Chiaroscuro

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    • . . . Hattet ihr schon mal das Gefühl, dass ein Schutzengel euch begleitet? . . .
      . . . Hattet ihr schon mal Glück im Unglück? . . .
      . . . Habt ihr euch schon mal etwas gewünscht, dass in Erfüllung gegangen ist? . . .
      . . . Wurdet ihr schon mal Zeuge eines Wunders? . . .

      . . . All das war das Werk eines Entia des Lichts . . .

      ~

      . . . Habt ihr das Gefühl vom Pech verfolgt zu sein? . . .
      . . . Habt ihr das Gefühl, dass euch nichts gelingt? . . .
      . . . Geht keiner eurer Wünsche in Erfüllung? . . .
      . . . Habt ihr die Hoffnung auf Wunder aufgegeben? . . .

      . . . Dann seid ihr womöglich in Begleitung eines Entia des Schattens . . .



      Das Licht wird schwächer . . .
      . . . Die Dunkelheit wird stärker
      Ohne Licht gibt es keine Dunkelheit. . .
      . . . Ohne Dunkelheit gibt es kein Licht




      . . . Was bleibt ist Leere . . .



      Die Aufgabe der Lichtwesen war es einst, das Licht in die Herzen zu bringen . . .
      Die Ehre sie in angenehmen Situationen zu begleiten . . .
      Den Menschen Freude, Glück und Liebe zu bringen . . .
      Alle loben dich . . .


      . . . Die Aufgabe der Schattenwesen war es einst, die Finsternis in den Herzen der Menschen zu tragen.
      . . . Die Bürde sich den unangenehmen Dingen des Lebens zu stellen.
      . . . Die Menschen in ihrem Zorn, ihrer Trauer und ihrem Ableben zu begleiten.
      . . . Keiner dankt dir


      . . . Das ist und war schon immer die Sicht der Menschen auf Licht und Schatten . . .
      . . . Gut und Böse. . .
      . . . Engel und Dämonen . . .
      . . . Ist das fair? . . .


      Können wir es den Schattenwesen wirklich verübeln, dass sie sich gegen die Lichtwesen auflehnen?
      Das sie mehr Anerkennung wollen?
      Das sie geliebt werden wollen?



      . . . Wenn du anfängst die Finsternis zu hassen, fängst du an, das Licht nicht mehr zu lieben . . .
      . . . Wenn dir im Leben nichts schlechtes widerfährt, lernst du nicht das Gute zu schätzen . . .


      . . . Einst trugen die Schattenwesen diese Bürden mit Stolz und wurden von den Lichtwesen dafür respektiert . . .
      . . . Wenn die Menschen der Finsternis keine Liebe schenkten, schenkten die Lichtwesen ihnen Liebe . . .
      . . . Das Licht strahlt heller, wenn es dunkel ist . . .


      . . . Ihr müsst euch daran erinnern, um zu der vergangenen Harmonie zurückzufinden . . .


      . . . . . . . . . . . . .


      Auch wenn die Rebellen diese Zeit nicht selbst erlebt haben, so erkannten sie jedoch die Wahrheit über ihre Existenz

      Ein Engel, eine Walküre, stark und mutig, kämpfte in dem Glauben, sie würde das richtige tun
      Ein Dämon, Sohn eines Schattenfürstes, stark und unerschütterlich, kämpfte in dem Glauben, er würde das richtige tun

      Sie bekämpften einander ohne Gnade, erlitten Wunden, bis einer von ihnen am Boden lag.
      Der Engel sah ihre Niederlage ein und blickte dem Dämonen ohne Reue, ohne Angst ins Gesicht.
      Respekt und Anerkennung für seine Stärke, seinen wohl verdienten Sieg, lagen in den blauen Augen des Engels.
      Der Dämon zögerte, denn es war ein Gefühl von.. Freude.. Glück..
      Dieser Sieg ließ ihn sich nicht wie ein erhabener Krieger fühlen, der das Licht verschlingen musste.
      Dieser Sieg war eine Offenbarung, dass das Licht in seinem Schatten nicht erlöschen durfte.

      Langsam ließ Nigreos, dessen Name in seiner Sprache 'schwarz' bedeutete, seine Schwerter sinken.
      Clara, dessen Name in ihrer Sprache 'hell' bedeutete, hätte diese Chance und ihren Speer ergreifen können, um den Finsteren zu besiegen.

      Doch sie sahen einander an, als würden sie in die Seele des anderen blicken und dessen Existenz verstehen.

      Nigreos ging vor ihr auf die Knie und hob sie hoch, da ihre Wunden zu tief waren, um sich selbst zu erheben. Keiner von ihnen sagte einen Ton, als er sie von dem Schlachtfeld trug, seinen Blick nach vorn gerichtet, ohne ein Ziel zu haben.
      Die Kriegszone ähnelte einem Vorort von Tenebrae. Das Areal war noch trostloser, als die Ödnis in die Nigreos Artgenossen verbannt worden waren. So fand er einen Erdspalt, in dem er sich mit der Walküre zurückzog.

      3 ganze Tage vergingen, in denen die beiden sich weder rührten noch sprachen.
      Ihre Wunden heilten, doch ihr Glaube für ihre Sache war gestorben.

      Dann hob Clara ihre Hand, legte sie an die Wange des Schattenwesens und schenkte ihm ein Lächeln, dass sich auf ewig in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.
      "Danke..", hauchte sie. Ehrliche Dankbarkeit war, was sie ihm gab. Was er spürte.
      Er spürte, dass er sie brauchte. Das die wachsende Finsternis in seinem Herzen gereinigt wurde.
      Sie spürte, dass er sie brauchte. Das sie ihm dabei helfen konnte, die Finsternis der Menschen zu ertragen, ohne daran zu zerbrechen.


      Das war die Erkenntnis, dass sie ohne einander nicht existieren konnten.
      Das sie füreinander geschaffen waren.
      Das sie einander liebten und diese Liebe sie auf den richtigen Weg führen würde.


      Ophelia fand den Spalt auf der Suche nach ihrer geliebten Schwester und Kameradin, blickte den Dämonen hasserfüllt an und hob ihr Schwert.
      Doch Clara stellte sich vor ihn und blickte ihrer Schwester entschlossen entgegen.
      So verharrten die beiden Frauen, ohne ein Wort zu sagen.

      "Ich will nicht mehr kämpfen..", sagte Nigreos müde vom ewigen Kampf und legte seine Arme um Clara, sowie seinen Kopf auf ihre Schulter, wobei er die Augen schloss.
      Ihr Mitgefühl, ihre Nähe, war Heilung für Nigreos.
      Die Walküre schmiegte ihr Gesicht an seines und schloss ihre Augen ebenfalls.

      Ein unnatürliches Bild, dass sich auch bei Ophelia auf ewig eingebrannt hatte.
      Auch sie verstand sofort, dass weder die Schattenfürsten, noch die Erzengel im Recht waren.
      Sie waren auf dem Holzweg und dabei, beide Welten für immer ins Chaos zu stürzen, wenn sie ihn nicht verließen.

      So verließen die Drei das Schlachtfeld und Concordia, um Schutz in Terra zu finden, der Welt der Menschen, die von all dem nichts ahnten.
      Ihre engsten Vertrauten folgten ihnen und wurden schon bald als die abtrünnigen Rebellen bekannt.


      . . . . . . . . . . . . .

      In Caelestis sprach man nur abwertend über die Rebellen und so hatte auch Micah den Eindruck, dass diese Entia Verräter an ihren eigenen Völkern waren.
      Er ging nach Terra, wie viele Licht- und Schattenwesen vor ihm, um diese Rebellen ausfindig zu machen und für ihren Untergang zu sorgen.

      Doch er durfte nicht außer Acht lassen, dass er noch immer ein Lichtwesen war und für das Glück der Menschen sorgen musste.

      Spät am Abend waren ein paar Jugendliche dabei entgegen jeglicher Vernunft einen schlimmen Fehler zu begehen. Sie hatten alle getrunken und legten ihre Leben bereitwillig in die Hände des Fahrers, der laut ihrer Aussage nach noch am fähigsten dazu war. Micah sah, dass sie einen Unfall bauen würden, wenn er nicht etwas tun würde. Sie würden von der Straße abkommen und den Hang herabfallen und vermutlich sterben. 3 Tote.

      Die Szene war wie eingefroren, als Micah vor dem Auto stand und es betrachtete. Wenn er nun dafür sorgen würde, dass der Wagen eine Panne hätte und so zum Stehen käme, könnte er die 3 Leben retten.

      "Warte..", erklang eine kraftvolle, weibliche Stimme hinter ihm. "Sieh genauer hin.."
      Der junge Mann sah nach hinten zu der Frau, die ganz eindeutig ein Lichtwesen war, wie er. Warum sollte er warten?
      Nachdenklich ging er ein paar Schritte zurück und sah sich auch die Umgebung der Szene an. Um die Kurve würden bald 2 Autos kommen, die insgesamt 9 Insassen hatten. Darunter ein Baby, dass sein ganzes Leben noch vor sich hatte.
      "Wenn du versuchst diese Drei zu retten, gefährdest du neun Leben und auch für die Drei gäbe es keine Garantie, dass sie diesen Unfall überleben..", erklärte Ophelia dem Jüngeren, der ihr nun in die Augen sah. Die Frau wirkte auf ihn kaltherzig, denn wie konnte sie sich da raus halten? Wie konnte sie einfach nur zusehen und nichts tun?
      Doch als er die anderen Neun betrachtete, war ihm schnell bewusst, dass nichtstun in diesem Fall das einzig richtige war.

      Und so trat er beiseite, ließ es geschehen und blickte den Hang herunter, über den die Jugendlichen gestürzt waren. Die anderen beiden Wagen kamen zum Stehen, Menschen stellten neben ihm und wählten den Notruf. 3 Tote, anstelle von 9 oder sogar 12.
      Die Menschen konnten die beiden Lichtwesen in diesem Moment nicht sehen, wenn sie in ihrer unsichtbaren Gestalt wandelten, um sich in die Schicksale der Menschen einzumischen.
      "Manchmal ist es falsch, etwas gutes zutun", sagte die Frau kühl. Ihre objektive Sicht der Dinge, öffnet Micah die Augen.
      "Du bist eine von den Rebellen, nicht wahr?" Ein Lichtwesen hätte sich stets für die Drei entschieden, da sie nur das offensichtliche betrachteten, wie er es getan hatte.
      "Tsk. Ich hasse dieses Wort. Aber ja." Sie betrachtete den jungen Mann mit einem neutralen Blick, der auf ihn wieder vollkommen empathielos wirkte.
      "Komm mit." Micah's Absicht, gegen die Rebellen vorzugehen, war wie vom Winde verweht, als er Zeuge ihrer Entscheidung wurde und so begleitete er Ophelia in die Stadt. Sie betraten eine Kneipe, die von außen ganz gewöhnlich aussah, doch von innen war sie von Magie umhüllt und zeigte das Innere eines großen Anwesens, in dem ihm Licht- und Schattenwesen entgegenkamen. Entia.

      "Wen hast du denn da angeschleppt?", fragte Nigreos, während er mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. Obwohl seine Stimme so klang, als würde er ihn abwertend betrachten, hatte Micah nicht das Gefühl, dass er hier nicht willkommen war.
      "Verstärkung", antwortete Ophelia lediglich und ging an ihm vorbei. Micah hatte nicht einmal etwas sagen müssen und sie wusste, dass er innerhalb eines Wimpernschlags von einem Feind zu einem Freund geworden war. Der junge Mann hatte diesen Blick der Erkenntnis, wie Clara ihn nannte.
      "Nur falls du es noch nicht ganz begriffen hast.. Wir sind hier nicht die Feinde. Die da drüben sind es, die gegen unsere ersehnte Harmonie kämpfen. Wir Entia müssen zusammenhalten." Ophelia erklärte Micah, dass nicht die Schattenwesen die Bösen waren. Wenn man es genau nehmen wollten, waren hier die Lichtwesen die Bösen, die die Schattenwesen verbannten, anstatt sie zu unterstützen. Das ihr Licht dafür geschaffen war, ihnen dabei zu helfen die Finsternis zu ertragen.
      Der effektivste Weg dafür war es, wenn sich Teams oder Gruppen zu gleichen Anteilen aus Licht- und Schattenwesen zusammentun, um die richtigen Entscheidungen für das Schicksal der Menschen zu treffen und so dem Gleichgewicht näherzukommen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche, sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Der Anblick von schwarzem, grobem, aber vor allem dreckigem Profil der Lederboots, die auf dem Schreibtisch lagen und zum ausgestreckten Beinpaar gehörten, dessen Besitzerin heute mehr als deutlich raushängen ließ, dass es weiß Gott wie viele andere Sachen gab, die sie jetzt lieber täte, war absolut keine Seltenheit im großen Büroraum. Keine seltsamen, geschweige denn strenge Blicke mehr, keine Bitten oder Aufforderungen sich etwas zivilisierter zu verhalten. Nein, das alles hatten Livs Kollegen schon lange aufgegeben. Und man hätte meinen können, dass ihr das, ein Gefühl von Triumph bescherte, aber nein. Es interessierte sie schlichtweg nicht. Ob jemand ihr Verhalten duldete oder nicht, es kümmerte sie einfach gleich wenig.


      Gerade als sie den Kopf in den Nacken warf und laut vor Langeweile aufstöhnen wollte, blieb ihr das Geräusch im Halse stecken und stattdessen weiteten sich ihre Augen – im ersten Augenblick vor Überraschung, doch rasch mischte sich Funkeln in das olivgrüne Augenpaar und dann dominierte auch schon Sensation ihren Blick. Es war ein Gefühl, eine Art Vorahnung, gewesen, das sie aufspringen und ihre Kollegen aufschrecken ließ.

      „Ich muss los!“, verkündete sie eilig und von all den Köpfen, die anwesend waren, drehte sich nur einer zu ihr um. Es war John, ihr Partner.

      „Ich halte nicht meinen Kopf für dich hin, Liv!“

      „Naaaaw! Klein Baby-Johnny muss nicht traurig sein, dass Mama geht! Ich komme heute auch ganz sicher nicht wieder!“ Eine Hand vergrub ihre Finger in Johns Haaren und brachte die gestylte Frisur ordentlich durcheinander, während Liv auch schon wieder von ihm abließ, sich ihre Jacke von der Stuhllehnte schnappte und trällernd davon marschierte.


      Sie besaß einen Führerschein, ja wirklich. Doch dieser war schon so oft eingezogen worden, - Liv hinterm Steuer war die tatsächliche Gefährdung der Menschheit - dass man durchaus denken konnte, sie hätten keinen. Aber so wirklich brauchte sie ihn auch nicht, denn sie besaß kein Auto -und selbst wenn, hätte sie sich trotzdem immer von ihrem Partner chauffieren lassen – überzeugend genug konnte sie sein.


      „Zur St.Gabriels!“, trug sie dem Taxifahrer auf, der auch kein Unbekannter mehr war. Ein älterer, dicklicher Herr fuhr die Strecken in diesem Polizeirevier ab und hatte somit schon mehrfaches Vergnügen mit der jungen Detektiv-Liv. Was allerdings nicht hieß, dass sie sich leiden konnten.

      „A-ah! Nein! Auf keinen Fall! Such dir einen anderen Trottel, der dich umsonst fährt! Du schuldest mir noch zwanzig Mäuse fürs letzte Mal und zehn für das davor!“

      Liv rollte mit den Augen und trat mit ihrem Fuß gegen seinen Sitz. „Stell dich nicht so an, alter Sack! Du kriegst schon noch dein Geld, ich habe es eilig!“

      „Du hast es immer eilig und warte wie hast du mich genannt?!“

      „Was? Ist dir Fettsack lieber? Weißt du, nachdem dich deine Frau verlassen hat, dachte ich wirklich, du speckst ein paar Kilos ab, aber du quillst einfach weiter auf, wie ein Hefeteig!“ Und während die beiden Streithähne ihrer täglichen Routine nachgingen, war das Auto bereits in Bewegung gekommen und fuhr durch den Nachmittagsverkehr.

      Es stimmte die Frau des Taxifahrers hatte ihn verlassen und auch sonst wusste Liv ziemlich viel über den älteren Taxi-Herren. Vieles von alle dem, was in seinem Leben in den letzten Jahren passiert war, geschah unteranderem gerade deshalb weil Liv dafür gesorgt hatte. Diese Frau hatte das Leben aus ihrem unterwürfigen Mann gesaugt, langsam aber sicher – abgesehen davon hatte sie ihn auch ausgenommen, wie eine Weihnachtsgans.


      „Denk nicht, dass ich auch nur einen Cent vergesse, ich notiere mir alle Beträge!“, schimpfte der fast Glatzköpfige, während er am Straßenrand hielt und daraufhin über die Schulter zu Liv blickte, die bereits dabei war auszusteigen und als eine Antwort nur noch ein freches Grinsen und ein Zwinkern daließ. Sie schlug die Tür hinter sich zu und blickte auf, während sie den Motor des Taxis hörte wie er sich weiter entfernte. Sie stand vor einer der größten Kirchen der Stadt, ein ziemlich eindrucksvolles Gebäude und ein altes. Schlürfend zielte sie das riesige Tor an, das jedoch nicht mehr geöffnet wurde, sondern eine kleine Tür darin enthielt, das schon mehr der menschlichen Größe entsprach.


      Nachdem sie diese Schwelle passierte, betrat sie das Innere. Wie so oft fragte sie sich, ob sie jemals das wahre Innere der Kirche sehen würde oder ob es ihr weiterhin verwehrt blieb. Warum wollte sie das überhaupt? Sie schüttelte kurz den Kopf und den Gedanken ab. Stattdessen schritt sie durch die riesige Eingangshalle bog zur Treppe rein, die sich am Ende der Halle an der Wand befand und in einer Spirale entlang dieser nach oben in die verschiedensten Ebenen führte. Liviana kam im vierten Stockwerks raus und schritt einen langen leeren Flur entlang, dessen Decke so hoch war, dass sie scheinbar kein Ende fand – wie gesagt ein ziemlich imposantes Gebäude.

      Plötzlich öffnete sich eine Tür von rechts und eine Gestalt betrat ziemlich entschlossen den Flur. Doch auf seinem Gesicht – es war ein junger Mann, einer den Liv hier noch nie gesehen hatte, groß, schlank, weißes Haar, blass, blauäugig; es lag auf der Hand was er war – breitete sich eine Mischung aus Verwirrung und Erleichterung heraus. Er hatte die junge Frau noch nicht gesehen, also gab sie sich zu erkennen, kurz bevor sie bei ihm ankam. Sie zog ihre Lederjacke aus und warf sie sich locker über die Schulter.

      „Beeindruckend nicht wahr? Wie die ganzen Stimmen im Kopf plötzlich verstummen. Aber gewöhn dich nicht dran Schätzchen, denn in letzter Zeit werden sie wieder lauter.“ Etwas, das auch Liviana missfiel. Sie kam vor dem Neuling zum Stehen und blickte hoch in seine blauen Augen, die klares Misstrauen der deutlich kleineren Frau gegenüber ausstrahlten, doch das brachte Liv nur zum Lachen. Theatralisch rieb sie sich vor Angst die Oberarme und tat so als würde sie zittern. War es dieses Wesen gewesen, das sie vorhin so deutlich gespürt hatte? Nein, die Präsenz war zu stark gewesen, es musste sich um mehrere gehandelt haben. Neuzugang? Uuh~ neue Spielgefährten?, fragte sie sich und blickte grinsend nach links. Dort, am Ende des Ganges befand sich die Zentrale. Liv ließ den stummen Weißhaarigen links liegen und ging weiter, voller Spannung, denn vielleicht hatte der Tag heute doch noch mehr Überraschungen parat, als bisher.
    • Vieles an dem, was in den letzten Sekunden geschehen war, löste einen voreiligen Groll gegenüber der Frau aus, der Fremden, die an Alan vorbei spaziert war. Doch am meisten waren ihre Worte dafür verantwortlich gewesen. Einfach weil sie genau ins Schwarze getroffen hatten. Sie waren augenblicklich verstummt, die Stimmen. Sobald Alan die Schwelle von seiner Welt auf Terra passierte, hatten sich die quälenden Gedanken in seinem Kopf scheinbar in Luft aufgelöst. Woher hatte sie es wissen können? Und wie war das möglich? Wurde er deshalb auserwählt? Oder vielleicht interpretierte er einfach nur maßlos hinein und lediglich seine Offenheit der Rebellion gegenüber war der einzige Grund, weshalb er nun hier stand.

      Rechts von ihm ertönte eine Türklinke. Die Fremde war in einen Raum hineingegangen und ließ die Tür offen stehen. Es war wie ein innerer Ruf, der Alan sicher sein ließ, dass er ebenfalls dort lang musste. Aber er nahm sich dennoch einen kurzen Moment, um sich umzusehen. Hohe Decken und eindrucksvolle Gebäude kannte er bereits aus seiner eigenen Welt und trotzdem lag etwas seltsam Erhabenes über diesen Mauern. Aber vor allem strahlten sie Neutralität aus. Denn hier schien weder das Licht die Dunkelheit zu verdrängen, noch der Schatten das Licht zu verschlingen.

      Erneut wanderte Alans Blick zur offenen Tür. Er vernahm Stimmen. War das die berüchtigte Rebellion? Selbst heute noch, nach so vielen Jahren herrschte vorwiegend die Meinung unter Lichtwesen, dass die Rebellion alles Feiglinge und Verräter waren. Feiglinge, weil sie sich dem wahren Krieg entzogen und Verräter, weil sie für das Wohl der Schattenwesen kämpfen. Schatten… Alan setzte sich lieber in Bewegung, als weiter an dem unsinnigen Gedanken festzuhalten, der auch schon verpuffte, als er durch die offene Tür ging und nun auch klar und deutlich die Stimme der Fremden von gerade eben vernahm. Da sie so gesehen das einzige bekannte Objekt in dem Raum war, visierte sein Blick sie als erstes an. Sie saß auf einem Schreibtisch mit überschlagenen Beinen und lehnte sich locker nach hinten auf den Händen abgestützt. Drei weiter Wesen befanden sich noch im Raum. Zusammengerechnet waren sie also zu fünft. War das die Rebellion? Sie konnte doch unmöglich so klein.. Alan dachte an den ganzen Groll, der der Rebellion gegenüber gehegt wurde und kam zum Entschluss, dass er viel zu wuchtig war, um gegen so eine kleine Anzahl an Schatte- und Lichtwesen zu gehen.


      „Sind wir vollzählig?“, hörte er seinen Gedanken laut aussprechen, doch er kam nicht aus seinem Mund. Ein Lichtwesen – ganz unverkennbar -, männlich, groß, stark, war es gewesen. Er schien unwesentlich älter zu sein als Alan, doch das konnte man anhand des Äußeren eines Lichtwesen nie so wirklich beurteilen. Ein wenig erinnerte er Alan an seinen Bruder, vor allem das wohlgesinnte Lächeln auf den ruhigen Gesichtszügen.

      „Ich hoffe doch nicht…“, jammerte die Frau. Sie ließ daraufhin ihren Blick ziemlich unverfroren über den muskulösen Körper des Mannes gleiten und schon schien ihre Laune deutlich besser. „Obwohl mir bereits gut gefällt, was ich sehe~“

      Alan wandte den Blick von ihr ab, in die Richtung der anderen zwei Fremden. Die Wahrscheinlichkeit auf ein bekanntes Gesicht zu stoßen, war zwar sehr klein, wirklich winzig, gewesen und dennoch hatte er an dieser Hoffnung festgehalten. Jetzt schien der richtige Moment zu sein davon loszulassen, denn er blickte wirklich nur in fremde Gesichter. Bis jetzt hatte er kein Wort gesprochen und gehörte damit zu der Mehrheit.