The Hero and the Thief [Nao & Stiftchen]

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      Thomas

      Okay. Moment. Das war nicht so seltsam und unangenehm, wie es eigentlich sein sollte. Gut, Steve war attraktiv und lustig und erschreckend nett und er konnte stundenlang mit ihm Ultimate Chicken Horse spielen, ohne, dass es elendig langweilig wurde, aber sollte es sich nicht absolut merkwürdig anfühlen, seinen besten Freund zu küssen? Wie ein kleiner Scherz, über den man später lachte oder ein Dare von Truth or Dare? Wie etwas, das man höchstens mal besoffen probierte, weil man gut drauf war, und es gleich bereute, weil es einfach eigenartig war? Weil man hetero war? Auf Frauen stand? Sollte es einen so anmachen, wenn man während eines spontanen, undurchdachten Kusses die Hand seines besten Freunds an seiner Taille spürte?
      Dass Steve sich von ihm wegriss, kam Thomas zugute. Er stützte sich mit beiden Händen hinter sich an der Theke ab, unklammerte sie fast wie einen Rettungsreifen in einem Meer der Überforderung. ‚Verwirrt‘ war das falsche Wort, denn das implizierte, dass er noch einen klaren Gedanken fassen konnte und dafür war er schlicht zu betrunken. Definitiv, denn selbst dieser Zwischenfall eben ließ ihn nicht ausnüchtern und zu Verstand kommen. Er wollte es noch immer.
      Sein am Boden festgehafteter Blick wanderte kurzum wieder nach oben zu Steve, der wieder in einem Abstand zu ihm stand, der für ihn gewohnt war. Den man als zwischenmenschlich normal bezeichnen konnte. Dachte er echt, es war eine blöde Idee? Thomas wusste nicht wirklich, was er selbst dachte. Er war innerlich am ausflippen, weil er ihn geküsst hatte und weil er es irgendwie mochte. Es war ganz anders. Es war nicht dasselbe, wie eine Frau zu küssen, es fühlte sich einfach anders an. Ob gut oder schlecht war vielleicht in der ersten Sekunde noch eine Frage gewesen, in der zweiten hatte diese sich erübrigt. Sonst wäre da nicht dieses betretene Schweigen im Raum. Das… allerdings auch aus verschiedenen Gründen bestehen konnte. Dachte Steve, was Thomas dachte? Wieso würde er sonst noch hier stehen? Das war der einzige logische Punkt, den Thomas machen konnte.
      Er überwand sich kurz, blinzelte, kniff die Augen zusammen, setzte zum Reden an und gab wieder auf. Und dann sagte er, in einer erstickten, unsicheren Stimmlage: „Aber, war es… eine blöde Idee?“ Er suchte in Steves Blick nach irgendetwas, das er deuten konnte. „Ich meine, keiner von uns wird sich morgen dran erinnern können, oder?“ War das ein guter Grund, um weiterzumachen? Er war gut genug für Thomas. Jedenfalls wollte er mehr, von was auch immer er da eben eine Kostprobe erhalten hatte. Er stützte sich von der Theke ab, wobei jede Bewegung immernoch kleine Erschütterungen in seinem Gehirn auszulösen schien, und ging einen Schritt auf seinen besten Freund zu. Irgendwie unsicher, was er tun sollte, legte er eine Hand auf dessen Schulter. Er merkte ziemlich schnell, wie unnatürlich die Pose war und ging noch einen kleinen Schritt näher, um in einer natürlicheren Bewegung Steves Arm hinab zu streichen. Eine seltsam liebevolle Berührung, die definitiv auch gerade ihr erstes Mal feierte. Aber Thomas fand das Ertasten von einem kräftigeren Arm als gewöhnlich, garnicht so befremdlich. Er ließ seine Finger unten angelangt über Steves Handfläche streichen, die er eher aus High Fives kannte. Thomas ließ sich einen Moment Zeit, hatte aber so oder so nur Watte im Kopf und keine Kapazität, irgendwas zu verstehen, von dem, was gerade passierte. Also zog er Steve an seinem Hemdkragen kurzerhand ein Stück zu sich herab und küsste ihn erneut, etwas überschwänglicher, als geplant, aber es war schwer echt sich zurückzuhalten.
      And when you die, the only kingdom you'll see
      Is two foot wide and six foot deep


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      Steve

      Thomas' Finger hinterließen ein elektrisches Kribbeln auf Steves Arm. Was irritierend war, weil sie sich schon unendlich oft berührt hatten und dieser Effekt trotzdem vollkommen neu war. Aber Steve konnte sich keine großen Gedanken darum machen, bevor Thomas ihn wieder küsste. Seine Lippen fühlten sich einfach unfassbar richtig an. So, als wären sie zum Küssen gemacht worden.
      Es dauerte einen Moment, bis Steve so wirklich verstand, was gerade passierte. Seine Hände wanderten beinahe automatisch zurück zu Thomas' Taille. Er fühlte sich immer noch vollkommen berauscht, aber irgendwie auf eine furchtbar angenehme Art und Weise. Eigentlich hatte sein Mitbewohner Recht - warum machte er sich Sorgen? Sie waren eh zu betrunken, um sich morgen noch daran zu erinnern, dass sie sich geküsst hatten! Auch, wenn er das Gefühl hatte, dass er solche Küsse nie vergessen könnte. Aber damit konnte sich Zukunfts-Steve kümmern. Thomas war immer noch sein bester Freund. Wenn das hier irgendwie doch hängen blieb, würden sie morgen kurz darüber lachen und dann würde Thomas wieder von Andrew erzählen und sich darüber beschweren, wie langweilig sein Job ohne ihn war. Oder über Leona heulen.
      Leona. Irgendwie machte es Steve gerade irrational wütend, dass Thomas so viel Zeit mit ihr verschwendet hatte. Er hatte so viel mehr verdient. Jemanden, der sich wirklich um ihn kümmerte und ihn nicht wie ein Schoßhündchen behandelte. Er war der aufopferungsvollste Mensch, den Steve kannte, mit einem guten Herzen und unglaublich weichen Lippen, die Gedankengänge in ihm hervorriefen, die eine normale Freundschaft eindeutig übertrafen.
      Steve handelte beinahe instinktiv, während er Steve mit Küssen überhäufte. Jeder ein wenig atemloser, als der davor. Er brauchte keine Luft, er brauchte nur das Gefühl von Thomas' Lippen auf seinen. Auch, wenn er seine Lippen ab und an ein wenig zu verpassen schien - es war irgendwie schwer, sich zu koordinieren, während sich der Raum immer noch drehte.
      Einen plötzlichen Impuls folgend, ließ Steve seine Hände ein wenig tiefer sinken, von Thomas' Taille zu seinen Hüften und schließlich auf seinen Hintern. "Du siehst gerade richtig heiß aus", murmelte er gegen Thomas' Lippen, bevor er kurz innehielt und blinzelte. "Also, du siehst irgendwie immer heiß aus. Glaube ich. Ich hab noch nie wirklich darauf geachtet. Ich weiß nicht mal, warum ich dir das gerade erzähle." Versuchte er zu flirten? Steve war sich selbst nicht ganz sicher. Er war nüchtern schon furchtbar schlecht im Flirten, was sollte ihn da dazu verleiten, es betrunken zu versuchen?