auch nicht mehr nach Rosen oder Zitronen.
      Während Mo sich konzentrierte, nahm Aaron den Saum seines Shirts zwischen seine Finger und dem Schwertgriff, um es anzuheben und sich damit über den Mund und die Wangen zu wischen. Am liebsten würde er es ausziehen, aber das würde auch kaum was ändern.
      Die Zahnräder in seinem Kopf arbeiteten, doch wurde er unterbrochen, als plötzlich etwas passierte. Einen Moment lang starrte er zu Mo, der dann auch noch meinte, er hätte da was. Glaubte er zumindest. Aber das war mehr als vorher! Aaron lächelte wieder und nickte zuversichtlich.
      "Sehr gut. Versuchen wir es." Was blieb ihnen sonst übrig?

      Während Mo sich also weiterhin auf die Wand konzentrierte, stellte sich Aaron hinter ihn. Rücken an Rücken, um diesen zu decken. Auch wenn es in seiner unmittelbaren Nähe am wärmsten war, schmolz auch das Eis am anderen Ende des Raumes. Es würde noch eine Weile dauern, bis sich dort etwas regte, aber nur etwa 3 Meter entfernt, befand sich eine eingefrorene Tentakel. Aaron machte sich also darauf gefasst, sie zu zerteilen, sobald sie auf sie zukäme.
      "Kümmer dich nicht um mich. Konzentrier dich nur auf die Wand."
      Genau so versuchte Aaron Mo nicht zu sehr zu beachten. Er durfte sich nicht ablenken lassen, denn es würde ihn all seine Kraft kosten, weiter zu kämpfen.
      Als nur wenige Minuten - oder Sekunden? Sein Zeitgefühl war hier unten völlig hinüber - das Eis dünn genug war, zersplitterte es. Aaron reagierte sofort mit einem Aufwärtshieb und zerteilte die Tentakel. Als sich der restliche Teil in die Wand zurückzog, bröckelte jedoch noch mehr Eis von der Wand ab, sodass mehr Raum für neue Tentakel entstand. Das Schwert traf also erneut einen Tentakel auf der Seite, ehe sich auf der anderen Seite etwas rührte und Aaron geschickt an Mo's Rücken vorbeischritt, um ihnen auch diesen vom Laib zu halten.
      Er keuchte leise, was nicht nur an der Hitze lag - als befände er sich im Hochsommer in einem Auto, dass die ganze Zeit in der prallen Sonne gestanden hatte - sondern auch den Schmerzen, die er zu ignorieren versuchte. Zu sehr klammerte er sich an jeden noch so kleinen Funken Hoffnung und sein Leben. Woher diese plötzliche Motivation kam, konnte er nicht sagen. Seiner Vermutung nach lag das wohl an Mo. Zum einen, weil er ihn hier rausholen wollte und zum anderen, weil er irgendwie ganz umgänglich war. Auch wenn es für Aaron unvorstellbar war, heiterten seine Worte, dass er sich einen Film reinziehen sollte, ihn auf. Allgemein hatte er mit Mo heute mehr über belanglose Dinge gesprochen, als je zuvor.

      Nach einem weiteren Schwerthieb, kehrte er an seine Ausgangsposition zurück. Er lachte leise und lehnte seinen Rücken kurz an den des anderen. Er kam emotional förmlich in Wallung.
      "Wenn wir hier raus sind.. Darf ich dann.. mit zu dir?" Warum sollte er sich denn auch seine Konsole ausleihen, wenn er sie auch einfach bei ihm benutzen könnte? Auf welchem Tripp er gerade auch immer war, es gefiel ihm irgendwie. Poetisch ausgedrückt konnte man wohl sagen, dass er gerade ein wenig aufblühte. Ihm das Herz aufging. Wenigstens für einen kurzen Moment nicht so ernst sein. Und wenn es nur in diesem Moment war und draußen alles wieder zur Gewohnheit zurückkehren würde. Ganz egal.

      "Kommst du denn voran?", fragte er, da er nicht selbst nachsehen konnte, wie Mo sich schlug. Mit jeder Sekunde gab es mehr freie Flächen und mehr Angriffe, auf die Aaron sich konzentrieren musste. Ein zweites Schwert wäre jetzt ziemlich praktisch, doch zum Führen wäre er momentan eh nicht in der Lage. Sein linker Arm musste einfach genügen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Tief durchatmen. Mo erlaubte sich nun keine Selbstzweifel, durfte er nicht. Das musste einfach funktionieren! In anderen Situationen neigte Mo auch zur Selbstüberschätzung. Da ging es zwar nicht um Leben und Tod, aber er sah trotzdem oder gerade deswegen nicht ein, nun, wo es so wichtig war, sich den Zweifeln hinzugeben.
      Er nickte Aaron zu, dann schloss er abermals die Augen, fasste den Funken und versuchte diesen zu halten, während er die Augen offen behielt. Die Wärme in dem Raum stieg und Wasser tropfte von den Wänden, Tropfen landeten teilweise auf seinem Körper, nur um kurz darauf zu verdampfen.
      Er spürte Aarons Rücken an seinem und das gab ihm einen zusätzlichen Schub. Konzentration. Nicht versagen.
      Fest konzentrierte er sich auf die Wand vor sich. Das Eis begann zu bröckeln, als sich die erste Tentakel mit ihrer Spitze hindurchzubohren schien, doch kaum dass sie aus dem Eis sauste, steckte Mo sie in Brand. Sie explodierte, genau wie die zuvor und platzte einen Teil der Wand heraus.
      Völlig berauscht wurde er von diesem Gefühl, das Feuer so kontrollieren zu können, diese Macht zu besitzen. Aber es blieb keine Zeit, sich darüber zu freuen und sich dem Gefühl hinzugeben; er musste die nächste Tentakel erwischen. Und die nächste. Und die danach.

      Es dauerte seine Zeit und je mehr Tentakel er zum Platzen brachte, desto mehr blieb ihm der Atem weg. Es war anstrengend; anstrengender als das Schwert zu benutzen, wenn auch so unfassbar machtvoll -- vielleicht auch gerade deswegen.
      Hinter sich hörte er Aaron leise lachen, was ihm nochmal einen Motivationsschub gab, jetzt nicht aufzuhören. Er hatte nicht auf ihn geachtet, genauso wie er es ihm angewiesen hatte, um sich in seiner Konzentration nicht zu stören. Es war jedoch schön zu hören, dass sein Partner noch da war und genauso durchielt wie er. Sie waren schon so weit!
      "Ein etwas unpassender Zeitpunkt..., mich... nach 'nem... Date zu fragen.", scherzte er grinsend, zwischen den Worten nach Atem ringend. "Meinetwegen."

      Als er seine Frage vernahm, besah Mo sich die Wand. Sie war nun schon gut durchlöchert. Aber sie stürzte immer noch nicht ein. Mos Atem blieb ihm nun beinahe aus, das Mana schien schon fast verbraucht zu sein, zumindest fühlte er sich so. Immer schwächer werdend, wenn gleichzeitig noch so voller Adrenalin. Vielleicht benötigte sie nur noch einen kleinen Schubs, dachte Mo und da ihn diese Macht so berauschte, wollte er etwas Neues probieren als nur Tentakel explodieren zu lassen. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust, fühlte die Hitze in sich und lenkte das Feuer zu seiner Hand, mit der er das Medallion fest hielt. Er verbannte sich nicht, als Flammen aus ihr zu lodern schienen. Tatsächlich aber bemerkte er, dass seine Faust nicht selbst in Flammen stand, sie wurde nur von ihnen umhüllt. Zwischen seiner Haut und dem Feuer blieb ein schmaler Zwischenraum, der ihn vor Verbrennungen schützte.
      Mit einem lauten Schrei stieß Mo sich mit seiner letzten Kraft nach vorne und rammte seine Faust gegen die Wand. Die Flammen drangen in sie ein und er spürte, wie ein Zittern die Mauer durchzog. Kurze Zeit später explodierte sie gleich an mehreren Stellen; alle Tentakel, die sich in Reichweite innerhalb der Wand befunden hatten, platzten und rissen die Wand weiter ein. Sie zitterte weiter, versuchte sich wohl aufrecht zu halten, aber dann gab sie endlich nach und stürzte ein.
      Mo riss seine Arme schütztend vor sein Gesicht, als das passierte und hielt die Luft an, um nichts von dem Staub einzuatmen, der möglicherweise genauso giftig wäre wie die Tentakel selbst.
      Als er wieder aufsah und das große Loch in der Wand sah, begann er zu lachen.
      Es war ein heiseres, fast ungläubiges Lachen, denn er hatte keine Kraft mehr, seine Kehle war staubtrocken und dürstete nach einem Schluck Wasser. Aber sie hatten es geschafft! Die Wand war eingestürzt...!
      "Aaron... Wir habens geschafft!" Es fühlte sich irgendwie komisch an, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen anstelle eines beleidigenden Spitznamens, aber nun war er viel zu glücklich, um sich darüber weiter Gedanken machen zu wollen. Zwar atmete er schwer und wie gerne hätte er nun eine Pause gehabt, um sich zu erholen. Schwindel stieg ebenso in ihm auf, doch er konnte nicht gerade jetzt schlapp machen. Stattdessen jedoch griff er nach Aarons Arm. "Los jetzt! Raus hier!" Das Tor nach draußen musste sich irgendwo dahinter befinden...!
    • Etwas peinlich berührt, wischte er mit dem Handgelenk über sein Kinn. Nicht, weil er es Date nannte - vermutlich war das nur wieder seine Witzelei - aber weil er nicht daran gedacht hatte, wie sehr sich Mo vielleicht konzentrieren musste. Ihm selbst war es schließlich nicht gelungen. Er musste ihm unbedingt erzählen, wie er es schaffen konnte. Dennoch motivierten ihn seine Worte noch mehr.
      Als Mo nicht antwortete und er stattdessen später seinen Schrei hörte, riss Aaron sich zusammen und wollte gerade einen weiteren Tentakel abwehren, als dieser plötzlich vor seinen Augen platzte. Er wich zurück und hob seinen Arm, ehe Mo's Lachen ihn erleichterte.
      Sie hatten es geschafft? Während er sich umdrehen wollte, griff Mo bereits nach seinem Arm.
      "Ja!"
      Aaron ging vor und konnte es nicht lassen, dabei einen Blick auf 'das Innere' der Wand zu werfen. Alles hier sah immer so eigenartig aus und fühlte sich ebenso eigenartig an. Anfangs dachte er fast, dass der Boden - und somit auch diese neuen Wände - aus so etwas wie 'Fleisch' bestanden. Doch das war es nicht. Es war eine ähnliche Materie wie die, der Anomalien selbst. Nur etwas 'fester'. Allerdings wollte er viel mehr hier raus, als zu riskieren, dass er in der Wand eingeschlossen werden würde, wie es mit seinem Arm beim Boden passiert war. Er hatte heute schon genug getan, oder? Sich eine Pause verdient. Obwohl sein Vater es vermutlich anders sehen würde. Mo würde jedoch nicht dazwischen quatschen, wenn er Bericht erstattete, oder? Vielleicht doch. Na dann bekäme er eben eine Standpauke. Er würde sich schon irgendwie herausreden, dass er mehr Instrumente brauchte und ein Team. Ja, irgendwie sowas.

      Zum Schluss zwängte er sich durch den sich langsam schließenden Spalt und zog Mo da raus, bevor er zurückbleiben würde. Draußen angekommen, wollte er sich umsehen, doch er hörte bereits seinen Namen.
      "Alister!"
      Er drehte sich um und erblickte Wilson, aber auch seinen Vater. James und Wilson hatten Verstärkung gerufen, weil die beiden solange kein Lebenszeichen von sich gegeben hatten.
      Die Stimme seines Vaters klang streng, so als würde man schimpfend den Namen eines unartigen Kindes rufen. Der jüngere hatte Aaron's Waffen gefunden und auch den Sprenggürtel aufgehoben, ehe er auf Aaron's Arm starrte. Sein Vater schenkte diesem kaum Beachtung. Aaron versuchte sich zu orientieren und entdeckte die Quelle, die sie zerstören wollten. Waren sie gerade wirklich daraus gekommen? Es hatte sich nicht so angefühlt.. Immerhin war der Spalt auf dem Boden und sie sind durch eine Wand gegangen. Eine Raumverzerrung konnte man in dieser Welt wohl nicht ausschließen.

      Stattdessen nahm Aaron eine stramme Haltung an und salutierte.
      "Sir!" Er hielt kurz inne und verschnaufte. "Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht!"
      Ich. Er wollte damit nicht den Ruhm für sich allein ernten, doch im ersten Augenblick wollte er es vermeiden, dass sein Vater direkt etwas von diesem Medaillon erfuhr. Eigentlich wollte er im Moment gar nicht mit ihm reden, denn er war viel zu erschöpft dafür.
      "Alister, was ist mit deinem Arm passiert?", fragte Wilson besorgt und hielt einen gewissen Abstand zum älteren Alister, den niemand mit dem Namen ansprach. Alister war Aaron. Sein Vater wurde mit Sir oder Colonel angesprochen, da seine Schulterklappe das Abzeichen des Colonel schmückte.
      "Hast du wieder.." Wilson war dabei, als Aaron seinen Arm in den Körper einer Anomalie gesteckt hatte und vermutete nichts gutes bei diesem Anblick.
      "Ja. So etwas ähnliches."
      "Wir können später darüber reden. Kümmern Sie sich um die Quelle, Wilson", sprach sein Vater streng und Wilson tat, wie ihm befohlen wurde. Sobald die Quelle zerstört war, zeigte der Kompass zurück auf den Riss, da die Erde von da an das stärkste Magnetfeld hatte. So fand man schnell wieder heraus.

      Nachdem sie den Riss verlassen hatten, wurden sie von weiteren Soldaten empfangen. Neben James stand ein Sergeant, der Colonel Alister begleitet hatte. Außerdem noch zwei weitere, denn hier draußen ging richtig die Post ab, als die beiden 'den Raum' provoziert hatten. Ein Krankenwagen war ebenfalls vor Ort und versorgte einen der Soldaten. Drei andere lagen am Boden und wurden für den Transport vorbereitet. Sie waren tot.
      Was war hier draußen vorgefallen? Und wie lange waren sie da drin?
      Während sein Vater Befehle verteilte - eine Einheit sollte zurückbleiben und warten, bis sich der Riss schloss und der Rest sollte zur Basis zurück - kam die Frau auf ihn zu und war besorgt um Aaron's Arm.
      "Was ist passiert? Ihr wart fast 3 Stunden da drin.."
      3 Stunden? Für ihn fühlte es sich höchstens wie eine halbe an.

      Aaron hatte allerdings keine Zeit, um es zu erklären, da er von einem Sanitäter geschnappt wurde, dem sein Vater aufgetragen hatte, ihn zu versorgen. Er kam dazu und fragte Aaron aus, während dieser sein Shirt ausgezogen bekam, damit der Sanitäter seinen Rumpf inspizieren konnte.
      "Wie viele Dosen hast du genommen..?", fragte er ungläubig.
      "Drei.."
      "Colonel, er muss sofort in ein Krankenhaus."
      Ihm war es nicht möglich, seinen Zustand vor Ort zu überprüfen, doch sein Vater schien nicht sehr begeistert davon zu sein.
      "Gut.."
      Aaron überlegte, ob er ihm schon mal die Aufnahmen geben sollte, doch er zögerte. Da waren zu wenige wichtige Informationen drauf und das Gespräch mit Mo, dass er nicht hören sollte. Ansonsten würde Mo wohl einen mächtigen Einlauf von ihm bekommen, weil er ihm irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt hatte. Außerdem würde er rausfliegen, sodass es sein erster und letzter Einsatz gewesen wäre.
      Sein Partner, Ridley, war dem Colonel herzlich egal. Er war nur eine Ameise. Ihm gefiel es nicht, dass sie auf die Unterstützung von unerfahrenen Freiwilligen angewiesen waren. Deshalb durfte er keinen Grund bekommen, ihn rauszuwerfen.

      Seufzend gesellten sich die beiden Soldaten zu Mo, denn auch sie hatten Fragen. Aaron war es vielleicht nicht bewusst, doch die beiden arbeiteten schon seit Jahren mit ihm zusammen und würden fast so weit gehen, zu sagen, dass sie Freunde wären. Aaron war zwar speziell, doch ein guter Kerl, auf den man sich immer verlassen konnte.
      "Heilige Scheiße.. was habt ihr da drin gemacht? Hier ist das Chaos ausgebrochen und Alister sieht übel aus.. Hat er wieder Anomalien geknuddelt?", versuchte Wilson zu witzeln, doch er war wirklich besorgt.
      "Hält den Colonel nicht davon ab, ihn auszuquetschen..", zischte James verächtlich, während sie die Arme vor der Brust verschränkte. Sein Vater hatte nicht einmal nach Aaron's Befinden gefragt, sondern nur, was er herausgefunden hatte. Also berichtete Aaron bereits fleißig von dem Raum und den Tentakeln, ehe der Sanitäter sich zaghaft einmischte, um das Gespräch zu beenden, da er Aaron für den Transport vorbereitet hatte und los wollte. Er hätte zwar mitkommen können, doch er lehnte ab und kehrte stattdessen zum Sergeant zurück, um ihm von der zweiten Ebene zu erzählen. Vermutlich schmiedete er bereits Pläne, um so schnell wie möglich ein weiteres Team in den Spalt zu schicken. Sie hatten es aufgegeben, doch jetzt, wo Aaron von dort zurückgekehrt war, mussten sie weitermachen.
      "Alister wird die Führung des Teams übernehmen. Stellen Sie eine Liste fähiger Leute zusammen, die ihn begleiten werden", trug er ihm auf, woraufhin er nickte, ehe sie im Wagen verschwanden, der sie zurück zur Basis brächte.
      James und Wilson sollten vor Ort bleiben, um ihn zu bewachen. Sobald der Riss geschlossen wäre, würden auch sie zur Basis zurückkehren.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Als sie endlich draußen waren, wieder in ihrer Welt... Mo fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen. Noch immer rang er um Atem und ihm war schwindelig, nun jedoch konnte er sich endlich eine Pause erlauben. Er fiel auf die Knie, auch wenn die kleinen spitzen Kieselsteinchen sich ihm in die Beine bohrten. Aber das war ein richtig gutes Gefühl. Der Beweis dafür, überlebt zu haben.
      Um Aaron hatten sich Leute getummelt. Die beiden Soldaten erkannte Mo, die anderen nicht. Und es wunderte ihn auch nicht, dass sich die Menschen mehr um Aaron scherten als um ihn; hatte fast nichts anderes erwartet. Ein Teil von ihm war im Augenblick sogar froh drum. Er kämpfte mit der Müdigkeit, immer wieder fielen ihm die Augen zu, die er krampfhaft versuchte, offen zu halten. Die Hitze war auch nicht verschwunden, allerdings fühlte er sich inzwischen doch fiebrig.
      Während sich alle noch um Aaron kümmerten, um seinen Arm und um seinen Bericht, warf Mo einen Blick auf das Medallion, das er immer noch in seiner rechten Hand umklammert hielt. Die Linien malten nun nichts mehr. Die goldene Farbe sah aus wie abgekühlt und glänzte nun scharlachrot. Mo musste die Augen zusammenkneifen, um zu erkennen, dass das Symbol eine Flamme darstellte. Ein kurzer Blick auf die Rückseite verriet ihm, dass die anderen Linien sich nicht weiter ausgebreitet hatten. Allerdings glaubte er, dass sie sich zurückzogen.

      Wilson und James erschreckten ihn, als sie plötzlich neben ihm standen. Schnell steckte Mo das Medallion in die Hosentasche. Vielleicht wäre es klug gewesen, es den Soldaten gegeben zu haben. Für die Forschung oder so. Aber Mo wollte nicht. Und solange Aaron auch nich nicht davon preisgegeben hatte, wieso sollte er es tun? Er hatte ihm so wahnsinnig große Macht verliehen; wie blöd wäre er, es nun einfach so aus der Hand zu geben?
      James' Blick in die Menge folgend, beobachtete er Aaron, wie dieser gerade vom Krankenwagen abtransportiert wurde. Das war wohl auch besser so, er bräuchte dringend medizinische Hilfe. Ob es ihm dennoch missfiel, nun einfach hier allein zurückgelassen zu werden? Ja. Würde er aber nicht zugeben.
      Auch schaute er zu dem anderen Mann, der bereits Pläne fürs weitere Vorgehen zu haben schien. "Wer ist dieser eingebildete Trottel?", fragte er die beiden Soldaten und nickte mit seinem Kinn in die Richtung des Colonels.
      Wilson ließ ein Schmunzeln andeuten, aber James blieb ernst, runzelte die Stirn. "Der Colonel? Das ist Alexander Alister, Aaron Alisters Vater." Sie sprach noch mehr, aber Mo blendete ihre Stimme aus, um zu hören, was Aarons Vater zu sagen hatte; dass Aaron das nächste Team leiten sollte. Das war also sein Vater, ja?
      Mo hatte ihn noch nie zuvor gesehen, aber er konnte ihn jetzt schon nicht ausstehen. Seine Uniform war schmeichelhaft, viele Orden klemmten daran, was bestimmt bedeutete, dass er ein hohes Tier war (Mo hatte keinen Plan von Orden, sahen aber schick aus). Seine Gesichtszüge waren streng und Mo verstand langsam, woher Aaron diese eingebildete, arrogante Haltung herhatte. Die strahlte Papi Alister nämlich genau so aus. Zum Kotzen war das.
      Einer der Hauptgründe, weswegen Mo vom Militär nicht akzeptiert worden war, waren nicht etwa seine schlechten Noten, auch hätte er körperlich tadellos abgeschnitten. Allerdings ging aus seinen Zeugnissen hervor, dass Mo ein Problem mit Autoritäten hatte und sich ungern jemanden unterwarf. Mo würde das natürlich anders beschreiben. Er hätte kein Problem mit Autoritäten, wenn diese gerechtfertigt waren. Er konnte andere Menschen respektieren. Die meisten waren seinen Respekt nur eben nicht würdig.
      Und ein Vater, der seinen Sohn zur nächsten Mission einteilte, während dieser gerade im Rettungswagen zum nächstgelegenen Krankenhaus befördert wurde?
      Nee. Der hatte keinen Respekt verdient.
      Mo hievte sich ächzend auf seine Beine und wurde von Wilson gestützt. "Vielleicht sollte dich auch ein Arzt untersuchen. Du glühst ja förmlich. Ich seh mal nach, ob einer der Sanitätsärzte gerade Zeit hat."
      Aber Mo winkte mit einem Blick auf die Leichen am Boden ab. Sollten sich die Ärzte ruhig um die richtig Verletzten noch kümmern, ihm fehlte nichts. Sein Ohr, an dem die Tentakel geplatzt war, war etwas mit verbrannt worden. Außerdem hatte er doch ein paar Brandblasen an seiner rechten Hand, sowie Schrammen an den Knöcheln, die wohl durch den Schlag gegen die Wand gekommen waren. Das fiebrige Gefühl konnte er auch Zuhause wegschlafen.
      Zuhause. Schlaf. Zwei so wundervoll klingende Worte. Viel klangvoller als Arzt und Krankenhaus.
      Entschlossen schob er die Hand von Wilson von sich. "Passt schon. Ruft mir einfach ein Taxi. Ich verschwinde."
      Die beiden Streitkräfte tauschten untereinander noch einen Blick aus, dann nickte die Frau und wandte sich ab. Und Mo schlurfte zu den Absperrhütchen an der Straße, um auf seine Mitfahrgelegenheit zu warten.
    • Sein Vater war nicht unbedingt das höchste Tier, doch er hatte viele gute Beziehungen. Deshalb würde Aaron auch nur die allerbeste Behandlung bekommen. Im Krankenhaus angekommen, kam er deshalb auch unverzüglich ins MRT. Er mochte Krankenhaus zwar nicht besonders gerne, aber die Ruhe war ihm herzlich willkommen. So konnte er in Ruhe seine Gedanken sortieren.

      In der Zwischenzeit traf sich sein Vater in der Basis mit dem Team, das Aaron beim Auswerten seiner Informationen half und versuchte, seine Fantasien umzusetzen. Alles sehr bekannte Gesichter, von denen einige zwar erst seit dem Auftauchen der Anomalien dabei waren, aber andere sogar schon als Aaron's LehrerInnen mit dem Colonel gearbeitet hatten. Unter anderem eine renommierte Biologin, die 5 Jahre älter als sein Vater war. Während die meisten seiner LehrerInnen noch so etwas wie ein Herz besaßen und irgendwo vielleicht ein wenig Mitleid mit dem Jungen hatten - aber die Bezahlung war nicht zu verachten - war sie seinem Vater erschreckend ähnlich. Nach nur wenigen Jahren war ihr das Geld gar nicht mehr so wichtig, sondern die Ehre, jemanden wie Aaron hervorgebracht zu haben.
      Auch der Sergeant, sein treues Hündchen, war anwesend. Sie besprachen die Lage, den 'Raum' den Aaron entdeckt und überwunden hatte, sowie das Chaos, dass in ihrer Welt vermutlich dadurch ausgelöst wurde. Es war nur ein kleiner Riss, kaum der Rede wert, weshalb ein kleines Team für ausreichend erachtet wurde. Aaron hätte sogar allein schaffen könnten, doch sie mussten diese Freiwilligen ja irgendwie 'behutsam' an die Sache heranbringen, anstatt sie direkt ins Kreuzfeuer zu werfen. Doch während des Einsatzes stieg die Gefahrenstufe um 1.
      Normalerweise wäre das nicht 'wichtig genug' um gleich den Colonel auf den Plan zu rufen, da sich allerdings Aaron dort befand, machte er sich umgehend auf den Weg. Natürlich nicht, weil er sich Sorgen gemacht hatte, sondern weil er die Vermutung oder Hoffnung hatte, dass Aaron mit wichtigen Informationen zurückkommen könnte, die er haben wollte, während sie quasi noch kochend heiß waren. Das es Aaron so schlecht ging und er deshalb warten musste, gefiel ihm nicht besonders. Doch glücklicherweise war er ja nicht völlig zum tatenlosen Warten gezwungen. Die wenigen Informationen, die er bereits ergattern konnte, verwendete er sofort. Die nächste Mission war also, Aaron mit erfahrenen Wissenschaftlern und zuverlässigen Personenschutz noch einmal in so einen Spalt zu schicken. Außerdem müssten sie auch die Streitkräfte außerhalb des Risses erhöhen, um die Sicherheit der Zivilisten zu gewähren.
      Nur wenige Stunden nach dem Ereignis stand das Team fest. Statt Feierabend zu machen, versank der Colonel in seiner Arbeit und fragte nach Aaron's Zustand, um zu erfahren, wann er in den nächsten Einsatz geschickt werden konnte. Er diskutierte eine ganze Weile mit den Ärzten, doch dank seiner Beziehungen konnte er dafür sorgen, dass Aaron bereits in zwei Tagen wieder auf der Matte stehen würde. Er musste nicht topfit sein, es genügte, wenn er außer Gefahr war. Ausnahmsweise wäre es auch keine Schande, wenn Aaron nicht selbst an den Kämpfen teilnehmen würde, sondern sich ausschließlich ums Denken kümmerte. Zum Kämpfen waren andere Kräfte eingeteilt.

      Schon am nächsten Tag lag Aaron in seinem Bett und arbeitete an seinem Laptop, der ihm noch am selben Abend gebracht worden war. Er erhielt auch die Aufstellung seines Teams.
      Es ging ihm verhältnismäßig gut, auch wenn sich einige ernste Verletzungen zugezogen hatte. Dennoch war es ihm ein Rätsel. Er zerbrach sich seit Stunden schon den Kopf über den gestrigen Einsatz. Vor allem über das Medaillon, das er bisher noch nicht erwähnt hatte, aber irgendwann erwähnen müsste. Denn so wie es aussah, war es allein diesem zu verdanken, dass sie es herausgeschafft hatten. Nicht nur, weil Mo's - er nannte es vorläufig mal - Feuermagie ihnen einen Weg nach draußen gebahnt hatte, sondern auch, weil seine eigene Eismagie ihnen eine Denkpause verschafft hatte. Doch er hatte noch eine weitere Theorie zu seiner Eismagie. Warum er, während er es hielt, weniger Schmerzen hatte. Außerdem standen seine Überlebenschancen nicht sehr gut, wenn er genauer darüber nachdachte. Was also, wenn - und das war wirklich weit hergeholt - er auch sein Inneres 'eingefroren' hatte. Nicht vollständig, sondern eher.. Aaron dachte daran, ob die Eismagie seinen Blutfluss verlangsamt hatte. Er hatte keine Zeit darauf zu achten, ob sein Herz langsamer als gewöhnlich schlug, aber das wäre eine Erklärung dafür, dass er nicht verblutet war. Dass das Heilmittel genug Zeit hatte, um zu wirken. Möglicherweise hatte er so auch eine zu schnelle Wirkung des Heilmittels verhindert.
      Seufzend raufte er sich die Haare und wischte über sein Gesicht. Das klang so abstrus. Aber eine logischere Erklärung fiel ihm nicht ein. Magie und Mana. Schon eigenartig. So viele Fragen gingen ihm durch den Kopf, aber ohne das Medaillon kam er nicht weiter. Ob Mo es immer noch hatte? Vermutlich. Ansonsten hätte sein Vater ihn längst dazu befragt.
      Also tippte Aaron eifrig in die Tasten, um die Datenbank zu durchsuchen. Da! Mo Ridley. Er hatte kein Interesse an der gesamten Akte, sondern wollte lediglich seine Adresse herausfinden.

      Er wartete, bis es dunkel wurde und kletterte dann aus dem Fenster. Um diese Uhrzeit war nicht viel Personal unterwegs und er wurde auch nicht wie ein Gefangener überwacht. In seinem jetzigen Zustand war das zwar nicht so einfach, aber es gelang ihm. Nachdem er ein Taxi gefunden hatte, ließ er sich davon zu Mo fahren. Er zahlte Bar, denn er wollte schließlich keine Spuren hinterlassen. Es war keine geheime Aktion oder dergleichen, doch er wollte vermeiden, dass irgendjemand zu schnell dazwischen funken würde.
      Somit stieg er aus dem Taxi und sah sich kurz um. Er wusste ja nicht einmal, ob Mo zuhause war. Wenn nicht, würde er eben einfach vor der Tür warten. Doch zuerst versuchte er es einfach mal mit Klingeln. Ihm wäre es natürlich lieber, wenn er jetzt schon hereingelassen werden würde, aber wenn nötig, würde er hier auch die ganze Nacht warten. Er musste mit ihm sprechen. Über das Medaillon und wie er es nutzen konnte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mos Fahrt und seine Zeit Zuhause waren wenig aufregend. Seine Wohnung war nach wie vor noch genauso unordentlich wie er sie verlassen hatte und generell hatte sich nichts verändert.
      Irgendetwas anderes zu erwarten, wäre natürlich auch schwachsinnig gewesen. Dennoch spürte Mo eine gewisse Enttäuschung. So etwas Aufregendes wie die Zeit in der Anomalie hatte er in seinem Leben nicht erlebt. Und er war mehr oder minder ein Soldat geworden, und das hatte er doch immer sein wollen. Er hatte um sein Leben gekämpft, hatte ein -- nein mehrere Monster aus einer fremden Dimension besiegt und damit seinem Land ein Stückchen näher zum Sieg verholfen. Er sollte sich gloreich fühlen, stolz, auf irgendeine Art und Weise anders. Stattdessen fiel ihm lediglich auf, dass er mal wieder lüften sollte.

      Am nächsten Tag war Mos Fieber verschwunden, trotzdem nahm er sich fest vor, den Tag über das Bett nicht zu verlassen. Dieser Plan schlug schon gegen Mittag fehl, als er samt Decke und Kissen aufs Sofa wanderte, um durch Netflix zu scrollen. Gegen Nachmittag erreichte ihn eine Email auf dem Handy:
      Vielen Dank für Ihren Einsatz! Sie sind ein wichtiges Mitglied unserer Nation. Schließen Sie sich auch beim nächsten Mal unserem Team an und helfen Sie mit, unser Land zu beschützen!
      Wenn dieser Flyer schon mit seinen patriotischen Worten Freiwillige zum Militär gebracht hatte, wieso dann also nicht auch eine ebenso lächerlich klingende Mail? Aber Mo schmierten die Worte keinen Honig ums Maul. Als ach so wichtiges Mitglied der Nation würde er einen persönlichen Anruf erwarten. Eine Aufforderung zur Berichterstattung. Wenigstens sein Name hätte doch irgendwo stehen können, um nicht komplett ersichtlich zu machen, dass die Mail nur ein Rundschreiben an viele war, oder?
      In etwas kleiner gedruckter Schrift in derselben Mail stand geschrieben, dass das Honorar in kürze ausgezahlt werden würde -- und das war wohl das erfreulichste. Mo sperrte seinen Handybildschirm durch Druck gegen die Seitentaste und warf das kleine Telefon belanglos auf den Wohnzimmertisch vor ihm. Es stieß dabei eine leere Dose Cola um. Mo machte sich keine Mühe, diese aufzuheben, lehnte sich tiefer ins Sofa zurück und startete den nächstbesten Film.

      Ob es Aaron gut ginge? Von dem hatte er auch nichts mehr gehört, seit sie aus dem Tor gekommen waren und er wusste auch nicht, wie er ihn hätte kontaktieren können, hätte er das denn gewollt. Zugegeben wusste er nicht, ob er das denn wollte oder nicht. Bei den anderen Jobs, die er kurzfristig ausgeübt hatte, hatte er gleich gewusst, das das nix wurde. Stets hatte er eine tiefliegende Abneigung beim Gedanken empfunden, dort wieder hinzugehen und zu den wenigen Malen, zu denen er noch hingegangen war, hatte er sich zwingen müssen. Er fühlte sich jetzt aber nicht abgeneigt. Das Gefühl, vom Spalt wieder nach draußen gelangt zu sein, war überwältigend gewesen. So eine Kraft in sich zu spüren, war überwältigend gewesen. Aber ihm war klar, dass er dem Tod nur um Haaresbreite entkommen war und auch nur dank Aarons Hilfe. Er hatte verdammt viel Glück gehabt, ihn zum Partner gehabt zu haben. War es ihm das wirklich wert, sein Glück als einfacher Bauer des Militärs nochmal auf die Probe zu stellen? Von dem Geld, das sie ihm überweisen würden, könnte er immerhin noch ein paar Monate leben.

      Die schrille Schelle seiner Türklingel schreckte ihn ein paar Stunden später wieder auf. Auf seinem Fernseher biss ein Zombie einem Menschen gerade die Gedärme aus dem Leib, aber da Mo sowieso bei eingeschlafen zu sein schien, erhob er sich vom Sofa, ohne extra auf Pause zu drücken. Hatte er sich etwas zu Essen bestellt, bevor er eingepennt war?
      Mit nicht mehr bekleidet als einem schwarzen SHirt und Shorts, mit zerzaustem Haar schlenderte er zur Tür und staunte nicht schlecht, als sein alter Klassenkamerad davor stand.
      "Was machst du denn hier?" Mo warf einen Blick zu seinem Arm, dessen Zustand er durch die Kleidung logischerweise nicht auschecken konnte und hob verwundert seine Brauen. "Bist du aus dem Krankenhaus entwischt?"
    • Es wunderte Aaron nicht, dass Mo überrascht war. Für ihn war das schließlich auch etwas vollkommen neues, einfach so vor jemandes Tür zu stehen. Neben seinem Zuhause hatte er lediglich militärische Einrichtungen und das Krankenhaus betreten. Er war ja noch nicht mal jemals in einem Supermarkt gewesen. Zur Tankstelle musste er auch noch nie, da er nie weite Strecken fuhr und der Wagen so gut wie immer vollgetankt zur Verfügung stand.

      "So könnte man es nennen, ja", lachte Aaron leise.
      "Ich wollte gern mit dir über dieses Medaillon sprechen. Du hast es doch noch, oder? Wie hast du es geschafft, es zu benutzen?", trug er sein Anliegen vor.
      "Darf ich reinkommen?", fragte er und lächelte ein wenig unbeholfen. Wenn Mo das nicht wollen würde, wäre das in Ordnung, aber irgendwie wäre es ihm dann sehr peinlich, dass er einfach so bei ihm zuhause aufgekreuzt war.
      "Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?"
      Er entdeckte die Verbrennung an seinem Ohr und fragte sich, ob Mo noch mehr Verletzungen abbekommen hatte. Auch, wenn er sein bestes gegeben hatte, um Mo zu beschützen, wusste er nicht mit Gewissheit, ob Mo irgendwann einen Treffer von den Tentakeln eingesteckt hatte. Er hatte ihn nicht die ganze Zeit sehen können, als er mit dem Arm im Boden steckte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Ah, das Medallion. Ja, natürlich hatte er es noch. Mo wandte sich um und ging zurück in sein Wohnzimmer, ließ die Tür offen stehen, damit Aaron ihm folgen könnte, winkte die Frage nach seinem Zustand einfach ab, während er den Flur entlangschritt. Er konnte nur auf einer Seite schlafen und seine Hand tat etwas weh; aber seine Hand tat öfters wegen Schlägereien weh und allgemein machte er sich nicht viel aus Schmerzen, war sie ja gewohnt.
      "Schwierig zu erklären. Ich habe einen Funken gesehen, so einen im Kopf, verstehst du? Und als ich den versucht habe zu greifen... Es scheint hier draußen aber nicht zu funktionieren... Ich habs gestern noch versucht, aber nix." Über der Gaderobe hing nun auch die Uniform, die er am Vorabend ausgezogen hatte, ohne vorher in den Spiegel zu sehen. Mittlerweile kam ihm das kaum noch wichtig vor. Aus ihrer Tasche kramte er die Münze. "Allerdings ist da jetzt eine Flamme drauf. ... Oh, sie ist weg." Kurz drehte er die Münze in seiner Hand, um sich dem zu vergewissern, aber nein. Beide Seiten waren wieder schwarz. Na ja.
      Da er nicht glaubte, dass das Medallion in der Menschenwelt funktionierte, warf er es zu Aaron mit einem "Hier, fang!" zu, anderenfalls hätte er wohl darauf bestanden, sich das kleine Artefakt nicht unbedingt bei sich in der Wohnung zu begutachten...
      Dass seine Wohnung nicht viel von Ordnung hielt, war ihm in Aarons Gegenwart auch nicht unangenehm, es war ebenfalls etwas, das er nicht anders kannte.
      Er warf einen kurzen Blick zum Fernseher, der nun den Abspann abspielte. Super, dann konnte er den Film also nochmal von Anfang an schauen, denn er hatte davon absolut nix mitbekommen.
      "Hab gehört, dein Papi plant dich direkt für die nächste wichtige Mission ein, hm?" Er ließ es spöttisch klingen und er hielt ja auch tatsächlich nichts davon, doch ließ er es so klingen, als wäre das ein Umstand, vor dem man sich schämen müsste. Er verstand eben nicht, wieso Aaron sich so herumschubsen ließ; andererseits ging es ihn auch nichts an. Also zuckte er mit seinen Achseln und ließ sich wieder aufs Sofa sinken.
    • Aaron sah dem anderen kurz nach und folgte ihm dann, ehe er die Tür hinter sich schloss. Einen Funken? Das würde er auch mal versuchen. Mo hatte auch eine Flamme gesehen, doch nun war sie wohl nicht mehr zu sehen. Was das mit Anzeige gemeint? Angenommen, Mo's halbherzig aufgestellte Theorie würde stimmen, dann bedeutete eine schwarze Seite so etwas wie volles Mana und das vollständige Bild der Flamme, dass es aufgebraucht wäre? Schade, dass er es nicht selbst gesehen hatte.
      Er fing das Medaillon und betrachtete es einen Moment. "Ja.. Wenn wir wirklich in dieser Quelle waren, dann soll ich dort wieder rein. Morgen Abend." 48 Stunden gab sein Vater ihm zum Verschnaufen. Ihm war klar, dass er im Kampf noch nicht so wirklich zu gebrauchen wäre, doch er sollte ein Team an die Seite gestellt bekommen, dass sich um die Anomalien und die Tentakel kümmern würde, von denen Aaron ihm berichtet hatte. Allerdings war er sich nicht sicher, ob es ohne dieses Medaillon machbar wäre. Könnte es vielleicht sogar sein, dass es mehrere davon gab? In jedem dieser Räume? In jeder Quelle? War es die Quelle? Was, wenn die Anomalien ihre Kraft aus diesem Ding bezogen? Weitere Fragen, auf die er eine Antwort finden müsste.
      Der Braunhaarige zog seine Schuhe aus und hing auf seine Jacke auf, ehe er Mo folgte. Es machte auf ihn jedenfalls nicht den Eindruck, als würde Mo ihn direkt wieder rauswerfen wollen. Diese Unordnung war ungewohnt für ihn, da es so etwas in seinem Haus nicht gab. Dafür hatten sie schließlich Angestellte. Großgezogen wurde er ebenfalls von einer Nanny. Seine Mutter hatte er schon seit 20 Jahren nicht mehr gesehen und seit Vater arbeitete viel.
      Er überlegte kurz, ob er um Erlaubnis fragen sollte, sich setzen zu dürfen, doch ihm war schon klar, dass Mo kein großer Fan von dieser übertriebenen Höflichkeit war. Vermutlich war es ihm vollkommen egal. Oder wäre es doch unhöflich? Diese Frage stellte er sich allerdings zu spät, denn er saß bereits und betrachtete das Medaillon. Beide Hände ruhten auf seinem Schoß und hielten es, wobei der linke Daumen darüber strich. Die rechte Hand sah zum Glück nicht so aus, wie es sich angefühlt hatte. Er hatte keine offenen Wunden und sie waren auch nicht gequetscht, dennoch waren sie verfärbt und die Adern stachen ebenfalls ziemlich hervor. Seine Finger zitterten auch ein wenig, wogegen er nichts tun konnte. Aufgrund der Überdosis von dem Heilmittel, riet man ihm von Schmerzmitteln ab. So schlimm war es auch gar nicht. Es war auszuhalten. Solange kein Druck auf seinen Arm ausgeübt werden würde, würde er es überstehen.
      Er spielte mit dem Gedanken es auszuprobieren. Natürlich nicht in der Wohnung. Aber andererseits war ihm gerade nicht danach. Nun war er hier. Bei Mo. Ob er ihn fragen sollte, ob sie sich einen Film ansehen würden? Mo schien sich jedenfalls einen angesehen zu haben. Hoffentlich hatte er ihn dabei nicht gestört. "Hast du was dagegen, wenn ich noch etwas bleibe? Ich will noch nicht zurück.." Nun hatte er doch ausgesprochen, was ihm durch den Kopf ging. Aaron war kein Zombie, wie Mo ihn gerne nannte. Er hatte durchaus Gefühle. Mal mehr, mal weniger. Aber er hatte sie immer ganz gut im Griff. Bis zum gestrigen Einsatz jedenfalls.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Mo schnaubte abfällig, nahm die Fernbedienung in die Hand und schloss den offnenen Stream. Er hatte nicht viel Erfahrung mit dem Arbeitsrecht oder Arbeit allgemein, allerdings kannte er noch von seiner Schulzeit das Prinzip von Krankschreibungen und war sich ziemlich sicher, dass Aaron dem Arzt nicht einmal Bauchweh vorgaukeln müsste, um eine anständige AU zu bekommen.
      "Und du meinst, du packst das alleine? Oder ist der Plan, dass du deinen anderen Arm auch fast verlierst?" Noch schlechter verstecken, wie wenig er von der ganzen Aktion hielt, konnte er nicht, dabei konnte es ihm doch egal sein. Er kannte Aaron... kaum. Jedenfalls waren sie keine Freunde und was ihn als Person ausmachte, hatte Mo nun vielleicht erst seit kurzem erfahren, ansatzweise, allerhöchstens. Aber Aaron wusste nun genauso gut wie er, wie es in Ebene Zwei (so hatte er sie doch genannt, oder?) ausgesehen hatte und dass es nicht gerade einfach gewesen war, dort wieder herauszukommen. Und dann war er noch nicht einmal topfit dafür.
      Mo seufzte schwer. "Wenn dein Vater so sehr um das Wohlergehen der Welt besorgt ist, dass er seinen eigenen Sohn dafür opfern würde, sollte er wenigstens die Chancen maximieren wollen. Was ein Schwachsinn." Genervt knallte er die Fernbedienung auf den Tisch. Wieso machte ihn das so wütend? Weil er ihn an seinen eigenen Vater erinnerte, oder weil Aaron das auch noch mit sich machen ließ?
      Er wusste es nicht, aber es war selten, dass Mo über etwas wütend wurde, dass nicht ihn selbst betraf.
      "Fein.", raunte er nicht weniger genervt auf Aarons Frage, ob er bleiben könne. War immerhin ihr Deal gewesen und Mo hatte ihn nicht vergessen. "Ich kann wohl kaum verantworten, dass du dich in solche Lebensgefahr begibst, ohne wenigstens Herr der Ringe zu kennen. Ich bestell uns Pizza." Und das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Mo startete flink den Film und nahm dann das Handy in die Hand, um die Liefer-App zu öffnen. "Was willst du?"
    • "Nicht allein..", murmelte Aaron und starrte noch immer auf das Medaillon. Er war nicht allein. Andere würden ihn begleiten. Dennoch war er zwiegespalten. Einerseits schien er für seinen Vater von unschätzbarem Wert zu sein und andererseits vollkommen gleichgültig. Er lebte ja noch und sein Arm war auch noch dran. Selbst wenn nicht, wäre er noch immer fähig dazu, die Anomalien weiter zu untersuchen. Und wie gesagt, war er ja nicht der einzige. Er war nicht unersetzbar.
      Aaron öffnete bereits seinen Mund und hob den Blick, doch er hielt inne, als er merkte, wie wütend Mo war. Hatte er etwas falsch gemacht? Wenn er ihn so sehr hasste, warum durfte er dann hier sein? Gerade, als er daran dachte, doch wieder zu gehen, bremste ihn Mo's "Fein". Herr der Ringe und Pizza? Er legte das Medaillon auf den Tisch und lächelte ein wenig. Der Film wurde schon gestartet und so schnell konnte Aaron gar nicht reagieren, als er schon überlegen musste, was er auf seiner Pizza haben wollte. Er wurde noch nie gefragt, was er essen wollte und aß einfach das, was ihm vorgesetzt wurde. Es schmeckte auch immer gut, aber mit solchen belanglosen Fragen musste - oder viel mehr durfte - er sich nie befassen. "Brokkoli.. und Schinken.. und Sauce Hollandaise.." Das war das erste, was ihm in den Sinn kam. Wenn er jetzt anfangen würde, genauer darüber zu grübeln, würde er in einer halben Stunde noch keine Entscheidung getroffen haben.
      Während sie auf das Essen warteten, lehnte er sich zurück und konzentrierte sich auf den Film. Das machte ihm auch unmöglich weiter mit Mo zu sprechen. Er wollte ihn gern fragen, ob er ihn begleiten würde, da er das Medaillon schließlich benutzen konnte. Ohne ihn, wären sie dort nicht rausgekommen. Und er wäre beruhigter, wenn er bei ihm wäre. Seinen Vater könnte er auch überzeugen, denn er müsste ihm wohl oder übel vom dem Medaillon erzählen und dann eben auch davon, das Mo es benutzen konnte. Dann würde sein Vater schon einwilligen. Aber eigentlich wollte er gerade auch nicht weiter darüber nachdenken und lieber den Film schauen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Na wenigstens keine Ananas.", murmelte Mo und schickte die Bestellung via Internet ab.
      Während sie warteten, starrte Mo zwar zum Fernseher, aber wirklich aufpassen tat er nicht. War nun nicht so wild, er kannte den Film sowieso auswendig.
      Zwischenzeitlich sah er zu seinem Besuch. Nein, natürlich würde dieser nicht alleine gehen, aber würde das so eine große Rolle spielen? Wies er dann jemand anderen an, im Boden herumzustochern? Mo konnte sich die Schmerzen noch nicht einmal vorstellen, die Aaron erlitten haben musste, aber selbst er bezweifelte, dass so viele andere so eisern durchhalten würden wie er. Und er konnte noch nicht mal das Medallion benutzen!
      Moment; war es sein Plan, das mitzunehmen?
      Es klingelte an der Tür und Mo erhob sich, schnappte sich im Aufstehen die Münze vom Tisch. Er hatte gerade keine Tasche an seinem Körper, also verstaute er sie wieder zurück in der Uniform, als er an der Garderobe vorbeiging.
      Vielleicht könnte er ja auch mit und... sie könnten das wiederholen...? Hingegen; würden sie ihn einfach so mit ins Team lassen? Er war weiterhin nur ein Bauer, nicht mal würdig eine persönlich geschriebene Email; als ob sie ihm so eine wichtige Aufgabe geben würden? und da war immer noch die Frage, ob er das überhaupt wollte. Nochmal auf so eine Mission gehen. Vor allem, wenn er den Sinn dahinter nicht ganz begriff. Etwas Training, um sicherzugehen, dass er das Medallion wirklich nutzen konnte und das zuversichtlich; lernen, was man damit überhaupt tun konnte, wäre außerdem wünschenswert, bevor er sich nochmal in diesen Todesschlund da begeben würde. Aber dafür war doch überhaupt keine Zeit mehr...
      Wieso machte er sich überhaupt so viele Gedanken darum, Aaron unbedingt begleiten zu wollen?

      Der Lieferant wartete auf Trinkgeld und Mo knallte ihm die Tür mit dem Fuß vor der Nase zu, trug die beiden Schachteln zurück ins Wohnzimmer. Seine eigene Schachtel stellte er auf dem Tisch ab und bevor er Aaron seine reichte, öffnete er diese, holte ein Stück seiner Pizza heraus und schob es sich selbst in den Mund. War nicht der größte Fan vom Brokkoli, aber die Sauce Hollandaise war auf Pizza gar nicht mal so schlecht.
      Erst dann reichte er Aaron die Pizza, warf sich selbst wieder auf das Sofa und öffnete, das Stück Pizza immer noch im Mund habend, seine eigene Schachtel, um daraus zum Ausgleich eines seiner Stücke zu Aaron zu schieben. Das machte er mit solch einer Selbstverständlichkeit, dass ihm nicht mal in den Sinn kam, dass Aaron etwas dagegen haben könnte. Außerdem war Mo ein Freund von simplen Dingen und hatte insofern eine normale Pizza Salami; die mochte doch sowieso jeder.
    • Als es klingelte, sah Aaron seinem Gastgeber nur kurz hinterher. Er wollte nur ungern etwas von seinem ersten Film verpassen. Nicht nur sein erster Film. Heute war auch sein erster Besuch bei jemandem. Er könnte Mo wohl nicht als Freund bezeichnen, aber dennoch war es irgendwie.. schön. Mo war auf eine Art ein ziemlich unentspannter Typ, aber wenn er sich seine Wohnung zu ansah, doch wohl etwas zu entspannt. Auch, dass er ohne zu zögern ein Stück von seiner Pizza nahm. Aaron störte es nicht und er hätte auch keine Gegenleistung in Form eines Stückes seiner Pizza erwartet, aber fand es ziemlich nett.
      Er aß seine Pizza, auch das Stück Salami Pizza und verfolgte weiter den Film. Irgendwie fühlte er sich ein kleines bisschen wie Frodo. Gezwungen wurde er zwar nicht, aber so ganz freiwillig nahm er diese Aufgabe auch nicht auf sich.
      "Ich mag Legolas. Er ist so ruhig und kann gut kämpfen. Bestimmt ist er sehr beliebt, weil er so gut aussieht. Aragorn sieht aber auch gut aus. Und Gimli ist echt witzig." Die Beziehung zwischen Legolas und Gimli gefiel ihm irgendwie und nahm dem Film so ein bisschen diese erdrückende Ernsthaftigkeit, von der Aaron in seinem Leben schon genug hatte.
      "Aber die Hobbits sind auch cool. Sam kümmert sich gut um Frodo." Musste schön sein, so einen Freund zu haben. Möglicherweise konnte man Aaron's Neid heraushören.
      Alles in allem gefiel ihm der Film wirklich gut. Das war auf jeden Fall eine gute Wahl für seinen ersten Film. Es faszinierte ihn, dass es davon noch mehr Teile gab, die er nur zu gern auch sehen würde. Ob Frodo es schaffen würde, den Ring zum Schicksalsberg zu bringen? Das sah nicht nach einer leichten Reise aus.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Sie aßen ihre Pizza und Mo fiel auf, dass Aaron sehr gefesselt von dem Film zu sein schien. Immerhin fand er ihn nicht langweilig, das war schonmal etwas Gutes. Dennoch glaubte Mo nicht, dass er jemals einen Film mit jemand anderen so konzentriert geschaut hatte wie nun diesen mit Aaron. Es gab kein lautes Dazwischenquasseln, keine nervtötende Ablenkung. Sie aßen einfach ihre Pizza, Mo trommelte zwischenzeitlich etwas mit seinen Fingern auf der Couch und sie schauten den Film.
      Dabei war es schon eigenartig, dass gerade sein ehemaliger Schulkamerad hier saß. Von allen Bekannten, die Mo hatte oder gehabt hatte, war Aaron sicherlich der letzte, den er hier erwarten würde, neben sich auf seinem Sofa und wie gebannt zum Bildschirm starrend. Es war verrückt, merkwürdig gar; vor allem, da Mo schon seit geraumer Zeit keinen richtigen Besuch mehr gehabt hatte. Jedenfalls keinen zum einfach gemeinsamen Abhängen.
      Der letzte müsste sein jüngerer Bruder gewesen sein. Aber das war nun auch schon wieder etwas her.
      Mo verlor sich ein wenig in seinen Gedanken. Er wusste nicht, ob er überhaupt jemand so friedliches kannte wie Aaron und irgendwie, wenn auch gleich es so eigenartig blieb, war das recht angenehm. Auch schien er nicht mehr der emotionslose Blechkasten zu sein. Also nicht mehr ganz so sehr zumindest. Gestern war er noch dieser arrogante Wichtigtuer, aber aktuell strahlte er einfach eine gewisse Ruhe aus, die Mo fremd war. Und das musste nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein.
      Schon morgen allerdings sollte er wieder ins Getümmel stürzen. Gefiel ihm immer noch nicht.

      Aarons Analyse über die Charaktere holte Mo zurück in die Gegenwart und er verschluckte sich beinahe bei der Erwähnung von Legolas' gutem Aussehen, was er mit einem leisen Räuspern zu kaschieren versuchte. Wie gesagt, er mochte diese Bogenschützen irgendwie; ihre Anspannung im Körper und die aufrechte Haltung, und Legolas war mit Sicherheit schon sein heimlicher Schwarm, seit der den Film das erste Mal gesehen hatte. Etwas, das er nun weniger gern mit Aaron diskutieren wollte.
      "Das sind Schauspieler, die müssen gut aussehen. Die einzigen schlecht aussehenden Charaktere sind die Bösewichte wie die Orks und Gollum."
      Er zuckte kurz mit den Schultern. "Aber Frodo nicht gut zu Sam." Aber er wollte ihm die anderen Teile nicht spoilern.

      Kurz darauf liefen schon die Credits. Der Film war lang, sehr lang; trotzdem war es Mo nicht so vorgekommen. Die Zeit in dem Raum der Anomalien war ihm definitiv länger vorgekommen, obwohl die Zeit tatsächlich beinahe dieselbe gewesen sein müsste. Jedenfalls bedeutete das, dass es schon recht spät sein musste. Und Aaron dann sicherlich bald gehen würde.
      "Du solltest deine Mission verschieben. Zumindest solange bis du wenigstens das Medallion genügend untersucht hast und ein wenig... Eismagie gelernt hast." Und eigentlich auch, bis sein Arm wieder geheilt war, aber Mo bezweifelte, dass dieses Argument irgendeinen Wert hatte, denn es war eigentlich auch das offensichtlichste und trotzdem war der Plan, sich Hals über Kopf in Gefahr zu stürzen. Er versuchte, seine Worte lässig klingen zu lassen, aber eigentlich wurde er schon wieder angespannt und wütend darüber. Dabei sollte er das wirklich nicht so nah an sich ranlassen.
    • Ihm war schon klar, dass Schauspieler eigentlich immer gut aussahen. Dennoch sahen manche eben nur normal gut aus und manche eben besonders gut. Legolas und Aragorn hatten also bestimmt einen Haufen Verehrer.
      "Hm.." Frodo soll nicht gut zu Sam sein? Irgendwie wüsste er gerne so schnell wie möglich, wieso nicht.
      Kaum war der Film zu Ende, dachte Aaron, dass Mo ihn nun bitten würde zu gehen, doch stattdessen sagte er etwas vollkommen anderes, als er zu sprechen begann. Seine Mission verschieben? Jeder Tag, jede Stunde, kostete Menschen das Leben. Freiwillige wie Mo, aber auch Soldaten. Ebenso Zivilisten. Diese Anomalien befielen ja nicht nur ihr Land, sondern die ganze Welt. Sich da um sich selbst zu sorgen, erschien Aaron irgendwie egoistisch. Doch Mo merkte auch eine sehr wichtige Sache an.
      "Ja.. du hast Recht.. Der Colonel weiß allerdings noch nichts von dem Medaillon. Wir haben ja auch noch nicht viel über den Einsatz gesprochen. Wenn ich ihm davon erzähle und um Zeit bitte, könnte er zustimmen."
      Er müsste es ihm also morgen zeigen und alles erklären.
      "Was ist mit dir? Würdest du mich begleiten? Du weißt, wie man es benutzt, deshalb würde es mich sehr erleichtern, wenn du mitkommst. Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst.. Aber vielleicht könntest du es mir zeigen und mit mir üben."
      Immerhin waren auch viele gute Männer dabei, die eine Expedition in die zweite Ebene gewagt haben, aber nie zurückkehrten. Deshalb war er sich wirklich sehr sicher, dass es ohne dieses Medaillon nicht schaffbar wäre. Er bräuchte nur ausreichend logische Argumente, um seinen Vater von etwas zu überzeugen. Sein Vater war zielstrebig und auch etwas stur, aber seine Sturheit schloss keine Dummheit ein, etwas um jeden Preis zu versuchen, wenn es genug Gegenargumente gab. Und die gab es nun mal. Aaron tat immer, was von ihm verlangt wurde, also hatte es schon was zu bedeuten, wenn er von etwas abriet. Eigentlich legte er ziemlich viel Wert auf Aaron's Worte, aber er beklagte sich eben nie über Schmerzen oder dergleichen. So etwas würde sein Vater auch nicht hören wollen. Sollen Millionen Menschen sterben, nur weil er ein kleines Wehwehchen hatte? So etwas in der Art würde er wohl sagen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Der Colonel also. Mo hob skeptisch eine Braue, als Aaron seinen Vater so nannte. Das war auch fast schon wie im Film, aber Mo verkniff sich seinen Kommentar, indem er die Lippen aufeinander presste.
      Seine Frage überraschte ihn. Er hatte keine Ausbildung so wie Aaron oder die anderen Soldaten; er war einfach nur ein Mann, der mehr mit Gewalt als mit sprachlichen Argumenten aufgewachsen war und der zufälligerweise in seiner Jugend ein paar Krampf-Kurse besucht hatte. Natürlich wusste er nicht, wie Aaron mit anderen Soldaten kämpfte, doch waren sie nicht doch irgendwie ein gutes Team gewesen?
      Mo dachte hin und her, ob es ihm das wert war oder nicht, aber drehte sich doch nur im Kreis. "Ach, meinetwegen. Aber nur mit Training! Bevor ich nochmal in irgendeinen Spalt verschwinde, will ich wissen, wie man das Ding anständig benutzt, sofern es sich überhaupt noch benutzen lässt. Und ich will das Schwert zurück!" Ein wenig verwunderte er sich selbst, dass er einwilligte, denn es war nur zum Teil eigennützig. Die Rettung der Welt bedeutete ihm nicht wirklich etwas; oder jedenfalls sah er sich anders als Aaron nicht dafür verantwortlich. Er wollte aber das Medallion nicht abdrücken. Es schien ihm tatsächlich Feuermagie verliehen zu haben und wie nur könnte er sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen? Wie ein Charakter aus einem Videospiel zu sein? Das war... förmlich die Erfüllung eines Traumes, für viele! Wie blöd wäre er denn, das einfach so jemand anderen zu überlassen? Seine große Chance?
      Aber zum anderen wollte er Aaron auch nicht alleine gehen lassen. Nicht so. Einen Teufel würde er tun und ihm das sagen, dafür wäre Mo viel zu stolz. Stimmte aber. Mo hatte ihn in der Anomalie gebraucht, aber Aaron ihn doch genauso, oder nicht? Und dann war da dieser Colonel.
      Er schnappte sich das Handy vom Tisch. "Gib mir deine Nummer. Ich will nicht, dass du jetzt ständig unangekündigt vor meiner Wohnung erscheinst, also ruf vorher an. Und sag mir bescheid, wanns losgeht mit dem Training. Meinst du, man glaubt dir einfach so? Dass das Medallion Magie wirken kann?" Fragend sah er wieder in Aarons Gesicht, neigte seinen Kopf leicht zur Seite. Er konnte es immerhin selbst kaum glauben, dabei hatte er es erlebt. Und trotzdem würde er jeden für verrückt erklären, der ihm solch eine Geschichte erzählen würde.