The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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    • Ezra

      Okay, es machte Sinn, dass der Sergeant nicht sonderlich gut auf Andrew zu sprechen war, immerhin hatte dieser Deal es in sich. Ezra wollte sich schon gar nicht vorstellen, was Andrew alles versprochen hatte, um den Deal überhaupt durchzubringen. Enttäuschend war es trotzdem. Also würden sie heute Nacht wohl eher keine Fortschritte machen.
      “Ich hab mein Handy eh nie dabei, falls es dich tröstet”, merkte Ezra an, während er mit der Tasse in seinen Händen spielte. Zumindest hatte er es nicht dabei, wenn er sich nachts draußen herumtrieb. Er konnte es nicht riskieren, das Handy bei einem Einbruch zu verlieren, oder es bei einer Verfolgungsjagd kaputt zu machen. Seine Handynummer gab er eh schon selten weiter und Andrew war nicht unbedingt im oberen Teil der Liste von Leuten, für die er rund um die Uhr erreichbar sein wollte - von dem Fakt, dass man ihn über das Handy zurückverfolgen konnte mal ganz abgesehen. Andrew war auch so schon zu nah dran, ihn irgendwann doch hinter Gitter zu bringen, da wollte er es ihm nicht noch zusätzlich erleichtern. Also musste ein Treffpunkt her, ein Ort, wo-
      “Oh.” Andrew schaffte es, Ezras Gedanken mit seinem letzten Kommentar komplett zum Stopp zu bringen. Natürlich war es vollkommen logisch, dass die beiden ihr Katz und Maus Spiel beenden mussten, während sie zusammen ermittelten, aber die Vorstellung, bald einen anderen Gegenspieler zu haben war irgendwie…seltsam. Dafür war er mittlerweile viel zu sehr an Andrew gewöhnt. “Logisch.” Ezra lächelte knapp, während sein Blick zur Tür glitt, durch die gerade ein Mann mittleren Alters das Café betrat. Gott sei Dank.
      “Ben!” Ezra hob kurz die Hand. Der Mann, Ben, seufzte, kam zu ihm herüber und hielt ihm einen Umschlag entgegen.
      “Ich hoffe, das ist wirklich wichtig. Ada hat bei mir Sturm geklingelt, als würde es brennen.”
      Ben war einer der wenigen Personen in Ezras Nachbarschaft, die nichts mit Kriminalität am Hut hatten. Er hatte einfach nur das Pech, einen schlecht bezahlten Beruf gewählt zu haben.
      “Du hast definitiv was gut bei mir”, versprach Ezra, während er den Umschlag entgegennahm.
      Ben seufzte kurz, schien sich allerdings jeglichen Kommentar zu sparen. Er warf einen kurzen Blick auf Andrew, wünschte einen “Schönen Abend”, drehte sich um und ging. Ezra sparte sich jede Art von Erklärung, während er Adas Liste - und einen Kugelschreiber - aus dem Umschlag zog und sie auf den Tisch zwischen ihnen legte. Adelines geschwungene Handschrift füllte beinahe das komplette Blatt. Mehrere Namen waren fein säuberlich untereinander geschrieben worden, einige waren unterstrichen, andere hatten ein kleines Fragezeichen am Ende. Ezra überflog die Namen kurz, bevor er mit dem Kugelschreiber einen von ihnen rausstrich und dafür drei weitere ergänzte.
      “Nicht jeder auf dieser Liste ist in irgendetwas kriminelles verwickelt. Nur so zur Info”, merkte er schließlich an, während er die Liste in Andrews Richtung schob, damit er ebenfalls einen Blick darauf werfen konnte.
    • Andrew

      Ezras Reaktion überraschte den Dunkelhaarigen nicht, schließlich taten Sie beide nur, was sie für richtig hielten. Andrew machte seinen Job und er… naja, warum bedeutete Ezra die Sache eigentlich so viel, dass er bei dem Deal mitmachte? Steckte da etwa doch irgendwo ein guter Samariter ihn ihm?
      Hm… diese Ada klang in jedem Fall wie ein hilfreicher Kontakt. Andrew nickte dem fremden Mann knapp mit einem Lächeln zu und hielt seine Neugierde im Zaum. Bestimmt würde er nicht von jedem, den er in nächster Zeit kennenlernen würde, die Lebensgeschichte erfahren. Für einen von Grund auf wissbegierigen Mann wie Andrew dürfte das noch eine besondere Art der Folter darstellen.
      „Hmm… gut zu wissen“, murmelte er und betrachtete die ihm zugeschobene Liste. Ja… einige Namen sagten ihm etwas, manche schockierten ihn, vom Rest hatte er interessanterweise nie gehört. Kriminelle, die sich nicht sehen ließen. Bestimmt waren da einige dabei, für deren Gefangennahme der Sergeant sich ein Bein ausreißen würde. „Ja, Maya Thorn kenne ich. Einmal festgenommen, in der selben Nacht aus der Untersuchungshaft geflohen, danach nie wieder von ihr gehört. Ein einziger Edelsteindiebstahl…“, murmelte Andrew während er die anderen Namen genau begutachtete. Viele dieser Menschen hatten auf ihn wie kleine Fische gewirkt… doch man durfte wohl das Informationsnetz nicht unterschätzen, das sich über all die kleinen Räubern bis zu den Geiselhaltern und gewiss auch Mördern erstreckte. Leider hatten Helden schon immer eine gewisse Niederlagenquote, so war das Leben nunmal. Doch diese Namen nun zu sehen, zu wissen, er könnte diese Übeltäter alle treffen und doch nichts ausrichten, das bereitete ihm jetzt schon Unbehagen.
      „Schön… ich überlasse dir die Planung. Sag, wen wir uns vornehmen und ich komme mit dir. Ich gebe dir Updates über die Ermittlungen im Dezernat… soweit möglich“ Zu viel Vertrauen durfte er einem Dieb nicht schenken, aber wenn sie nicht zusammenarbeiteten und beide etwas riskierten, hatte das alles keinen Sinn. „Also dann… morgen Abend?“ Eine genaue Zeit und ein Ort waren immernoch ausständig, wobei Andrew lieber gleich aufgab, das Crown Cafe als Stützpunkt vorzuschlagen. Etwas weiter außerhalb der Stadtmitte… weiter vom Dezernat entfernt wäre bestimmt sinnvoller. Vielleicht ein Ort, an dem sich Ezras Kontakte herumtrieben? Auch, wenn der Gedanke sofortiges Unwohlsein in Andrew auslöste.
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    • Ezra

      Ezra kam nicht umhin, kurz zu lächeln, als Andrew Mayas Ausbruch erwähnte. Maya hatte sich in derselben Nacht noch furchtbar betrunken und sehr stolz damit geprahlt, wie einfach es gewesen war, zu entkommen. Sie hatte die Geschichte bestimmt fünf mal erzählt, immer leicht verändert, bis sie selbst nicht mehr ganz zu wissen schien, wie sie es geschafft hatte.
      "Morgen Abend klingt gut", stimmte Ezra zu, den Blick noch immer auf die Liste gerichtet, während er erneut an seinem Kaffee nippte. Vielleicht würde ihnen das sogar etwas in die Karten spielen. Es war weitaus unauffälliger, nach dem Stein zu fragen, wenn das Verschwinden morgen offiziell in der Zeitung auftauchen würde. In der Zwischenzeit würde er es vielleicht schaffen, vielleicht schon mal ein oder zwei seiner Kontakte abzuklappern, bei denen er sich ziemlich sicher war, dass sie nichts wissen würden. Wenigsten, um sie sicher auszuschließen.
      "Hast du jemanden, dem du vertraust und der gut darin ist, zu recherchieren?" Ezra tippte mit dem Kugelschreiber kurz auf die Liste. Ada hatte unter anderem "Stadtarchiv?" notiert, wohl mit dem Hintergedanken, dass der Stein dort in irgendeinem alten Artikel auftauchen könnte und dann über die Jahre hinweg einfach in Vergessenheit geraten ist. "Vielleicht wird der Stein irgendwo mal in einer Zeitung erwähnt, oder so. Das könnte jemand prüfen, während wir uns um die anderen Kontakte kümmern. Oder sollen wir das selbst in die Hand nehmen? Sonst würde ich Henry Cooper als erste Anlaufstelle vorschlagen. Er hat einiges an Erfahrung, wenn es um Steine geht und plappert gerne mal drauf los, wenn er jemanden findet, der ihm zuhört. Nicht, dass ich mich da in irgendeiner Weise selbst wiederfinden würde." Er tippte auf einen der Namen, die er selbst ergänzt hatte.
      Henry hatte er zwar schon ewig nicht mehr gesehen, aber der Mann war gefühlt so alt, wie das Museum selbst und ungefähr genauso lange im Steinhandel tätig. Wenn jemand von einem derart besonderen Stein gehört hatte, dann er. Ezra musste nur hoffen, dass Henry willens war, mit ihm zu reden, aber da machte er sich keine übermäßigen Sorgen. Sie waren früher zumindest immer ganz gut klargekommen. "Da würde ich die Kreuzung zwischen der Victoria Road und High Street vorschlagen - von da aus ist es nicht sonderlich weit bis zu den Pubs, in denen er sich früher immer rumgetrieben hat." Sie würden ihn so schon irgendwie finden. Ezra wusste ja selbst am besten, dass es schwer war, alte Angewohnheiten aufzugeben.
    • Andrew

      „Hm… die… Freundin meines Arbeitskollegen arbeitet im Archiv. Ich kann ihn… vielleicht bitten, da einmal reinzusehen“, bot er vorsichtig an, in dem Wissen, dass Thomas wohl alles tun würde, worum Andrew ihn bat, außer es war illegal. Auf diese Idee wäre er ja auch nie gekommen. Allerdings… konnte es eben sein, dass tieferes Graben notwendig sein würde, als seine Befugnis reichte. Und da würde man bei ihm gegen Wände laufen. Außer… Andrew begann mal so richtig zu betteln, wie damals, als- Naja, das war unwichtig. Im schlimmsten Fall würde Thomas ihm bestimmt aushelfen… hoffentlich.
      „Henry Cooper also… Ein Sammler? Hab noch nie von ihm gehört“, murmelte Andrew. Doch er war begeistert von Ezras Ankündigung, dass er viel erzählen konnte. Das waren die einfachsten Verhöre. Manche Menschen hatten ein solches Mitteilungsbedürfnis, dass man ihnen nicht einmal Fragen stellen musste. Eine Eigenschaften die Andrew nicht von sich behaupten konnte. Aus ihm musste man die Informationen herauskitzeln. Bei einer Befragung hätte sein Gegenüber keinen Spaß. Andrew plauderte nichts aus.
      Auf Ezras Kommentar hin zu seinem Desinteresse an Steinen würde Andrew normalerweise nichts sagen. Dass er die Jadg darauf irgendwann hingeschmissen hatte, wusste er. Warum, wusste er nicht. Für gewöhnlich war ihm der Grund ganz egal, hauptsache, er stahl eben keine Steine. Ungewöhnlich, jedoch sympathisch aus der Sicht eines Helden. Aber jetzt, wo er schon hier war und anscheinend alle unausgesprochenen Regeln zwischen ihnen zu brechen schien, beschloss er, dass er es wissen wollte.
      „Wieso eigentlich die Abneigung gegen Steine? Du benutzt sie doch selbst. Könntest du damit nicht mehr anfangen, als mit einem grauenvollen Kerzenständer und ein paar Halsketten oder Ringen die du…“ Andrew musterte ihn auffällig. „…nicht trägst?“
      Er wollte ihn bestimmt nicht zu Diebstählen animieren, aber irgendeinen guten Grund musste Ezra doch haben.
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    • Ezra

      "Henry ist schlimmer, als ein Sammler. Historiker. Die sind genau so besessen von Steinen, reden aber deutlich mehr." Ezra verdrehte kurz die Augen, konnte aber nicht anders, als dabei ein wenig zu lächeln. "Er...naja, er ist nicht direkt im Steinhandel tätig, daher habt ihr wahrscheinlich auch keine Akte zu ihm. Sein Job ist es nur, Steine zu untersuchen und zu schätzen, wie viel sie wert sind und wer sie brauchen könnte. Nichts Illegales, also." Obwohl Henrys Klientel ziemlich eindeutig eher zur kriminelleren Seite der Stadt gehörte. Aber wenn man so besessen von Macht und Magie war, war es wohl vollkommen egal, wer die Steine brachte.
      Aber immerhin hatten sie damit schon mal zwei Ansatzpunkte, falls Andrew seinen Kollegen liebevoll im Archiv abstellen konnte. Das war immerhin etwas, nicht? Ezra hatte es sich irgendwie komplizierter vorgestellt, einen Anfangspunkt für diese kuriose Teamarbeit zu finden. Er durfte sich nur nicht zu sehr an diesen übergangsweisen Frieden gewöhnen - was Andrew mit seiner nächsten Frage unbeabsichtigt nochmals unterstrich. "Das ist...etwas kompliziert", setzte Ezra an, während er wieder mit der Kaffeetasse spielte. "Schlechte Erfahrungen?" Er formulierte es mehr als Frage, als als Aussage, gerade so, als wäre er sich selbst nicht ganz sicher, ob dies seine Situation passend beschrieb. "Ich brauche nicht noch mehr Steine und ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, wo die Steine, die ich stehlen könnte, landen würden." So konnte man es formulieren, nicht? Ezra zuckte kurz zusammen, als ihm die Tasse fast aus den Händen fiel. Er stellte sie vorsichtig wieder auf den Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl etwas zurück. "Außerdem hast du mich noch nie in meiner Freizeit gesehen. Vielleicht trag ich ja sonst wirklich viel Schmuck", redete er über den Vorfall hinweg. "Silber, falls du noch nach einem Weihnachtsgeschenk für mich suchst. Passt besser zu meinem Teint." Er ließ sich dazu hinreißen, Andrew kurz neckend zuzuzwinkern, bevor er beschloss, die kleine Fragerunde etwas weiter zu führen. "Wie sieht es bei dir aus? Waren die Steine ein Anreiz, Held zu werden, oder hat das einen anderen Hintergrund?"
    • Andrew

      Historiker also… bestimmt ein Verrückter, der den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer hockte und in der Marterie versank. Nein, so ein Leben konnte Andrew sich niemals vorstellen. Er brauchte die Hochspannung und die Herausforderungen.
      „Wo sie landen könnten, sagst du?“, widerholte er Ezras Antwort. Charakteristisch für ihn wollte er natürlich sofort wissen, wessen Handlanger Ezra wohl war, wenn es um die Edelsteinjagd ging. War er doch Teil einer Gruppe? Vielleicht einst gewesen? Waren diese Leute noch aktiv und wo konnte man sie aufspüren?
      All das würde Andrew womöglich sogar noch herausfinden, doch bringen würde es ihm kaum etwas. Erneut überkam ihn eine Welle der Frustration. „Weißt du was… antworte darauf garnicht erst. Bringt mir eh nichts“, brummte er frustriert.
      Im nächsten Moment erhellte sich sein Blick ein wenig, als er Ezras Kommentar konterte: „Silber. Das trifft sich gut. Handschellen sollten dir stehen“ Schon als er den Satz aussprach wollte Andrew sich dafür ohrfeigen, dem Dieb eine perfekte Grundlagen für den nächsten schmutzigen Witz geliefert zu haben. Schnell versuchte er das zu übergehen.
      „Ich nehme an, es wurde mir in die Wiege gelegt. Steine… sind ganz nett. Aber die Verfolgungsjagden sind doch das, was den Job spannend macht“ Er grinste leicht. „Mein Vater hat das verstanden und mir seine Schuhe angezogen, bevor ich denken konnte“ Er pausierte und nahm eine Schluck Kaffee, dann meinte er: „Und zum Glück… hab ich seit Jahren den besten, nervtötendsten Gegner“
      Er stellte die Tasse ab. „Ich muss langsam nachhause. Morgen früh… geht mein Job als Doppelagent los“, meinte er und seufzte laut. Er kramte ein bisschen Kleingeld aus seiner Hosentasche und legte es auf den Tisch. „Ich lade dich ein. Sonst kommst du noch auf die Idee nicht zu zahlen“
      Andrew stand auf und zog seinen Mantel an. „Und… ich werde wohl gegen 8 Uhr bei der Kreuzung sein, von der du gesprochen hast. Bis dahin habe ich hoffentlich ein paar Informationen“ Mit einem warnenden Blick fügte er hinzu: „Und keine Einbrüche bis dahin, ich bin beschäftigt“
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    • Ezra

      Manchmal machte es ihm Andrew einfach zu leicht.
      Ezra hatte schon den Mund für den nächsten Flirt geöffnet, schloss ihn aber wieder, als der Dunkelhaarige direkt weiter sprach. Was im Nachhinein vielleicht wirklich besser so gewesen war. So wurde Ezra zumindest mit dem mentalen Bild eines sehr kleinen Andrews in einer viel zu großen Uniform belohnt. Niedlich. Und wahrscheinlich etwas an der Realität vorbei, aber darauf kam es ja nicht an. Dafür war es irgendwie seltsam beruhigend zu hören, dass Andrew seinen Job wirklich mit Leidenschaft lebte - nicht anders zu erwarten, gemessen daran, dass er nun schon seit Jahren versuchte, Ezra zu fassen. Wer würde sich nach all der Zeit immer noch so viel Mühe machen, wenn man nicht gerade für seinen Job brannte?
      Als Andrew ihre kleinen Verfolgungsjagten direkt ansprach, musste Ezra kurz auflachen. "Ich wäre nur halb so nervtötend, wenn du nicht so anhänglich wärst", merkte er an, während er einen imaginären Hut zog. Auch, wenn er sich nie hätte vorstellen können, dass dieses ganze Hin und Her irgendwann mal so enden würde. Irgendwie war es passend, auf eine bizarre, verdrehte Art und Weise. Nach jahrelangen Verfolgungsjagten endete ihre letzte mit einem netten Abend in einem Café. Wenn die Umstände andere wären, hätte es fast schon etwas wundervoll kitschiges an sich.
      Es fühlte sich auch mehr als komisch an, einfach aufzustehen und zu gehen, ohne irgendwelche Tricks, oder ähnliches. Aber wenn alles glatt lief, würde sich das wohl die nächsten Wochen durchziehen, nicht? Obwohl Andrew ihm wenigstens zum Abschied noch einen verbalen Seitenhieb mitzugeben schien. "Ein Einbruch ohne dich lohnt sich doch gar nicht. Außerdem entwickle ich hier gerade ganz neue Standards! Wenn ein Einbruch nicht mit einem kleinen Café Besuch endet, ist er jetzt vollkommen sinnlos", erklärte Ezra, während er aufstand und Andrew zur Tür folgte.
      "Morgen um 8", wiederholte er zum Abschied. "Sei diesmal pünktlich."
    • Andrew

      Andrew schüttelte grinsend den Kopf. "Ich könnte mich an einen nächtlichen Kaffee gewöhnen. Wir sehen uns" Mit den Worten lief er zu seinem Auto und fuhr nachhause.
      Zurück in seine kleine… unordentliche Wohnung. Wann war er zuletzt hier gewesen? Es waren einige Nachtschichten hintereinander gewesen… das Sofa im Dezernat war mittlerweile so gut wie sein persönliches Eigentum. Zumindest benutzte es außer ihm niemand mehr, seit er von Zuhause eine Decke mitgebracht hatte. Naja, die Heizung funktionierte im Büro eben nur phasenweise.
      Andrew zog sich Mantel und Schuhe aus und ließ sich auf sein Bett fallen. Nicht unbedingt reinlich, nachdem er das Sandbad und einen ewigen Tag hinter sich hatte. Und… bestimmt vor zwei Tagen die letzte Dusche. Er musste sich einen besseren Schlaf- nein, Lebensrythmus aneignen, sonst gab sein Körper mit 40 einfach irgendwann auf und man konnte ihn mitten in einer Mission im Sarg abtransportieren. Ob 40 zu optimistisch war? Die 30 zehrten ja schon schrecklich an ihm. Das mochte jedoch vielleicht auch am Schlafmangel und der Koffeinsucht liegen.
      Er zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer. Er wurde sofort verbunden. Klar, er hatte im Dezernat angerufen, in weiser Voraussicht. "Hey, Andrew Morgan hier. Ich äh… brauche bitte Thomas. Danke Serena", murmelte er ins Telefon. Hörbar ging ihm langsam aber sicher die Energie aus. Sein Arbeitskollege meldete sich genervt zu Wort.
      "Hör zu… du musst für mich was im Stadtarchiv checken. Ich würde Leona direkt fragen, aber ich hatte noch nie einen guten Draht… zu ihr… also… tu mir den Gefallen"
      "Hey, ich hab auch einen Job, weißt du das eigentlich?", kam es durch das andere Ende der Leitung. Nach einer kurzen Pause, in der Andrew noch nicht einmal was sagen musste, schien Thomas nachzugeben. "Schön. Der Banküberfall, nehme ich an? Vermutlich hätte ich mich da eh noch dran setzen müssen. Ich geb dir morgen Bescheid, wenn ich etwas finde"
      "Danke"
      "Hey, du… bist den Deal doch nicht eingegangen?", murmelte Thomas.
      Andrew seufzte. "Gute Nacht. Bis morgen"
      "Äh- aber"
      Aufgelegt. Heute würde er sich nicht mehr damit herumschlagen. Außerdem hatte er noch keine gute Erklärung parat, sollte er doch jemanden in sein Vorhaben einweihen. Das würde bloß zu riesigen Diskussionen führen für die Andrew gerade weder Zeit noch Energie hatte. Mehr als 4 Stunden Schlaf waren heute auch nicht drin, aber er nahm was er kriegen konnte. Er sprang unter die Dusche und ließ sich danach ohne weitere Gedanken einfach ins Bett fallen, wo er binnen Sekunden einschlief. Ungefähr drei Sekunden später klingelte sein Wecker. Andrew öffnete frustriert die Augen. Falsch, es war 7 Uhr morgens.

      Kaffee, Jacke, Schlüssel… Haare- was zum Teufel war mit seinen Haaren los? Naja. Ab ins Auto und zurück ins heißgeliebte Dezernat. Leider würde der heutige Tag halb so viel Spaß machen, denn wenn ihn nicht alles täuschte erforderten diese Ermittlungen auch gewisse Helden, die nicht im 28. arbeiteten. In dem Moment als Andrew die Bürotüre öffnete, bestätigten sich seine Vermutungen. Der Sergeant hatte Leute aus dem 15. Dezernat angeheuert, sich dem Team anzuschließen. Mhh… Richard Pierce.
      "Ah, wen haben wir denn da? Endlich arbeiten wir wieder zusammen, Brille", begrüßte der große, dunkelhaarige Mann Andrew.
      Mit einem gekünstelten Lächeln gab dieser ein halbherziges "Richy. Wie nett" zurück und hoffte, dass dies den Abschluss jeglicher Konversationen für den restlichen Tag kennzeichnete, aber so optimistisch konnte dann wohl niemand sein, der Richard kannte. Die beiden hatten nicht nur zusammen ihre Ausbildung gemacht, nein… sie hatten sie zerlegt. Wortwörtlich, denn die Streitereien zwischen den beiden in jüngeren Jahren haben nicht selten physische Ausmaße angenommen und mehrere Stühle zu Bruch gebracht. Nun, wer von ihnen der bessere Held war, war bis heute nicht klar zu sagen und es machte Andrew wahnsinnig, wenn er ihn vor sich sah. Nicht die Tatsache, das sie mehr oder weniger gleich auf lagen, sondern dass Richy überzeugt war, in jeder möglichen Disziplin der Bessere zu sein. Stärker, schneller, intelligenter… Das dämliche Grinsen und die herablassenden Kommentare. Am Ende des Tages schien er seine Obsession mit Andrew nie abgelegt zu haben. Er nannte ihn nach 12 Jahren noch immer Brille, als hätte er sich nicht längst die Augen lasern lassen. Kontaktlinsen waren bei einem 24 Stunden Job eben auch nicht das Wahre.
      "Keine Zeit für den schicken Haargel Look gehabt, heute Morgen?", zog Richy ihn grinsend auf.
      "Ich dachte mir, ich bleibe heute natürlich" Andrew kniff mit einem gefälschten Lächeln die Augen zusammen. Das würde ein anstrengender… ein furchtbar… furchtbar anstrengender Tag werden.

      Tatsächlich war das ständige Hin und Her zwischen Bank, Gefängnis, Dezernat und Wohnorten möglicher Zeugen nicht einmal annähernd so schlimm, wie das Ganze mit Richard zu erleben. Zudem war es wohl bislang eine der langweiligsten Missionen, die Andrew erlebt hatte, da kaum jemand kooperieren wollte oder ohnehin nichts wusste. Und wenn er heute noch ein einziges Mal das Wort Brille hörte, dann… dann…
      "Also, Feierabend?", ertönte es hinter Andrew, der den Blick schon stur nach vorne gerichtet hatte, als er ins Auto stieg. Serena, die Arme, hatte sich den ganzen Tag Andrews miese Laune und Richards umso bessere Laune antun müssen.
      "Ähh… ja… ich denke, heute kommen wir nicht weiter", murmelte Andrew und fuhr los, um seine Kollegen im Dezernat abzusetzen. Serena kündigte an, noch ein wenig die ausständigen Akten durchzugehen, wies Andrew allerdings an, sich heute Abend Ruhe zu gönnen, da sie ohnehin nicht viel tun konnten, bis die Bänker endlich begannen in ihrem Lügenkonstrukt Fehler einzubauen. Ruhe… Andrews Abend würde wohl fast alles beinhalten und Ruhe war nicht dabei. Er verabschiedete sich und machte sich auf direktem Wege zur Victoria Road auf.
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    • Ezra

      “Ich kann nicht glauben, dass du das durchziehst.” Ada lehnte im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, während ihre braunen Augen jede von Ezras Bewegungen zu folgen schienen.
      “Ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin”, antwortete der Blonde, während er nach seiner Jacke griff. Er hatte den kompletten Tag in einem emotionalen Hin und Her verbracht, vollkommen überfordert damit, was er denken und fühlen sollte. Der Tag war dafür draufgegangen, im Alleingang zu recherchieren - Ada versuchte immer noch, an das Material der umliegenden Überwachungskameras zu kommen - und die nächsten Wochen irgendwie sinnvoll zu budgetieren. Sicher, aus seinen letzten Einbrüchen war noch einiges an Geld über, aber die kleine Pause an Straftaten würde sich trotzdem recht schnell in ihrem begrenzten Haushaltsgeld bemerkbar machen. Ezra würde lügen, wenn er behaupten würde, zwischendurch nicht daran gedacht zu haben, die Sache doch voll und ganz Andrew zu überlassen und seine Diebesserie fortzusetzen. Es wäre deutlich einfacher für ihn. Nur wusste er mit absoluter Gewissheit, dass ihn diese Entscheidung bis an sein Lebensende verfolgen würde.
      “Ich finde es cool”, mischte sich Liz von der Seite ein. Die Sechsjährige saß auf der Treppe in ihrem kleinen Hausflur und war damit beschäftigt, einen furchtbar zerrupften Kater zu drücken. “Kannst du Andrew fragen, ob er erst die Cornflakes und dann die Milch in die Schüssel kippt, oder anders rum?”
      Ezra stoppte kurz, seine Jacke noch in seiner Hand. “Ich glaube nicht, dass er Teil dieser Diskussion sein möchte, Mäuschen”, antwortete er schließlich vorsichtig, bevor er die Jacke anzog. Heute war die Jacke das einzige dunkle Kleidungsstück, das er trug. Er hatte sein sonst vollkommen schwarzes Outfit gegen einen dunkelroten Pullover und Jeans getauscht - Unauffälligkeit war heute Abend zum Glück nicht von Nöten.
      Liz schien die Information kurz zu verarbeiten, bevor sie mit den Schultern zuckte und, den Kater immer noch im Arm, aufstand. “Langweilig”, nuschelte sie, während sie an Ezra vorbei zurück auf ihr Zimmer ging.
      Ada sah ihrer Tochter hinterher, bevor sie sich wieder an Ezra wandte. “Nimmst du das Auto?”
      “Straßenbahn. Wenn heute alles glatt läuft, hab ich vor, mich dermaßen zu betrinken, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnere, dass ich diesem Deal zugestimmt habe.” Ezra zuckte mit den Schultern, während er seine Haustürschlüssel in seine Jackentasche steckte.
      “Das macht es nicht besser”, merkte Ada an, während sie Ezras Handy von der kleinen Kommode im Flur nahm und es ihm entgegen hielt.
      “Ich hab auch nicht behauptet, dass es irgendwas besser machen würde”, gab Ezra zurück, während er das Handy widerwillig entgegen nahm und es ebenfalls in der Jackentasche verschwinden ließ. “Ich pass schon auf mich auf.”

      Ezra bedauerte es tatsächlich ein wenig, nicht bereits zuhause mit dem Trinken angefangen zu haben, als er die Kreuzung erreichte. Er hatte sich eine kleine Strategie überlegt, wie er Henry zum Reden bringen wollte, aber je näher der Moment kam, die Strategie in die Realität umzusetzen, desto nervöser wurde er. Was, wenn er sich vollkommen verschätzt hatte? Es gab so viele Punkte in seinem kleinen Plan, die vollkommen schief laufen und damit alles kaputt machen könnten. Allen voran der Fakt, dass Andrew mitspielen musste.
      Ezra schob seine Hände in seine Hosentaschen, während er wartete und versuchte, sich selbst einzureden, dass schon irgendwie alles gut werden würde. Seine Nervosität nahm einen kleinen Ticken zu, als Andrew um die Ecke bog. “Hey”, grüßte Ezra. “Du siehst…fertig aus.” Zugegeben, vielleicht nicht die charmanteste Begrüßung, aber so offensichtlich übermüdet hatte er den Helden selten gesehen. Irgendwie sah er seltsam…menschlich aus. Fast etwas sympathisch. “Alles gut?”
    • Andrew

      Andrew schloss das Auto ab und kam Ezra entgegen. Ob alles gut war? "Reden wir nicht drüber", gab er grimmig zurück. Seine Laune war bereits im Keller, doch sie sank nur noch tiefer, wenn er eine weitere Sekunde an Richard Pierce denken musste. Er fühlte sich wieder wie 18, wenn er mit dem Kerl arbeiten musste. Davon ließ er sich nun gerne ablenken, indem er diesen verrückten Historiker kennenlernte.
      "Also… da lang?", fragte er ungeduldig und lief bereits voraus in die Straße. Im Gehen überkam ihn dann doch das Bedürfnis zu reden, wobei er in eine Art genervten Schwall geriet.
      "Würdest du… 12 JAHRE später, jemanden immer noch bei einem dämlichen veralteten Spitznamen nennen? Wie langweilig müsste dein Leben sein? Wie… unzufrieden müsstest du mit dir selbst sein, dass du mit 30 immer noch alte Klassenkollegen nerven musst? Ich meine, gibt's für sowas keine Verjährungsfrist? Oder nennt sich das nicht einfach MENSCHENVERSTAND"
      Andrew schwieg einen Moment, nachdem er sich etwas ausgelassen hatte. "Nein, sonst ist alles in Ordnung. Ich hatte einen… brillanten Tag. Übrigens haben mir heute 3 Bankangestellte dieselbe dämliche Story erzählt, von wegen "Der Stein lag da schon so lange im Safe, es gibt überhaupt keine Unterlagen mehr dazu". Der Anruf meines Arbeitskollegen aus dem Stadtarchiv ist auch noch ausständig. Manchmal… nur manchmal… bin ich zwei Schritte davon entfernt auf die dunkle Seite zu wechseln"
      Gut, damit hatte er auch seine tägliche Dosis Sarkasmus noch eingebaut. Mit einem tiefen Atemzug kehrte ein gewisses Maß an Entspannung zurück in Andrews Körper.
      "Überwachungsvideos lassen sie uns auch nicht checken. Das Innenministerium hat sich eingemischt… warum auch immer. Das heißt, wir dürfen die Ermittlungen vermutlich bald schließen. Zeugen war nicht hilfreich… wahrscheinlich wurde die Hälfte bedroht und sagt deshalb nicht die Wahrheit. Ich hoffe, dein Kontakt kann uns mehr liefern"
      Sobald sich die Innere einmischte, wurde das ganze zu einem Staatsproblem und lag außerhalb der Hände jedes Helden, der seinen regulären Job ausübte. Das Ganze machte Andrew nicht unbedingt ruhiger. Hinter der Bank-Geschichte dürfte mehr stecken, als ein einfacher Edelsteindiebstahl… und demnächst würde man Andrew auch offiziell die Hände binden, also sollten Ezra und er lieber schnell etwas herausfinden, bevor das alles zu… illegal wurde. Es war schließlich kein Teil des Deals, dass er selbst hinter Gittern landete weil man ihn als Komplizen einordnete oder schlimmer… einen Helden, der seine Position ausnutzte um herumzuschnüffeln.
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    • Ezra

      Ezra war sich nicht sicher gewesen, was er als Antwort erwartet hatte, aber das war es bestimmt nicht gewesen. Er blinzelte kurz irritiert, bevor er sich beeilte, mit Andrew Schritt zu halten. Was wieder eines dieser Dinge war, die sich unglaublich komisch anfühlten. Er hatte Jahre damit verbracht, vor Andrew wegzulaufen, nur, um sich jetzt zu bemühen, ihn nicht zwischen den Gassen zu verlieren. Nicht, dass man ihn hätte verlieren können - Andrew hatte sich dermaßen in Rage geredet, dass Ezra ihn wahrscheinlich noch mit verbundenen Augen hätte folgen können. Was ein kleines Problem sein könnte.
      "Hey." Ezra streckte eine Hand nach Andrew aus, bekam ihn am Ellenbogen zu fassen und brachte ihn zum anhalten. "Wir schaffen das schon irgendwie. Ein Schritt nach dem anderen", versicherte er mit weitaus mehr Selbstbewusstsein, als er tatsächlich hatte. "Wenn das Innenministerium euch den Fall entzieht, arbeiten wir halt einfach parallel daran weiter. Du kannst ja nichts dafür, wenn jemand dir zufällig relevante Informationen zuspielt, nicht?" Ezra zuckte mit den Schultern, bevor er Andrews Ellenbogen los ließ und stattdessen die Führung übernahm. "Du musst nur gut genug lügen können, damit nichts auffällt", fuhr er fort, während er Andrew in die nächste Straße führte, "Was sich wundervoll trifft, weil wir uns heute Abend wohl auch etwas durch-lügen müssen."
      Die nächste Straße war deutlich lebendiger, als die Kreuzung. Selbst an einem Abend mitten in der Woche gingen hier Menschen alleine oder in kleinen Grüppchen von Kneipe zu Kneipe, oder unterhielten sich draußen bei Zigaretten und Bier. Vielleicht nicht unbedingt die angesehenste Ecke Londons, aber Ezra hatte diese Atmosphäre immer deutlich besser gefallen, als die cleane Stille der reicheren Viertel.
      "Wir können Henry nicht befragen, als ob er in Untersuchungshaft sitzen würde. Wenn wir zu direkt fragen, landen wir am Ende bei einer Rechnung, die wir beide nicht stemmen könnten. Wir werden also einfach zufällig in ihn hineinstolpern, uns nett mit ihm unterhalten und irgendwann das Thema ganz beiläufig auf den Stein in der Bank lenken. Heute bist du kein Held, sondern einfach-" Ezra drehte sich kurz zu Andrew um, musterte ihn eine Sekunde zulange und entschied sich schließlich für ein flaches "Buchhalter, oder so", bevor er sich wieder nach vorne drehte. "Denkst du, du bekommst das hin? Und wie gut stehen meine Chancen rauszufinden, um welchen Spitznamen es ging?"
    • Andrew

      Andrew war über die Berührung etwas überrascht, da ihr weder ein Schlag, Tritt oder Sand im Gesicht folgte, ließ sich aber mit durch die nächste Straße ziehen und lauschte Ezra aufmerksam. Seine Worte hätten ihn kaum überraschen sollen. "Hah… was hab ich eigentlich erwartet?", murmelte er. Natürlich begann das Ganze schon einmal mit einem Haufen Lügen… und so würde es wohl ewig weiter gehen. Noch weiter konnte Andrew von seinem üblichen Weg nicht abkommen. "Klasse… Buchhalter. Heute fühle ich mich auch so", gab er zurück. Ja, nach einem ganzen Tag an langweiligem Hin- und Herfahren, Befragungen und Papierkram… so gelangweilt und müde mussten sich Buchhalter wohl jeden Tag fühlen. Dass Ezra aber ziemlich sicher auf seinen Kleidungsstil anspielte ignorierte Andrew gekonnt.
      "Wie kann es eigentlich sein, dass du nach all den Diebstählen immer noch arm dran bist? Fütterst du eine 10-Köpfige Familie durch?", meinte er sarkastisch und runzelte die Stirn leicht. Man musste doch meinen, Diebe konnten irgendwann die Kriminalität aufgeben und sich ihr luxuriöses Leben in aller Ruhe gönnen. Wer würde sich denn sonst für dieses leben entscheiden? Als schlecht bezahlter Kellner war zumindest nicht dauernd jemand hinter einem her. Ehrlicherweise lohnte sich das bestimmt sogar noch mehr, als ein Held zu sein, bei der Gegenüberstellung von Risiko und Gehalt.
      "[…]Und wie gut stehen meine Chancen rauszufinden, um welchen Spitznamen es ging?"
      Andrew stockte. "Schlecht. Über meine Leiche. Ich weiß doch, dass du genauso tickst. Dann darf ich mir das auch noch in meinem 2. Ermittlungsjob stundenlang anhören" Vor seinem geistigen Auge sah er bereits Ezras unschuldiges Grinsen und wie sich auf seinen Lippen alle 20 Minuten das Wort "Brille" formte. Ganz hatte Andrew seinen Lebenswillen noch nicht verloren. "Lass uns… einfach diesen Job hinter uns bringen. Ich bin schon ganz heiß darauf, einen auf Buchhalter zu machen"
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    • Ezra

      "Das würde ich nie tun", widersprach Ezra mit einer Unschuld in der Stimme die zu perfekt war, als dass sie auch nur ansatzweise der Wahrheit entsprechen würde. Natürlich würde er nicht zögern, jeglichen Spitznamen, den Andrew hasste, gegen ihn zu verwenden. Es gab kaum was Schöneres, als dem Helden auf die Nerven zu gehen. Ezra machte sich eine mentale Notiz, das Thema definitiv nochmal aufzugreifen, während er Andrew sanft in den nächsten Pub schob. Vorausgesetzt natürlich, dass Andrew diese Nacht überleben würde und bei der ausgelassenen Stimmung nicht direkt einen Herzinfarkt bekommen würde.
      Die Atmosphäre in dem Pub war fast das perfekte Gegenteil zu dem Café vom Vorabend. Er war gut besucht, Gespräche und Gelächter füllte die Luft. Ein Junggesellenabschied an einem Tisch in der hinteren Ecke ermutigte gerade lauthals den angehenden Bräutigam, sein Getränk zu exen, während im vorderen Teil des Pubs ein kleiner Streit über ein Kartenspiel entbrannt zu sein schien.
      Ezra ignorierte beides und steuerte stattdessen den Tresen an, an dem ein Mann saß, der deutlich älter war, als in Ezras Erinnerungen, aber etwas jünger, als in seinen Vorstellungen. Trotzdem hatte sich Henry Cooper über die letzten Jahre hinweg kaum verändert. Ezra setzte ein vollkommen überraschtes Gesicht auf, als er in Hörweite des Mannes kam und ihn laut mit "Henry?" ansprach.
      Henry drehte sich zu ihnen um. Für eine Sekunde hatte Ezra Panik, dass der alte Mann sich schlichtweg nicht mehr an ihn erinnern konnte, dann wich die Irritation auf seinem Gesicht einem kleinen Lächeln, das Ezra aufatmen ließ. "Ezra! Ich werd' verrückt!" Henry stand auf und hielt ihm die Hand entgegen. Sein Händedruck fühlte sich immer noch so an, wie ein Schraubstock.
      "Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dich heute zu sehen!", behauptete Ezra lachend, während er dezent seine Hand ausschüttelte.
      "Ist ja auch schon eine Weile her. Das letzte mal, als ich dich gesehen hatte, hattest du noch Milchzähne."
      "Das ist vollkommen übertrieben." Ezra lachte erneut, bevor er kurz auf Andrew deutete. "Oh. Henry, das ist Andrew, ein guter Freund von mir", was wohl die größte Lüge war, die er heute Abend erzählen würde, "Andrew, das ist Henry. Ich glaube, ich hab dir schon mal von ihm erzählt? Er ist ein absolutes Genie, wenn es um Steine geht."
      Nun war es an Henry, zu lachen. "Erzählt er dir auch immer genau das, was du hören willst?", fragte er Andrew, während er ihm ebenfalls die Hand entgegen hielt und anschließend kurz auf die leeren Barhocker neben sich deutete. "Bitte. setzt euch."
      "Ich meine das vollkommen ernst!", wehrte sich Ezra, währen der sich auf den Barhocker in der Mitte setzte, bewusst darum bemüht, ein kleines bisschen Abstand zwischen Henry und Andrew zu wahren. "Du hattest immer diese Theorie über die Herkunft der Steine?", erinnerte sich Ezra, während Henry dem Barkeeper mit einer kurzen Handbewegung signalisierte, dass sie neue Getränke bräuchten. "Ich glaube, ich bekomme nicht mehr alles zusammen. Es ist zu lange her. Ist die Theorie noch aktuell?"
      "Aber natürlich!", antwortete Henry. "Ich hab sogar noch mehr Quellen gefunden. Im Grunde-"
      Das war der Zeitpunkt, an dem Ezra mental abschaltete. Er hatte Stunden seiner Jugend damit verbracht, Henry zuzuhören, wie er über Steine sprach. Er konnte seine Theorien im Schlaf runterbeten. Im Grunde war Henry der Ansicht, dass es früher nur wenige große Steine gab, die zu mächtig für die Menschheit waren. Daher haben Menschen sie kleiner geschlagen und benutzbar gemacht. Alle Steine stammten laut ihm von einem einzigen, riesigen Grundstein ab. Wie genau man für diese Erklärung eine dreiviertel Stunde benötigen konnte, hatte Ezra noch nie verstanden, aber hey - es war ein wunderbares Thema zum Einstieg und wenn er das ganze als Jugendlicher aushalten konnte, konnte er Andrew nun auch ein wenig mit-leiden lassen, nicht?
    • Andrew

      Diese belebte, rauchige Bar erinnerte Andrew dermaßen an seinen Vater, dass er beim Eintreten einen kurzen Flash abbekam. Ezra trieb sich also in Pubs herum, das war doch irgendwie zu erwarten gewesen, spätestens als er seine Abneigung gegenüber Cafés kundgetan hatte.
      „Natürlich, Henry Cooper… freut mich, Sie endlich kennenzulernen. Ich interessiere mich selbst sehr für die Wissenschaft rund um Edelsteine, auch wenn dies immer nur ein Hobby für mich geblieben ist“, stellte er sich mit einem breiten Lächeln vor und schüttelte energisch die Hand des Mannes, die offensichtlich selbst aus Steinen bestand.
      „Ah… immer“, antwortete er Henry und starrte Ezra mit einem vielsagenden Lächeln an. „Er kann einfach nicht genug davon bekommen, anderen eine Freude zu bereiten“
      Sie setzten sich zu Henry an die Bar, wobei Andrew dummerweise den äußeren Platz nahm und Ezra nun zwischen sich und dem Historiker hatte. Nun, dumm für Ezra, denn Andrew lehnte sich im Laufe der Konversationen gewohnheitsbedingt immer weiter zu seinem Gesprächspartner, der sein Interesse geweckt hatte, als hätte man in seinem Inneren eine Flamme entfacht. Wieso hatte er darüber noch nie so gedacht? Henrys Theorien waren gigantisch. Wenn davon etwas wahr war, dann würde es Andrews Weltsicht für immer ändern.
      „Also… wie würden Sie erklären, dass die einzelnen Steine verschiedene Fähigkeiten haben?“, fragte er begierig. „Und haben Sie von dem Vorfall gestern Abend gehört? Eine gute Freundin von mir arbeitet derzeit an dem Fall und meint, es ist fast nichts über diesen Stein herauszufinden. Also… was denken Sie darüber? Angeblich hatte der Stein eine beachtliche Größe“
      Andrew bemühte sich, ganz natürlich zu wirken, doch in der Regel hatte er einen guten Draht zu Menschen, wenn er sich zum Ziel setzte, gemocht zu werden. Das war nun eben nicht seine größte Priorität im Leben. Doch hier war es gut, ein wenig mit dem offensichtlichen Wunsch nach Aufmerksamkeit und Bewunderung des alten Mannes zu spielen. Ezra ignorierte er derweil komplett, teils unabsichtlich, da er tatsächlich fasziniert von Henrys Worten war und ihm gerade so nicht an den Lippen hing.
      „Wissen Sie, wir sollten uns mal wieder unterhalten. Ihre Theorien sind atemraubend. Ich lasse Ihnen… meine Nummer hier“, meinte er und riss ein Stück Papier aus seinem kleinen Notizblock-für-unterwegs. Er kritzelte mit einem Kugelschreiber seine Telefonnummer darauf und schob es Henry zu. Networken nannte sich das. Nur, weil Immunität ausgemacht war, hieß das ja noch lange nicht, dass er sich zumindest Ezras nicht-kriminelle Kontakte privat zu Nutzen machen konnte.
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    • Ezra

      Natürlich. Natürlich verstand sich Andrew bestens mit Henry.
      Ezra klammerte sich an das Bier, das vor ihm auf den Tresen gestellt wurde und tat einfach so, als wäre er gar nicht da, während die beiden Exzentriker miteinander sprachen. Obwohl es zugegebenermaßen irgendwie erfrischend war, Begeisterung auf Andrews Gesicht zu sehen, vor allem, nachdem er eben noch so fertig ausgesehen hatte. Andrews Reaktionen waren weitaus spannender, als Henrys Theorien. Ezra lehnte sich selbst ein kleines bisschen zurück, als Andrew immer näher rutschte, um sich besser mit Henry unterhalten zu können. Vielleicht hatte er bei der Platzwahl doch einen kleinen Fehler begangen.
      Als die beiden schlussendlich Nummern austauschten, musste Ezra an sich halten, um nicht zu lachen. Es passte irgendwie einfach, auch, wenn er damit nicht gerechnet hatte. Er wusste nur nicht, ob das besonders gut, oder absolut desaströs war. Er tippte irgendwie auf Letzteres.
      "Daran arbeite ich noch", erklärte Henry auf Andrews erste Frage hin. "Meine laufende Theorie ist, dass es einen Ur-Stein gab, der alle Fähigkeiten beinhaltet hat. Die Fähigkeiten sind dann mit jedem kleineren Stein ist dann eine Fähigkeit ausgelagert worden. Ezra war früher ganz begeistert davon, einen Stein zu finden, der zwei unterschiedliche Fähigkeiten beinhaltet. Er hat immer genau hier auf der Theke gesessen und-"
      Oh nein. "Das ist ewig her", mischte sich Ezra ein, bevor Henry noch irgendetwas über seine Kindheit ausplaudern konnte, was Andrew auch nur ansatzweise Munition für neue, aufziehende Kommentare liefern könnte. Er konnte sich selbst noch zu gut daran erinnern, wie er als Kind auf der Theke gesessen und ungeduldig mit den Beinen gewippt hatte, während Henry die Steine testete, die er ihm mitgebracht hatte. "Außerdem haben wir nie so einen Stein gefunden", schob er nach. "Was uns wieder zu dem Stein in der Bank bringt. Wie Andy schon sagte, soll er relativ groß gewesen sein. Denkst du, das könnte so einer mit zwei Fähigkeiten gewesen sein?" Es war ein vollkommener Schuss ins Blaue. Ezra war sich mittlerweile sicher, dass Henrys Theorie in der Hinsicht nicht stimmen konnte. Eine Fähigkeit pro Stein. So war es schon immer gewesen.
      Henry schien darüber nachzudenken, während er sich auf die Theke stützte. "Möglich, aber ich denke nicht."
      "Aber du hast eine Theorie darüber, was für ein Stein das war, oder? Ich kenne den Blick." Ezra lächelte leicht.
      "Um meine Theorie über die kleineren Steine zu belegen, wollte ich nachschauen, ob es historische Aufzeichnungen darüber gibt, die Steine geteilt wurden. Dazu habe ich mich vor Jahren mal mit den größten bekannten Steinen in England beschäftigt. In mittelalterlichen Quellen wird sehr oft der 'Hwit Stein' erwähnt. 'Hwit' ist altenglisch für 'weiß', wohl seiner Farbe wegen. Der Stein war lange Zeit im Besitz der Königsfamilie, es wurde aber nie genau darauf eingegangen, was genau er kann. Auf jeden Fall verschwindet er irgendwann einfach in den Quellen. Ein Pergament nach dem anderen berichtet davon, wie der Stein für Schlachten genutzt worden ist und plötzlich hört die Berichterstattung einfach auf." Henry zuckte kurz mit den Schultern. "Als ich heute morgen von dem Diebstahl gelesen habe, musste ich sofort wieder an den Hwit Stein denken..."
    • Andrew

      Als Ezra Henry unterbrach, sobald dieser von seinen Kindertagen erzählen wollte, rollte Andrew die Augen. Er hätte das doch echt gerne gehört… Schließlich hatte er niemals behauptet ansatzweise besser als Ezra zu sein, wenn es darum ging ihn aufzuziehen. Naja, irgendwann würde er das aus Henry schon noch rauskriegen. Offenbar wusste er einiges und nicht nur über die Steine…
      "Hmm…", entwich es Andrew als er sich die Worte über diesen Riesenstein durch den Kopf gehen ließ. Er hatte noch nie von dem Ding gehört… Das klang ja auch alles eher nach einer Legende. Aber vielleicht fand Thomas noch etwas dazu im Stadtarchiv?
      "Es könnte also sein, dass gerade jemand im Besitz einer… mehr oder weniger Kriegswaffe ist, über die wir kaum etwas wissen?", fragte er vorsichtig. Das klang… nicht unbedingt gut. Was auch immer Andrew erwartet hatte, das war es nicht. Zu seiner Verteidigung war das alles aber auch ziemlich verwirrend. Wäre es nicht sinnvoll, wenn zumindest die Menschen, die im Sicherheitsdienst des Landes arbeiteten, von solch einer Waffe wussten? Dann hätte dieser Zwischenfall vielleicht vermieden werden können. Doch wenn man so darüber nachdachte, hatte all das wohl wieder politische Gründe, die das Wohl der Gesellschaft an unterster Stelle platziert hatten.
      "Wahrscheinlich hat sich deshalb das Innenministerium eingemischt", murmelte er und bemerkte dann plötzlich, dass er langsam seine Deckung aufgab. "Äh… also, das hat mir meine Freundin erzählt… die an dem Fall arbeitet. Anscheinend sind ihren Kollegen weitgehend die Hände gebunden. Wenn es hier um einen Stein geht, wie du beschreibst, wäre auch klar wieso"
      Geheimhaltung… für den Fall eines Kriegs? Damit England eine Geheimwaffe parat hatte? Aber was war dann mit den anderen Teilen dieses Ursteins passiert?
      "Ach… Henry… Sie haben nicht zufällig eine Idee, ob es noch mehr dieser riesenhaften Steine gibt… und wo?"
      In Andrews Kopf blitzte eine Idee auf, die ihm das Herz sinken ließ. Was… wenn man einen Urstein rekonstruieren konnte?
      "Und Sie denken doch nicht, dass es eine Möglichkeit gibt… Steine wieder zusammezusetzen?", murmelte er. Vielleicht sprach da eine zu ausgeprägte Fantasie aus ihm. Doch wenn das ausführbar war, hatte Ezra vielleicht doch bald seinen Stein mit zwei Fähigkeiten. Oder eine Apokalypse.
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    • Ezra

      Das klang tatsächlich weniger erfreulich. Ezra überschlug beiläufig die Beine und gab Andrew einen gezielten Tritt vors Schienbein, als dieser sich fast verplapperte. Er wagte es zwar zu bezweifeln, dass Henry großartige Schwierigkeiten mit einem Helden haben würde, aber er wollte nichts riskieren. Nicht, wenn sie ihn so wundervoll zum Reden bekommen hatten. Henry warf ihnen einen kurzen, misstrauischen Blick zu, schien aber nicht weiter nachfragen zu wollen.
      "In den Geschichtsbüchern tauchen mehrere Steine auf, oder Situationen, die nur mit Steinen erklärt werden können, aber wirklich große Steine findet man heutzutage nicht. Irgendwo hin müssen sie also verschwunden sein", erklärte Henry.
      "Wahrscheinlich in ähnlich gut geschützten Tresoren? Banken? Private Bunker und so?", mutmaßte Ezra.
      Henry hob eine Augenbraue. "Ich hörte, du wärst aus dem Steingeschäft ausgestiegen. Hab ich da was falsch verstanden?"
      Ezra schüttelte lachend den Kopf. "Nein. Deine Quellen sind wie immer vollkommen korrekt. Die Zeiten sind vorbei. Aber der Fantasie sind ja zum Glück keine Grenzen gesetzt."
      Henry sah nicht sonderlich überzeugt aus. "Naja, kann mir ja auch egal sein, aber falls du einen Stein in die Finger bekommst - lass es mich wissen."
      "Auf jeden Fall. Du bist für sowas doch immer meine erste Anlaufstelle gewesen."
      "Und gebt mir Bescheid, falls ihr jemanden findet, der verrückt genug ist, die Steine zusammen zu fügen. Meiner Ansicht nach müsste man sie dafür einschmelzen, aber niemand weiß, was dann passieren würde. Im Idealfall würden sich die Kräfte verbünden und man hat zwei in einem Stein. Im schlimmsten Fall würden sie komplett verloren gehen. Oder irgendwas würde in die Luft fliegen." Was wahrscheinlich der einzige Grund war, weshalb Henry seine Theorie noch nicht selbst getestet hatte.
      Ezra biss sich auf die Unterlippe. Gut, sie hatten jetzt einen Anhaltspunkt, ein paar Theorien und einen möglichen Weltuntergang, aber würde etwas davon ihnen wirklich weiterhelfen? Er warf einen kurzen Seitenblick zu Andrew, bevor er beiläufig auf seine Uhr sah.
      “Oh! Sorry, Henry. Ich realisiere jetzt erst, wie lange wir dich in Beschlag genommen haben. Das war nicht unsere Absicht!”
      Henry winkte gelassen ab. “Ach. Es ist ganz schön, nicht alleine hier sitzen zu müssen. Vor allem, wenn man so nett mit jemanden über meine Theorien diskutieren kann.” Er hob sein Glas kurz in Andrews Richtung. Ezra hatte das unangenehme Gefühl, das dritte Rad am Wagen zu sein. "Und es tut gut, dich ab und an nochmal zu sehen, Ezra. Das letzte mal, als du hier warst-"
      “Wir sollten trotzdem langsam gehen, oder, Andy?”, schnitt Ezra ihm das Wort ab, wohlwissend, dass 'das letzte mal' eine blutige Nase und ein zerbrochenes Bierglas beinhaltete, was er definitiv nicht mit dem Helden teilen wollte.
    • Andrew

      "Mh… ja, tut mir leid. Meine Frau kocht heute. Großes Familienessen. Und meine Cousine steht auf Ezra. Sie wissen ja, wie das ist… Auf keinen Fall zu spät kommen", erwiderte Andrew spielerisch und zwinkerte dem älteren Mann zu. Er hatte keine Ahnung, ob er wusste, wie das ist. Er wusste ja selbst nicht, wie das ist. Er hatte noch nicht einmal Cousinen.
      Nach einer kurzen Verabschiedung verließen sie die Bar, doch den Gestank nach Rauch und Alkohol trugen sie mit sich nach draußen. Sobald sie an der frischen Luft waren, meinte er zu Ezra: "Sorry, aber Lügen ist heute das einzige, das mir Spaß gemacht hat… Also… wir sollten ins Archiv, ich fahre" Andrew schwieg einen Moment.
      "Und wenn du mir erzählst, was beim letzten Mal in der Bar vorgefallen ist, verrate ich dir den Spitznamen" Er sah Ezra einen langen Moment verwegen in die Augen. "Ich weiß doch, dass es dich brennend interessiert" Er blies dem Blonden einen Luftkuss zu und lief voraus zum Auto.
      So viel er oberflächlich auch scherzen mochte, konnte Andrew dennoch nicht das mulmige Gefühl abschütteln, das ihn nun verfolgte. Solche Informationen waren nicht leicht zu verdauen. Nicht einmal als Held ist ihm so etwas bisher untergekommen. Aus irgendeinem Grund schien doch jeder einfach akzeptiert zu haben, dass Steine existierten, manche mächtiger, manche weniger, doch alles hatte seine Ordnung. Dieses System funktionierte so gut wie es eben konnte, denn Diebe würde es immer geben. Doch jetzt schien sich die ganze Welt auf den Kopf zu stellen. Wenn die Übeltäter tatsächlich versuchten, Steine zu verschmelzen… oder weitere dieser Kriegswaffen zu finden… dann wäre diese Geheimmission bald nur noch halb so spaßig. Nicht nur war der Ärger bereits absehbar, da seine Ermittlungen bestimmt bald eingestellt werden würden, sondern wusste er mit Sicherheit, dass er sich von dem Fall nicht abwenden können würde. Nein, er würde ihm keine Ruhe mehr lassen, bis er gelöst war.
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    • Ezra

      Andrew war definitiv in voller Fahrt und dabei selbst für Ezra zu schnell. Er hatte die Lüge zum Abschied noch nicht ganz verdaut, als Andrew ihm schon offenbarte, dass er seine abendlichen Pläne wohl vergessen konnte. Der Luftkuss war der krönende Abschluss, der Ezra dazu brachte, einfach kurz stehen zu bleiben und zu verarbeiten, was gerade passiert war. Er ließ Andrew eine Sekunde Vorsprung, bevor er wieder zu ihm aufholte. Er wusste nicht mal, womit er anfangen sollte.
      "Bist du dir ganz sicher, dass du fahren solltest? Ich will dir nicht zu nahe treten, aber du siehst aus, als wärst du seit zwei Tagen durchgehend wach." Und offensichtlich setzte langsam der Wahnsinn bei ihm ein, wenn er sich schon über das Lügen freute und sich dabei höchst kreativ eine komplette Familie aus den Fingern sog. Dachte Ezra zumindest. Er war sich semi-sicher, dass Andrew nicht verheiratet war. Das hätte er sicher irgendwann mal erwähnt, oder? "Ich meine, du musst furchtbar übermüdet sein, wenn du mir schon Luftküsse zuwirfst. Was sollen deine arme 'Frau' und deine 'Cousine' sagen, wenn du mich erst anflirtest und dann auf ein nettes, kleines Lern-Date entführst?" Irgendwie war es fast beruhigend, dass sie trotz der pausierenden Feindschaft nicht auf das gegenseitige Necken verzichten mussten. Das war das Einzige, was die Situation momentan rettete.
      Außerdem schien Andrew eine Vorliebe für aberwitzige Deals zu entwickeln. "Beim letzten mal hatte ich es furchtbar eilig", erklärte Ezra, während er seine Jacke zurecht rückte und überlegte, ob die Story es wirklich wert war, einen Kindheitsspitznamen aus Andrew heraus zu kitzeln. "Ich hab versehentlich ein Glas fallen lassen, hab mich beeilt, die Scherben aufzusammeln, hab mich an einer geschnitten und mich dabei dermaßen erschrocken, dass ich beim Hochkommen mit dem Kopf an die Thekenplatte gestoßen bin. So heftig, dass ich Nasenbluten bekommen habe. Statt eines kurzen Abschieds hab ich also eine halbe Stunde bei Henry gesessen, während der halbe Pub gelacht hat und die andere Hälfte so getan hat, als ob sie nicht lachen müsste. Es war furchtbar peinlich und hat mich lange Zeit in meinen Träumen verfolgt. Was es jetzt wohl auch wieder tun wird. Yay." Ezra ließ von seiner Jacke ab und sah zu Andrew. "Also? Welcher Name verfolgt dich in deine Traumata-Träume?"
    • Andrew

      "Hey, ich bin ein Vampir, ich brauche keinen Schlaf", gab er zurück, was an sich wohl irgendwie das Gegenteil bewies, aber dennoch stieg Andrew ins Auto und fuhr die beiden zurück in Richtung Stadtmitte. Er schmunzelte, als Ezra seine imaginäre Familie erwähnte. "Ich glaube dieses Lern-Date wird unterhaltsamer als jede Sekunde die ich mit meiner Ehefrau verbringen könnte", antwortete er ehrlich. Hätte er eine, würde diese wohl kaum eine Woche durchhalten ohne mit Scheidungspapieren um sich zu schmeißen. Dass Ezra nicht ganz begriff, ob er das vielleicht ernst meinte, ging ihm nicht einmal für eine Sekunde durch den Kopf. Von allen Menschen musste er bizarrerweise doch am ehesten den Durchblick haben.
      Gespannt wartete er auf eine spannendere Pointe in Ezras traumatischer Erlebniserzählung. Ein wenig enttäuscht meinte er dann: "Das ist doch nicht dein Ernst? Ist das was Neues, dass du dich an jeder Ecke stößt und dir dein eigenes Grab schaufelst?" Er schmunzelte. "Ich hatte eine bessere Story erwartet"
      Nach einer kurzen Pause und einem innerlichen Krieg seufzte Andrew und rückte endlich mit seinem Teil des Deals heraus. "Brille. Ein Kollege aus meiner Ausbildungszeit nennt mich bis heute… Brille" Er biss die Zähne zusammen, als er das aussprach. "Ich hatte eine… bis ich etwa 18 war. Also kannte der Kerl mich vielleicht einen Monat lang mit dem Ding. Hab mir die Augen lasern lassen und seitdem bin ich diesen dämlichen Namen nicht losgeworden… weil Richard Pierce irgendeine kranke Obsession mit mir hat" Erneut kam Andrew ein wenig in Rage. Die Müdigkeit begann doch noch an ihm zu zehren und resultiere in unkontrollierten Wellen der Wut. "Welcher Vollidiot verarscht denn seine Klassenkollegen 12 Jahre später noch mit einem Spitznamen, der nicht einmal Sinn macht?!"
      Zum Glück kamen sie beim Stadtarchiv an, bevor Andrew noch einmal in eine Tirade verfiel. "Wenn du mich jemals so nennst, bist du tot", murmelte er Ezra ernst zu und stellte den Wagen ab, bevor er ausstieg. Ein paar Schritte entfernt lehnte Thomas Downey an der Tür zu einem großen Altbau. Das Archiv selbst beherbergte nämlich nicht nur wichtige Dokumente, es befand sich auch in einem Gebäude unter Denkmalsschutz. Darum fühlten die Mitarbeiter da drin sich auch immer besonders toll. Hoffentlich war Leona um die Uhrzeit nicht mehr da.
      "Wolltest du nicht anrufen?", fragte Andrew seinen jüngeren Kollegen, als er ihm entgegen kam.
      "Ja… äh… mein Handy wurde… konfisziert"
      Das konnte doch alles nicht war sein. War deren Beziehung überhaupt einvernehmlich? Andrew runzelte die Stirn, akzeptierte jedoch sein Schicksal, da er ohnehin schon hier war.
      "Das… ist übrigens John. Wir sind Schulkollegen. Also bringen wir es schnell hinter uns, John will sicher nicht ewig im Stadtarchiv verweilen. Er hat keine Ahnung von diesem Kram", stellte er Ezra improvisiert vor. Glücklicherweise war das Foto in dessen Akte so alt, dass selbst Andrew ihn kaum wieder erkennen würde. Und bestimmt nicht Thomas, der ihn ohnehin noch nie in Person gesehen hatte.
      "Ach… freut mich, John", meinte Thomas verlegen und nickte dem Blonden freundlich zu. Büroarbeiter brauchten keine Social Skills. Schon garnicht, wenn sie regelmäßige Ausgangssperren von ihrer Freundin verhängt bekommen schienen.
      Die drei gingen hinein und glücklicherweise hatte Thomas seinen Job getan, denn am Schreibtisch lagen bereits ein paar Unterlagen und Dokumente ordentlich in 2 Umschläge sortiert, nachdem er sie vermutlich mühselig aus den Archiven zusammen gesammelt hatte. Naja, zumindest lag da tatsächlich etwas am Tisch. Nach dem Verlauf des heutigen Tages hatte Andrew mit allem gerechnet. Und wenn diese Dokumente gleich spontan Feuer fingen würde es ihn nicht mehr überraschen.
      "Also… was haben wir da?", murmelte er und schlug eine der Akten auf.
      "Ich hab nicht viel gefunden. Nur irgendetwas über einen recht großen Stein aus königlichem Hause von vor Ewigkeiten… bestimmt 100 Jahre her. Das war eine Höllenarbeit, diese Unterlagen zu finden. Aber eine Besitzurkunde ist dabei. Namen stehen auch drauf, aber die sind sowieso alle tot. Und irgendwann hören die Informationen auch einfach auf. Aber hier…" Thomas schummelte sich an dem Helden vorbei und öffnete den 2. Umschlag. "…geht es um einen Kerl aus den 1980ern, der wohl nach Polen ausgewandert ist. Hatte auch so einen Giga-Stein und es gab wohl 1983 einen Vorfall in der städtischen Grundschule. Die Tochter hat den Stein mitgenommen. Es ist nichts passiert, aber die Polizei ist dennoch eingeschritten. Ein Kind könnte so einen Stein bestimmt nie benutzen… ich denke es ging ihnen rein um die Existenz. Oder vielleicht die Tatsache, dass ein ein einfacher Mann etwas so Mächtiges im Privatbesitz hatte? Ein paar Wochen später hat der Vater, Kenneth Brown, mitsamt Tochter das Land verlassen. Ich glaube nicht, weil sie schon so lange Lust hatten in Polen zu leben. Beide waren gebürtige Engländer… über Generationen. Also tippe ich auf Flucht. Viel hat man über den Stein daher auch damals nicht herausgefunden. Also eine Sackgasse"
      Andrew konnte es nicht fassen. Das mochte vielleicht im weitesten Sinne eine Sackgasse sein, doch der Dunkelhaarige fühlte sich gänzlich erleuchtet. "Hm… Polen… Naja, schade", meinte er überspitzt. "Danke dir trotzdem für deine Hilfe. Ich hab's leider eilig" Er setzte ein entschuldigendes Lächeln auf.
      "Was… im Ernst? Das war's? Hat dir das alles gar nicht geholfen?", fragte Thomas ungläubig, denn in der Regel gingen bei Andrew nach seinen Recherchen immer die Lichter an. Das wäre ein erstes Mal, wenn er wirklich einfach abhauen wollte anstatt weiter nachzubohren. Aber Thomas wäre nicht Thomas, wenn er so etwas hinterfragen würde. "Dann… eh… sehen wir uns morgen im Büro", meinte er verwirrt.
      Andrew nickte energisch und schnappte sich beiläufig die Unterlagen. "Ich nehm die trotzdem mit. Du kriegst sie wieder", meinte er und zog Ezra hinter sich her aus dem Gebäude heraus, bevor Thomas noch etwas einwenden konnte, denn langsam hatte Andrew seine Gefallen aufgebracht, vor allem wenn es darum ging privat Dokumente aus dem Archiv zu leihen. Einer der Gründe für Leonas anhaltenden Hass auf den Helden.
      "Also… du weißt doch, was das heißt?", murmelte er dem Blonden versucht unauffällig zu. "Mehr große Steine in anderen Ländern? Würde mich wundern, wenn unsere Diebe nur hinter dem einen her sind, außer sie sind ziemlich faul, was nicht dem Profil entsprechen würde, nachdem da ganz schön viel Recherche dahinter steckt. Wer vom Hwit Stein weiß, hat ziemlich sicher auch was über diesen Polen herausgefunden, so wie wir"
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