The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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    • Ezra

      Für immer neben Andrew zu schlafen klang wie etwas, womit er sich spielend leicht abfinden könnte. Er hatte sowieso nicht vor, den Brünetten so schnell wieder aus den Augen zu lassen und jede Sekunde die sie miteinander verbringen konnten, ohne dabei um ihr Leben fürchten zu müssen, schien ihm wie ein kleines Geschenk. Okay, Einschränkung - jede Sekunde zusammen, abzüglich derer, in denen Andrew offensichtlich direkt nach dem Wachwerden aufstehen konnte, was vollkommen unmenschlich und bestimmt hochgradig ungesund war. Immerhin musste er Ezra nicht zwei mal sagen, dass er liegen bleiben sollte. Er hatte absolut kein Verlangen danach, sich auch nur einen Schritt aus dem Bett raus zu bewegen. Ein Gähnen unterdrückend, drehte Ezra sich zur Seite, um nach den Schmerztabletten zu greifen, die auf seinem Nachttisch lagen und sich eine einzuwerfen - im Anbetracht seiner Lunge und der Hand hielt er dies durchaus noch für vertretbar.
      Als Andrew nur mit einem Handtuch bekleidet wieder aus dem Bad kam, zog Ezra eine Augenbraue hoch und biss sich auf die Unterlippe, um keinen Kommentar abzugeben, den er später auf die ein oder andere Art bereuen würde. Manchmal war es vielleicht gar nicht so schlecht, die Klappe zu halten und einfach den fantastischen Ausblick zu genießen, nicht?
      Dafür konnte er nicht verhindern, kurz aufzulachen, als Andrew wieder neben ihm im Bett landete. "Fünf Minuten", bestätigte Ezra nickend. "Ich glaube, ich würde für das alles mindestens eine Stunde brauchen. Geht es dir gut? Wie schaffst du es dich für den Tag fertig zu machen, ohne zwischendrin mindestens eine halbe Stunde lang einfach gegen eine Wand zu starren und deine eigene Existenz in Frage zu stellen?" Er war Andrew einen belustigten Blick zu, während er einen Arm hob, um einen Wassertropfen von Andrews Wange zu streichen. Wenn er so darüber nachdachte, war seine eigene morgendliche Routine vielleicht auch einfach nicht für den universellen Gebrauch geeignet.
    • Andrew

      "Hm… das kommt darauf an, wie eilig ich es hab. Meistens hab ich es sehr eilig", grinste er. Sein Job hatte ihn 10 Jahre lang so auf Trab gehalten, dass er sich öfter im Büro als in seiner eigenen Wohnung aufgehalten hatte, da begann man seine Zeit sinnvoll zu nutzen. Aber er hatte schon immer ein kleines Problem damit gehabt, zu lange herumzusitzen oder nicht beschäftigt zu sein. Morgens früh aufzustehen hatte er so sehr verinnerlicht, dass er sowieso schon verwirrt genug davon war, dass es mindestens 4 Uhr Nachmittags sein musste. Aber über Ezra hatte er die letzte Tage definitiv gelernt, dass er am liebsten den ganzen Tag verschlafen würde. Aber vielleicht brauchte er auch einfach nur einen guten Grund, um aufzustehen, wie Andrew ihn gehabt hatte. Zumindest hatte er selbst gerade einen sehr guten Grund, um den Rest des Tages im Bett zu bleiben.
      Dass Ezra ihm über die Wange strich wirkte wie eine ganz natürliche Bewegung. Das ließ Andrew darüber nachdenken, ob er vielleicht schon öfter unterdrückt hatte, ihn irgendwie zu berühren. Andrew war noch nie jemand gewesen, der andere oft umarmte oder… ihnen körperlich nah war, aber das lag bestimmt auch daran, wie er aufgewachsen war. Ezra hatte auf ihn allerdings immer ausgestrahlt, dass das für ihn sehr normal war. Und damit hatte er irgendwie auf Andrew abgefärbt. In anderen Settings waren sie zwar wortwörtlich schon aneinander geklebt, aber auch so hatte Andrew wenige bis keine Hemmungen, sich einfach zur Seite zu drehen, kurz vor Ezras Gesicht zu stoppen und ihn noch einmal zu küssen. Wobei sich diesmal ein Lächeln auf seine Lippen schlich und das Ganze schneller unterbrach, als er beabsichtigt hatte.
      "Sorry", lachte er. "Ich finde es irgendwie… lustig, wie normal mir das hier vorkommt im Vergleich zu allem andere, das momentan so passiert" Er ließ sich nun doch neben Ezra zurück fallen und akzeptierte, dass seine Haare von dem Polsterüberzug getrocknet werden würden. "Ich hab nichts dagegen, heute den ganzen Tag hier zu liegen. Denkst du, Niamh zahlt uns noch eine weitere Nacht hier?", sagte er und sah fragend zu Ezra. Sie konnten sich etwas zu Essen kommen lassen… vielleicht einen Film ansehen und so etwas wie einen Self Care Day einbauen, nach Tagen die mit traumatischen Erlebnissen gefüllt waren. Und Andrew hätte nichts dagegen, in einem Privatflugzeug zurück nach London zu fliegen, aber er wollte mal nicht nach den Sternen greifen.
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    • Ezra

      Es gab sehr, sehr wenige Sachen auf dieser Welt, die wichtig genug waren, als dass Ezra freiwillig früh aufstehen würde. Es gab nichts, was so eilig war, dass es nicht auch noch ein paar Stunden warten könnte und egal, wie verknallt er in Andrew war - er würde da wahrscheinlich auch nichts mehr dran ändern können. Nicht, wenn es sich so unglaublich schön anfühlte, im Bett zu liegen und Andrew zu küssen, auch, wenn der Kuss viel zu schnell durch ein Lachen unterbrochen wurde.
      Ein wenig musste Ezra mitlachen. Die Situation war vollkommen verrückt. Eigentlich wusste er nicht, was sich unwirklicher anfühlte - die ständigen Nahtoderfahrungen der letzten beiden Wochen, oder die Tatsache, dass er hier zusammen mit Andrew im Bett lag und sich irritierend gut fühlte. "Den ganzen Tag im Bett zu bleiben hört sich himmlisch an", stimmte er zu, während er wieder nach seinem Handy griff. "Niamh ist gerade beschäftigt, sich mit Cal zu streiten, also haben wir wahrscheinlich zwei Wochen, bevor sie sich wieder daran erinnern, dass es mich noch gibt. Wieder gibt. Ugh, mit ein bisschen Glück vergessen sie mich einfach wieder komplett." Die Nachrichten seiner Geschwister waren derweil offenbar dermaßen persönlich geworden, dass Ezra den Chat nicht mal öffnete, um den Schlagabtausch nachzulesen. Manchmal war Unwissen doch ganz schön.
      "Ich denke nicht, dass es auffällt, wenn wir noch eine Nacht hierbleiben. Dann fliegen wir morgen entspannt nach London zurück und-" Ezra zuckte mit den Schultern. Ehrlich gesagt hatte er keine Ahnung, was sie dann tun sollten. Nach der ganzen Panik und dem Chaos der letzten Tage, kam es ihm seltsam unwirklich vor, einfach nichts mehr vor zu haben. "Ich denke, dann haben wir Zeit, endlich mal deine Bildungslücke in Sachen Mainstream Filme zu füllen, oder so." Er grinste Andrew kurz entgegen, bevor er ihm einen weiteren Kuss auf die Lippen drückte und sich anschließend doch dazu durchringen konnte, sich aufzusetzen. "Ich schau mal, ob ich den Part mit der Lebenskriese heute überspringen kann und in einer halben Stunde durch bin", verkündete er, während er aufstand und nach frischen Klamotten griff. "Du kannst schon mal was zu Essen bestellen, wenn du willst. Bestell mir einfach irgendwas mit, ich bin nicht wählerisch." Er lehnte sich noch einmal zu Andrew rüber, um ihm einen Kuss auf die Sommersprossen zu drücken, bevor er mit einem kleinen Zwinkern im Bad verschwand.
    • Andrew

      "Hm, ich hätte auch nichts dagegen einfach nochmal die Namen zu ändern und auszuwandern. Nach Neuseeland vielleicht? Ich würde gerne so weit weg von Nadia wie irgend möglich"
      Es würde sich ohnehin die Frage stellen, wie lange sie in London ihre Ruhe haben konnten. Andrew konnte diese Frauen nicht durchschauen. Würden sie sich eher auf ihre selbsterklärte Todesengel Mission konzentrieren oder doch eine Rache gegen Ezra und ihn planen? Er wollte es eigentlich nicht herausfinden. Außerdem hatte er die unangenehme Vorahnung, vermutlich seine Adresse ändern zu müssen. Wenn es schlecht kam, auch seinen Namen. Er würde jedenfalls alles tun, um nicht weiter von dieser Mörderin verfolgt zu werden, aber ihm schlich sich der beängstigende Gedanke ein, dass sie sie überall aufspüren konnte. Wenn sie sogar alles über sein Privatleben gewusst hatte… Da erschloss sich Andrew plötzlich, dass Jelena und Nadia irgendwie vorhergesehen hatten, dass zwischen ihm und Ezra etwas laufen würde. Ein eigenartiger Gedanke.
      "Ich würde dir eine Lebenskrise gerade heute nicht verübeln, aber dann hab sie lieber hier und nicht im Badezimmer. Zusammen leidet es sich besser", warf Andrew ein, setzte sich ebenfalls auf und griff nach seinem Handy. Sobald Ezra im Badezimmer verschwunden war tat er endlich, was er schon seit gestern vorgehabt hatte. Er rief Thomas an. Der größte Fan von Textnachrichten war er immer noch nicht.

      "Hallo?", kam es fragend aus der Leitung, da auf Thomas Handy bestimmt eine unbekannte Nummer aufgetaucht war.
      "Hallo, ich bin's, Andrew", erwiderte er und stand auf, um zum Fenster spazieren und dann vermutlich dreißig Runden durchs Zimmer hinter sich zu legen, weil er beim Telefonieren schwer sitzen konnte.
      "Andrew! Wo bist du? Das letzte Mal hab ich in Polen von dir gehört, aber in den Nachrichten hab ich dich vor dem Louvre Museum gesehen?!"
      Andrew seufzte. "Äh, ja. Lange, lange Geschichte. Hör mal, ich brauche eigentlich nur ein paar Informationen, falls du die finden kannst. Wir stecken… in einem kleinen Problem hier. Die Frau, die gestern Nacht festgenommen wurde, verfolgt uns seit Tagen und… ich würde gerne wissen, ob wir eine Chance haben, sie nie wieder sehen zu müssen. Also… wenn du irgendwas über sie und ihre Partnerin herausfinden könntest, wäre das toll"
      "Ich hole mir etwas zum Schreiben"
      "Okay" Andrew wartete. Dann sagte er Thomas die Namen an und erklärte ihm in Kurzfassung, was in Russland passiert war.
      "Und wieso meldet ihr das nicht?"
      "Weil der Staat, vermutlich jeder Staat, gerade nicht sehr glücklich mit uns und unserem Wissen ist. Die Sache mit den Steinen reicht tiefer, als angenommen. Es ist schon schlimm genug, dass wir jetzt im Fernsehen sind. Ich kann darauf verzichten, im Gefängnis zu landen. Das beste wäre, wenn wir die Sache vergessen können, sobald wir zurück in England sind und uns aus politischen Angelegenheiten raushalten, solange wir beobachtet werden und das… werden wir ziemlich sicher erst einmal. Also, wenn du etwas herausfinden kannst, dass auf sie zurückzuführen ist und nicht von uns gemeldet werden muss, wäre das hilfreich"
      "Na klar, ich rufe dich zurück, wenn ich etwas finde. Wann bist du wieder da?"
      "Eh… morgen… Abend nehme ich an", sagte er spontan. Wenn er noch eine Weile seine Ruhe in dieser Stadt haben konnte, in der man sie nicht als Verbrecher, sondern als Helden ansah, dann würde er sich Zeit lassen, bevor sie sich vielleicht mit irgendeinem englischen Geheimdienst herumschlagen mussten, der sie Tag und Nacht bewachte.

      Andrew beendete das Gespräch und machte sich daran, beim Zimmerservice Essen zu bestellen. Er war am Verhungern. Wenn man einmal begann richtige Nahrung zu sich zu nehmen, konnte man wohl nicht mehr damit aufhören. Unpraktisch.
      Es wurde dann ein Buffet aus Beilagen, Brot, verschiedenen Käsesorten und Obst, dass er auf einem kleinen Klapptisch serviert bekam, den er wunderbar aufs Bett stellen konnte. Die erste Tasse Kaffee landete so schnell in seinem Magen, dass er froh darüber war, nach einer ganze Kanne gefragt zu haben. Wenn er schon mal nicht zahlen musste.
      Andrew setzte sich aufs Bett und schob sich hin und wieder eine Erdbeere in den Mund, während er sich am Fernseher zu schaffen machte. Nach einer Weile hatte er herausgefunden, wie er zu den Streaming Anbietern schalten konnte und damit war alles bereit um sich von Ezra für die nächsten Stunden in Sachen Filmen belehren zu lassen.
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    • Ezra

      Die Existenzkriese schien heute wirklich auszubleiben, auch, wenn Ezra sich zwischendurch kurz selbst dabei erwischte, wie er ein bisschen zu lange einfach abwesend in den Spiegel starrte und zum tausendsten mal versuchte irgendwie zu sortieren, was genau da in den letzten zwei Wochen passiert war und wie genau er es geschafft hatte, Andrew nun doch küssen zu dürfen. Eine Frage, die wahrscheinlich für die nächsten Jahre unbeantwortet bleiben würde, wenn er es nicht schaffte, einen wirklich guten Psychologen zu finden, der bereit war, dieses ganze Chaos irgendwie mit ihm durchzugehen. Ihm war es mittlerweile sogar fast egal, ob er in London landen würde, oder, wie Andrew vorgeschlagen hatte, nach Neuseeland auswandern würde.
      Obwohl Neuseeland hier wahrscheinlich ein wundervoller Themenwechsel sein könnte. Als Ezra das Bad in Shirt und Jogginghose verließ, hatte Andrew offenbar herausgefunden, wie man von dem langweiligen Alltagsprogramm zu den Streamingdiensten springen konnte. Ezra strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht und setzte sich wieder neben Andrew auf das Bett. "Also, wo du eben schon bei Neuseeland warst...wir könnten Herr der Ringe schauen. Wir könnten natürlich auch Harry Potter weitergucken, je nachdem, wo du mehr Lust drauf hast. Hat gerade nur thematisch irgendwie gepasst." Er lachte kurz, bevor er sich etwas von dem Obst nahm. Irgendwie merkte er erst jetzt, wie hungrig er war. Unfreiwillig einen Stein zu retten schien wirklich mehr Energie abzuverlangen, als er übrig gehabt hatte. Aber hey, mit ein bisschen Glück hatte sich das alles sowieso erledigt. Er musste jetzt irgendwie seine Geschwister vertrösten und sie mussten darauf hoffen, dass Jelena sich nicht dafür rächte, dass sie Nadia erst mal ausgeschaltet hatten, aber dann könnte wenigstens etwas Normalität in sein Leben zurückkehren. So normal es eben sein konnte, wenn er damit klar kommen musste, dass er Andrew datete.
      "Wir könnten natürlich auch komplett das Genre wechseln", fuhr Ezra schließlich fort, während er auf die Filme und Serien der Startseite sah. "Horror, RomCom, Thriller, unsere Möglichkeiten und deine Bildungslücke sind endlos." Er lehnte sich zu Andrew rüber, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken als Signal, dass er es nicht so böse meinte, wie es klang. "Such dir was aus, Darling, ich bin für alles offen und ehrlich gesagt eh nicht ganz sicher, ob ich wach bleiben kann."
    • Andrew

      "Deine Gemeinheiten klingen gar nicht mehr so gemein, wenn du sowas tust", bemerkte Andrew während er sich noch eine Weintraube nahm. "Hätte ich mir das Mobbing neun Jahre lang ersparen können?" Er grinste. Dann betrachtete er Ezra einen langen Moment lang, bevor er leiser dazu sagte: "Ich hoffe, du nennst nur mich Darling" Womit er letztendlich aussprach, was er sich seit gestern Abend dachte. In dem Fall musste er sich nämlich auch einen Kosenamen ausdenken und dann war er nicht mehr aufzuhalten.
      "Ich entscheide mich für Harry Potter Teil 4. Und ich will sogar wirklich wissen, wie es weitergeht", kündigte er dann an und begann, hinter sich ein paar Kissen aufzustocken, um sich anlehnen zu können ohne sich von dem Essen zu verabschieden. Dann öffnete er die Arme und zog Ezra zu sich. "Wehe du schläfst ein", murmelte er und begann synchron den blonden Kopf auf seiner Brust zu streicheln, wohlwissend, dass er so wohl selbst nicht wach bleiben würde. Aber zumindest einen Film würde er schon schaffen.

      Einen Film hatte er nicht geschafft. Irgendwo in der Mitte hatte er seinen Kopf angelehnt und das war das Todesurteil gewesen. Nicht einmal das kleine Buffet hatte er aufessen können. Es mussten sicher ein oder zwei Stunden vergangen sein, denn als er von seinem Klingelton wach wurde, war der Fernseher schwarz. Er hob leicht verwirrt den Kopf und nahm das Handy in die Hand, das neben ihm lag. Thomas rief an. Dann hatte er entweder etwas oder garnichts gefunden. Und Andrew war nicht danach zumute, es herauszufinden. Trotzdem hob er Sicherheitshalber ab.
      "Hallo?", fragte er verschlafen und versuchte leise sein, was vermutlich sowieso schon unnötig war.
      "Hi Andrew. Ich fahre gerade aus dem Büro nachhause. Hab' ein bisschen was herausgefunden, dass euch vielleicht weiterhelfen könnte"
      Andrew horchte auf. Im Hintergrund hörte er, wie Thomas wohl im Auto saß und seine Stimme hakte leicht, was wohl an der internationalen Verbindung lag. "Was denn?", fragte er neugierig.
      "Nadia Vasilevsky heißt die Frau, die gestern ins Louvre-Museum eingebrochen ist" Ein Nachname. Mehr, als Andrew erwartet hatte. "Sie ist wohl mit 6 Jahren in einem Waisenhaus in Russland untergekommen, nachdem ihre Familie ermordet wurde. Dort wurde sie nach wenigen Monaten entführt. Das nächste Mal taucht sie im Alter von 15 bei einer Festnahme wegen Brandstiftung auf, dann etwa jährlich wegen kleineren Vergehen, bis sie mit… äh… 23 für die Morde an 18 Männern drangekommen ist. Aus irgendeinem Grund wurde sie knapp ein Jahr später wieder entlassen, seitdem war sie bis, naja, bis heute Nacht vom Erdboden verschluckt. Ein paar Mal hat man versucht, sie in Jugendzentren mit psychiatrischer Unterstützung unterzubringen, dort wurde sie aber immer wieder rausgeschmissen. Ganz schöne Psychotante, die ihr da im Nacken habt"
      Wie beruhigend. Aber Andrew konnte sich kaum eine andere Vergangenheit für sie vorstellen. Dass sie damals nur Männer getötet hatte, wunderte ihn gerade kaum. "Und Jelena? Irgendetwas über sie?"
      "In Verbindung… nein. Gar nichts. Es gibt eine Abgeordnete im russischen Parlament namens Jelena Solovyova, die ein wenig… liberaler wirkt, als der Rest, aber keine Anzeigen, kein einziger Fleck in der Akte. Noch nichtmal Geldwäsche. Sie scheint reiche Eltern gehabt zu haben bis etwa 2021"
      "2021? Ist das Jahr wichtig?"
      Kurz war es still. "Naja, in dem Jahr ist Nadia aus dem Gefängnis rausgekommen"
      Andrew stockte. "Was? Denkst du, sie hat Jelenas Eltern umgebracht? Das ist doch Wahnsinn"
      "Umbringen lassen… Jelena hat sie wohl eher umbringen lassen, wäre mir in den Sinn gekommen. Sie hat ziemlich viel Geld geerbt und, naja, Geld ist in Russland ziemlich äquivalent zu Macht"
      Andrew schüttelte ungläubig leicht den Kopf. "Kannst du das irgendwie belegen?"
      "Naja, nicht wirklich. Ich werde mal sehen, was ich tun kann"
      Andrew murmelte ein kleines 'Danke', dann wünschte Thomas ihnen netterweise viel Glück beim Überleben und er legte auf. Er war sprachlos. Wenn das kein Hirngespinst war, sondern Thomas recht hatte und Jelena Nadia vielleicht genutzt hatte, um ihre Eltern umbringen zu lassen, dann konnten sie etwas gegen die beiden tun. Solange… diese Politikerin dieselbe Frau war. Und solange sie verrückt genug war, eine Auftragsmörderin zu daten. Aber nichts wunderte Andrew wirklich mehr. Es schien nun reines Glück zu sein, ob Thomas dazu mehr rausfinden konnte und er konnte sich kaum erklären, wie er es geschafft hatte, sich die bisherigen Informationen einzuholen, aber einen Hacker hinterfragte man nicht. Wenn es tatsächliche Beweise geben sollte… dann waren sie die zwei Frauen vielleicht doch irgendwann los, solang das Rechtssystem nicht versagte.
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    • Ezra

      Die Frage nach dem Nicknamen beantwortete Ezra mit einem kleinen Grinsen und einem Zwinkern. 'Darling' war bei ihm immer schon für Andrew reserviert gewesen, zunächst noch absolut ironisch, aber die Zeit hinweg immer aufrichtiger gemeint. Er hatte ja nicht damit rechnen können, dass er sich irgendwann mal an einem Punkt befinden würde, wo dieser Kosename irgendwie relevant wäre, aber solange Andrew nichts dagegen hatte, schien das jetzt wohl einfach irgendwie sein Ding zu sein. Ein Aspekt ihrer Beziehung geklärt, ungefähr ein halbes tausend noch offen.


      Ezra hatte nicht gemerkt, dass er eingeschlafen war. Er wusste nicht, was die letzte Szene gewesen ist, die er noch bewusst mitbekommen hatte, bevor Andrews Hand in seinen Haaren ihn dazu verleitet hatte, die Augen zu schließen und einzuschlafen. Er wurde wach, als er spürte, wie Andrew sich bewegte und nach seinem Handy griff. Ein Gähnen unterdrückend setzte der Blonde sich auf und ließ Andrew ein bisschen Freiraum, bevor er realisierte, worum es in dem Gespräch ging und er Andrew interessiert beobachtete, bemüht, sich den Kontext durch Andrews Seite des Gesprächs irgendwie zusammen zu puzzeln.
      "Ich nehme an, Nadia ist der Polizei keine Unbekannte?", schlussfolgerte er, während er sich ein Stück Käse vom Tablett nahm. Das war wohl die sicherste Feststellung. Jemand wie sie, die so gezielt Menschen tötete, konnte nicht vollkommen unentdeckt bleiben. Irgendjemand musste sie schon mal bei irgendetwas entdeckt haben. Hoffentlich hatte das alles jetzt ein Ende. Solange Nadia im Knast war, mussten sie sich immerhin nur um Jelena sorgen und in London hatten sie immerhin Heimvorteil.
      Was ein gutes Stichwort war. Ezra griff nach seinem eigenen Handy, ignorierte seine Nachrichten - inklusive eines kleinen News-Tickers, der ihm den Einbruch von gestern Abend anzeigte - und öffnete stattdessen Google, um sich schon mal die Flüge zurück nach England anzeigen zu lassen. Den Tag mit Andrew im Bett zu verbringen war zwar unglaublich schön, aber langsam entwickelte er wirklich sowas wie Heimweh. "War das Thomas? Hat er noch irgendetwas interessantes rausgefunden?", fragte er schließlich, während er nach einem Flug suchte, der nicht in aller Herrgottsfrühe abheben würde.
    • Andrew

      "Sie hat eine interessante Lebensgeschichte", murmelte Andrew und nickte, als Ezra fragte, ob er mit Thomas telefoniert hatte. "Er denkt, dass Jelena Nadia aus dem Gefängnis geholt hat, um ihre eigenen Eltern umbringen zu lassen aber… das kommt mir fast zu verrückt vor. Selbst wenn sie viel Geld geerbt hat, fällt das doch ganz aus ihrer Masche heraus? Außer sie hatten irgendwie… ein Problem mit ihr Sexualität oder so etwas" Während Andrew sprach, kam ihm das Ganze irgendwie immer plausibler vor und es gefiel ihm nicht. Er schwieg einen Moment. So wirklich wollte er sich damit jetzt nicht auseinander setzen, wenn sie noch nicht einmal Beweise hatten, dass das wirklich wahr war. So brachte ihnen die Information nichts.
      Andrew rutschte etwas tiefer ins Bett und sah Ezra an. "Wie leben deine Eltern eigentlich damit?", fragte er ruhig, während er beobachtete, wie dieser am Handy nach Flügen für morgen suchte. Diese Geschichte mit Jelena und Nadia holte Andrew immer mehr in die Realität zurück. Nur weil er nie Probleme aufgrund seiner Sexualität gehabt hatte, stimmte das für andere noch lange nicht. Und noch dazu hatte er sein Liebesleben sowieso immer sehr diskret behandelt. Selbst hatte er mit seinen Eltern nie darüber gesprochen, weil er vor dem Ende seiner Schulzeit ohnehin keine Erfahrungen gemacht hatte, die es wert gewesen wäre, besprochen zu werden. Und später… hatte er auch niemandem davon erzählt, weil ja auch keiner danach fragte. Er hatte seine Beziehungen nie geheim halten wollen, aber es war wohl irgendwie so passiert, dass in seinem näheren Umfeld nie jemand davon mitbekommen hatte.
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    • Ezra

      Ezra hielt für eine Sekunde inne, als Andrew Nadias - und offensichtlich auch Jelenas - Vergangenheit zusammenfasste. Gut, dass die beiden nicht alle Tassen im Schrank hatten war mehr, als offensichtlich, aber das war ein vollkommen neues Level an Psycho. Andrews abschließende Frage nach Ezras eigenen Eltern entlockte ihm ein unabsichtliches Auflachen. "'Damit umgehen' impliziert, dass sie sich genug für uns interessieren würden, um sich irgendeine Meinung zu bilden", antwortete er, während er wieder auf die Flüge sah. "Caleb hat sich mit 15 als trans geoutet und die größte Sorge meiner Eltern war es, ihn psychisch auf einem Level zu halten, in dem er noch in der Lage war, Recherche für sie zu betreiben und Steine aufzuspüren. Sie waren nicht sonderlich begeistert darüber, aber irgendwie war das alles immer zweitrangig. Ich glaube, sie wissen nicht mal, dass ich bi in." Er hatte es zumindest nie laut angesprochen. Wie auch? Als er von zuhause abgehauen ist, war er selbst noch in der Findungsphase gewesen. Es hatte Monate, ein paar durchgemachte Nächte und irgendwie auch Andrew gebraucht, bis Ezra selbst damit klar gekommen war, dass ihn das Geschlecht seiner Partner offenbar nicht so sehr interessierte, wie er immer gedacht hatte.
      "Die Tatsache, dass ich einen Ex-Helden date-" Dieser Satz fühlte sich immer noch vollkommen verrückt und unwirklich an, "-ist für sie wahrscheinlich weitaus schlimmer, als meine Sexualität. Aber ich hab nicht vor, irgendwie Kontakt mit ihnen aufzunehmen, also..." Mit ein bisschen Glück würden sie ihn in den Nachrichten einfach nicht wiedererkennen und vielleicht würde er Cal und Niamh irgendwie dazu bringen können, die Klappe zu halten. Ezra zuckte kurz mit den Schultern, während er sein Handy zur Seite legte und sich Andrew zuwandte. Diese Konversation fühlte sich eindeutig wichtiger an, als einen Rückflug zu buchen.
      "Haben deine Eltern es gewusst?", fragte er schließlich zurück. So liebevoll, wie Andrew seine Eltern immer beschrieb, hatte Ezra nicht das Gefühl, dass die Sexualität ihres Sohnes irgendwie schlimm für sie gewesen wäre, andererseits hatten sie dieses Thema noch nie angesprochen und Ezra hatte keine Ahnung, wie lange Andrew selbst überhaupt schon mit seiner eigenen Sexualität im reinen war.
    • Andrew

      Andrew schmunzelnde und konnte gleichzeitig sein Mitleid nicht verbergen. Ezras Eltern interessierten sich wirklich nicht für ihre Kinder, aber zumindest hatten sie wohl für psychologische Unterstützung gesorgt. Er würde so etwas jedoch nie verstehen können. Und dann auch noch Ezra? Wie konnte man sich nicht für die ganzen skurrilen Dinge interessieren, die er den ganzen Tag über von sich gab, ob es um Filme oder sonst etwas ging? Andrew konnte ihm stundenlang zuhören. Manchmal fühlte es sich an, als würde er ihm eine neue Welt präsentieren.
      Allerdings wusste er genauso wenig wie seine Eltern, dass Ezra bisexuell war, aber irgendwie ergab das… Sinn. Auf eine Art und Weise die Andrew nicht so richtig erklären konnte, aber er würde es nun darauf schieben, dass er Ezras Interesse nie richtig erkannt hatte. Sein Gaydar war einfach nicht angesprungen.
      "Oh, naja. Wenn doch, vielleicht hilft es, wenn ich von meinem Beitrag beim Einbruch letzte Nacht erzähle oder… von der Sache mit dem Ferienhaus in Russland", schlug er vor und lachte. Wohl keine Eltern der Welt wären glücklich darüber zu hören, dass ihr Kind mit einem Verbrecher zusammen war, abgesehen von Ezras. Dass sein ehemaliger Job jemals ein Problem darstellen könnte, um gut bei anderen anzukommen… Damit hatte er definitiv nicht gerechnet. Immerhin war es eine ziemlich ehrwürdige Aufgabe. Zumindest in seinem Universum.
      "Nein", antwortete er anschließend ehrlich auf die Frage. "Naja… vielleicht haben sie es geahnt. Eltern haben irgendwie einen sechsten Sinn. Aber erzählt hab ich es ihnen nicht, weil es nichts zu erzählen gab" Das klang mal wieder schrecklich traurig, wie alles, das er über seine Jugend erzählen konnte. Aber das war sie schließlich auch gewesen. Langweilig und deprimierend. Glücklicherweise ging es wohl den meisten Menschen so. "Ich bin mir sicher, dass mein Vater es nicht wirklich verstanden hätte, aber sie hätten beide damit leben können" Er zuckte leicht mit den Schultern. Ob sie Ezra mögen würden, wenn sie ihn treffen könnten? Wenn man ihnen diese Kleinigkeit über dessen Beruf verschwieg, bestimmt. Und seine Mutter hätte es wohl gut gefunden, dass er nicht mehr jede freie Sekunde des Tages mit seinem Job verbrachte, wie sein Vater es ein Leben lang getan hatte. "Ich glaube, sie hätten dich wirklich gern gehabt", sagte er und lächelte leicht. "Aber du hast ja noch die Chance, meine schräge Cousine aus Liverpool irgendwann mal zu treffen" Gott bewahre, dass das passierte. Aber nun wurde Andrew doch neugierig.
      "Wie lief das so in deiner Schulzeit? Bist du mit Jungs ausgegangen oder so etwas?", fragte er und grinste. Die Vorstellung von einem 16 Jährigen Ezra, der sich neben den Diebstählen auch auf Dates schlich, war zuckersüß. Andrew bereute manchmal wirklich, dass er so ein unfassbarer Nerd gewesen war und sich tatsächlich mehr für alles andere als Romantik interessiert hatte, auch wenn es bestimmt schwerer war, in dem Alter bei einer anderen sexuellen Orientierung irgendjemanden zu finden und wie er sich selbst kannte, hätte er die Person wegen seines Schachklubs vernachlässigt oder so etwas. Im Endeffekt war er im Erwachsenenleben ja auch nicht anders. Da Ezra irgendwie immer Teil seines Jobs gewesen war, war das wohl Schicksal gewesen.
      "Oh Mann, du hättest mich sicher in Grund und Boden gemobbt, wenn wir uns gekannt hätten", traf ihn auf einmal die Erkenntnis.
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    • Ezra

      "Deine heldenhafte Seite gefällt mir eigentlich viel besser an dir", merkte Ezra mit einem kleinen Lächeln an, auch, wenn es irgendwie süß war, dass Andrew nach Möglichkeiten suchte, seine Eltern zu beeindrucken. Über die letzten Jahre hatte Ezra langsam realisiert, dass das Gegenteil von allem, was seine Eltern befürworteten, eigentlich moralisch immer überlegen war. Jemanden zu daten, den seine Eltern nicht gutheißen würden, war wahrscheinlich eine der wenigen wirklich guten Entscheidungen in seinem Leben. Auch wenn er nachvollziehen konnte, dass Andrew diese Abneigung seinen Eltern gegenüber wahrscheinlich nie ganz nachvollziehen würde. Seine Eltern klangen wundervoll.
      "Naja, du hast meine Geschwister getroffen. So viel schlimmer kann deine Cousine nicht sein", scherzte Ezra, bevor Andrews abschließende Erkenntnis ihn zum Lachen brachte. "Ich weiß nicht. Ich glaube, ich hätte dich einfach weitestgehend ignoriert, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht hätte ich bei Gruppenarbeiten immer darauf vertraut, dass du meine Aufgaben mit erledigst, oder so." Er streckte Andrew kurz die Zunge raus, bevor er sich auf dem Bett ein wenig zurücklehnte. "Ich hab in der Schule nicht viel gedated. Ich hatte eine Freundin, mit der ich eine kurze Teenager-Beziehung hatte und das wars. Ich bin mit 15 von zuhause weg und hab es mit der Schule danach nicht mehr so genau genommen." Was vielleicht etwas untertrieben war. Ezra konnte sich nicht mal erinnern, ob er es danach geschafft hatte, länger als eine Woche in einem Klassenzimmer auszuhalten. "Ich hab eine Zeit lang bei Henry gewohnt. Er war die einzige Person, die ich damals in London kannte und ich hatte Glück, dass er genug Mitleid mit mir hatte, um mich bei ihm aufzunehmen. Er hat damals versucht, mich irgendwie in eine Schule zu bekommen, aber ich war ein dickköpfiger Teenager, er war eine unfreiwillige Vaterfigur und so war das ganze eigentlich von Anfang an zum Scheitern verdammt." Er lächelte leicht, während er an die Zeit zurückdachte. Rückblickend war es irgendwie fast die ruhigste Zeit in seinem Leben gewesen.
      "Caleb hat mir mal gesagt, dass er nicht denkt, dass ich so hetero bin, wie ich denke. Ich hab damals gedacht, dass er mich ärgern will, aber als ich plötzlich genug Zeit hatte, mich mit mir selbst auseinander zu setzen, musste ich ihm doch Recht geben. Ich war immer noch mit mir selbst überfordert, als du in mein Leben gestolpert bist, also...yay, absolutes Chaos." Ezra verdrehte die Augen, bevor er selbst lachen musste. "Danach hatte ich nicht sonderlich viel Zeit zum Daten, also ist es bei ein paar One Night Stands nach Partys geblieben. Außerdem ist es schwer, jemanden zu finden, der nichts dagegen hat, einen Dieb zu daten. Es sind nicht alle so verrückt, wie du." Er lehnte sich Andrew entgegen und küsste ihn. Klang das seltsam? Irgendwie hatte sich Ezra nie so wirklich mit seinem eigenen Beziehungsleben auseinandergesetzt.
      "Wie hats du realisiert, dass du auf Männer stehst? Gab es da einen Aha-Moment, oder war das auch eher so ein längerer Prozess?"
    • Andrew

      "Du meinst, als ich aus dem Himmel auf dich drauf gefallen bin", korrigierte er Ezra. Ihr erstes Treffen war nicht unbedingt elegant verlaufen. Dass Andrew sich an jede Sekunde dieses Tages erinnern konnte, lag bestimmt nur zur Hälfte daran, dass es seine erste eigene Mission gewesen war. Ein weiteres Viertel bestand daraus, dass er es absolut versaut hatte und der letzte Teil daraus, dass Ezra nicht die Art von Person gewesen war, mit der er gerechnet hatte.
      Umso mehr er von Henry zu hören bekam, desto mehr mochte er den Mann. Wenn sie zurück nach London kamen sollte er sich mal ordentlich bei ihm für den Stein bedanken, der ihnen zwei Mal das Leben gerettet hatte. Außerdem empfand er ihn als sehr interessante Persönlichkeit. Ein, zwei Gespräche konnten bestimmt nicht schaden. Mit etwas Glück erfuhr er ein bisschen etwas über Ezra aus einer anderen Perspektive.
      "Ich fasse es einfach nicht, dass du damals auch nur ansatzweise an mir interessiert sein konntest", murmelte er. Nach dem Auftritt? Und ehrlich gesagt hatte er mit 21 auch äußerlich noch nicht unbedingt seine Höchstform erreich gehabt. Der Übergang aus der Schulzeit bis ins Jetzt war ein langwieriger, fließender Übergang gewesen.
      "Oh, glaub mir, ich werde dich schon noch zu einem aufrechten Bürger machen", grinste er und erwiderte den Kuss. Das konnte er den ganzen Tag tun. Und es fühlte sich auch ein wenig an, als würden sie versuchen, die letzten kussfreien neun Jahre wettzumachen.
      Er lehnte sich kurz zurück und überlegte. "Ich schätze, es war ein Aha-Moment, weil ich nie sonderlich viel darüber nachgedacht hab bis ich mit, äh, 13 oder 14 gezwungen war, am Schwimmunterricht in der Schule teilzunehmen" Er lächelte schief. So ein Klischee. Das war für ihn ein Tiefpunkt gewesen und gleichzeitig eine Erleuchtung. Wirklich entspannter hatte es den Schwimmunterricht für ihn auch nicht gestaltet.
      "Und ich kann dich übrigens zu einem gewissen Grad verstehen. Mein Job hat auch den ein oder anderen vertrieben", schmunzelte er. Gut, bei ihm war es zum Großteil wohl auch die Persönlichkeit, nicht der Job. Nicht jeder Held nahm seine Aufgabe so ernst. Aber da hatten sich wohl zwei gefunden, auf eine bizarre Art.
      "Ich hab aber nie überlegt, jemanden aus meinem Berufsfeld zu Daten. Das hätte mir irgendwie… zu Vieles vermischt. Auch wenn ich im Nachhinein betrachtet nicht unbedingt ein großartiges Privatleben hatte, mit dem sich etwas vermischen konnte. Aber ich würde sagen, auf die ein oder andere Weise hab ich mich ja jetzt doch für jemanden von der Arbeit entschieden" Er lachte und legte den Kopf leicht schief, als er Ezra betrachtete. "Und es hat lang genug gedauert, oder? Du solltest anfangen, mir deine Gedanken einfach ins Gesicht zu schreien, damit ich sie nicht unabsichtlich verpasse und neun Jahre vergehen, bevor ich weiß, was du am liebsten frühstückst" Wenigstens konnte Andrew sich seine Begriffsstutzigkeit eingestehen. So konnten sie hoffentlich über die verpasste Zeit lachen. Je mehr sie darüber sprachen, desto mehr fiel Andrew nämlich auf, dass sie wirklich früher zueinander finden hätten sollen.
      Er setzte sich ein wenig auf und lehnte sich über den Blonden. "Sag mir einfach, was du willst, und ich mache es", murmelte er. Ob das so sehr aufs Frühstück bezogen war, wusste er gerade selbst nicht genau, aber er setzte zum nächsten Kuss an, der nach Intensität berechnet mindestens eine Zusammenfassung von 10 einzelnen Küssen war, aber langsam sollte er vielleicht aufhören, im Kopf mitzuzählen.
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    • Ezra

      Ezra erwiderte den Kuss ohne zu zögern. Es war seltsam, wie normal sich das alles anfühlte, wie selbstverständlich er Andrew ein kleines bisschen näher an sich heran zog. Er hatte keine Ahnung, wie er es schaffen sollte, Andrew morgen lang genug los zu lassen, um in das Flugzeug zu kommen. Wenn das Heimweh nicht an ihm nagen würde, würde er am liebsten einfach die nächsten Wochen hier mit ihm im Bett verbringen.
      Er löste sich erst wieder von Andrew, als ihm die Luft ausging. "Vielleicht solltest du das mit dem Gedanken-laut-aussprechen nochmal einschränken. In meinem Kopf passiert so viel zeitgleich, dass ich dann aus dem Reden nicht mehr rauskomme", informierte er Andrew immer noch etwas atemlos. "Jetzt gerade denke ich zum Beispiel, dass du unglaublich heiß bist, verdammt gut küssen kannst, ich mir die Seite von meinem Buch nicht gemerkt habe, bevor Nadia unsere Koffer genommen hat und ich mir das Buch neu kaufen muss, was super nervig ist und dass der Vorhang nicht zum Teppich passt. Also, ja...wahrscheinlich nicht ganz so relevant für dich." Er grinste, während er eine Hand an Andrews Wange legte und mit dem Daumen über seine Unterlippe strich.
      "Außerdem denke ich nicht, dass die neun Jahre so schlecht für uns waren. Am Anfang hab ich irgendwie eher für die Idee von dir geschwärmt, als wirklich für dich, wenn das Sinn macht." Er lächelte kurz entschuldigend. Im Nachhinein waren all seine Phantasien über Andrew furchtbar peinlich. Die Vorstellungen eines Neunzehnjährigen, der zu viele kitschige Bücher las, halt. "Ich hab dich über die Jahre hinweg dann ganz anders kennen gelernt. Gut, es ist aufs Selbe hinausgelaufen, aber...du verstehst, was ich meine." Er lehnte sich leicht nach oben, um Andrew erneut zu küssen.
      "Ich frühstücke nicht viel. Ab und an vielleicht mal eine Scheibe Brot, um deine Frage zu beantworten. Ich denke, ich bin in der Hinsicht ziemlich pflegeleicht.", schob er schließlich hinterher, bevor er die nächsten beiden Küsse auf Andrews Hals platzierte, einfach, weil er es konnte, was ein überwältigend schöner Gedanke war.
    • Andrew

      "Hm… konzentrier dich vielleicht auf die ersten zwei Dinge", meinte er grinsend. Allerdings konnte er dieses Chaos im Kopf gut nachvollziehen. In seinem eigenen war es erst seit einigen Stunden wieder einigermaßen ruhig aber die letzten Tage hatte er mit seinen inneren Stimmen schon volle Selbstgespräche führen können. "Der Vorhang und der Teppich…", murmelte er mehr zu sich selbst und wagte es, einen Blick hinter sich zu werfen, um zu sehen, was Ezra meinte. Er sah es und wandte ihm wieder den Blick zu. "Gut, du hast recht. Ist mir bisher nicht aufgefallen. Zumindest dieselbe Farbe hätten sie wählen können" Andrews Gedanken schweiften kurz ab und er musste sie mit aller Kraft zurück holen. Vielleicht sollte sie doch nicht jeden einzelnen Gedanken miteinander teilen, sonst kamen sie nie zum Punkt.
      Andrew setzte einen empörten Blick auf, als Ezra weitersprach. "Pause. Erst die Off-Phasen und dann das? Magst du mich überhaupt? Ich hinterfrage gerade alles" Dass er das nicht einmal ansatzweise ernst meinen konnte, bewies Ezra ihm gleich mit den Küssen an seinem Hals. Yup. Die Gedanken lenkten sich ganz von selbst in eine Richtung, die das Gegenteil von Hinterfragen war. Andrew senkte mit einem Seufzen den Kopf. "Ohne Vorwarnung", warf er Ezra leise vor. Wirklich einzuwenden hatte er aber nichts. Er hatte relativ schnell seine Schwachstelle entdeckt und Andrew hatte nicht das Ziel, das vor ihm zu verstecken. Diese Beziehung musste nicht noch absichtlich komplizierter gemacht werden, als sie vorprogrammiert war. Mit der Hand, mit der er sich nicht abstützte, fuhr er seitlich an Ezras Oberkörper entlang, dann schob er seine Hand ein Stück unter dessen T-Shirt. Er würde sich nicht direkt als übereifrig bezeichnen, nur als… neugierig, vielleicht. Sehr wissbegierig. Unschuldig naiv. Keineswegs berechnend.
      Er küsste Ezra erneut. Eigentlich hatte er komplett das Gespür für Grenzen verloren, nachdem sie bei ihnen mehr als nur verschwommen waren. Gab es noch Regeln, wenn man sich so lange kannte? Die schienen Andrew irgendwie ausgelöscht, spätestens wenn man zusammen so knapp dem Tod entkommen war, sich nur Minuten danach die Gefühle gestand und einen Moment später stundenlang im selben Bett schlief. Na schön, Anstand existierte trotzdem. Und eine gewisse, begleitende Angst, vielleicht doch irgendwelche Grenzen zu übersehen.
      Aber das mit dem Küssen hatten sie ja geklärt. Kein zu viel, kein zu oft, kein genug und da schienen sie sich einig zu sein.
      Seine Finger strichen leicht über Ezras Brust und er spürte, wie sein eigenes Herz pochte, als gäbe es kein Morgen.
      Aus dem Nichts stoppte er und flüsterte: "Gut, dass du nicht frühstückst, sonst müsste ich lernen, wie man mehr als Kaffee zubereitet" Andrew schmunzelte. Irgendwie nahm die Nervosität doch noch überhand, wenn er realisierte, dass es Ezra war, der da lag, und nicht irgendjemand. Er nahm seine Hand wieder nach oben, legte sie dem Blonden kurz an die Wange und gab ihm einen schnellen Kuss, bevor er sich wieder neben ihn legte.
      "Harry Potter… Fünf?", fragte er kurzerhand, um von seinen scheinbaren Stimmungsschwankungen abzulenken.
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    • Ezra

      “Mögen ist vollkommen untertrieben, Baby.” Ezra lachte leicht. Es war eigentlich nicht weiter überraschend gewesen, dass seine Gefühle für Andrew wieder aufkommen würden, wenn sie so viel Zeit miteinander verbrachten. Es war leicht, sich seine eigenen Gefühle auszureden, wenn man sich nur ein mal die Woche für ein-zwei Stunden sah, aber sich vorzumachen, nichts für den Helden zu empfinden, während er einen halben Monat ununterbrochen mit ihm zusammen war, war von Anfang an vollkommen hoffnungsloses Wunschdenken gewesen. Was das alles hier vielleicht noch ein bisschen schöner machte.
      Als er Andrews Finger auf seiner Haut fühlte, hielt Ezra kurz unweigerlich die Luft an. Die kleine Berührung hinterließ ein angenehmes Kribbeln, die Lust auf mehr und ein weiteres Chaos in seinem Kopf. Ging das alles hier zu schnell? Konnte etwas zu schnell gehen, wenn man sich schon seit neun Jahren kannte? Wo waren ihre Grenzen? Im Grunde wusste er nicht mal richtig, als was er Andrew nun bezeichnen sollte - der Mann, den er momentan datete? Das klang angesichts der letzten Wochen irgendwie viel zu einfach. Andrew war viel mehr, als das für ihn.
      Der schnelle Themenwechsel seitens Andrew war nicht weniger verwirrend. Irgendwie war Ezra zeitgleich erleichtert und enttäuscht, dass die Berührungen nirgendwo hin geführt hatten. Aber es wäre ja auch verrückt gewesen anzunehmen, dass ihre Beziehung einfach werden würde. Vor allem, wenn sie offensichtlich beide nicht sonderlich viel Erfahrung im Thema Dating hatten.
      “Oh. Äh. Klar. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wann ich eben eingeschlafen bin. Brauchst du eine Zusammenfassung vom letzten Teil? Oh, warte- wie sieht es mit dem Flug morgen aus? Ist gegen Mittag okay?” Irgendwie fühlte sich Ezra gerade ein kleines bisschen überfordert. Wieder hatte er tausend Dinge im Kopf, die nicht alle zwangsweise zusammenpassten. Außerdem hatte er das unschöne Verlangen, sich einfach auf Andrews Schoß zu setzen und ihn zu küssen, bis sie keine Luft mehr hatten. War das etwas, was er jetzt tun konnte, oder würde das zu weit gehen? Ezra verwarf den Gedanken, setzte sich wieder auf und griff nach seinem Handy, um seinen Fingern etwas zu tun zu geben. "Wir können auch früher fliegen, wenn du damit leben kannst, dass ich dich hassen werde, wenn du versuchst, mich so früh wach zu bekommen."
    • Andrew

      „Damit kann ich eigentlich sehr gut leben, aber wir haben ja keinen Stress, in London anzukommen, wenn es nach mir geht“, antwortete er und fragte sich dennoch, woher Ezras plötzlich erscheinender Wunsch kam, nachhause zu kommen. Er wollte selbst natürlich auch wieder mal in seinem eigenen Bett schlafen… Aber ihm stellte sich die Frage, wie er es aushalten würde, Ezra nicht zu sehen. Sie wohnten an unterschiedlichen Ecken der Stadt und das letzte Mal, als sie sich zwei Wochen am Stück nicht gesehen hatten, war er in ein tiefes Depressionsloch gefallen. Und er hatte noch immer keinen neuen Job, also würde sich das Ganze entweder wiederholen oder er saß jeden Tag in Ezras Haus herum und… was? Hinderte ihn daran, ein eigenes Leben zu haben? Bestimmt tat er auch noch was anderes, als irgendwo einbrechen. Und der Gedanke, dass Ezra irgendwo einzubrechen und dass Andrew selbst nicht einmal die Chance hatte, ihn aufzuhalten, drehte ihm beinahe den Magen um. Es war irgendwie unvermeidlich, dass sie einige Stunden oder Tage getrennte Wege gehen mussten und das war für eine Beziehung doch auch vollkommen normal, aber… Andrew hatte nicht das Gefühl, in England so sicher zu sein, dass er sich keine Sorgen darum machen musste, dass Ezra etwas passierte, wenn er nicht da war. In den letzten paar Tagen hatten sie fast jede Sekunde zusammen verbracht, konnte er sich das wieder abgewöhnen, nach allem das passiert war?
      Unvermittelt legte er einen Arm über den Blonden und kuschelte sich ein wenig an ihn, als würde er versuchen, den Moment damit festzuhalten. Sie hatten sich doch gerade erst gefunden. Sie waren beide am Leben, Nadia gefasst und sie konnten zurück nachhause ohne einen gefährlichen Stein im Gepäck. Wenn Andrew nicht ohnehin die Angst hätte, dass doch noch irgendwo ein Killer aus der nächsten Ecke sprang, dann wäre doch alles perfekt. Zurück in London würde er dann realisieren müssen, wie unperfekt eigentlich alles war.
      „Mittag reicht völlig“, murmelte er und drückte Ezra noch etwas fester an sich. „Erzähl mir das Ende von Teil 4 und dann schauen wir weiter?“
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    • Ezra

      Andrews offensichtliche Vorliebe dafür, Ezra an sich zu ziehen, war auf jeden Fall einer der großen Vorzüge ihrer Beziehung. Ezra hatte irgendwie das Gefühl, dass das ganze Chaos in seinem Kopf immer für einen Moment innehielt, wenn er in Andrews Armen lag. Vielleicht hatte das angedrohte 'für immer nebeneinander schlafen' am Ende für beide einen therapeutischen Vorteil. Ezra reservierte die beiden Flugtickets, während er nebenbei - vielleicht etwas abgelenkt und leicht zusammenhanglos - versuchte, den Plot des vierten Harry Potter Films zusammen zu fassen. Früher oder später würden sie die Filme wahrscheinlich sowieso nochmal zusammen sehen und dann hoffentlich wach bleiben. Am Ende legte er sein Handy zur Seite und rundete seine Zusammenfassung mit einem kleinen "Zumindest glaube ich, dass das so passiert ist. Ist ne Weile her, dass ich die Filme geschaut habe und ich werf ab und an mal was durcheinander" ab, bevor er nach der Fernbedienung griff und den nächsten Teil startete.
      Er hielt es ziemlich genau fünfzehn Minuten aus, bevor er den Film stoppte. Seine Gedanken kreisten immer noch und er wusste nicht so richtig, ob er bisher auch nur eine einzige Szene so richtig bewusst geschaut hatte. "Sorry. Ich denk nur gerade-" Ezra stockte. Andrew hatte ihm gesagt, dass er ihm einfach alles erzählen sollte, was er dachte, oder? Es fühlte sich nur immer noch furchtbar ungewohnt an. "Wenn wir wieder in London sind...wie wäre es mit einem Date? Einfach etwas richtig Normales, Stereotypes. Kino, Essen gehen, oder so was in der Art." Er musste sich immer noch selbst daran erinnern, dass das in ihrer Situation eine vollkommen normale Frage war, auch, wenn es ihm selbst nicht so vorkam. Ihre komplette Beziehung - die letzten neun Jahre mit eingerechnet - war so chaotisch gewesen, dass ein bisschen langweilige Normalität vielleicht gar nicht so fehl am Platz war. Er hatte nichts gegen die Küsse, die Nähe oder die Vorstellung, ab jetzt jeden Abend mit Andrew zu verbringen, aber irgendwie fehlte ihm eine vollkommen normale Basis.
    • Andrew

      Andrew lauschte Ezras wirrer Erklärung und versuchte angestrengt, den Faden zu finden und vor allem den Zusammenhang zu der letzten Szene, die er noch mitbekommen hatte, bevor er dann in eine angenehme Ruhe sank, als der nächste Film startete. Seine Atmung verlangsamte sich so sehr, dass man denken konnte, er war tot, aber das nannte sich wohl Tiefenentspannung. Er war noch nicht einmal müde, bloß… friedlich. Sein Kopf war leer. Da war nur Harry Potter und- eine Pausetaste. Andrew hob den Kopf leicht verwirrt. Ezra sah aus, als hätte er einen Tornado im Gehirn. Als er dann sprach, lachte Andrew leicht.
      "Davon… bin ich irgendwie ausgegangen", erwiderte er. Das hatte ihn eben so sehr beschäftigt? War es nicht normal… auf Dates zu gehen, wenn man sich datete? Das steckte doch schon im Wort. Oder hatte er angenommen, dass diese Beziehung daraus bestehen würde, stundenlang im Bett zu liegen? Das konnte zwar gerne ein großer Teil davon werden, aber dafür hatte er selbst zu viel Tatendrang. Andrew hatte sich vielleicht keine genaueren Gedanken zu den Aktivitäten gemacht, aber persönlich war ihm das ziemlich egal, solange sie ein wenig Zeit miteinander verbrachten abseits von Selbstmordkommandos. Er legte den Kopf wieder auf Ezra.
      "Kino klingt gut. Da war ich seit Jahren nicht mehr", sagte er. "Wie fändest du ein Autokino oder so? Dann fühlen wir uns gleich wieder jung", fügte er hinzu und grinste leicht. Na schon, Ezra hatte noch nicht das Alter des Grauens erreicht, in dem man plötzlich Visionen von seiner eigenen Beerdigung bekam. Aber vielleicht ging es damit ja auch nur ihm so. Wenn man einen Job hatte, der von Fitness lebte, kam man nicht ganz umhin, sich vom Älter werden gestresst zu fühlen.
      Andrew überlegte kurz, dann hob er noch einmal den Kopf. "Ist sonst alles in Ordnung? Machst du dir wirklich so viele Gedanken darüber, dass wir ausgehen sollten?", fragte er kurzerhand. Er würde Ezra nicht verübeln, wenn ihm diese ganze Situation leicht bizarr vorkam und er deshalb jetzt davon sprach, nochmal bei Null anzufangen. Ihm ging es nicht wirklich anders. Besser, er wusste, wenn ihm irgendetwas zu schnell ging, auch wenn er bisher vielleicht enthusiastisch gewirkt hatte. Andrew hatte nicht den Plan, das hier so schnell wieder zu verlieren, wie er es gefunden hatte.
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    • Ezra

      “Autokino klingt nach einer guten Idee”, antwortete Ezra. Zumindest war es ein solider Anfang, etwas vollkommen normales, auch wenn es das Chaos in seinem Kopf irgendwie kaum beruhigte. Vor allem nach Andrews plötzlichen Gemütsumschwung von vorhin.
      Was, wenn sie eines dieser Pärchen waren, die nur unter Stress funktionierten? Eigentlich hatte er noch nie wirklich Zeit mit Andrew verbracht, wenn sie gerade nicht in Lebensgefahr schwebten, oder in ihrer Mittwochs-Routine steckten. Was, wenn sie sich am Ende langweilen würden, oder Andrew enttäuscht wäre? Wenn das alles doch zu schnell ging? Zu unüberlegt war? Ezra wollte nichts falsch machen. Er würde es nicht aushalten, das alles wegen irgendeinem dummen Fehler zu verlieren, nachdem er neun Jahre damit verbracht hatte, über diesen Moment zu träumen. Gut, seine Vorstellungen hatten etwas anders ausgesehen, aber darum ging es nicht.
      “Alles gut. Ich schätze, ich bin einfach nicht mehr ans Daten gewöhnt”, antwortete er ausweichend, während er gedankenverloren mit dem Ring an seinem Finger spielte. Dafür war er allerdings offenbar sehr gut darin, sich selbst zu sabotieren. “Du verdrehst mir einfach zu sehr den Kopf, fürchte ich”, schob er mit einem offensichtlich gespielt genervten Seufzen hinterher, bevor er Andrew einen Kuss auf die Lippen drückte und anschließend wieder nach der Fernbedienung griff, um den Film wieder zu starten. Er würde das mit der Beziehung schon irgendwie hinbekommen. Schritt für Schritt. Ezra kuschelte sich wieder an Andrew, diesmal in der vollen Absicht, sich auf den Film zu konzentrieren.
      Nur nicht zu viel nachdenken, nichts überstürzen. Nicht zu anhänglich sein, wenn sich ihre Wege in London kurz wieder trennen würden, auch wenn er Andrew eigentlich nicht mehr von der Seite weichen wollte. Nicht, wenn gerade alles so kitschig perfekt lief. Okay, er dachte wieder zu viel nach. Viel zu viel und viel zu kompliziert. Wenn er nur halb so viel über alle anderen Entscheidungen in seinem Leben nachdenken würde, wie über seine Beziehung zu Andrew, wäre er wahrscheinlich deutlich seltener fast gestorben.
    • Andrew

      Da hatten sie etwas gemeinsam, Andrew hatte sein letztes Date nicht vor Monaten gehabt, viel eher vor ein oder zwei Jahren. Dennoch verstand er Ezras Sorgen noch nicht ganz, der Kuss brachte ihn allerdings zum schweigen. Als er sich wieder dem Film zuwandte, hoffte Andrew, dass er ihm den Kopf auf eine positive Art verdrehte. Das konnte er dann nämlich nachvollziehen. Sein ganzes Leben drehte sich plötzlich nur noch um Ezra. Das war eine seltsame Umstellung, aber er machte sie gerne durch. Allein herauszufinden, wie er zu ihm stand… Er mochte ihn definitiv mehr, als jemanden, den er seit kurzem datete. Auch mehr, als einen Freund, den er seit neun Jahren kannte. Der Gedanke, sein Leben mit Ezra zu teilen, schien garnicht sehr befremdlich, weil er das irgendwie bereits getan hatte. Es war bestimmt eine gute Idee, mal so zu tun, als wären sie ganz normale Menschen, die einander durch Dates besser kennenlernten, denn sie kannten sich zwar, allerdings auf einer Ebene, die verwirrend und nicht gerade kompatibel mit einer ganz normalen Beziehung war. Nur… kam Andrew garnicht umhin, sich zu fragen, wie normal das zwischen ihnen überhaupt je sein konnte. Vor allem, wenn Ezra weitermachte mit seinen Einbrüchen. Das… würden sie schon irgendwie klären. Bestimmt. Auch wenn Ezras innere Unruhe ihn auch etwas nervös machte. Aber nach allem, das passiert war, konnte sie da wirklich noch etwas auseinander bringen?

      Am nächsten Tag läutete Andrews Wecker gegen 9 Uhr, aber zu dem Punkt war er bereits seit fast 3 Stunden wach. Wie konnte er auch so lange schlafen, wenn er den ganzen Vortag nur herumgelegen hatte? Er hatte die erste halbe Stunde lang ruhig im Bett verbracht und Ezra beim Schlafen beobachtet, dann hatte ihn ein enormer Bewegungsdrang überfallen und er hatte sich bestmöglich aus dem Bett gerollt, leise im Badezimmer angezogen und hatte 10 Minuten später das Zimmer verlassen. Er brauchte einen kleinen Tapetenwechsel, also lief er erst eine Weile im Hotel herum und entdeckte auf seinem Spaziergang sogar einen Spa Bereich und bereute, das nicht gestern schon gesehen zu haben. Irgendwann wurde ihm jedoch auch das Auf- und Abgehen im Hotel zu eintönig, also lief er nach draußen. Bloß einmal die Straße auf und ab, dachte er sich. Nicht zu weit weg. Falls Ezra aufwachte.
      Nach einer Stunde fand er sich in einem anderen Viertel der Stadt wieder und musste sich anstrengen, sein Handy in der Tasche zu erreichen, um den Wecker abzustellen, weil er einen Kaffeebecher in der einen und eine Einkaufstasche in der anderen Hand trug. Okay, er sollte definitv zurück gehen, bevor Ezra sich Sorgen machte. Im Gehen tippte er eine Nachricht, für den Fall, dass er tatsächlich schon wach war:

      Guten Morgen. Ich bin in 20 Minuten zurück.
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