The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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    • Ezra

      Okay, die Story mit dem Haus kam wahrscheinlich besser an, wenn es Alkohol statt Limo und Wasser gab. Und wenn ihre Beziehung vielleicht schon ein bisschen länger existierte. Oder er schwieg das Thema einfach tot und ging keine weiteren Risiken ein. Das war vielleicht ein ganz guter Ansatz.
      "Liz war ein halbes Jahr alt, als Ada bei mir eingezogen ist", bestätigte Ezra. "Adas Mann war...nicht sonderlich sympathisch. Ich hab ihn persönlich nie kennen gelernt, aber Ada hat sich regelmäßig bei mir ausgeheult. Irgendwann ist er betrunken ein paar Treppen runtergestürzt und hat sich das Genick gebrochen." Seit dem achtete Ezra stets darauf, nicht an einem Treppenabsatz zu stehen, wenn er sich mit Ada streiten sollte. Aus...vollkommen unabhängigen Gründen, natürlich. "Sie war froh, ihn los zu sein, ihre Schwiegereltern haben sie aus dem Haus geworfen und so ist sie bei mir eingezogen. Sämtliche Miete, die sie mir zahlt stecke ich entweder unauffällig in ihre Tasche zurück, oder zahle ich auf einem Sparbuch für Liz ein." Was immer absolut selbstverständlich gewesen war. Ada war mit ihm und Cal aufgewachsen, sie würden sich nie im Stich lassen und er würde garantiert keine Miete von ihr fordern.
      "Liz ist absolut überzeugt davon, dass Ada und ich Geschwister sind und will keine andere Erklärung akzeptieren, also leben wir irgendwie damit." Er musste selbst kurz lachen. Richtig gestört hatte ihn das nie. Ada war eh irgendwie Teil der Familie, wenn auch nicht offiziell und Liz war ihm definitiv näher, als seine Neffen, von denen er bis vorgestern nicht mal gewusst hatte, dass es sie gab. Gott, er war dabei gewesen, als die Kleine ihre ersten Schritte gemacht hatte. Er hatte Ada geholfen, Liz abzulenken, als sie den ersten verlorenen Zahn unter ihrem Kopfkissen gegen Geld austauschte. Sowas verbindet. "Ich geb dir zwei Wochen, bevor sie dich auch in die Familie integriert." Und das war ziemlich großzügig gerechnet, gemessen daran, dass sie eh schon ein Fan von Andrew war. Vielleicht half die Erfahrung mit den Kindern seiner Cousine ja, sich schneller in der ungewollten Onkel-Rolle zurecht zu finden. "Ein Kind ist auch deutlich ruhiger, als vier", schob er mit einem sanftem Lächeln hinterher, als würde es Andrews Schicksal irgendwie besser machen.
    • Andrew

      Ezra musste der gutherzigste Mensch sein, den er kannte. "Ich denke, alle Kinder sind ruhiger, als Amelia's", meinte er und zwang sich, seine Zweifel herunterzuschlucken. Er hatte Liz kennengelernt. Sie war süß. Sie stellte vielleicht etwas viele Fragen für seinen Geschmack, aber das machte sie mit einem Lächeln wett. Amy's Kinder waren das Gegenteil von süß, sie waren die Teufelsbrut. Warum, wusste er nicht, weil seine Cousine nicht wie jemand schien, der seinen Kindern alles durchgehen ließ und auf die Erziehung den Hut geschmissen hatte. Sie konnte das alles eigentlich sehr gut, sie hatte wohl bloß Unglück mit den Genen ihres Mannes gehabt, oder so.
      Vielleicht… brachte es ja etwas, wenn er ein wenig mehr Zeit mit Liz verbrachte. Ezra wollte bestimmt nicht morgen losziehen und mit ihm drei Kinder adoptieren. Dazu kannte er ihn glücklicherweise gut genug, auch wenn sie sich offenbar nochmal neu kennenlernen mussten, auf eine ganz anderen Ebene. Dass ihnen jetzt schon irgendwie alles sehr schnell zu gehen schien obwohl sie sich seit neun Jahren kannten, sagte ja eigentlich alles. Und er wollte bestimmt selbst erst wieder die Balance in seinem Leben finden. Wer wusste schon, wie sie in fünf Jahren darüber dachten? Es war nicht so, als würde eine biologische Uhr ticken, sie hatten also alle Zeit der Welt. Andrew hatte nicht vor, nächste Woche wieder abzuhauen. Und nachdem er nie über die Möglichkeit nachgedacht hatte, irgendwann selbst Kinder zu haben, konnte es ja sein… dass er sie eigentlich wollte, wenn er mal überhaupt Zeit mit einem Kind verbracht hatte um das einschätzen zu können. Und wenn nicht… dann musste er hoffen, dass Ezra Hunde Kindern gleichsetzte. Er war zwar ein Katzenmensch, aber daran konnte er sich zumindest gewöhnen ohne im Prozess die Psyche eines kleinen Menschen zu zerstören.
      "Ich weiß nicht, ich glaube es könnte ein Deal-Breaker für sie sein, dass ich kein Cornflakes esse", sagte er dann, um die Stimmung etwas aufzulockern, bevor eine Hand über den Tisch schob und sie auf Ezras legte, während er den Kopf in die andere stützte.
      "Ich hab irgendwie das Gefühl, dass es noch genug Dinge gibt, die ich nicht über dich weiß und die nichts mit Lebensplänen zu tun haben. Wie wärs, wenn du… mir erzählst, wann und wieso du Stricken gelernt hast?" Er schmunzelte. Dann zog er seine Hand zurück und begann zu essen.
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    • Ezra

      "Je nachdem, ob sie etwas von dir will, oder nicht, kann sie dir die Sache mit den Cornflakes auch vergeben", antwortete Ezra mit einem kleinen Lachen, bevor Andrew endlich eine Frage fand, die tatsächlich vollkommen ohne Kriminalität oder Kinde beantwortet werden konnte. Auch wenn die begleitende Pose in Ezra den Wunsch weckte, sich einfach über den Tisch zu lehnen und ihn zu küssen. Leider hielt ihn nur das Essen davon ab.
      "Ich brauche etwas zu tun, wenn ich nachdenke, oder nervös werde", erklärte Ezra. So oft, wie er in den letzten Tagen mit seinem Ring gespielt hatte, war das Andrew mittlerweile wahrscheinlich auch schon aufgefallen. "Früher hab ich immer angefangen, mir den Saum von meinen Pullovern aufzuzupfen, oder hab irgendwelche Spielsachen zerlegt und irgendwann hat Niamh vorgeschlagen, dass ich diese Energie genau so gut für ein kreatives Hobbie nutzen könnte. Also hab ich mich durchprobiert. Häkeln, stricken, Origami - absolut nicht meins, übrigens. Ich glaube, ich hab ein halbes dutzend Freundschaftsbändchen für Niamh und ihre Freundesgruppe geknüpft." Vielleicht wollte seine Schwester auch einfach seine überschüssige Energie zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Obwohl es tatsächlich geholfen und so manchen Pullover vor einem vorzeitigen Ende bewahrt hatte. Und offensichtlich war es ein wundervolles Thema für ein Date. Wenigstens nichts, worüber man sich großartig den Kopf zerbrechen musste.

      Die restlichen Gespräche verliefen nach dem holprigen Anfang zum Glück deutlich entspannter. Es war schön zu wissen, dass ein Date - auch, wenn das hier ja theoretisch noch kein offizielles war - mit Andrew sich einfach normal anfühlen konnte. Am Ende fand Ezra es wieder fast traurig, dass sie aufgegessen und gezahlt hatten. Er hätte noch ewig sitzen und reden können.
      Auch die Autofahrt konnte ihn nicht optimistisch stimmen. Er hielt sich zurück, Andrew zu fragen, ob er sich nicht nochmal Gedanken darüber machen wollte, doch direkt bei ihm zu bleiben, auch, wenn es wirklich schwierig war, das Thema nicht anzusprechen. "Ich freue mich wirklich auf morgen Abend", sagte er stattdessen, während er aus dem Beifahrerfenster hinaus auf die vertrauten Londoner Straßen sah. Vielleicht wäre er zuhause ja so abgelenkt, dass der nächste Tag schnell rum ging. Er hatte definitiv genug Gesprächsstoff für Ada auf Lager und wusste noch nicht so richtig, womit er anfangen sollte.
      "Hast du dir schon einen Film ausgesucht?", schob er schließlich fragend hinterher, während er wieder zu Andrew sah.
    • Andrew

      Natürlich war ihm aufgefallen, wie Ezra immer mit seinen Fingern spielte, an seinem Ring drehte oder an den Enden seiner Pulloverärmel zupfte, wenn ihn irgendetwas beschäftigte. Dass er stattdessen mit dem Stricken angefangen hatte, fand Andrew süß und war definitiv eine ressourcenschonende Art, mit seiner Nervosität umzugehen, anstatt irgendetwas kaputt zu machen. Da hatte Niamh gute Arbeit geleistet. Vielleicht sprang früher oder später mal etwas Selbstgemachtes für Andrew dabei heraus. Zum Glück hatte dieses Thema den Abend dann auch noch in die richtige Richtung gelenkt. Andrew hatte die Herausforderung unterschätzt, jemanden kennenzulernen, den man schon ewig kannte. Aber es beruhigte ihn, dass sie beide keine Lust mehr hatten, Themen zu zerkauen, für deren Besprechung es bessere Zeitpunkte geben würde.

      Auf der Heimfahrt musste Andrew sich schon mental darauf vorbereiten, sich von Ezra zu verabschieden. Es war vermutlich dringend notwendig, eine kurze Zeitspanne auseinander zu verbringen, denn er verspürte eine enorme Angst, dass dem Blonden etwas zustoßen würde, wenn er nicht jede Sekunde genau neben ihm stand und das konnte so wirklich nicht weitergehen. Er sah das also… einfach mal als Training an, um wieder eine normale Beziehung zu ihm aufbauen zu können und sich daran zu gewöhnen, dass nicht ständig der Tod um jede Ecke lauerte, obwohl er sich da gar nicht so sicher sein konnte. Aber er musste es versuchen.
      "Es gibt alle paar Tage ein Autokino auf einem großen Messe-Parkplatz, der nicht weit von meiner Wohnung ist. Dort spielen sie meistens alte Klassiker, also… morgen beispielsweise Breakfast at Tiffany's oder Der weiße Hai. Fürs Retro-Feeling" Er schmunzelte. "Wenn ich ehrlich bin, tendiere ich zu… allem, das kein Horrorfilm ist, also hoffe ich, dass du ein Audrey Hepburn Fan bist"
      Zumindest konnten sie bei dem Film auch mal etwas unaufmerksamer sein, ohne großartig etwas zu verpassen. Autokinos hatten da so ihre Vorteile.
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    • Ezra

      "Ich fürchte, ich muss gestehen, dass ich Breakfast at Tiffany's noch nie gesehen habe, also trifft sich das vielleicht ganz gut", antwortete Ezra mit einem kleinen Lächeln. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern, den Film je gesehen zu haben, anders als beim Weißen Hai, den er gesehen hatte, als er definitiv zu jung für das Thema gewesen war. Am Ende war es aber irgendwie sowieso egal, welchen Film sie wählen würden, zum einen plante er nicht, sich sonderlich auf den Film zu konzentrieren, zum anderen verbrachte er einfach gerne Zeit mit Andrew. Was irgendwie das Stichwort war, als selbiger vor seinem Haus hielt. Ezra war fast versucht, einfach nicht auszusteigen und doch direkt mit zu Andrew zu fahren, aber...das konnte wirklich nicht gesund sein.
      "Also dann. Bis morgen, Darling." Er zwang sich zu einem kleinen Lächeln, bevor er sich zu Andrew herüber lehnte und ihm einen Abschiedskuss gab.

      Das wirklich Schöne an seiner Wohnsituation war, dass Ada und Liz es tatsächlich schafften, ihn seine Trennungsängste kurz vergessen zu lassen.
      Liz hatte einiges aus den letzten Tagen nachzuholen - Beschwerden über Mitschüler, ein neuer verlorener Zahn, Bilder, ein neues Plüschtier und so viele zusammenhanglose Geschichten, dass selbst Ada irgendwann etwas überfordert aussah - dass Ezra die nächsten Stunden damit beschäftigt war, in Adas Wohnzimmer zu sitzen und zu beobachten, wie Liz dramatische Szenen mit dem Kater nachspielte, der so aussah, als ob er lieber gerade woanders wäre. Ezra konnte es dem armen Tier nicht verübeln. Glücklicherweise schien Liz irgendwann das Interesse an ihren eigenen Geschichten zu verlieren, weshalb sie sich schließlich verabschiedete, um in ihrem Zimmer zu spielen.
      Ada war weitaus weniger enthusiastisch dabei, die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Ezra brachte sie so gut es ging auf den aktuellen Stand der Dinge und beobachtete, wie sie mit jedem Satz ein wenig besorgter aussah. Am Ende hatte sie keinen einzigen Schluck von dem Kaffee in ihrer Hand getrunken.
      "Das ist...eine Menge", fasste sie am Ende knapp zusammen, während sie auf den Kaffee starrte, als ob er die Antwort für all ihre Sorgen parat hätte. "Ich kann nicht glauben, dass du in Frankreich als Volksheld gefeiert wirst", fügte sie schließlich hinzu, als ob das der abwegigste Teil seiner Zusammenfassung gewesen wäre. "Was haben Cal und Nia dazu gesagt?"
      "Noch nichts", antwortete Ezra. Von ihm aus konnte das auch so bleiben.
      "Ich glaube, ich muss Cal gleich mal anrufen. Ich brauche jemanden, mit dem ich dich psychoanalysieren kann." Ada blinzelte kurz, bevor sie endlich an ihrem lauwarmen Kaffee nippte. "Andrew auch. Ich weiß gar nicht, wer von euch beiden den größeren Knall hat", schob sie schließlich hinterher. "Bist du dir wirklich sicher mit der Beziehung?"
      "Absolut", antwortete Ezra, ohne nachzudenken. Das war mit Abstand die einfachste Frage, die sie stellen konnte. Kinderplanung hin oder her - er brauchte Andrew in seinem Leben. Sie waren gerade mal ein paar Stunden getrennt und er warf jetzt schon alle paar Sekunden einen Blick auf sein Handy, um zu sehen, ob er eine neue Nachricht von ihm hatte.
      Ada stieß ein unsicheres "Mhm" aus. "Ich wünsche euch wirklich viel Glück. Vielleicht tut ihr euch ja gegenseitig gut."

      Ezra wusste nicht ganz, ob Andrew ihm gut tat. Er hatte relativ lange wach gelegen, sein Kopf zu voll zum Schlafen. Er freute sich auf ihr Date. Er vermisste Andrew neben ihm im Bett. Er hatte keine Ahnung, ob er für morgen etwas mitnehmen sollte. Wäre es aufdringlich, wenn er sich eine Tasche zum Übernachten fertigmachen würde? Oder sollte er Andrew anbieten, mit zu ihm zu kommen?
      Er wusste nicht, wann er vom Schlaf übermannt worden war, aber die kreisenden Gedanken gingen nahtlos weiter, als er aufwachte. Gefühlt sah er alle fünf Minuten auf die Uhr, nur darauf wartend, dass es endlich Abend wurde. Ezra ignorierte Adas stichelnde Bemerkungen, als er sich ein klein bisschen zu früh eine Jacke anzog und danach wieder auf die Uhr starrte. Er drückte sie zum Abschied, bevor er das Haus verließ und Andrews Wagen auf Anhieb fand. Er gab Andrew nicht mal die Chance zum Aussteigen und ließ sich einfach auf den Beifahrersitz fallen. "Hey. Ich hab dich wirklich mehr vermisst, als ich sollte", merkte er zur Begrüßung an, bevor er sich über die Konsole in der Mitte lehnte und ihn für einen Kuss an sich zog.
    • Andrew

      Der Abschiedskuss war alles, woran er sich die nächsten 24 Stunden klammern konnte. Andrew fuhr nachhause, überlegte alle 10 Meter wieder umzudrehen oder Ezra zumindest anzurufen, um ihn zu fragen, ob er noch am Leben war. Was, wenn Jelena die Chance nutzte, sie ausspionieren ließ und einen dieser Typen mit Pistole auf sie hetzte? Was, wenn seine Wohnung eigentlich in Schutt und Asche lag oder hinter der Türe jemand darauf wartete, ihm ein Messer in den Hals zu stechen? Die Gedanken nahmen kein Ende und beinahe traute er sich nicht, seine Wohnung aufzuschließen. Umso beruhigter war er, als es ganz genau so aussah wie vor seiner Abreise. Er schaltete das Licht ein und betrachtete das Chaos, das er zurückgelassen hatte. Kleidung, die auf dem Bett verstreut lag, der Geschirrspüler war voll mit gebrauchtem Geschirr und ja, er hatte tatsächlich eine Tasse Kaffee stehen lassen. Also legte er mit dem Aufräumen los. Am Ende hatte er sogar die Pflanzen neu positioniert im Stress, den er wegen morgen Abend schon verspürte. War es nicht irgendwie merkwürdig, das so zu planen? Heute Vormittag war ihm das total natürlich vorkommen aber er hatte irgendwie seine Zweifel, ob sie nicht beide zu sehr in ihren Köpfen stecken würden, wenn sie planten miteinander zu schlafen. Andrew bemerkte, wie er anfing mit den Zähnen zu knirschen, als er sein Bett anstarrte und überlegte, welchen Bettüberzug er auswählen sollte. Das erschien ihm dann der perfekte Moment, um zu duschen und zu versuchen, abzuschalten. Gott, hatte er seinen Wasserdruck vermisst. Nicht zu stark, nicht zu schwach. Irgendwann begann man wirklich die einfachsten Dinge zu lieben. Die Zeit verging wie im Flug und als er sich ins Bett fallen ließ, war er so müde, dass er sich kaum Sorgen machen konnte. Aber offenbar immer noch genug, um davon zu träumen.

      Morgens aus einem Traum aufzuwachen, der einen bereits auf das Versagen später am Tag vorbereitete, war nicht, was Andrew sich gewünscht hatte. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, bloß fetzenweise kamen die Erinnerungen zurück, während er sich morgens fertig machte, aber ein Gefühl blieb definitiv zurück. Sein Traum hatte offenbar jede Angst verkörpert, die er gestern Abend so gehabt hatte. Ihr Date hatte eine merkwürdige Stimmung, anschließend wollte Ezra nichts mehr mit ihm zu tun haben und dann starb er auf dem Heimweg, oder so etwas in die Richtung. Es brachte in jedenfalls nicht in die Richtung Stimmung, gleich im Büro bei seiner Ex-Arbeitgeberin anzutanzen und für sich selbst zu werben, um seinen Job wiederzubekommen. Aber man tat, was man tun musste.
      Bei seiner Ankunft hatte er zumindest nicht erwartet, eine gewisse Person an seinem ehemaligen Schreibtischplatz sitzen zu sehen. Ihm fiel fast die Kinnlade herunter.
      "Na? Wie war's in Paris? Romantisch?" Richy drehte sich in Andrews altem Schreibtischstuhl herum und betrachtete ihn mit einem ekelhaften Grinsen.
      "Was machst du hier?", presste Andrew hervor.
      "Arbeiten. Die Frage ist, was machst du hier?"
      Andrews Augen weiteten sich. Arbeiten? Was sollte das heißen? Bevor er anfangen konnte, ihn zu beleidigen – und ihm fielen genügend Worte dafür ein – zog man ihn plötzlich am Arm zur Seite. Es war Serena, die aus der Kriegszone holte und im Büro des Sergeants unterbrachte. Sie zog die Türe zu und durchbohrte ihn mit vorwurfsvollen Blicken.
      "Kommst du jetzt erst darauf, den Job nicht ohne Widerrede aufzugeben? Verdammt, du hast hier 10 Jahre gearbeitet. Sie kann dich nicht fristlos kündigen, wenn du nichts angestellt hast", meckerte Serena ihn sofort an, als wäre er ihr unfähiges Teenager Kind. Andrew antwortete nicht, er starrte ein wenig betreten gegen die Wand. Die Dunkelhaarige bemerkte das natürlich und riss die Augen weiter auf. "Was? Was hast du angestellt?", zischte sie. Bevor er den Mund öffnen konnte, kam der Sergeant herein. Sie sah perplex zwischen den beiden hin und her bevor sie Serena rausschickte und Andrew einen Platz anbot.
      "Danke", murmelte er und setzte sofort an, seinen Tedtalk zu beginnen, als er saß. "Sie sollten sich wirklich überlegen, mich wieder einzustellen. Ich- ja- ich hab mich da in etwas eingemischt, das mich wohl nichts anging, aber ehrlicherweise haben wir- habe ich in den letzten Tagen mehr herausgefunden als jede Behörde. Sie müssen Undercover Leute losschicken. Ich vermute, dass es von diesen Steinen und Anschlägen noch viele mehr gibt und wir- ich weiß auch, wer für die Diebstähle verantwortlich ist. Wenn Sie mich nur arbeiten lassen und mir die richtigen Ressourcen geben, könnten wir viel mehr tun. Es war ein Hinterhalt, der sie gezwungen hat, mich zu feuern. Das war nicht rechtmäßig, Sergeant, ich-"
      "Halten Sie die Luft an", unterbracht die Frau ihn und strich sich entfernt über die Schläfen. "Ich weiß. Ich weiß, dass das nicht rechtmäßig war. Aber ich kann sie nicht wieder einstellen. Glauben Sie mir, ich würde gerne. Aber wir sind für diese Geschichte nicht zuständig. Darum sagte ich Ihnen ja, halten Sie sich raus. Jetzt haben wir den Salat"
      Andrew war von der Aussage mit dem Salat fast überraschter, als vom Rest, aber er zwang sich, konzentriert zu bleiben. "Sie wussten es? Wieso können Sie mich nicht wieder einstellen?", fragte er verwirrt.
      "Das… das kann ich Ihnen gerade nicht sagen. Aber bitte warten Sie doch einfach ein paar Tage. Entspannen Sie sich… das war eine tolle Aktion in Paris, ruhen Sie sich doch erstmal aus"
      Andrews Stirn lag in so vielen Falten, das man sie nicht mehr zählen konnte. Ausruhen? Was schwafelte die Frau da? Er hatte schon immer wahnsinnig viel Respekt für den Sergeant gehabt, aber gerade überlegte er, ob sie an einem Schlaganfall litt. Oder Demenz. Zumindest stimmte irgendetwas in ihrem Hirn nicht. "Bei allem Respekt, ich bin arbeitslos. Ich bin nicht… unbedingt entspannt, nachdem ich den einzigen Job verloren habe, den ich jemals machen wollte", erwiderte er und musste nervös lachen, weil ihm diese Unterhaltung bizarr vorkam.
      Die Rothaarige sah ihm etwas verzweifelt entgegen und Andrew dachte wirklich, sie verlor gerade den Verstand.
      "Ich weiß, dass sie… vielleicht verwirrt und überwältigt sind. Nehmen Sie sich ein paar Tage Zeit. Leider kann ich Ihnen gerade nicht weiterhelfen" Damit schob sie ihren Sessel zurück und stand auf, um Andrew aus der Tür zu begleiten. Er sah sie ungläubig an. Nach einigen Sekunden stand er dennoch widerstandslos auf und verließ ihr Büro. Irgendwie… wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte ihn angeschrien und ihm vorgeworfen, schlecht in seinem Job zu sein. Was sollte das heißen, sich ein paar Tage Zeit nehmen? Wofür denn? Um in die Armut zu kippen?
      Auf dem Weg aus dem Büro wurde er von Richard noch nicht einmal belästigt, was ihm irgendwie den Rest gab. Vielleicht war er über Nacht in ein Paralleluniversum gereist, ohne es zu merken.

      Zuhause saß er elendig lange herum und ließ die Zeit verstreichen. Alles, was er gerade wollte, war Ezra zu sehen. Verrückterweise schien er die normalste Sache in seinem Leben zu sein. Vielleicht verlor er ja auch selbst den Verstand. Die Stimmlage des Sergeants hatte das jedenfalls vermuten lassen. Und hatte man allen Ernstes Richard ins 28. Dezernat versetzt? Genau, wenn er gefeuert wurde? War das ein schlechter Witz? An SEINEM SCHREIBTISCH?
      Andrew wollte den Kopf gegen eine Wand knallen. Um irgendwie klarzukommen, beschloss er am Ende, Sport zu machen. Er zog sich den Anzug aus, eine Jogginghose und eine Windjacke samt seiner alten Sportschuhe an und rannte einfach los. Er lief durch die Straßen, bis in einen Park, indem er bestimmt zwei Stunden lang Runden drehte, bevor er sich in ein ihm bekanntes Café setzte und dort eine Weile ausruhte. Danach ging es ihm besser. Sollte er wirklich einfach ein paar Tage lang entspannen, bevor er sich nach einem anderen Job umsah? Irgendwie bezweifelte er, das er das zustande brachte. Er schaffte es nicht einmal, heute zu entspannen. Und je früher er nach einer Arbeit suchte, desto früher hatte er hoffentlich auch Geld, um seine Miete weiterhin zu bezahlen. Er hatte nicht unbedingt genug gespart, um monatelang durchzukommen.

      Gegen Abend stand Andrew vor der kompliziertesten Entscheidung seines Lebens. In Unterwäsche, frisch rasiert und rundum mit Aftershave bedüftelt stand er vor seinem Schrank. Gehoben oder Leger?
      Ein Date sprach in seinen Augen für einen Anzug, allerdings gingen sie nicht in ein Restaurant, sondern saßen in seinem Auto und wenn er sich dann nur einmal zu Ezra beugte, konnte er sich von seinem Sakko gleich verabschieden. Es wurde also eine Buntfaltenhose und ein lockeres weißes, langärmeliges Hemd. Zur Sicherheit legte er sich auf den Rücksitz einen Cardigan, falls er nicht mit Winterjacke im Auto sitzen wollte, aber die Heizung ließ er sowieso am Weg zu Ezra vollgas laufen, damit es dann auch nicht zu kalt war. Als er vor seinem Haus stand betrachtete er sich noch einmal kurz im Rückspiel und fuhr sich durch die Haare, als Ezra bereits einstieg und ihn ein wenig überwältigte. Er hatte ihn noch anrufen wollen, um Bescheid zu geben, dass er rauskommen konnte. Aber so ging es natürlich auch.
      "Hi", sagte er und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Der Ausdruck puren Stresses verließ endlich sein Gesicht. Er erwiderte seinen Kuss glücklich. "Oh, du willst garnicht wissen, wie es mir ging", merkte er dann an und erinnerte sich zum Glück nur noch schwach an seinen Traum. "Du siehst gut aus", sagte er dann, während er den Wagen wieder startete und Richtung Autokino fuhr. Natürlich waren sie wunderbar früh dran, wie es sich für ein Date gehörte. Im Laufe der Fahrt fiel ihm dann zum Glück etwas ein.
      "Oh, mach mal das Handschuhfach auf", sagte er. Heute waren es keine Blumen geworden. Aber er kreuzte zu ihrem ersten richtigen Date nicht mit leeren Händen auf. Er hatte am Weg eine kleine Tafel Schokolade gekauft.
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    • Ezra

      "Du musst mit den Geschenken aufhören, Baby. Du schraubst meine Erwartungshaltung zu weit nach oben." Ezra konnte gar nicht aufhören zu lächeln, als er die Schokolade in den Händen hielt. Seine, nach dem Flug leider etwas ramponierten, Blumen standen mittlerweile auf Ezras Wohnzimmertisch und brachten ihn jedes mal kurz zum Grinsen, wenn sie an ihnen vorbei lief. Wenn Andrew sich nicht aufs Fahren konzentrieren müsste, hätte er ihn direkt nochmal geküsst. Alleine der Kommentar zu seinem Aussehen hätte dazu schon gereicht. Ezra hatte sich damit abgefunden, neben Andrew immer ein bisschen underdressed auszusehen - er wusste nicht mal, ob er überhaupt ein Hemd besaß - und er hatte das Gefühl gehabt, furchtbar müde auszusehen, als er eben an einem Spiegel vorbeigegangen war. Am Ende hatte er sich einfach für den Pulli entschieden, der am besten saß und sonst wieder auf Jeans und Sneaker gesetzt.
      "Ich hab Kekse für dich dabei. Frisch gebacken in der Hoffnung, dass du neben Blumen auf nichts anderes allergisch reagierst. Und ich hab eine Thermoskanne mit Kaffee parat. Ein bisschen spät dafür, aber..." Er zuckte leicht mit den Schultern, während er in die Richtung seiner Tasche nickte. Eigentlich war das ganze auch irgendwie ein bisschen Taktik gewesen. Genug erklärbare Dinge einpacken, um eine Tasche zu rechtfertigen, ohne dabei darauf eingehen zu müssen, dass er mit dem restlichen Inhalt der Tasche eine Nacht bei Andrew verbringen könnte. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn sie einfach etwas an ihrer Kommunikation gefeilt hätten, aber ihre Beziehung war immerhin noch in ihren zehnjährigen Anfängen. Das würde sich bestimmt irgendwann geben. Hoffentlich.
      "Fandest du es auch seltsam, nach der ganzen Aufregung einfach Zeit zu haben?", fragte er, während er zu Andrew sah. "Ich hatte zwischendurch immer kurz Momente, in denen ich gar nicht so richtig wusste, was ich tun sollte, weil es irgendwie nichts zu tun gab. Das hatte ich sonst nie." Es war ihm zwischenzeitlich ein wenig so vorgekommen, als hätte er alle seine Hobbys in den letzten Tagen vollkommen vergessen. Was hatte er mit seinem Tag angefangen, bevor er zwei mal von Nadia attackiert worden war? Bevor er nur darauf gewartet hatte, Andrew wiederzusehen? Bevor er regelmäßig Nachrichten nachgelesen hatte, um sicher zu gehen, dass Nadia noch im Gefängnis saß und kein anderer Anschlag verübt worden war? Er konnte sich momentan irgendwie gar nicht vorstellen, sich einfach ein Buch zu nehmen und zu lesen, oder Ada auf die Nerven zu gehen, wenn er nichts zu tun hatte.
    • Andrew

      "Du kennst mich, ich kann zu jeder Tages und Nachtzeit Kaffee trinken", gab er zurück und war absolut geschmeichelt davon, dass Ezra daran gedacht hatte. Ein besseres Geschenk konnte man ihm kaum machen. Und er hatte im Ernst selbst Kekse gebacken? Andrew wünschte sich gerade, etwas besser darin zu sein, seine Gefühle auszudrücken. Stattdessen versuchte er Ezra ganz viel positive Energie zu senden, weil ihm das irgendwie noch mehr lag, als in Freudentränen auszubrechen, was gemessen an seiner inneren Gefühlslage wahrscheinlich sein Reaktion wäre.
      "Oh, ich finde es immer seltsam, Zeit zu haben", sagte er. "Ich bin schon überfordert, wenn ich zehn freie Minuten habe. Ein ganzer Nachmittag? Ich bin heute drei Stunden lang laufen gegangen, um irgendwie die Zeit zu überbrücken" Er hatte früher ziemlich viel Sport gemacht und heute wirklich gemerkt, dass seine Ausdauer ein wenig nachgelassen hat. Der Job hat ihn zwar immer aus Trab gehalten, aber von der Intensität der Bewegung hatte er definitiv früher mehr, als er regelmäßig trainiert hat. Vielleicht war die ganze Freizeit ja ein Zeichen dafür, damit wieder anzufangen.
      "Oh, ich bekomme meinen Job übrigens nicht wieder", erzählte er schlussendlich. Er würde ja doch nicht drum herum kommen. Er musste es einfach loswerden. Und danach… würde er versuchen damit abzuschließen, auch wenn es eine Weile dauern würde. "Der Sergeant meinte, dass sie wusste, dass sie mich nicht hätte feuern sollen und trotzdem kann sie mich nicht einstellen. Wieso? Keine Ahnung. Sie meinte, ich soll mir ein paar Tage lang 'Ruhe gönnen und mich entspannen'. Ich weiß nicht, in welchem Film die Frau lebt"
      Die passiv-aggressiven Anführungszeichen mit seinen Fingern waren nicht annähernd genug, um seine Wut und Verwirrung auszudrücken, aber er wollte den Abend auch nicht damit voll quatschen, wie lebenszerschmetternd er die Aussagen des Sergeants empfunden hatte.
      Er holte kurz Luft, bevor er dann final sagte: "Jedenfalls werde ich das vielleicht tun. Für ein paar Tage. Und dann melde ich mich bei anderen Dezernaten. Vielleicht… suche ich mir auch eine Therapiestelle und… du bringst mir Stricken bei, oder sowas"
      Damit versuchte er sich wirklich nur selbst zu trösten. So richtig überzeugt war er von der Idee nicht, aber vielleicht überlegte der Sergeant es sich in den nächsten Tag ja noch anders, oder so, und wollte sich selbst etwas Zeit zum Nachdenken geben, worüber auch immer. Zumindest war das seine kleine Hoffnung.
      "Das beste ist ja, dass sie Richard anscheinend meine Stelle gegeben hat", murmelte er dann noch zu sich selbst. Er spürte die Wut wieder in sich aufkeimen und wechselte sogleich das Thema. "Und, wie geht es Ada?"
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    • Ezra

      Ezra schaffe es gerade so, ein Lachen mit einem kleinen Hüsteln zu überspielen, als Andrew vorschlug, dass er ihm Stricken beibringen könnte. Handwerkeln war definitiv absolut nichts für Andrew. Zu viel 'sitzen und auf kleine Knötchen starren' und zu wenig 'selbstmörderisch durch die Gegend rennen'. Obwohl die Vorstellung irgendwie niedlich war.
      "Ada hat einen kleinen Läster-Zirkel mit Cal gegründet und ich bekomme jetzt laufend skurrile Fragen gestellt. Wenn ich antworte nickt sie meistens nur mit dem Kopf und tippt dann direkt auf ihrem Handy, also...ich denke, ihr geht es gut", antwortet er amüsiert, während er bewusst den Teil übersprang, in dem Ada nicht sonderlich überzeugt von ihrer Beziehung war. Er war sich sowieso halb sicher, dass das mehr an Adas generellen Abneigung gegenüber Beziehungen lag, als an ihm und Andrew. Bestimmt.
      "Das mit deinem Job tut mir leid. Aber vielleicht tut dir ein bisschen Ruhe wirklich gut", griff er schließlich Andrews Karriere wieder auf. Es war offensichtlich, dass Andrew über die vorläufige Arbeitslosigkeit alles andere als begeistert war, aber nach dem Stress der letzten Tage war es vielleicht wirklich nicht verkehrt, einfach mal nichts zu tun, so seltsam es sich auch anfühlte.
      "Vielleicht hilft dir ja irgendein anderes Hobby weiter. Sport ist doch schon mal ein guter Anfang. Irgendwann fällt ihnen bestimmt auf, dass Richard die Stelle nicht halb so gut besetzt, wie du es getan hast und dann klopfen sie schon bei dir an. Ich meine, irgendwas kann da ja nicht richtig laufen." Ezra sprach ein kleines bisschen optimistischer, als er sich selbst fühlte. Das Gespräch war komisch. Irgendwie machte es keinen Sinn, jemanden wissentlich grundlos zu feuern, nur um ihn selbst dann nicht wieder einzustellen, wenn er praktisch ein ganzes Land gerettet hatte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass die Dezernate sich um Andrew reißen würden. Vielleicht war es ganz gut, dass Andrew die Stelle nicht wiederbekam.
      "Wir können ja regelmäßig zusammen joggen gehen, wenn du willst. Bei dir weiß ich wenigstens, dass du mithalten kannst", schlug er abschließend amüsiert vor. "Und wenn du es doch schaffen solltest, mich irgendwann zu überholen, hab ich wenigstens einen netten Blick auf deinen Hintern. Win-Win, würde ich sagen."
    • Andrew

      Er warf Ezra ein kleines dankbares Lächeln zu. Auch wenn er versuchte, ihn optimistischer zu stimmen, wusste er wohl genauso gut, wie eigenartig das alles war und wie niedrig seine Chancen nun realistischerweise standen, seinen alten Job wieder zu bekommen. Aber… Neuanfänge konnten auch ganz in Ordnung sein, wie er sich einredete. Klar, er würde nicht dort arbeiten, wo sein Vater sein halbes Leben verbracht hatte. Aber dann musste er sich eben seine eigenen Fußstapfen formen. Mit Ezra zusammen laufen zu gehen klang außerdem wie die beste Idee, die er seit langem gehört hatte. Im Prinzip hatten sie die letzten Jahre auch nichts anderes getan, als zusammen wöchentliche Workouts zu machen, also war das sicherlich ein guter Anfang, um wieder etwas altbekannte und doch neue Routine in sein Leben zu bringen.
      "Oh, ich seh schon. Du hast dich also nur hin und wieder fangen lassen, um einen besseren Blick auf alles zu bekommen", stieg er auf den Scherz ein. Es wäre ja irgendwie witzig, wenn Ezra das tatsächlich getan hätte. Und so abwegig kam Andrew das nicht einmal vor. Er wirkte verrückt genug, um für sowas seine Freiheit aufs Spiel zu setzen. Aber, naja, wenn er ihn mal gefangen hatte, war das auch immer Andrews Highlight der Woche gewesen.
      "Ohne dreckige Tricks und auf einer geraden Strecke würde ich dich sowieso weit hinter mir lassen", sagte er dann und zwinkerte ihm zu. Er war immer noch überzeugt davon, dass Ezras Geschummel der einzige Grund war, warum er ihm entkommen war. Aber er würde ihm ja hoffentlich in Zukunft keinen Sand mehr ins Gesicht werfen, außer sie hatten einen Strandurlaub in Sicht. Und plötzlich wusste Andrew ganz genau, wo er niemals mit Ezra Urlaub machen wollte.
      Sie kamen endlich auf dem großen Parkplatz an, früh genug, um beinahe in der ersten Reihe vor der großen Leinwand zu stehen. Andrew zog die Handbremse, ließ aber den Motor noch rennen, um weiter zu heizen. Er lehnte sich zurück und drehte den Kopf zu seinem Beifahrer.
      "Ich hab dich wirklich vermisst", sagte er auf einmal ehrlich. "Ist das nicht irgendwie seltsam? Ich hab ständig Angst, dass dir irgendetwas passiert" Er lächelte leicht. "Aber eigentlich kannst du ziemlich gut auf dich selbst aufpassen. Normalerweise…"
      Die letzten zwei Geschehnisse ausgeschlossen. Er legte eine Hand auf Ezras Oberschenkel. Am liebsten würde er ihn jede Sekunde berühren, um immer zu wissen, dass er genau neben ihm war.
      "Ich hab keine Lust mehr auf diese gefährlichen Aktionen. Ich will, dass wir normale Sorgen haben und nicht, wo oder wann wir angegriffen werden könnten", sagte er leise und lehnte den Kopf zurück. Sogar die Sache mit den Kindern war eine Diskussion, die er liebe führen wollte. Zumindest… war das wirklich etwas, mit dem normale Paare sich auseinandersetzen mussten.
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    • Ezra

      "Erwischt", seufzte Ezra dramatisch, bevor er selbst lachen musste. Er hatte die meiste Zeit aufrichtig versucht, irgendwie zu entkommen, aber wenn Andrew ihn erwischt hatte, hatte er manchmal irgendwie auch nicht so viel dagegen gehabt, gegen die nächste Wand gedrückt zu werden. Was man ihm sicher nicht verübeln konnte, oder? Andrew war heiß, durchtrainiert und am Ende immer ein aufrichtiger Freund gewesen, wie hätte Ezra da nicht weiche Knie bekommen sollen, wenn er von ihm festgehalten wurde? Den selben Effekt hatte er auch in all den Jahren nie verloren.
      Einen ganz ähnlichen Effekt hatte Andrew auf ihn, als sie im Autokino ankamen und er wieder ernster wurde. Ezra lächelte leicht, während er seine Hand auf Andrews legte und das leichte Kribbeln in seinem Oberschenkel ignorierte. "Ich glaube, du bist die erste Person, die ich kenne, die davon ausgeht, dass ich auch nur ansatzweise auf mich selbst aufpassen kann", scherzte er, bevor er sich zu Andrew herüber lehnte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte. Das wäre wahrscheinlich ein furchtbar unpassender Moment um zu erwähnen, dass er sich am Backblech verbrannt hatte, Minuten, nachdem er Liz ermahnt hatte, nicht an das Backblech zu kommen.
      "Das kommt alles noch", versprach er schließlich deutlich ernster. "Nadia ist vorerst ausgeschaltet und ich kann mir vorstellen, dass Jelena es als öffentliche Person nicht ganz so leicht haben wird, mal eben jemand anderen auf uns anzusetzen." Obwohl er sich jetzt, wo er es so aussprach, auch nicht mehr ganz sicher war. Hatte Jelena neben Nadia noch Kontakte, die bis nach England reichen würden? Über Andrews Sicherheit machte sich Ezra weniger Gedanken - er war die letzten Tage zumindest gruselig kompetent gewesen und der Feuer-Stein war nicht zu unterschätzen - aber er konnte absolut nachvollziehen, dass er keine Lust mehr auf die ständig drohende Gefahr hatte. Ezra selbst könnte auch den Rest seines Lebens verbringen, ohne sich je wieder um Jelena und ihre Auftragsmörderin kümmern zu müssen.
      "Ich freue mich fast schon auf unsere ersten normalen Probleme. Ich tippe auf eine Meinungsverschiedenheit über irgendeinen Film, oder so. Du wirst Star Wars blöd finden, ich find es gut und dann reden wir einen Tag lang nicht, bevor du einsiehst, das du unrecht hast und dich entschuldigst." Er grinste Andrew entgegen, bevor er sich erneut zu ihm herüberlehnte und ihn küsste. "Bis dahin musst du halt einfach in meiner Nähe bleiben und wir passen auf einander auf."
    • Andrew

      Andrew kam nicht umhin, sich zu fragen, warum Ezra nicht auf sich selbst aufpassen könnte. Schön, er war ein bisschen ungeschickt. Manche Fallen hatten ihm mehr geschadet als Andrew. Aber trotzdem wusste er mit seinen Steinen umzugehen und konnte sich bestimmt verteidigen, wenn er angegriffen wurde. Und wenn es auch nur mit seinen Tricks war. Dafür brauchte es ebenfalls einen Könner. Vielleicht redete Andrew sich das auch nur ein, um sich weniger zu Sorgen zu machen. Er würde Ezra jeden Tag wieder retten, wenn er musste, aber wenn er mal nicht da war… dann konnte er hoffentlich überleben, bis er es war.
      "Sag sowas nicht, sonst kann ich dir wirklich nie wieder von der Seite weichen", murmelte er und schmunzelte dann leicht, auch wenn er nicht scherzte.
      Sie konnten nur hoffen, dass Ezra recht hatte und Jelena nicht die Kapazität hatte, sie hier auch noch grundlos zu verfolgen, wenn sie mit ihrer Steinsuche nichts mehr zu tun hatten. Aus purem Hass konnte sie doch nicht ihre Deckung gefährden, oder? Andrew unterschätzte sie allerdings vielleicht immer noch ein wenig.
      Als Ezra ihm einen Vorgeschmack auf ihre 'normalen Probleme' gab, musste er wieder grinsen. "Du denkst, ich bin derjenige, der nachgibt?", fragte er amüsiert. Insgeheim wusste er aber ganz genau, dass er das sein würde. Als wäre ihm irgendetwas wichtig genug, um tatsächlich einen ganzen Tag lang sauer auf ihn zu sein. Nach spätestens zehn Minuten würde er auf seinen Knien um Vergebung betteln, wenn er es überhaupt so weit kommen lassen würde, dass Ezra nicht mehr mit ihm sprechen wollte. Aber das musste er ihm ja jetzt noch nicht verraten.
      "Ich wette, du könntest keine zwei Minuten sauer auf mich sein, wenn ich mich ausziehe" Okay, das hatte er gerade laut ausgesprochen. Auch gut. Auch wenn das vielleicht eher auf ihn selbst zutraf. Er zog für eine Sekunde die Augenbrauen hoch und starrte Ezra demonstrativ an, bevor er sich wieder abwandte und den Motor ausmachte, bevor sie hier drin verkohlten.
      "Du weißt es, ich weiß es. Akzeptieren wir es", sagte er und lehnte sich wieder zurück, ehe er sich dann doch dazu entschloss Ezra noch einen Kuss aufzudrücken, bevor der Film begann.
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    • Ezra

      Irgendwie fühlte es sich auf eine gute Weise schräg an, wenn Andrew so offen und aufrichtig zurück flirtete. Daran würde Ezra sich wohl noch ein wenig gewöhnen müssen. "Oh ich bitte dich. Ich hab neun Jahre darauf gewartet, dich ausziehen zu dürfen. Drei Minuten schaffe ich locker", antwortete er mit einem Grinsen auf den Lippen und der Gewissheit, dass selbst zwei Minuten schon eine echt lange Zeit sein würden. Andrew würde sich wahrscheinlich nicht mal richtig ausziehen müssen, um einen Streit zu beenden. Die Vorstellung alleine genügte schon, um Ezras Gedanken vollkommen durcheinander zu bringen.
      Wenigstens schienen sie schon mal ein paar kreative Lösungsansätze für ihre zukünftigen normalen Probleme zu haben, auf die sie sich absolut einigen konnten.

      Eigentlich hatte Ezra nicht vorgehabt, sich groß auf den Film zu konzentrieren, nachdem er Andrew Kaffee und Kekse in die Hand gedrückt hatte, musste er allerdings feststellen, dass der Film seine Aufmerksamkeit doch weitaus besser einfing, als er gedacht hatte. Sicher, er hatte zwischendurch genug Zeit, die ein oder andere Szene zu kommentieren, oder sich für einen Kuss zu Andrew herüber zu lehnen - es würde nie etwas geben, was wichtiger wäre, als Andrew zu küssen - aber insgesamt bekam er viel mehr von der Story mit, als er gedacht hatte. Vielleicht war Andrews Hang zu Klassikern doch gar nicht so unbegründet.
      "Wie kommt es eigentlich, dass du dich bei solchen Filmen auskennst, aber alles moderne für dich absolutes Neuland ist?", fragte er amüsiert, während er entspannt mit Andrews Fingern in seiner Hand spielte. "Ich meine, klar, so viel wie du arbeitest wird die Zeit knapp, aber bist du nie neugierig geworden, wenn jeder über einen bestimmten Film geredet hat?" Er selbst hätte das nicht ausgehalten. Die meisten seiner Filmempfehlungen hatte er von Bekannten, oder aus dem Netz. Sobald genug Leute über irgendetwas redeten, wurde er automatisch neugierig. Was vielleicht nicht gerade für ihn sprach, wenn er so genau darüber nachdachte.
    • Andrew

      Dass jemand jemals diese Worte zu ihm sagen würde, hatte Andrew auch nicht gedacht. Neun Jahre darauf warten, ihn auszuziehen? Ihn durchfuhr bei dem Satz ein Kribbeln im ganzen Körper. Ezra wusste wohl nicht, wie absolut verrückt und gleichzeitig schmeichelnd das klang. Und vermutlich konnten nicht viele von sich behaupten, neun Jahre lang auf jemanden zu stehen und am Ende tatsächlich noch eine Beziehung mit der Person zu führen. Zwischendurch musste es da ja On und Off Phasen gegeben haben, oder hatte er in der gesamten Zeitspanne keine Beziehungen mit anderen geführt? Das konnte Andrew sich kaum vorstellen. Und wenn doch, musste ihm jemand eine Auszeichnung verleihen. Und Andrew musste jemand zurück auf den Boden holen.

      Seine Hand in Ezras erforderte tatsächlich drei Viertel seiner Aufmerksamkeit und ein Viertel reichte nicht ganz, um die Szenen des Films in seinem Gehirn so richtig zusammenzusetzen, aber nachdem er ihn bereits gesehen hatte, konnte er später zumindest so tun, als hätte er aufgepasst. Doch anscheinend begann Ezra langsam zu hinterfragen, wie er solche alten Schinken kennen konnte, alles andere jedoch nicht. Wenn er das selbst nur wüsste.
      "Das eine oder andere hab ich in meinem Leben schon mitbekommen, aber mich hat das neue Zeug nie so brennend interessiert, dass ich mich alleine zuhause hingesetzt und es angeschaut hätte", schmunzelte er. Sich alleine einen Film anzusehen hatte nicht wirklich einen Reiz für ihn. In seinem Depressionsloch vor einigen Wochen war es zumindest eine nette Ablenkung gewesen, aber er brauchte normalerweise keine Ablenkung in seinem Leben, sondern Stoff, der ihn fokussierter machte. Kaffee. Auch wenn er sich vorstellen konnte, die nächsten paar 'entspannten Tage' mit Filmmarathons zu verbringen.
      "Andere Frage. Wie kommt es, dass du alles kennst? Haben deine Tage 30 Stunden?", fragte er ihn zurück. Klar, er hatte wohl hauptsächlich Nachts 'gearbeitet', aber hatte er sonst den ganzen Tag in 28 Jahren nichts anderes getan, als jeden Film anzusehen, der existierte? Immerhin kamen ja auch jährlich dutzende neue heraus. Andrew erschloss sich nicht, wie Ezra noch irgendetwas anderes in seinem Leben machen konnte, außer fernzusehen, wenn er irgendwie alles kannte. Klassiker offenbar ausgeschlossen. Sie waren wirklich wie zwei Mengen, die sich in keinster Weise überschneiden wollten.
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    • Ezra

      "Alles kenne ich auch nicht. Nur die wirklich bekannten Filme. Ich hab früher viele mit meinen Geschwistern geschaut und sobald Liz angefangen hat, die Nächte durchzuschlafen, hab ich Filmabende mit Ada gemacht. Außerdem lasse ich immer irgendeinen Film im Hintergrund laufen, wenn ich aufräume." Was bedeutete, dass er die Filme nicht immer ganz mitbekam, aber wenn man ganz ehrlich war, war das bei den meisten beliebten Filmen eh nicht sonderlich schlimm. Ab und an gab es sogar den gegenteiligen Effekt, dass er an einem Film hängen blieb und das Aufräumen vollkommen vergaß. Über die Jahre bekam man so zumindest einen ziemlich soliden Stamm an Filmen zusammen und die Wohnung blieb fast durchgehend sauber.
      "Ich hab auch noch eine ganze Menge an Filmen auf meiner Liste, die ich irgendwann schauen muss. Ich glaube, bei Klassikern bin ich dir allerdings deutlich unterlegen", fügte er schließlich hinzu, bevor er aus einer Laune heraus kurz Andrews Hand hob und einen Kuss auf den Handrücken drückte. "Dafür kann ich dank Liz Arielle komplett fehlerfrei alleine synchronisieren. Wichtige versteckte Talente und so." Er lachte kurz, während er ihre Hände wieder sinken ließ und sein Blick wieder zur Leinwand wanderte.
      "Hab ich dich eigentlich je gefragt, ob du einen Lieblingsfilm hast?", fragte er schließlich. Es war irgendwie komisch, das nicht zu wissen. Sie kannten sich seit fast zehn Jahren, Andrew hatte in den letzten Tagen zwei mal sein Leben gerettet, aber diese absolut einfache Frage konnte Ezra nicht beantworten. Seltsamerweise fiel es ihm irgendwie schwer, sich Andrew als richtigen Fan von irgendeiner Serie oder einem Franchise vorzustellen. Selbst ihr kleiner Harry Potter Marathon wirkte immer mehr wie ein Vorwand, mehr Zeit miteinander zu verbringen, statt wie ein tatsächliches Interesse an den Filmen selbst. Nicht, dass Ezra sich irgendwie darüber beschweren würde.
    • Andrew

      Der flüchtige Kuss war schon wieder eines dieser Dinge, die Ezra nicht einfach tun sollte, wenn sie gerade ein Gespräch führten. In Andrews Kopf herrschte in der Sekunde nämlich immer komplette Leere. Es war fast wie eine Therapie. Aber nicht praktisch, wenn man sich erinnern wollte, was der andere gesagt hatte. Langsam interessierte Andrew aber auch der Film auf der Leinwand nicht mehr. Der Abstand, der zwangsweise im Auto zwischen ihnen bestand, ging ihm auf die Nerven. Er lehnte bereits so sehr in Ezras Richtung, dass er davon bestimmt Rückenschmerzen bekommen würde, aber das war es wert, wenn er dafür nur einige Zentimeter näher bei ihm sein konnte.
      "Irgendwann lasse ich mir deine Version von Arielle vortragen", kündigte Andrew an, der Ezra lieber mal verschwieg, dass er vermutlich keinen einzigen Disneyfilm kannte, außer den ganz alten, die man ihm zur Beschäftigung als Kind vorgespielt hatte. Auf Kassette. Bambi kannte er zumindest. Allerdings hatte er tatsächlich eine Art 'Lieblingsserie', wenn man das so nennen konnte. Zumindest kehrte er immer wieder zu Gilmore Girls zurück, wegen seiner Mutter, aber das wusste Ezra ja bereits und er hatte nach einem Film gefragt. Ihm fiel nichts ein. Rein garnichts. Hatte ihn irgendetwas wirklich so vom Hocker gehauen, dass er es seinen Lieblingsfilm nennen konnte?
      "Vielleicht… Some Like it Hot. Den fand ich… ganz witzig", meinte er und lächelte entschuldigend. Zumindest hatte der Film relativ gute Chancen, in Ezras Wissensrepertoire zu sein.

      Als der Film endete, konnte Andrew stolz sagen, etwa 20 Prozent davon aktiv mitbekommen zu haben. Zum Glück war das Date sehr viel besser gelaufen, als seine merkwürdige Traum-Vision. Jetzt stand er allerdings vor einer ganz neuen Herausforderung. Als alle Autos begannen, sich vom Parkplatz zu bewegen, fuhr auch er langsam los. Eine Weile konnte er ja ganz stur gerade ausfahren, aber dann stellte sich die Frage, wo er später abbiegen sollte. Und wie fragte er Ezra das jetzt, ohne aufdringlich zu wirken oder die wunderbare Atmosphäre mit einer implizierenden, ungeschickten Frage kaputt zu machen? Sollte er einfach mal zu sich nachhause fahren und davon ausgehen, dass Ezra damit einverstanden war? Das wirkte irgendwie auch merkwürdig. Oder er fuhr ihn nachhause und wartete dann darauf, reingebeten zu werden. Genauso komisch.
      "Also… ich… hab zuhause eine Flasche Wein, wenn du… falls du noch mitkommen möchtest", meinte er dann. Und daraufhin bemerkte er, dass 'noch mitkommen' nicht wirklich eine Möglichkeit war. Entweder Ezra übernachtete bei ihm oder er fuhr ihn später noch nachhause, weil er schließlich derjenige mit dem Auto war und er Ezra nicht unbedingt in ein Taxi zwingen wollte. Es wäre wohl doch irgendwie charmanter gewesen, ihn einfach direkt nachhause zu fahren. Gleichzeitig hasste er sich dafür, sich darüber so viele Gedanken zu machen. Aber wenn Ezra es sich anders überlegt hatte, konnte er ihn auch schlecht einfach wortlos in seine Wohnung zerren und dann nicht mehr nachhause bringen.
      "O-oder ich fahre dich nachhause", fügte er leicht nervös hinzu.
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    • Ezra

      Ezra hatte tatsächlich weitaus mehr von dem Film verfolgt, als er gedacht hätte. Insgesamt war er irgendwie ganz süß, fast ein bisschen, wie die kitschigen Bücher, die er las. Generell war das ganze Date weitaus entspannter gewesen, als er befürchtet hatte. Sie schienen sämtliche unangenehme Themen erfolgreich vermieden zu haben und als Andrew anfuhr hatte Ezra das Gefühl, dass die Beziehung vielleicht doch leichter sein könnte, als gedacht. Zumindest bis Andrew mit seinem Vorschlag direkt wieder ihre Grenze antestete. Gott, Ezra war froh, wenn sie aus dieser seltsamen Phase ihrer Beziehung raus sein würden und er selbst wissen würde, wie er antworten sollte, ohne groß darüber nachdenken zu müssen.
      Konnte er flirten, oder interpretierte er zu viel in die Frage hinein? Sie waren in Paris schon drauf und dran gewesen, zusammen ins Bett zu fallen, wenn der Wecker sie nicht unterbrochen hätte, also gab es hier überhaupt die Möglichkeit zur Fehlinterpretation? Eigentlich war alles ziemlich eindeutig, aber bei ihrer seltsamen Vorgeschichte war Ezra sich nicht ganz so sicher. Eigentlich war er fast froh, dass Andrew das Thema zuerst ansprach, er selbst hatte keine Ahnung, wie er es sonst geschafft hätte, das Date noch nicht enden zu lassen. Wahrscheinlich hätte er sich genau so einen Vorwand ausgedacht, um Andrew noch irgendwie mit sich nach Hause zu bekommen.
      “Wein klingt gut”, stimmte Ezra zu. “Und, ähm, also je nachdem, wo der Abend uns hinführt, hab ich eventuell genug Sachen bei, um eine Nacht bei dir zu bleiben?” Am Ende klang es fast mehr, wie eine Frage, als wie eine Aussage, oder gar ein Flirt. Andrews Nervosität schien ein bisschen auf ihn selbst abzufärben, was seltsam war, weil die Tatsache, dass er Andrew datete ihn eigentlich irgendwie entspannen sollte. Andrew war schlimmere Flirts von ihm gewöhnt und hatte definitiv genug seiner Tiefpunkte miterlebt, um zu wissen, worauf er sich einließ.Sie hatten eben noch übers Ausziehen gescherzt. Eigentlich sollte der restliche Abend einfacher sein. “Also, ohne Druck oder so”, fügte er hinzu.
    • Andrew

      Ohne Druck. Klar, das war der Plan gewesen. Es fühlte sich aber alles nicht so entspannt an, wie Andrew es gerne hätte.
      „Okay, ja, da… hast du ja gut voraus geplant“, sagte er etwas überfordert und merkte dann, dass er sich wie ein Professor anhörte, der seinen Schüler lobte, also hing er noch dran: „Ich… hab ehrlich gesagt auch was mit“ Er lachte leicht, in der Hoffnung die Situation aufzulockern.
      Dass Ezra offensichtlich schon damit gerechnet hatte, mit zu ihm zu kommen, beruhigte ihn seltsamerweise etwas. Zumindest hatten sie den selben Gedanken gehabt und das ‚Warten bis zum ersten richtigen Date‘, über das sie gestern noch gescherzt hatten, beide durchaus ernst genommen. Vielleicht war die Nervosität ja normal. Es lasteten irgendwie recht viele Erwartungen auf diesem Moment, nicht? Das war wohl der Nachteil daran, sich ewig zu kennen.
      Jedenfalls hatte Andrew noch nicht das Gefühl, den Erwartungen ansatzweise gerecht zu werden, wenn er so unglaublich gestresst war. Es war ein Teufelskreis aus Stress und demzufolge Erwartungen-nicht-erfüllen und andersrum.
      Er erwischte sich dabei, wie er mit dem Zeigefinger unruhig aufs Lenkrad tippte. Oh Gott, seit wann tat er das? Er zwang seine Hand zur Ruhe und hoffte, dass Ezra es nicht mitbekommen hatte. Irgendwie hatte das alles gestern Vormittag noch weitaus einfacher auf Andrew gewirkt. Impulsive Entscheidungen zu treffen lag ihm wirklich besser. Bei allem anderen bestand die sehr reale Gefahr, in einem Strudel aus Gedanken zu versinken. Realistisch betrachtet konnte doch aber nicht viel schief gehen, richtig? Klar, sie hatten ungefähr den intimsten Moment vor sich, den man haben konnte, mal ganz abseits davon, jemanden vor dem Tod zu retten… Hoffentlich machte Ezra sich einfach weniger Sorgen und konnte ihn mit seiner entspannten, lockeren Art später anstecken. Bei genauerem Überlegen musste er sich aber leider eingestehen, dass er selbst normalerweise der entspanntere von ihnen war. Was eigentlich… schon eine ziemliche Leistung war. Sie waren beide nicht gerade die Ruhe in Person.
      Nachdem Andrew sein Auto abstellte und die Tür aufsperrte, um Ezra vor ihm ins Haus zu lassen, hatte er eine Idee. „Hey, hast du Lust auf ne Runde Wahrheit oder Pflicht?“, fragte er, als er hinter ihm die Treppen hinauf stapfte. Das war vielleicht nicht seine romantischste Idee des Tages, aber es war definitiv etwas, das sie schon einmal aufgelockert hatte. Und so konnte er vielleicht ein bisschen die unrealistischen Erwartungen seinerseits abschalten und sich auf etwas konzentrieren, das Ezra und ihn verband: Sie konnten verdammt viel Spaß haben. Heute gab es jedenfalls keine Einschränkungen.
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    • Ezra

      Andrews erste Reaktion verunsicherte Ezra ein wenig. Für eine Sekunde befürchte er, doch irgendwie zu schnell zu sein, dann lockerte Andrews kleine Beichte, ebenfalls was für eine Übernachtung dabei zu haben, die Stimmung auf. Ezra musste sogar ein wenig mitlachen. Irgendwie schienen sich mit ihnen wirklich die zwei Richtigen gefunden zu haben. Wenigstens war es irgendwie nett, dass die Situation sie beide zu überfordern schien.

      Ezra war bisher erst ein Mal kurz in Andrews Wohnung gewesen und hatte damals zu viel Sorgen um die anstehenden Reise gehabt, um sich im Nachhinein viel davon gemerkt zu haben. Irgendwie hatte er sie größer in Erinnerung. Er konnte immer noch nicht ganz nachvollziehen, wie jemand wie Andrew es auf diesem kleinen Raum aushielt, aber…zum einen war das hier sicherlich eine Frage der Finanzen und zum anderen schätzte er, dass Andrew wahrscheinlich sowieso selten hier war. Zukünftig vielleicht etwas öfter, gemessen daran, dass er jetzt keinen Job mehr hatte - außer er würde die zusätzliche Zeit einfach bei Ezra verbringen. Oder war das wieder zu weit gedacht?
      “Naja, das letzte mal, als wir das Spiel gespielt haben, hat es mit einem Date geendet, also bin ich schon irgendwie gespannt, wo es uns diesmal hinbringt”, antwortete Ezra amüsiert. Da diese Version im Gegensatz zu ihrer ersten Runde offensichtlich Alkohol beinhaltete, konnte es eigentlich nur besser werden. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem Ezra wieder automatisch fürchten würde, zu weit zu gehen, weil ihm gerade überraschend viele Fragen und Pflichten einfielen, die nicht ganz jugendfrei waren.
      “Ich hoffe, du weißt, worauf du dich einlässt.” Er versuchte, möglichst entspannt zu klingen, während er Andrew zuzwinkerte. Das hier war eine vollkommen normale Situation und was auch immer passieren würde - er wusste, dass Andrew ihn nicht einfach sitzen lassen würde. Genau so, wie er nicht weniger von Andrew denken würde, wenn irgendetwas nicht ganz seinen Erwartungen entsprach. Dafür war eine Beziehung doch schließlich da, oder? Einander irgendwie kennenlernen, mit allen Facetten.
      "Du fängst an”, verkündete er schließlich mit einem kleinen Lächeln, während er zusah, wie der Dunkelhaarige den Wein und zwei Gläser aus einem Schrank kramte. “Wahrheit oder Pflicht?”
    • Andrew

      Drinnen angekommen bemerkte Andrew etwas, das ihm in all den Jahren nicht so richtig aufgefallen war. Er hatte kein Sofa, denn den Platz dafür nahm sein gigantisches Bett ein. Dementsprechend lud er Ezra ein, sich auf einen der beiden schwarzen Barhocker zu setzen, die an einer schmalen Kücheninsel standen, die die Küche vom Rest des Raumes abtrennte. Er hatte wirklich selten Gäste, die nicht auf direktem Wege in sein Bett fielen, aber das war definitiv nicht, was er heute vorhatte. Allerdings war er fast überrascht davon, wie gemütlich es hier drin aussehen konnte, wenn er sich mal Mühe beim Aufräumen gab.
      Er nahm zwei Weingläser aus seinem Regal und schenkte nach einem kurzen fragenden Blick einen Chardonnay ein, bevor er sich neben den Blonden setzte und in seine Richtung drehte und einen Schluck aus seinem Glas nahm. Er überlegte. Der Abend war so schön gewesen, dass er irgendwie das Verlangen hatte, noch weiter mit Ezra zu reden, egal worüber. Gut, er hatte sich noch nicht allzu viele Gedanken über die Sache mit den Kindern gemacht, also vielleicht nicht unbedingt darüber. Aber nach einem Glas Wein wäre er vermutlich auch bereit, über Ezras kriminelle Höchstleistungen zu quatschen. Vielleicht wäre es gut, langsam zu beginnen und dann ein bisschen Alkohol intus zu haben, bevor er das Spiel so wirklich ausnutzte, wie sie es sich in Paris bestimmt beide auf die ein oder andere Art überlegt hatten.
      "Wahrheit", sagte er. Wobei Ezra sich vermutlich auch da interessante Dinge ausdenken konnte, auf die er nicht gekommen wäre. "Halt dich nicht zurück", sagte er grinsend.
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