Maledictio Draconis [CodAsuWin]

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    • Persönliche Präferenz. Aha.
      Das war die charmante Art zu sagen, dass man den wahren Grund dahinter nicht unbedingt preisgeben wollte. Es würde Devon erst im späteren Verlauf auffallen, dass es einfach sein könnte, dass Malleus Hände einfach dermaßen verbrannt waren, dass er ohne den Schutz des Leders nichts berühren konnte. Dass das nicht der Wahrheit entsprach konnte er schließlich nicht wissen.
      Dafür bekam Malleus nicht einmal einen einzigen Blick als er von seiner Überzeugung sprach. Selbst wenn Devon zu gern kurz aufgelacht hätte, es ziemte sich nicht. Er wusste besser, dass Menschen, die zu ihren Kernfesten einer bestimmten Überzeugung folgten, die schlimmsten unter ihnen waren. Dass Malleus darüber hinaus ein inhärentes Talent zum Sprechen und Manipulieren hatte, war ihm bereits nach wenigen Worten aufgefallen. Der Typ war wirklich ein Fanatiker, der sich einfach das erste Mittel nahm, das der Erfüllung seiner Zwecke zuspielte. Es hätten genauso gut die Krankheiten sein können, die sie verehrten, denn der Effekt war mehr oder weniger derselbe.
      „Adrastus wird die Welt nicht niederstrecken. Dafür reicht ein einfacher S-Klasse nicht aus.“
      Devons Stimme, die nur vereinzelt zu hören war, wirkte immer wieder so fremdartig, wenn man die weiche Sprache der Menschen daneben hielt. Sie zischten kaum oder hackten ihre Wörter ab, so wie die Lacerta es taten. Sie hatten sich den Stil angeeignet, aber nicht völlig frei nachahmen können.
      Doch der Jäger ging nicht weiter auf die fanatischen Züge des schwarzen Mannes ein. Tatsächlich zuckten seine Mundwinkel, als Malleus der ganzen Krux schneller auf die Schliche kam als es gut für ihn war. Doch bevor eine seltsame Stille hatte entstehen können, war das Ziegenmädel wieder aufgetaucht. Zu seinem Glück verstand sich.
      Dafür lag der Kerl mit seiner Annahme absolut richtig. Zugegeben, etwas anderes hatte Devon auch nicht von ihm erwartet. Er hatte dunkle Augen, nicht nur von der Farbe her, und ihm fielen gewisse Verbindungen mindestens genauso schnell auf wie dem Lacerta selbst. Beispielsweise verstand er genauso schnell, dass Devon sich nur dann bewegen und etwas nehmen würde, wenn ihm das auch klar kommuniziert werden würde. Und seine Beine, die viel zu umständlich angezogen waren, reichten scheinbar aus, damit Malleus die notwendigen Rückschlüsse zog.
      Nur dass Devon den Teufel tun würde und irgendwelche Tinkturen aus Menschenhand annehmen würde.
      Also streckte er die Beine aus während es eine kurze Debatte zwischen Mensch und Cervidia entbrannte. Er fühlte, wie sich der Stoff von seiner Haut löste und offenbar mit dem Blut an ihr schon festgeklebt war. Da würden vermutlich auch diese ominösen Tinkturen nicht viel dran ändern. Vielmehr Hoffnung setzte er dafür in das Ding, das warm und beinahe lebendig in seiner Tasche auf seinen Einsatz wartete.
      Wer einst die Drachen kategorisiert hatte war nicht unbekannt. Es gab Aufzeichnungen der Menschen, die die Sichtungen und Arten einstuften und ihnen Klassen zuordneten. Da Menschen zahlenmäßig den meisten anderen Rassen überlegen waren, hatte man sich ihrer Einstufung bedient und sie eingesetzt. Natürlich war bis dato kein Wort über eine Rasse verloren worden, die den Drachen ähnlich sah. Nur wenige Sichtungen von Lacerta waren dokumentiert, weil sie sich aus genau diesen Gründen noch weiter zurückgezogen hatten. Man sah ihnen Marker an, die den Drachen zugesprochen wurden, obwohl sie eine völlig unabhängige Entwicklung hatten. Zumindest erzählte man sich das.
      „Ein Lacerta? Ja, tatsächlich ist er das, klar. Hah!“
      Devon hielt in seiner Bewegung inne und ließ die roten Augen zu Tava gleiten. Vermutlich sah er sie mit dem gleichem Ausdruck an wie auch Malleus, denn beide Männer schwiegen nur bedächtig während das Mädel lachte und schließlich selbst merkte, dass sie die einzige war, die es tat.
      „Seh ich nur wegen meiner Augen aus wie ein Drache, ᏦᏝᏋᎥᏁᏋፈᏋᏒᏉᎥᎴᎥᏗ?“, fragte Devon ausdruckslos und hatte nicht das Verständnis wie andere, dass sie es immerhin nicht besser wissen konnte. Es gab kaum Aufzeichnungen über die Lacerta und daher bediente man sich dem Wissen, was über Hörensagen weitergegeben wurde. Was, gelinde ausgedrückt, fast nur Humbug war. Um seinen Punkt zu unterstreichen wechselte er am Ende des Satzes in seine Stammessprache, die so fremdartig klang wie seine Augen aussahen.
      Nach dem Satz wandte er den Blick erneut ab und machte sich weiter an seinem Wams zu schaffen. Sein Schwert hatte er mittlerweile abgeschnallt und neben sich gelegt, ebenso wie sein Kukri. Er hatte gerade die Füße aufgestellt, damit er aufstehen konnte, da bewegte sich Tava in seinem Augenwinkel schneller als er erwartet hätte. Sie war binnen eines Wimpernschlages bei ihm, nein, vor ihm und starrte ihm ungehobelt ins Gesicht. Sie war ihm so nah, dass sie ihm auch gleich auf den Rücken hätte klettern können. Die Fragen, die daraufhin auf ihn einprasselten, nahm er nur am Rande wahr. Sie waren alle problemlos zu beantworten, aber diese unverhohlene Neugier an seiner Person machte ihn krank. Er wollte nicht als Exemplar studiert werden, nur weil seine Art so selten auftauchte. Und erst recht nicht er, der schon nicht mehr ganz wie einer seiner eigenen Art aussah.
      Erschreckend schnell war Devon auf die Füße gekommen. Er stöhnte – er spürte richtig, wie die Wunden wieder aufrissen und die dünnen Krusten sich lösten – und verzog das Gesicht, doch er kämpfte sich dadurch. Er packte Tava mit einer Hand bei den Hörnern und hob sie vom Boden, sodass ihre Füße über der Erde baumelten. Mit seiner vollen Größe hatte Devon nicht einmal durch die Tür gepasst und auch jetzt stand er leicht gekrümmt, was eher so aussah, als würde er sich als Jäger über die gefangene Beute beugen und sie niederstarren. Angst war in der Regel ein effektives Mittel, um sich andere vom Leib zu halten. Geplagt durch seine Schmerzen hatte Devon nur vergessen, dass Tava nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte und vermutlich nicht wie alle anderen reagieren würde.
      Devon brachte sein Gesicht ganz nah an das von Tava, damit sie nicht in seinen Mund, dafür aber in seine Augen sehen konnte. Sollte sie sich doch von Nahem anschauen, was sie so sehr interessierte. „Wir sind alle so groß. Wir haben keine Flügel, keine Hörner und spucken auch kein Feuer. Da hinten hast du deine Zunge, also begnüge dich damit.“ Seine Stimme war tief und warnend, noch immer zischelnd und kalt. Unter dem Saum seines Wamses erschienen die ersten Rinnsale von dunkelrotem Blut, das der Stoff nicht mehr aufsaugen konnte. Wortlos öffnete er seine Hand und ließ das Mädchen auf die Füße fallen, da er wusste, dass sie sich fangen würde. Dann sah er zu der Tür, die noch immer offen stand und dann zu Malleus. Ohne den Mann anzusehen wies er ihn an, die Türe zu schließen. Er brauchte keine weiteren Zuschauer, aber ohne Hilfe würde es auch nicht besser werden. Das war eine ausgewachsene Zwickmühle und sobald er sich sicher war, dass er abhauen konnte, würde er es tun müssen. Zeugen zu beseitigen war nämlich nicht seine Art.
      Als Malleus nach ein paar Augenblicken die Tür geschlossen hatte, riss sich Devon seinen Umhang vom Leib. Er ließ ihn augenscheinlich achtlos neben dem Schemel auf den Boden fallen, platzierte ihn aber so, dass er ihn jederzeit im Blickfeld haben würde. Dann begann er, mit zusammengebissenen Zähnen die Riemen vollends zu lösen.
      „Kein Wort. Erfahre ich, dass einer von euch mit dem Wissen hausieren geht, schneide ich ihm erst die Zunge und dann die Augen heraus“, sagte der Jäger und ließ keinen Zweifel zu, dass er seine Worte in die Tat umsetzen würde.
      Als er den Wams ablegte kam darunter ein Leinenhemd zum Vorschein, das früher mal cremefarbend gewesen sein musste. Zumindest ließen die Nähte darauf schließen, denn der Rest war rostrot verfärbt und mit Löchern im Rücken übersät. Mit grobschlächtigen Bewegungen packte er den Stoff und zog ihn sich in ruckartigen Bewegungen über den Kopf, jedes Mal mit einem leisen Zischlaut verbunden. Was darunter zum Vorschein kam war der Grund, warum er Stillschweigen forderte.
      Da, wo Haut seine Brust und Rücken bedecken sollte, waren Schuppen zu sehen. Dunkelgrüne Schuppen, die in Clustern vereinzelt auf seinem Körper prangten. Willkürlich hatten sich Teile seiner Haut scheinbar in Schuppen verwandelt, die im Licht manchmal türkis schimmerten. Auch seine Schulterblätter gingen nicht so glatt in den Rücken über wie man es von einem Menschen kannte. Das Wams und der Umhang hatten kaschiert, dass sich die Knochen aufgestellt hatten und aus seinem Rücken leicht hervorragten. So als wollten sich die Schulterblätter in etwas anderes weiterentwickeln oder wurden davon abgehalten. An den restlichen Stellen seiner Haut verliefen in unregelmäßigen Abständen Muster, die sich als Tätowierungen herausstellten. Zeichen seines Stammes, ähnlich wie die Tradition mit den Ohren. Die Linien verliefen sich teilweise in den Schuppenstellen, wodurch es so aussah, als wären sie erst später gekommen.
      Plump ließ sich Devon wieder auf den Schemel fallen, der unter seinem Gewicht bedrohlich knarzte und vermutlich lieber seinen Dienst quittiert hätte. Der große Mann sank leicht nach vorn gebeugt über und präsentierte seinen Rücken, der über und über mit Löchern und Schnitten gezeichnet war. Aus manchen ragten Splitter von Felsen und sogar Holzpfosten. Nur an den Stellen, wo er die Schuppen trug, war kein Schaden entstanden.
      „Ihr wolltet es sehen? Bitte. An meinen Rücken komm ich selbst schlecht dran.“
    • Die Bedrohung durch die Cervidia quittierte Malleus mit einem genervten Gesichtsausdruck. Durch die Drohgebärde kaum eingeschüchtert, glitt sein prüfender Blick über die eindeutig feindselig präsentierten Hörner. Mit dem richtigen Schwung konnte Tava ihm damit leicht ein paar Knochen im Leib zerschmettern. Mit Trotz und einer gewissen Aufmüpfigkeit hatte er gerechnet, aber die unverkennbare Drohung kam dennoch unerwartet. Tava reagierte, als hätte eine sehr persönliche Beleidigung ausgesprochen. Malleus zuckte beiläufig mit den Schultern während der Verstand hinter seiner Stirn bereits zu arbeiteten begann. Die Faszination für Feuer war Malleus nicht fremd, aber der Blick der Cervidia an diesem Marktstand hatte eine verdächtige Ähnlichkeit mit Besessenheit gehabt. Was Tava empfand ging über Faszination weit hinaus. Fast beschwichtigend hob er die Hände, doch eine unterschwellige Wut köchelte in seinem Blick. Er kaschierte sie gut, denn die übrige Miene blieb überraschend neutral. Nicht viele konnten sich auf die Fahnen schreiben, dieses Gefühl in Malleus auszulösen und das gefiel dem Mann nicht. Niederer Zorn war etwas für die Schwachen, die sich mit ihrem Verstand nicht zu wehren wussten.
      Geduldig beobachtete Malleus den Lacerta.
      Bevor er eine eindeutige Antwort bekam, zischte Tava an ihm vorbei und durchlöcherte Devon mit wissenshungrigen und neugierigen Fragen. Die eingehende Befragung schien dem Lacerta großes Unbehagen zu bereiten. Er stand im Rücken des hochgewachsenen Mannes und konnte daher seine Mimik nicht deuten, aber er würde sich nicht wundern, wenn er Feindseligkeit in den roten Augen sehen würde. Tava begutachtete jeden Winkel seines Gesichts und holte zwischen den einzelnen Wörter kaum Luft. Bei der Geschwindigkeit, mit der sie die Fragen förmlich ausspuckte, würde sie irgendwann mit Atemnot umkippen.
      "Tava", erhob Malleus warnend die Stimme, um den Wissensdurst der Cervidia kurzzeitig zu unterbrechen, aber da geriet die Situation bereits außer Kontrolle.
      Das unverkennbare Zucken in den breiten Schultern und der verkrampften Nackenmuskulatur war für das gewöhnliche, menschliche Auge kaum zu begreifen. Deshalb war auch Malleus davon überrascht, dass der Lacerta ohne Vorwarnung auf die Füße sprang und sich offenbar zur vollen Größe aufrichten wollte. Bevor Malleus einschreiten konnte, hatte Devon die plappernde Tava an den Hörner gepackt und ein gutes Stück in die Luft gehoben. Der Lacerta krümmte sich in scheinbarer Lauerstellung über die gehörnte Frau und verdeutlichte seinen Unmut mit gezischten Antworten, die sein ungewöhnlicher Akzent noch unterstrich. Es war das erste Mal, dass sich Malleus zweifellos bewusst wurde, wie gefährlich der Lacerta wirklich werden konnte. Stumm durchquerte er den Raum und schloss beinahe gehorsam die Tür. Er tat es nicht aus Furcht, aber er verstand das Bedürfnis nach Privatsphäre. Umso verwunderte war Malleus, dass Devon keinen von ihnen zum gehen aufgefordert hatte. Er wäre gegangen, bei der Cervidia war er sich allerdings nicht so sicher. Aus dem Augenwinkel musterte er Tava, die wie gebannt den Lacerta anstarrte und es kaum schaffte, ruhig an Ort und Stelle zu stehen. Die Frau besaß offensichtlich kein Verständnis für persönliche Grenzen.
      Als Devon tatsächlich begann seine blutigen und löchrigen Kleidungsstücke abzulegen, überlegte Malleus für einen Augenblick den Raum doch zu verlassen. Was er sah, hielt ihn aber davon ab. Vereinzelte Anordnungen von schillernden, grünlichen Schuppen zierten die Haut des Lacerta. Das hatte er nicht erwartet. Malleus musterte die freimütig präsentierte, breite Brust und die Weite seines Rückens, dort wo unter der der Haut die Muskeln vor Anspannung arbeiteten. Neben den Schuppen, die wohl einiges an Schaden verhindert hatten, glitt sein Blick über die prominent hervorstechenden Schulterblätter. Eine Deformation der Knochen, die Malleus an die Knochenstümpfe eines fehlenden Flügelpaares erinnerte.
      Es war erschreckend, geradezu monströs.
      Es war einzigartig.
      Es war wunderschön.
      Respektvoll senkte Malleus den Blick und durchquerte den Raum ein weiteres Mal um etwas aus der Schublade seines Schreibtisches zu fischen. Mit einer geübten Bewegung entrollte er eine aus Leder gefertigtes Etui, dass mit einer Verschnürung in seiner aufgerollten Form gehalten wurde. Darin schimmerte säuberlich geputztes und poliertes Arztbesteck. Er zog eine Pinzette aus ihrer Öse heraus und ging damit zur Feuerstelle, wo bereits Wasser köchelte. Für ein paar Sekunden kochte er die Pinzette in dem heißen Wasser ab. Davon hatte nicht direkt um Hilfe gebeten, es klang beinahe etwas trotzig, aber es war ein simpler Fakt: Er kam selbst an seinen Rücken nicht heran. Er zählte herunter und zog das Instrument aus aus dem Wasser, in der anderen Hand ein sauberes Tuch.
      "Tava. Du musst die Splitter aus seinem Rücken entfernen. Gründlich", wies er an. "Schaffst du das ohne dabei zu hyperventilieren?"
      Über die Schulter warf er ein wachsames Auge auf Tava als er keine der üblichen, frechen Antworten bekam.
      Er war neugierig, wie lange die Frau dieses Mal ihre Begeisterung im Zaum halten konnte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • In dem Moment, in dem Tava wahrlich und ernsthaft begriffen hatte, dass Devon ein Lacerta war, gab es nichts mehr, was an diesem Mann nicht interessant gewesen wäre. Seine Größe, seine Stimme, seine Sprache, seine Augen, seine Haut, seine Gliedmaßen, seine Kleidung, alles fiel unter die höchst ausgreifende Kategorie "faszinierend". Er hätte furzen können und Tava hätte sich gefragt, ob der Gestank genauso war wie überall anders auch.
      Dabei war sie gar nicht mal an rassentypischen Merkmalen interessiert genug, um ihnen sonderliche Beachtung zu schenken; Tava spezialisierte sich fast ausschließlich auf Feuer und alles Pflanzliche, darunter fielen ganz eindeutig keine Lebewesen und erst recht keine verschiedenen Rassen oder Gattungen. Aber Devon war ein Lacerta und ob es nun stimmen mochte oder nicht, Lacerta kamen den Drachen so nahe wie kein anderes Wesen. Und weil manche Drachen wohl dazu in der Lage waren, einen ganzen Himmel in vernichtendes Feuer zu tauchen, interessierte die Cervidia sich selbstverständlich brennend für Devon und seine Art.
      Nur hatte sie die Rechnung dabei ohne den Lacerta gemacht.
      Der zweite und vielleicht wichtigere Grund, weshalb Tava mehr eine Biologin und weniger etwa eine Anthropologin war, zeigte sich hier allzu deutlich in der plötzlich riesigen Gestalt, die der Lacerta abgab und die binnen eines Augenblicks nahtlos von höchst interessant zu höchst furchteinflößend überwechselte. Da half auch Malleus' Warnung nicht, der von seinem Standort vielleicht eher noch die Bewegung in Devons Muskeln hätte sehen können, bevor sie überhaupt umgesetzt wurden. Tava gab einen überraschten Schrei von sich, als Devon mit einer kräftigen Pranke ihre Hörner packte und sie mit Schwung von den Füßen holte. So viel Kraft hätte sie ihm nicht zugetraut bei der sowieso schon großen Gestalt. Das schien ungerecht.
      Der zweite Grund war, dass Pflanzen sich nicht wehrten, wenn man sie etwa aufschneiden, sezieren oder verbrennen wollte. Lebewesen neigten in der Regel dazu, das schon zu tun.
      Panisch grabschte Tava nach oben, bekam die langen, angespannten Finger zu fassen, konnte sie aber, selbst mit beiden Händen, nicht von ihren Hörnern zerren. Dafür beugte Devon, der sowieso in diesem ausladenden Raum gequetscht schien, sich noch zu ihr hinab, bis ihre Gesichter ganz nah waren. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie vielleicht fasziniert davon sein können, dass sie die feinen Äderchen in seinen Schlitz-Pupillen sehen konnte, aber in diesem Moment scheute sie zurück. Die Haltung war nicht schmerzhaft, Cervidia hatten starke Hälse, um ihre Hörner zu halten, aber sie konnte sie nicht bewegen und sich damit auch nicht dahinter verstecken. Und für den Moment schien ihr nicht nur ihr Hals, sondern ihr ganzer Körper bloßgestellt und gänzlich ungeschützt vor diesem Blick, der sich hinter ihre Augen zu fressen drohte.
      Sie stieß ein Geräusch aus, mit dem sie sich wütend geben wollte, das aber etwas unsicher herauskam. Zumindest hatte sie jetzt ein paar Antworten, was sie aber keinesfalls zufrieden stellte. Die zu bekommen war der Preis definitiv nicht wert gewesen.
      Devon hätte sie sich in dieser verletzlichen Haltung sicher ganz entledigen können, aber es war vermutlich seinem lädierten Zustand zu verdanken, dass er die Hand wieder öffnete und Tava freiließ. Sie fiel auf die Füße zurück und hielt ihm gleich ihre Hörner entgegen, aber der Effekt war so ziemlich vorbei. Devon hatte recht deutlich gemacht, dass er sich nicht von ihren Hörnern einschüchtern ließ und das stimmte Tava, wenn überhaupt, unsicher. Sie hatte schließlich große Hörner und gesunde noch dazu - sie mussten bei ihm doch etwas auslösen. Oder? Aber da war sie sich jetzt gar nicht mehr so sicher und versteckte sich lieber dahinter, was im Endeffekt nicht anders aussah, als wenn sie sie ihm in Aggression vorgehalten hätte.
      Zumindest ließ Malleus sich genauso von dem Lacerta einschüchtern, was wenigstens etwas beruhigend war, denn der Mann ging ohne explizite Aufforderung und nur durch einen sehr bestimmten Blick zur Tür und schloss sie. Danach waren alle drei definitiv von der Außenwelt abgeschnitten und welche Stimmung auch immer ganz am Anfang dieses Gesprächs geherrscht hatte, sie hatte sich um ein weiteres Mal gedreht. Einzig von der Tatsache, dass Devon einmal aufgestanden war.
      Er sprach seine überflüssige Warnung aus, während er begann, die Riemen seiner Rüstung zu lösen und Tava grummelte ein unzufriedenes "Schon verstanden" zurück. Es war ja nicht so, dass sie diese Begegnung irgendjemandem hätte erzählen können und der ihr auch noch geglaubt hätte. Sie hatte einen Lacerta getroffen - sicher. Und Varelio gab es auch nur mit drei Stängeln.
      Zumindest aber ihre Neugier kehrte bei dem Anblick zurück, den Devon ihnen beiden fast schon freiwillig präsentierte.
      Wo fast alle anderen humanoiden Rassen Haut hatten, wenn auch in verschiedenen Farben und Beschaffenheiten, hatte Devon größtenteils Schuppen. Es war aber nicht nur die Andeutung von Schuppen oder etwa nur das Muster oder die Illusion, es waren wahre, echte Schuppen, die dort an Stellen unter der Haut hervorgebrochen waren, so wie es den Anschein hatte. Das viele Blut machte es teils schwierig, die Grenze zwischen Schuppen und Haut zu erkennen, aber sie war da und sie war wirklich, unglaublich faszinierend. Tava gaffte und da war sie die einzige, denn aus einem ihr gänzlich unerfindlichen Grund konnte Malleus das Drängen, sich diese Mutation anzusehen, gänzlich unterdrücken und sich stattdessen dem Problem vor Ort zuwenden: Den Verletzungen. Er hatte dafür auch gleich etwas parat, was Tava wunderte, denn obgleich der vielen Mixturen in diesem Raum, sah es hier mehr wie ein Wohnbereich als ein Labor aus. Aber wer wäre sie schon, ihm vorzuhalten, eine Pinzette griffbereit zu haben. Ein bisschen steigerte das sogar wieder ihr Interesse an der ganzen Situation und sie erlaubte es sich, den Kopf wieder ein Stück weiter nach hinten zu legen.
      "Natürlich schaffe ich das", blaffte sie Malleus an, auch wenn sie es eigentlich gar nicht gewollt hatte. Sie hatte noch mit ihrem Selbstvertrauen zu kämpfen und der verbrannte Mann kam ihr da nunmal gut gelegen, der würde sie nicht einfach an den Hörnern packen und hochheben. Zumindest nicht, ohne dass sie ihm dabei den Daumen brechen würde.
      Genauso forsch nahm sie ihm das Instrument ab und trat dann selbst erst hinter Devon, wobei sie sich ein überraschtes "Oh" nicht verkneifen konnte. Aus dem Winkel von vorne hatte sie hauptsächlich die Schuppen gesehen, aber jetzt, hinter ihm, sah sie erst die verkrümmten Schulterblätter und die dunklen Muster, die sich an seiner Haut herab schlängelten. Es war ein faszinierender Anblick, weil es so stark an Flügel erinnerte. Und da wollte ihr noch einer erzählen, dass Lacerta keine Drachen wären.
      Sie verkniff sich aber einen weiteren Kommentar, um Devons Nerven nicht noch einmal zu überreizen, und ließ sich von Malleus das Instrument übergeben. Vermutlich hätte der Mann ihn auch verarzten können, wenn er ein solches Bündel schon griffbereit hatte, aber Tava war ihm keinesfalls böse darum, die Gelegenheit zu bekommen, sich Devons Haut genau anschauen zu können. Sehr genau. Sie lehnte sich nach vorne, betrachtete den ersten Schnitt, aus dem ein beachtlicher Splitter ragte, und legte dann die Hand auf eine der Schuppenstellen, um sich zu stabiliseren.
      Die Schuppen waren kühl unter ihrer Haut. Sie waren auch rau, so wie man es von Schuppen erwarten konnte, aber nicht etwa spitz oder stachelig, wie sie hätten sein sollen, wenn sie eine defensive Wirkung gehabt hätten. Also waren sie eher zum Schutz und das schienen sie auch recht gut zu machen. Aber wieso dann nicht am ganzen Körper? Wieso hatte Devon noch immer Haut, wenn er auch wie ein Drache geschuppt sein könnte?
      "Stillhalten."
      Sie kniff die Augen zusammen, fing in ihrer Konzentration ihre Unterlippe mit den Zähnen ein und bemühte sich, die Pinzette anzusetzen, ohne die Haut zu streifen. Sie wusste, was sie tat, aber es war trotzdem etwas anderes, an einem lebendigen Wesen zu hantieren als an einem toten. Selbst, wenn Devon nicht geatmet hätte, irritierte sie immernoch das unterschwellige Zucken seiner Muskeln.
      "Stillhalten."
      Sie zog den Splitter heraus, fragte sich kurzzeitig, ob sie ihn vielleicht in ihrer Tasche verschwinden lassen könnte, um ihn später auf das Blut zu untersuchen, aber bis sie dazu kommen würde, wäre das Blut schon nur noch in ihrer Tasche als am Splitter. Also ließ sie ihn zu Boden fallen und nahm von Malleus das Tuch entgegen, das sie dafür auf die jetzt blutende Wunde presste.
      Der verbrannte Mann assistierte ihr, ohne, dass sie ihn dafür hätte bitten müssen. Er hielt das Tuch, wenn sie sich der nächsten Wunde widmete und fing die Splitter in einer Schüssel auf. In der gesegneten Ruhe, die sie drei verschluckte, konnte Tava sich erstmals etwas mehr auf ihre Aufgaben als auf alle Fragen konzentrieren, die ihr im Kopf herumhuschten. Sie wollte mehr von Devon erfahren. Sie wollte sich auch ein Souvenir mitnehmen, aber beides schien ihr im Moment unrealistisch. Außerdem war sie verunsichert darüber, was sie jetzt davon halten sollte, ihm ihre Hörner vorzuhalten.
      Die Behandlung dauerte länger als geplant, denn Devons Rücken war schier unendlich und sobald Tava sich an den Anblick von Haut und Schuppen gewöhnt hatte, konnte sie auch sehen, welche der Wunden schmutzig waren und welche drohten, sich sogar schon zu entzünden. Als sie daher fertig war, wandte sie sich gleich an Malleus.
      "Hast du auch Desinfektionsmittel hier? Oder vielleicht Separin? Xylopril würd's auch tun, wenn du auch Salz da hast, das lässt sich mischen."
    • Malleus' Mundwinkel zuckten in der Andeutung von Belustigung. Aufmerksam beäugte er die Hörner, die Tava ihm vermutlich präsentierte um ihr Selbstbewusstsein etwas aufzupolieren. Die grobe Behandlung durch Devon hatte sie erstaunlich kleinlaut werden lassen. Er mochte die Cervidia um ein Stück überragen, aber die Hörner blieben dennoch eine ernstzunehmende Drohung für Malleus. Für den Fall, dass Tava es wirklich darauf anlegte ihn damit zu verletzen, hätte der Mann ein ernstes Problem. Außerdem hatte er gesehen, wie flink sich die Cervidia bewegte und Malleus war kein ausgebildeter Kämpfer. Er zog eine unauffällige Vorgehensweise vor und die Dunkelheit der Nacht war ein hervorragender Begleiter für die, die etwas zu verbergen hatten. Die patzige Antwort entlockte ihm beinahe ein 'Braves Mädchen'. Seiner Gesundheit zur Liebe zog Malleus es vor, es bei einem Nicken zu belassen und ließ sich die Instrumente aus den Händen nehmen, beziehungsweise reißen. Dabei achtete er trotz seiner Lederhandschuhe darauf, Tavas Finger nicht zu berühren.
      Schweigend folgte der der Cervidia zum mehr oder weniger freiwilligen Patienten, der ihn den geschuppten Rücken präsentierte. Unter dem Vorwand der Wunderversorgung gestattete sich auch Malleus einen genaueren Blick. Die glatten und scheinbar willkürlich angeordneten Schuppen erinnerten mit ihren schillernden, satten Grüntönen an den Dschungel, in denen die Lacerta ihre Heimat fanden. Die tropischen, feuchten Dschungelwälder kannte Malleus lediglich von alten Bildern, die wie Raritäten gehandelt wurden. Devon könnte geradezu mit der ungebändigten, wilden Flora verschmelzen, wenn die Schuppen seinen ganzen Körper überziehen würden. Dennoch hatte er noch nie etwas über dieses Phänomen gelesen, das sich ihm leibhaftig bot. Allerdings war kaum etwas über die Stämme bekannt. Waren die Deformationen der Schulterblätter und die partielle Beschuppung ein Überbleibsel alter Zeit oder eine in Isolation entwickelte Mutation? Wer vermochte schon zu sagen, wie sich ein zurückgezogenes Volk wie die Lacerta sich entwickelt hatte, während der Rest der Welt sich in Erdlöcher und Höhlen zurückgezogen hatte. Es war überaus faszinierend und Malleus verfolgte die Fingern der Cervidia, die völlig frei und selbstverständlich über die Schuppen glitten. Wie fühlen sie sich an? Waren sie glatt oder rau, warm oder eher kühl? Die Frage, ob Tava sich bewusst war, welche Ehre ihr gerade zu Teil wurde, echote prominent hinter seiner Stirn.
      Sorgfältig sammelte er die Holzsplitter und Überbleibsel ehemaliger Bauwerke, kleine Steinchen, in einer Schüssel. Der metallische Geruch von Blut erfüllte die Räumlichkeiten und mischte sich mit eigentümlichen Geruch von Kräuterelixieren, Salben und den öligen Rückständen auf Tavas Kleidung. Die Tätigkeit, bei der Säuberung der Wunden zu assistieren, hatte fast etwas Meditatives. Nach erstaunlich kurzer Zeit stellte sich eine friedliche, konzentrierte Routine ein, die keiner Worte bedurfte. Die Cervidia zog behutsam die Splitter heraus und Malleus verharrte geduldig neben ihr, um die lästigen Fremdkörper einzusammeln. Abwechselnd reichte er ein sauberes Tuch oder die Schale an.
      Als Tava den letzten Splitter aus dem breiten Rücken in die Schüssel fallen ließ, schlenderte Malleus zum Feuer im Kamin herüber und schüttete den gesammelten Inhalt in die Flammen. Gierig leckten die Feuerzungen daran, verbrannten die Überbleibsel von Blut. Er glaubte nicht, dass Devon es schätzen würde, wenn einer von ihnen etwas davon in Besitz nahm, sei es aus Wissensdurst oder Überzeugung. Den Teppich zu entsorgen, dürfte ebenfalls kein sonderliches Problem darstellen.
      Verwundert sah Malleus auf, als die Cervidia nach Arzneien fragte.
      Die Verwendung der kundigen Begrifflichkeiten war eine angenehme Überraschung. Unter dem Funkeln des Wahnsinns und der Respektlosigkeit verbarg sich anscheinend ein wirklich kluges Köpfchen. Es war das erste Mal, dass er Tava nicht mit missbilligendem Argwohn betrachtete. Malleus nickte und ging kurz zu seinem Schreibtisch herüber.
      "Hier", sagte er und reichte Tava zwei versiegelte Gegenstände.
      In der rechten Hand hielt er zwischen den langen Fingern eine verkorkte Phiole mit eine intakten Wachssiegel. Sie sah hochwertig und teuer aus.
      "Für die Desinfektion. Es hat eine betäubende Wirkung auf die Wunden", erklärte Malleus. Aus dem Augenwinkel beäugte er die dreckige Lederrüstung und das blutverkrustete, schmutzige...Ding. Er weigerte sich, das bedauernswerte Kleidungsstück noch als solches anzusehen. Er würde etwas Passendes auftreiben müssen.
      In der linken Hand befand sich ein Salbentiegel, der stark nach Kräutern roch.
      "Zum Versiegeln der Wunden damit keine neuen Verunreinigung in die Wunden gelangen", ergänzte er, ein interessiertes Funkeln in den fast schwarzen Augen. "Du scheinst dich auszukennen, Tava. Bist du in Heilkunde ausgebildet worden? Oder Botanik?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Es war öfter vorgekommen, dass Devon Blessuren von den Kämpfen mit Drachen davon getragen hatte. In den meisten Fällen beschränkten sie sich auf seine Extremitäten, die er weniger gut schützte als seinen Torso, aus offensichtlichen Gründen. Meistens wüteten die Drachen in Gebieten, wo sich sowieso keine Zuschauer hin wagten, und wenn doch einmal andere Jägergruppen dachten, sie konnten nach ihm leichte Beute machen, musste er sich anschließend mit seinen Wunden absetzen. Die meisten hatte er also selbst behandelt, und das eher schlecht als recht. Musste er doch einen Heiler aufsuchen, so hatte er nach Möglichkeit jene gewählt, die sowieso schlecht besucht waren oder eher zwielichtig waren und denen man eh kein Wort glauben würde.
      Das alles änderte nichts an der Tatsache, dass er immer noch Hemmungen hatte, seinen Körper zu zeigen. Gerade gegenüber eines Menschen, der scheinbar meisterhaft mit Worten umgehen konnte und vermutlich die größte Gefahr hier im Raume für den Jäger darstellte. Deshalb konnte er einen misstrauischen Seitenblick auch nicht verhindern, als Malleus zu seinem Schreibtisch trat und etwas hervor holte, das klein genug war, um in seiner Hand zu verschwinden. Er ließ ihn keine Sekunde aus dem Blick während er zu der Feuerstelle ging und sich dem darüber hängenden Kessel widmete. Einen Moment später begriff er, dass Malleus Besteck desinfizierte. Stimmte. So machten die Menschen das ja. Wobei es durchaus seltsam war, dass dieser Mensch solche Utensilien in direkter Griffreichweite hatte. Das und diese Handschuhe....
      Devons Blick sprang zu Tava, als diese unverhältnismäßig scharf den schwarzen Mann anblaffte. Er kannte das Verhalten; Tiere gingen in die Offensive, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr wussten. Menschen wurden laut, wenn sie ihre Unsicherheiten kaschieren wollte. Das musste auch auf Tava zutreffen, immerhin hatte er sie gerade an den Hörnern hochgehoben. Einfach so. Ganz kurz zuckten seine Augenbrauen in die Höhe. Er hatte eine Cervidia einfach so an den Hörnern angefasst und sie hochgehoben. Damit hatte er persönliche Grenzen überschritten, die ganz rassespezifisch waren. Das hätte ihm eigentlich nicht entfallen dürfen, aber es war wohl dem Augenblick geschuldet. Also schloss er die Augen und versuchte, nicht bei jeder weiteren Aktion aus der Haut zu fahren.
      Was sich jedoch als nicht ganz so einfach entpuppte, denn da legte Tava eine ihrer Hände bereits auf seine Schuppen. Devon erstarrte, seine Finger gruben sich in seine Knie, wo er sie eigentlich nur Halt suchend abgelegt hatte. Seine Lippen wurden zu einem dünnen Strich, als er die Wärme spürte, die er selbst durch die Schuppen hindurch wahrnehmen konnte. Es war selten vorgekommen, dass jemand seine Schuppen berührte, daran würde er sich wohl nie gewöhnen. Genauso wenig wie er das Zucken seiner Muskeln wohl hätte abstellen können. Er war doch jetzt schon eine Säule, wie steif sollte er denn noch werden?
      Irgendwann während der Prozedur fiel Devon auf, dass es wirklich nur Tava war, die sie ihrem Rücken widmete. Malleus tat keine Handgriff, der ihn irgendwie dazu nötigte, den Körper des Jägers zu berühren. Und das, obwohl ihm gerade etwas vor Augen geführt wurde, was noch kein Mensch zuvor gesehen oder niedergeschrieben hatte. Passendes Besteck zur Wundversorgung, Handschuhe, die er ständig trug, die Bekämpfung seiner innersten Neugierde...
      Dieser Mann scheute sich davor, andere anzufassen oder angefasst zu werden. Die Frage war nur, warum?
      Schließlich erkundigte sich Tava nach Desinfektionsmittel. Das indirekte Zeichen, dass alle Splitter entfernt worden waren. Leise zischelnd richtete sich Devon auf und misste sofort das stechende Gefühl von Fremdkörpern in seinem Fleisch. Da hatte die Cervidia in der tat gute Arbeit geleistet.
      „Feuer“, sagte Devon unvermittelt und nickte zu der Feuerstelle herüber. „Ihr braucht keine Tinkturen nutzen, wenn ihr die Wunden ausbrennen könnt.“
      Was er als Antwort zurückbekam, waren zweierlei Blicke. Einmal etwas, das aussah wie eine milde Form der Ablehnung seitens Malleus und ein Aufblitzen von Tava, die vermutlich gerade etwas gedanklich zu ihren Aufzeichnungen hinzugefügt hatte. Unter all den Schnitten an seinem Rücken und dem Blut hatte man die rötlichen Brandnarben nicht gut sehen können. Seine Arme und Beine jedoch waren davon übersät. So war er Herr seiner Wunden geworden.
      „Nicht betäuben, ich brauche den Schmerz. Ich muss wissen, ob es schlimmer wird oder nicht.“
      Er streckte sich nach seinem Leinenhemd, das schon starr in seinem Griff wurde. Er rümpfte die Nase angesichts all der verschiedenen Gerüche, die sich langsam überdeckten. Er begutachtete den Stoff. Einmal würde er es noch unter seinem Wams tragen können und dann ein neues Hemd kaufen müssen. Schade. Dann driftete seine Aufmerksamkeit hin zu Tava, die gerade eine interessante Frage von Malleus gestellt bekam. Natürlich würde er nicht sagen, dass es ihn auch interessierte.
    • In einem anderen Leben, in dem Tava wohl mehr Wert auf ihre alchemistische Karriere gelegt hätte - in der sie aber womöglich auch nie eine Alchemistin geworden wäre, wenn sie ihre Eltern nicht bei dem Drachangriff verloren hätte - wäre ihr Malleus als gute Assistenz vorgekommen. Er trug schon die passenden Handschuhe für eine solche Tätigkeit, passte sich ihrer schweigsamen Arbeit formgerecht an und wusste wohl ganz anscheinend selbst, wie solche Wunden zu behandeln waren. Außerdem pfuschte er ihr nicht in die Arbeit, er versuchte nicht, ihr unnötiges Wissen aufzudrängen, nur um etwas damit zu prahlen, und er bestand auch nicht darauf, das Instrument selbst zu führen. Damit war er wirklich, rundum, eine ganz hervorragende Assistenz.
      Es begünstigte ihre Laune. Wenn Tavas Laune schlecht genug war, drohten zufällige Feuer in der Umgebung auszubrechen. Wenn sie ganz besonders gut war, brachen ganz und gar bewusste Feuer aus.
      In dem Augenblick hätte sie noch nicht sagen können, welches Feuer genau es gewesen wäre, das Devon wohl anzusprechen gedachte mit seinem harmlosen Ausdruck. Aber er hatte damit sofort ihre volle, ungeteilte Aufmerksamkeit eingefangen.
      Natürlich könnten sie Feuer verwenden, eine fast barbarische Methode, die aber höchst effektiv den Blutfluss stoppte. Ehrlicherweise war aber Tava davon ausgegangen, dass die große Gestalt des Lacerta sich dagegen wehren könnte, einen glühenden Stab an seine Wunden gepresst zu bekommen. Und nach dem, wie leichtfertig er sie soeben hochgehoben hatte, hatte sie es als nicht gesundheitsfördernd empfunden, diesem Weg nachzugehen.
      Es aber jetzt von dem Mann selbst zu hören, brachte sie gleich wieder auf die richtige Spur. Ja, wieso eigentlich nicht. Ging schneller und war zuverlässig - Feuer war immer zuverlässig.
      "Sicher, können wir. Malleus?"
      Sie sah erst zu dem kleinen, zahmen Feuer, das im Kamin vor sich hin flackerte, und dann zum Hausbesitzer, der hier schließlich das Sagen hatte. Wegen ihm waren sie erst hier und wenn er strikt dagegen wäre, könnten sie auch nicht viel tun.
      Aber zu ihrer großen Enttäuschung schien der Mann sich schon auf die Tinkturen festgelegt zu haben und ging zurück zu seinem wundersamen Schreibtisch, wo er neben der vorherigen Pinzette nun auch eine Phiole und einen Salbentiegel zum Vorschein brachte. Die Salbe wirkte unscheinbar, eine Ware, die man bei jedem beliebigen Arzneienhändler bekommen könnte, aber die Phiole hatte ein eigenes Wachssiegel mit eigener Farbe und eigene Initialen. Das konnte man nicht einfach so bei jedem Händler finden, dafür müsste man entweder das richtige Geld mit den richtigen Kontakten oder einen Hang zum Diebstahl haben.
      Tava wollte zweiteres bereits verwerfen, als ihr Blick dann aber doch an den Handschuhen hängen blieb, die Malleus noch nicht abgenommen hatte. Vielleicht ja doch ein klein wenig Diebstahl? Aber würde sich ein anerkannter Heiliger zu Diebstahl herablassen? Vielleicht bekam er solche Dinge auch einfach im Zusammenhang mit seiner Position geschenkt? Wieso hatte er solche hochwertigen Gefäße überhaupt in seinen Gemächern aufbewahrt?
      In jedem Fall nahm sie die Phiole interessiert entgegen, gönnte sich den einmaligen, berauschenden Genuss, das Siegel zu brechen und entkorkte die Phiole. Der starke, eingängige Geruch nach Desinfektionsmittel trieb heraus, untersetzt mit einer salzigen Note, die sich nicht recht zuordnen ließ. Eine starke Mischung, wie Tava zweifellos und mit gewisser Ehrfurcht erkennen musste. Der Hersteller hatte die Mittel und das Geld, auf einer kräftigen Basis aufzubauen.
      Sie drehte sich damit wieder zu Devon um, der sich bereits beschwerte, ohne dass sie angefangen hätten. Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge.
      "Sei froh, dass Malleus eine so hochwertige Lösung mit dir teilt, die wird dir viel mehr helfen als irgendein Schmerz."
      Hatte er wirklich gerade gesagt, dass er lieber den Schmerz bevorzugen würde als eine Betäubung? Tava konnte darüber nur das Gesicht verziehen.
      Auf der anderen Seite hätte sie das wohl am wenigsten noch von einem Mann erwartet, der Drachen niederstreckte.
      "Ich mach nur ganz wenig. Halt still."
      Sie kippte die Phiole, balancierte sie auf dem Daumen und ließ den Rand langsam, langsam nach unten sinken. Sogar der Qualität der Phiole musste zugeschrieben werden, dass die Flüssigkeit im Inneren sich am Rand staute und dann einen einzigen Tropfen loslöste, solange Tava nur die richtige Balance aufrecht erhielt. Doch das tat sie auch mit über zehn Jahren an Erfahrung im Phiolen kippen.
      Während sie so die Mixtur tröpfchenweise auf Devons Rücken verteilte, huschte ihr Blick ganz kurz nur zu Malleus hinüber, der wohl ihre Fähigkeit aufgeschnappt zu haben schien. Wäre ihr Selbstbewusstsein nicht von der groben Behandlung des Lacerta so angeschlagen gewesen, hätte sie durchaus etwas stolz darauf sein können, dass der Mann sein offenkundiges Interesse aussprach.
      "Nein, ich habe Alchemie gelernt, aber mit der Zeit schnappt man die eine oder andere Sache auf. Ich interessiere mich nicht dafür, wie Wunden sich bilden können, aber wie sie auf Lösungen reagieren und warum das so ist. Und nein", ihre gerade noch offene Miene verdüsterte sich und sie senkte ihren Kopf ein Stück in mahnender Manier, "ich habe mein Siegel nicht dabei. Habe ich verloren."
      Tava war noch nie in den Genuss gekommen, als offizielle Alchemistin ausgezeichnet zu werden, denn wenn man einmal davon absehen wollte, dass ihr das nötige Geld, die Zeit und die Kontakte fehlten, um eine solche Prüfung überhaupt abzulegen, war sie nie länger als ein halbes Jahr an einem Ort, denn so lange benötigten die örtlichen Ansässigen in der Regel, um zu begreifen, dass sie der Ursprung der letzten Brände gewesen war. Ein Prüfungskomitee würde niemals akzeptieren, wie sie ihre Rezepturen zusammenstellte. Tava war nunmal keine Akademikerin, sie hatte nur begriffen, dass alles eine Basis hatte, die sich miteinander verbinden ließ.
      Zu ihrem Glück - oder vielleicht auch dem der anderen - fragte aber niemand weiter nach. Tava nörgelte ein bisschen, weil Devon wieder zuckte, dann stellte sie die Phiole beiseite und verteilte die Salbe auf seinem Rücken. Von ihrem Laien-Standpunkt aus sahen seine Verletzungen sehr gut aus.
      Nach getaner Arbeit richtete sie sich auf, trat einen Schritt zurück, begutachtete ihr Werk und befand, dass sie durchaus auch als fähige Heilpraktikerin durchgehen konnte. Mit einem endgültigen Fingerzeig deutete sie auf das zerschlissene, vor Dreck erstarrte Hemd, das Devon noch in der Hand hielt.
      "Das wirst du nicht wieder anziehen, nur damit das klar ist. Und dann würde ich auch gerne eine Frage stellen, an euch beide - denn ich weiß sehr genau, wieso ich zu diesem Drachen hingelaufen bin, anstatt vor ihm wegzulaufen, und der Grund dafür liegt auch gleich da vorne."
      Sie nickte zu der übergroßen Zunge, die auf dem Schreibtisch vor sich hin vegetierte.
      "Aber soweit ich das erkennen kann, hat keiner von euch ein Souvenir mit sich genommen. Wieso seit ihr also geradewegs auf einen Drachen zugelaufen? Und kommt mir nicht mit "zufällig in der Nähe", ich habe euch beide auf dem Marktplatz gesehen und der war ein ganzes Stück weiter weg. Du warst besonders schwierig zu übersehen, Devon."

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    • Beeindruckt nahm Malleus zur Kenntnis, dass die zierliche Cervidia den mürrischen Patienten ziemlich gut im Griff hatte. Der Protest schlug sich in Devons gesamter Körperhaltung nieder. Die Linie seiner breiten Schultern versteifte und der Lacerta drückte die Wirbelsäule unter Anspannung durch während die schweren, blutbesudelten Stiefel über den Teppich schleiften und sich fest in die gewebten Fasern drückten. Die großen, prankenähnlichen Hände lagen zuckend auf den Knien. Für Malleus erweckte alles den Eindruck, dass Devon bis zum letztmöglichen Augenblick mit dem Gedanken spielte von dem Hocker aufzuspringen um sich der weiteren Behandlung zu entziehen, die offensichtlich nicht seinem Wunsch entsprach. Obwohl der die Abneigung betäubender Substanzen nachempfand, würde er den Gestank von verbranntem Fleisch nicht in seinen eigenen vier Wänden dulden.
      Tava tadelte den wortkargen Lacerta wie einen ungezogenen Jungen, der nicht still sitzen wollte, obwohl Devon sie vor wenigen Minuten noch spielend leicht an den Hörner vom Boden gehoben hatte. Anscheinend hatte sich die Cervidia durch die ihr zugeteilte Aufgabe ein wenig gefangen. Die Frage dem erlernten Handwerk löste allerdings gemischte Gefühle bei Tava aus. Aufmerksam studierte Malleus die winzigen Veränderungen in ihrem Gesicht. Der Ausdruck in ihren Augen, als sie ihn flüchtig eines Seitenblickes würdigte, wirkte zögerlich. Malleus stellte die Vermutung auf, dass Tava etwas verbarg. Etwas, das ihn nicht sonderlich verwunderte. In diesem Zimmer hütete mehr als eine Person ein Geheimnis und am Ende waren sie alle willkürlich, zusammengewürfelte Fremde, die ein unglücklicher Zufallen zusammengeführt hatte. Als Tava in eindeutiger Pose das Haupt etwas neigte und der Feuerschein sich an ihren Hörnern brach, hob Malleus beschwichtigend die Hände. Er glaubte nicht, dass Tava das Siegel ihrer Zunft verloren hatte. Wenn er sich nicht täuschte, würde er frech behaupten, dass sie die Lehrjahre eines geprüften Alchemisten nie beendet hatte. Er sprach ihr allerdings nicht ihr Talent ab, welches sie zweifellos besaß.
      "Ruhig", antwortete er. "Ich habe dich nicht gefragt, um dich zu verurteilen, Tava. Darüber hinaus ist ein Siegel kein Garant für einen fähigen Heilkundigen, Handwerker...oder Alchemisten."
      Damit senkte Malleus seine Hände wieder und beobachtete interessiert, wie Tava die Tinktur über den gesäuberten Wunden verteilte. Eine äußerst ruhig Hand war ein Geschenk und wäre ihm bei der ein oder anderen Verletzung sicherlich zu Gute gekommen, wäre das nicht das vorrangige Problem, dass ihn davon abhielt derartige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er wurde zu einem stillen Schatten, der die Eindrücke förmlich aufsog und den freien Blick auf den geschuppten Rücken nutzte, um sich die optische Struktur der Schuppen einzuprägen. Vielleicht bekam er noch die Chance unauffällig ein paar Informationen von der Cervidia zu erhaschen. Sie schien genauso fasziniert von dem Anblick.
      Etwas Bewegung kehrte zurück in Malleus, als Devon tatsächlich nach dem verdreckten Hemd angelte und es abwägend in den Händen hielt. Er wollte diesen Fetzen nicht wirklich über die frisch versorgten Wunden streifen? In diesem Punkt bekam Tava seine uneingeschränkte Zustimmung. Mit einem gedehnten Seufzer umrundete Malleus den Lacerta bis er direkt vor diesem stand. Auffordernd streckte er die Hand aus und sah abwechselnd zwischen den roten Augen und dem Kleidungsstück hin und her.
      "Ich besorge dir einen Ersatz", erklärte er. "Aber das...Ding, würde Tavas hervorragende Arbeit zunichte machen."
      Nach reichlicher Überlegung legte der Lacerta das blutige Hemd in die ausgestreckte Hand. Malleus sah das Kleidungsstück mit einer säuerlichen Miene an, als hätte es ihn höchstpersönlich beleidigt. Es fiel den Flammen ebenso zum Opfer, wie die blutigen Splitter. Damit war das Risiko, das Devon es heimlich wieder in Besitz nahm gleich Null.
      "Du bist wirklich sehr aufmerksam, Tava", gestand Malleus während er nach einer adäquaten Antwort suchte. "Nun, ich sah es als meine Pflicht an die göttliche Schöpfung zu ehren, dessen Geburt wie alle bezeugen durften. Celestia ist in den vergangenen Jahren zu einem Schandfleck auf der Karte mutiert. Es ist ein Segen, dass die großen Bestien endlich entschieden haben, die Stadt von ihren Unzulänglichkeiten zu säubern."
      Malleus verschränkte die Arme.
      Dabei zuckte er angesichts der eigenen Verletzung kaum merklich. Der Verband unter seinem weiten Hemd war zu dünn gewesen. Einzelne Blutstropfen drückten sich bereits durch den Stoff.
      "Dank euch beiden werden die geblendeten Bürger Celestias weitere einhundert Jahre auf die Erlösung warten müssen."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Als einzigen Protest hatte Devon ein scharfes zischelndes Geräusch ertönen lassen. Er hegte wahrlich kein Interesse an irgendwelchen Tinkturen, die an den Leibern der Lacerta nicht erprobt waren, auszutesten. Oft genug hatte er von Fällen gehört, die plötzlich Ausschläge der ähnliches entwickelten aufgrund von Inhaltsstoffen, die sie nicht vertrugen. Wenn er sich noch recht daran entsann, wie er sich die erste Grippe eingefangen hatte, war er fast vom Glauben abgefallen. Dagegen war sein Stamm nicht gewappnet gewesen. Dafür jedoch gegen diverse Gifte.
      Folglich machte sich Devon möglichst groß auf seinem Hocker, einzig und allein in der Absicht Tava davon abzuhalten, bis nach oben an seine Schultern zu gelangen. Sollte er wirklich allergisch reagieren, dann konnte er dort nicht einmal mehr seine Tasche tragen. Ein Unding. Stattdessen schwieg er und richtete seinen Blick auf das Feuer. Das war schon seltsam, wie sehr es diese Beiden zu dem Element hinzog. Der Eine verehrte die Kreatur des Feuers, die Andere das Element dieser Kreatur. Und wo war Devon positioniert? Er interessierte sich weder für das Element noch per se für die Kreatur selbst. Alles, was er wollte, war dieses bestimmte Etwas in seine Hände zu bekommen und es dann ungesehen sich zu Eigen zu machen. Für den Moment verlor er sich in den knisternden Flammen, da er mit Heilkunde sowieso weder gesegnet noch die Ausbildung dazu kannte.
      Immer wieder, wenn Tava eine besonders aufgerissene oder tiefe Wunde behandelte, konnte der Jäger ein Zucken nicht vermeiden. Es war aber bei Weitem nicht so schlimm, wie es vielleicht aussehen mochte. Es gab deutliche schlimmere Verletzungen, die ihm widerfahren waren, aber die schiere Masse der Einschläge war selbst für ihn zu viel gewesen. Er hatte den Aufprall im Haus falsch einkalkuliert. Ein Anfängerfehler, den er nicht noch einmal machen würde.
      Was ihm allerdings wirklich missfiel war die Tatsache, dass beide Fraktionen hier gegen ihn standen und ihm unter keinem Mittel sein Hemd lassen wollten. Eisern hielt er an dem Stoff fest, warf Tava nur einen missbilligenden kurzen Blick zu ehe sich Malleus in sein Blickfeld schob. Sofort hefteten sich die roten Iren auf den dunklen Mann, der fast auf Augenhöhe vor Devon stand.
      „Ist schon eingezogen“, erwiderte Devon, aber die Art, wie Malleus sich vor ihm postiert und seine Hand ausgestreckt hatte, ließ keinen wirklichen Raum für Debatten zu. Devons Lippen waren nurmehr ein dünner Strich in seinem Gesicht. Er konnte nicht nur mit dem Wams und dem Mantel rausgehen. Das würde seine Arme nicht kaschieren und an den Schultern gab es schon Ausläufer der Schuppen. Man würde die Brandmale direkt sehen und wissen, dass er nicht zu der Fraktion der Heilungssuchenden gehörte. Man würde Fragen stellen – die er sicherlich nicht beantworten wollte. Wenn er sein Hemd abgab, musste er entweder wirklich darauf warten, ein neues zu bekommen oder noch in der Nacht ungesehen verschwinden.
      Also gab Devon sein Hemd schweren Herzens ab. Wenn der Fanatiker nach seinen Gläubigen rief, dann konnten ganze Massen das Zimmer schneller schwärmen als ihm lieb war. Sie waren dumm wie Lämmer und würden dem Ruf Folge leisten, egal wie viele Devon von ihnen niederstreckte. Das wusste er. Immerhin hatte er solche Fanatiker schon einmal erlebt. Wobei man da einräumen musste, dass es ein ganzer Kult war. Kultisten waren noch schlimmer organisiert als fanatische Gruppen. Viel zu organisiert.
      Doch nun gab es erst einmal nichts mehr, dass ihn auf den Schemel fesselte. Das bisschen Rast reichte, damit er nicht in kürzester Zeit wieder in die Knie ging, und so erhob sich Devon von dem vor Erleichterung knarzenden Schemel. Beim aufstehen nahm er sich noch seinen Mantel und warf ihn sich wieder über die Schultern, damit die neugierigen Blicke endlich von seinem Rücken verschwanden. Das Wams klaubte er mit einer Hand auf und warf es auf seinen Rucksack, der einsam in einer Ecke des Raumes stand.
      „Ich bin ein Jäger?“, sagte Devon mit einem fragenden Unterton, so als sei das nicht total offensichtlich. „Das ist unser Lebensunterhalt?“
      War es für gewöhnliche Jäger, die nicht allein reisten. Den Lebensunterhalt verdienten sich Jäger, die es zu keiner anderen Laufbahn gebracht hatten oder sich in der Grauzone diverser Gesetze bewegten. Sie schlossen sich in kleinen Gruppen zusammen und teilten die Beute meist auf, nachdem sie ihre Hilfe angeboten hatten. Devon setzte einfach darauf, dass Tava es nicht wusste, wie die Ordnung der Jäger aufgebaut war und keine Fragen stellen würde. Dabei glitt sein Blick unweigerlich zu Malleus, der mit absoluter Sicherheit besser informiert sein würde als Tava. Vielleicht wäre der Kerl auch so schlau zu wissen, dass Devon gewillt war, ein Geheimnis gegen ein anderes einzutauschen.
      „Du hast seine Geburt nicht bezeugt. Du hast nur gesehen, wie er aus dem Berg gebrochen ist. Wie genau er entstanden ist, woher er kam oder wie es dazu kam, weißt du nicht.“
      Ein Fakt, der für praktisch alle Drachen galt. Jedes Mal sah es so aus, als würde die Welt diese Kreaturen ausspucken, aber irgendwoher musste diese ganze Masse doch stammen. So schnell konnte sich doch kein Fleisch, keine Knochen und Häute bilden. Es brauchte also Zeit dafür und eine fehlende Aufmerksamkeit.
      „Große Bestien, die entschieden haben... ᏇᏗᏕ ᎦüᏒ ᏋᎥᏁ ᏕፈᏂᏇᏗፈᏂᏕᎥᏁᏁ... Hörst du dir überhaupt selbst zu? Sah der Felsendrache etwa so aus, als habe er gezielt nach Leben getrachtet?“, fragte Devon weiter, dessen Stimme von Sekunde zu Sekunde tiefer und undeutlicher wurde. Er hasste dieses Geschwafel von Fanatikern, die meinten, ihre Ansichten wären richtig, wenn doch die reine Beobachtung bereits die Fakten darlegte. Er hatte sich gerade Malleus zugewandt, der die Arme verschränkt hatte, da fiel ihm das Zucken auf. Eine Reaktion, die jedes Lebewesen von sich gab, wenn es unerwarteten Schmerz erfuhr. Bedächtig runzelte Devon die Stirn, dann sah er halb über seine eigene Schulter zu Tava hinab.
      „Solltest ihn dir auch angucken. Wenn du ihn anfassen kannst.“
      Devons Mundwinkel zuckten bei dem Gedanken daran. Er wäre der Letzte, der nicht hilfsbereit diesem Schwafler zu seinem Glück verhelfen und ihn notfalls einfach zu Boden ringen würde. Er hatte zwar nicht unbedingt eine sadistische Ader, aber den Kerl ein bisschen Wimmern zu hören würde seine Laune wohl maßgeblich erhellen.
    • Wieder ein wenig aus der Reserve gelockt von dem unverhofften Zugeständnis, das Malleus ihr machte, gestattete Tava ihm auch wieder die Sicht auf ihr ganzes Gesicht. Sehr richtig, ein Siegel war keine Garantie für einen guten Alchemisten und die Tatsache, dass der verbrannte Mann das mit seiner eigenen Überzeugung aussprach, ließ ihn gleich in einem anderen Licht für Tava erscheinen. Als Mitglied einer Sekte hätte sie ihn für engstirnig und festgefahren auf seine eigenen Prinzipien gehalten, aber er wirkte überraschend offen. Fast ließ er sie bereuen, in ihrer Vorsicht überhaupt ein Siegel angesprochen zu haben.
      Nachdem Devon auch höchst widerwillig sein Hemd abgegeben hatte, woran er sich bis zum Schluss klammerte, als würde er sich von einem Teil seiner Selbst trennen müssen, stand er unweigerlich auf und zum ersten Mal konnte Tava seine Größe auch vom nahen richtig einschätzen, ohne dabei abgelenkt zu werden. Und Devon war groß. Sein Oberkörper war lang, seine Beine noch viel länger, seine Arme ausladend und kräftig, ganz die Arme eines Mannes, der solche starke körperliche Betätigung wie an diesem Tag gewöhnt war. Sein ganzer Körper schien darauf ausgelegt, dass dieses Ungetüm von einem Lacerta ein viel größeres Ungetüm eines Drachen niederstreckte.
      Doch das verunsicherte Tava in dem Augenblick nur wieder, denn wenn sie ihn richtig ansehen wollte, so wie sie Malleus auch gut ansah, der nur ein bisschen größer als sie war, musste sie den Kopf nach hinten legen und vor jemandem wie Devon würde sie ganz sicher nicht einfach so ihren Hals entblößen - aber wenn sie ihm ihre Hörner zeigte, könnte er sie einfach wieder packen und hochheben. Er hatte schon recht deutlich gezeigt, dass er nicht daran interessiert war, irgendwelche kulturellen Grenzen einzuhalten.
      Aus Ermangelung einer anderen Alternative zog Tava es also vor, so unauffällig wie möglich zwischen ihnen den Abstand zu vergrößern. Sie hatte keine Angst, ganz sicher nicht! Aber ein bisschen Abstand konnte ja nicht schaden. Nur, damit sie auf das nächste Mal besser vorbereitet wäre.
      Malleus war danach der erste, der Tavas unverblümte Frage eine Antwort stand, aber wenn überhaupt, warf sie nur noch mehr Fragen auf, als sie beantwortet hätte. Der Drache, eine göttliche Schöpfung? Nun, jedem das seine, wenn man diese riesigen, brüllenden, sabbernden Geschöpfe als solche sehen wollte, bitte, aber es sollte ein Segen sein, dass er Celestia von ihren Unzulänglichkeiten säuberte? Von ihren Unzulänglichkeiten? Säubern? Was hatte Malleus erwartet, etwa, dass der Drache mit großer Vorsicht und Umsicht auf den Marktplatz spazieren, einen Segen über sie alle aussprechen und dann die Stadt als gereinigt erklären würde? Vielleicht noch mit seinen großen Tatzen ein bisschen herumfuchteln würde, um seine göttliche Macht über den Marktplatz scheinen zu lassen?
      Tavas skeptischer Gesichtsausdruck vermischte sich sehr gut mit Devons ungezügelten Worten, die er an den Kultisten richtete. Sie konnte seine Ehrlichkeit in dem Augenblick schätzen; was meinte Malleus nur damit? Aber bevor der andere sich hätte rechtfertigen können, war es schon Devon, der sich diesen skeptischen Ausdruck von Tava einfangen musste, denn wirklich: Ein Jäger? Ein Jäger und welche Trophäe? Der Lacerta hatte ja wohl nicht vor, ihre Zunge an sich zu nehmen.
      "Ein Jäger, sicher. Und Valerio kann nur drei Stängel haben."
      Sie erntete sich dafür wieder seine Aufmerksamkeit, aber anscheinend größtenteils nur, weil er ihre Aussage nicht ganz zu begreifen schien. Also setzte sie lauernd einen nach.
      "Wie verdienst du dir denn damit deinen Lebensunterhalt? Ich sehe hier nämlich keine andere Trophäe als die Zunge und das ist meine, nur damit das klar ist. Und außerdem gibt es wohl kaum jemanden, der dich dafür bezahlen könnte, einen noch nicht existierenden Drachen umzulegen. Oder?"
      Ein bisschen freute sie sich diebisch darüber, nicht die einzige zu sein, die hier ihre Berufsgeheimnisse mit sich herumschleppte, aber sie wollte ganz sicher nicht diejenige sein, die sie zuerst auspackte.
      Danach ging sie auch gleich zu Malleus über.
      "Und du, was meinst du mit Erlösung? Die einzige Erlösung, die ich hier mitbekommen habe, sind die ganzen Häuser, die in ihre Einzelteile gefallen sind und die Stadt verwüstet haben. Ist das deine Erlösung? Dafür brauchst du nämlich keinen ganzen Drachen, weißt du das? Das bekommt man als Person auch ziemlich gut hin."
      Die beiden hatten wohl einen geringen Schaden, beschloss sie kurzerhand, weil das besser war, als sich irgendwelche noch viel haarsträubendere Begründungen durch den Kopf gehen zu lassen. Sollten sie ihren Wahnsinn ausleben, aber nur nicht bei Tava ablassen. Sie ging allerdings ebenfalls dazu über, sich der automatischen Rolle der Heilerin zu fügen, es konnte ja immerhin nicht schaden, wenn sie hier ein bisschen deutlich machte, dass beide auf sie angewiesen waren. Nur, um die Erwähnung des Siegels nicht wieder aufleben lassen zu müssen.
      "Zeig mir das trotzdem mal."
      Damit ging sie auf Malleus zu und streckte die Hand nach seinem Arm aus.
    • Malleus blieb unbewegt im Angesicht der Skepsis, die ihm augenblicklich entgegen schlug. Er war es gewöhnt, dass die Mitglieder der unterschiedlichsten Völkchen seine Überzeugung als puren Wahnsinn abtaten. Manche betrachteten Malleus als einen Mann, dem der Machthunger zu Kopf gestiegen war, denn er scharrte eine beeindruckende Anzahl von Zuhörern um sich wann immer seine Predigten auf Gehör trafen. In Zeiten der Not klammerten sich Überlebende an jeden Strohhalm, der ihnen Rettung versprach. Malleus konnte nicht alle retten. Er wollte nicht alle retten. Die Signa Ignius waren keine Wohlfahrt, die Vergebung und Erlösung zu verschenken hatte. Alles hatte seinen Preis, ob in Münzen oder Leben lag allein in seiner Entscheidungsgewalt. Er forderte keinen regelmäßigen Tribut von seinen Anhängern, nur die Bereitschaft alles Notwendige zu tun um den Einfluss des Kultes zu mehren. Einige Mitglieder pilgerten in entfernte Regionen, besuchten fremde Städte um die Kunde zu verbreiten. Andere förderten den stetigen Wachstum der Gemeinschaft durch die uneingeschränkte Spende ihrer Reichtümer. Dafür versprach Malleus ihnen Sicherheit und, sollten die Götter ihren Bemühungen gewogen sein, einen Platz in einer glorreichen Zukunft. Es war ihm egal, was sie Leute von ihm hielten. Sie hatten nicht gesehen, was er gesehen hatte. Keiner von ihnen hatte die Offenbarung durch die Efahrungen seines Leidensweges gemacht. Das machte ihr Urteil bedeutungslos. Dennoch verspürte Malleus keinen Zorn gegenüber der Ablehnung.
      Tava und Devon hatten einfach noch nicht gelernt, die Wahrheit zu sehen. Ein Umstand, der ihn mehr enttäuschte als wütend machte. Gerade seine Herkunft hätte Devon, der versuchte seine Überzeugung zu erschüttern, einen anderen Blick auf die Welt geben müssen. Anscheinend war die Situation noch nicht absurd genug, denn angesichts der Leichtigkeit, mit der die Cervidia die offensichtliche Lüge des Drachenjägers entlarvte, schnaubte Malleus amüsiert. Er hatte sich einfach von der Dynamik des Gesprächs hinreißen lassen. Der Zug um seine Mundwinkel erstarrte allerdings wenige Sekunden später bereits wieder, als Tava sich ebenfalls an ihn wandte und er sein Fett weg bekam. Der Kultist sah von Tava zu Devon und wieder zurück, Er schien seine Worte klug abzuwägen.
      "Der Sehende soll den Blinden nicht verurteilen," antwortete er. "In über Hunderten von Jahren konnte kein weiser Mann und keine weise Frau eine Erklärung für die Geburt dieser mächtigen Kreaturen finden. Nur will niemand in Betracht ziehen, dass es sich hierbei um den Willen der Götter handelt. Denn das würde bedeuten, dass sich das Schicksal unserer Kontrolle entzieht. Wir sind der Gnade einer höheren Existenz ausgeliefert, an die die Meisten beinahe ihr gesamten Lebens nicht gelaubt haben. Die Frage, das winzige Körnchen von Zweifel und die Frage 'Was wäre wenn?' bereitet ihnen große Furcht. Niemand gibt gerne offen zu sich geirrt zu haben."
      Malleus war in der Regel kein gewalttätiger Mann, denn er zog Worte einer Klärung mit Fäusten vor. Dennoch war seine Ruhe oft genug der Auslöser für ausufernde Streitgespräche gewesen. Die unerschütterliche Gewissheit, die Malleus damit austrahlte, machte seine Gegenspieler nervös. Was wusste er, dass er mit solcher Gelassenheit der Zerstörung der Welt, wie alle sie kannten, entgegen blickte?
      "Du, Devon, da hat Tava Recht, hast etwas zu verbergen. Ein Jäger tötet für Profit und Anerkennung. Du tötest aus keinem dieser Gründe. Damit bleibt nur etwas Persönliches übrig," fuhr Malleus fort. "Und du, Tava, eine Alchemistin ohne offizielles Siegel auf der Suche nach Überresten von Drachen? Wozu, wenn nicht unortodoxe, alchemistische Experimente? Kein anerkannter Lehrmeister hätte diesen Wissendurst gefördert. Es brauchst also keinen Drachen um eine Stadt zuzerstören, gut. Ein Funken an der richtigen Stelle genügt, nicht wahr?"
      Er beobachtete, wie sich alle drei Parteien mit misstrauischen und abwägenden Blicken traktierten bis sich die Aufmerksamkeit unangenehm in seine Richtung verschob. Devons Bemerkung ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Eigentlich hätte es Malleus nicht wundern dürfern, dass Devon seine Abneigung gegen Berührungen aufschnappte. Der Lacerta war ein aufmerksamer Beobachter, ein unabdingbares Talent für einen Jäger. In den volltönigen, rauen Klang seiner Stimme mischte sich ein unterschwelliges, kaum hörbares Knurren. Die Antwort war kurz und abwehrend.
      "Nicht notwendig", antwortete er.
      Als Tava trotzdem nach seinem Arm griff, kostete es Malleus alle Selbstbeherrschung ihre Hand nicht gewaltsam abzuschütteln als sämtliche Muskeln unter ihrer Hand verkrampften. Das Leder seiner Handschuhe knirschte bedrohlich, als er die Finger fest zur Faust ballte. Daraufhin schien mehr Blut durch den notdürftigen Verband und den hellen Leinenstoff seines Hemdes zu sickern. Die Atmung flachte ab, während Malleus kontrolliert und gezwungen ruhig durch die Nase atmete. Es war die eine Sache sofern er bewusst und notgedrungen Berührungen zuließ oder initierte, aber Tava, die seinen Widerstand einfach ignorierte, verlangte ihm alles ab.
      Ein weitrer Augenblick verging bis er die zweite Hand hob und das schwarze Leder seiner Handschuhe sich um Tavas Handgelenk schmeigte. Wie ein Schraubstock umschlangen seine Finger ihr Handgelenk und lösten langsam aber bestimmend die Hand von seinem Arm. Sobald die unerträgliche Hitze ihrer Haut nicht länger durch das dünne Leinen drückte, ließ er sie los.
      "Ich sagte, dass ist nicht notwendig", wiederholte er, als er glaubte seine Stimme im Griff zu haben.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Devons Blick glitt zwischenzeitlich an seinen Beinen hinab. Ihm war völlig entfallen, dass Malleus Teppiche in seinem Zimmer auf dem Boden ausliegen hatte, und einige davon trugen nun rote Sprenkler alten Blutes in den Fasern. Mit jedem Schritt, den er tat, trat er mit seinen Stiefeln nur noch mehr Dreck in den Teppich. Malleus hatte mit Sicherheit ihn anbetende Menschen, die ihm sogar das Bett frisch wechselten, wenn er nur danach fragte.
      Er hielt es nicht für nötig, sowohl Tava als auch Malleus einen weiteren Blick zu schenken. Stattdessen pilgerte er an das nächste Fenster und präsentierte den anderen Anwesenden im Raum seinen breiten Rücken. „Ich bin ein Lacerta, selbstverständlich habe ich da Dinge zu verheimlichen. So wie die kleine Cervidia ihr nicht vorhandenes Siegel und der Mensch seine Hände. Stell ich das auf dem Pranger aus? Nein.“
      Die meisten seiner Bekanntschaften waren flüchtig und er brachte daher selten die Energie dafür auf, andere näher kennenzulernen. In der Regel war das Leben einfacher, wenn man seine Neugierde im Zaum behielte und die Anderen einfach ihre Dinge machen ließ. So wusste er beispielsweise nicht, dass es Abzeichen der Alchemisten gab. Es hatte ihn schlichtweg nie interessiert. Leider war er dann doch zu aufmerksam, als dass ihm das kaum hörbare Knurren in der Menschenstimme entgangen wäre. Gerade eben war der Fanatiker noch prächtig mit seinen Worten am schwingen gewesen, jetzt brachte er nur noch zwei knappe Worte der Abwehr heraus. Mit der Sicherheit, dass man sein Gesicht nun nicht sehen würde, erlaubte sich Devon ein schmales Grinsen, während er der Entwicklung hinter sich lauschte und er seine Hand in die Innentasche des Umhangs verschwinden ließ.
      Die Ablenkung war zu perfekt, als dass er sie hätte schleifen lassen können. Jede weitere Sekunde, in der das wertvolle Gut ungenutzt in seiner Tasche verbrachte, barg Risiken. Bis heute wusste er nicht, ob es vielleicht strahlte. Oder einen anderen Hinweis auf seine Existenz hervorbrachte. Ganz sicher war Devon nicht gewillt, das herauszufinden, und so zog er das Etwas aus der Brust des Drachen hervor. Es war so klein, dass es in seiner Faust vollkommen verschwand und dank der Unterhaltung fiel nicht einmal das Knirschen und Knacken auf, als der Jäger das Gut in seiner Faust zermalmte. Dann schlug er die Hand vor den Mund und warf den Kopf einmal kurz in den Nacken. Er schluckte, und damit war der ganze Spuk vorbei.
      Es knirschte erneut, leise, wie unter Spannung, und ließ Devon sich langsam doch wieder umdrehen. Seine Augenbrauen hoben sich, als er die zierliche Hand am Arm des Schwaflers entdeckte. Malleus war unterdessen wie zu Stein geworden, so angespannt, dass diese Spannung allein den Raum zu füllen schien. Das Knirschen war von dem Leder gekommen, als sich seine Hand zur Faust geballt hatte. Da er nicht sofort in die Offensive ging ließ darauf schließen, dass dieser Kerl ein unfassbares Maß an Selbstkontrolle haben musste. Jeder von ihnen sah nun leibhaftig, wie sehr der dunkle Mann gegen seinen Körper und Reflexe arbeiten musste, und doch nicht einmal nach jemanden rief oder sich aktiv zur Wehr setzte.
      Malleus harrte aus. Und das machte ihn sogar noch gefährlicher, als er ohnehin schon war.
      Einen Augenblick lang sah Devon noch dabei zu, wie Malleus sich dann doch bewegte und mit der anderen Hand nach Tavas Handgelenk trachtete. Noch während er ihre Hand von sich löste, kam der Jäger mit wenigen Schritten direkt zu den beiden herüber. Just in diesem Moment bekam er eine weitere Kostprobe von der Art, wie sich Malleus nur anhand seiner Stimmlage verriet. Noch immer war er angespannt, suchte aber seine Sicherheit in seinen Worten, die er nun wieder etwas weniger sparsam einsetzte. Trotzdem hatte Devon recht wenig Lust darauf, dass Tava erneut mit ihren Grenzen spielte und so machte er kurzen Prozess. Er schlang ihr einen massigen Arm um die Taille – dieses Mal aus Respekt vor der cervidianischen Kultur – und hob sie einfach vom Boden und weg von Malleus. Wie man ein kleines Kind einfach weg pflückte.
      „Du versaust deinen eigenen Teppich“, bemerkte Devon nüchtern, der noch immer Tava im Arm hatte, und ließ den Blick kurz von Malleus Arm zum Boden und wieder zurück schweifen.
    • Was Malleus als Antwort brachte passte wohl haargenau auf einen Mann, der sich in einer Stadt eingenistet hatte, um den Leuten gehörig den Kopf zu verdrehen. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn Tava mit ihrer Provokation so etwas wie eine richtige Antwort aus dem Mann hätte herauslocken können. Aber Der Sehende soll den Blinden nicht verurteilen? Der Wille der Götter? Ernsthaft? Tava schnaubte abschätzig.
      "Der Wille der Götter, sicher. Ist das vielleicht derselbe Wille, der Devon hier ganz zufällig zur richtigen Zeit an den richtigen Ort gebracht hat? Oder war das Devons Wille? Ziemlich mächtig, wenn er sich einfach deinen Göttern überstellt."
      Tava hielt nichts mehr von Göttern, etwa seit sie mit sieben Jahren einem Drachen dabei zugesehen hatte, wie er den Himmel in Feuer verwandelte. Irgendwie war ihr da mit einem Mal ihr Glaube unwichtig erschienen, ein kleines Sandkorn in Anbetracht einer rollenden Felslawine. Schon komisch, wie schnell es doch gehen konnte, wenn die Götter ihren ach so tollen Willen nur sehr selektiv zum Einsatz brachten.
      Hier war aber nicht der richtige Augenblick, um Malleus davon überzeugen zu können, dass er vermutlich mehr davon hatte, sich seinen Glauben sonst wo hinzuschieben als weiter daran festzuhalten, wenn sie denn überhaupt je eine Gelegenheit dazu bekäme. Im Moment sah es nicht danach aus, denn sobald sie hier alle fertig waren mit dieser merkwürdigen Nachbesprechung, die sie hier abhielten, würde Tava gleich abdampfen, um die zurückgelassenen Spuren wiederzufinden.
      Dabei blieb ihr aber noch genug Zeit, Devon einen erzürnten Blick zu präsentieren, gefolgt von einem gesenkten Kopf, weil er sich doch tatsächlich erdreistete, gerade jetzt wieder von ihrem Siegel zu sprechen. Was sie aber eigentlich schuldbewusst zusammenfahren ließ, war Malleus' fast nebensächliche Bemerkung, mit der er sie noch deutlicher traf. Schlagartig riss sie den Kopf wieder herum, um stattdessen ihn mit ihren Hörnern zu konfrontieren. Hatte er sie gesehen, vielleicht beobachtet, als sie das Händlerhaus angezündet hatte? Vielleicht sogar den Alarm geschlagen? Wenn es so war und wenn er auch eine solch beträchtliche Anzahl an Anhängern in dieser Stadt hatte, wie Tava glaubte, sollte sie eher zusehen, schnell das Weite zu suchen. Sie hatte keinen Lust auf den Kerker, denn dann würde man nur wieder ihre Instrumente konfiszieren und es war sowohl schwierig, als auch teuer eine so hochwertige Ausrüstung wiederzubekommen. Ein Grund mehr, dass sie hier nicht länger als nötig bleiben wollte.
      "Ich habe ein Siegel, nur nicht hier!", fauchte sie zurück, nur um das richtig zu stellen. Nur, um von der eigentlichen Sache abzulenken.
      Dankenswerterweise drehte Devon sich nach seinem ungewollten Beitrag von ihnen weg und überließ es Tava, sich trotz allem Malleus zu nähern und nach seinem Arm zu greifen. Dabei hatte der Mann es sich selbst zuzuschreiben, dass sie nicht mit der gleichen Behutsamkeit zugriff, die sie auch bei Devon an den Tag gelegt hatte. Das hatte er nicht anders verdient.
      "Gib her jetzt."
      Seinen anfänglichen Widerstand gab Malleus nicht auf, stieß sie aber zumindest nicht von sich weg - oder hob sie an den Hörnern hoch, wie Devon es getan hätte - als sie seinen Oberarm umfasste und zu drehen versuchte. Dass sie dabei auf unglaublich harte Steinmuskeln stieß, die nicht nur den Blutsfluss erhöhten, sondern auch noch sämtliche Bewegungen eher in ein starres Rütteln verwandelten, kam selbst für Tava unerwartet. Absichtlich ließ sie ihn nur auf ihre kräftigen Hörner schauen, während sie versuchte, einen besseren Blick auf den Verband zu erhaschen. Er war ja auch viel zu dünn, das erkannte sie gleich, aber das machte die Sache noch nicht einfacher.
      "Entspann dich, Mann. Ich will dich doch nicht abstechen."
      Dass sie damit vielleicht ins Schwarze getroffen hatte, wurde ihr erst dann bewusst, als Malleus' Hand dann doch zuckte und ihr Handgelenk in einem eisernen Griff fing. Da hob Tava doch den Kopf genug, um ihm in die Augen sehen zu können und den malmenden, harten Kiefermuskel zu sehen, der in seinem Gesicht arbeitete. Es musste wohl mehr hinter diesen Handschuhen stecken, als Tava im ersten Augenblick angenommen hatte. So viel mehr, dass die Handschuhe gerade mal die Oberfläche dessen ankratzten, was dahinter vorgehen mochte.
      Tava verspürte keine Reue, so offensichtlich selbst Grenzen überschritten zu haben, aber sie fügte sich doch zumindest, während der Jäger vom Feuer wieder zu ihnen kam. Die Cervidia war noch immer keine Heilerin, einen feuchten Dreck würde sie tun und den Patienten zu seinem Glück zwingen.
      "Wenn du nicht willst, dann ist das auch nicht -"
      Die weiteren Worte gingen in einem erschreckten Laut unter, weil plötzlich Devon neben ihr stand und sie mit einem Arm um ihre Hüfte in die Luft hob. Sie verlor den Boden unter den Füßen, strampelte entsetzt und fand sich dann an der Seite des Lacerta wieder, sein Arm wie eine Fessel um ihren Körper. Er wirkte nicht einmal, als würde ihn das Gezappel oder auch nur das Gewicht der Cervidia stören.
      "Was wird - du kannst doch nicht - lass mich runter! Lass mich los! Finger weg von mir!!"
      Eine einzige Chance gab sie ihm, während sie sich zappelnd und strampelnd gegen seinen mörderischen Griff wehrte, dann warf sie mit einem Mal den Kopf in die entgegengesetzte Richtung, holte den nötigen Schwung und donnerte dem Lacerta die Wölbung ihrer Hörner direkt gegen die Schulter.
    • Das zappelnde Bündel wurde eisern von Devon in der Luft gehalten. Er schenkte ihr nicht mal einen Blick, dafür jedoch einen Gedanken, den sowieso niemand hören konnte.
      Sie ist so unglaublich leicht.
      Das war ihm vorhin im Eifer des Gefechts noch gar nicht aufgefallen gewesen. Die Lacerta waren noch nie von der zartbesaiteten Sorte gewesen und die Art, wie er nach Tavas Hörnern gegriffen hatte, ähnelte vielmehr den Handgriffen, wenn die Jungspunde untereinander ihre Kräfte austesteten. Also begnügte sich Devon damit, Malleus‘ Arm weiter zu inspizieren, der noch immer von der Stelle ausgehend, wo Tava ihn berührt hatte, zu vibrieren schien. Offensichtlich scherte er sich nicht um den Teppich, sondern sah anscheinend an Devon vorbei zu dem wackelnden Paar Hörner hinter ihm.
      „Man kann nicht alles in Eigenarbeit behandeln.“ Er dachte eine Sekunde nach. Der Drache hatte den Menschen nicht erwischt, dessen war sich der Jäger sicher. Die Verletzung war durch etwas anderes entstanden und seine Stirn runzelte sich. Es war seine rechte Seite. Die, an der er gerissen hatte, um den Mann aus dem Trampelpfad des Drachen zu befördern. Seine roten Augen zuckten zu Malleus‘ Gesicht. „Das war von mir, stimmt´s? Dann solltest du – „
      Weiter kam Devon nicht, der einen jähen Schritt nach vorn machte und dabei beinahe in Malleus hinein strauchelte. Nur Zentimeter vor ihm fing sich der Jäger, der die Cervidia aus seinem Griff hatte fallen lassen. Ein dumpfer Schmerz schoss in seine Schulter, ließ ihn herumfahren und seinen Blick auf die Cervidia richten, die sicherheitshalber möglichst viel Abstand zwischen sie gebracht hatte. Die Hörner hatte sie ihm abermals abwehrend entgegengestreckt und Devons Kiefermuskeln zuckten deutlich sichtbar. Hätte er nicht sein Wams wieder übergestreift, dann hatte das kleine Ding da genug Wumms gehabt, um ihm wenigstens das Schlüsselbein brechen zu können.
      Das Pulsieren des dumpfen Schmerzes in seiner Schulter. Ausgelöst durch eine Frau, wie jung sie auch sein mochte, die daraufhin auf Abstand ging und ihm eine Gegenwehr präsentierte, ihn aber nicht mit Worten auf Abstand hielt. Ohne es zu merken ging Devon minimal in die Knie, eine Lauerhaltung, wenn man es genauer betrachtete. Er öffnete kaum merklich die Lippen und sog unterbewusst die Luft im Raum ein, um zu prüfen, was kein normaler Mensch hätte spüren können. Er schmeckte die Angst, die sich säuerlich von den meisten anderen Pheromonen im Raum abhob. Er schmeckte die Anspannung, die eindeutig ihren Ursprung hinter ihm hatte. Und er schmeckte die typischen Noten einer Frau, ob sie es nun wollte oder nicht.
      Alles in seinem Körper schrie ihn an, nach vorn zu hechten und seinen Instinkten nachzukommen. Er setzte bereits einen Fuß nach vorn, da erinnerte sein eigener Körper Devon daran, dass er nicht in vollem Umfang einsatzbereit war. Seine ohnehin schon schmalen Augen wurden noch schmaler, als Tava eindeutig aus Angst zu plappern begann und Devon am liebsten abfällig gelacht hätte, wie sie denn davor Angst haben könnte, was er sie spüren lassen können würde. Passend zu dem Pochen in seiner Schulter stimmte sein Herzschlag mit ein während er verharrte. Darauf wartete, dass sie den einen, winzig kleinen Fehler beging, der in seiner Kultur als Einladung galt.
      Ein weiteres Mal atmete Devon durch seinen Mund ein, ließ die Luft an seiner gespaltenen Zunge vorbei gleiten. Tief atmete er ein, und das war wohl das Beste, das er hätte tun können. Unter die weiblichen Noten mischte sich eine andere, männliche. Räucherwerk oder Düfte brandeten in seiner Nase auf und rissen ihn aus seinem Fokus. Ein besseres Riechsalz hätte er nicht haben können, als er sich schleunigst wieder aufrichtete und auch sein Gesicht dazu zwang, ein wenig mehr Entspannung zu zeigen. Jedenfalls war der normale Atemzug, der nun folgte, dringend notwendig.
      „Du solltest nicht unbedingt jeden mit deinen Hörnern angreifen. Nur als Tipp“, raunte Devon, dessen Stimme rau und tief und summend war, Tava zu. Dann löste er seinen Blick von der Cervidia, bevor er doch noch auf dumme Ideen kam.
      „Hemd. Ich kaufe dir irgendeines ab, das passt, und dann zieh ich weiter. Ich werde deine… Gastfreundschaft nicht überstrapazieren“, richtete er das Wort an Malleus, der sich hoffentlich nicht seinen Teil aus dem Gesehenen reimen konnte.
    • Malleus musste bedauerlicherweise zugeben, dass er die reine Körperkraft der Cervidia unterschätzt hatte. Für ein zierliches Persönchen, zwar mit beeindruckenden Hörnern geschmückt, die sie ihm nun drohend unter die Nase hielt, konnte Tava ordenlich zupacken. Er hatte die dumpfe Ahnung, dass Tava ihm die Erwähnung des verlegten Alchemistensiegels übel nahm. Der natürliche Kopfschmuck, der sicherlich einigen Unglücklichen bereits zum Verhängnis geworden war, war Malleus kleinstes Problem. Die aufdringliche Frau kratzte ein wenig zu nah an seinen persönlichen Grenzen ohne die vorher benötigte Einverständnis von ihm bekommen zu haben. Tatsächlich hatte Malleus für einen kurzen Augenblick komplett außer Acht gelassen, dass Tava und Devon nicht nach denselben Regeln spielten, wie die Gläubigen in der Gemeinschaft. Nicht einmal im Traum würde einer seiner treuen, ehrführchtigen Anhängern es wagen, ihn ohne vorherige Erlaubnis zu berühren. Doch Malleus hatte den rüttelnden Halt der Cervidia unterbrochen und das bedrückende Gefühl, nicht länger genügend Luft zu bekommen, ebbte langsam ab.
      Der tonnenschwere Stein, der seinen Brustkorb eindrückte,wurde angehoben und ließ endlich wieder frische Luft in seine brennenden Lungen strömen. Die Atemzüge schmeckten nicht länger nach schwefelhaltigem Rauch, der ihn zu ersticken drohte. Die Erinnerungen, furchterregend und verhasst, sanken zurück in die dunkelsten Winkel seines Verstandes. Der Gestank von verbrannter Haut und verkohlten Haare verflüchtigte sich. Der Phatomschmerz von dutzenden,glühenden Eisen auf seiner Haut verblasste. Für einen kurzen Augenblick fühlte Malleus das beklemmende Echo der absoluten Hilflosigkeit.
      Nie wieder, hatte er sich geschworen.
      Trotzdem hatte Tava ihn eiskalt erwischt und auf die Erfahrung hätte Malleus allzu gerne verzichtet. Letztendlich zog sich die Cervidia zurück und es war dieser Vorraussicht zu verdanken, dass Malleus endlich die Fetzen seiner Gefasstheit aufsammeln und zusammenflicken konnte. Er begriff erst wenig später, dass Tava nicht ganz freiwillig von ihm abließ. Das zornige Gesicht der Frau verwandelte sich in eine Maske des Schocks, als Devon sich seitlich näherte und sie wie eine ungezogene Göre, die ihren Willen nicht bekam, vom Boden aufklaubte. Sie vervollständigte das Bild indem sie wild mit den Beinen strampelte und lautstark protestierte. Er wandte den Blick nur von Tavas wackelnden Hörnern ab, als Devon die angespannte Stille füllte. Der Lacerta, der die junge Frau auch noch ermutigt hatte, ihr Glück zu testen, besaß die Dreistigkeit ihn zu belehren. Er, der sich selbst eigentlich nicht helfen lassen wollte.
      Malleus setzte die letzten Fragmente seiner Maske zusammen, doch ein winziger Funken der Verwunderung schlich sich ein. Devon erkundigte sich nach dem Ursprung der Verletzung, doch bevor der Kultist selbst sich einen Reim darauf machen konnte, aus welchen Beweggründen der Echsenmensch diese Frage stellte, neigte Tava den Kopf nach vorn.
      "Tava..."
      Da war er wieder der belehrende Tonfall etwas wirklich nicht zu tun.
      Tava rammte ihre Hörner mit voller Kraft in Devons Schulter und Malleus empfand einen Hauch der Genugtuung.
      Der Lacerta stolperte nach vorn und reflexartig bewegte sich Malleus nach hinten, um den Abstand aufrecht zuerhalten. Seine Reaktion ließ zu wünschen übrig, denn es fehlten nur wenige Zentimeter und die Männer wären mit voller Wucht zusammen gestoßen. Ein Zucken durchlief die Schultern von Malleus. Ein ähnlicher Reflex wie der Rückzug rückwärts: Ein Fluchtinstinkt, den er für gewöhnlich gut unter Kontrolle hatte.
      Es war das zweite Mal innerhalb weniger Minuten, dass Malleus die Luft wegblieb.
      Allerdings bekam er dieses Mal die Chance seine Gedanken auf etwas anderes zu fokussiern. Die Ablenkung kam in Gestalt eines Lacertas daher, der ihm den Rücken zuwandte und stattdessen die Cervidia ins Visier nahm. Malleus bekam den Eindruck als wartete Devon. Die erwartungsvolle Spannung breitete sich im gesamten Raum aus und doch war er sich nicht einig, welchen Zweck die Lauerhaltung erfüllte. Devon sah Tava an wie ein Jäger seine Beute. Etwas, dass auf zweierlei Weisen gedeutet werden konnte. Ob Tava sich der Gefahr bewusst war, in der sie sich befand, konnte Malleus nicht genau sagen, aber sie präsentierte in eindeutiger Haltung die gebogenen Hörner. Malleus war sich ein weiteres Mal sehr deutlich bewusst, dass er zwei völlig gegensätzliche Völkchen in einen winzigen Raum zusammen gepfercht hatte. Ein Raubtier und ein Beutetier, mit gegensätzlichen Instinkten und Kulturen.
      Die Stimmung kippte gefährlich erst in die eine, dann in die andere Richtung und dann verpuffte die Anspannung komplett. Etwas hatte Devon zur Raison gebracht, der noch ein paar mahnende Worte für Tava übrig hatte. Was es auch gewesen war, hatte ein instiktives Verhaltensmuster durchbrochen, das dem Lacerta etwas überaus Animalisches verliehen hatte. Der Mann hinter Devon runzelte nachdenklich die Stirn bis Devon seine Forderung stellte. An die schroffe, knappe Wortwahl hatte er sich schon fast gewöhnt.
      Malleus sah den Lacerta lange, musternd an bevor er eine Antwort gab.
      Oder nicht gab.
      Wortlos umrundete Malleus den anderen Mann und steuerte eine alte Kommode hinter Tava an.
      Es dauerte nicht lange bis er ein Hemd herauszog, das um die Schultern vermutlich ein wenig knapp aber dafür in der Länge passen müsste. Da Devon längst die richtigen Schlüsse gezogen hatte, das Berührungen ein schwieriges Thema waren, bemühte er sich nicht um sein übliches Schauspiel. Mit genügend Abstand hielt er dem Lacerta das Hemd, sein Hemd, mit dem gesunden Arm hin und behielt dabei prüfend seine Gesichtszüge im Blick.
      "Ich habe keine Verwendung für deine Münzen, Devon", antwortete Malleus gefasst. "Sieh es als...Geschenk und Dank. Obwohl ich bereit war mein Schicksal zu akzeptieren, habe ich mein Leben doch Adrastus verschrieben. "
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Für einen ganz geringen Augenblick hörte Malleus' Warnung sich an wie eine exakte Kopie Tavas Lehrers an, ein mittelgroßer, unförmiger Mann mit einem Bart und wirklich aussagekräftigen Augenbrauen, die seine ganze Stirn mit ins Spiel ziehen konnten, wenn er mit diesem zweifelhaften, nicht-ganz-überzeugten Blick auf Tava herabgesehen hatte. Dann war immer genau dieses selbe, raunende "Tava..." gekommen, das jetzt auch Malleus aussprach und sich wie eine Drohung anhörte. Meistens hatte Tava darauf gekichert, denn sowas bedeutete nur, dass ihre Experimente zu ausgefallen, ihre Flammen zu hoch oder ihre Studien zu gewagt gewesen waren, alles Dinge, die sie mehr als glücklich machten. Entsprechend hätte sie diese Warnung wenn überhaupt eher belustigt.
      Aber dieses Mal lachte sie nicht viel, als sie Devon mit der ganzen Kraft ihres starken Halses die Hörner gegen die Schulter rammte. Das erwünschte Knack blieb leider aus, dafür hatte sie nicht genug Spielraum gehabt, um ordentlich ausholen zu können, aber den gewünschten Effekt hatte es trotzdem, denn Devon ließ sie prompt darauf los. Vielleicht hatte sie ja einen Nerv getroffen, das würde den ausbleibenden Knochenbruch schon irgendwie wieder gut machen.
      Kaum hatten ihre Zehenspitzen den Boden berührt, schoss sie gleich schon aus seiner Reichweite, um sich die Blöße eines möglichen Konterangriffs nicht geben zu müssen, ehe sie gleich wieder herumwirbelte und sofort Haltung einnahm: Die Knie ein bisschen gebeugt, nicht nur den Kopf, sondern den ganzen Oberkörper geneigt, um ihre Hörner auszurichten. Das hier war kein Spaß mehr, schon lange nicht mehr; Tava würde jetzt keine Warnungen mehr abgeben. Wenn Devon noch einmal danebengriff, würde sie ihm zeigen, wie sich ein gequetschter Magen anfühlte.
      Doch zu ihrem allzu großen, plötzlichen Entsetzen machte Devon auch eine Bewegung, die ihrer eigenen nicht ganz unähnlich war: Er beugte die Knie ein wenig. Er verlagerte auch sein Gewicht, das musste er, denn auch ohne Hörner konnte Tava sich sehr gut vorstellen, wohin sich in diesem Augenblick der Schwerpunkt seines Körpers hinverlegt haben musste: Nach vorne. Direkt auf sie zu.
      Und Tava war keine Kämpfernatur. Sie war keine Kriegerin, die den Konflikt suchte, um ihn mit Gewalt aufzulösen. Tava hatte ihr Feuer, das ihr stets in brenzligen Situationen ausgeholfen hatte, und sie hatte ihre Hörner - aber Devon hatte schon recht eindeutig gezeigt, was er von ihren Hörnern halten mochte, nämlich gar nichts. Sie waren wertlos für ihn, ein reiner Auswuchs, an dem er die Cervidia herum manövrieren könnte. Die Hörner machten ihm nichts.
      Tava hatte also Angst. Wie könnte sie auch nicht bei dem Anblick der riesigen Gestalt, die Devon darstellte. Er hatte Schuppen! Kamen ihre Hörner überhaupt durch Schuppen hindurch? Hatte sie ihm deshalb nichts gebrochen? Was, wenn es jetzt wieder schiefging? Wenn sie könnte, würde sie sich ganz aus der Affäre ziehen. Wenn sie könnte, würde sie sich unter dem Schutt verstecken, um das Inferno nicht sehen zu müssen. Aber so konnte sie nicht viel tun als einen unsicheren Schritt nach hinten zu weichen, den sie hoffentlich als angehenden Anlauf vertuschen konnte. Sie tat noch einen, als der Lacerta einen Fuß nach vorne setzte.
      "Hast du immernoch nicht genug?! Willst du noch einen haben?! Bild dir nur nicht ein, deine tollen Schuppen können dich vor einem Hornstoß bewahren, das können sie nämlich nicht!! Ich habe schon Knochen mit viel weniger als das gebrochen! Willst du es darauf anlegen?! Willst du es wirklich darauf anlegen?!"
      Ihre Worte mussten geholfen haben, auch wenn Tava das nicht so sehr glauben mochte, aber plötzlich richtete Devon sich wieder kerzengerade auf. Verräterisch zuckte sie selbst, versteckte es aber in einer Bewegung, in dem sie ihre Hörner nur ein wenig höher ausrichtete. Was für eine Erleichterung sie dabei ergriff, dass der Lacerta es wohl aufgegeben hatte, wollte sie sich gar nicht zugestehen. Sie hätte doch sicherlich sowieso gewonnen, nicht wahr? Ganz bestimmt.
      "Ich greife auch nicht jeden mit meinen Hörnern an", fauchte sie ihm entgegen und hätte fast noch mehr gesagt, etwas Provokantes, was sie dann sicherlich auch gleich wieder bereut hätte. So richtete sie sich auch ein Stück auf und sah gleich Malleus, der wie ein Schatten bei Devon stand, unbeteiligt und wortlos, aber doch in seiner Weise unergründlich beruhigend. Es war gut, dass der dunkle Mann hier war, auch wenn Tava nicht ganz greifen konnte, wieso. Es war schließlich nicht so, als hätte er sich eingemischt, wenn etwas geschehen wäre, aber sie fand es dennoch gut. Von ihm ging eine standhafte Ruhe aus, die den Anschein erweckte, als könne sie selbst die größte Berglawine nicht erschüttern. Ihren rasenden Puls konnte es trotz allem nicht beruhigen.
      Als sei nichts weiter bewegendes geschehen, eröffnete Devon seine Absicht, dem Mann ein Hemd abzukaufen, was dieser im ersten Moment zu ignorieren schien, während er gezielt auf die Cervidia zukam. Es mochte dem Auf und Ab ihrer Gefühle zuzuschreiben sein, dass Tava jetzt auch vor Malleus wich und sich stattdessen an die nächstbest entfernte Stelle flüchtete, wo sie gleichermaßen von Malleus, als auch von Devon weit genug entfernt war, auch wenn ersterer ihr gar nichts getan hatte. Sicher war trotzdem sicher - und außerdem flüchtete sie sowieso nicht. Sie... stellte sich nur woanders hin.
      Er holte aber nur ein Hemd heraus und überreichte es mit fast zeremoniellen Worten an den Lacerta. Wahrscheinlich würde es dem Mann trotzdem zu klein sein, aber er nahm es trotzdem und kam damit auf einen ganz wichtigen Punkt zu sprechen.
      "Ich werde mich auch auf den Weg machen. Ich habe noch einen Drachen einzuholen."
      Sie ging selbst hinüber zum Schreibtisch - der dankenswerterweise weit genug von Devon weg stand - und schnappte sich ihre Trophäe, die sie sich mit einem Ruck über die Schulter warf. Als sie sich wieder umdrehte, bemerkte sie gleich zwei Augenpaare, die sich in dem Raum unangenehm direkt auf sie geheftet hatten. Eine solche Aufmerksamkeit war ihr im Moment zu viel, sie kaschierte den aufkommenden Schwall Unsicherheit mit gesenkten Hörnern.
      "Was? Ihr habt doch nicht gedacht, das hier wäre der einzige Drache, oder? Du bestimmt nicht."
      Sie sah nur ganz wenig in Devons Richtung.
      "Und du eigentlich auch nicht. Ich habe Spuren gefunden, nur etwa fünf Tage von hier, entweder von einem ganz besonders gigantischen Elch oder einem Drachen. Ich werde mir also entweder ein Festmahl zum Abendessen machen, oder eine zweite Zunge ergattern. Da ja Celestia nun ein bisschen hinüber ist, gibt es hier sowieso nichts mehr zu finden. Nichtmal Drachen."
    • Devons Blick haftete auf dem Menschen, als er ihn kommentarlos umrundete und an eine Schublade trat, um dort ein Hemd hervor zu zaubern. Als er zurückkam, behielt er einen gewissen Abstand bei, den er zuvor nicht so deutlich bezogen hatte. Mehr als bemerken tat der Jäger nicht, der einen Moment wartete, ehe er nach dem Stück Stoff griff und ihn befühlte. Seine Schulter brummte noch immer, einen beiläufigen Blick auf die Cervidia konnte er sich dann doch nicht verkneifen. Sie war wörtlich auf die Barrikaden gegangen, aber Devon wusste es besser. Er roch es besser und es war wohl sein Glück, dass Tava dies nicht ahnte. Ihre Unsicherheit ihm gegenüber war so grenzenlos, dass es in Furcht resultiert war. Beinahe hätte sie den schlimmsten Fehler begangen, der Devon dazu genötigt hätte, über sie herzufallen. Glücklicherweise wusste hier niemand, was das ‚Herfallen‘ in seinem Kontext bedeutete. Wäre sie so geflohen wie vor Malleus gerade, dann hätte er seinen Widerstand vermutlich gleich aufgeben können.
      Jedenfalls blieben seine roten Augen auf Tava gerichtete, als sie von einem weiteren Drachen sprach. Natürlich verfolgte auch sie die Monster. Andernfalls hätte es sie niemals dazu getrieben, dem Felsendrachen Folge zu leisten. Er selbst hatte bisher noch nichts Weiteres von Drachen gehört, aber wenn das Mädchen da eine Spur hatte, sei es auch nur ein einziges Wort der Kunde, dann würde sie ihm sagen, wo es war.
      „Wo?“, fragte er deshalb schroff während er sich sein Wams wieder vom Leib holte, um das Hemd überzustreifen. Es machte hässliche reißende Geräusche, als sich Devon streckte, nachdem er es sich angezogen hatte. Vermutlich die Schultern. Es waren immer die Schultern. „Wenn es ein Drache war, dann müsste es Kunde über Zerstörung und Chaos geben.“
      Ihm fiel erneut auf, wie sie prompt den Kopf senkte. Wie eigentlich zu jederzeit. Seine letzte Bekanntschaft mit einem ihrer Art war nicht so abgelaufen. Er hatte ihm nicht ständig seine Hörner präsentiert und entgegengehalten, vielleicht nur zweimal. Bis der Jäger die Geste verstanden hatte und einfach auf Abstand geblieben war. Tava jedoch tat es ununterbrochen, auch der Blick, den sie Devon kaum merklich zuwarf, sprach Bände. Mit zwei einfachen Gesten hatte er es geschafft, ihr gehörig Respekt einzuflößen.
      Devon verzog das Gesicht, was gefährlich nah an einem amüsierten Lächeln grenzte. „Entspann dich. Hatte nicht vor, dich zu fressen. Dafür bist du zu hübsch.“ Er hatte keine Probleme damit, Fakten auszusprechen. Er war sich absolut sicher, dass auch Malleus es so sehen würde. Hübschen Frauen würde der Mensch mit Sicherheit auch nicht abgeneigt sein. Wobei Hörner ja nicht jedermanns Geschmack waren.
      Schließlich wandte er sich wieder Malleus zu. „Mir kam zu Ohren, dass man Adrastus weit im Osten zuletzt gesichtet hat. Bislang hat noch keine Gruppe ihn erlegen können, aber da er sich nicht niederlässt kann man keine langfristige Strategie planen. Ob er hierher zurückkehrt ist fraglich.“ Auch dieser Drache stand auf seiner Liste, doch für den musste er erst noch mehr Erfahrung und entsprechend Arsenal ansammeln. Noch war er diesem Ungetüm nicht gewachsen, das würde sich in Zukunft jedoch ändern. „Womöglich vergeudest du dein gesamtes Leben hier, wenn du daraufsetzt, dass er je wieder zurückkommt. Auch nur ein Tipp.“
      Dann warf er Tava erneut einen Blick zu. „Zeig mir die Spuren. Je nachdem, was für ein Typ es ist, kommst du nicht einmal auf fünfzig Meter an den ran.“
    • Mit gespitzten Ohren lauschte Malleus mit hitzigen Wortwechsel. Zumindest vom Standpunkt der Cervidia gewann er den Eindruck, dass diverse Emotionen bereits ein wenig überkochten. Tava fauchte wie ein Tier, dass der Jäger in die Ecke getrieben hatte. Selbst vor Malleus war die Frau zurückgewichen, obwohl nichts an seiner Körpersprache darauf hindeutete, dass er ihre unverschämte Dreistigkeit mit einem körperlichen Angriff vergelten wollte. Devon hatte sichtlich Eindruck hinterlassen, vor allem einen gigantischen Scherbenhaufen, der einmal Tavas Selbstbewusstsein gewesen war. Er bezweifelte, dass die Cervidia schon einmal in ihrem Leben wie eine wehrlose Strohpuppe durch die Gegend bugsiert wurde. Die Erfahrung war eindeutig neu für sie. Zumindest was den körperlichen Aspekt betraft. Was Malleus nämlich ebenfalls nicht bezweifelte, war die Tatsache, dass Tava sich zweifellos mit anderen Taktiken wirksam zur Wehr setzen konnte.
      Wirklich hellhörig wurde Malleus erst wenige Augenblicke später, als Tava die möglichen Spuren eines weiteren Drachen erwähnte. Ein zweiter Drache, der sich im Hoheitsgebiet der Stadt Celestia aufhielt, war etwas Ungewöhnliches. Fünf Tage waren keine große Entfernung in der kargen Gebirgslandschaft. Felsige Klippen und steile Berghänge erschwerten den Reisenden das Vorankommen, sobald sie befestigte Straßen verließen und davon gab es nicht viele in dieser Gegend.
      Während Devon schließlich seine Aufmerksamkeit auf Tava richtete, offensichtlich sehr interessiert an ihren Informationen, wagte Malleus prüfend die Hand an seine verletzte Schulter zu legen. Die Gelenke waren in Ordnung und der Knochen nicht beschädigt, lediglich die Muskeln hatten beim Aufprall ordentlich was abbekommen. Nichts, was nicht von alleine ausheilte. Die Schnitte der von scharkantigem Geröll würden nicht mal eine Narbe hinterlassen. Da war es eher schade um das ruinierte Hemd, dass er bei der Ankunft im Haupthaus entsorgt hatte.
      Ah, Devon besaß also einen Gesichtsausdruck der weniger stoisch war und erstaunlicherweise einem Grinsen ähnelte, wenn auch mit weniger Elan. Allerdings konnte er nicht vollkommen sicher einschätzen, ob er Tava lediglich aufzog oder einfach schamlos ehrlich war. Malleus Mundwinkel zuckten verräterisch.
      Tava war hübsch, wenn man dazu in der Lage war über die eingeschränkten Schönheitsideale seiner eigenen Art hinaus zu blicken. Schönheit besaß so viele verschiedene Facetten und Malleus hatte vor langer Zeit gelernt, dass Menschen zumeist mehr mit Bestien gemeinsam hatte, als die Völker der Nicht-Menschen mit ihren animalischen Attributen. In dem beinahe gleichgültigem Blick von Malleus blitzte ehrliches Interesse auf, allerdings aus einem ganz anderen Grund
      "Adrastus wurde im Osten gesichtet?", hakte er nach. Eine Mischung aus Verwunderung und unterschwelliger Verärgerung mischte sich in die tiefe, melodische Stimme. Warum wusste er nichts davon? War er zu nachlässig gewesen? Das Leder seine Handschuhe knirschte leise, als er die Finger beugte und streckte.
      Als Devon davon sprach, dass er sein Leben möglicherweise in der Gebirgsfeste vergeudete, verstand Malleus, dass der Lacerta einfach nur ehrlich war. Es kümmerte den Mann nicht, wie sein Gegenüber seine Lebenszeit verschwendete. Devon sprach lediglich die Fakten aus.
      "...kommst du nicht einmal auf fünfzig Meter an den ran."
      "Je nachdem, wo er genau auftaucht, kommt ihr nicht einmal in Sichtweite geschweige denn aus dem Gebirge heraus", mischte Malleus sich nach kurzer Bedenkzeit ein. "Auf den wenigen Straßen durch die Gebirgskette wimmelt es von Außenposten und Lagern. Nach der Drachenerscheinung in Celestia wird das Misstrauen gegenüber Fremden bedenklich wachsen. Die Spekulationen über die Ursache werden sich wie ein Lauffeuer verbreiten."
      Malleus sah zu Devon herüber, dem Mann, der mit Reptilienaugen die Welt betrachtete und Schuppen am Körper trug. Er sah zu Tava, deren Hörner ebenfalls von Kleingeistern missinterpretiert werden konnten, obwohl sie es besser wissen sollten.
      "Sie werden einen Schuldigen suchen für die Verluste", raunte er.
      Malleus verschränkte die Arme scheinbar nachdenklich vor der Brust, während er sich mit dem Daumen über das Kinn rieb.
      Es war die erste hoffnungsvolle Spur auf Adrastus seit vielen Jahren.
      "Jemand mit den notwendigen Beziehungen könnte euch möglicherweise ohne Unannehmlichkeiten durch die Posten schleusen."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Tava plusterte sich ein wenig auf, kaum als Devon zu wissen verlangte, wo sie die tollen Spuren gesichtet hatte. Das würde ihm wohl so passen, sich erst so aktiv über ihre Hörner lustig zu machen und dann auch noch eine Antwort zu erhalten. Einen Teufel würde sie tun und es ihm sagen.
      Habe ich wohl spontan vergessen”, säuselte sie daher und sonnte sich in dem kurzen Moment des Sieges über den Lacerta. Vermutlich war dieser Moment unterstützt von der Tatsache, dass das Hemd von Malleus zu klein war und deutliche Reißgeräusche machte, als Devon es sich überzwängte. Ein wenig lächerlich, wirklich. Tava freute sich darüber.
      Ihre Retourkutsche ging aber nach hinten los, denn kurz darauf präsentierte der Mann ein Grinsen, das spitze Zähne entblößte. Er würde sie nicht fressen - sie sei zu hübsch? Wie bitte?! Was erlaubte er sich?!
      Sag das noch einmal! Wag es doch und sag das noch einmal, du riesige Menschenechse! Vielleicht hilfst du ja meinem schlechten Gedächtnis auf die Sprünge und ich erinnere mich ganz plötzlich, dass die Spuren ganz, ganz weit unten am Grund einer Schlucht lagen! Ich kann dir sogar helfen runterzukommen, du musst nur dicht genug am Rand stehen!!
      Tava brodelte vor aufkochender Wut. Sie würde sich doch nicht von einem Lacerta herumschubsen lassen, der dann auch noch die Frechheit besaß, Forderungen zu stellen und sie zu beleidigen! Das war doch die Höhe! Wenn sie ihr Gepäck bei sich hätte, ohh, sie würde die Vision der lebendigen Fackel in die Wirklichkeit umsetzen!!
      Sie verschränkte die Arme fest vor der Brust und hielt den Kopf gesenkt. Während Devon sich noch einbildete, mit Adrastus locken zu können, lieferte Malleus dafür sehr gute Argumente, dass es nützlich sein konnte, den Mann mitzunehmen. Tava wusste zwar nicht, woher diese beiden Männer sich so plötzlich einbildeten, dass sie überhaupt einen von ihnen mitnehmen würde, aber da war Malleus doch die erstere Wahl. Gegen ihn hatte sie auch nichts, er war ein wenig merkwürdig in seinem Behaben, sicherlich nicht ganz richtig im Kopf, aber er schien zumindest vernünftig. Vernünftiger als so manch anderer hier.
      Und du bist dieser Jemand mit den notwendigen Beziehungen?
      Eigentlich hatte Tava sich schon längst entschieden. Allein, um dem Lacerta eins auszuwischen.
      Dir zeige ich sie, sicher. Die Betonung liegt auf dir - nicht ihm da.
      Ihre Hörner schwenkten zu Devon.
      Du kannst selbst zusehen, wie du sie findest. Und wage es nicht, mich noch einmal zu bedrohen!! Ich werde dieses ganze Haus in die Luft jagen, mit dir innendrin - das schwöre ich bei jeder einzelnen deiner Schuppen!!”
      Natürlich stieß ihre Abwehr auf Gegenabwehr. Dabei war ihr durchaus bewusst, dass Devon Fähigkeiten an den Tag legte, die bei einer Begegnung mit Adrastus durchaus nützlich sein könnte. Und wenn Adrastus derjenige war, der so viel Feuer speien konnte…
      Tava brummte missmutig, dann riss sie den Kopf nach oben, gerade so weit, dass er ihr Gesicht wieder besser sehen konnte. Von der Bewegung wippte die überdimensionale Zunge auf ihrer Schulter.
      Ich schätze, ich könnte mich daran erinnern, wo ich die Spuren gefunden habe, wenn du dich bei mir entschuldigst. Dafür, dass du mich hochgehoben hast - zweimal! - und für deine Dreistigkeit. Dann ändere ich vielleicht meine Meinung. Aber es muss eine ernstgemeinte Entschuldigung sein.
      Ein gar diebisches Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
      Auf den Knien.
    • Devon hörte Malleus nur mit halbem Ohre zu. Es war nicht unüblich, dass die Bewohner jener Orte stark angespannt waren, wo Drachen niedergekommen waren, und ja, sie suchten oftmals auch Sündenböcke dafür. Aber dieser Felsendrache war buchstäblich aus dem Nichts gekommen und nun war man erst einmal mit dem Aufbau all jener Sachen beschäftigt, die das Vieh eingerissen hatte. Trotzdem wusste der Jäger, dass er sich im nächsten Umkreis Celestias noch bedeckter als ohnehin schon halten musste. Sein Aussehen war eben nicht unbedingt etwas, das einem das Leben einfacher machte. Allerdings war er auch schon zuvor an Wachposten vorbeigekommen, ganz unabhängig von jemanden mit Beziehungen. Trotzdem war Devon nicht entgangen, dass sich der sonst so passiv wirkende Fanatiker aktiv in die Konstellation einbrachte. Und das, nachdem Adrastus erwähnt worden war. Natürlich. Weshalb auch sonst.
      Viel weiter darüber nachdenken konnte Devon leider nicht, weil sich eine Ziege blökend einmischen musste. Nachdem er sie so leicht hatte aufspielen können, rechnete Devon nicht damit, dass Tava so einfach auf seine Aufforderung einging. Jedoch rechnete er auch nicht damit, dass sie sich plötzlich dermaßen aufführte. Die Kleine hatte wohl deutlich schlimmere Komplexe als angenommen. Also trat er kurzerhand zu seinem Rucksack, um ihn wieder an sich zu nehmen. Langsam aber sicher war die Zeit des Aufbruchs gekommen und wenn das Ziegenmädel ihm nicht helfen wollte, würde er eben einfach in die nächste Stadt reisen. Denn das war sein Leben – ein wandernder Jäger, der den Spuren der Drachen folgte. Jenen Spuren, die er meist eigenmächtig aufgespürt hatte.
      „Dir zeige ich sie, sicher. Die Betonung liegt auf dir – nicht ihm da.“
      Devon warf Tava einen Blick aus dem Augenwinkel zu während er noch immer gebückt war. Die Hörner schwangen in seine Richtung, Devons Bewegung hielt inne und seine ausgestreckten Finger nach den Riemen seiner Tasche zuckten. Sie drohte ihm mit Konsequenzen, die nicht sein Eigentum betrafen? Er wäre schneller aus dem Haus, als dass sie irgendetwas tun konnte. Doch darum ging es gar nicht; Tava hatte soeben zugegeben, dass sie sich mit Sprengmitteln auskannte. Gepaart mit dem Wissen um gewisse Zutaten, das fehlende Siegel und das, was er am Stand beim Tuchhändler hatte sehen können, setzte sich ein Bild zusammen. Es hatte nach Brand in der Stadt gerochen, als er angekommen war. Langsam richtete sich Devon auf, seine Tasche lag unberührt am Boden.
      Die Cervidia war eine Brandstifterin.
      Sämtliche von Devons Bewegungen fielen auf einmal viel zu langsam aus. Beinahe gemächlich, wäre da nicht die absolute Präzision, mit der er seine Muskeln einsetzte. Jeder Zentimeter, den er an Raum mit seinem Körper einnahm, wirkte im Voraus perfide kalkuliert. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, wodurch er Tava dazu zwang, ihren Kopf noch weiter in den Nacken zu legen, sofern sie ihn denn ansehen wollte. Noch war sie nicht gewarnt, noch ahnte sie nichts Böses, denn sie warf mit hanebüchenen Sätzen um sich und schaffte es sogar am Ende ein Grinsen in ihr Gesicht zu zaubern.
      Dass Devon ihr mit Freuden von den Lippen wischen würde.
      „Du schwörst auf Nichts, was du an mir gesehen hast“, sagte Devon leise, minimal warnend, als er Malleus einfach links liegen ließ und einen gemächlichen Schritt auf Tava zu machte. Sein Kopf war leicht geneigt, aber er hatte nur seine roten Augen auf die Cervidia hinab gerichtet. „Ohne mich hättest du die Zunge auf deiner Schulter nicht. Als Feuerteufel solltest du auf dein loses Mundwerk achten.“
      Er redete noch immer leise, aber das zischeln war nicht zu überhören. Er brauchte nur noch drei weitere Schritte, dann stand er fast an dem Schreibtisch, neben dem Tava sich zurückgezogen hatte. Hoch ragte er über ihr auf und achtete tunlichst darauf, nicht noch einmal den Fehler zu begehen und durch den Mund zu atmen. Stattdessen drängte er sie allein mit seiner schieren Masse zurück, nachdem sie sich erst etwas klein gemacht hatte und endlich doch gewichen war. Mit einem dumpfen Geräusch traf sie auf die Wand in ihrem Rücken, der Lacerta war ihr so nah, dass jeder Fluchtversuch problemlos von ihm unterbunden werden konnte.
      Schließlich beugte sich Devon leicht hinab. Der spannende Stoff an seinem Rücken ließ ihn etwas lauter als beabsichtigt zischen während er seine rechte Hand anhob. Sie befand sich auf Tavas Brusthöhe, dann ihrem Hals, ihr Gesicht und schließlich ihren Hörnern. Ohne Ankündigung ballte er eine Faust und schlug sie rechts neben ihrem Kopf gegen die Wand, die unter seiner Kraft leicht zitterte. Sein Gesicht war ihrem so nah, dass es außer jenem des jeweils anderen praktisch nichts mehr in ihrem Sichtfeld zu sehen gab. Seine dunkelroten Iriden schienen sich regelrecht in Tavas Augen zu fressen, als er Worte formte, nur für sie allein: „Mein Volk hält sich bedeckt, also kannst du es nicht wissen. Ich verrate es dir. Lacerta knien nicht vor anderen als Entschuldigung. In unseren Kreisen ist es eine der größtmöglichen Respekterweisungen. Und meinen Respekt bist du nicht wert.“
      Es lag kein Hohn oder Spott in Devons Mimik, als er sich nach einem weiteren Moment von Tava zurückzog und ihr die dringend benötigte Luft zum Atmen zurückgab. Er hatte tunlichst darauf geachtet, sie nicht ein weiteres Mal zu berühren, so, wie sie es wollte. Ohne einen weiteren Blick kehrte er ihr den Rücken und nahm sich dieses Mal wirklich seinen Rucksack. Dann trat er zu Malleus, dem er noch weniger Informationen über seine Art zukommen lassen wollte als dem Ziegenmädchen in seinem Rücken. Aber in einem Punkt hatte er recht: Wenn er die Macht besaß, dann wäre es wesentlich einfacher. Sofern er ihn nicht verriet.
      „Das Jägernetzwerk verfügt über Informanten, die prekäre Kunde weiter tragen als die meisten Späher. Daher weiß ich, dass man Adrastus weit im Osten gesichtet hat. Solltest du mit dem Gedanken spielen, deinen Sitz hier zu verlassen, kannst du dich mir anschließen. Unter Diskretion.“
    • Für gewöhnlich legte Malleus einen großen Wert darauf, seine Worte mit Bedacht zu wählen. In dunklen Zeiten besaßen Worte oftmals mehr Macht als eine Schwertklinge. Worte bestimmten über die Schicksale ganzer Städte und das Leben der Menschen, die darin lebten. Worte konnten verletzen, verschleiern und heilen. Sie spendeten Trost und waren gleichzeitig dazu in der Lage ganze Existenzen in Chaos und Wahnsinn zustürzen. Das geschriebene Wort überlieferte wertvolles Wissen, die lieblichsten Geschichten und lächerlichsten Aberglauben. Malleus rühmte sich damit, dass die Menschen an seinen Lippen hingen und mit gespitzten Ohren seiner Predigt lauschten. Die Aussicht auf eine Erlösung von Qual und Angst trieb die Verzweifelten in seine Arme. Der Glaube, als Herrscher die neue Weltordnung einzuleiten, brachte ihm Einfluss und spülte Geld in die Kassen. Gier war ein unglaublich guter Hebel, den Malleus zu nutzen wusste. Obwohl er die althergebrachten Sitten des Kultes mit notgedrungener Toleranz duldete, hatten die schwerfällige Dekadenz durchaus Vorzüge. Was ihn vor eine wirkliche Herausforderung stellte, war die Tatsache, dass dieses Talent einer begabten Zunge weder bei Tava noch bei Devon irgendeine nennenswerte Wirkung zeigten. Malleus verzog missbilligend das Gesicht. Eine Entgleisung, die er sich großzügig selbst erlaubte und damit einen weiteren Teil seiner wohlkonstruierten Maske löste. Devon hatte bereits einen gefährlich treffsicheren Instinkt bewiesen und Tava ließ sich weder von Malleus einschüchtern noch einwickeln. Mit seinen Bemühungen biss er hier auf Granit.
      Und du bist dieser Jemand mit den notwendigen Beziehungen?
      Malleus sah Tava eindringlich an und antwortete trocken: "Ich nehme an, dass das eine rhetorische Frage war."
      Mit Worten ließen sich Steine ins Rollen bringen, die zur tödlichen Falle wurden. Malleus fragte sich, wann Tava bemerkte, dass ein gewaltiger Felsbrocken auf sie zurollte. Die Cervidia redete sich um Kopf und Kragen. Giftige Worte in Richtung des Lacerta, der sich erstaunlich lange unbeeindruckt zeigte. Es war unterhaltsam mit anzusehen und abzuwägen, wann Devon der Geduldsfaden riss. Wirklich lange musste Malleus darauf nicht warten. Die Veränderung in der Luft war beinahe greifbar.
      Auf den Knien.
      Malleus löste die Verschränkung seiner Arme und befand, dass die Situation gerade ein wirklich spannende Richtung annahm. Aufmerksam beobachtete er, wie Devon sich an die Cervidia heran pirschte. Er kesselte die Frau ein bis er ihr jeden möglichen Fluchtweg abgeschnitten hatten. Feuerteufel...Devon bestätigte gerade unbewusst, was Malleus bereits vermutete. Tava musste jedenfalls einen empfindlichen Nerv getroffen haben - und das betraf nicht nur die tiefgrünen Schuppen auf seinem Rücken, die er wie ein wertvolles Geheimnis hütete. Die Respektlosigkeit hatte den Lacerta aus der Reserve gelockt. Obwohl Devon völlige Gelassenheit ausstrahlte und seine Worte gewissenhaft wählte, gewann Malleus den Eindruck, dass es unter seiner Haut brodelte. Wie würde es sich anfühlen, den stolzen Lacerta und gefährlichen Krieger unterwürfig auf den Knien zu wissen, die Schuppen unverhüllt und in voller Pracht.
      Stolz war ein zweischneidiges Schwert.
      Malleus löste den Blick von Devon und heftete ihn stattdessen auf Tava, die den Lacerta erneut mit ängstlichen Augen ansah. Die Hand die seine Wand möglicherweise in Mitleidenschaft zog, war ein Ärgernis, dass er zu Gunsten seiner Beobachtung duldete. Der Anführer der Signa Ignius war kein Befürworter von unnötiger Gewalt. Es kam nicht oft vor, dass er sich hinreißen ließ und sicherlich war die Cervidia nicht empfänglich dafür, aber gerade unterdrückte Malleus den Reflex Devon ein Stück von der zitternden Frau zu entfernen. Aus Provokation und Einschüchterungsversuchen war eine ernsthafte Bedrohung geworden, die nur dadurch in Schach gehalten wurde, dass der Lacerta seine Instinkte scheinbar hervorragend im Griff hatte. Malleus war nicht entgangen, dass Devons Atemzüge sich veränderte. Er fragte sich, wie viel Reptil wirklich im Volk der Lacerta schlummerte und welche Eigenschaften sie mit den geschuppten Tieren teilten. Das Wissen, das er besaß, stammte aus veralteten Büchern und Malleus spürte das Gefühl lang vermisster Neugierde. Ein Wissensdurst darüber, ob die Lacerta tatsächlich in Verbindung zu den göttlichen Kreaturen standen. Wenn es so war, verkörperte Devon die Antworten auf viele seiner Fragen.
      Die Anspannung kribbelte unangenehm in seinem Nacken.
      "Es ist genug", erhob er die Stimme. "Devon, das hier ist mein Haus und ich sage: Es ist genug."
      Malleus hatte kaum einen Schritt nach vorne gewagte, da löste sich Devon aus seiner gekrümmte Haltung und schnappte sich ohne weiteres Zögern sein Hab und Gut. Nicht aufgrund seiner Worte, natürlich nicht. Er konnte es im Gesicht des Lacerta sehen, seine Stimme bewirkte bei dem Jäger nichts.
      Sein Blick glitt zu Tava und er rückte bedächtig zwischen die Fronten.
      "Tava? Beruhig dich. Es ist alles gut. Niemand wird dir etwas tun", sagte er mit beinahe sanft gesenkter Stimme und beschwichtigend hob er eine Hand. Er konnte schwer einschätzen, welche Wirkung Devons Auftritt auf die Cervidia hatte und er wollte nicht für Zielübungen mit ihren Hörnern her halten. Sie war schon zuvor verängstigt gewesen, war sogar vor Malleus gewichen.
      Das Angebot von Seiten des Lacerta überraschte Malleus.
      Eingehend ruhte sein Blick auf Devon, der vollkommen seelenruhig auf eine Antwort wartete.
      "Wenn Du wirklich Adrastus Spuren folgst, wird dir dein Schwert bei einer Begegnung keinen Schutz bieten. Kein Schwert kann diesem Geschöpf beikommen und wenn ich dich begleite, dann nicht um die bei deiner blutigen Jagd zu helfen. Ich will der Kreatur in die Augen sehen, die mir meinen Platz in dieser Welt gezeigt hat. Adrastus Flammen haben mir ein neues Leben geschenkt, ich will Gewissheit, dass der Weg bis hier her nicht umsonst war."
      Er sah von Devon zu Tava und wieder zurück.
      Schöne, geschwollene Worte prallten an ihnen ab, also blieb er bei den Fakten.
      "Adrastus ist ein Flammeninferno", fuhr er fort. "Wenn du Recht mit deinem Verdacht hast, könnte Tavas Wissen die nützlich sein. Und du Tava...Willst du Adrastus allein aufspüren? Und dann? Du bist geschickt, aber keine Kämpferin."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”