Clockwork Curse [Codren & Winterhauch]

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      Tessa neigte den Kopf zur Seite, wobei ihr die gekürzten Haarsträhnen leicht über die Augen fielen. Freundlich aber mit einem müden Lächeln winkte sie Malia zu.
      Die Reaktion der Akrobatin zauberte tatsächlich ein halbherziges Grinsen auf ihre Lippen. Die regungslose Miene, die Malia stets trug, brach ein wenig beim Anblick der kurzen Haare auf. Tessa fühlte sich keinen Augenblick lang von der Begrüßung gekränkt. Immerhin hatte sie die Bitte nicht aus Eitelkeit an Eleonore gerichtet. Den neuen Haarschnitt hatte sich Tessa nicht zugelegt um hübscher auszusehen. Sie wollte durch die Veränderung nicht erwachsener wirken und jemandem gefallen, wollte sie schon gar nicht.
      „Möglich, wenn die Termitenkönigin Ella heißt“, gluckste Tessa eigenartig gut gelaunt wenngleich etwas verhalten. Die Erschöpfung einer schlaflosen Nacht stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie hatte beschlossen sich nicht wie getretener Hund in einer dunklen Ecke zu verstecken.
      Deshalb folgte sie Malia auch ohne Murren in Richtung des Katinenzeltes. Es dauerte nicht lange bis der Geruch von frisch gebackenem Brot, gebratenen Spiegeleiern und Speck zu den Frauen herüberwehte. Das laute Knurren ihres Magens erinnerte Tessa daran, dass sie seit dem Frühstück am vergangenen Tag nichts mehr gegessen hatte. Trotzdem hörte sie Malia aufmerksam zu ohne sich dabei zu beklagen. Mit jedem Kopfnicken kitzelten die kurzen, braunen Locken, die durch das fehlende Gewicht der restlichen Haare viel deutlicher hervorstachen, über ihren Hals.
      Fragend zog Tessa nach ein paar Gehminuten die Augenbrauen zusammen.
      Ein weiteres Mal deutete Malia an, dass es noch mehr mit dem Zirkus Magica auf sich hatte. Tessa unterdrückte ein Schnauben. Natürlich reichten eine verzauberte Taschenuhr und ein unsterblicher Zirkusdirektor nicht aus. Sie öffnete bereits den Mund, um Malia danach zu fragen, da betraten die Frauen bereits das gefüllte Zelt, in dem es verlockend nach Frühstück duftete. Damit schob Tessa ihre Fragen erneut in den Hintergrund. Sonderlich schwer fiel das nicht, während unzählige fremde aber auch bereits bekannte Gesichter sich in ihre Richtung wandten. Ja, so musste sich eine neue Zirkusattraktion, die von allen Anwesenden ganz genau unter die Lupe genommen wurde. Zu den neugierigen Blicken gesellte sich aufgeregtes Geflüster. Viele bemühten sich nicht einmal um den Anstand das Getuschel auch nur ansatzweise zu verstecken. Tessa kämpfte gegen den Reflex, den Kopf zwischen ihre Schultern zu ziehen. Es kam einer Erlösung gleich, als Malia ihre gesamte Aufmerksamkeit einforderte und Tessa, als Neuling, wich keinen Zentimeter von ihrer Seite. Ein widersprüchliches Gefühl setzte sich in ihrer Magengrube fest als sie die Tische beäugte. Für Yasmin rang sich die überforderte Diebin ein kleines Lächeln ab, doch ihr Blick blieb auf den hinteren Tischen kleben, die beinahe komplett verwaist waren. Das verwirrte Tessa. Nicht unbedingt die leeren Tische, sondern dass es so viele Menschen innerhalb dieser Gemeinschaft gab, die lächelten, munter über ihr Frühstück hinweg plauderten und um Chesters Wohlwollen bemüht waren. Sollte es nicht mehr Leute geben, die sich betrogen fühlten?
      Obwohl Tessa verstand, warum Malia den vordersten Tisch wählte, sträubte sich die Diebin innerlich. Am liebsten wäre sie mit ihrem Tablett an allen Tischen vorbei nach draußen stolziert. Stattdessen folgte sie Malia und nahm nur zögerlich auf der Bank neben einem hochgewachsenen Mann nieder, dessen zerfurchtes Gesicht fast ein wenig durcheinflößend wirkte. Bevor Malia seinen Namen aussprach, erinnerte sich Tessa.
      „Roy…Wir haben uns beim Lagerfeuer gesehen, richtig?“.
      Ein freundliches Gesicht zu sehen, nahm ihr etwas der Anspannung. Tessa sah zu ihrer Verwunderung an diesem Tisch in viele lächelnde Gesichter. Sogar Liam hatte ein Lächeln für sie übrig. Kein bemühtes Lächeln aus reiner Höflichkeit, sondern ein echtes Lächeln und Tessa wusste nicht, was sie damit anfangen sollte.
      Als nächstes sah sie zur der Hellsehrein, Jude, herüber. Die ältere Frau war Tessa auf den ersten Blick sympathisch, obwohl sie nicht den Finger darauflegen konnte, warum. Mit einem zaghaften Lächeln nahm sie die Hand der Hellseherin. Sie war warm, aber die dünnen Fingerglieder noch nicht knorrig oder von Altersflecken gezeichnet, wie es bei Eleonore der Fall war.
      „Es…freut mich auch, Jude.“
      Aus ihrem Mund klang die Floskel beinahe falsch. Die Begrüßungen am Tisch waren freundlich, fast warmherzig. Keiner an diesem Tisch hatte ihr etwas Böses getan. Gleichzeitig hatte auch niemand etwas dagegen unternommen, dass sie Chester bereitwillig in die Falle getappt war. Alle hatten ihren Kummer ebenso bereitwillig in Kauf genommen.
      "Wann ist es passiert?", fragte Jude.
      „Äh…Gestern.“
      Die unverblümte Frage überrumpelte sie. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass die Hellseherin mit den strahlenden, gutmütigen Augen nicht die erschütternde Offenbarung meinte. Immerhin, hatte sie das Spektakel wie alle anderen in diesem Zelt bereits mitbekommen. Oder nicht?
      Verwirrt warf sie einen Blick zu Malia, die sich bereits dem Gespräch mit Roy und Liam widmete. Mit einem letzten Blick zu Jude, begann auch Tessa mit ihrem Frühstück. Endlich ließen die drückenden Bauchschmerzen ein wenig nach und sie fühlte sich ein kleines Bisschen weniger elend.
      "Ähm...Liam?", fragte sie zwischen zwei Bissen. "Che...Er hat gesagt, du würdest mir eine Aufgabe zuteilen. Darf ich einen Wunsch äußern? Kannst du mich bei den Tierpflegern einteilen, bitte?"
      Der Wunsch kam nicht ganz unüberlegt.
      Tessa verspürte kein Bedrüfnis sich unter großen Mengen aus Artisten und Zirkusangestellten zu begeben. Sie besaß kein nennenswertes Talent und ein Pferd oder Elefant, konnte ihr keine neugierigen Fragen stellen, für die Tessa noch nicht bereit war. Zumindest konnte sie sich so nicht vorwerfen lassen, dass sie vor Selbstmitleid vergehend und faul in ihrem Wagen hockte.
      "Und ich würde gerne den...meinen Wagen beziehen. Ich will Ella nicht zur Last fallen."
      Tessa steckte sich eine Gabel mit Rührei in den Mund und schlang den Bissen runter ohne wirklich zu kauen. Mit der Gabel noch zwischen den Lippen folgte sie den Blicken der anderen zu dem Mann, der einsam und ganz hinten an einem der letzten Tische saß.
      „Was ist mit diesem Toby passiert?“, fragte Tessa nuschelnd noch mit der Gabel im Mund.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”