The seven pillars [Winterhauch x Yumia]

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    • Als der Ritter ihren Spitznamen aussprach, schlich sich ein weites Lächeln auf ihre Lippen. Es gab ihr zwar dennoch ein eigenartiges Gefühl den Namen aus jemanden Mund, außer den ihres Bruder, sprechen hören. Es gab ihr zum einen ein vertrautes Gefühl, aber auch eine gewisse Sicherheit. Sicherheit, welches ihr sagte, dass sie nicht alleine war und sie auf sich jemand verlassen konnte. Und da es sich um den berüchtigten Ritter handelte, war sie sich weiter selbstbewusster, dass sie die Mission schaffen werden. Calliope erhoffte sich auch, dass Drystan, wie er sich ihr vorstellte, sich ihr zu öffnen. Zumindest soweit, dass sie sich zu einem gewissen Maße miteinander vertraut waren. Calliope blieb realistisch und wusste, dass ähnliches wie Freundschaft nicht zustande kommen würde, doch zumindest auf eine Basis gelangen, auf der man aufeinander sich verlassen konnte. Calliope war sicherlich nicht begabt in den Schwertkünsten wie Drystan, doch sicherlich war sie ebenso gut imstande etwas zu vollbringen, was er nicht mit Leichtigkeit vollbringen konnte.
      Als Calliope hörte, dass sie einige Stunden unterwegs sein werden, nickte sie und es graute ihr ein wenig wie anstrengend es sein wird. Sie konnte reiten, doch bisher hatte sie noch keine Stunden am Stück geritten. Natürlich könnte sie Pausen einfordern, doch ihr kleiner Stolz wollte sie daran hindern dies zu tun. Sie mag in diesem Moment kindisch wirken, doch sie wollte nicht vornherein die weiße Fahne wedeln, sondern sich selbst ebenso beweisen, dass sie dazu in der Lage war solch eine Anstrengung zu überstehen.
      Calliope konnte sich die Reise über sehr gut ablenken, weg von den anbahnenden Anstrengungen in ihren Beinen. Calliope hatte schon damals die Ruhe und Natur im Palastgarten genossen und ihre Zeit beim Tee trinken damit verbracht diese zu bestaunen. Auch hier ließ sie aufmerksam ihren Blick umhergleiten. Es passierte selten, dass Calliope sie sich so weit außerhalb des Schlosses befand. Abgesehen von Einladungen von Adelsfamilien, hatte sie keinen Grund das Grundstück des Schlosses zu verlassen. Daher war die neue Erfahrung etwas Erfrischendes, gar Spannendes für sie. Es waren sämtliche neue Eindrücke, die sie selbst in der Kutsche nicht zu Gesicht bekommen haben. Den frischen Wind und den Geruch der Pflanzen fühlten sich beinahe befremdlich an, als hätte sie das Schloss noch nie verlassen. Doch es hinterließ einen positiven Eindruck bei ihr, viel mehr sogar den Wunsch öfters in der Zukunft reiten zu wollen.
      Obwohl Calliope es sich in den Kopf gesetzt hatte, so lange wie möglich, im besten Fall bis Ende hin, zu reiten, fing ihr Gesäß gegen Nachmittag an zu schmerzen. Für eine Weile biss sie ihre Zähne zusammen, doch sie konnte es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr aushalten und äußerte den Wunsch eine Pause einschlagen zu wollen. Zumindest bis die Schmerzen aufhörten. Auch wenn Calliope verstand, dass sie dann ein wenig später ankommen würden, war sie dennoch optimistisch gut mit der Zeit mithalten zu können.
      Einen Ort gefunden zu haben, wo sie eine kurze Pause einlegen konnte, nicht weit entfernt von dem Weg, umgeben von vielen Bäumen, blieb sie im Schatten eines Baumes stehen. Da ihr schmerzhaft bewusst wurde was sie erwarten wird, wenn sie sich nun bewegte, um vom Sattel hinunter zu kommen, starrte sie unschlüssig auf den Boden. Sie traute sich nicht ihr Bein auf die andere Seite zu schwingen, geschweige auf den Boden zu landen. Ihr würde ihre Knie wegknicken, sie spürte kaum Energie in ihren Beinen und durch die zusätzlichen Schmerzen, würde sie nicht ihren Halt finden können. Am liebsten würde sie weiterhin auf dem Pferd bleiben, doch ihr Gesäß schrie sie förmlich an entlastet werden zu wollen. Scharf zog sie die Luft ein. Auch wenn sie für eine längere Zeit miteinander reisen werden und sie womöglich Dinge zu sehen bekommen von einander, die nur die engsten Menschen zu Gesicht bekommen werden, wollte Calliope nicht unbedingt sogleich am ersten Tag, in den ersten Stunden, eine unelegante Seite von sich zeigen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen versuchte sie das eine Bein zu heben, doch dieser fühlte sich wie Blei ein und ihre Muskeln zogen sich auf eine Weise, der Calliope nicht gewohnt war.
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    • Zähneknirschend gab Drystan dem Wunsch der Prinzessin nach. Wenn es ganz nach dem Ritter gegangen wäre, hätte sie den Ritt bis zum angedachten Ziel nicht unterbrochen. Dennoch spähte er gehorsam nach einem geeigneten Platz für eine Pause. Bald schon führte Drystan die Pferde von der Hauptstraße ab, fort von neugierigen Augen der vorbeiziehenden Händlern mit ihren Ochsengespannen und einfachen Bauern, die zu Fuß unterwegs zu ihren Feldern waren. Zufrieden stellte er dabei fest, dass die meisten Passanten ihnen kaum mehr Aufmerksamkeit schenkten, als jedem anderen Reiter, der ihren Weg kreuzte. Allein Calliope zog trotz der unauffälligen Reitkleidung und dem fehlenden Prunk des Königshauses so manchen Blick auf sich. Selbst ohne die edlen Gewänder ließ sich ihre Schönheit kaum verstecken. Der ein oder andere Jüngling hielt in seinem zielstrebigen Gang inne und sah der hübschen Frau mit den leuchtenden, blauen Augen nach. Meist reichte ein Blick von Drystan aus, um aufdringliche Fragen gleich zu unterbinden.
      Elegant stieg Drystan vom Rücken seines Pferdes und führte Zephyr zu einem der umstehenden Bäume um die Zügel daran zu befestigen. Das Schlachtross war ebenso unberechenbar wie treu und damit bestand trotz erfahrener Führung das Risiko, dass der Hengst einfach davon preschte, wenn ihm danach war. Drystan fischte sich mit den Fingern über die Augenbrauen, um etwas von dem Staub der Straße fortzuwischen und bemerkte im Augenwinkel, dass Calliope noch immer unruhig auf ihrem Sattel herumrutschte. Warum stieg sie nicht ab? Eindringlich beäugte er das nervöse Zucken ihres Beines, das ihr scheinbar nicht gehorchen wollte. Missmutig zog der Halb-Fae die Augenbrauen zusammen. Sein aufkeimender Ärger richtete sich nicht gegen die Prinzessin sondern gegen seine eigene Unachtsamkeit. Die junge Frau war es gewöhnt, in Kutschen durch das Land zu reisen und nicht stundenlang auf dem Rücken eines Pferdes über unebene Straßen zu reiten.
      Der Bruchteil einer Sekunde verging bis Drystan begriff, wo das eigentliche Problem lag.
      Er löste die Riemen, an denen die gefüllten Wasserfalschen befestigt waren, und näherte sich der genügsamen Stute Myrtel. Sorgsam legte er sich die Mitbringsel mithilfe der Riemen über eine Schulter und sah Calliope mit prüfenden Augen an.
      "Ich möchte, dass ihr euch...", begann er, ehe er mit der Zunge schnalzte und sich an die Absprache erinnerte. "Leg die Hände auf meine Schultern und halt dich gut fest. Vertrau mir."
      Dicht trat der Halb-Fae an Myrtels Seite bis er nah genug war, damit Calliope der Aufforderung nachkommen konnte. Zögerlich berührten die zierlichen Hände seine Schultern und Drystan schüttelte den Kopf.
      "Fass richtig zu", forderte er und wartete, bis der Griff merklich stärker wurde und er nicht mehr Gefahr lief, dass abrutschte und stürzte. "Lehn dich zu mir. "
      Das war die letzte Anweisung, die er gab, bevor er ihren zweiten Fuß aus dem Steigbügel befreite und ohne Zögern die Hände an ihre Hüften legte. Für falsche Zurückhaltung war keine Zeit, sonst würde Calliope noch bis zum Morgengrauen im Sattel sitzen und nicht herunter kommen. Mit einem sanften dennoch kraftvollen Ruck zog er die junge Frau vom Pferd. Er machte einen Ausfallschritt nach hinten, um ihr etwas Raum zu lassen, ehe das ganze, federleichte Gewicht des Prinzessin gegen ihn prallte. Warmer Atem streifte flüchtig sein Gesicht, während er Calliope fest hielt und vorsichtig auf ihre Füße setzte. Als die wackeligen Knie nachgaben, verstärkte er den Griff um die zarten Hüften und wartete geduldig. Seine Miene verriet nicht, ob er von der unliebsamen Unterbrechung ihrer Reise genervt war.
      "Du hättest früher sagen sollen, dass der Ritt dir zusetzt", tadelte er.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Calliope wusste sich nicht weiterzuhelfen. Es war ihr in den Sinn gekommen Drystan um Hilfe zu bitten, doch der kleine Stolz, den sie noch bei sich trug, welches sie durch die Bitte anzuhalten bereits ankratzen lassen hatte, wollte sie noch aufrecht erhalten. Doch trotz dem angestrengten Nachdenken wie sie vom Pferd absteigen sollte, ohne dabei sich selbst dabei zu verletzen, wollte ihr keine geeignete Idee in den Sinn kommen. Kaum merklich atmete sie tief aus und war für einen Moment lang von der frischen Luft abgelenkt, die zu ihre Lunge drang. Diese Moment hielt lang genug an, sodass sie das Näherkommen ihres Begleiters nicht bemerkt hatte und somit über seine plötzliche Nähe überrascht war. Die junge Prinzessin fragte sich sofort, ob der Mann ihre inneres Ringen bemerkt hatte, trotz dem Versuch es sich nicht anmerken zu lassen. Es schien so, als wäre Calliope noch nicht der Fähigkeit mächtig zu sein, bestimmte Dinge sich nicht anmerken zu lassen, die sie andere nicht sehen lassen wollte. Vielleicht war es auch ihr Glück im Unglück, denn so hatte sie keine Hürde zu überwinden.
      Aufmerksam und neugierig zugleich, blickte sie Drystan an, der ebenso den Blick auf seine Begleiterin richtete. Seine nächsten Worte ließen Calliope ihren Atem anhalten, atmete jedoch aus, als er sich korrigierte. Über das Schnalzen lachte sie beinahe, konnte sich jedoch zurückhalten. Sie fand es beinahe niedlich wie er versuchte sich an ihre Abmachung zu halten, trotz ihrer Bitte eine Pause einzuhalten, denn sie war sich beinahe sicher, dass er ihre Bitte nicht positiv aufgenommen hatte. Bisher konnte sie von seinem Gesichtsausdruck nicht herauslesen, wie er zu all dem stand. Die Prinzessin musste sich gestehen, dass es ihr schwer fiel Drystan zu lesen, was sie doch ein Stück weit missfiel, denn wie konnte sie ahnen was er dachte? Es erzeugte für sie eine gewisse Distanz, die sie versuchen wollte über die Reise hinweg zu überschreiten. Zusätzlich erschien er ihr unerreichbar und beinah als würde er mit jedem Schritt sie gedanklich kritisieren. Solch eine Dynamik gefiel Calliope nicht und vielleicht überdachte sie alles, doch sie setzte sich als Ziel ihm näher zu kommen.
      Und auch wenn sie sich nicht nahe standen, dachte Calliope keine zwei Mal darüber nach Drystan zu vertrauen. Sie tat es, ohne es sich selbst darüber bewusst zu sein. Sie tat es vornherein schon, ohne genau zu wissen wieso. Ob sie naiv war? Womöglich, doch gab es einen Grund wieso sie den Ritter ihres Bruders nicht vertrauen sollte? Dennoch um ihm nicht weh zu tun, fasste sie ihn vorsichtig an, verstärkte jedoch ihren Griff auf seine Bitte hin. Und auch wenn die plötzliche Nähe ihr ein wenig unangenehm war, lehnte sie sich zu ihm so weit hin, wie es ihr möglich war. Sein starker Griff um ihre Hüfte ließ sie kurz zusammen zucken. Solch ein Griff war sie nicht gewohnt, vor allem nicht von starken Händen eines anderen Geschlechts. Calliope war sich bewusst, dass es nicht sonderlich der richtige Zeitpunkt dafür gewesen ist, doch sie fühlte sich peinlich berührt von der nahen Interaktion. Doch bevor sie sich in den Gedanken verlieren konnte, knicken ihre Beine unter ihr weg, als ihre Füße den festen Grund unter ihnen spürten. Ihr Griff um Drystan wurde fester und mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte sie ihre Knie an, die leicht am Zittern waren. Ihre Knie wollten ihr nicht gehorchen.
      Drystans Aussage ließ ihren Blick zu ihm schwiegen und überraschte sie, wie nahe sie sich tatsächlich waren. Schwer schluckte sie. Calliope brauchte einen kurzen Moment bis sie ihre Stimme wieder fand. Nun etwas unangenehm in ihrer eigenen Haut, sah sie zur Seite. „Ich wollte nicht gleich so schnell zur Last fallen. Außerdem wollte ich ein wenig meine Grenzen testen", antwortete sie ihm direkt in einem etwas leiseren Ton und presste ihre Lippen aufeinander, als würde sie leicht schmollen.
      Um sich selbst etwas abzulenken, sah sie wieder hinunter zu ihren Beinen und spannte ihre Muskeln an. Ihr Gesäß schmerzte weiterhin, doch sie hatte mittlerweile etwas Kraft in den Beinen gewonnen. So trat Calliope einen kleinen Schritt zur Seite und bemerkte sofort die Anspannung. Stück für Stück entfernte sie sich von ihm und trat dem Baum näher, an dem sie sich dann festhielt. Auch wenn sie am liebsten sich hinsetzen wollte, musste sie ihr Gesäß zuerst entlasten. Später würde sie lang genug auf dem Pferd sitzen. Wenn es ihr möglich war, würde sie den erneuten Ritt bis zum Ende schaffen.
      Ihre Gedanken wieder umherwandernd, richtete sie ihren Blick wieder nach oben, diesmal auf die Landschaft gerichtet, die sie umgab. Eine Szenerie, die sie, wie vorhin, nie wirklich so in ihre Gänze im Augenschein genommen hatte. Mit der Sonne hoch am Himmel, kehrte die Wärme zurück und die Farben schienen farbenfroher zu schillern. Es sah so friedlich aus, sodass Calliope sich für einen Moment fragte, ob all das, was passiert war, nicht doch nur ein schlechter Traum gewesen war. Doch ihr Verstand erinnerte sie am das schreckliche Bild ihres Bruders und die Leere, die sie gespürt hatte. Als hätte man ihre bessere Hälfte entrissen und sie allein in die Welt gelassen. Sie hatte niemanden außer ihren Bruder, der sie aufgrund der Fehler ihrer Eltern unter seine Fittiche genommen und beschützt hatte. Bis heute hatte sie Alpträume über die damalige Zeiten. Ohne ihren Bruder würden die vielen Bilder sie bis heute noch verfolgen, nun waren es nur schlechte Erinnerungen, die sie ab und an in der Nacht sie besuchten.
      Eine tiefe Trauer legte sich über ihr Herz,eine gänzlich andere Nuance, als die farbenfrohe Welt, die sich vor ihr erstreckte. Es war nur Frage der Zeit bis dieses Bild einer heilen Welt zwischen ihren Finger wie Sand gleiten wird. Calliope wollte sich nicht ausmalen was auf sie zukommen wird.
      Kurz presste sie ihre Lippen aufeinander, ehe sie sich gerade noch so aus den Gedanken reißen konnte und Drystan anblickte. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Keine Sorge, ich habe nicht vor lange Pause zu machen", beruhigte sie ihn, sollte er sich Gedanken darüber machen, dass sie hier ewig lang bleiben werden.
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    • Ein Seufzen verließ seine Lippen, als Calliope mit sichtlicher Mühe einigermaßen gefasst zum nächsten Baum stolperte um sich dort an der knorrigen Rinde festzuhalten anstatt weiter an ihrem neuen, unfreiwilligen Leibwächter. Nicht, dass er sich durch den Rückzug sonderlich gekränkt fühlte. Besonders viel Freundlichkeit hatte er der Prinzessin aufgrund seiner neuen Aufgabe nicht entgegen gebracht. Drysten behielt Myrtel im Auge, wobei die ruhige Stute wenig Anstalten machte, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen.
      Drystan verstand den Wunsch die persönlichen Grenzen auzuloten. Leider war das zumeist wenig förderlich für das eigenen Ziel. Kopfschüttelnd sah er zu Calliope herüber, ehe er ihr den Rücken zuwandte und zurück zu Zephyr ging. Von der Seite des Sattels löste er eine dünne, aufgerollte Decke. Mit dieser ging wieder zu Myrtel und befestigte die Decke, die er zuvor zu einem notdürftigen Polster faltete auf dem Sattel.
      "Falscher Stolz bringt uns nicht weiter", brummte er. "Sag mir zurkünftig, wenn Du eine Verschnaufpause benötigst."
      Mit der Wasserflasche ging er zur Calliope. Er reichte ihr die Flasche mit einem auffodernden Nicken. Es reichte Drystan vollkommen, dass sie nun öfters Pausen einlegen musste, um das königliche Gesäß zu schonen... Der Ritter schnaubte, sprach seinen Gedanken aber nicht aus. Die Prinzessin musste ihm nicht auch noch ohnmächtig vom Pferd fallen, weil sie nicht genug trank. Drystan übte sich in Geduld während Calliope sich ausruhte, trank und die Steifheit aus ihren Gliedern vertrieb.
      Schweigen hatte ihn nie belastet, aber in Begleitung der Prinzessin hatte die Ruhe etwas Drückendes. Er brauchte ihre Gedanken nicht zu kennen, damit er wusste, dass sie sich genauso wenig freiwillig hier befand wie er. Calliope wollte auch nicht hier sein, sondern im Palast an der Seite ihres Bruders.
      Als er sich umdrehte, sah er Trauer in ihrem Blick.
      "Wir werden Deinen Bruder retten", versuchte er ihr Mut zuzusprechen, obwohl seine Worte ein wenig hölzern daher kamen.
      Einen Moment später zeichnete sich ein schmalen Grinsen, nicht mehr als das Zucken seiner Mundwinkel, auf seinem Gesicht ab. Kurz zeichnete sich unter der stoischen Maske der Schalk ab, der allen Mitgliedern des Fae-Volkes innewohnte. Die Ringe an seinen spitzen Ohren klimperten leicht, als den Kopf schüttelte.
      "Haben Dir Deine Zofen nicht erklärt, dass ihr von zu viel Sorgen, Falten bekommt? Was wird der zukünftige Ehemann dazu sagen?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Es war durchaus eine interessante, jedoch auch gewöhnungsbedürftige Abwechslung, wie Drystan mit ihr sprach. Es war ungefiltert, nicht zurückhaltend oder verblühmt. Anders, als das was sie gewohnt war und aus diesen Grund fühlte sie sich leicht abgestoßen von seiner Direktheit. Doch sie erinnerte sich daran, dass sie eben diejenige gewesen war, sich auf eine Ebene zu adressieren, wo eine gewisse Nähe vorausgesetzt war. Auch wenn diese Nähe nicht auf die Art und Weise stattfand, von der man es erwartete, jedoch nur durch die Namensgebung geschaffen wurde. Doch wenn es wohl Drystans Art war, war es wohl etwas, woran Calliope sich gewöhnen musste. Vor allem weil es ihr eigener Wunsch war ihm näher zu kommen, zumindest soweit, sodass zwischen ihnen eine grundlegende Vertrauensbasis bestand.
      Calliope konnte im hintersten Eck ihrer Gedanken ihre Etikett Lehrerin tadeln hören. Calliope konnte sich nur gut vorstellen, welche Worte sie für die Prinzessin hatte. Doch nun war sie auf sich alleine gestellt, in Begleitung von Drystan. Ihre Entscheidungen lagen nun in ihre eigene Hände. Und ihr Wunsch war nun eben Drystan vertrauter zu sein.
      Es war keine liebevolle Art gewesen, wie er ihr sagte, dass sie sich bei Wunsch nach einer Pause äußern, sondern sehr plump. Es ließ sie kurz innerlich erschaudern. So erwiderte sie nichts darauf, wissend, dass sie seiner Aussage kein Folge leisten wird.
      Dankend nahm sie das Wasser an. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie Durst hatte. Sie war wohl viel zu sehr damit abgelenkt sich von der Landschaft faszinieren zu lassen. Ob sie im Laufe der Reise sich daran selbst erinnern kann, wird wohl eine Frage sein, die sie wohl mit der Zeit herauszufinden wird.
      Während Calliope ihr Wasser langsam und vorsichtig trank, hielt sie nicht inne, als er ihren Bruder ansprach. Sie hatte weiterhin noch de Hoffnung, dass sie ihren Bruder retten werden können. Was sie jedoch außer Fassung brachte, war die Änderung in Drystans Gesicht. Sie war leicht zu übersehen, kaum bemerkbar. Hätte sie ihren Blick nicht ohnehin auf hingerichtet gehabt, hätte sie es womöglich nicht gesehen. Calliope verschluckte sich am Wasser und als sie sich schnell fangen konnte, musste sie anfangen zu lachen. Laut. Nicht nur war die Dynamik zwischen ihnen absurd, die ganze Reise und das Geschehen um sie herum war an Absurdität nicht zu übertreffen, doch seine Aussage war so wahr und doch so aus dem Konzept, sodass es Calliope außer Fassung gebracht hatte.
      Es vergingen ein paar Momente, bis sie sich fassen konnte. Mit solch einem Versuch die Stimmung zu lockern, so ihre Auffassung, hatte sie nicht erwartet. Sie holte tief Luft, als sie merkte, wie sie nicht mehr lachen musste. Sie reichte ihm die Flasche zurück. „Wir können weiter", schüttelte sie amüsiert den Kopf und trat dem Pferd wieder näher, diesmal mit sicheren Schritten. Dennoch konnte sie das Pferd weiterhin nicht ohne Hilfe besteigen, so blieb sie neben dem Pferd stehen und sah ihn abwartend an, um seine Hilfe anzunehmen.
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    • Das spitzbübische Grinsen verblasste, aber ein selbstzufriedenes Funkeln leuchtete in seinen Augen. Die plumpe Bemerkung über die besorgte Miene der Prinzessin, die gegen jegliche Etikette verstieß, erfüllte den gewünschten Zweck. Calliope lachte frei und herzlich, die betrübte Stimmung lichtete sich. Bei Hofe hätte er niemals gewagt dermaßen unverfroren das Wort an die Prinzessin zu richten. Der Moment verflog und Drystan straffte seine Schultern in dem einfachen Lederwams. Er vermisste das vertraute Gewicht seiner Rüstung. Auf seinem Gesicht zeichnete sich wieder die bekannte Neutralität ab, als er die Falsche aus ihren Händen nahm und sorgfältig an seinem Sattel verschnürte.
      Drystan griff bereits nach dem Sattelknauf, da sah er noch einmal über die Schulter zurück. Hilflos stand Calliope vor der zierlichen Myrtel und mit den großen, blauen Augen sah die Prinzessin in seine Richtung. Drystan seufzte leise und nahm Zephyr bei den Zügel. Der Hengst scharrte schnaubend mit dem linken Vorderhuf über den weichen Waldboden. Er konnte es kaum erwarten wieder auf der Straße zu sein, obwohl Drystan ihm kaum viel Raum gab um in voller Geschwindigkeit voran zu preschen. Calliope konnte mit ihren dürftigen Reitkünsten auf Myrtel kaum mit dem temperamentvollen Streitross mithalten.
      Beruhigend klopfte er den muskulösen Hals des Hengtes und vertraute darauf, dass Zephyr nicht einfach davon jagte, als er die Zügel losließ um Calliope zu helfen. Wie zuvor in den Stallungen des Schlosses bot er der jungen Frau seine gefalteten Hände als Tritt an und half ihr zurück in den Stalle. Die Decke sollte den weiteren Ritt für sie ein wenig angenehmer machen.
      Leichtfüßig glitt Drystan auf den Rücken von Zephyr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Calliope sicher im Sattel saß.
      Die nächsten Stunden würden für die junge Prinzessin nicht sehr angenehm werden.

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      Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte das ungewöhnliche Zweiergespann das besagte Gasthaus.
      Es lag gemütlich eingebettet am Waldrand und wirkte auf den ersten Blick eher unscheinbar und schlicht. Durch das trübe Fensterglas schien das einladende Licht eines flackernden Kaminfeuers. Vor der Tür des Gasthauses hing ein Mann in zerlumpter Kleidung über einem leeren Wassertrog und würgte herzhaft. Drystan verzog das Gesicht, schwang ein Bein über den Hals seines Pferdes und glitt aus dem Sattel. Mit den beiden Pferden nun fest am Zügel gepackt, näherte er sich und wurde sogleich von einem Stallburschen begrüßt, der beim Anblick der Neuankömmlige aufschreckte und fast von seinem kleinen Hocker gefallen wäre. Der Bursche war nicht älter vielleicht 14 Jahre, zeigte aber keinerlei Furch gegenüber dem tänzelnden Zephyr.
      "Willkommen, Reisende!", grüßte er.
      Drystan fischte eine Goldmünze aus seiner Tasche und schnippte sie dem Jungen entgegen, der die Münze geschickt aus der Luft fing.
      "Frisches Heu für die Pferde und lass deinen Meister wissen, dass seine Freunde eingetroffen sind. Ich bringe die Pferde selbst in den Stall", brummte Drystan.
      Fragend sah der Bursche ihn an, tat aber flink wie ihm befohlen wurde in der Hoffnung auf weitere Münzen. Drystan führte die Pferde in den Stall unweit des Gasthauses und suchte sich eine geräumige Box aus, in der beide Tiere genügend Platz hatten. Zephyr war an Myrtel gewöhnt, sonst wäre ein solches Unterfangen gar nicht möglich. Der Hengst war nicht sehr gesellig.
      Auffordernd trat Drystan an Myrtel heran und öffnete beinahe einladen die Arme für Calliope, um ihr vom Pferd zu helfen. Die fürsorgliche Geste wurde allein von der ernsten Miene überschattet. Er rechnete nicht damit, dass jemand Calliope auf Anhieb erkannte, aber ein kleines Risiko blieb immer. Die Ungewissheit nagte an ihm.
      Er führte die Prinzessin zum Eingang der Stallbox.
      "Wartet hier", wies er sie an.
      Zumindest konnte ihr nun keines der Pferde mehr auf die Füße treten. Mit geübten Handgriffen löste Drystan die Sattelgurte, öffnete Riemen und Schnallen bis Sattel und Zaumzeug sorgfältig über der halbhohen Wand der Box hingen. Der Ritter legte seinen Umhang ab, warf ihn zu der Reitausrüstung und sammelte etwas Heu auf, mit dem er begann das verschwitzte Fell von Zephyr trocken zu reiben. Um Myrtel konnte sich der Stallbursche im Anschluss kümmern, aber bei Zephyr hatte er Bedenken.
      Der Stalljunge kam bereits nach wenigen Minuten atemlos zurück. Er musste sich sehr beeilt haben. Keuchend stützte er die Hände auf den Knien auf und schenkte den Neuankömmlingen ein breites Grinsen, das seine Zahnlücke betonte.
      "Mein Meister heißt Euch willkommen und lässt die Zimmer für Euch herrichten. Das Essen wird wie gewünscht auf den Zimmern serviert", plapperte er und warf Calliope einen neugierigen Blick zu.
      Er versuchte einen Blick unter die Kapuze zu werfen, die sich die Prinzessin auf Drystans Anweisung hin aufgesetzte hatte. Konzentriert zog er die Augenbrauen zusammen bis ihn der Ritter mit einem Pfiff an seine eigentliche Pflicht erinnerte.
      "Hat deine Mutter dir kein Benehmen beigebracht, Bursche? Eine Dame wird nicht angestarrt", herrschte er ihn an. "Erledige deine Pflicht und kümmere dich um das Pferd. Los!"
      "Jawohl, Sir!", quietschte der Bengel ertappt und schlüpfte zu Drystan in die Box. "Bevor ich es vergessen. Mein Meister sagte: Wenn die Dame ein Bad wünscht, lässt er Wasser heiß machen! Aber das..."
      "...kostet extra. Natürlich", knurrte Drystan
      Dabei war das Bestechungsgeld unerhöhrt großzügig gewesen.
      "Ich spreche mit deinem Meister", fügte Drystan hinzu und warf dann einen Blick zu der wartenden Prinzessin. Mit dem Vorarm wischte er sich den Schweiß von der Stirn, Stroh hatte sich in den leuchtend, roten Strähnen verfangen. Ein Bad war der wenige Luxus, den sie hier bekommen konnte.
      "Wünscht du ein Bad?"
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    • Drystan war für sie ein Rätsel. Er tat bisher seine Pflichten gewissenhaft, setzte meist ein unleserlichen Gesichtsausdruck auf und behielt eine höfliche Distanz zwischen ihnen. Auch wenn Calliope ihn nicht lange und gut genug kannte, hatte er durch seine Haltung und Art auf eine natürliche Art ihr Vertrauen erlangt, auch wenn sie schon vornherein ihm aufgrund seiner Position vertraute. So schätzte sie Drystan als eine sehr distanzierte und zurückhaltende Person ein, weswegen eine beinahe gegensätzliche Aktion von ihm ganz anders war, als sie es von ihm erwartet hatte. Vielmehr hatte sie nicht damit gerechnet, dass er zu so etwas in der Lage war. Es gab ihr somit ein Geschmack einer versteckten Seite von Drystan. Vielleicht war er doch nicht so stoisch, wie sie den Eindruck von ihm gewonnen hatte.
      Calliope verspürte eine gewisse Zufriedenheit, als sie beobachtete wie Drystan ihre Intention verstand, ohne dass sie ein Wort sprechen musste. Es war nicht sonderlich schwer zu erkennen, worauf sie hindeuten wollte, doch Calliope hatte einige Male in ihrem Leben mitbekommen, dass selbst solche offensichtliche Andeutungen nicht verstanden werden können. Erst nachdem sie mit seiner Hilfe auf dem Pferd saß, bemerkte sie den gemütlicheren Sitz. Mit einem Blick nach unten, wurde ihr bewusst woran es lag. Drystan hatte den Sattel gepolstert, sodass ihr Gesäß auf einen weicheren Grund sitzen konnte. Besser gelaunt und nun mit neuer Motivation zu reiten, nickte sie zufrieden zu sich selbst. Drystan war durchaus aufmerksam gewesen, sodass Calliope keine andere Wahl hatte gut bei ihm aufgehoben zu fühlen.
      So traten beide erneut ihre Reise an. Calliope wusste nicht, ob es an der Decke lag oder weil ihr Gesäß ihre Taubheit erreicht hat, doch während dem Reiten Schein sie weniger Schmerzen zu haben, beinahe keine. Calliope verwarf die Vorstellung, wie es wohl sein wird, wenn sie weider von ihr Pferd absteigen musste. Vielmehr konzentrierte sich Calliope auf ihre Umgebung, die bisher noch nicht von der Auswirkung der Säulen betroffen waren. Womöglich weil sie noch zu weit entfernt von diese waren, als dass sie in dieser Zeit ihren Einfluss so weit ausüben konnten.

      Calliope war an ihren Grenzen und mit jeder Minuten fragte sie sich, wann sie ankommen würden. Doch sie erinnerte sich immer wieder an Drystans Aussage. Erst am Abend würden sie ankommen und so starrte Calliope immer wieder Richtung Himmel und bat darum gedanklich, dass der Abend einbrechen sollte.
      Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne streichelten sanft die weiten Felder, die sich bis zum Horizont erstreckten. Der Himmel glühte in einem warmen Farbenspiel aus Orangen, Rottönen und einem zarten Rosa, während sich die Wolken wie gemalt am Abendhimmel ergossen.
      Ein leichter Wind strich über die Landschaft, trug den Duft von frischem Gras und Erde mit sich und ließ die Blätter der Bäume sanft rauschen. Die Welt schien für einen Moment den Atem anzuhalten, eingehüllt in eine friedliche Stille, die nur vom fernen Gesang der Vögel durchbrochen wurde, die sich langsam zur Ruhe begaben.
      Am Horizont verschmolzen Himmel und Erde zu einer einzigen Leinwand, auf der das Meisterwerk des Tages sein Finale fand. Die Sonne tauchte langsam unter, tauchte die Welt in ein magisches Licht, das die Seele erwärmte und den Geist mit einer stillen Ehrfurcht erfüllte.
      In diesem Augenblick schien die Zeit stillzustehen, während die Natur ihr Abendgebet sprach und den Tag in Dankbarkeit und Schönheit verabschiedete. Es war ein Moment der Harmonie und des Friedens, ein Geschenk der Natur, das Calliope tief im Herzen berührte und die Schönheit der Welt in all ihrer Pracht offenbarte.
      Wahrlich ein Moment, welchen die Prinzessin mit großer Freude und tiefe Faszination mit ihren blauen Seelenspiegel beobachtete. Und mit jedem vorbeigehenden Moment, wurde es dunkler und kündigte Calliope die baldige Ankunft ihrer Unterkunft an.

      Das Ende ihrer Qual war in greifbarer Nähe, als sie aus ein Gästehaus ansteuerten. Calliope verzog ihr Gesicht, als sie einen Mann vor dem Hause würgte. Sie verstand nicht, wieso man selbst entschied seine eigene Grenze zu testen, um schlussendlich der Reaktion seines Körpers nachzugeben. Die Blondine war abgestoßen von dem Blick und verspürte ein gewissen Ekel, welches sie dann doch nicht ganz verbergen konnte. Umso erleichtert war sie, als Drystan die Pferde in eine andere Richtung führte. Neugierig und fremd in dieser Situation, sah sich Calliope um und sah zum ersten Mal das Innere eines Stallboxes. Faszinierend beobachtete Calliope die Bewegungen von Drystan und musste sich schlussendlich ein Kommentar unterdrücken, als er ihr andeutete, dass er ihr beim Absteigen helfen wird. Mit einem Lächeln lehnte sie sich zur Seite und legte ihre Arme um seinen Hals. Auch wenn diese unmittelbaren Nähe zum anderen Geschlecht, außerhalb des Tanzen, fremd war, wusste sie, dass es nicht schneller anders gehandhabt werden konnte. Den Boden wieder unter ihre Füßen zu haben, knicken ihre Knie fast wieder einmal weg, doch sie fasste sich schnell. Das unangenehme Ziehen an der Innenseite ihrer Oberschenkelbeine waren sehr deutlich zu spüren. Es würde morgen sicherlich nicht verschwunden sein.
      Die Kapuze übergeworfen, beobachtete Calliope still den Austausch zwischen den Burschen und Drystan. Bis der besagte plötzlich vor ihr stand und versuchte sie zu erkennen. Ein wenig überrascht und perplex, sank sie weiter den Kopf. Offen angestarrt zu werden, war Calliope nicht gewohnt. Man tat es bei ihr meist so, dass sie es nicht mitbekam.
      Calliopes Blick wanderte wieder zu Drystan, als er sie fragte, ob sie einen Bad möchte. Ein wenig verwundert, neigte sie kaum merklich ihren Kopf zur Seite. „Ja?" Wieso sollte sie keinen Bad haben wollen. Ihr Blick schweifte ab und blieb an den Stroh hängen, der sich etwas in seinen Haaren vergriffen hatte. Sie trat auf ihn zu, streckte ihre Hand aus und zuckte einen großen Hals aus seinen Haaren raus. „Du solltest auch einen nehmen", kommentierte sie nur. Mit einem Lächeln drehte sie sich um, verschränkte ihre Hände hinter ihren Rücken und ging ein paar Schritte nach vorne. „Komm. Ich habe Hunger."
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    • Ein ungläubiges Schnauben rumpelte durch seinen Brustkorb, als Calliope mit spitzen Fingern einen verwaisten Strohhalm aus seinen Haaren pickte. Drystan beäugte den Halm zwischen ihren Fingern. Ein wenig Stroh in seinen Haaren war eine Kleinigkeit gegen den Pferdegeruch, der ihnen nach einem ganzen Tag im Sattel anhaftete. Der Ritter verströmte zweifelsohne einen Geruch von Tier, Schweiß und Leder und auch die Prinzessin duftete nicht langer nach den hübschen Blüten des Palastgartens. Beiläufig zuckte Drystan mit den Schultern. In frühster Kindheit war der Pferdestall praktisch sein Zuhause gewesen. Tiere waren ihm oftmals lieber gewesen als die Menschen, bei denen er aufwuchs. Nur sein Vater und seine Halbgeschwister hatten über die Makel seiner Herkunft hinweggesehen. Er war alt genug gewesen, um zu begreifen, wie abfällig seiner Stiefmutter über ihn gesprochen hatte. Über einen kleinen Jungen, dem die unglücklichen Umstände seiner Geburt nicht bewusst waren. Drystan hatte erst viel später wirklich begriffen, warum die Bewohner des Bauerndorfes ihn mit misstrauischer Vorsicht beäugt und hinter seinem Rücken Wechselbalg geflüstert hatten. Heute wusste er, dass diese Behauptung völliger Unsinn war. Seine leibliche Mutter hatte kein Kind geraubt und ihn zum Tausch dort zurückgelassen, damit die Menschen ihn aufzogen. Sie hatte ihn einfach nur zurückgelassen.
      Kopfschüttelnd folgte er Calliope über den größtenteils verwaisten Hof des Gasthauses. Der Mann an der Tür hatte sich bereits wieder nach Drinnen verzogen um dort ohne Zweifel seinen nächsten Krug zu bestellen. Keine Umgebung für eine Prinzessin, aber etwas Besseres ließ sich in der kurzen Zeit nun mal nicht bewerkstelligen. Höflich hielt Drystan seiner Begleiterin die Tür auf, allerdings ließ er sie nicht hindurch ohne nicht vorher den Sitz ihrer Kapuze zu kontrollieren und ihr ein paar Worte zuzuflüstern.
      „Geh schnurstracks in Richtung der Treppe und warte dort auf mich. Ich spreche kurz mit dem Wirt.“
      In der Taverne stank es nach altem Schweiß und schalem Bier. Mit Mühe unterdrückte Drystan den Impuls die Nase zu rümpfen. Stallgeruch war die eine Sache, die penetranten Alkoholfahnen der trinkfreudigen Gäste eine ganz andere Sache. Unbeirrt von dem Gegröle, das vermutlich ein Lied sein sollte, der drei Männer am Tresen, wandte sich Drystan an den Wirt. Ein paar Worte und einen weiteren Münzenbeutel, der seinen Besitzer wechselte, später drängte sich Drystan durch die feiernde und trinkende Menge. Das Gasthaus war überraschend voll, aber der Halb-Fae schätzte, dass es sich überwiegend um die Bauern und Handwerker aus der Gegend handelte. Das Essen, etwas Brot und Eintopf, würde die Küchenmagd ihnen auf den Zimmern servieren. Drystan hielt es für klüger, so wenig Zeit wie möglich unter den Gästen zu verbringen. Während sie aßen würde die Magd alles dafür vorbereiten, damit die Prinzessin sich den Staub von der Straße abwaschen konnte. Er hatte ein paar Münzen oben drauf gelegt, damit die Prinzessein frisches Wasser auf ihr Zimmer gebracht bekam. Einen ganze Zuber würden sie hier wohl nicht finden. Calliope würde sich mit einer Schüssel voll Wasser und mehr geruchsloser Seife zufrieden geben müssen. Notdürftig, aber besser als nichts und offensichtlich verstand die Taverne und sein Wirt das als ausreichendes Bad.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Der Geruch zog sich penetrant in ihre Nase hinein und sie wusste bereits, dass dieser Ort keiner war, an dem sie sich gerne aufhalten wollte. Sie kam nicht drumherum, als ihre Nase vor Ekel zu rumpeln und ihr Gesicht zu verziehen. Ob es angebracht war? Womöglich nicht, doch solch ein Geruch und Anblick war nicht etwas, was Calliope normalerweise zu Gesicht bekam. Vielmehr wurde sie in gut riechende Öle gebadet und von angenehme Gerüche umgeben, sodass dieser plötzliche Umschwung sie aus der Bahn geworfen hatte und nicht dazu in der Lage war sich nichts anmerken zu lassen. Calliope konnte sich nicht vorstellen sich jemals als diese Gerüche gewöhnen zu können. Sie befürchtete, dass es nicht nur dieser Ort diesen Gestank mit sich trug und dass es nicht das erste Mal sein wird, dass sie das riechen werden muss. In ihr sträubte es sich den Ort, die Ursache des Gestanks, näher zu kommen, doch wenn sie nicht draußen schlafen wollte, hatte sie keine andere Wahl. Das war ihr leider bewusst.
      Bevor sie jedoch eintreten konnte, hielt ihr Ritter sie an und zog die Kapuze etwas noch tiefer ins Gesicht. Dass sie sogleich Anweisungen erhielt, kam ihr nicht richtig vor, doch sein Ton ließ sie seinen Worten folgen. So ging sie hinein, schaute sich nicht herum, auch wenn sie neugierig war wie das Innere genau aussah. Doch nicht nur erinnerte sie sich an seine Worte, sondern auch ihr Körper wollte sich endlich hinlegen und ausruhen. Ein kurzes Schielen zur Seite konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. Durch das kurze Ablenken, auch wenn sie langsam lief, stieß sie aus Versehen mit jemanden am Anfang der Treppe zusammen. Als wäre sie gegen eine Wand gelaufen, stolperte sie über ihre eigene Füße, als sie nach hinten Schritt und landete unsanft auf ihr Gesäß. Empört sah sie hoch und wollte die unfreundliche Worte, die auf ihre Zunge lagen, gegen den Kopf des Fremden werfen, als sie die beachtliche Statur des Mannes sah. Da ihre Kapuze tief in ihr Gesicht lag, konnte sie das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Vielleicht aus eben diesen Grund, ließ Calliope sich nicht einschüchtern und hielt ihre Hand hoch. „Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?", ertönte eine tiefe Stimme. „Ihr hättet ebenso auf Euren Weg achten können", entgegnete sie empört und wedelte weiter mit ihre Hand in der Luft herum. „Was soll das jetzt mit deiner Hand?" Verärgert verzog sie den Mund. Am Ende des Tages war sie immerhin noch eine Prinzessin und auch wenn der Fremder dies nicht wusste, sollte man dennoch aus Höflichkeit und Anstand einer Dame beim Aufstehen zu helfen. „Hat man Euch kein Anstand beigebracht? Jemanden, der teils Mitschuld trägt, einer Dame auf hilft." Unzufrieden verzog sie ihre Mundwinkel und wartete darauf, auf geholfen zu werden.
      Plötzlich griff man unsanft ihren Arm an und hob sie mit Leichtigkeit hoch. Der Griff war stark genug, dass Calliope einen schmerzerfülltes „Ah" von sich gab. Wenn man bedacht wie dünn ihre Arme waren, musste man nicht viel Druck ausüben, um ihr Schmerzen zuzufügen. Calliope war sich jedoch sicher, dass der Mann sie stärker gepackt hatte, als es nötig war. „Reicht dir das?" Sein Griff blieb. „Lasst mich los", zischte sie zwischen ihren Zähnen und wollte sich aus seinem Griff befreien, doch sie konnte ihren Arm nicht zurückgewinnen. „Ziemlich frech für eine Dame, hier ganz alleine." „Ich bin nicht alleine hier", spuckte sie die Worte aus und wurde ungeduldig. Sie hoffte, dass Drystan schnell mit dem fertig wurde, womit er beschäftigt war. Würde der Man jedoch weiterhin unfreundlich bleiben und die Situation für Calliope, für ihr Empfinden, gefährlich werden, würde sie nach Drystan rufen. Das Haus konnte nicht groß genug sein, dass er ihren Ruf nicht hören wird.
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    • Eine plötzliche Unruhe durchzog die feiernden Gäste. Mit neugierigen Blicken verdrehten die Menschen ihre Köpfe in eine ganz bestimmte Richtung. Es waren noch nicht genug Schaulustige um Drystan in Alarmbereitschaft zu versetzen, aber immer noch genug, dass er seine Schritte beschleunigte. Flink schlüpfte er durch die feiernde Meute hindurch bis er zum ersten Mal einen Blick auf den Tumult am Fuß der Treppe erhaschte. Ein Berg von einem Mann hielt ein zappelndes Bündel fest am Arm, dass sich mit Leibeskräften und offensichtlich lautstark gegen den Griff wehrte. Drystan wusste nicht, ob er die Augen verdrehen oder einen seiner versteckten Dolche ziehen sollte. Kaum ließ er Calliope für wenige Augenblicke aus den Augen, sorgte die verwöhnte Göre bereits für Schwierigkeiten. Der Halb-Fae schob schleunigst beiseite, dass seine Gedanken gegenüber Calliope keineswegs fair waren. Das Mädchen hatten nie einen Fuß vor die Palastmauern gesetzt und das echte Leben, das keinesfalls aus gemütlichen Teestunden und Spaziergängen in hübschen Gärten bestand, war ihr fremd. Das Leben vor den Mauern war dreckig, grob und gefährlich.
      Drystan zögerte keine Sekunde und überbrückte die kurze Entfernung, die ihn noch von der Prinzessin und dem grobschlächtigen Hünen trennte. Mit geschultem Auge musterte er die breite Statur des Mannes, die weniger auf harte Arbeit zurückzuführen war. Der Mann war dem Bierkrug ein wenig zu sehr zugeneigt. Dafür sprachen auch sein unsicherer Stand und der glasige Schleier über seinen Augen. Drystan zog seine eigene Kapuze etwas tiefer über den Kopf, verbarg seine spitzen Ohren und trat zwischen Calliope und den Mann. In eindeutiger Absicht packte er das speckige Handgelenk des pöbelnden Gastes und drückte gezielt zu, bis sich seine Finger schmerzhaft in die Nervenstränge drückte. Der Mann heulte überrascht und vor Schmerz auf. Aus reinem Reflex ließ er den dünnen Arm des Mädchens los und zog das Handgelenk an seine Brust.
      „Verflucht!“, stöhnte der Mann auf. „Wolltest du mir das Handgelenk brechen, Bursche!?“
      Bursche? Das letzte Mal hatte seine Stiefmutter ihn so genannt, als er zu seiner Ausbildung aufgebrochen war. Nur war ihr Tonfall weitaus giftiger gewesen. Drystan grinste und entblößte dabei blitzende Eckzähne, die ein kleines Bisschen zu spitz erschienen. Das fuchsgleiche, amüsierte Grinsen auf seinen Lippen, stand in einem seltsamen Kontrast zu seiner sonst stoischen Mimik. Seine Herkunft ließ sich nun mal nicht immer verleugnen. Allerdings war der Hüne zu betrunken, um davon Kenntnis zu nehmen.
      Für seinen Geschmack richtete sich gerade zu viele Augenpaare auf die kleine Gruppe vor der Treppe.
      „Die Dame hat ausdrücklich darum gebeten, sie loszulassen“, sprach Drystan beiläufig, als hielte er einen höflichen Plausch ab.
      Ohne Vorwarnung langte der betrunkene Mann mit der geballten Faust nach Drystan. Letzterer duckte sich geschickt unter dem Schwinger weg, wirbelte mit einer beinahe tänzerischen Anmut über die rechte Seite des Angreifers vorbei bis er sich in dessen Rücken positioniert hatte. Im Schein der Fackeln an den Wänden blitzte es Silbrig auf, als er den Unterarm von hinten um den bulligen Hals des Mannes schlang. Lediglich für Drystan sichtbar und für den armen Betrunkenen spürbar, drückte sich die scharfe Klinge eines versteckten Dolches, den er in seinem Ärmel verborgen hielt, gegen dessen Kehle. Für Außenstehende ergab sich der eigenartige, komödiantische Anblick wie Drystan versuchte den viel größeren Berg von Mann in einen Schwitzkasten zu nehmen. Als Leibwache des Königs hatte er eine hervorragende Ausbildung genossen und hatte nicht umsonst einen Ruf, der ihm vorauseilte. Wenn er sich denn zu erkennen gab.
      Der Mann schluckte spürbar und zuckte zusammen, als sich die Klinge dabei stärker gegen seinen Hals drückte.
      „Ich mache dir einen Vorschlag“, fuhr Drystan fort. Seine Atmung hatte sich nur minimal beschleunigt. „Einen Handel, sozusagen. Ich sorge dafür, dass für den Rest des Abends immer einen vollen Krug hast, dafür vergisst du, was du gerade gesehen hast.“
      „Oder?“
      „Oder wir gehen nach draußen und das, mein Freund, wird sehr unerfreulich für dich werden.“
      Drystan war kein Freund von heimtückischen Manövern. Ein ehrenvoller Zweikampf stand ihm besser zu Gesicht, aber er hatte mit der Rüstung nicht nur seinen Stand als Ritter am Palasttor zurückgelassen.
      „Schon gut, schon gut!“, presste der Mann mühevoll hervor.
      Eine Sekunde später hatte der Halb-Fae ihn losgelassen und gab dem Wirt über die Köpfe der anderen Gäste hinweg das eindeutige Zeichen, dass er sich gut um seinen neuen Freund kümmern sollte. Dann griff er nach Calliopes Hand und bugsierte sie zügig die Treppenstufen hinauf. Als er das Zimmer erreichte, das für die Prinzessin hergerichtet worden war, blieb er ruckartig stehen und baute sich vor Calliope auf bis dieser nichts Anderes übrigblieb, als sich mit dem Rücken gegen die Tür zu lehnen. Mit einem dumpfen Geräusch traf sein Unterarm auf die Tür, als er diesen neben dem Kopf der Prinzessin gegen das morsche Holz stemmte.
      „Verstehst Du das unter unauffällig?“
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”