The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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    • Ezra

      Es war scherzhaft gemeint gewesen, aber langsam merkte Ezra, dass er tatsächlich drüber nachdachte, die unterhaltsamere Alternative zum Doppelbett zu nutzen. Obwohl er das wahrscheinlich nicht über sich bringen könnte. Sie waren hier, um ein tatsächliches Problem zu lösen - da die erste Nacht direkt mit einem One Night Stand zu beginnen wäre irgendwie furchtbar geschmacklos, egal, wie nett die polnischen Herren und Damen auch aussahen. Außerdem war er - neben der offensichtlichen Sprachbarriere - nicht in der Stimmung zu flirten. Wie auch, wenn man ständig einen möglichen Weltuntergang im Hinterkopf hatte? Andrew schien hier die einzige Ausnahme zu sein, aber...das war anders, immerhin flirtete Ezra mit ihm, seit sie sich kannten. Es war immer Teil ihrer Dynamik gewesen. Alles ein Scherz, ein Weg den anderen aufzuziehen und nicht mehr. Definitiv nicht mehr.
      Deshalb lehnte er sich auch nach vorne und aß den Bissen direkt von Andrews Gabel, statt sie ihm abzunehmen. Als Scherz. Um Andrews Reaktion zu sehen. Nicht aus irgendwelchen anderen Gründen, die ihn nachts nicht schlafen lassen würden. "Das ist wirklich nicht schlecht", urteilte er mit einem kleinen Grinsen, während er seinen eigenen Teller etwas in Andrews Richtung schob, als stummes Angebot, sich ebenfalls zu bedienen.
      "Ich war früher deutlich öfter Feiern, als in den letzten Jahren", kam er schließlich auf Andrews Frage zurück. "Als Teenager hatte ich eine Phase, in der ich öfter Abends um die Häuser gezogen bin und irgendwann kennt man die Stammgäste in Kneipen und Clubs. Hin und wieder tut es ganz gut, die mal wieder zu sehen." Die Anzahl seiner One Night Stands war über die letzten Jahr auch deutlich geringer geworden - was wohl am Zeitmangel und dem Fakt lag, dass Ezra ungerne Leute mit nach hause nahm. Ada hatte seine Partnerinnen und Partner zwar nie kritisiert, aber er wollte es vermeiden, jemanden zu verabschieden, während Liz sich für die Schule fertig machte. Und Beziehungen hatten sich für ihn immer unmöglich angefühlt. Wann erklärte man jemanden, dass man sein Geld mit Diebstählen verdiente? Auf dem ersten Date? Wenn man schon so tief drinsteckte, dass dein Gegenüber mit einem Anruf dein ganzes Leben ruinieren könnte? Niemand in seinem Leben hatte ihn je gut genug gekannt, als dass er sich in einer möglichen Beziehung sicher genug gefühlt hätte.
      "Außerdem finde ich es irgendwie spannend, Leute auf der Tanzfläche zu beobachten. Alle sehen immer so fröhlich aus." Ezra musste selbst ein wenig lächeln, während er seinen Kopf leicht zur Seite neigte. "Warte. Du hast keinen Schimmer von Filmen, aber wie sieht es bei dir mit Musik aus? AC/DC? ABBA? Taylor Swift?" Zumindest einer dieser Namen musste ihm was sagen, oder?
    • Andrew

      Nachdem Ezra den Bissen direkt von seiner Gabel nahm verwunderte es Andrew langsam immer weniger, dass die Dame an der Rezeption sie für ein Paar gehalten hatte. Mal ehrlich, der Spaß ging bei ihnen manchmal etwas zu weit, als das Außenstehende noch einen Unterschied erkennen konnten, oder?
      "Ach komm, lass das", murmelte Andrew. Er wollte eigentlich kein Spaßverderber sein. Aber… ihn begann da langsam wirklich etwas zu bedrücken. Besser Ezra hörte ein Zeit lang auf, Witze über Dinge zu machen, die vielleicht gar nicht so fern von der Realität waren. Dennoch klaute er sich einige dieser Kohl-Dinger vom Teller des Blonden. Die kulinarischen Erlebnisse mussten schließlich nicht darunter leiden.
      Dass Ezra erzählte, er hätte eine Kneipen-Phase in seiner Jugend gehabt wunderte Andrew nicht. Er lächelte. "Das ist an mir vorbeigezogen. Ich war zu beschäftigt, ein Nerd zu sein", erklärte er. "Ich glaube, ich hab ganz schön verpasst. Ich hatte keine… Highschool Romanze, war nie betrunken… hab nichts angestellt. Ich bin nie durch ein Fenster geklettert" Andrew runzelte die Stirn. Eigentlich war das total irrelevant aber es erschien ihm als etwas, das man mal gemacht haben sollte.
      "Erst als meine Eltern gestorben sind, hab ich angefangen, Dinge zu erleben" Er merkte etwas zu spät, wie das klang und unterdrückte ein Lachen. "Das klang jetzt… makaberer als es gemeint ist. Ich hab einfach gemerkt, dass ich außer ihnen kaum was in meinem Leben hatte. Da bin ich endlich mal rausgegangen und hab Leute kennengelernt. Hat jedenfalls besser funktioniert, nachdem ich die Brille losgeworden bin" Er schmunzelte.
      "Und du? Homeschooling bei den Kriminellen oder wie lief das ab?"
      Er hob den Suppenteller hoch und trank den Rest einfach aus, dann sagte er zufrieden: "Ah… das wollte ich schon immer mal machen"
      Wer weiß, vielleicht kletterte er heute Nacht noch durch ein Fenster.
      "Kannst du tanzen?", fragte er Ezra interessiert. Er selbst hatte… eine klassische Paartanzausbildung. Das hatte seine Jugend nicht leichter gemacht, aber seine Mutter hatte darauf bestanden. Man stelle sich vor… ein Typ mit Zahnspange und Brille, der den ganzen Tag Schach mit seinem Vater spielte, keine Freunde hatte und dann gezwungen war, Paartanz zu lernen. Was für Sadisten waren seine Eltern bloß gewesen?
      "Naja. Über klassische Musik kannst du mich alles fragen. Da… kenn ich mich leider aus", murmelte er. Ging ja wohl Hand in Hand mit dem Rest seiner Erziehung. "Und natürlich kenne ich AC/DC und ABBA, wofür hältst du mich? Rate mal, wer ABBA 2015 live gesehen hat? Richtig, nicht ich. Hab keine Karten mehr bekommen" Er lachte. Die Wahrheit war, dass nach dem Ausverkauf ein Typ ihm eine Karte angeboten hatte, das erste Date aber so schrecklich gewesen war, dass Andrew die schwerste Entscheidung seines Lebens treffen und auf das Konzert verzichten musste. Ja, solche old school Songs hatten schon was… Aber wer zum Teufel war dieser Taylor
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    • Ezra

      Da war sie - die Bestätigung, dass das ganze Flirten wirklich nur da war, um sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen. Ezra wollte nicht weiter darüber nachdenken, warum sich das für ihn irgendwie nicht mehr richtig anfühlte. Zum Glück führte die Konversation sie eh in eine andere Richtung.
      Irgendwie hatte Ezra nicht das Gefühl, dass Andrews neue Bekanntschaften zwingend mit seiner Brille zusammenhingen - wahrscheinlich hatte es einfach mit dem zugewonnenen Selbstbewusstsein zu tun, das entstanden war, sobald er die Brille abnehmen konnte. Die Brille hatte gar nicht so furchtbar ausgesehen. Zumindest hatte Ezra nicht den Eindruck, dass die Brille furchtbar ausgesehen hatte, es war durchaus möglich, dass er über die Jahre hinweg einfach einen Soft-Spot für Andrew entwickelt hatte. Aber das wäre albern.
      “Ich denke nicht, dass du viel verpasst hast. Ich hatte das alles und wir sind trotzdem beide hier gelandet, also scheint es sowieso keinen Unterschied zu machen.” Obwohl er nachvollziehen konnte, dass Andrew es vermisste - die Aufzählung klang wie das standardmäßige Leben eines Teenagers aus einem Film, auch, wenn es weitaus weniger glamourös war, alles selbst zu erleben.
      “Wir waren auf einer ganz normalen, öffentlichen Schule”, antwortete er schließlich mit einem kleinen Lachen, während er begann, in seinem Essen rumzustochern. “Zuhause war Kriminalität dann immer ein Spiel für uns. Wer schafft es, jemanden am besten abzulenken? Wer schafft es, zuerst ein Portmonee zu klauen? Irgendwann mussten meine Eltern und gar nicht mehr anstacheln, weil wir das schon gegenseitig getan haben.” Ezra zuckte kurz mit den Schultern, während das Lächeln auf seinen Lippen ein wenig aufgesetzt wirkte. “Es war irgendwie normal für uns. Wer auch immer von uns den größten Diebstahl des Abends geschafft hat, war am nächsten Tag das Lieblingskind - Alter, Geschlecht und Größe zählte nicht. Phasenweise hat es Allianzen zwischen meinen Geschwistern gegeben, nur, damit man sich im letzten Moment doch hintergeht. Ich bin der drittjüngste von vier, also kannst du dir vorstellen, wie erfolgreich ich war. Es war…keine sonderlich gesunde Familiendynamik.”
      Obwohl seltsame Dynamiken offenbar sein Stil waren. Immerhin saß er mit einem Helden an einem Tisch, mit dem er mehr oder weniger ernst flirtete und redete über seine Kindheit.
      “Ich kann nicht tanzen, aber das hält mich nicht davon ab, es trotzdem gerne zu tun”, wechselte Ezra dankbar zu dem nächsten Thema. Rhythmus und Takt waren ihm nicht gerade in die Wiege gelegt worden, aber seiner Erfahrung nach reichte es meistens, einfach enthusiastisch zu sein. Außerdem half es, wenn man zusammen mit Leuten unterwegs war, die auch nicht tanzen konnten.
      Andrews abschließender Kommentar zum Abba Konzert brachte Ezra tatsächlich zum Lachen. “Das tut mir aufrichtig leid für dich. Aber hey, wenigstens bist du musikalisch nicht vollkommen verloren. Es besteht noch Hoffnung.” Also musste Ezra ihn nach Harry Potter nicht erstmal von einem Konzert zum nächsten schleppen. Irgendwie war er fast schon enttäuscht.
      "Schon eine Idee, was wir als nächstes machen? Sightseeing?" Auf dem Weg hierher hatte er keine anderen Hotels gesehen, die ihnen irgendwie helfen könnten, die Zimmersituation zu lösen, also könnten sie wohl nur weiter ausschweifen, oder ihr Schicksal akzeptieren, sofern Andrew nicht doch noch irgendwo eine Matratze herzaubern würde.
    • Andrew

      "Hm…" Andrew schmunzelte. "Wenn ich so an mein Leben zurückdenke… hab ich keine Ahnung wie ich hier gelandet bin"
      Was war es? Wo war er falsch abgebogen? Oder hatte er schon immer diese Persönlichkeitsschwäche gehabt, alles selbst in die Hand nehmen zu wollen? Vielleicht sollte er anfangen, das Ganze nicht als eine falsche Abzweigung zu betrachten… vielleicht war er wirklich dabei, die Welt zu retten. Ein bisschen Größenwahnsinn machte wohl den Unterschied.
      "Mann, bin ich froh, dass wir uns als Kinder nicht kannten. Du hättest mir sowas von das Essensgeld geklaut", sagte Andrew gespielt ernst. Aber da war vermutlich was Wahres dran, auch wenn er zwei Jahre älter als der Blonde war. Trotzdem tat er ihm leid. Was war denn das für eine Kindheit? Er hatte wirklich nie etwas anderes gekannt, als Kriminalität. Seinen Eltern würde Andrew gerne mal eine Lektion erteilen. Man konnte seinen Kindern doch nicht ungestraft das Leben auf so eine ekelhafte Art zerstören. Auch wenn Ezra sich für diese Ausgangssituation gut gehalten hatte… abgesehen von den Einbrüchen. Aber er hatte Empathie, war kein Psychopath und konnte gut mit Kindern. Es war irgendwie bewundernswert. Naja, Andrew war zwar kein Psychologe, aber er konnte sich vorstellen, dass bei Ezra unter der Oberfläche trotzdem nicht alles ganz glatt lief. Vielleicht sollte er mit ihm beizeiten mal ein Puzzle machen oder ein Malbuch ausmalen, um sein inneres Kind zu heilen oder sowas. Dass er sich so um den Blonden sorgte, wurde langsam problematisch auffällig.

      "Also… Brainstorming wäre der erste Schritt", kündigte Andrew an und versuchte sein Helden-Hirn wieder zum arbeiten zu bringen. Eigentlich konnte das ja alles kaum anders als sein lebenslanger Job sein. "Ich gehe davon aus, dass wir nicht verfolgt werden. Sonst hätten wir ein ganz anderes Problem. Aber jedenfalls sollten wir Kenneth Brown finden und beschatten… glaube ich? Laut Thomas hat er keine bekannten Vorstrafen, nichts Auffälliges in der Akte, aber man weiß ja nie. Ich würde ihn ja gerne nochmal anrufen und nachfragen, aber ich muss mir erst… ein neues Handy besorgen" Es wäre nicht vorteilhaft, wenn das Gespräch mitgehört werden würde und ihnen dann sowohl das Innenministerium als auch irgendwelche Psychopathen auf den Fersen waren.
      "Es wäre alles so viel leichter, wenn wir einen Hacker auf unserer Seite hätten" Andrew seufzte. Zumindest den Standort des Mannes ausmachen zu können wäre schon etwas. Aber sie hatten… nur eine Adresse, sonst nichts. "Im besten Fall ist er nicht zuhause und du knackst das Schloss. Im anderen Fall… sollten wir uns sowas wie eine Tarnung überlegen. Eh… kennst du dich mit der Bibel aus?"
      Leider war seine erste Idee einen auf Zeugen Jehovas zu machen und Kenneth mit Bibelversen zuzutexten, während einer von ihnen versuchte den Stein in der Wohnung oder… irgendetwas anderes hilfreiches zu finden. Auf die eine oder andere Art mussten sie jedenfalls in seine Wohnung kommen… Und beten, dass der Stein dort war, oder zumindest irgendein Hinweis, wo sie ihn finden konnten. Ungut wäre, wenn der Typ den Stein dann erstmal gegen sie verwendete, wenn er merkte, dass etwas nicht stimmte. Es gab so viele unsichere Variablen in diesem Plan, dass es ein Wunder wäre, wenn sie irgendetwas damit erreichen würden. Andrew wäre ja schon zufrieden, wenn sie zumindest überlebten.
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    • Ezra

      "Ich bin auf jeden Fall nicht bibelfest genug, um einen überzeugenden Christen, Mormonen, oder sonst was abzugeben, falls es das ist, worauf du hinaus willst." Ezra musste bei dem Gedanken fast lachen. Religion war noch nie was für ihn gewesen - er selbst war nie religiös erzogen worden und das bisschen, was er durch Adeline mitbekommen hatte, hatte nicht sonderlich gut geklungen. Ihr Leben hatte es zumindest gründlich ruiniert. Aber offenbar war das nicht das einzige, wofür sie seine beste Freundin nutzen könnten.
      "Ada ist extrem begabt, wenn es um technisches Zeug geht. Ich bin mir zu 99% sicher, dass sie mich tracked, seit ich 15 bin. Ich würde sie nur gerne so weit aus alledem raushalten, wie es geht. Außerdem weiß ich nicht, wie lange sie braucht, um seine Telefonnummer herauszufinden, immerhin wissen wir nicht, ob er unter seinem richtigen Namen gemeldet ist." Generell wussten sie viel zu wenig. "Aber falls du keine Alternative hast, kann ich sie fragen." Er hatte zumindest nach der ersten Drohnachricht direkt seine Sim-Karte gewechselt. Es war sowieso an der Zeit dafür gewesen. Vielleicht war das einer der Vorteile am Dasein als Dieb - man war jederzeit darauf vorbereitet, sich eine komplett neue Identität zusammen zu basteln.
      "Sonst wäre ich auch für das Beschatten. Es wäre generell ganz gut sich erst mal ein Bild davon zu machen, wie die Gegend aussieht, wo er wohnt, nur für den Fall, dass wir einen schnellen Abgang hinlegen müssen." Wenigstens könnten sie sich so schonmal einen Fluchtweg absichern, oder zumindest abschätzen, wie viele Nachbarn sie in Mitleidenschaft ziehen würden, falls Brown den Stein nutzen würde. Bild an die Sache heran zu gehen war mit Abstand das dämlichste, was sie tun konnten, vor allem in einem Land, in dem sie nicht mal die Sprache verstanden. Sie hatten ja im Hotel gesehen, wie wundervoll chaotisch es laufen konnte und Ezra wollte es nicht drauf ankommen lassen, im Notfall auf einen von Browns Nachbarn angewiesen zu sein, der kein englisch sprach.
      "Warte. Vergiss das mit Ada. Ich hab gerade realisiert, dass du dir hier ein Handy und eine Sim-Karte besorgen müsstest. Auf polnisch. Das klingt zu gut, um den leichten Weg zu nehmen." Ezra grinste Andrew amüsiert entgegen. "Bitte hab jemanden im Dezernat, der aushelfen könnte. Wenn du es irgendwie schaffst, statt dem Handy versehentlich ein zweites Doppelbett zu bekommen, lass ich mich freiwillig von dir festnehmen und einbuchten, sobald wir wieder in London sind."
    • Andrew

      Andrew wollte ebenso ungern eine junge Mutter mit Kind in seine kriminellen Angelegenheiten reinziehen also schüttelte er sofort den Kopf. "Nein. Ich rufe Thomas von deinem Handy an" Der hatte zumindest kein Kind, das er traumatisierten konnte, wenn es ihn am Wochenende im Knast besuchen kam. Zu sehr mochte er sich allerdings auch nicht auf den Jungen verlassen, also würde er ihn nur überreden, Kenneths Standort für sie zu tracken, bis er irgendwann nicht in seiner Wohnung war. Dann mussten sie bloß noch hoffen, dass auch sonst niemanden drin war und sie konnten bequem einbrechen.
      Bei Ezras nächsten Kommentar seufzte Andrew tief und seine Motivation verließ kurz seinen Körper. "Ha. Ha. Ha. Gib mir dein Handy", sagte er und streckte die Hand aus. Er würde den Anruf sofort erledigen, wenn sie gezahlt hatten, bevor Ezra ihn wirklich zwang sich ein Handy auf Polnisch zu kaufen, denn dafür hatte er heute keine Nerven. "Wenn du mir das antust, schläfst du am Boden", drohte er ihm, wenn er das Handy nicht gleich rausrückte.

      Nach dem Essen rief Andrew seinen ehemaligen Kollegen an, sobald sie aus der Tür waren. In der Zwischenzeit machten sie sich zufuß auf den Weg zu ihrer Zieladresse. Nachdem er etwa zehn Mal angerufen hatte, hob Thomas sogar ab und sie spielten ihr übliches Spielchen. Nein, ich kann nicht, doch, du kannst, nein, ich will nicht, bitte, tu's für mich…
      Am Ende bekam er die Info, dass Kenneth Brown eine englische Telefonnummer besaß, keine Polnische. Außerdem arbeitete er derzeit in einem Café etwa 15 Minuten mit dem Auto entfernt und er hatte zwar keine Vorstrafen, aber seine Privatversicherung hatte vor etlichen Jahren einen Haufen Therapiekosten übernommen. Verrückt, was so ein braver Angestellter alles herausfinden konnte, wenn er andere Motivationen hatte.
      Am Ende musste Thomas schwören, eher zu sterben als jemandem von dieser Sache zu erzählen und damit war der Job für Andrew erledigt. "Also, es ist 16 Uhr. Kenneth kommt unter der Woche in der Regel um 18 Uhr nachhause, wenn er arbeitet und… er ist gerade in der Arbeit. Wir haben theoretisch 2 Stunden, aber keine Ahnung, ob jemand in der Wohnung ist. Er ist alleine gemeldet, aber er hat schließlich eine Tochter… Am besten wir sehen uns das Haus mal an und… ich würde ja vorschlagen, mit den Nachbarn zu reden aber ich hab kein Vertrauen mehr in meine Polnisch Kenntnisse", erklärte er Ezra.
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    • Ezra

      Ezra lauschte dem Gespräch zwischen Andrew und seinem Kollegen, während er versuchte, die Informationen irgendwie zu speichern und in eine logische Verbindung zu bringen. Die Adresse führte sie in eine eher mittelständische Nachbarschaft mit kleinen, dicht aneinander stehenden Reihenhäusern. Es fuhren ein paar Autos an ihnen vorbei - Ezra würde sich nie daran gewöhnen, dass sie auf der falschen Straßenseite fuhren - sonst war alles still. “Mhm, okay”, summte Ezra, als Andrew den Rest seines Plans erläuterte.
      “Kleiner Crash-Kurs zum Thema Einbruch: Der Fluchtweg kommt immer zuerst.” Er deutete kurz auf die Straßen um sie herum. Wenigstens befand er sich jetzt wieder in seinem Element. “Es hilft, sich Einbahnstraßen zu merken, oder Wege, die zu eng werden, wenn in der Zwischenzeit ein Auto ungünstig parkt.” Er machte eine kurze Geste in Richtung der Einbahnstraße links von ihnen, während er sprach. Er war sich nicht sicher, wie offensichtlich das alles für Andrew war, immerhin gab es einen Unterschied zwischen laufen und folgen. “Ein Stück weiter hinten rechts scheint es zur Hauptstraße zurück zu gehen, da kann man sich ein wenig unter den Menschenmengen verlieren. Falls es wirklich dazu kommen sollte, dass wir einbrechen, würde ich vorschlagen dass wir erst mal schauen, ob das Haus irgendeine unauffälligere Schwachstelle hat, als die Eingangstüre, direkt an der Straße, am hellichten Tag.” Er fühlte sich fast ein wenig an die Dame erinnert, die die Hausnummern des Sherlock Holmes Museums stehlen wollte. Die hatte wenigstens eine nette Ausrede.
      “Darf ich nebenbei mal eine ganz andere Frage in den Raum stellen? Kommt dir das Ganze nicht auch furchtbar seltsam vor? In London bricht man in eine gut bewachte Bank ein, um einen Stein zu stehlen und hier haben wir jemanden, den man offensichtlich relativ leicht ausfindig machen kann und…nichts?” Eigentlich wäre Brown als Ziel für jeden Dieb ein absoluter Traum. Man wusste, dass man große Beute machen konnte und musste dafür nur eine einzige Person und seine Tochter überwältigen. Wieso also hatte es noch niemand getan? War der Stein so verammt mächtig, dass sich niemand traute? Oder gab es einfach niemanden, der einen Einbruch überlebt hatte und davon erzählen konnte? Ob Brown den Stein immer mit sich trug? Oder hatte er ihn irgendwo versteckt, wo nur er Zugriff drauf hatte? Vielleicht war das alles hier nur eine verdammt gute Falle und sie liefen rein, ohne drüber nachzudenken.
      “Hast du eigentlich den Stein bei, den Henry dir gegeben hat? Nur für den Fall…”
    • Andrew

      Andrew hörte Ezra genau zu. Er musste konstant daran denken, wie er früher unter diesen kleinen Tricks gelitten hatte und nun war er dabei, sie sich selbst zu Nutzen zu machen. Es war ein äußerst seltsames Gefühl. Dennoch war er froh, einen Mann des Handwerks bei sich zu haben. Er selbst hätte ja sofort den Zeugen Jehovas Plan durchgezogen, weil ihm nichts anderes einfiel.
      Über die Tatsache, wie trügerisch leicht dieser Einbruch wohl war, hatte Andrew kaum nachgedacht, er hatte sich eher gefreut und rechnete ohnehin konstant damit, das alles schief lief. Das war nunmal auch sein Job gewesen. Man bekam nie das, was man will. Man musste eben schlau genug sein, sich mitten im Geschehen spontan anzupassen.
      "Vielleicht… weiß einfach keiner von dem Stein. Er kommt nicht aus London, wurde dort demnach auch nur das eine Mal dokumentiert, als er in der Schule damals gefunden wurde. Außerdem hab ich mich bereits gefragt, wie Brown damals mit dem Ding im Gepäck die Grenzen überschritten hat aber… vielleicht… kann der Stein ja irgendetwas, das für ein Ablenkungsmanöver sorgt. Vielleicht macht er unsichtbar oder so?" Andrew zuckte mit den Schultern. Nicht zu wissen, welche Fähigkeiten dieser Stein hatte war eigentlich problematischer als alles, das sie über den Gesuchten nicht wussten. Kenneth war ohne magische Steine auch nur ein Mensch, den man irgendwie überrumpeln konnte. Aber er besaß eine Waffe, deren Ausmaß sie nicht kannten…
      "Ich hoffe, dass es das ist. Ich will nicht in einem Fegefeuer draufgehen oder… Polen in einem Tornado untergehen sehen", murmelte er. Es gab zwar keinen Stein zwei Mal, der exakt dieselben Fähigkeiten hatte – höchstens ähnliche – aber nur weil sie dann vielleicht verschont waren, zu Tode elektrisiert zu werden wie die Leute in der Kirche, hieß da nicht, dass sie nicht ein schlimmeres Schicksal erwartete.
      "Also dann…", sagte er, als er bei einem der Nachbarn in dem Wohnhaus klingelte. Von seinem Handy laß er schlichtweg den Satz vor, den sein Übersetzer ausgespuckt hatte und hoffte auf das Beste.
      "Zapomniałem klucza do mieszkania. Mógłbyś otworzyć drzwi?"
      Das bedeutete ungefähr, dass er seinen Schlüssel in der Wohnung vergessen hatte. Er konnte nur auf ein wenig Anstand der polnischen Bürger hoffen. Glücklicherweise ertönte sofort ein Summen und die Tür ging auf, ohne dass ein Wort aus der Gegensprechanlage zurück kam. Er zog die Augenbrauen hoch und warf Ezra dann einen triumphierenden Blick zu. "Hey… so schlecht ist meine Aussprache wohl doch nicht" Außerdem hatten sie so schonmal vermieden, am helllichten Tag ein Wohnhausschloss vor allen Passanten knacken zu müssen. Nur ein guter Samariter auf der Straße und sie hätten den restlichen Tag auf irgendeinem Revier verbringen können.
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    • Ezra

      Es war vielleicht tatsächlich ein kleines bisschen beeindruckend, dass Andrew es tatsächlich schaffte, sie ins Haus zu bekommen. Ezra konnte seine Aussprache schwer beurteilen - für ihn hörte sich hier eh alles einfach gleich an. Aber Andrew schien überzeugend genug zu sein. Oder der Anwohner hatte einfach Mitleid gehabt. Ezra warf nochmal einen Blick auf das Klingelschild, bevor er Andrew hinein folgte. "Scheint so, als müssten wir in den zweiten Stock", murmelte er, während er das Treppenhaus betrachtete. Es war...irritierend normal. Vielleicht übertrieb er es doch mit seiner Neurose und es war tatsächlich nur ein dämlicher Zufall, dass sonst noch niemand hinter dem Stein her war. Oder der Stein versetzte Brown in die Lage, jemanden mit einem einzigen Blick zu töten - zählte das als psychische Fähigkeit? Vielleicht hatte Henry sich ja auch geirrt und der Stein ließ einen zu Staub zerfallen, oder so. Sie würden es ja gleich vielleicht herausfinden.
      Ezra ging die Treppen nach oben. Es schien zwei Wohnungen pro Stockwerk zu geben, beide Haustüren immer gegenüber einander. Neben der linken im zweiten Stock hing ein kleines Schild, auf dem der Name "Wiśniewski", also blieb ihnen nur die rechte Tür übrig, neben der kein Name zu finden war. Außer, Brown hätte seinen Namen geändert, aber nachdem alles andere so irritierend einfach gewesen war, zweifelte Ezra daran, dass dies der Fall sein könnte. Wahrscheinlich fühlte er sich mit seinem Stein einfach viel zu sicher, ähnlich wie Henry und andere Sammler, die dermaßen viele Waffen zur Verfügung hatten, dass man sich den Einbruch zwei mal überlegte.
      Die Tür war aus einfachem, dunklen Holz, die goldene Klinke abgegriffen. Sie wackelte leicht, als Ezra versuchsweise daran zog. Er seufzte leise. Das war wirklich zu einfach. Die Tür war nur zugezogen, nicht mal richtig abgeschlossen. Ezra zückte sein Portmonee und zog eine Karte heraus, die mittlerweile so abgegriffen war, dass man nicht mal mehr erkennen konnte, wofür sie eigentlich gewesen war. Irgendeine der tausenden Mitgliedskarten, die man überall in die Hand gedrückt bekommen hatte, bevor alle auf Apps umgestiegen sind. Er drückte die Tür leicht nach hinten, bevor er die Karte in den kleinen Spalt zwischen Tür und Rahmen drückte. Die Tür sprang auf. Rekordzeit.
      "Das ist der Grund, wieso man die Tür beim Gehen immer nochmal zusätzlich abschließen sollte", kommentierte er flach, während er seine Karte zurück ins Portmonee schob und in die Richtung der Wohnung nickte. "Bitte. Nach dir."
    • Andrew

      Andrew sah Ezra interessiert über die Schulter. Er hatte noch nie jemanden im echten Leben ein Schloss knacken sehen, aber er hatte es sich spektakulärer vorgestellt. Mit Haarpins oder richtigem Werkzeug, aber die Mitgliedschaftskarte macht es fast ein wenig langweilig. Gerade wollte er an dem Blonden vorbei spazieren, da ging hinter ihnen die Tür der Nachbarn auf. Andrew verfiel eine Sekunde in Schockstarre, dann drehte er sich um. Nur gut, dass er im ersten Stock geklingelt hatte und der alte Kerl, der da gerade in weißem Shirt und Pyjama Hose im Türrahmen stand, keine Ahnung hatte, wer sie waren.
      "Ehhh", entwich es Andrew, der versuchte auch nur ein einziges hilfreiches polnisches Wort aus seinem Gehirn zu graben. Aber nichts viel ihm ein. "Guten Tag!", sagte er also und grinste sein Gegenüber an. "Eh… wir besuchen unseren Onkel Brown, sehen Sie… es sollte eine Überraschung werden", erklärte er.
      Der Mann starrte ihn an. "Wenn ich Neffen hätte, wüsste ich es", kam es in perfekter Aussprache zurück. Scheiße. Falsche Wohnung? Andrew riss die Augen leicht auf, aber nun hatte er tatsächlich keine Ideen mehr. Was jetzt, Angriff? Sein fight-or-flight Instinkt war geradezu überwältigend. Doch es passierte eine Art Wunder.
      Der Mann räusperte sich, dann sagte er: "Hören Sie, ich bin zu alt für diesen Schwachsinn. Nehmen Sie mich fest, oder was auch immer. Ich will den verdammten Stein seit Jahren loswerden", raunte er und hielt seine Hände gleich vorgestreckt, als würde er Handschellen erwarten. Andrew brauchte einen Moment, um sich in seine Rolle zurückzudenken. "A-ach… ehrlich gesagt wollen wir bloß den Stein. Der Diebstahl fand schließlich nicht in London statt, da müssen sie sich mit einem anderen… Geheimdienst herumschlagen. Wir sollen den Stein nur sicher verwahren, nach dem Anschlag auf die Kirche gestern, wissen Sie? Also, wenn sie ihn uns einfach übergeben, werden wir Sie gleich wieder in Ruhe lassen" Gut. Das war… wirklich gut. Geheimdienst. So viel dazu, dass nie etwas kam, wie man es sich dachte.
      Irgendetwas erhellte sich im Gesicht des grimmigen Mannes. Er kam ihnen entgegen und trat in die andere Wohnung ein. In einem etwas weicheren Stimmton sagte er über die Schulter: "Ich hab mein Handy gestern auf der Arbeit vergessen, ich nehme an, darum wollten sie hier einbrechen", meinte er und schmunzelte in sich hinein. Hah… Schlaues Kerlchen. "Kommen Sie rein. Der Stein ist in meiner Sockenlade" Wo auch sonst?
      Sie gingen hinter Brown her und Andrew ließ sich den gigantischen Waffenstein in die Hand drücken, als hätte Kenneth ihn bloß am Straßenrand gefunden. Innerlich starb gerade etwas in dem Ex-Helden. Er fühlte sich, als hielt er eine Stange Dynamit in den Händen und es schwer, nicht aus der Rolle zu fallen. "V-vielen Dank", murmelte er und drehte sich um, um Ezra den Stein entgegen zu drücken, als wollte er eine heiße Kartoffel loswerden. Dann wandte er sich wieder zu Brown, doch bevor er etwas sagen konnte, verdüsterte sich der Blick des Alten.
      "Der Stein war im Besitz meiner Tochter, bevor sie vor zwanzig Jahren selbst an seinen Kräften starb. Ich will dieses satanische Ding nicht länger in meiner Wohnung haben. Aber… sowas kann man schlecht am Sperrmüll entsorgen, hab ich recht?"
      Andrew wusste nicht recht, ob er den Alten umarmen oder über seinen Witz lachen sollte. "Ja…", murmelte er bloß. "Aber jetzt müssen sie sich keine Gedanken mehr darum machen" Für diese Antwort kippte Andrew zurück in seinen eigenen Charakter. Es war schrecklich, der Mann hatte sein Kind wegen dieses Steins verloren und musste ihn all die Jahre aufbewahren. Hätte er ihn zur polnischen Polizei gebracht, wäre er vermutlich nie wieder aus dem Gefängnis rausgekommen. So etwas in privatem Besitz… das verstieß gegen einige Regeln, die mit der Existenz der Steine einhergingen.
      "Ach, ich bin froh, dass er weg ist. Passen Sie auf, das Ding wirkt vielleicht nicht gefährlich, aber wer es benutzt, der trägt die Schäden davon", meinte Brown noch, bevor Ezra und Andrew wieder verschwanden. Andrew wollte ihn unbedingt fragen, was die Fähigkeit des Steins war, doch er konnte nicht. Der Geheimdienst sollte so etwas wohl selbst wissen.
      "Schönen Abend", wünschte Andrew ihm also noch, bevor er stumm mit Ezra das Gebäude verließ. Irgendwie wusste er nicht so recht, was er zu diesem Erlebnis noch sagen sollte.
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    • Ezra

      Das alles ging entschieden zu schnell.
      Ezra wusste nicht, was er zuerst machen sollte. Gerade noch war er darauf vorbereitet, sich mit allem was er hatte zu verteidigen, da drückte Andrew ihm plötzlich den Stein in die Hand - ganz ohne Konflikt, dafür begleitet von einer traurigen Geschichte, die Ezra vielleicht ein wenig zu nahe ging. Es war schwer, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ezra konnte sich nicht vorstellen, wie furchtbar es gewesen sein musste, seine Tochter an einen Stein zu verlieren, den man selbst gestohlen hatte. Andrew schien es nicht anders zu gehen, zumindest fiel seine Antwort überraschend milde aus. Zum Glück. Er hätte es nicht über sich bringen können, den Mann an irgendeine Behörde auszuliefern.
      Alles geschah so schnell, dass Ezra sich automatisch wieder auf das konzentrierte, was er am besten konnte. Er sah kurz von dem Stein in seiner Hand zu der Tür, die er soeben aufgebrochen hatte und öffnete leicht den Mund, bevor er ihn entschieden wieder schloss. Vielleicht war gerade nicht der richtige Zeitpunkt um vorzuschlagen, sich die andere Wohnung doch noch anzusehen. Jetzt, wo sie eh schon offen war. Vielleicht gab es hier auch unglaublich hässliche Kerzenständer.
      Der Dieb warf einen letzten, beinahe schon etwas sehnsüchtigen, Blick zurück auf die Wohnung, bevor er sich von Andrew mitziehen ließ, wieder hinaus auf die Straße. Um einen Stein reicher. Ein Stein, den er auf seiner Handfläche balancierte, als würde er in die Luft gehen, sobald er sich zu schnell bewegte, während alles in ihm rief, den Stein einfach so oft auf den Boden zu werfen, bis er kaputt wäre. Er drückte den Stein ein bisschen enger an sich, bevor er ihn am Ende doch noch einfach durch das nächste offene Fenster werfen würde, um ihn los zu werden.
      "Okay.", sagte er, während er sich mit seiner freien Hand durch die Haare fuhr. Er konnte immer noch das Adrenalin in seinen Adern spüren. "Das war... Damit hab ich nicht gerechnet." Er tippte mit einem Finger unruhig auf den Stein, nur um sicher zu gehen, dass er sich die letzten Minuten nicht eingebildet hatte. "Wow. Okay." Er atmete tief durch. "Was machen wir jetzt mit dem Ding? Irgendeinem Geheimdienst übergeben? Wir wissen nicht mal, was der Stein kann!" Er bemühte sich, seine Stimme möglichst ruhig zu halten, während das Tippen auf den Stein immer schneller wurde. "Warum hab ich ihn überhaupt? Du solltest ihn nehmen! Du bist her Held hier!" Er hielt Andrew den Stein entgegen, als hätte selbiger ihn soeben gebissen. Er wollte das Ding nicht. Jede Sekunde, die er den Stein festhalten musste, war eine Sekunde zu viel.
    • Andrew

      Andrew war ebenso durch den Wind wie sein Kollege. Durch seinen Kopf flogen einerseits tausend Gedanken, auf der anderen Seite konnte er keinen einzigen davon fassen und sein Blick war bloß leer auf den Stein in Ezras Hand gerichtet, als sie vor der Haustür standen.
      "Ich… äh…" Nope, da kam kein zusammenhängender Satz heraus. Jede Energie, wie ein normaler Mensch zur wirken, war für heute aufgebraucht. Neben einem Stein zu stehen, der ebenso ein Todesengel sein konnte, half ihm auch nicht unbedingt seine Gedanken zu ordnen.
      "Wir sollten einfach… erstmal zurück ins Hotel", murmelte er abwesend.
      Im Gegensatz zu Ezra, der aussah, als könnte er mit diesem Adrenalinschub gleich einen Triathlon absolvieren, wollte Andrew sich am liebsten schnell hinsetzen, bevor seine Knie ihn dazu ohnehin zwangen, bevor eine Sitzgelegenheit in der Nähe war. Doch dann hielt er den Stein plötzlich selbst wieder in der Hand, nachdem er automatisch danach griff, bevor er Ezra aus der Hand fiel. Zurück war das Gefühl, das jeder Atemzug sein letzter sein konnte.
      "Wow. Okay. Ab jetzt kein unangekündigtes Tauschen mehr, sonst fällt das Ding noch runter!", rief er aus und musste kurz seinen hyperventilierenden Atem wieder unter Kontrolle bringen. Gehen. Gehen lenkte ihn ab. Er nahm Ezra am Ärmel und zog ihn mit sich.
      "Wir gehen zurück ins Hotel und überlegen uns was, ohne, dass einer von uns den Stein halten muss. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich mir dauernd vorstellen muss, wie das Teil vor einem von das Gesicht wegsprengt"

      Als sie wieder im Hotel waren ging es Andrew jedenfalls auch nicht besser. Er hatte den Stein mittig auf dem klapprigen Holzsessel platziert und diesen ans andere Ende des Raums geschoben, während er selbst auf der hintersten Ecke des Bettes saß, um so viel Entfernung wie möglich zwischen ihn und die Waffe zu bringen. "Mann, ich wünschte, wir wüssten endlich, was der Stein kann", murmelte er irgendwann. Ausprobieren war ja eher keine Option. Brown hatte zwar gesagt, dass er letztendlich nur dem Anwender schaden konnte, aber was wusste der Typ schon?! Hatte er Steine studiert?! Nein! Kein Vertrauen für Zivilisten. Vor allem wenn ihre Leben davon abhingen.
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    • Ezra

      Es gab ganze Passagen ihres Rückwegs zum Hotel, an die Ezra sich nicht mehr erinnern konnte. Er wusste, dass sie bei Brown losgegangen waren und dass Andrew ihn am Ärmel mitgezogen hatte und offensichtlich waren sie am Hotel angekommen, aber alles dazwischen fühlte sich an, wie das rauschende Standbild eines alten Röhrenfernsehers. Er war sich fast sicher, dass sie zwischendurch über mindestes eine rote Ampel gegangen waren, ohne es zu bemerken. Seine Gedanken kreisten nur noch um den Stein, was er konnte, wie sie ihn loswerden würden. Als wäre es nicht schon schlimm genug, sich das Bett teilen zu müssen - jetzt musste er auch noch in einem Zimmer mit einer potentiellen Waffe schlafen?
      Ezra hielt den Blick stur auf die Häkelnadel in seiner Hand gerichtet, die er gezückt hatte, sobald sie wieder im Zimmer waren. Er wusste selbst nicht so richtig, was genau er da gerade häkelte - er hatte nicht den Kopf dafür, die Maschen und Reihen zu zählen - aber darum ging es hier auch nicht. Er brauchte nur etwas zu tun. Etwas, was ihn effektiv von dem Stein ablenken würde. Erst bei Andrews Kommentar schnellte sein Blick nach oben. "Vielleicht ist es besser, wenn wir es nie erfahren. Das Ding hat ein Kind auf dem Gewissen, vielleicht sollten wir es einfach in den nächsten See werfen und nie wieder darüber reden." Wäre nicht das erste mal für ihn. Aber langfristig wahrscheinlich auch keine Lösung.
      Ezra lehnte sich auf dem Stuhl zurück, auf den er sich fallen gelassen hatte, sobald sie den Stein positioniert hatten. Langsam merkte er, wie er durch das Sitzen Rückenschmerzen bekam. Vielleicht sollte er sich doch mal Gedanken ums Altern machen. Aber das war nebensächlich. Sie brauchten einen Plan. Sie konnten den Stein nicht einfach so überall hin mitnehmen, aber es wäre auch vollkommen unmöglich, ihn einfach so hier liegen zu lassen. Was, wenn ein unschuldiges Hausmädchen darüber stolperte? Langsam bereute Ezra es, dass sie sich nicht einfach eine Ferienwohnung geholt hatten. Mit zwei Zimmern, vorzugsweise. Dann könnte sich Ezra jetzt auch vollkommen ungehemmt in eine Krise stürzen.
      "Was habt ihr sonst immer mit beschlagnahmten Steinen gemacht? Es muss doch irgendeine Art Protokoll für sowas geben." Ezra sah von Andrew zu dem Stein, als würde die Waffe jede Sekunde einfach von selbst losgehen.
    • Andrew

      „Naja… so groß sind die Steine in der Regel nicht. Es gibt da gesicherte Einrichtungen, um verlorene und gestohlene Steine zu verwahren. Ich hab keine Ahnung, wie das in Polen gehandhabt wird, aber eins ist klar: Wir können mit dem Ding nicht zur Polizei, sonst war‘s das mit unserer Heimreise“, erklärte Andrew während er den Blick nicht vom Stein abwandte, als wäre besessen davon. Noch nicht einmal Ezras Häkeln lenkte ihn gerade davon ab und das sagte etwas aus.
      „Wir können damit aber auch unmöglich wieder zum Flughafen“
      Es war genau der Fall eingetreten, vor dem Andrew sich Sorgen gemacht hatte. Nun hatten sie den Stein, aber was damit tun? Gerade schien die Option ihn in einen See zu werden gar nicht so schlecht.
      „Moment“, murmelte er plötzlich. Andrew kam eine Idee. Es war ein Wunder, aber sein Gehirn brachte heute doch noch etwas zustande. „Ich hab‘s!“ Er setzte sich ein wenig auf und sah tatsächlich mal Ezra an. „Wir melden uns beim Innenministerium von England. Die waren doch so versessen darauf, das alles geheim zu halten. Demnach können sie uns nicht verhaften oder vor Gericht ziehen oder sonst was. Wir haben schließlich Informationen, die wir an die Presse geben könnten und das wollen die bestimmt nicht“ Ein kleines zuversichtliches Grinsen legte sich auf seine Lippen. „Und falls sie uns doch damit drohen, können sie uns nichts anhaben, solange wir uns hier unter falschem Namen aufhalten. Wir brauchen… ein Wegwerfhandy und eine gute Verhandlungsstrategie. Wenn diese Steine als politische Waffen aufbewahrt werden, wird die englische Regierung drauf fliegen, dass wir einen zweiten davon haben. Ich hab außerdem Fotos von den Akten, in denen er dokumentiert wurde“
      Zum ersten Mal diese Woche schien Andrew mal einen Durchblick zu haben. Die Aktion war nicht ganz ungefährlich, denn sie wussten schließlich nicht, was Menschen alles opfern würden um an diesen Stein zu kommen, aber es war besser, als sich selbst darum kümmern zu müssen. Er hatte zumindest nicht vor, ab jetzt einen Stein als Baby zu haben, den er überall hin mitnehmen und verteidigen musste.
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    • Ezra

      Gut, nicht zurück zum Flughafen zu können war für Ezra jetzt nicht unbedingt das größte Problem. Es gab durchaus auch andere Mittel und Wege, um wieder zurück nach London zu kommen, die nicht darauf hinausliefen, dass sie wieder in ein Flugzeug steigen mussten. Sie konnten Bahn fahren, oder zwischendurch die Fähre nehmen. Alles war besser, als wieder zu fliegen. Dafür wäre er dem Stein fast schon dankbar. Leider schien Andrew bereits einen anderen Plan zu haben, der Fliegen nicht mehr ausschließen würde.
      "Okay. Das klingt zumindest nicht ganz so hoffnungslos." Es war zumindest ein Ansatz. Das Ministerium würde sie wahrscheinlich nicht mit einem Handkuss begrüßen, aber vielleicht konnte der Stein zumindest als Ersatz für den gestohlenen Stein dienen. Eine Art Verteidigung, um einen zweiten Anschlag zu verhindern. Oder er würde wieder in einem Safe landen, während alle Däumchen drehten. Aber das wäre dann nicht mehr ihr Problem. Sie hätten alles getan, was sie tun konnten und sie wären endlich den Stein los, der sie zu einer wandelnden Zielscheibe machte.
      "Hast du einen Kontakt im Ministerium? Irgendjemanden, dem du vertraust?", fragte Ezra, während er bereits sein Handy zückte, um nachzuschauen, wie die Einkaufsmeile um sie herum aussah. Immerhin wäre das weitaus effektiver, als in irgendeinem Sekretariat anzurufen und zu hoffen, dass man irgendwann nach fünf Weiterleitungen beim richtigen Gesprächspartner landen würde. Ganz davon abgesehen, dass Ezra darauf hoffte, dass die ganze Sache diskret über die Bühne gehen würde, ohne Presse und ohne am Ende im Knast zu landen.
      "Es scheint zumindest genug Elektronikmärkte im Umkreis zu geben. Wir können morgen mal schauen, ob wir irgendwo ein Handy finden. Sonst gibt es hier genug Leute in der Fußgängerzone, die ihre Handys ziemlich offen in ihren Hosentaschen mit sich tragen. Es wäre ein kleiner Diebstahl zum Wohle der Menschheit." Okay, vielleicht hatte Ezra auch einfach nur das Bedürfnis, wieder zurück zu seinem alten Leben zu kehren, bevor sie zusammengearbeitet hatten und er sich Sorgen um sein Leben machen musste. Obwohl er in den letzten Wochen so auch mehr über Andrew erfahren hatte, als in den letzten neun Jahren zusammen - was sowieso nur dafür gesorgt hatte, dass sein Kopf ihn auf die seltsamsten Abwege brachte.
    • Andrew

      "Morgen. Das ist das Stichwort", kündigte Andrew an. Heute wollte er wirklich keinen Gedanken mehr an diesen Stein verschwenden, sonst würde es ihn noch in den blanken Wahnsinn treiben. Abgesehen davon, dass es schwer genug sein würde, dem aus dem Weg zu gehen, wenn der Stein mit ihnen in diesem winzigen Zimmer war. Es war schon mit Ezra zu vollgestopft hier, aber langsam kam die Klaustrophobie ins Spiel. Andrew konnte nicht anders, er stand auf, hob den Stein sanft hoch und platzierte ihn in einer Schreibtischschublade, die er mit äußerster Vorsicht wieder schloss. "Aus den Augen aus dem Sinn", murmelte er. Jetzt mussten sie bloß noch hoffen, dass niemand sie am Rückweg ins Hotel mit dem Teil herumspazieren gesehen hatte und beschloss, sie im Schlaf zu erstechen. Es war gar nicht so schlau gewesen, den Stein nicht in eine Tasche oder so zu packen, aber so weit hatten sie in ihre Panik wohl nicht gedacht. Vielleicht… sollte ja einer von ihnen Wache halten.
      "Ich gehe duschen. Ich brauche… ne Auzeit… von dem hier", meinte Andrew und bewegte die Arme so, dass klar war, dass er damit das gesamte Zimmer, sowie den Stein in der Schreibtischlade meinte. Bevor er jedoch ins Badezimmer ging, schloss er die Tür ab und zog die Vorhänge vor das winzige Fenster. "Und äh… wir überlegen uns dann, wer von uns als erster wach bleibt. Ich will die Nacht nämlich überleben" Insgeheim hoffte er ja, dass Ezra sich opfern würde, denn Andrew hatte schon allein bei dem Gedanken Angst, auf dem Bett zu sitzen und nur drauf zu warten, dass jemand kam um sie umzubringen und den Stein mitzunehmen. Außerdem… würde er früher oder später definitiv einschlafen. Zwar waren sowohl Ezra und er dank ihrer Jobs auf lange Nächte vorbereitet, aber das inkludiert nicht die Stress-Response, die Andrew hier durchmachte. Irgendwann würde sein Gehirn einfach aufgeben und er würde schlafen wie ein Baby, wie eine Art Schutzmechanismus vor einer nahenden Panikattacke.

      Zumindest kam heißes Wasser aus der Leitung. Hin und wieder wurde es mal von einem kalten Strahl unterbrochen, aber Andrew hatte wirklich keine Ansprüche mehr. Zur Sicherheit beeilte er sich dennoch, denn die kalten Strahlen schienen sich zu häufen.
      Er schlüpfte in sein dunkelbraunes Seiden-Pyjama-Set, das er kaum trug, weil er zumeist in Unterwäsche oder Arbeitskleidung einschlief, wenn er zuhause war. Außerdem hatte er nicht durchdacht, dass Ezra ihn vielleicht für den Rest seines Lebens verarschen würde, aber jetzt konnte er kaum in Boxershorts aus dem Bad herausspazieren. Nachdem der "Rest seines Lebens" vermutlich garnicht so lang war, konnte es ihm aber auch schon egal sein.
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    • Ezra

      Das einer von ihnen Wache halten würde, war keine schlechte Idee - immerhin war der Stein verdammt begehrt und irgendwie konnte Ezra immer noch nicht glauben, dass sie ihn so leicht bekommen hatten - es überraschte ihn nur irgendwie, dass Andrew ihm dafür genug vertraute. Sicher, Steine zu vermeiden war irgendwie Ezras Erkennungsmerkmal, aber Andrew hatte trotzdem nichts mehr, als sein Wort, dass er den Stein nicht einfach heute Abend noch an den Höchstbietenden weiterverkaufen und mit dem Geld abhauen würde. Irgendwie war das seltsam...charmant. Auch, wenn Ezra sich natürlich absolut keine Gedanken in diese Richtung gemacht hatte. Eigentlich wollte er den Stein nie wieder anfassen. Er war sich nicht mal sicher, ob er den Stuhl, auf dem er saß, heute noch verlassen würde.

      Es stellte sich heraus, dass er durchaus noch in der Lage war, den Stuhl zu verlassen. Allerdings nur, weil ihm das Sitzen auf dem Stuhl zu unbequem wurde. Als Andrew wieder aus dem Bad raus kam, saß Ezra mit Schneidersitz auf seiner Seite des Bettes, mittlerweile schon mit Jogginghose und einem verwaschenen Band-Shirt bekleidet, und las ein Buch. Er sah nur kur zu Andrew auf, bevor sein Blick wieder auf das Buch fiel, er kurz blinzelte und er nochmal nach oben sah. Ezra konnte sich nicht erinnern, ob er sich je darüber Gedanken gemacht hatte, was Andrew zum schlafen trug, aber das war irgendwie so...Andrew halt.
      "Nett", kommentierte er amüsiert, während er sein Buch zuschlug - so durcheinander, wie er momentan war, hatte er sowieso nicht das Gefühl gehabt, sich auf die Wörter zu konzentrieren, die er las. Er hatte nicht mal richtig mitbekommen, ob die alleinstehende Lady ihrer Kammerzofe im letzten Kapitel ihre Liebe gestanden hatte, oder nicht. "Hast du eigentlich auch was in deinem Schrank, das nicht braun ist?", fragte er, während er das Buch auf seinen Nachttisch legte und aufstand, um selbst ins Bad zu gehen.
      "Von mir aus kannst du dich schonmal hinlegen, ich kann wahrscheinlich eh nicht schlafen. Stört es dich, wenn ich etwas Licht zum Lesen anlasse?" Vielleicht würden sie den Morgen nicht erleben, aber dann wollte Ezra wenigstens noch wissen, ob sein Buch ein Happy End hatte, oder nicht - egal, ob er nun jede Seite verinnerlichte, oder weiterhin ganze Textpassagen vergaß.
    • Andrew

      "Kein Wort", sagte Andrew, als er auf das Bett zukam, aber er hatte ja geahnt, dass Ezra einen Kommentar abgeben musste. Er setzte sich auf die andere Seite des Bettes. "Schwarz", war seine Antwort auf die Frage, ob er noch anderes als braune Kleidung besaß. Er konnte nicht sagen, wann, aber eines Tages hatte er einen Geistesblitz erlebt, der ihn dazu gebracht hatte, sich so altmodisch anzuziehen: Gut gekleidet bringt Privilegien. Man wurde respektiert, wirkte professionell auch wenn man kompletten Schwachsinn sagte und außerdem konnte er mit einem schicken Anzug gut seine Grenze zu Armut verbergen. Dieser Seidenanzug war vor Jahren allerdings eher… eine Art Belohnungskauf gewesen, um seine Stimmung zu heben. Andrew hatte nicht direkt damit gerechnet, ihn jemals zu tragen.
      Er legte sich hin und zog sich die Bettdecke zum Hals, bevor er sich mit dem Rücken zu Ezra drehte und ein kleines "Danke" herausrückte. In Gedanken versuchte er zu manifestieren, dass er heute Nacht wie ein Stein schlafen und sich aus dieser Position nicht mehr heraus bewegen würde. "Mhmh", machte er verneinend. "Weck mich bevor du einschläfst", sagte er noch und dann schloss er die Augen. Ezra musste nur ein paar Mal in rhythmischer Geschwindigkeit die Seiten seines Buches umschlagen und Andrew war weg im Traumland.

      Nadia

      An der Fassade des Hotels lehnend, kramte die Dunkelhaarige ihr Handy aus der Tasche und machte ein grinsendes Selfie mit der Hausnummer. "Hätte ich Facebook, würde ich das posten. Heute seh ich total süß aus. Was für eine Verschwendung", murmelte sie, scheinbar zu sich selbst, denn auf der Straße war keine Menschenseele. Zum Glück hatte sie wie immer ihren in-ear Hörer dabei und wusste, dass man sie am Ende der Leitung hörte. "Gib's zu, du würdest das Foto gern sehen", flüsterte sie noch, bevor sie sich grinsend umdrehte und die Türe öffnete.
      Ja, tatsächlich hatte sie nichts geringeres vor, als da reinzugehen, allen die Kehle aufzuschlitzen, die ihr in die Quere kamen und sich den Stein ohne Umwege zu holen. Es war keine Zeit für Spielchen. Keine Zeit für einen sauberen Plan. Dieser Kenneth Brown hatte Glück, dass sie nicht als erste bei ihm gelandet war. Dafür hatten ihr die beiden… lästigen Ameisen die Show gestohlen und natürlich etwas, auf das sie noch weitaus weniger verzichten konnte: Warschau's Superwaffe. Naja, gut, das Show Stehlen würde sie ihnen am Ende weniger verzeihen. Schließlich hatte sie sich schon ein Kleid gekauft, dass sie beim Überfall tragen wollte. Und jetzt… lag es ganz nutzlos in ihrem Koffer, weil sie es heute ungern mit Blut beflecken wollte.
      Sie zückte ihr Lieblingsmesser, das sie in ihrem Schuh versteckt hatte. Endlich… das hatte schon gedrückt. Eine Blase am Fuß war… nicht sehr sexy. Sie warf sich die Haare über die Schulter, stolzierte in Absätzen die sechs Stockwerke hinauf und verfluchte sofort diese Idioten, dass sie kein Hotel wählen konnten, das einen Aufzug besaß. "Diese… Arschlöcher…gah…", seufzte sie zwischen den Schritten. Sie war zwar fit, aber keiner lief freiwillig so viele Treppen in Highheels. "Sag mal… wussten wir nicht… von den Stockwerken?", raunte sie und adressierte die Person, die sich ihr angestrengtes Atmen anhören durfte.
      Naja, die alte Dame am Empfang hatte heute noch weniger Glück als Nadia. "Cześć! In welchem Zimmer haben denn die Kakerlaken eingecheckt? Wissen Sie nicht mehr? SZKODA", zischte sie und beugte sich über den hässlichen Tisch, um die verwirrte Frau am Kragen ihrer Bluse darüber zu ziehen und ihr das Messer seitlich in den Hals zu stechen. Das Blut sprudelte nur so vor sich hin, da bekam die Alte noch nicht einmal einen Hilfeschrei heraus. Stolz lächelnd wischte Nadia das Messer an dem Oberteil der Frau ab und behielt es in der Hand. Na dann, die nächsten.
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    • Ezra

      Die Antwort war...nicht wirklich überraschend. Andrew schien wirklich kein Auge für Farben zu haben. Gut, Ezra selbst wählte für seine Einbrüche ebenfalls schwarze Kleidung, um in der Dunkelheit nicht unnötig aufzufallen, aber ansonsten war sein Kleiderschrank recht breit aufgestellt. Dafür teilweise auch zusammengestohlen, aber darauf kam es hier nicht an.
      Ezra beeilte sich im Bad, bevor er wieder zurück ins Zimmer kam und wieder nach seinem Buch griff. Er las den nächsten Absatz, bevor er kurz innehielt und die letzten fünf Seiten zurückblätterte. Es brachte ja doch nichts. Obwohl das Buch auch nicht unbedingt eines der besten war. Die Story zog sich, die erhoffte Romantik fiel überraschen flach aus und die Logiklücken wurden langsam zu groß, um sie zu ignorieren. Wenigstens waren die Dialoge halbwegs unterhaltsam. Außerdem hatte Ezra kein anderes Buch mitgebracht, also musste er da jetzt wohl durch. Er blätterte von Seite zu Seite -gefühlt immer zwei vor und eine zurück, während er ab und an einen Blick auf die Uhr warf. Er wollte Andrew nicht zu früh wecken, aber er merkte, wie er selbst langsam doch müde wurde.
      Mit einem kleinen Seufzten rieb Ezra sich die Augen, während er das Buch zur Seite legte. Es half ihm sowieso nicht dabei, wach zu bleiben. Er würde einfach so versuchen müssen, wach zu bleiben. Wenigstens zwei Stunden noch, bevor es eine faire Aufteilung der Nachtwache wäre. Er rutschte ein wenig tiefer ins Bett, während er an die Decke starrte und Andrews gleichmäßigem Atem lauschte. Zwei Stunden würde er aushalten. Er schloss nur kurz die Augen. Würde schon alles- Er war eingeschlafen, bevor er den Gedanken zuende denken konnte.

      Jelena

      Jelena Soloyova hatte einen furchtbaren Abend.
      Der Kaviar schmeckte pappig und gleich zu Beginn der kleinen, überteuerten Feier, hatte einer der Kellner versehentlich Rotwein über ihre Lieblingsbluse geschüttet. Der Kellner war prompt entlassen worden, aber der Schaden war da und sie war gezwungen, ihr Jackett anzubehalten, um den Fleck zu kaschieren, obwohl es in dem Saal eh viel zu warm war. Zu allem Überfluss turnte ihre Freundin in einem anderen Land rum und würde heute Nacht wahrscheinlich nicht da sein, um ihren Beschwerden lauschen zu können. Der einzige Lichtblick für Jelena war, dass Nadias Stimme durch den kleinen In-Ear Kopfhörer genau so genervt klang, wie sie sich fühlte.
      Die Brünette lehnte sich leicht nach vorne und stützte ihren Kopf auf ihre Handfläche um zu kaschieren, dass sie redete. "Ich freu mich über jedes Foto von dir. Vor allem, wenn es einen Stein beinhaltet", antwortete sie. "Dafür kannst du dann die Kleidung weglassen." Klang das zu sehr nach einem Teenager? Ab und an fiel es Jelena immer noch schwer zu erraten, was Nadia von ihr hören wollte, um nicht das Interesse zu verlieren.
      "Entschuldigung, ist hier noch frei?"
      Jelena sah überrascht zu dem jungen Mann, der auf den eindeutig leeren Stuhl neben sie deutete. Die meisten Gäste waren bereits dazu über gegangen, den Platz zu verlassen und zu tanzen, während sie sich selbst dafür auf die Schulter klopften, was für tolle Politiker sie doch waren, um so einen High-class Benefiz-Ball zu veranstalten. Alles reine Show. Niemand hier interessierte sich wirklich für das vollkommen zufällig gewählte Sozialprojekt des Abends und niemand hier hatte annähernd so viel gespendet, wie er oder sie in der Lage gewesen wäre. Der junge Mann neben ihr war sicher keine Ausnahme. "Nein", antwortete Jelena knapp, während sie nach ihrem Sektglas griff. Der junge Mann blieb überrascht stehen und sah erneut auf den Stuhl, bevor er die Augenbrauen zusammenzog und verwirrt in der Menge der anderen Gäste verschwand.
      "Der Stein wird die Stufen schon wert sein", antwortete Jelena ihrer unsichtbaren Gesprächspartnerin. "Es sind nur Stufen. Ich bin jetzt schon zum dritten mal angesprochen worden. Du weißt gar nicht, was ich momentan durchmache." Sie trank den Rest des Sekts in einem Zug, bevor sie dem Kellner signalisierte, ihr Glas wieder aufzufüllen. "Gott, ich wünschte, ich hätte den anderen Stein mitgebracht, dann wäre die Party deutlich unterhaltsamer geworden", kommentierte sie weiter, während sie hören konnte, wie Nadia am anderen Ende der Leitung jemanden - die Empfangsdame? - bedrohte. Ein paar Wimpernschläge später folgte ein seltsam nasses Geräusch. Jelena schielte zu dem Rotweinfleck auf ihrem Ärmel. "Pass auf, dass du auf dem Weg zurück nicht auf dem Blut ausrutschst, Baby."
    • Nadia

      "Mhh… ich trage… ein pinkes Kostüm. Du weißt schon, das von der Gala im September", murmelte sie leise, während sie durch das Buch blätterte, das am Empfang lang. "Wäre das nicht charmant? Barbie im Blut ihrer Feinde" Sie kicherte vor sich hin. Dass Barbie keine Feinde hatte war ihr egal. Sie war für heute Nacht offiziell Barbie. Volltreffer, da waren sie. Zimmer drei. Sie klappte das Buch zu und spazierte zur Tür, schob eine Haarnadel in das Schloss von außen und die Türe ging nach etwa zwei Minuten mit einem leichten Quietschen auf. Dieses Haus… alt, hässlich und absolut keine Sicherheitsgewähr für die Gäste. Wie hatte diese Dame den Betrieb überhaupt am Leben gehalten?
      Nadia ging in das Zimmer, hatte sich bereits eine kleine Rede zurecht gelegt, um den Ausdruck auf den Gesichtern der beiden Störenfriede etwas länger genießen zu können, doch der Anblick war auch so… einmalig. Hatte sie es etwa mit einem Pärchen zu tun? Sie stand ein wenig verdutzt in der Tür. Der Dunkelhaarige Typ lag am Bauch, hatte einen Arm und ein Bein über den Blonden geschlungen, seine Hand lag im Gesicht des Blonden. Wie zum Teufel konnte man so schlafen? Und wieso hatte sie nichts davon gewusst?
      "Hey… der Background Check war scheiße", flüsterte sie und kritisierte ihre Freundin. Sie selbst befasste sich in letzter Zeit dankend weniger mit solchen Dingen und erledigte dann die Arbeit, bei der man sich die Finger schmutzig machte. Das machte auch weitaus mehr Spaß aber… Jetzt hatte sie irgendwie Mitleid. Sie konnte doch keine Schwulen in ihrem Bett abstechen. Kurz war sie geneigt, laut in die Hände zu klatschen, damit sie ein besseres Gefühl hatte, wenn sie die zwei wach umbrachte. Aber auf der anderen Seite waren sie doch sowieso nur kleine Kieselsteine, die auf ihrem Weg lagen. So richtig hatten die beiden in ihrem Leben noch nichts erreicht. Abgesehen davon, sich bei den deprimierenden Lebensgeschichten noch nicht erhängt zu haben. Hmm… Nadia konnte sie hier und jetzt erlösen! Aber sie tat es dann doch nicht. Sie schlich durch das Zimmer. Eigentlich hatte sie nicht geplant gehabt, sich leise verhalten zu müssen um jemanden nicht aufzuwecken. In ihrem Plan war in dem Zimmer keiner mehr gewesen, der sie hätte hören können. Das nervte sie tatsächlich fast genug, um Plan A doch noch auszuführen, aber da es kaum Versteckmöglichkeiten gab, fand sie den Stein sofort. Noch einfallsloser konnte man ihn doch nicht verstecken…
      Sie seufzte. Bevor sie ging, riss sie ein Stück Papier aus der ersten Seite des Buchs am Empfang, schnappte sich einen Kugelschreiber und kritzelte etwas drauf. Zufrieden legte sie ihre Nachricht in die Schreibtischlade.

      Andrew

      Mit einem kleinen, unbewussten Raunen kniff Andrew die Augen zusammen, als ihn irgendetwas blendete und im Schlaf störte. Es ging nicht weg… Mann. Er öffnete langsam die Augen, erkannte, dass ein Sonnenstrahl seitlich am Vorhang des Fensters vorbei in sein Gesicht fiel und wollte sich gerade umdrehen, da runzelte er die Stirn, bevor er die Augen wieder schloss. Moment… Sonne?
      Leicht verwirrt bemerkte er langsam, dass er Ezra unter sich begraben hatte und bewegte langsam sein Bein von ihm herunter. Er war immer noch so sehr im Nebel eines verrückten, nicht mehr ganz klaren Traums, dass er die Situation nicht verarbeiten konnte. "Ez… Ezra…", murmelte er und gähnte. Dann klopfte er dem Blonden mit der Hand, die ohnehin schon in seinem Gesicht geklebt hatte seit er aufgewacht war, auf die Wange um ihn zu wecken.
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