The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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    • The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]


      ~•~•~•~
      Ezra

      Viele Menschen würden sagen, dass das Schlimmste an einer Karriere als Einbrecher das ständige Adrenalin war, das Wissen, dass jeder Einbruch der letzte sein könnte, wenn man einen falschen Schritt machte, eine falsche Abzweigung nahm und einem Polizisten in die Arme lief. Der Stress, das ständige über-die-Schulter-Schauen.
      Ezra hatte dies nie verstanden. Man konnte keinen falschen Schritt machen, wenn man sich im Vorfeld schon einen Ausweg für jede erdenkliche Situation überlegt hatte. Selbst die besten Handschellen konnte man mit einem Generalschlüssel öffnen, wenn niemand hinsah. Nein, für ihn waren die Konsequenzen eines missglückten Einbruchs noch nie das Schlimmste an seinem Job gewesen - die Stille, die mit ihm einherging war deutlich schlimmer. Und hier, im gehobeneren Viertel der Stadt, war unglaublich still. Die Fenster der kleinen Stadt-Villen um ihn herum waren dunkel, die Straßen leer.
      In den weniger gut betuchten Stadtteilen Londons schien man Stille nur als Konzept zu kennen - selbst in tiefster Nacht konnte man dort Betrunkene auf den Straßen antreffen, die laut singend nach Hause torkelten und die Menschen grüßten, die in den frühen Morgenstunden ihre Häuser verließen, um zur Arbeit zu gehen. Doch all das gab es hier nicht. Hier herrschte eine Stille, die Ezra dazu verführte, seine Gedanken schweifen zu lassen und mehr in seinem eigenen Kopf zu stecken, als im hier und jetzt. Eine Stille, in der das vorsichtige Zuziehen der Tür doppelt so laut klang, wie es eigentlich war. Hoffte Ezra zumindest. Gut, er hätte sich lediglich auf den kleinen Stein, der an einer Kette um seinen Hals hing, konzentrieren müssen, um das Haus absolut geräuschlos verlassen zu können, aber irgendetwas hatte ihn davon abgehalten. Vielleicht wollte er einfach einen kleinen Laut in der Stille hören, um sicher zu gehen, dass er nicht spontan taub geworden war. Vielleicht wollte er auch einfach ein wenig provozieren. Was wahrscheinlich der nächste Punkt auf der kleinen Liste von Dingen war, die Ezra in dieser Nacht nervös machten: Andrew war auffallend spät dran.
      Ezra warf einen kurzen Blick nach links und rechts, bevor er seine Taschenuhr zückte. Gott, konnte man sich heutzutage überhaupt auf irgendwas verlassen? Mit einem kleinen Seufzen zog die Tasche um seine Schulter - gefüllt mit Schmuck, Geld und dem wohl hässlichsten Kerzenleuchter der Welt - zurecht. War es schräg, dass er den spießigen Helden fast vermisste? Sicher, so musste er sich nicht die Mühe machen, einen der vierzehn Fluchtwege zu nutzen, die er mit Adeline zusammen ausgearbeitet hatte, aber die schnippischen Kommentare gehörten mittlerweile fast zum Einbruch dazu und waren die Hälfte des Spaßes. Ein Diebstahl ohne Wortgefecht war wie ein trockenes Stück Kuchen ohne Sahne. Man konnte damit leben, aber glücklich machte es nicht.
      Mit einem letzten Blick auf die Taschenuhr ließ Ezra selbige wieder in seiner Jackentasche verschwinden, bevor er sich in Bewegung setzte, zurück in die Richtung der Viertel, in denen Nachts noch etwas Leben zu finden war.
    • Andrew

      "Schon wieder Nachtdienst?", ertönte es hinter dem Mann der sich gerade den dritten Kaffee in den Hals leerte, als ginge es um Leben und Tod. "Mh…", kam es von Andrew, der noch einen großen Schluck nahm und sich von seinem Schreibtisch erhob. "Mittwoch"
      Serena stoppte. Eigentlich hatte sie eine mehr oder weniger rhetorische Frage gestellt, denn ihr Kollege lebte zur Zeit geradezu im Dezernat. Zumindest war das eine der ernsthaften Befürchtungen, die bei der Arbeit in den Umlauf gekommen waren. Doch wie immer meinte Andrew, dass es mit einem Wort getan sei, eine Antwort zu geben, als wusste er nicht genau, dass das erst recht Neugierde weckte. "Mittwoch? Was ist am Mittwoch?", fragte sie wie aufgezogen.
      Andrew zog seinen schwarzen Mantel über und nahm erneut einen Schluck Kaffee, bevor er antwortete. Irgendwann würde er sich die selbe Kaffeemaschine zulegen, die sie hier im Büro hatten… Etwas Besseres hatte er in ganz London noch nicht getrunken. "Miss Harris. Ruft jeden Mittwoch an? Wegen Ezra Fitzsimmons. Kann es nicht lassen, in der Nachbarschaft zu klauen. Da wohnen ja auch nur reiche Alte. Teurer Schmuck, hässliche Uhren, Vasen und weiß der Geier was", begann Andrew im Schnelldurchlauf zu erklären, während er im Stress gerne das Subjekt aus jedem zweiten Satz verbannte.
      "Der schon wieder? Den haben wir noch immer nicht?"
      Andrew stockte. "Serena, du bist neu, also drücke ich mal ein Auge zu. Ezra gibt es schon, seit ich den Job hier habe.", erklärte er, als wäre er bereits hundert Jahre alt – so fühlte es sich immerhin an – und nahm sich nun doch die Zeit, vollständige Sätze zu äußern. "Aber solange er die Steine nicht will…" Er zuckte mit den Schultern und unterdrückte ein Schmunzeln. Seine Kollegin warf ihm einen misstrauischen Blick zu und überging das Kommentar, dass sie nach ihren drei Jahren Dienst noch neu hier war. "Du siehst das zu locker. Kriminelle sind alle gleich. Irgendwann nimmt der Geiz überhand und jemand vermisst einen Edelstein, ich sehe es schon kommen"
      Darauf antwortete der Dunkelhaarige nicht. Stattdessen sprach er leise in Gedanken, denn er hatte es eilig und keine Zeit für Diskussionen.
      Er hat es nicht auf die Steine abgesehen. Da mache ich mir keine Sorgen.
      Ein letzter, finaler Schluck aus der Tasse und Andrew lief aus dem Gebäude hinaus in die Nacht. Es war spät, das Gespräch hatte ihn zeitlich ganz schön zurückgeworfen. Miss Harris hatte vor 5 Minuten angerufen… Ezra war bestimmt bald wieder am Rückweg, also würde er ihn am Weg abpassen müssen. Nur gut, dass er die Routen des Diebes zu gut kannte. Wenn er über den Covent Square auf die Highstreet fuhr… kam er zu einer Abbiegung, an der Ezra ohnehin vorbei musste, wenn er von da seinen üblichen Weg nahm. Vielleicht schaffte Andrew es ja heute, zumindest einzuschränken, wo der Blonde wohnen könnte. Irgendwann würde er ihn schon kriegen, und wenn er ihn in seinem eigenen Haus aufspüren musste, weil die Straßen Londons es nicht zuließen. Dass der Dieb ihn Mal für Mal reinlegte und immer entwischte machte dem Helden mittlerweile jedoch nicht mehr so viel aus. Früher hatte er sich nach jedem Treffen mit dem Kerl grün und blau geärgert, sich gefragt, was diesmal schon wieder falsch gelaufen war, doch Tatsache war: Er machte keine Fehler, Ezra war einfach zu gut. Sobald er das kapiert hatte, begann sich eine gewisse Normalität in seinen Fehlschlägen zu entwickeln. Das Ganze war ein fast routinehaftes Spiel, vor allem seit Miss Harris sich angewöhnt hatte, jede Nacht stundenlang aus dem Fenster zu sehen. Das lag an ihrem verstorbenen Ehemann. Sie war einsam, es war still und Andrew konnte sich vorstellen, dass sie beinahe auf Ezra wartete. So wie Andrew auf ihren Anruf wartete. Aber da der Dieb das längst bemerkt haben musste, konnte er sich nicht zusammenreimen, was ihn zu weiteren Überfällen in dieser Nachbarschaft trieb. Es war… wie eine Provokation. Ein merkwürdiges Katz und Maus Spiel zwischen Held und Dieb. Aber wie Serena schon sagte: Am Ende sind sie alle Kriminelle, oder so. Also durfte er nicht aufhören, ihm nachzulaufen. Paraphrasieren war immer nützlich, um seinen Willen zu bekommen.
      Das Auto brachte ihn recht schnell durch die leeren Straßen, an der richtigen Abbiegung blieb er stehen und stieg aus. Er lehnte sich an den Wagen und wartete. Gleich musste er kommen. Und dann… würde er ihm zumindest das Diebesgut abnehmen, selbst wenn er ihn nach fast 10 Jahren wieder nicht schnappte. Aber gerade als es spannend wurde, bekam Andrew auf einmal eine Meldung über Funk. "Was zum…", murmelte er genervt und wandte sich schweren Herzens von der Abbiegung ab, um sich ins Auto zu bücken.
      "Andrew Morgan auf der Highstreet. Was gibt's?", meldete er sich und beobachtete angestrengt die Straße, in der er seinen Gegenspieler erwartete. Zeit, sich an das kleine Steinchen zu erinnern, das in seiner Armbanduhr integriert war. Viel besser… Nachts sehen zu können, war in diesen grünen Villen-Vierteln von großem Vorteil, nachdem die Stadt hier eindeutig mit den Straßenlampen gespart hatte.
      "Hey, Andrew" Ah, Thomas. "Diebstahl in der Barcley, ein ziemlich großer Edelstein… 200 Karat? Du sollst zurück ins Dezernat kommen"
      Andrew runzelte die Stirn und wandte den Blick auf das Funkgerät, als wäre es kaputt und er hörte deshalb nicht richtig. "200… das… sind fast 40 Gramm?! Wem hat das Ding denn gehört?" Dann überlegte er noch einmal und fragte: "Und wieso ins Dezernat? Sollten nicht alle Einheiten zur Barcley Bank?" Was nützte es denn irgendjemandem, wenn sie ohne Beweislage im Büro über den Fall sprachen? Eigentlich juckte es Andrew ganz schön in den Fingern, sich dem Fall selbst anzunehmen. Fast vergaß er, warum er sich überhaupt auf der Highstreet befand.
      "Ich weiß nicht, der Safe wurde ewig nicht angerührt, die Bank checkt das noch… Das… äh, das Problem ist, dass sie denken, es war dein komischer Jahrzehnte-Fall", kam es aus dem rauschenden Funkgerät. Moment… Ezra?
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    • Ezra

      Der große Vorteil der unliebsamen Stille war, dass Ezra das Auto hörte, bevor er es sah. Nicht, dass das irgendetwas an seinen Plänen geändert hätte, aber so konnte er wenigstens schon mal einen theatralisch-genervten Gesichtsausdruck aufsetzen, als er nah genug war, dass Andrew ihn sicherlich sehen konnte. Was vielleicht ein wenig unkonventionell war. Jeder andere Dieb hätte sich wahrscheinlich direkt weggeduckt, rein in die nächste Straße, durch ein paar Vorgärten, bis man das Gesetz abgeschüttelt hatte und mit der Beute feiern gehen konnte.
      Aber das hier war kein normaler Diebstahl - es war Routine. Eine Routine, die so einfach, wie gefährlich war. Ezra wusste, dass Andrew früher oder später immer irgendwann irgendwo auftauchen würde. Er kannte seine Vorgehensweise. Er wusste, was er machen musste, um ihn abzuschütteln. Er hatte die Straßen entsprechend präpariert - ein paar Stolperfallen gebaut, um in schmalen Gassen wertvolle Sekunden Vorsprung zu bekommen, Türen geknackt, um möglichst schnell und dezent untertauchen zu können, sobald er um die richtige Ecke bog. Ezra wusste zu jeder Zeit, wo er langgehen musste, um in den frühen Morgenstunden wieder in seiner eigenen Wohnung zu landen, statt in einer Gefängniszelle. Die Stadt war sein persönliches Schachbrett und er plante seine Züge sorgsam voraus.
      Aber eine Routine zu besitzen bedeutete auch, sich viel leichter zu Unsinn hinreißen zu lassen und unachtsam zu werden, wenn man einen falschen Sinn von Sicherheit entwickelte, nicht?
      “Weißt du eigentlich, wie spät es ist?” Statt zu laufen, blieb Ezra stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, sorgsam darauf bedacht, nicht in der Reichweite des anderen zu enden. “Ich war kurz davor, Miss Harris zu fragen, ob ich noch auf eine Tasse Tee reinkommen könnte, während wir auf dich warten.” Was natürlich eine glatte Lüge war. Ezra war sich nicht mal sicher, ob Miss Harris wusste, dass er wusste, dass sie diejenige war, die sich immer Pflichtbewusst im Dezernat meldete und er wollte es nicht riskieren, dass sie womöglich einen Schrecken bekam und es nicht mehr tat. Dafür brauchte er das hier zu sehr. Er brauchte ein kleines bisschen Beständigkeit in seinem Leben und er brauchte die Ablenkung, die damit einher kam. Nicht, dass Andrew irgendwann auf den Gedanken kommen würde zu prüfen, wo Ezra sich umtrieb, wenn er nicht gerade eine offensichtliche Straftat beging. Ein regulärer Einbruch in der Woche und die ganzen Gelegenheits-Diebstähle fielen gar nicht mehr so auf. Hoffte Ezra zumindest, immerhin war es bis jetzt gut gegangen, was ein halbes Wunder war. Andrew besaß Grips und - viel schlimmer noch - eine Beharrlichkeit, wie Ezra sie zuvor noch nie erlebt hatte. Wer sonst würde dieses Spiel nach so vielen Jahren immer noch mitspielen?
    • Andrew

      Schlechter Zeitpunkt, bei der Arbeit über einen anderen Job zu sprechen. Ezra kam bereits auf ihn zu, bevor Andrew sich wieder gefasst hatte. "Thomas, er ist vor meiner Nase. Ich muss aufhören", würgte er seinen alten Freund ab und legte das Funkgerät zurück ins Auto, bevor er mit zügigen Schritten auf den Dieb zulief.
      "Du hast nicht zufällig einen Abstecher zur Barcley gemacht?", fragte Andrew nebenbei, jedoch mit hörbarem Nachdruck. Er war sich sicher, dass Ezra nicht der Schuldige bei diesem gigantischen Überfall war, doch ein wenig Misstrauen musste sein. Sie waren keine Freunde, das hier war Andrews Job. So sehr es ihn reizte, Teil an diesem Spiel zu haben, das sie seit Jahren spielten, so sehr hatte er sich auch in den Kopf gesetzt, es am Ende zu gewinnen. "Oder ist deine Tasche zu schwer für den langen Weg?", neckte er ihn sogleich, während er ein Auge auf die große Tasche hatte und dem Blonden immer näher kam. Natürlich hatte er vor, ihm das Teil erstmal abzunehmen. Ob das heute mit einem Faustkampf klappen würde, blieb die große Frage, aber Andrew hatte nicht viel zu verlieren. Gegen die meisten Verletzungen war er so gut wie immun dank seines Edelsteins und diese Momente hielten ihn fit. Aber Ezra war für gewöhnlich schlauer, als sich einfach besiegen zu lassen. Erfahrungsgemäß hatte Andrew jedoch bemerkt, dass es für Diebe am Ende einfacher war, ohne die Beute zu flüchten, wenn sie das Gefängnis vermeiden wollten. Somit musste er ihm nur nah genug kommen… und die gestohlenen Güter zurück zu ihrem Besitzer bringen. Wie es schien hatte Andrew heute Abend ohnehin noch wichtigeres zu tun, als Ezra durch die Straßen zu jagen, nur um ihn am Ende aus den Augen zu verlieren.
      "Ich hab noch viel zu tun, also, wie wär's… du gibst mir die Tasche einfach… das erspart uns beiden eine lange Nacht", kündigte Andrew an, bevor er losstürzte, um sich das Ding selbst zu holen. Dass Londons Straßen übersäht mit hohen Wohnhäusern waren kam ihm nur zugute. Mit ein wenig Anlauf und Schwung machte er den ersten Schritt an einer Fassade hinauf, lief horizontal einige Meter in Ezras Richtung und ließ sich mit einem großen Sprung und einer angeberischen Drehung in der Luft hinter dem Dieb wieder auf den Füßen landen.
      "Also…?", murmelte er dem Blonden beinahe ins Ohr und hielt seine Hand nach vorne, nur wenige Zentimeter von der Tasche entfernt, die er sich auch einfach nehmen konnte. Aber er hatte die höfliche Angewohnheit, erst einmal zu fragen.
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    • Ezra

      Ezra kam nicht umhin, kurz die Augen zu verdrehen. Angeber. Aber ein talentierter Angeber. Nur wusste er nicht sicher, ob es das besser, oder schlechter machte.
      "Sicher", antwortete er, während er Andrew über die Schulter hinweg sein freudlichstes Lächeln zuwarf. Er schob seine Hände in seine Jackentaschen, als wäre das hier nur ein kleiner, nächtlicher Plausch, während er fortfuhr. "Und danach lege ich mir selbst die Handschellen an und fahre mich selbst zum Dezernat." Ruckartig zog Ezra seine Hände wieder aus den Jackentaschen und warf dabei eine kleine Menge Sand in die Luft, während er sich auf den blauen Stein an seinem Ringfinger konzentrierte, der ihn eine kleine Windböe herbeirufen ließ.
      Sicher, es gehörte nicht zum guten Ton, seinem Gegner Sand in die Augen zu streuen, aber mit Fairness kam man hier nicht weit.
      Ezra wartete nicht ab um zu sehen, wie gut sein Trick funktionierte - er entschied sich für die Flucht nach vorne. Er war bereits um die nächste Ecke in eine schmale Brandgasse abgebogen, als er Andrews erste Frage registrierte. "Was zur Hölle soll ich in der Barcley?", rief er über seine Schulter, während er darauf achtete, nicht über den kleinen Draht zu stolpern, den er früher am Abend hier gespannt hatte. Er war sich absolut sicher, dass Andrew im schon irgendwie folgen würde. Bestimmt. Sonst würde er jetzt einfach aussehen wie ein Irrer, der mit sich selbst redete. "Das Zeitfenster, um ungesehen rein zu kommen ist viel zu knapp und das Tresorschloss ist ein absoluter Albtraum!"
      Er nahm die nächste Kurve zu eng und stieß gegen eine Mülltonne, die er - wenn er sich richtig erinnerte - selbst auf dem Hinweg dort positioniert hatte. Der nächste blaue Fleck, bei dem er nächste Woche wohl nicht mehr genau zuordnen konnte, woher er ihn überhaupt hatte. Er stieß einen kleinen Fluch aus, zog die Mülltonne hinter sich in den Weg und lief weiter. "Und wenn man erst mal drin ist, ist dort eh nichts Interessantes. Nur Besitzurkunden und Testamente und-" Er stockte kurz. "Hab ich zumindest gehört. Nicht, dass ich je schon mal drin gewesen wäre." Zwei mal, um genau zu sein. Einmal, um eine Besitzurkunde zu stehlen und dann erneut, um sie wieder - leicht retuschiert - zurück zu bringen, bevor jemandem auffallen würde, dass sie fehlte. Was sollte man bei der aktuellen Wohnungslage auch anderes machen?
      Er blieb an der Kreuzung zur nächsten Straße kurz stehen und sah zu Andrew zurück. "Wieso fragst du? Interesse an einem Ferienhaus? Wenn du mich gehen lässt könnte ich dir vielleicht eines besorgen. Würde auch die Nacht verkürzen, nicht?"
    • Andrew

      Mit einem genervten Ausruf wich Andrew zurück, als er die Augen wegen des Sandes zusammenkneifen musste. Immer diese dreckigen Tricks… Er versuchte mit seinem Mantel den größten Teil des Zeugs aus seinem Gesicht zu wischen. Seine Augen waren glücklicherweise großteils verschont, aber es gab nichts Schlimmeres als Sand im Mund. Das würde ihn bestimmt noch bis morgen stören. Na warte, das würde Ezra ihm büßen. Aus mit den netten Gesten für heute. "Als ob ich dir davon erzähle!", rief Andrew ihm hinterher. "Die Chance hast du dir mit dem verdammten Sand vertan", murmelte er etwas leiser zu sich selbst und hielt die Augen noch etwas zugekniffen, während er dem Dieb nachjagte. Nur blöd, dass ihm so zwar der Stolperdraht auffiel, die Mülltonne aber entging. Es war zu dunkel, also lief er direkt in das Teil hinein. Mit einem schmerzhaften Stöhnen schaffte er es noch, stehen zu bleiben, während er die Tonne festhielt. Nur, weil er keine blauen Flecken davontrug hieß das noch lange nicht, dass er schmerzresistent war. Und diese dämlichen metallenen Mülltonnen machte es einem nicht leichter, wenn man schnell durch die Straße kommen musste! Dreckige Tricks. Ezra war der anstrengendste Dieb, den er kannte. Er machte sich aus diesen kleinen lästigen Fallen wohl wirklich einen Spaß.
      "Du kennst dich ja gut aus", rief Andrew und beschloss seinen kleinen Wutanfall über die Tonne als Energieschub zu nutzen und über die Häuser zu laufen, da hatte er einen kleinen Geschwindigkeitsvorteil, vor allem da an Fassaden selten Mülltonnen platziert waren. Sobald er ungefähr gleich auf mit Ezra war, sprang er herunter und landete vor seiner Nase. "Und wann beginnst du eigentlich, die Hausfassaden mit Stacheldraht zu überziehen? Wird doch sonst langweilig" Er grinste ein wenig. Tatsächlich bereitete ihm der Barcley Vorfall gute Laune. Schnell kickte er dem Blonden in die Weichteile, ein hinterhältiger Zug als Rache für den Sand in seinen Augen. Mit zwei Armgriffen hielt er ihn dann bereits rücklings in einem Würgegriff, damit er nicht los kam. Das war wohl das erste Mal seit langem, dass er ihn überhaupt wieder gefasst hatte, aber solche kleinen Siege bedeuteten ohnehin nichts mehr. "Die Tasche", sagte Andrew fordernd und hob den Arm, der nicht um Ezra Hals gespannt war, damit er sie ihm in die Hand drücken konnte. "Dann sag ich dir vielleicht, was in der Bank vorgefallen ist"
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    • Ezra

      Oh fuck.
      Für den Bruchteil einer Sekunde war Ezra noch froh es geschafft zu haben, abzubremsen, bevor er frontal in Andrew hineingerannt wäre, dann ließ der nachfolgende Schmerz die Welt kurz ein wenig verschwimmen. Wäre er schneller auf den Boden gesackt, wäre er vielleicht sogar versehentlich noch dem Würgegriff entkommen, so blieb im nichts anderes über, als irgendwie zu versuchen sich zu befreien, ohne dabei zu vergessen zu atmen. "Ich wusste nicht, dass du auf Würgespielchen stehst", keuchte er. Heute war wirklich nicht sein Abend. Er hätte heim gehen sollen, als er die Chance dazu gehabt hatte. "Normalerweise warte ich damit immer bis zum dritten Date." Stacheldraht war noch nie zuvor so schnell auf die Spitze seiner Prioritätenliste geschossen, wie jetzt gerade. Noch mehr Basteleien und er konnte seine Diebeskarriere gegen eine Zimmermann-Laufbahn eintauschen. Aber das war momentan wohl das kleinste seiner Probleme.
      Mental ging Ezra seine begrenzten Optionen durch. Er wusste, dass es einen Weg gab, sich aus dem Griff zu befreien, wenn man die Arme richtig hielt. Oder war es ein bestimmter Schritt? Der Schmerz verhinderte es, klar zu denken. Er könnte einen Windstoß nutzen, um sie beide gegen die nächste Wand zu pfeffern, in der Hoffnung, dass Andrew seinen Griff soweit lockern würde, dass er irgendwie entkommen konnte, aber gemessen daran, dass Ezra gerade seine komplette Konzentration dazu benötigte, zu atmen, war er sich nicht sicher, ob dieser Plan aufgehen würde. Wozu das Ganze überhaupt? Für den hässlichsten Kerzenständer der Welt? Für das kleine bisschen Stolz, wenn er derjenige war, der gewann? Okay. Ja. Dafür. Wem machte er hier was vor?
      Aber es wäre nicht das erste mal, dass er ohne Tasche nach Hause kommen würde. Es kratzte trotzdem jedes mal an seinem Ehrgefühl.
      "Okay. Schon gut." Er riss geschlagen beide Hände nach oben. "Aber bitte sag der Spencer Familie, dass sie endlich so etwas wie Stil entwickeln sollen, wenn du die Sachen zurück gibst. Langsam glaube ich, dass sie die hässliche Deko extra rausholen, damit ich sie klaue und sie sich nicht schlecht fühlen müssen, sie weg zu werfen." Er war sich nicht mal sicher, ob der Kerzenständer überhaupt aus echtem Gold war. Das Geld würde eh noch für ein paar Wochen reichen. Gott, er quatschte sich die Situation gerade richtig schön, nicht?
      "Und wehe, die Barcley Story lohnt sich nicht." Sollte sich dort wirklich etwas interessantes abgespielt haben, könnte er immerhin bestimmt alles morgen in der Zeitung lesen. Wozu lachte man sich schon einen Spezialisten an, wenn man dann doch nicht an die ganzen schmutzigen Details kam?
    • Andrew

      Das Kommentar zu dem Würgen überging Andrew. Er war diese Aussagen von Ezra gewohnt und auch heute würde er darauf nicht weiter eingehen, das war es ihm nicht wert. Mit einem Grinsen schnappte er sich die vollgestopfte Tasche und ließ Ezra frei, wie versprochen. Er war ein Mann seines Wortes. Außerdem, so ungern er es zugab, ließ er den Dieb nicht gerne leiden. Schließlich hatte er selbst keinen Hang zur Gewalt, wie man an seinen leisen Diebstählen merkte. Der einzige, der jedes Mal etwas abbekam, war Andrew. Eines Tages würde er vielleicht sogar herausfinden, was ihn zu seinem kriminellen Dasein trieb. Geld, natürlich, aber war es mehr Kleptomanie oder eine Schulden-Angelegenheit? So oder so… behalten tat er die Dinge offensichtlich nicht, wenn er sich so über die Besitztümer der Spencers ausließ.
      "Du könntest aufhören bei ihnen einzubrechen, damit du die Sachen nicht mehr ansehen musst. Erspart mir viel Arbeit", meinte Andrew und warf einen Blick in die Tasche. Er holte mit großen Augen den Kerzenständer heraus und hielt ihn hoch. "Im Ernst?", fragte er ungläubig. "Verkaufst du das Zeug am Schwarzmarkt? Gibt es da Menschen, die sowas haben wollen?" Er schüttelte den Kopf und packte ihn wieder ein. Geschmacksache. Oder eben Geschmacklosigkeit. Er hing sich die Tasche um. In jedem Fall musste er diese Stücke wieder zurück bringen. Bevor er auf die Geschichte mit der Bank einging, legte er sich sorgfältig die Worte zurecht. Es war ohnehin falsch, Ezra irgendetwas zu erzählen, aber er passte dennoch besonders auf, nicht zu viel zu sagen. Andererseits wusste er diesmal selbst kaum etwas, also würde der Dieb sich mit einem Satz hoffentlich zufrieden geben. Und wenn nicht… hatte Andrew die Tasche bereits und würde sie so leicht nicht mehr herausrücken. "Vor… 10 bis 50 Minuten dürfte ein Edelstein gestohlen worden sein. Anscheinend bist du ganz oben auf der Verdächtigenliste, aber da kann ich dich wohl streichen" Er schmunzelte. Das Zeitfenster war zwar nur geschätzt, doch Ezra hätte es kaum geschafft von dem Bankdiebstahl am anderen Ende der Stadt hierher zu kommen und noch einen Raub am selben Abend durchzuziehen, von dem er außerdem wusste, dass er nicht ungestört blieb. Und seine Reaktion, nichts von der Sache zu wissen, war spätestens jetzt glaubwürdig geworden. Ganz abgesehen davon… dass Steine ihn als einen der wenigen Diebe nicht zu interessieren schienen.
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    • Ezra

      Hustend torkelte Ezra ein paar Schritte nach vorne. Er hatte seine ganz eigene Theorie zu dem hässlichen Kerzenständer, allerdings nicht genug Zeit, um sie zum Ausdruck zu bringen, bevor Andrew fortfuhr und ihm von dem Vorfall in der Bank erzählte. Er konnte praktisch fühlen, wie sämtliches Blut aus seinem Gesicht floss, während er blass wurde. Steine lagen nicht einfach so in Banken. Die Steine waren dazu da, um sie zu benutzen. Jeder Edelstein, der hinter gut bewachten Banktüren lag, war entweder von extremen emotionalen Wert, oder eine Gefahr für die Allgemeinheit, die aus gutem Grund weggeschlossen worden ist. Und kein Dieb interessierte sich für emotionale Werte, wenn es um seine Beute ging. Nicht genug zumindest, um dafür in eine Bank einzubrechen. Ein Stein in den falschen Händen konnte verheerende Auswirkungen haben. Es war schon oft genug vorgekommen, dass die Macht der Steine für Gewalt und Terror missbraucht worden war. Gerade deshalb hatte man irgendwann Regeln aufgestellt, welche Steine man in der Öffentlichkeit nutzen durfte und welche nicht. Gut, er hielt sich selbst auch nicht allzu streng daran, aber das war hier nicht der Punkt.
      Ezra stieß ein kleines, nervöses Lachen aus. "Ich weiß nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll, dass ihr mir zutraut, so einen Einbruch durchzuziehen, oder ob ich darüber enttäuscht sein soll, dass ihr mich nicht besser kennt." Er deutete auf die Tasche in Andrews Händen. "Schmucksteinchen. Jedes einzelne. Du müsstest wissen, dass die Steine mich nicht interessieren, Andy." Das war eine Zeit, die lange hinter ihm lag und die er sich definitiv nicht zurückwünschen würde. Ezra fing an, mit dem Ring an seinem Finger zu spielen, als könnte das die Erinnerungen irgendwie vertreiben. "Solltest du jetzt nicht lieber zur Bank? Warum bist du überhaupt hier geblieben? Ein Stein ist ja wohl deutlich wichtiger, als der hässlichste Kerzenständer der Welt." Ob er sich deswegen auch geehrt fühlen sollte? Oder war Andrew davon ausgegangen, dass er locker beide Fälle heute Nacht lösen konnte, was ihm zu einem noch schlimmeren Workaholic machen würde, als Ezra bisher vermutet hatte. Er hörte auf, mit dem Ring zu spielen und schob seine Hände stattdessen wieder zurück in seine Jackentasche, um seine Nervosität ein wenig zu kaschieren. Links war immer noch ein bisschen Sand übrig, rechts die Taschenuhr, sowie eine kleine, goldene Kette, die heute Abend nicht in der Schultertasche gelandet war. Offensichtlich zahlte es sich ja aus, wenn man nicht die komplette Beute am selben Fleck sammelte. "Also...tu...was auch immer du tun musst, damit wir beide nächste Woche wieder hier stehen, schätze ich."
    • Andrew

      "Hm… Nein. Nein, nein… du weißt doch irgendetwas", murmelte Andrew. Er hatte Ezra genau beobachtet. Er kannte den Mann seit Jahren, wenn sein Gesicht eine komische Farbe annahm, dann fiel ihm das auf. "Was ist mit dem Stein? Weißt du etwas darüber? Klarerweise muss er mächtig sein, aber gehört habe ich davon noch nie, was bedeutet, das sie nicht einmal jedem der Helden Informationen darüber zutrauen. Dass in der Barcley Steine gesichert werden, habe ich heute auch zum ersten Mal gehört. Anderenfalls gäbe es dort mehr Patrouillen und… man hätte davon gehört. Aber ein Stein dieser Größe… dass man davon im Dezernat nichts wusste?" Irgendwann begann Andrew vor sich hin zu reden, kratzte sich nachdenklich am Kinn und ignorierte, dass er mit einem Dieb sprach. "So weit hast du wohl auch schon gedacht", murmelte er. Warum Ezra der Gedanke nervös machte, erschloss sich Andrew doch langsam. Natürlich, wer würde denn einen Stein von solchem Wert stehlen, wenn er nicht plante, ihn für etwas zu benutzen? Dafür war ein Bankraub zu viel Aufwand, wenn… es keinen größeren Plan gab. Und der Übeltäter musste auf dem einen oder anderen Weg von dem Edelstein erfahren haben. Doch es war weiterhin nicht klar, wem er ursprünglich gehört hatte… Andrew blitzte ein Gedanke auf. Vielleicht war es riskant, diese Frage zu stellen… Doch was war das Leben schon ohne Risiko?
      "Dass du keine Steine mehr stiehlst, weiß ich… aber ich kenne deine Akte. Du weißt doch bestimmt, wer daran interessiert sein hätte können?", fragte er eindringlich und musterte den Blonden genau. "Ich denke, es ist doch weitaus nützlicher, hier zu sein, als mit einem Dutzend Helden am selben Fall zu arbeiten. Heute Nacht wird den ohnehin keiner mehr lösen" Der Überfall musste gut geplant gewesen sein, wenn der Stein bereits weg war und Helden quer durch London über Funk informiert wurden. Es würde sicher eine Weile dauern, bis sie den Dieb schnappten… Aber Andrew hatte da schließlich einen Kontakt, der besser als jeder andere wusste, welche Routen bei einem solchen Überfall die schnellsten waren, wo man einen Edelstein dieser Größe sicher unterbringen könnte… wer es auf etwas so Mächtiges abgesehen haben könnte. Und vor allem wo es Informationsquellen über die Edelsteine gab, die für Diebe besonders interessant waren. Natürlich hatte Andrew seine eigenen Vermutungen, aber ein Insider-Kontakt war doch noch einmal etwas anderes. Allerdings… musste für Ezra etwas dabei herausspringen.
      "Schön… wie wär's, wenn du mir ein paar Tipps gibst und du bekommst den Kerzenständer zurück? Keiner erfährt davon" Er setzte ein charmantes Lächeln auf. Natürlich würden die Spencers davon erfahren, ebenso seine Vorgesetzten, denn man würde schließlich Fragen stellen, woher Andrews Informationen stammte, sollte etwas brauchbares dabei sein. Aber er würde der Familie einfach einen neuen hässlichen Kerzenständer besorgen. Davon gab es reichlich im Antiquitätenshop.
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    • Ezra

      Für einen kurzen Moment hatte Ezra ein wenig Hoffnung, dass Andrew einfach dermaßen mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war, dass er komplett vergessen würde, dass er hier nicht alleine stand. Er hatte sich schon bereit gemacht, vorsichtig, langsam und dezent zu verschwinden, um selbst der Sache nachzugehen, als Andrew ihn wieder direkt ansprach und damit jede Hoffnung zerstörte. Wenigstens kamen sie offensichtlich zur selben Schlussfolgerung.
      Ezra öffnete kurz den Mund, um zu antworten und schloss ihn sofort wieder, als Andrew ihm den Kerzenständer anbot. “Wow”, kommentierte er flach. “Wie spendabel.” Vielleicht würde er den Spencers ja sogar einen Gefallen tun, wenn er alles außer dem Kerzenständer wieder zurückgeben würde.
      Aber Andrew hatte Recht - Ezra könnte ihm helfen. Ihm fielen spontan zumindest ein paar Leute ein, die etwas über den Stein wissen könnten - und wenn nicht über den Stein, dann zumindest über Personen, die sich für solche Steine interessieren könnten. Gut, die meisten hatte er selbst seit Jahren schon nicht mehr gesehen und die Hälfte davon würde ihn wahrscheinlich tot sehen wollen, aber das wäre ein Problem, mit dem er sich auseinandersetzen würde, wenn alle anderen Stricke rissen. Im Zweifelsfall konnte er ja einfach ein paar Kontakte weitergeben und sich selbst zurückziehen. Momentan war es wichtiger, möglichst schnell zu klären, wie schwerwiegend dieser Diebstahl war und sicher zu gehen, dass nichts Schlimmeres passierte und am Ende des Tages war Andrew wahrscheinlich besser auf solche Fälle vorbereitet, als er. Selbst wenn Ezra herausfinden würde, wer den Stein hatte, würde es nichts geben, was er alleine tun könnte. Wieso also nicht einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben?
      “Gegenvorschlag: Ich helfe dir, wenn du mir Immunität versprichst. Keine der Informationen, die du über mich oder meine Kontakte erhältst, werden gegen uns verwendet. Niemand wird spontan verhaftet. Keine Helden-Aktionen. Sobald du aufhörst, mit einer Person zu reden, vergisst du sofort, dass du sie überhaupt getroffen hast. " Immerhin wollte er die andere Hälfte seiner Kontakte nicht auch noch verlieren. Oder Leute, die ihm tatsächlich wichtig waren. Allen voran Adeline, seine Komplizin, Untermieterin und zweite Hirnzelle - und diejenige mit der deutlich längeren Kontaktliste. Ezra hatte es vor Jahren komplett aufgegeben, seine Beute selbst zu verkaufen. Wieso auch, wenn Ada’s Rehaugen spielend den doppelten Preis rausholen konnten?
      “Deal?”, fragte Ezra, während er Andrew die Hand entgegen streckte und dabei das furchtbare Gefühl hatte, einen großen Fehler zu begehen. Nichts hiervon gehörte zu ihrer genau einstudierten Routine, er musste sich blind darauf verlassen, dass Andrew sein Wort hielt, wenn er dem Deal zustimmen würde, auch, wenn er nach all den Jahren ein seltsames Vertrauen zu ihm aufgebaut hatte.
    • Andrew

      Andrew überlegte. Er starrte eine Weile auf Ezras ausgestreckte Hand. Völlige Immunität… davon würde seine Chefin nicht viel halten. Wenn er diesen Deal ohne Absprache einging, konnte er ebenso gut gleich kündigen. Aber wie sollte er sonst Informationen rechtfertigen, die er glasklar nicht durch ehrliche Arbeit bekommen hatte? Er musste erst… herausfinden, ob sein Charme etwas bei den höheren Tieren zu diesem Unterfangen herausholen könnte. Es gefiel ihm selbst der Gedanke nicht, vielleicht gegenüber einiger ihrer meist gesuchten Kriminellen zu stehen und nichts ausrichten zu können… außer natürlich, er hinterging Ezra.
      "Ich… kann dem noch nicht zustimmen", murmelte er vorsichtig und ging weiter seine Optionen im Kopf durch. "Ich muss das im Dezernat abklären, sonst bin ich sofort meinen Job los" Er hob den Blick und betrachtete den Dieb nachdenklich. Andrew war kein Mensch, der andere hinterging, egal wer die Person auch sein mochte. Hinterhältigkeit gehörte nicht zu seinen Charaktereigenschaften. Er löste seine Fälle ehrlich und durch harte Arbeit. Aber seine Kollegen würden das anders sehen. Warum einen Deal mit einem Dieb einhalten? Andrew hatte hier ganz klar die Macht, sobald Ezra begann ihm Leute vorzustellen. Er machte sich verletzlich. Ihm kam ein schräger Vorschlag in den Sinn. "Wenn du grade nichts vor hast, könnten wir uns in 20 Minuten wiedersehen und ich sag dir, ob der Deal steht", meinte Andrew. "Vorausgesetzt, du stellst in der Zwischenzeit nichts an"
      So hatte er Zeit ins Dezernat zu fahren, Anrufe zu tätigen und ein paar Leuten in den Arsch zu kriechen um seinen Willen zu bekommen. Und wenn er ihn nicht bekam… dann würde er ja sehen, wie es weiter ging. Im Gegensatz zu hinterhältigem Handeln gehörte Sturheit nämlich in der Tat zu seinen unvorteilhaften Eigenschaften. Naja… Fragen kostete ja trotzdem nichts.
      "Um das klarzustellen… Ich halte meine Deals ein. Ich will nur wissen, in wieviel Scheiße mich dieser reinreiten kann, bevor ich ihn eingehe" Nach einigen Sekunden meinte er: "Ich kenne da ein gutes Café, das bis spät Nachts geöffnet hat. Du kennst das Crown?" So merkwürdig es schien, sich mit einem Kriminellen nachts in einem Café zu treffen, fiel Andrew gerade kein Ort ein, der weniger problematisch wäre. Wenn er sich mit dem Dieb verabredete, in einer dunklen Seitengasse einen Deal zu machen, konnte er sich auch selbst ins Gefängnis abtransportieren, vor allem wenn seine Chefin von der Idee nicht überzeugt war.
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    • Ezra

      Enttäuschend, aber nicht vollkommen unerwartet.
      Ezra kaschierte ein Auflachen mit einem kleinen Husten, als Andrew anmerkte, dass er abschätzen wollte, wie viele Probleme dieser Deal ihm bringen würde. Mehr, als er sich vorstellen konnte. Der charmante Held hatte nicht mal ansatzweise eine Ahnung, wie tief dieser sprichwörtliche Kaninchenbau reichen konnte, wenn man die richtigen Abzweigungen nahm und Ezra war sich noch nicht ganz sicher, in welche Richtung er ihn lenken wollte. Ganz davon abgesehen, dass er die letzten Jahre damit verbracht hatte, den besagten Kaninchenbau mit einem großen Bogen zu umgehen und so zu tun, als würde er gar nicht existieren.
      "Vom Namen her. Ich bin eigentlich nicht so der Café Typ", beantwortete er Andrews Frage, während er einen kurzen Blick auf seine Uhr warf. Zwanzig Minuten sollten reichen, um Ada eine kurze Nachricht zukommen zu lassen, damit sie ihre Kontaktliste vorbereiten konnte und sich nicht darüber wundern musste, dass Ezra noch nicht zuhause war. So, wie er sie kannte, würde sie noch wach sein und auf das Geräusch der Haustüre warten das verkündete, dass er wieder da war.
      Vielleicht war es sogar noch genug Zeit, um zu verarbeiten, was da gerade passierte und anschließend eine kurze Existenzkrise zu durchleben, wenn er sich wirklich beeilen würde.
      "Frag, ob man Kinder in der Nähe der Bank gesehen hat, wenn du schon dabei bist. Je jünger der Dieb, desto weniger verdächtigt man ihn und es gibt Banden, die vor gar nichts Halt machen. Als kleiner Gratis-Tipp." Immerhin begann seine eigene Akte mit zarten 17 Jahren. Zumindest die Akte, die Andrew kennen müsste.
      Ezra hob kurz die Hand zum Abschied und wandte sich zum Gehen, bevor er innehielt und sich wieder zu Andrew zurückdrehte. "Oh. Und falls das ein unnötig kompliziertes Set-Up sein soll, um mich doch noch irgendwie zu schnappen, werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dich in deinen Träumen heimzusuchen. Dafür würde ich sogar Steine stehlen, bis ich einen gefunden habe, der mich das machen lässt." Auch, wenn er davon nicht ausging. Nicht wirklich, zumindest, immerhin hatte Andrew in den letzten paar Minuten genug Chancen gehabt, um ihn einfach zu überwältigen und abzuführen und Ezra hielt ihn nicht für jemanden, der dermaßen übertriebene Pläne schmiedete.
    • Andrew

      Kurz warf er dem Dieb einen entsetzten Blick zu. "Du gehst nicht in Cafés? Earl Grey? Englisches Frühstück? Kaffee? Bist du überhaupt Engländer?", begann er den Fragensturm, auf den er keine Antworten erwartete. Naja, 9 Jahre und er hatte Ezra bis heute nicht als jemanden eingeschätzt, der nicht hin und wieder die Londoner Café Szene genoss. Aber vielleicht war das so ein Ding bei Dieben. Es konnte ja passieren, dass man erkannt und geschnappt wurde. Aber nicht einmal Andrew merkte sich die Gesichter aller Krimineller, auf deren Suche er noch war. Musste das nicht eine furchtbar traurige Existenz sein? Sich immerzu verstecken zu müssen?
      "Kinder… alles klar", meinte er und nickte. Ein merkwürdiger Tipp und zugegeben wären Kinder wohl die letzten Verdächtigen für Andrew, wenn es um Banküberfälle ging. Doch dieser war ja auch kein normaler Banküberfall… Also würde er auf Ezra hören.
      "Du wirst es dann ja sehen… in zwanzig Minuten", murmelte Andrew und lächelte ein wenig, denn er wollte dem Blonden nicht den Nervenkitzel nehmen. Er verabschiedete sich mit einem Wink, nahm Anlauf und packte fest die Tasche, um sie nicht zu verlieren, während er an einer der Hauswände entlang lief, einen langen eleganten Sprung mit Überschlag hinlegte und angeberisch vor seinem Auto landete, als hätte er sich zu einer Karriere in der Leichtathletik umentschieden. Er drehte sich nicht um, hob jedoch zum Abschied noch einmal die Hand und stieg ins Auto. Warum er sich für diesen Abgang entschieden hatte, war nicht rational zu ergründen, ihn machte ganz einfach die aufregende Nacht glücklich, die er wohl noch vor sich hatte. Manchmal war er ein merkwürdiger Kerl, aber dafür war er unter seinen Kollegen bekannt. Etwas besseres als einen schwierigen Fall, der viel Arbeit versprach, gab es eben nicht. Und vielleicht… gab ihm der bevorstehende Deal mit Ezra heute Nacht auch noch einen speziellen Kick.

      Im Dezernat angekommen warteten bereits einige der Kollegen, die man als Elite der Helden bezeichnen konnte. Außerdem war der Sergeant da, was Andrew nun einige Telefonate ersparen würde.
      "Morgan, sind Sie am Weg eingeschlafen?", begrüßte ihn die Chefin sogleich mit einem leicht genervten Unterton.
      Andrew hielt die Tasche hoch, die er heute Nacht ergattert hatte. "Ezra Fitzsimmons ist wieder unterwegs gewesen. Ich habe nur meinen Job erledigt, Serg", gab er mit einem Zwinkern an sie zurück. Ein bisschen ärgern durfte er sie nach all den Jahren. "Außerdem… bevor wir über den Fall sprechen, an dem Ezra offensichtlich nicht beteiligt war, übrigens ist er mir entkommen-" Ein frustriertes Raunen ging durch die Menge. "-habe ich eine Idee. Ich möchte Ezra befragen… zu dem Barcley Diebstahl. Selbst wenn er damit nichts zu tun hatte, kennt er Leute, die bestimmt etwas wissen. Ich glaube, dass dies ohne Immunität nicht möglich wäre. Ich würde also keine der Quellen weitergeben dürfen, könnte aber informationen für den Fall sammeln. Ich-" Und damit war die Zeit für Erklärungen abgelaufen.
      "Auf keinen Fall. Wir beschäftigen uns damit erst seit heute Nacht, vielleicht haben wir den Dieb bis morgen gefasst. Ich werde keinen Helden in meinem Dezernat, und schon garnicht Sie, Andrew, in so eine riskante Situation begeben, wenn noch keinerlei Informationen vorliegen", erklärte der Sergeant sogleich nachdrücklich.
      "Das ist es ja, wir hätten ziemlich schnell Informationen, wenn Sie-"
      "Andrew, Sie werden bestimmt nicht wegen so einer Sache als wandelnde Zielscheibe mit einem Dieb und seinen kriminellen Kontakten herumziehen. Ich brauche Sie noch lebendig" Sie sah ihn so eindringlich an, dass Andrew doch kurz schlucken musste. Sie machte ihren Job gut, denn die Position hatte sie nicht einfach so geschenkt bekommen. Andrew wusste jedoch, dass sie im Unrecht war.
      "Aber es ist schließlich eine heikle Angelegenheit", erklärte er langsam und bemerkte bereis beim Sprechen, dass dieses 'Aber' die Weißglut im Sergeant heraufbeschwörte. "Wenn der Stein in einem Banktresor aufgehoben wurde… Dann ist er bestimmt nicht dazu gedacht, auf der Straße benutzt zu werden. Ich möchte nur, dass schnellstmöglich die Gefahr beseitigt wird, die davon ausgeht"
      "Und wenn Sie Sergeant sind, dann können sie das gerne tun. Heute Nacht habe aber ich das Sagen. Sie gehen keinen Deal mit irgendjemanden ein, haben Sie mich verstanden?!" Zum Ende hin wurde die Frau immer lauter und plötzlich traute sich keiner im Raum mehr zu laut zu atmen. Andrew wandte kurz den Blick ab. Er hatte doch alles versucht, oder nicht? Logische Erklärungen zogen wohl nicht. "Dann… werde ich mal eben… den Spencers ihren Besitz zurückbringen. Ich erledige den Papierkram morgen Früh", murmelte er.
      "Tun Sie das. Und sehen Sie zu, dass Sie morgen dem Team beitreten, dass sich um den Barcley Fall kümmert. Wir brauchen helle Köpfe bei der Arbeit" Dass sie nach dieser Standpauke weiterhin an Andrews Fähigkeiten glaubte, sprach nur für sie, als jemand, der hervorragend in seinem Job war. Sie wusste, wie man Situationen koordinierte. Nur blöd für sie, dass Andrew in den letzten 9 Jahren nicht gelernt hatte, wie man kein Starrkopf war.

      Er nickte und verließ das Büro, legte die Tasche in sein Auto und machte sich stattdessen auf ins Crown. Den Typ mit den Kindern hatte der Sergeant sich bis morgen Früh jedenfalls verspielt.
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    • Ezra

      Daran erkannte man doch wunderbar, dass man auch nach jahrelanger Bekanntschaft immer noch etwas voneinander lernen konnte, nicht? Andrew war überrascht, dass Ezra nicht in Cafés ging und Ezra hatte das Gefühl, einen wichtigen Bildungsauftrag verfehlt zu haben. Cafés waren zu öffentlich, zu teuer und es wurde entschieden zu wenig Poker gespielt. Aber das war vollkommen egal. Wenn heute Abend schon nichts nach Plan lief, könnte er seine Komfortzone auch direkt vollkommen ignorieren. Dafür bekam er wenigstens einen netten Blick auf Andrews angeberischen Abgang. Hey! Der Abend konnte nur noch besser werden! Ezra verdrehte kurz die Augen, bevor er sich von Andrew abwandte und in den dunklen Gassen verschwand.

      "Du hast was? Ez, das ist mit Abstand das Dümmste-"
      "Ich weiß, Ada!" Ezra lehnte sich gegen an die Seite der Telefonzelle, während er praktisch hören konnte, wie seine Freundin am anderen Ende der Leitung versuchte, bei der kleinen Zusammenfassung seines bisherigen Abends mitzukommen. "Vertrau mir einfach. Ich weiß, was ich tue", versicherte er.
      "Das letzte mal, als du das gesagt hast, hatte Liz zwei Tage später dann doch plötzlich einen Kater."
      "Und sie kümmert sich rührend um ihn. Außerdem war das gar nicht meine-" Ezra biss sich selbst auf die Unterlippe, um nicht zu sehr auf diese vollkommen sinnlose Diskussion einzugehen. "Ada, bitte, ich brauche nur eine Liste mit den Kontakten, die sich am ehesten für Steine interessieren."
      Er konnte hören, wie Adeline seufzte, gefolgt von einem Rascheln, als sie offenbar ein Papier zurecht zog. "Hast du was zu Schreiben?"
      "Ich...habe eventuell meine Tasche abgeben müssen." Ezra wartete kurz, als es verdächtig still wurde. "Ad-"
      "Ich bin noch dran. Ich weiß nur gerade wirklich nicht, was ich antworten soll."
      "Es war keine sonderlich erfolgreiche Nacht, okay?" Ezra warf einen kurzen Blick auf seine Uhr, um sicher zu gehen, dass die geplante Existenzkrise noch im Limit war.
      "Ich schreib die Liste ab und gebe sie Ben mit. Aber ich denke nicht, dass ihr sonderlich erfolgreich sein werdet. Die meisten meiner Kontakte würden dieses Risiko gar nicht eingehen wollen. Einen Stein kann man nicht so einfach verstecken, wie Schmuck. Man kann ihn nicht einschmelzen und etwas Neues daraus machen."
      "Ich weiß. Aber so habe ich - haben wir - wenigstens einen Startpunkt." Ezra fuhr sich kurz durchs Haar. Er konnte immer noch nicht ganz glauben, dass er zugestimmt hatte, mit Andrew zusammen zu arbeiten. Er war fast davon überzeugt, jederzeit aus dem schrägsten Traum seines Lebens aufzuwachen.
      "Ich beeile mich. Pass auf dich auf."
      "Danke. Du bist die Beste. Sag Liz gute Nacht von mir."
      "Ihr und dem Kater", versprach Adeline, bevor ein kleines Klicken signalisierte, dass sie den Hörer aufgelegt hatte.
      Ezra warf einen weiteren Blick auf die Uhr, während er wieder auf die Straße hinaus trat. So wie es aussah, musste er die Existenzkrise wohl mit einem zügigen Schritt Richtung Café durchleben. Wenigstens hatte er dafür schon mal den ersten Anhaltspunkt. Es galt nur noch zu klären, ob er selbigem alleine nachgehen würde, oder ob Andrew endlich realisiert hatte, dass man nicht weit kam, wenn man ständig nach den Regeln spielte.

      Ezra traf fast zeitgleich mit Andrew an dem kleinen Café ein. Er blieb vor der Tür stehen, während Andrew aus seinem Auto ausstieg und wartete kurz, bis der andere zu ihm aufgeschlossen hatte. Was ein seltsames Gefühl war, nachdem er die letzten Jahre damit verbracht hatte, vor ihm weg zu laufen. "Und?", fragte er anstelle einer Begrüßung, "steht der Deal, oder kann ich direkt wieder nach Hause gehen?"
    • Andrew

      „Deal steht“, gab Andrew knapp zur Antwort und konnte seinen Frust über die Reaktion seiner Chefin nicht ganz verbergen. Er öffnete die Tür und ging an Ezra vorbei, direkt auf einen Tisch für Zwei zu, der sich am Fenster befand. Das Cafe charakterisierte sich durch die angenehm dunkle Atmosphäre am Abend. Erhellt wurden die Plätze beinahe ausschließlich mit Kerzenlicht und das Bananenbrot war spitzenklasse. Nur war Andrew seit Jahren nicht Nachts hier gewesen, also seit dem Date, das ihn mit dem Cafe vertraut gemacht hatte. Nachts war es doch ein ganz anderes Gefühl, hier zu sein, als sich Morgens nur schnell den ersten Kaffee reinzuziehen.
      Andrew hing seinen Mantel über den Sessel, setzte sich und egriff räuspernd die Getränkekarte, als wüsste er nicht bereits, was er gerade brauchte. Einen doppelten Espresso. Er wartete, bis Ezra Platz genommen hatte und versuchte dann aktiv seinen Zwiespalt zu überkommen. Es war nicht das erste Mal, dass Andrew Befehle ignorierte und tat, was für das Richtige hielt… oder worauf er gerade Lust hatte. Doch dieses Mal schien die Lage einen Tick heikler. „Also, ich hoffe, deine Kontakte sind es wert, dass ich meinen Job riskiere“, murmelte er und blätterte in der Karte. „Ich sehe die Lage so dringlich wie du, also arbeiten wir besser schnell“ Dass er tatsächlich mit seinem ‚Feind‘ zusammenarbeiten würde ging dem Dunkelhaarigen weiterhin nicht ganz in den Kopf. Schließlich kannte er Ezra seit einer halben Ewigkeit und war noch nie mit ihm am selben Tisch gesessen, schon garnicht um Informationen auszutauschen. Außerdem bedrückte Andrew der Funken einer Angst, dass dies ihre Routine für immer beenden würde. Keine wöchentlichen Stadthetzen mehr… wie würde er denn ohne seiner größten Challenge nur je wieder Freude an seinem Job finden können? Vorausgesetzt, er war noch lange genug im Dezernat angestellt. So richtig durchdacht hatte er das Ganze ja noch nicht… Wie er die Informationen nutzen konnte, wenn keiner wissen durfte, woher und wie er an sie gekommen war. Und nun würde der Sergeant bestimmt noch intensiver ein Auge auf ihn haben, denn sie wusste doch ganz genau, wo Andrew manchmal gegen ihren Willen hinein geriet.
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    • Ezra

      Ezra hatte den Eindruck, dass Andrew selbst nicht sonderlich begeistert darüber war, dass der Deal stand. Was vollkommen nachvollziehbar war, immerhin war er selbst auch nicht so glücklich mit der aktuellen Situation. Daher hatte er auch absolut nichts dagegen, wenn sie sich ein wenig beeilen würden. Je schneller der Stein gefunden wurde, desto schneller konnten sie so tun, als ob das alles nie passiert wäre. Obwohl die Situation insgesamt wahrscheinlich zu bizarr war, um sie je zu vergessen.
      Er setzte sich auf den freien Platz gegenüber von Andrew und warf einen kurzen Blick auf die Karte, mehr aus Anstand, als aus tatsächlichem Interesse. Alles, was kein Koffein beinhaltete, war eh raus. “Ich fürchte, du überschätzt, wie wichtig mir deine Jobsicherheit ist”, merkte Ezra an, während er im Augenwinkel sehen konnte, wie eine Kellnerin auf die beiden zukam. Er bestellte einen Kaffee für sich, wartete darauf, dass Andrew ebenfalls seine Bestellung aufgab und lehnte sich dann leicht auf den Tisch zwischen ihnen.
      “Die meisten Kontakte auf meiner Liste sind etwas älter, aber Adeline sitzt gerade daran, ihre Kontaktliste zu überarbeiten”, erklärte er, nachdem die Kellnerin mit ihrem Notizblock hinter der Theke verschwunden war. “Ich würde vorschlagen, dass wir zuerst versuchen herauszubekommen, was der Stein kann und wem er eigentlich gehört. Wer auch immer den Stein gestohlen hat, wird sich wahrscheinlich bedeckt halten, bis ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, bevor er, oder sie, den Stein benutzt, verkauft, einem Sammler übergibt, oder was auch immer damit anstellt.” Zumindest würde Ezra es so machen. Ein Raub wie dieser würde mehr als genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen und kein Dieb war scharf darauf, mit etwas erwischt zu werden, was die halbe Londoner Bevölkerung suchte. Was ihnen mit ein bisschen Glück ein kleines Zeitfenster verschaffte, um den Dieb noch zu finden, bevor der Stein benutzt wurde.
      “In ein paar Tagen wird uns dann die Gerüchteküche eh in die Karten spielen, schätze ich.” Auch, wenn er sich schon ein paar Banden und Sammler vorstellen konnte, die definitiv Interesse an einem solchen Stein hätten. Aber jetzt mit wilden Vermutungen um sich zu werfen, würde ja niemandem helfen.
      “Endest du eigentlich immer hier, wenn du nicht gerade damit beschäftigt bist, mir hinterher zu laufen?” Ezra ließ seinen Blick durch das relativ leere Café schweifen, als wäre ihm erst jetzt aufgefallen, wo er war. Es sah nett aus, gemütlich, unaufregend. Wenn Andrew ein bisschen ausgeschlafener aussehen würde, wäre Ezra fast davon ausgegangen, dass er ebenso zum Inventar des Cafès gehörte, wie der Sessel, auf dem er saß. Er selbst fühlte sich im Vergleich fast schon ein wenig fehl am Platz.
    • Andrew

      "Bitte, was würdest du ohne mich machen? Ich bringe doch den ganzen Spaß in die Raubüberfälle", erwiderte Andrew neckend. Klar, es war wohl falsch, so etwas zu sagen und würde ihn aus dem Dezernat jemand hören, konnte er sich ebenfalls von seinem Job als Held verabschieden. Doch heute war er ein wenig übermütig. Und genervt von seinem Boss.
      "Mh… Adeline als in…?", fragte er neugierig nach. Der Name war schon einmal gefallen, doch nun wurde es doch irgendwie interessant. Eine Komplizin? Freundin? Drahtzieherin? Ehefrau?
      Dass Ezra davon ausging, sie würden "ein paar Tage" für diese Mission brauchen, brachte Andrew irgendwie zurück auf den Boden der Tatsachen. Am liebsten würde er den Fall einfach bis morgen Früh lösen, bevor er sich den anderen Helden anschließen musste. So würde es ein ganz schönes Versteckspiel werden, zwei Ermittlungen am selben Fall durchzuführen. Nur das eine davon… nicht unbedingt an die Öffentlichkeit gelangen durfte. Wie er das anstellen würde, war weiterhin die Frage der Woche.
      "Also hast du von dem Stein auch noch nichts gehört?", schlussfolgerte Andrew. "Das bedeutet wir sind angewiesen auf deine Kontakte und meine… Ermittlungen außerhalb dieses Deals" Er dachte ein wenig nach. Ja, das alles würde sie wohl doch länger beschäftigt halten, als gedacht. Was die Situation für Andrew nur riskanter machte. Das forderte einen neuen Rekord was das Hinweise sammeln betraf. Besser er genoss seinen letzten Kaffee hier bis die Jagd zu Ende war.
      "Hm… hier oder im Chelsea's. Manchmal auch außerhalb meiner Arbeitszeiten im Dezernat, weil der Kaffee dort einfach eine Sache für sich ist", erwiderte er und zuckte etwas gleichgültig mit den Schultern, als wäre er nicht zu jeder Zeit des Tages bereit einen Ted Talk über Kaffee zu halten. "Aber preislich gesehen lohnt es sich wohl immer noch am meisten zuhause zu bleiben. Nur fehlt mir dann irgendwann… die Atmosphäre. Wieso fragst du? Enttäuscht, dass du nicht der Mittelpunkt meines Lebens bist?"
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    • Ezra

      "Meine Untermieterin", erklärte Ezra knapp, als Andrew sich nach Ada erkundigte. Sicher ging er davon aus, dass Andrew seinen Teil des Deals einhalten würde, aber er musste ja trotzdem nicht direkt seine komplette Lebensgeschichte auspacken. Nur soviel, wie er unbedingt wissen musste.
      Zum Glück schien Andrew sich nicht lange an dem Thema aufhalten zu wollen. Ezra ließ seinen letzten Kommentar kurz in der Luft schweben, als die Kellnerin zurückkehrte, um ihnen ihre Getränke zu bringen, dann warf er Andrew einen gespielt enttäuschten Blick zu. "Und ich dachte immer, dass ich der Höhepunkt deiner Woche wäre. Ich weiß ja wirklich nicht, wie du dir diese Ermittlung vorstellst, wenn du mir direkt am Anfang schon das Herz brichst." Er wischte sich eine imaginäre Träne von der Wange, bevor er nach seinem Kaffee griff und wieder einen etwas ernsteren Tonfall anschlug.
      "Ich weiß, dass es ab und an mal Steine in Banken gibt, aber diesen spezifischen kannte ich nicht, nein", bestätigte er Andrews Vermutung. "Aber eigentlich gibt es nur zwei mögliche Arten von Besitzern, die ihre Steine in einer Bank lagern würden. Entweder etwas Öffentliches - die Stadt, ein Museum, oder so, die den Stein weggesperrt haben, damit niemand etwas damit anstellen kann, oder exzentrische Sammler, die eh so viele Steine haben, dass sie nicht wissen, wohin damit und sich so den Aufwand für eigene Security sparen wollen." Und in beiden Fällen würde das Dezernat wahrscheinlich etwas rausfinden, bevor Ezra auch nur anfangen konnte, Fragen zu stellen. Außer der Besitzer wollte nicht gefunden werden. Ezra nippte nachdenklich an seine Tasse.
      "Hast du schon nachgefragt, ob Kinder in der Nähe gesichtet worden sind?", fragte er schließlich. "Es gibt ein paar Banden, die Kinder für sich arbeiten lassen. Sie sind kleiner. Wenn das Schloss nicht aufgeht, muss man also das Loch in der Wand daneben nicht ganz so groß machen und die meiste Zeit würde niemand ein Kind verdächtigen. Ein paar Straßenkinder sind immerhin immer unterwegs." Das würde zumindest schon mal ein wenig eingrenzen, wer als Täter in Verdacht kommen würde.
    • Andrew

      "Ich tippe auf Sammler oder Stadt. Was unsere Politiker aufführen, davon bekommen auch wir Helden nur die Hälfte mit. Zutrauen würde ich ihnen jedenfalls einiges. Museen dagegen sind ebenso im öffentlichen Dienst wie wir. Von einem Stein in einer Bank wüssten wir und außerdem haben die ihre eigenen Lager, für Gegenstände die derzeit kein Teil einer Ausstellung sind, aber als Dieb sollte das ja keine neue Information für dich sein", tat Andrew seinen Beitrag zur Diskussion. Dann verstummte er sogleich kurz, als Ezra die Kinder ansprach. Er holte etwas verlegen einen tiefen Luftzug. "Naja, mein Sergeant ist momentan nicht… sehr gewillt, mir zuzuhören", schnitt er die Wahrheit kurz an. Es war peinlich genug, dass er seinen Trotz an dem Fall ausließ.
      "Aber ich arbeite ab morgen aktiv an der Sache mit" Naja… das war nur eine halbe Entschuldigung. "Da fällt mir ein… wir brauchen einen Treffpunkt. Einen fixen Ort, eine Uhrzeit. Damit wir uns regelmäßig treffen können. Sofern du mir nicht deine Handynummer geben willst. Auch wenn ich selbst bei der versprochenen Immunität nicht weiß, ob mich das aufhalten würde, endlich mal deinen Wohnort aufzuspüren" Andrew nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Herrlich. Das Immunität-Thema ging ihm jetzt schon auf den Keks. Naja, wenn das alles vorbei war, würde er die Jagd nach seinem Lieblingsdieb wohl endgültig aufgeben müssen. Die Vorteile wären unfair. Und ein Deal war ein Deal. Bei dem Gedanken zog sich in Andrew bereits alles zusammen.
      "Naja… ich nehme an, nach dieser Sache werde ich mich ganz schön zurückhalten müssen. Vermutlich wird sich ein anderer Held wöchentlich mit deinen nervigen Raubüberfällen herumschlagen müssen" Leicht ging ihm dieser Satz nicht über die Lippen, aber es war wohl nur gerecht, das einmal auszusprechen, bevor die Sache losging. Denn bisher war Andrew sich darüber nicht so ganz im Klaren gewesen. Fast wirkte es, als wolle er seinen eigenen Fall manipulieren… Ezra könnte schließlich noch jederzeit aus dem Deal aussteigen und hätte keinen Nachteil. Aber auch wenn sie das Katz-Maus-Spielchen seit Jahren gut drauf hatten, wäre es doch lächerlich zu glauben, dass einer von ihnen wegen solcher Sentimentalitäten aufhören würde, für den höheren Zweck zu arbeiten… Oder? Naja, ganz überzeugt schien Andrew davon wohl nicht, wenn er solch offensichtliche Dinge aussprechen musste.
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