Lord Blair, Graf von Velmond. Der Besucher, der mir heute angekündigt wurde. Pünktlich zur Dämmerung hielt seine Kutsche vor meinem Anwesen, nachdem sie durch den gepflegten Garten fuhr. Kniehohe Hecken, kreisförmig gepflanzt, gefüllt mit Kieselsteinen und in der Mitte ein einzelnes Bäumchen, dessen zwei Arme kugelförmige Kronen trugen, zierten die Mitte des Pfades vom Tor zu den breiten Treppen meiner Villa. Rings herum mit 3 Metern Abstand zwei Sichelmonde mit prachtvollen Blumen bestückt. Die Villa stand schon seit vielen Jahrzehnten auf diesem Platz, wurde jedoch stets liebevoll von der Familie Noiret gepflegt. Inzwischen hieß es Fürstentum Noiret, dessen Fürst, Nathan, meine Wenigkeit war. Ein ewig jungbleibender Geschäftsmann, mit einem dunklen Geheimnis. Ein Geheimnis, das der Graf von Velmond und ich gemeinsam hatten. Wir waren Vampire, Kreaturen der Nacht, Blutsauger. Was auch immer uns die Menschen für Spitznamen gaben. Das meiste waren Gerüchte; Beweise vertuschten wir geschickt.
Mit den Händen hinter meinem Rücken und stolzer Haltung, wartete ich oberhalb der 8 Stufen und blickte auf die Kutsche herab, aus der mein Gast und ein Begleiter stiegen. Ein Mensch, wie interessant. Ich betrachtete seine roten Haare und feinen Gesichtszüge, ehe sich der Graf meine Aufmerksamkeit holte. "Lord Nathan, wie schön Euch zu sehen", grüßte er mich mit offenen Armen und schob den Menschen voran, um die Stufen zu mir zu erklimmen. "Ich wollte mich bei Euch erkenntlich zeigen." Bei seinen Worten legte er seine Hand an die Schulter des Mannes, an dessen Hals ich recht frische Bissspuren entdeckte. "Und wie ich sehe, habt Ihr schon vorgekostet", meinte ich, woraufhin Blair herzhaft lachte. Ich betrachtete ihn noch einmal aus der Nähe und bat meinen Gast herein. Sein Geschenk landete in einem kleinen Zimmer, das für Bedienstete eingerichtet war. Allerdings waren die Fenster abgeschlossen und auch die Tür wurde von außen zugesperrt. Mein Geschenk verbrachte gute 3 Stunden darin, bis ein Schlüssel die Tür entriegelte und ich mit einem Tablett in den Händen hineintrat. Auf dem Teller waren dampfende Kartoffeln, etwas kleingeschnittenes Gemüse und sogar eine gute Portion Speck. In der kleinen Karaffe befand sich frisch gepresster Orangensaft, den meine Diener aus den Orangen im hinteren Garten hergestellt hatten. "Du musst hungrig sein.." Das Tablet stellte ich auf den kleinen Tisch und entfernte mich wieder 2 Schritte von diesem, um meinen neuen Besitz zu begutachten. Wieder verschränkte ich meine Hände hinter dem Rücken und betrachtete ihn von oben bis unten, ohne dabei nur einen Gesichtsmuskel zu rühren.
~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche, sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
- Eugene Ionesco
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