Divided Essence [Kiimesca & Codren]

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    • Irgendeine Reaktion hatte Keira erwartet, wenn nicht viel mehr erhofft, aber diese kam dann doch nicht so erwartet. Oder doch? So halb. Die Blondine ließ von der Elfe ab, die von Malvas herbeigezogen wurde. Keira beachtete er dabei gar nicht. Doch. Aber nicht so, wie sie gedacht hatte. Er schien gereizt. Hatte sie etwas falsch gemacht? Oder hatte er einfach nur einen sehr kurzen Geduldsfaden? Irgendwie langweilig.
      Ihr Blick hing an der Elfe, die alles andere als sanft behandelt wurde, doch sie wehrte sich nicht. Bevor Malvas sie unterbrochen hatte, merkte Keira, wie sie sich anspannte, als würde sie mit sich hadern. Als wäre sie unentschlossen gewesen, wie weit sie Keira gehen lassen würde. Nun lag sie da, völlig ergebungsvoll, als würde es ihr gefallen so von Malvas behandelt zu werden. Als würde sie ihm bedingungslos vertrauen, ohne jeglichen Zweifel, dass er ihr etwas antun könnte, dass ihr nicht gefallen würde.
      Und was sollte sie von Malvas' Verhalten halten? Er warf ihr diesen Blick zu, der ihr zu verbieten schien, sich ihnen zu nähern, auch wenn es ihn vermutlich nicht stören würde, in ihrer Anwesenheit weiter zu gehen. Ana'Maera gehörte ihm und er war nicht mal dazu bereit sie mit einer anderen Frau zu teilen. Das war doch interessant und brachte Keira zum Schmunzeln, die sich inzwischen etwas zurückgezogen hatte. Die Elfe wollte ihn ja auch nicht teilen. Sie wollte ihm gehören und ihm jeden Wunsch erfüllen. So sah das jedenfalls in Keira's Augen aus. Eine seltsame Abhängigkeit war das.

      Für Ana'Maera fühlten sich Malvas' Berührungen wesentlich intensiver an, was daran liegen mochte, dass er deutlich gröber war, als Keira und ihr das vielleicht sogar gefiel. Oder weil es einfach Malvas war und nicht Keira. Der Mann, der sie - unbewusst und bewusst - ihrer Vernunft beraubte. Die Logik, der Hüter folgten, hatte schon in Calanin verloren. Für diese neue Situation gab es keine Logik, der sie folgen konnte. Auch wenn sie danach suchte. Abstellen konnte sie es eben nicht.
      Eine Hand griff fest an seinen Ellenbogen, um zu verhindern, dass er seine Hand von ihrer Taille nahm. Eine Aufforderung, sie nicht wieder loszulassen, während sein Atem an ihrem Ohr und durch ihr Haar kitzelte. Während seine Lippen und Zähne dieses Gefühl aufkeimen ließen. Dieses Verlangen.
      Es war eine Erlaubnis, zutun, was immer er tun wollte. Das stumme Äußern eines Wunsches. Was genau es war, was sich Ana'Maera wünschte, konnte sie nicht in Worte fassen. Der Gedanke, dass es mehr geben musste, als schwarz und weiß, gut und böse, Elf und Dämon. So wie Malvas für sie nicht einfach nur ein Dämon war, wollte sie nicht einfach nur eine Elfe sein. Woher dieser Wunsch kam? Das wusste sie nicht. Konnte man es überhaupt als Wunsch bezeichnen? Es gab so vieles, dass sie nicht wusste, dass sie nicht verstand. Doch sie wusste, dass alles in Ordnung war, wenn Malvas bei ihr war.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Unter seinen Händen spürte Malvas, wie Ana’Maeras Körper zerfloss, wie sie weich wurde, um seinem Begehren nachzugeben. Das war gut, das war schön, so sollte es sein und nicht anders. Malvas rief das hervor, nicht Keira. Malvas war derjenige, der die Elfe vor der Außenwelt schützte.
      Ein Knurren entwich ihm, als er die Hand unter ihre losen Gewänder schob, erfühlte und ertastete, was er bereits gekostet hatte, wovon er niemals satt werden würde. Er nahm sich, was ihm bereits gehört hatte, er beanspruchte, was bereits sein war, und daran gab es in diesem Augenblick seines stetig mehr anwachsenden Verlangens rein gar nichts auszusetzen. Ana'Maera gehörte ihm, keinem anderen Dämon, keinem Elf und auch keiner Menschenfrau. Sie war sein Besitz.
      Keira war nicht vergessen, wie könnte er auch so schnell, mit der blonden Frau direkt neben ihnen, aber er nahm ihre Anwesenheit eher als Prüfung war, als Aufforderung zum Beweis, dass er die Elfe nicht so schnell wieder losgeben würde. Denn würde er es, würde die Frau sie sich bestimmt nehmen und damit war er nicht einverstanden. Malvas hatte noch nie etwas gegen einen Dreier einzuwenden gehabt, oder auch nur dabei zuzuschauen, aber damit, mit dem hier, war er nicht einverstanden.
      Er brachte die Elfe um ihre Klamotten. Er brachte sich selbst um seine Klamotten. Er wirbelte sie herum, seine Elfe, bis sie auf dem Bauch lag und er sich über die gesamte Länge ihres Rückens ausbreiten konnte. Er presste sie auf den weichen Waldboden, positionierte sich einmal und drang mit einem gezielten Stoß in sie ein.
      "Okay? Okay? Gut so?"
      Er knurrte noch immer, irgendwie ließ sich das nicht abstellen. War es gut so? Fühlte sie sich sicher? War es gut, unter ihm, so? Schützte er sie auch?
      Die Gedanken standen wohl kaum im Zusammenhang mit den ausgesprochenen Fragen, aber Malvas hätte sie auch gar nicht so in Worte fassen können. Alles, was er in dem Augenblick denken konnte, war ein umfassendes Gefühl von Ana'Maera und davon, Keira zu beweisen, dass es seine Elfe war. Dämonen waren nicht dafür bekannt, ihr Hab und Gut zu teilen.
      Er ging hart und schnell vor, ohne Rücksicht auf Verluste. Er jagte seinem unausweichlichem Höhepunkt nach, während er seine Zähne in Ana'Maeras Schulter grub und ihrem gepressten Atem lauschte. Seine Arme stützten sich zu ihren Seiten ab, bildeten einen Käfig, aus dem man zwar nicht heraus, aber eben auch nicht herein konnte. Seine grollenden Geräusche wollte er gar nicht verbergen.
      Er kam mit einer beachtlichen Intensität, die ihm bei dieser kurzen Zeit neu und fremd war, und ließ sein ganzes Gewicht auf die Elfe ab, um beide Arme um sie zu schlingen und sie in seinem Höhepunkt an sich zu pressen. Es fühlte sich so, so gut an. Blind vor Ekstase biss er sie noch einmal, irgendwo, er wusste nicht wo, und fuhr mit der Zungenspitze seine eigene Bissspuren nach. Erst danach, erst als das Gefühl wieder abgeklungen war, da war auch alles andere vorüber. Seine plötzliche Obsession mit Ana'Maera hatte sich in Nichts aufgelöst, das komische Gefühl für Keira war verschwunden. Rationale Gedanken kamen wieder, nüchterne Eindrücke. Er schwitzte und klebte widerlich mit der Elfe zusammen. Mit einem leichten Zucken löste er sich aus ihr und rollte sich sogleich auf den Waldboden herab, wo er keuchend auf dem Rücken liegen blieb, die Arme und Beine von sich gestreckt.
      "Macht doch... was ihr wollt. Mir egal."
    • "Ja", keuchte sie auf seine Frage nach seinem Eindringen.
      Für sie war es gut so, auch wenn sie nicht wusste, was er damit eigentlich gemeint hatte. Doch sie vertraute darauf, dass Malvas wusste, was er tat. So wie auch beim letzten Mal.
      Dieses Mal war es jedoch anders. Malvas schien es zwar zu gefallen, doch als er genau so plötzlich von ihr abließ, wie er über sie hergefallen war, hinterließ das ein eigenartiges Gefühl in Ana'Maera. Ein Gefühl, als hätte sie vielleicht irgendetwas falsch gemacht. Als hätte sie sich nicht ausreichend bemüht. Oder lag es an Keira? Die Elfe wusste nicht, welche Rolle die Menschenfrau nun spielen sollte. Deshalb sah sie fragend zu ihr rüber, doch Keira zog nur eine Augenbraue hoch und wusste selbst nicht genau, was sie da gerade zu sehen bekommen hatte. Ob sie es verstörend oder interessant finden sollte. Es war wohl eher eine Mischung aus beidem. Wie Malvas von 'So geht das nicht' zu 'Macht doch was ihr wollt' kam. Was hatte er ihr damit beweisen wollen? Möglicherweise interpretierte sie da auch einfach zu viel hinein.

      Keira verschwand lieber mit der Elfe am Bach, wo sie sich erneut reinigen konnte. Ana'Maera machte diesen verwirrten Eindruck, den sie nicht vor dem Dämonen besprechen wollte.
      "Habe ich etwas falsch gemacht?"
      "Nein", antwortete Keira so gleich und legte etwas unsanft ihre Hände an die Wangen der anderen, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
      "Wie kommst du darauf?"
      "Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll oder was Malvas denkt. Er wirkte irgendwie anders."
      "Er hatte seinen Spaß und ist zufrieden. Glaub mir." Wenn einer etwas falsch gemacht hatte, dann wohl eher Keira, aber wie sollte sie das der Elfe erklären?
      Es war besser, wenn sie jetzt kein Gespräch begann, das sie zu einem ungewollten Ende führen könnte.
      "Wir sollten jetzt schlafen gehen.."
      Schlafen und morgen früh weiterreisen. Das klang nach einem guten Plan, der sie nicht versehentlich das Leben kosten könnte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Als die beiden Frauen wieder zum Bach hin verschwunden waren - Malvas wischte sich mit ein paar Blättern ab und dann war es gut - zog er sich wieder an und setzte sich grimmig auf den Boden, um sein Messer zu polieren. Er konnte sich selbst nicht erklären, was dort gerade schief gelaufen war - und schief gelaufen war es ganz sicherlich, denn wie war er nur auf die Idee gekommen, Ana'Maera und Keira einfach auseinander zu reißen? Und sich dann nicht einmal beiden aufzudrängen? Und so schnell über die Elfe herzufallen, dass er es gar nicht ausgiebig genießen konnte? Was sollte das denn werden?
      Er hätte es auf seine Geilheit geschoben oder vielleicht auf die lange Zeit in der Natur, auf die manchmal angespannten Nerven oder Keiras unvorbereitete Anwesenheit, aber das alles war nichts neues für ihn. Er war doch auch sonst nicht so, er war doch im Gasthaus nicht so gewesen. Was war dann nur in ihn gefahren? Was stimmte nicht mit ihm?
      Mürrisch stocherte er mit seinem frisch polierten Messer in der Erde herum und hatte für den restlichen Abend schlechte Laune. Dabei erlaubte er sich nichtmal einen Spaß daraus, die ahnungslose Elfe aufzuziehen oder vielleicht mit Keira zu flirten; er beorderte die Menschenfrau zur ersten Wache und legte sich dann schlafen. Am nächsten Tag würde sicher alles besser werden. Er war vielleicht einfach nur müde.
      Es wurde auch besser, wie von Zauberhand, und auf dem weiteren Weg fühlte er sich wieder ganz wie der alte. Er zog Ana'Maera auf, er stierte Keira offensichtlich zweideutig an und brüstete sich damit, dass die beiden Frauen auf die Anwesenheit seiner starken, männlichen Präsenz angewiesen waren. Allerdings fiel er nicht wieder über die Elfe her und Keira konnte ihn auch nicht dazu treiben, seine Kontrolle zu verlieren. Fast hätte es schon wie am Anfang dieser ganzen Reise sein können, nur mit dem Unterschied, dass er der Elfe unlängst zutraute, auch wirklich Wache zu halten und ihn nicht hinterrücks abzustechen. Auf der anderen Seite gab sie ihm genügend Möglichkeiten, ihr unbemerkt ein Messer in den Rücken zu jagen, was wohl auch für ihr Vertrauen sprach.
      Ganz so normal war es dann also doch nicht mehr.
      Als sie aber in Hembridge ankamen, einem kleinen Dorf mit Wachen, die anfällig für Malvas' Taschenspielertricks waren und sogleich ihre Geldbeutel von ihm gestohlen bekamen, gab es doch einen kleinen Lichtblick: Keira würde abziehen und sie ihrer vorherigen Zweisamkeit überlassen. Das war es sicher, was ihn ständig so genervt hatte. ... Genervt? Nun, irgendwas musste es ja sein, dass er kein sonderliches Verlangen verspürte, die Elfe bei jeder Gelegenheit auf den Waldboden zu nageln und so lange durchzunehmen, bis sie gar keine Gedanken mehr fassen konnte. Er könnte es schließlich und tat es nicht, das war es, was ihm so sehr zusetzte. Das war einfach nicht er.
      "Du ziehst jetzt ab, Lady? Warst ja eine tolle Begleitung. Ach übrigens, das macht dann fünf Goldstücke. Wegpreis natürlich."
      Er streckte mit einem diebischen Grinsen die Handfläche zu ihr aus.
    • Die weitere Reise verlief so ruhig wie vorher auch. Gelegentlich unterhielt Keira sich mit der Elfe, doch die Gespräche waren alle recht kurz. Ana'Maera neigte schließlich zu knappen Antworten. In ihrem Kopf schwirrten allerdings immer mehr Fragen umher. Nicht nur der Ätherion-Stein beschäftigte sie. Auch Malvas und Keira. Es war schwer für sie, ihre Gedanken und Gefühle zuzuordnen. Immerhin war das nichts, mit dem sie sich jemals befasst hatte. Wie es war, ein Mensch zu sein. Was einen Mensch überhaupt ausmachte. Auf ihrer Reise hatte sie schon viele Menschen beobachtet, aber ihr war so, dass sie der Antwort nie wirklich näher käme. Diese Frage führte sie letztendlich zu der Frage, was die anderen überhaupt ausmachten. Insbesondere Elfen.
      Keira lehnte sich gegen das ihr vorbestimmte Leben auf. Ebenso Malvas, der sich als generalloser Dämon ebenfalls gegen seine Bestimmung erhob. Ana'Maera hatte ihr Leben nie hinterfragt. Kein Hüter und kein Elf tat das. Davon wusste sie jedenfalls nichts. Eine Frage nach der anderen und ihre eigenartige Besessenheit von dem Stein und Malvas verwirrte sie. Dieser Drang, all diese Rätsel lösen zu wollen, war nichts, von dem man ihr je erzählt hatte. Die logischste Erklärung war, dass der Ätherion-Stein doch eine Wirkung auf Elfen hatte. Allerdings wollte sie nicht darüber nachdenken, was das richtige wäre. Den Stein jemand anderen geben und sich von ihm fernzuhalten. Der Versuchung durch den Tod ein Ende zu bereiten. Diesen Gedanken hatte sie längst verdrängt. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte leben. Sie wollte lernen. Wieso und woher dieses Verlangen kam, wusste sie nicht. Aber Malvas war der Grund, warum sie sich selbst - die Elfen - anzweifelte. Wenn sie Malvas eine Daseinsberechtigung zusprach, warum dann nicht auch sich selbst? Nur weil sie ungewohnte Verhaltensweisen entwickelte? Malvas' untypischen Verhaltensweisen sprachen schließlich auch für ihn. Warum sollten ihre also gegen sie sprechen? Allerdings war sie sich unsicher, inwieweit sie dies jemandem anvertrauen könnte. Einem Hüter. Würde er versuchen es zu verstehen? Oder sollte sie es verheimlichen? Wäre dies dann aber nicht ein Vergehen? In ihrem einst so klarem und strukturierten Verstand herrschte mittlerweile das reinste Chaos. Aber sie wollte mehr. Sie wollte sich nicht einfach diesem Chaos ergeben, sondern es lichten. Nur wie?


      Während Malvas sich seine Taschen füllte, zog auch Keira um die Häuser. Das kleine Dorf hatte allerdings nicht viel zu bieten. In diesem verdammten Kaff gab es einfach gar nichts! Die wenigen Idioten, die man abzocken konnte, krallte sich Malvas, also musste Keira dieses Mal wohl oder übel passen. Stattdessen schlenderte sie durch das Dorf und lehnte sich an eine Hauswand, um die Elfe zu beobachten. Hier kamen nicht viele Reisende durch, deshalb gab es hier weder ein ordentliches Gasthaus, noch einen gut sortierten Händler. Sie konnte zwar etwas Proviant von einem Bauern abkaufen, aber das war es auch schon. Es gab eine Taverne, in der sich die Männer am Abend gerne versammelten und wo sie eine warme Mahlzeit bekämen. Die Taverne war auch eher ein winziges Räumchen, da hier schließlich jeder jeden kannte, trank man wohl auch gemeinsam. Ganze zwei Tische gab es hier, doch dahin würde es die Menschenfrau erst später verschlagen.
      Als Ana'Maera den Proviant aufgestockt hatte, ging sie zu Keira und blickte sie einen Moment an, ehe auch Malvas dazu kam und eine Bezahlung forderte. Die Blondine hob eine Augenbraue und sah amüsiert auf seine Hand.
      "Hast du dich mal umgesehen? Hier gibt es nichts. Bis hier ein Händler oder sonst jemand vorbeikommt, mit dem ich weiterreisen kann, vergehen ja Wochen oder Monate... Ich sagte, dass ich euch bis zur nächsten Stadt begleite. Das hier ist keine Stadt", meinte sie spöttisch und lehnte sich ein wenig zu ihm vor.
      Sie war durchaus hin und her gerissen, ob sie sich von den beiden verabschieden sollte oder nicht. Als sie Ana'Maera danach gefragt hatte, warum sie ihr angeboten hatte, solange zu bleiben, wie sie wollte, sagte sie, dass sie den Eindruck hatte, dass Keira einsam, vielleicht auch traurig wäre. Das war überraschend zutreffend. Keira war wirklich immer sehr einsam gewesen, aber nicht so verzweifelt, als das sie mehr Zeit als nötig mit diesem Dämonen verbringen wollte.
      "Die nächste Stadt ist.. Lumenar..", meinte die Elfe etwas nachdenklich. Ohne Umwege würden sie vorher keine Stadt mehr besuchen. Aber sollten sie für Keira das Erreichen ihres Ziels hinauszögern? Dafür sah Ana'Maera keinen Grund.
      "Was wollt ihr denn in einer Stadt voller Elfen?", fragte Keira skeptisch, wobei sie den Dämonen betrachtete.
      "Meine Heimat wurde zerstört.. Malvas hilft mir dort unversehrt anzukommen..." Das war zumindest keine Lüge, aber sie hatte wenigstens nicht alle Details verraten. Soviel hatte sie immerhin schon gelernt.
      Für Keira klang es allerdings sehr fragwürdig, dass er ihr half. Wobei ihre ganze Beziehung zueinander schon sehr fragwürdig war. Ihre bloße Zusammenarbeit erschien ihr unnatürlich. Vielleicht bekam er dafür ja eine gute Bezahlung. Warum dachte sie überhaupt darüber nach? Für sie war es bedeutungslos, was die beiden hatten. Sie wollte nur weit weg von Idoa und allein käme sie nicht so gut voran. Ein hübsches Städtchen im Westen, wo sie sich niederlassen könnte. Mehr wollte sie nicht. Lumenar lag südwestlich und dort kamen auch ziemlich regelmäßig Händler und andere Reisende durch. Ob man dort als Mensch leben könnte? Zumindest waren Elfen ungefährliche Genossen, also könnte sie sich die Stadt ja mal ansehen und dann immer noch weiterreisen.
      "Fein. Lumenar klingt großartig. Ich komme mit", beschloss sie und legte einen Arm um die Elfe, während sie Malvas einen eher gehässigen Blick zuwarf. Das er so dreist war und eine Bezahlung von ihr forderte, gefiel ihr ganz und gar nicht. Er könnte froh sein, wenn sie ihn nicht in Asche verwandelte..
      "Dann lasst uns etwas essen gehen!"
      Mit einem breiten Lächeln schnappte sie sich Ana'Maera's Arm und zog sie mit zur Taverne, wo einige Dorfbewohner bereits ihren Feierabend genossen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Anstatt sich dem Dämonen zu fügen, beharrte Keira darauf, dass sie noch gar nicht bei einer Stadt wären und entlockte Malvas damit ein Augenrollen. Natürlich würde sich die Frau dagegen sträuben, wäre ja auch zu einfach gewesen.
      "Wir passieren aber gar keine Stadt, also hast du Pech gehabt. Rück die Goldmünzen raus, jetzt", forderte er zurück, im selben Moment, als auch Ana'Maera zu Sprache kam - und natürlich seinen Plan gleich vermasselte. Unzufrieden sah er auf die Elfe herab.
      "... Klar. Lumenar."
      Hinterher würde er noch einmal ein klares Wörtchen mit ihr darüber reden müssen, wie sie mit ihren Geheimnissen verfahren sollten. Denn ihr Ziel sollte keiner Menschenseele bekannt werden, ganz besonders nicht, wenn es die Aussicht auf Gewinn vermasselte.
      Zumindest konnte sie die Sache ein wenig in kleine Wahrheiten verpacken, die von Keira auch nicht weiter hinterfragt wurden. Dabei war die Aussage von vorn bis hinten hinterfragungswürdig; warum sollte ein Dämon einer Elfe helfen, in die nächste Stadt zu gelangen? Dafür müsste sie ihm allenfalls einen horrenden Preis bezahlt haben und wenn sie die Mittel dafür hätte, wäre die nächste Frage, ob es sich bei ihr nicht um eine wichtige und einflussreiche Persönlichkeit handelte - beides Dinge, die man auf offener Straße keinesfalls aussprechen sollte. Ehrlicherweise war es Malvas' eigenes Verschulden, dass er nicht darauf geachtet hatte, dass die Elfe auch die Klappe halten würde.
      Jetzt erklärte sich Keira auch noch dazu bereit, bis nach Lumenar mitzukommen. Böse sah er Ana'Maera an, während die Frau schon in Richtung Gasthaus davon stakste, um sich etwas richtiges zum Essen zu gönnen. Jetzt hatten sie eine Menschenfrau an der Backe, die im schlimmsten Fall in Lumenar herausfinden würde, dass Ana'Maera keine normale Elfe war, sondern auch noch eine Hüterin. Und dann? Entweder könnte Keira versuchen, den Stein zu stehlen, oder verbreiten, dass sich der Stein jetzt in Lumenar befand.
      Elfen hatten nunmal keine Ahnung, wie man mit solchen Geheimnissen umging.
      "Das nächste Mal, wenn sie irgendwas über unseren Ausflug wissen will, wirst du still sein und mir das Reden überlassen", brummte er. So viel Ärger wollte er dann auch nicht haben.

      Sie aßen sich im Gasthaus voll, stockten ihren Proviant auf und zogen am Abend bereits weiter, als wäre nichts vorgefallen. Malvas war jetzt wieder schlechter Laune, weil er, wie er später bemerkte, sich darauf eingestellt hatte, mit der Elfe wieder allein zu sein. Aber das war er nicht und so sehr Keiras Anwesenheit ihn anfangs noch angeturnt hatte, wollte er sie jetzt am liebsten wieder loswerden.
      Abgesehen von seinen wankelmütigen Launen, verlief der Ritt aber so wie immer. Sie legten eine gute Strecke zu Pferd zurück, unterbrochen lediglich von Einzelfällen, an denen sie etwa eine kritische Wegkreuzung überqueren mussten oder Malvas sich mit seinem bildhaften Gedächtnis nicht sicher war, ob sie den Umweg über Osten oder Westen einschlagen sollten. Letzten Endes waren sie aber ungestört, stießen auf keine Spuren und hinterließen ihrerseits auch so wenig, dass Malvas sich sicher war, dass sie von keinem Dämonen gefunden werden konnten. Die Sorge sollte sich aber sowieso bald als überflüssig erweisen, denn zwei Wochen später erreichten sie Lumenar. Aber anstatt eine geschäftige Elfenstadt vorzufinden, die laut und chaotisch zuging, trafen sie auf Stille.
    • Als Malvas der Elfe auftrug das nächste Mal zu schweigen, nickte sie. Er schien verärgert zu sein und deshalb fühlte sie sich irgendwie schlecht. Zumindest gefiel es ihr nicht, dass er schlecht drauf war. Dies schien auch eine Weile zu halten und die weitere Reise verlief fast schon ereignisloser denn je. Außer das Keira ihr bei Gelegenheit weiterhin etwas über Menschen und ihr Verhalten erzählte. Allerdings nahm auch das ab, als Keira die Ideen ausgingen. Sie hatte ja zu Beginn keine Ahnung, was sie der Elfe überhaupt sagen sollte. Warum sie so viel wissen wollte. Und sie wagte auch nicht danach zu fragen. Sie sprachen kaum über was anderes und jedes Mal, wenn Ana'Maera sie etwas wegen Malvas fragte, wich die Menschenfrau aus. Um nicht wieder so eine komische Situation heraufzubeschwören. Wie konnte man überhaupt so begriffsstutzig sein? In den nächsten zwei Wochen lernte Keira ungewollt mehr über Elfen, als Ana'Maera über Menschen. Das Leben als Elf war beschissen. Man wurde geboren, nur um zu existieren und irgendwann zu verrecken? Und das mit einem so verflucht langem Leben? Was trieben die bitte den ganzen Tag?! Klang echt ätzend. Kein Wunder, dass Ana'Maera so war, wie sie war. Wie eine zum Leben erwachte Steinstatue.


      Währenddessen befand sich Lumenar mitten in einer Schlacht. Dämonen fielen über sie ein und metzelten sie gnadenlos nieder. Es gab kaum Widerstand, denn die meisten Elfen in Lumenar waren gewöhnliche Elfen. Sie hatten sich in Lumenar eine anerkannte Stadt aufgebaut, die sogar regelmäßig von Menschen besucht wurde, um mit ihnen zu handeln. Elfen mochten nichts mit Leidenschaft und Hingabe machen, aber sie machten auch keine halben Sachen. Ihre Kleidung war besser verarbeitet, als die meisten Menschenschneider es je könnten. Nicht nur Jahrelange Erfahrung war ihr Vorteil, sondern auch die Disziplin und Sorgfalt, mit der sie einer notwendigen Arbeit nachgingen. Sie ließen sich nicht ablenken. Feierten und faulenzten nicht. Im Grunde waren sie die perfekten Sklaven und vermutlich müsste man nicht einmal viel Gewalt anwenden, um sie zur Arbeit zu zwingen. Welchen anderen Zweck erfüllten sie schon? So dachten zumindest einige Menschen und Dämonen mit Sicherheit.


      "Ach du Scheiße...", murmelte Keira, als sie die Stadt erreichten.
      Der Himmel war klar und die Asche bereits kalt. Es musste einige Tage her sein, dass Lumenar in Flammen stand. Ein Feuer in einer so großen Stadt wie dieser, hätte man aus meilenweiter Entfernung sehen müssen. Das war allerdings nicht das Werk von ein paar Plünderern, die das Feuer nutzten, um Panik zu verbreiten. Dieses Feuer hatte die gesamte Stadt verschlungen. Der Geruch von verwesenden Leichen, die nicht vollständig zu Asche geworden waren, erfüllte die Luft. Keira legte ihre Faust an den Mund und verschloss damit ebenfalls ihre Nasenlöcher. Ihr war ein wenig übel von dem Geruch, doch sie drehte ihren Kopf zur Elfe, um zu sehen, wie es ihr bei diesem Anblick ging. Gerade Haltung wie immer. Blick nach vorn gerichtet. Mundwinkel locker - Nein, sie zog ihre Unterlippe nach innen und biss auf diese, wie Keira es machte, wenn sie verärgert oder frustriert war. Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen und ihre Brust hob sich bei einem tiefen Atemzug. Es wirkte sogar natürlich - Warum sollte sie in so einer Situation auch irgendetwas vorspielen.
      "Wartet hier.."
      Ana'Maera's Kopf drehte sich langsam in die Richtung ihrer Gefährten, ehe sie ihr Pferd zum Gehen vorantrieb, um sich in der Stadt umzusehen. Gebäude, die dem Feuer entkamen, fielen offenbar einem Erdmagier zum Opfer. Hier stand nicht ein einziges Haus mehr. Das war pure Zerstörung. Die Auslöschung einer ganzen Stadt. Ihr Ziel war das Zentrum. Man sagte ihr, dass das Gebäude dort noch bis in den Untergrund reichte und sich dort die Hüter aufhielten, um dort ungestört zu lernen und zu trainieren. Direkt vor dessen Trümmern lagen ein halbes dutzend Leichen. Dämonen. Malvas könnte vielleicht mehr zu ihnen sagen.
      In das Gebäude kam man nicht mehr hinein, weshalb die Elfe langsam drum herum ritt und ihr Pferd zum Stehen brachte, als sie angekettete Elfen, die lediglich ihre Unterwäsche trugen, erblickte. Sie wurden an ihren Handgelenken aufgehängt, sodass nur noch ihre Zehenspitzen den Boden berührten. Zumindest die, die noch da waren. Sie wurden offensichtlich gefoltert. Vermutlich, um an Informationen über ihre Verstecke zu bekommen. Demnach mussten diese 3 Elfen dort Hüter sein. Ihre Körper wiesen zahlreiche Schnitt- und Stichwunden auf. Ebenso Brandstellen. Einige Zehen wurden abgetrennt und zwei von ihnen fehlte ein Ohr. Einem wurde eine Hand abgeschnitten, sodass er nur noch an einem Handgelenk hing. Ein Hüter würde jeden Schmerz ertragen, ohne seinesgleichen zu verraten. Deshalb hatten sie auch so viele Verletzungen, denen sie letzten Endes irgendwann erlagen.
      Ana'Maera umgriff die Zügel fester bei diesem Anblick, ehe sie ein Loch in der Wand entdeckte und vom Pferd stieg. Vorsichtig betrat sie das Gebäude und sah sich darin um. Es gäbe keinerlei Aufzeichnungen der Hüter, weshalb kein Grund bestand, tiefer hineinzugehen. Deshalb kehrte sie zu ihrem Pferd zurück und strich über dessen Hals. Was jetzt? Ihre Anweisung lautete, den Stein nach Lumenar zu bringen, um dort zu besprechen, was als nächstes geschah. Dafür gab es nur eine Lösung: Sie musste die nächstgelegene Siedlung aufsuchen. Dort könnte sie den Ätherion-Stein abgeben. Und dann könnte sie Malvas dabei helfen, seine Ziele zu erreichen - welche auch immer das waren. Zumindest hatte sie darüber in den letzten Tagen viel nachgedacht.
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      - Eugene Ionesco
    • Die Ankunft in Lumenar - und damit auch das Ziel ihrer eigentlichen Reise - stellte sich als Spektakulär heraus, aber nicht wie Malvas gedacht hatte. Vor seinem inneren Auge hatte er sich auf dem weiten Weg schon ausgemalt, wie die Elfenstadt wohl aussehen mochte, wie der Trubel der Elfen darin herrschte, wie sie bewacht würde, alles Dinge, die ihm noch nie über den Weg gelaufen waren - immerhin war er generallos, er schloss sich keinen Armeen an, um solche Städte zu überfallen. Und sich hereinzuschleichen wäre für ihn auch nie in Frage gekommen, dafür kannten die Spitzohren sich viel zu gut mit dämonischer Präsenz aus. Diese Ankunft war damit für ihn eine Prämiere.
      Aber Lumenar sah aus wie eine beliebige andere Stadt, denn sehr viel mehr als unförmige Trümmer und halb stehende Häuser war nicht mehr übrig. Kalte Asche lag dicht auf dem Boden, die Überreste eines verheerenden Feuers, das sich dort durchgebrannt hatte, wo Stein nichts mehr schützen konnte. Der Geruch nach Ruß lag bleiern in der Luft, vermischt mit dem widerlich süßen Gestank nach vergammelten Leichen. Viele davon konnte man unter der feinen Ascheschicht auch ausmachen, humanoide Formen, die ausgestreckt oder zusammengekrümmt auf dem Boden lagen, vom Kampf niedergestreckt oder auf der Flucht getroffen. Viel mehr versteckten sich vermutlich noch unter den Trümmern und in den halb stehenden Häusern.
      Malvas rückte sich auf seinem Sattel zurecht. Sie alle drei waren stehengeblieben, kaum als die das Ausmaß der Zerstörung erkannt hatten.
      "Huh. Scheint mir eine radikale Umräumaktion gewesen zu sein."
      Er ließ den Blick über die Ruine schweifen - ja, Ruine, denn Lumenar gab es unlängst nicht mehr. Die Stadt war von der Landkarte gefegt und das mit aller Gründlichkeit.
      Dann blieben seine Augen an Ana'Maera haften und nahmen die Art, wie sich ihre Augenbrauen zusammenschoben und ihre Unterlippe sich bewegte, in sich auf. Aber anstatt eine etwaige Gefühlsregung von sich zu geben, gab sie ihnen nur vor, hier zu warten.
      Malvas tat das auch - für exakt zwei Minuten. Dann hatte er keine Lust mehr, untätig bei Keira rumzusitzen, stieg ab und marschierte in die Stadt ein.
      Die Ascheschicht am Boden ging bis zu seinen Knöcheln. Die ganze Gegend war vollkommen still, kein Vogelgezwitscher, keine Krähen, die sich an den Leichen zu schaffen gemacht hätten, keine Wölfe, die ihren Weg hereingefunden hätten. Die ganze Stadt war einfach ausgestorben, sämtliches Leben zu dem Ruß zu ihren Füßen verbannt. Malvas musste gleich an den Feuerdämon denken, der Ana'Maeras Dorf überfallen hatte und schüttelte sich. Allzu lange sollten sie hier nicht bleiben, falls der Täter zum Tatort zurückkehren wollte.
      Näher zum Zentrum hin bestätigte sich dann seine Vermutung: Dämonen, natürlich. Wer auch sonst hätte es gewagt, eine Elfenstadt zu überfallen; Bei Elfen gab es so etwas wie Bürgerkrieg nicht und Menschen wussten noch nicht einmal von diesem Ort. Nur Dämonen wären überheblich genug, die Stadt zu finden und eine Offensive zu starten.
      Nur, dass sie damit auch Erfolg gehabt hatten.
      Malvas ging weiter und stieß dabei sowohl auf Ana'Maera, als auch auf drei ihrer Artgenossen, die nicht wie die anderen unter der Asche begraben waren, sondern von Pfeilern herab hingen. Ihre Körper waren verstümmelt, aber auf eine Weise, die Leichenschändung ausgrenzte. Das hier war ganz bewusste, gezielte Folter, in Malvas' Augen dazu angesetzt, ein Mahnmal zu geben. Damit hatten sie aber ganz schöne Arbeit geleistet, denn er fühlte sich tatsächlich sehr gemahnt.
      Ana'Maera stand dahinter. Sie sah ihn an, aber nur, weil sie seine dumpfen Schritte gehört hatte. Ihr Gesicht zeigte den selben Ausdruck wie schon vor der Stadt. Empfand sie überhaupt genug bei diesem Anblick? Trauer, Verzweiflung, Angst? Konnten Elfen sowas empfinden?
      "Das war's dann wohl mit Lumenar. Und jetzt? Irgendwo wirst du ja noch hingehen können, um -"
      Schlagartig verstummte er, als am Ende der Straße eine Bewegung seine Aufmerksamkeit fing. Ana'Maera sah auch hinüber, gerade rechtzeitig, um einen einzelnen, einsamen Dämon zu sehen, der auf der Mitte der Straße stehenblieb und sie ähnlich perplex anstarrte wie sie ihn. Malvas wusste genau, dass es ein Dämon war, obwohl er ihn auf die Entfernung nicht sehr gut erkennen konnte. Er wollte schon etwas sagen, da machte der Dämon auf dem Absatz kehrt und lief davon.
      Zwei Sekunden stand Malvas wie festgefroren da, dann fuhr er zu Ana'Maera herum.
      "Was ist?! Ihm nach!"
      Er selbst setzte zum Sprint an, das Pferd hatte er bei Keira gelassen. Während Ana'Maera sich auf ihr eigenes Tier schwang und dem Dämon nachjagte, versuchte Malvas seitlich durch die Trümmer hindurch zu kommen, um dem Fremden mögliche Fluchtwege abzuschneiden. Das ganze sollte sich aber als überflüssig erweisen, denn der Dämon rannte geradewegs vor ihnen davon und schließlich aus der Stadt hinaus. Er rannte und rannte und als Malvas und Ana'Maera erst beim Ausgang angekommen waren, blieben sie wie angewurzelt stehen.
      Vor ihnen, in der Entfernung, hoben sich vereinzelte Rauchschwaden in die Luft. Eine Lagerstätte, aber nicht nur eine einzige, ein Dutzend Rauchsäulen mussten es sein, die sich dort in den Himmel streckten, ein Lager von einer Ausmaße, wie sie nur eine Armee haben konnte.
      Und der Dämon rannte geradewegs darauf zu.
      "Generalverfluchte Scheiße."

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    • All diese Elfen mussten wegen der Ätherion-Steine sterben, obwohl sie nicht einmal etwas damit zutun hatten. Das war ungerecht und bewies wieder einmal, dass Dämonen blutrünstig waren. Wie lange sollte das noch weitergehen? Bis alle Elfen ausgelöscht waren? Oder sollten sie handeln und alle Dämonen töten? Das wäre nicht richtig. Der Weg, bei dem am wenigsten zu schaden käme, wäre den Ätherion-Stein zu zerstören. Jede Nacht grübelte sie über die Zeichen und hatte schon etliche Übersetzungen, doch sie hatte noch nicht alle Puzzleteile zusammen. Andere Hüter könnten sie dabei unterstützen, aber sie war nicht sicher, ob sie es tun würden. Aber sie waren eigentlich sehr offen, was Vorschläge angingen. Man hatte ja auch schon versucht, sie zu zerstören, nur vergeblich.

      Natürlich konnten Elfen grundlegend auch etwas empfinden, nur hatten sie zu viel, von dem die Dämonen zu wenig hatten. Selbstbeherrschung. Es war wie ein stabiles Vorhängeschloss, hinter dem alle Emotionen versiegelt waren, um ein rationales Handeln zu ermöglichen. Warum allerdings auch die positiven Gefühle davon betroffen waren, wusste Ana'Maera nicht. Wenn sie genauer darüber nachdachte, wusste sie gar nichts über Elfen, Dämonen oder Menschen. Mutmaßungen, die nicht auf jeden zutrafen. Das löste Frust in ihr aus, auch wenn sie diesen nicht verstand. Ebenso Neugier, von der zu viel gefährlich sein konnte. Sagte man ihr jedenfalls.
      Ana'Maera hatte jedoch schon tief gebohrt und versucht, dieses Schloss aufzubrechen. Sie konnte ganz bewusst, schöne Dinge von unschönen entscheiden. Dieser Anblick war eindeutig unschön. Deswegen empfand sie schon etwas, nur konnte sie es nicht zuordnen. Es war eine Mischung aus Wut und Trauer.

      Sie wollte sich in den Sattel schwingen, als sie etwas hörte und Malvas erblickte, weshalb sie inne hielt. Gerade als der Dämon danach fragte, worüber sie schon seit einigen Minuten nachgedacht hatte, näherte sich ihnen jemand. Jemand, der mit all dem zutun haben könnte. Als er weglief, war es eindeutig. Allerdings war sie noch kurz in Gedanken und sprang schnell auf ihr Pferd, als Malvas sie dazu aufforderte.
      Die Asche wirbelte unter den galoppierenden Hufen auf, während die Elfe ihren Bogen zog und versuchte zu zielen. Der Dämon nutzte die verbliebenen Trümmer geschickt, um ihr Schussfeld zu blockieren. Außerdem war er sehr flink. Außerhalb der Stadt erblickten sie jedoch ein noch viel größeres Problem. Ana'Maera richtete ihren Blick kurz auf die Rauchschwaden, fokussierte sich dann aber schnell wieder auf den Dämon und durchbohrte seine Brust mit einem ihrer verstärkten Pfeile. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis man ihn finden würde. So hätten sie aber ein paar Minuten; mit Glück auch ein paar Stunden Zeit gewonnen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Den letzten Abschnitt überlebte der Dämon nicht. Kurz bevor er das rettende Dickicht erreicht hätte, bohrte sich ein zielstrebiger Pfeil mitten durch seine Brust hindurch.
      Malvas starrte auf den Leichnam hinab, während im Hintergrund die Rauchkringel in den Himmel waberten. Der Dämon hatte nicht gerufen, was nur bedeuten konnte, dass sie noch nicht nahe genug an der nächsten Patrouille gewesen waren, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Malvas hatte also durchaus einen Moment Zeit, weshalb er zu dem Mann aufholte und ihn auf den Rücken drehte. Er trug eine Uniform, die seinen General verriet, aber ganz anscheinend hatte es einen Machtwechsel gegeben, denn Malvas konnte mit dem Symbol rein gar nichts anfangen. Hätte er die letzten Wochen nicht damit verbracht, sich möglichst von sämtlicher Gesellschaft fernzuhalten, um Ana'Maera und den Stein nicht zu gefährden, hätte er es vermutlich mitbekommen. So wusste er einfach nur, dass irgendein neuer General hier zuständig war.
      Das konnte gut oder schlecht sein, im Moment bedeutete es aber nur, dass sie auf Nummer sicher gehen mussten. Malvas besaß zwar das Talent, selbst Dämonen zu täuschen, aber mit einem Unbekannten würde er sich nicht so leichtfertig anlegen.
      "Wir sollten wohl abziehen und zwar ein bisschen plötzlich. Wo liegt das nächste Elfendorf? Du musst es mir schon nicht sagen, aber zumindest die Richtung angeben. Und wenn's geht nicht unbedingt da lang."
      Er deutete mit dem Daumen über die Schulter auf das Armeenlager in der Ferne.

      Sie holten Keira ab und ritten dann zu dritt weiter, schnell, wenn auch nicht zu übereilt. Eine Stunde konnten sie ungestört hinter sich bringen, dann tauchte auf dem Hügel hinter ihnen in der Ferne eine dunkle Masse auf.
      "Deckung!", rief Malvas, der sich einbildete, sie könnten auf die Entfernung noch schnell irgendwo untertauchen, bevor sie entdeckt würden, aber die Masse verharrte nur einen winzigen Augenblick und floss dann schon den Hügel hinab, sicherlich ein Dutzend Reiter, die ganz eindeutig nicht elfischer oder menschlicher Abstammung waren. Sie waren noch weit entfernt, aber das musste gar nichts heißen; das Trio war auf städtischen Pferden unterwegs, die die letzten Tage ununterbrochen geritten waren und die Dämonen hatten sicher Kriegspferde, ausgebildete, eigens herangezüchtete Tiere, die keine Schwierigkeiten hatten, größere Entfernungen hinter sich zu bringen und trotzdem noch einen Sprint hinzulegen. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie sie eingeholt hätten, sollten sie es nicht schaffen, sich noch irgendwo zu verstecken.
      Sie schafften es auch nicht.
      Die dämonische Truppe kam näher und sobald sie eine gewisse Reichweite erreicht hatte, begann ein Rumoren, als hätte sich die Luft um sie herum statisch aufgeladen und wäre nun kurz davor, sich in einem Donnerschlag wieder zu entladen. Zehn Dämonen gegen drei, hatten sie da überhaupt eine Chance? Malvas ließ es darauf ankommen. Er ließ sein Haar in beeindruckenden Flammen aufgehen, als ob er soeben auf seine ausgeprägten Feuerkünste zugegriffen hätte, und schleuderte einen Flammenball über seine Schulter hinweg nach hinten, der gar nicht existierte. Die Truppe stob um die Illusion auseinander, aber die Pferde wurden davon nicht langsamer. Er ließ eine Feuerwand aus dem Boden brechen, die nach oben hin spross, aber die Reiter sprangen unbeirrt darüber hinweg, noch während sie sich zu ihren Hufen aufbaute. Er ließ Flammenpfeile auf die Pferdebeine los, aber die Tiere tänzelten nur ein bisschen darum herum und ließen sich nicht aus der Ruhe bringen. Nach weiteren Tricks und verzweifeltem Ausprobieren, musste Malvas seine Künste einstellen. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und ihm war leicht schwindelig, er musste aufpassen, nicht vom Sattel zu rutschen.
      Die Dämonen konterten dafür mit ihren eigenen Attacken: Ein plötzlicher Erdwall, der vor Keiras Pferd in die Höhe schoss und die Frau mitsamt Tier beinahe zum Fallen gebracht hätte. Ein Geschoss mit kleinen Spitzen, das Ana'Maera um ein Haar verfehlte und in der Luft explodierte. Seile, die aus dem Boden schossen und Malvas' Pferd einzufangen versuchten. Sie wurden schnell in Bedrängnis gebracht und genauso schnell näherte sich die unausweichliche Schar, die fest dazu entschlossen schien, ihre Flucht zu vereiteln.
    • Ana'Maera begleitete ihren Gefährten, der sich die Leiche des Dämons genauer ansah und blickte zu den beiden runter. Von den Generälen wusste sie nur, dass es sie gab und sie besonders stark waren. Jedoch nichts über die Aufteilung ihrer Gebiete und andere Details.
      Als Malvas mit seiner Untersuchung fertig war, fragte er sie nach dem nächsten Elfendorf. Lumenar hatten sie sich aus Nordosten genähert. Das Lager der Dämonen lag südwestlich. Sie nächste Hütersiedlung im Südosten. Wenn sie diese erreichen könnten, bevor die Dämonen sie einholten, würden ihre Chancen auf einen Sieg deutlich ansteigen. Allerdings bräuchten sie im gewöhnlichen Reisetempo mehr als einen Tag. Die Pferde könnten diese Strecke also nicht in kürzester Zeit im Galopp zurücklegen. Deshalb würde die Elfe sich aber nicht einfach geschlagen geben.

      Keira wusste nicht wirklich, was los war. Nur, dass da eine Menge Dämonen waren, vor denen sie abhauen sollten. Große Klasse. Wäre sie doch lieber in diesem Kuhkaff geblieben.. Nun war es dafür jedoch zu spät und es dauerte auch nicht lang, bis deren Reiter hinter ihnen auftauchten. Nun vergingen nur noch wenige Minuten, ehe sie Geschossen und plötzlich aufsteigenden Erdstücken ausweichen mussten. Malvas Gegenwehr verwirrte die Menschenfrau nur kurz, denn darüber konnte sie nicht weiter nachdenken, als es sie beinahe erwischt hätte und ihr Pferd gerade so die Kurve bekam.
      Ana'Maera warf einen Blick nach hinten. Wenn sie eines ihrer Pferde hätte, könnte sie im Sattel umdrehen und ihre Verfolger mit Pfeilen erledigen. Dieses Pferd hier würde dann jedoch außer Kontrolle geraten, befürchtete sie. Die Zügel konnte sie nicht loslassen. Windmagie? Mit ausreichen Zeit könnte sie einen Tornado beschwören, aber die hatte sie nicht. Nicht mal annähernd.
      Ihr Pferd wurde gewaltsam zum Stolpern gebracht und wieherte laut, als es in den Erdrutsch geriet und es sich etliche Knochen dabei brach. Die Elfe sprang nach vorn, rollte sich auf dem Boden ab und hatte schnell ihren Bogen parat, um einen ihrer tödlichen Pfeile abzugeben. Allerdings erwischte sie nur einen der Dämonen, bevor ihre Handgelenke von den Seilen zu Boden gezogen wurden und sie auf die Knie ging. Sie presste ihre Zähne aufeinander und machte ein wenig den Eindruck, als wäre sie zornig. Nicht so zornig jedoch, wie Keira, die ebenfalls unsanft zu Boden gefallen war und ein knurriges Brüllen von sich gab. Sie hatte sich Gedanken gemacht, was mit der Umgebung passieren würde, würde sie hier einfach mit echtem Feuer um sich werfen, doch nun schien es ihr egal zu sein. Ihre Wut entfachte einen Feuersturm, der einige Reiter wirklich in Bedrängnis bringen konnte. Allerdings wurde auch sie an weiteren Kampfhandlungen gehindert, als sie zähneknirschend mit dem Gesicht im Dreck landete.
      Ana'Maera warf einen kurzen Blick zu Malvas, nur wusste sie nicht, wie sie ihm mit einem Blick allein verraten könnte, dass sie den Ätherion-Stein während ihres Sturzes in einem Erdspalt geworfen hatte. Ein letzter Versuch, ihn vor den Dämonen zu beschützen, auch wenn er dort nicht auf ewig sicher sein würde, wenn ihn kein anderer Hüter fand. Was das Leugnen des Besitzes angeht, würde sie wie versprochen schweigen und Malvas das Lügen überlassen.
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      - Eugene Ionesco
    • Ana'Maera fiel zuerst: Ein ganz gezielter Erdrutsch hatte ihr Tier zuerst erwischt und sein Schicksal besiegelt. Malvas hätte sie versucht, auf sein eigenes Pferd zu ziehen, aber er musste die Zügel herumreißen, damit er nicht selbst von dem Erdrutsch ergriffen wurde. Dabei war die Verfolgung hier wohl schon besiegelt, denn wenn Ana'Maera fiel, würde auch der Stein in dämonische Hände geraten und dann wäre alles umsonst gewesen. Entsprechend verzichtete er darauf, einfach die Flucht fortzusetzen.
      Keira gab eine ähnlich erstaunliche Gegenwehr von sich: Ein beachtlicher Feuersturm, der einem Feuerdämon in nichts nachgestanden hätte, ergriff die Truppe und beförderte mindestens zwei weitere Dämonen von ihren hohen Rossen. Das allein war schon mehr, als Malvas mit seiner lächerlichen Illusion hatte hervorrufen können, und um ehrlich zu sein, war er der Menschenfrau dafür ein bisschen sauer. Aber sehr viel Zeit zum darüber Nachdenken hatte er sowieso nicht, nachdem er auch er nicht lange darauf im Dreck landete.
      Es waren noch immer genug Dämonen übrig, um sie letzten Endes zu überwältigen. Ein Handgemenge folgte, als Keira sich mit der Wut eines tobenden Wildschweins auf ihre Verfolger warf, während Malvas selbst immerhin soweit gekommen war, einem seiner eigenen Leute den Dolch in die Uniform zu jagen. Aber dabei blieb es auch, denn sie alle drei wurden kurz darauf gefesselt und verschnürt, bis sie sich gar nicht mehr rühren konnten. Malvas sah zu Ana'Maera hinüber, konnte aber nicht deuten, was ihr Blick zu ihm bedeuten mochte. Vielleicht war das die Art einer Elfe zu sagen, dass sie jetzt alle dem Untergang geweiht waren? Ja, vermutlich das.
      Die Dämonen sackten sie ein und traten einen langsameren Rückweg an. Die Tatsache, dass sie sie nicht umgebracht hatten, sagte schon so einiges über das Lager aus, allen voran, dass sie ihr Ziel noch nicht erreicht hatten. Wie könnten sie auch? Wenn sie wegen dem Stein hier waren, dann war der nicht in Lumenar, sondern in Ana'Maeras kleinem Säckchen, das sie bei sich trug. Natürlich hatten sie ihr Ziel noch nicht erreicht.
      Machte das die Sache besser? Nicht wirklich. Aber zumindest blieben sie damit vielleicht eine Stunde länger am Leben.
      Sie brachten ihre Gefangenen ins Lager und dort gleich in ein kleineres Zelt, wo sie sie an einen Stützpfosten banden. Malvas hoffte auf den Moment, an dem sie alleine wären, damit er sich ausgiebig mit Ana'Maera darüber unterhalten konnte, was sie in einem Notfall wie diesem denn nun tun sollten, aber die Dämonen ließen sie nicht alleine. Zwei von ihnen blieben innen beim Eingang stehen, der Rest ging wieder nach draußen, nur um sie die nächste halbe, wenn nicht ganze Stunde alleine zu lassen. Erst dann öffnete sich der Zelteingang wieder - und Malvas fiel die Kinnlade herab.
      Der Dämon, der in Begleitung von drei Wachen hereinkam, war etwa 1,90 Meter groß und trug ein Prachtstück an Uniform, das ihn selbst bei den Menschen unmissverständlich als General ausgab. An seiner Hüfte hing ein Langschwert, dessen Knauf alleine kostbarer aussah, als so mancher landesweiter Reichtum. Seine Haltung war vor lauter Stolz und Arroganz so stramm, dass er steif war wie ein Brett, aber der Blick, dieser feuernde, brennende Blick, war eindringlich genug, jeden Spott gleich wieder wegzublasen. Über seine Ärmel tanzten beständige, kleine Flämmchen, die sich nie zu beruhigen schienen.



      Der General blieb auf halbem Weg ins Zelt hinein stehen, starrte sie an und stieß dann ein brüllendes, scharfes Lachen aus, das das ganze Zelt vibrieren zu lassen schien.
      "Malvas! Was für ein Vergnügen! Wie lange ist es her, zehn Jahre? Länger?"
      Der Angesprochene starrte dem General in die blitzenden Augen und fühlte sich dabei, als müsste er gleich im Boden versinken. Die Ähnlichkeit zwischen beiden war nicht rauszudenken - sie hatten dasselbe spitze Kinn, dieselbe kleine Nase, selbst die Haare hätten sich ähneln können, wenn sie gleich lang gewesen wären. Nur das, was Malvas immer bei sich vortäuschte, die vielen Flammen und kleinen Feuer, die waren bei diesem Dämon wirklich anwesend. Seine Präsenz alleine wärmte schon das Zelt auf.
      "Dreizehn", presste er schließlich hinter zusammengepressten Zähnen hervor und bemühte sich, im Angesicht seines Bruder - seines General-Bruders! - ein bisschen Würde zusammenzukratzen. Das war quasi unmöglich, war es bei Kasran immer schon gewesen; der Mann hatte ein Talent dafür, Malvas sich wie der letzte Abschaum auf Erden fühlen zu lassen. Seine Anwesenheit alleine sorgte schon dafür, dass er sich wieder wie ein kleiner Junge fühlte, der sich von flammenden Seilen verbrennen lassen musste, während er selbst nichts besseres hingekriegt hatte, als einen Apfel halbwegs realitätsnah zu kopieren. Natürlich hatte sich Kasran nie von seinen Illusionen hereinlegen lassen, egal wie gut sie sich irgendwann entwickelt hatten. Kasran war mit ihm aufgewachsen, er konnte durch seine Illusionen blicken, als wären sie seine eigenen.
      "Dreizehn Jahre! Mutter dachte schon, du wärst endlich abgekratzt, aber so schnell passiert das schon nicht. Du bist wie Ungeziefer, das man einfach nicht loswird, egal wie lange man es brennen lässt."
      Malvas erwiderte nichts auf die Provokation. Er blieb still, vermutlich zum ersten Mal in diesen dreizehn Jahren. Er hatte nicht gewusst, dass sein Bruder General geworden war - wie hätte er! Und jetzt thronte er dort fast schon wie ein König, während Malvas mit Dreck besudelt auf dem Boden saß mit nichts weiter bewaffnet als seiner sowieso nutzlosen Illusionen, die nun aber viel nutzloser waren. Was sollte er gegen Kasran und sein Feuer schon ausrichten?
      "Was, hat's dir die Sprache verschlagen? Was soll's, dann rede ich eben mit deiner hübschen Begleitung. Eine Elfe, was für eine Rarität. Eine Elfe mit einem Dämon?"
      Beim Grinsen blitzten scharfe Eckzähne auf, als er auf Ana'Maera zuging und vor ihr in die Hocke ging. Er griff nach ihrem Kinn und neigte ihren Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite.
      "Ich habe von euch beiden gehört, wer hätte das nicht; ein Dämon, der einer Elfe zur Flucht verhilft? Gegen seine eigenen Leute? Sowas spricht sich herum. Die Frage ist nur: Wieso?"
      Malvas blieb stumm. Er war unmerklich in sich zusammengesunken und hatte nicht vor, seinem Bruder das Vergnügen einer Antwort zu geben. Er würde sie nur dazu nützen, weiter zu provozieren.
      Kasran sah in die Runde.
      "Es wird nur schneller vorbei sein, wenn ihr redet; das ist euch klar, oder?"
    • Erneut befanden sie sich in Gefangenschaft der Dämonen, doch dieses Mal schien es kaum eine Hoffnung zu geben. Es waren mehr als 9 Gegner und Ana'Maera könnte sich dieses Mal nicht so leicht befreien. Keira war richtig angepisst und wurde sicherheitshalber auch noch geknebelt, damit sie nicht versuchte Feuer zu spucken. Das sie das gar nicht konnte, weil sie gar nicht so mächtig war, wie es bei ihrem Wutausbruch aussah, spielte dabei keine Rolle. Nun war sie jedoch in die Sache der beiden verstrickt, ohne überhaupt zu wissen, was diese Sache war. Sie würde also qualvoll gefoltert werden, da sie nichts sagen konnte, selbst wenn sie wollte.
      Sie war jedoch verdutzt, als der General hereinkam und mit Malvas sprach. Ein paar mal wanderte ihr Blick von einem zum anderen, ehe sie verstand, woher sich die beiden kannten. Er war wohl auch nicht so gut auf seine Familie zu sprechen. Gegen ein ganzes Heer und einen General hatten sie allerdings keine Chance, weshalb sich Keira hoffnungslos nach hinten lehnte und die Augen schloss. Jedenfalls solange, bis er erwähnte, mit seiner hübschen Begleitung zu sprechen.

      Ana'Maera hatte bei seinen Worten die Augenbrauen zusammengezogen und sah ihm missbilligend in die Augen, als er ihr Gesicht begutachtete.
      "Mach dir keine all zu großen Hoffnungen.. Von mir erfährst du nichts, egal wieviele Schmerzen du mir zufügst..", antwortete sie ziemlich bissig, als stamme dies aus Keira's Mund. Sie schnaufte sogar leise und hielt dem Blick des Feuerdämons stand. Er konnte ihr keine Angst machen.
      "Aber wenn du die beiden frei lässt, sage ich es dir", versuchte sie zu verhandeln.
      "Ich habe Malvas dafür bezahlt, dass er mich hierher bringt und mir sein Wissen über eure Grenzen zur Verfügung stellt. Keira war nur auf der Suche nach einer Reisebegleitung, da sie vor der Hochzeit mit dem Sohn des Herzogs von Idoa fliehen wollte."
      Die Elfe hatte es geschafft, den General zu belügen und da sie keine Emotionen dabei hatte, die sie als Lügnerin darstellten, konnte sie dies auch voller Überzeugung sagen. Im Angesicht dieser ernsten Lage schien es ihr sogar recht leicht zu fallen. Dass ein Dämon für Geld seine Leute verraten würde, würde sicher niemanden verwundern. Keira könnten sie schlimmstenfalls für Lösegeld abliefern, aber dann wäre sie wenigstens noch am Leben. Doch in erster Linie würde Ana'Maera darauf bestehen, dass sie zuerst ihre Gefährten frei ließen, bevor sie mit Informationen rausrückte.
      Vielleicht würde Malvas nach dem Ätherion-Stein suchen und ihr Werk irgendwie vollenden. Allerdings wusste er auch nur die Richtung zur nächsten Siedlung. Wenn er jedoch nah genug herankäme, würden sie.. Würden sie ihm zuhören und sich bedanken? Oder würden sie ihn einfach gnadenlos töten und dann den Stein an sich nehmen? Letzteres klang leider weitaus realistischer und sie wollte nicht, dass Malvas stirbt! Wenn dieser übermütige General seinen Bruder überhaupt gehen lassen würde. Es klang fast nicht danach, immerhin war der Bruder eines angesehenen Generals ein Verräter. Wie sehr ihn diese Tatsache jedoch beeinflussen würde, wusste Ana'Maera nicht. Aber wenn sie nur genug anzubieten hätte, würde er es sich vielleicht überlegen.
      Keira ließ ihren Kopf wieder nach hinten fallen, als die Elfe ihrem dämonischen Begleiter einen viel zu auffälligen Blick zuwarf. Er verriet nicht, dass sie etwas ausheckte.. Sondern, dass ihr das Leben dieses Mannes wichtig war. Wichtiger, als ihr eigenes. Wie konnte sie nur so dumm sein, fragte sich die Blondine und könnte vor Verzweiflung heulen. Der Typ hatte offensichtlich was gegen seinen Bruder und wenn er nun auf die Idee kam - Keira würde es zumindest so tun - würde er nicht sie, sondern Malvas foltern. Vor ihren Augen. Einer von beiden würde dann schon reden. Damit hatte die Elfe Keira's letzte Hoffnung hier doch noch lebend rauszukommen - und sei es in die Arme des Herzogs - vollkommen zunichte gemacht.
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      - Eugene Ionesco

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    • Kasran wirkte ehrlich überrascht für einige Augenblicke und das wiederum verdutzte Malvas, der aber kurz darauf den Grund dahinter begriff. Der General musste schon einiges mit Elfen zu tun gehabt haben, zuletzt ganz persönlich hier in Lumenar, aber eine Elfe, die eine bissige Antwort von sich gab, das musste ihm noch nie über den Weg gelaufen sein. Innerlich grinste Malvas über Ana'Maeras Tollkühnheit, mit der sie dem Dämon so furchtlos entgegen trat. All die Monate des Emotionen Lernens hatten also doch etwas gebracht, und wenn es nur dazu nützlich war, einen blöden Dämon für einen Moment sprachlos zu machen. Aber einen blöden General-Dämon und zudem auch noch Malvas' Bruder, das sollte nicht vernachlässigt werden.
      Kasran fing sich aber schon ein paar Sekunden später wieder und grinste spöttisch.
      "Ach nein? Du hast gesehen, was mit deinen Brüdern und Schwestern in eurem schönen Lumenar passiert ist, dasselbe kann dir auch widerfahren. Dir sollte klar sein, dass ich keinerlei Skrupel davor habe, dich bis zur Unkenntlichkeit zu Verstümmeln, bis du mir sagst, wo ihr den Stein versteckt haltet. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, wie du wissen musst."
      Er verlangte nach der Information über den Stein - das hieß, er hatte ihn noch nicht gefunden. Dabei waren doch Ana'Maeras Sachen konfisziert worden! Wenn er nicht da gewesen war...
      Mit aufsteigendem Horror blickte Malvas zu der Elfe hinüber, die sich gerade an einer Lüge versuchte, die ausgesprochen überzeugend wirkte. Selbst Kasran kaufte ihr das ab.
      "Das sieht meinem Bruder ähnlich, sich für ein bisschen Gold zu prostituieren. Und du bist Keira, nehme ich an?"
      Er sprach über Ana'Maeras Schulter hinweg Keira an.
      "In Idoa sollst du einheiraten? Wie schön. Wir werden deinen kleinen Finger schicken, damit sie uns eine Anzahlung für deine Befreiung zukommen lassen. Ich will für dich hoffen, dass der Sohn des Herzogs sich nicht schon eine andere gesucht hat, dann wirst du dich nämlich zu den Leichen in Lumenar gesellen dürfen."
      Malvas hätte beinahe gelacht bei der Ironie dieser ganzen Unterhaltung - ihn der Prostitution bezichtigen, aber selbst sofort die Gelegenheit ergreifen, ein bisschen Gold zu machen. Natürlich gab er keinen Laut von sich, denn sein Bruder schien gerade gut unterhalten zu sein, und wenn er das aber nicht mehr wäre, würde er ganz andere Seiten bei sich aufziehen. Und so, wie auch Malvas sich in den Jahren mit seinen Illusionen verbessert hatte, musste auch Kasran ein mächtigerer Feuerdämon geworden sein.
      Kasrans giftiger Blick schwenkte zu Malvas hinüber, als hätte er die innerliche Freude seines Bruders gespürt.
      "Dann hast du dich für ein bisschen Gold auf die Seite der Elfen gestellt? Das ist Hochverrat, du nutzloser Idiot. Dafür wird man dich kopfüber aufhängen und den Geiern überlassen."
      "Das ist auch nicht mehr Hochverrat, als generallos zu sein", giftete Malvas in einem rebellischen Moment zurück, ehe er es schon wieder bereute. Denn mit einem Mal trat eine Dunkelheit in Kasrans Augen, die Malvas wegzucken ließ. Er kannte seinen Bruder leider viel zu gut und dieser Blick war alles andere als gutherzig.
      Kasran kroch wieder zu ihm hinüber und schob sein Gesicht ganz nahe zu Malvas heran. Unwillkürlich versuchte er sich nach hinten wegzudrücken, weil er damit rechnete, dass jederzeit glühende Flammen aus diesem stinkenden Mund herausschlagen konnten.
      "Lass mich eines gesagt haben, Malvas", raunte er ihn drohend an. "Du bist eine Schande für die Familie und ganz besonders für mich. Du bist erbärmlich, nutzlos, ein Versager, du hast es noch nie zu etwas gebracht und du wirst es auch niemals zu etwas bringen. Dich hier zu haben, lebendig, generallos und als scheiß Verräter, ist eine Schmach, die ich erleiden muss - nur. Wegen. Dir."
      Er stieß ihm bei den letzten Worten den Finger gegen die Brust und Malvas zuckte jedes mal, obwohl es nicht weh tat.
      "Wenn ich könnte, dann würde ich dich mit meinen eigenen Händen umbringen, um deine Visage ein für allemal von der Erde zu tilgen. Ich hätte es schon vor dreizehn Jahren getan. Aber das einzige, was schlimmer ist, als dich als Bruder zu haben, ist seinen eigenen Bruder umzubringen, der in den Augen der Masse unschuldig war. Das würde mir den Ruf ruinieren und irgendein anderer Idiot würde sich auf meine Position erheben wollen. Das will ich nicht - verstanden? Deswegen wirst du auf ganz offiziellem Weg des Hochverrats angeklagt und gehängt, so wie es sich gehört. Das heißt aber nicht", dabei schoss seine Hand plötzlich nach vorne und packte Malvas an der Kehle, der ein geradezu erbärmliches Wimmern ausstieß, "dass ich nicht das grundlegendste Bedürfnis habe, dir hier und jetzt eine reinzuwürgen, du kleiner Scheißer. Hast du mich verstanden?"
      Mit einem Mal war es wie 40 Jahre zuvor, als sie nicht mehr als zwei Kinder waren, Kasran, der größere, der ältere, der mächtigere über ihm, Malvas im Dreck kauernd, heulend und mit Brandblasen übersät. So war es schon immer gewesen, Kasran das Vorbild, das Prunkstück der Familie, das Ebenbild seines feurigen Vaters, und dann plötzlich der jüngere Malvas, der aus irgendeinem Grund nicht das feurige Gen des Vaters angenommen hatte und auch nicht das beschwörerische Gen der Mutter - der Illusionie gezeigt hatte und auch nicht irgendeine davon, sondern die nutzloseste von allen. Visuelle Illusionie, die man nicht anfassen, nicht spüren und nicht hören konnte, die nur dazu da war, einen ersten, kurzen Schrecken einzujagen, bis man begriffen hatte, dass es sich nur um Magie handelte. Er hatte sich niemals gegen Kasran verteidigen können und auch sonst hatte seine Fähigkeit keinerlei Nutzen gezeigt. Er war eine Schande der Familie, das schwarze Schaf, über das man lieber nicht reden mochte, das man totschwieg, bis die Natur hoffentlich selbst ihre Arbeit erledigen würde.
      Und auch jetzt war es nicht anders. Er würde immer unter Kasran stehen, er würde sich immer im Dreck winden, während sein Bruder über ihm stand und den ganzen Ruhm einfing. Heiße Tränen traten ihm in die Augen, die er versuchte wegzublinzeln, bevor sie noch Kasran auffallen würden. Zu weinen würde ihre Lage hier sicherlich auch nicht verbessern.
      "Ob du mich verstanden hast?"
      "J-Ja."
      Kasran ließ ihn grob los und Malvas nahm einen zittrigen Atemzug, bevor er in sich selbst einsackte. Er starrte auf den Boden und kämpfte darum, sich nicht auch noch eine solche Blöße zu geben, während der General sich aufrichtete.
      "Gut. Wo waren wir also? Achja, der Stein."
      Er trat wieder vor Ana'Maera.
      "Ich gebe dir jetzt einen Ausblick darauf, was gleich geschehen wird, hübsche Elfe: Du wirst mir alles sagen, was du über deine Artgenossen und den Stein alles weißt. Alle Informationen können helfen, aber nur eine einzige Antwort wird dich hier heil rausbringen: Wo ist der Ätherionstein? Wenn du es mir sagst, werden wir gleich dorthin gehen, ich werde überprüfen, ob du die Wahrheit sprichst, und wenn ja, dann werde ich dich ganz unversehrt in die Freiheit endlassen. Wir sind nämlich nicht, wie du vielleicht glauben könntest, an einem Volksmord interessiert, nein; wir wollen nur den Stein haben. Es liegt also ganz allein an dir", auch ihr tippte er gegen die Brust, "ein weiteres Massaker zu verhindern. Du willst doch nicht, dass alle deine Städte und Dörfer so enden wie Lumenar, oder? Das wird jetzt ganz allein in deiner Hand liegen, Elfe. Also: Wo ist der Ätherionstein?"

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    • Ana'Maera ließ sich von dem Feuerdämonen nicht einschüchtern und blickte ihm ausdruckslos in die Augen. Fast wie jede andere Elfe auch. Aber nicht ganz. Sie war furchtlos und trotzte ihm. Vollkommen unbeeindruckt von seinen Drohungen.
      "Du hast gesehen, wie vergeblich Folter ist, als du meine Brüder und Schwestern zum Reden bringen wolltest", antwortete sie, um seine Worte aufzugreifen. Sie würde nicht mit einem einzelnen Muskel zucken, sollte er ihr wehtun. Wenn er dies nicht wüsste, hätte er doch schon längst damit anfangen können.
      Allerdings hatten sie beide etwas, das der andere haben wollte. Ana'Maera die Informationen und Kasran ihre Gefährten. Ohne ihre Hilfe, würde er den Stein - hoffentlich - nicht finden. Und Malvas', sowie Keira's Schicksal würde sich auch nicht ändern, wenn er sie tötete oder freiließ, wenn sie ihn nicht überzeugen konnte. Sie hatte also sozusagen nichts zu verlieren, aber einiges zu gewinnen. Er hingegen schon, denn er wusste nicht, dass der Stein in ihrem Besitz war und es könnte Jahre, Jahrzehnte, dauern bis sie ihn finden würden. Oder länger.

      Allerdings nutzte er die Information über Keira dazu, um Profit machen zu wollen. Dabei wollte Ana'Maera nur sagen, dass sie rein gar nichts mit ihr und dem Stein zutun hatte. Das sie keinen Nutzen für ihn hatte. Abgesehen vom Lösegeld.. Sicher hatte er jedoch genug Gold in Lumenar ergattern können! Da Dämonen als gierig galten, war ihm das eben nicht genug. Das ließ ein wenig Wut in der Elfe aufkeimen. Er war nicht mal auf ihre Forderung eingegangen, also musste sie sie wohl noch mal wiederholen.
      Allerdings widmete sich Kasran wieder Malvas und beschuldigte ihn nicht nur des Hochverrats.
      Ana'Maera presste ihre Kiefer aufeinander und spürte, wie die Fesseln an ihren Handgelenken schmerzten, weil sie an diesen zog. Einen tiefen Atemzug später, den sie hörbar aus ihren Nasenlöchern stieß, lehnte sie sich vor.
      "Er ist nicht nutzlos!", knurrte sie fast schon und warf ihm einen verachtenden Blick zu. "Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich tot...", fügte sie etwas leiser hinzu. Sie wollte nicht, dass er so über Malvas sprach. Auch wenn sie nicht wusste, wie er früher war und warum ihn sein Bruder nicht mochte, konnte sie das nicht dulden.
      Dann wandte er sich wieder ihr zu, weshalb sie sich an den Pfosten lehnte und sich aufrecht hinsetzte, um ihre volle Körpergröße zu nutzen, auch wenn das einen Dämonen kaum einschüchtern würde. Ihr Ausdruck offenbarte so aber ihre Entschlossenheit.

      "Ich weiß, wo der Ätherionstein ist. Aber ich werde es dir nicht verraten, wenn du uns nicht alle drei frei lässt." Das war ihre Bedingung, von der sie sich nicht abbringen lassen würde. Allerdings musste sie sich etwas einfallen lassen, da sie nicht vor hatte, ihm den Stein wirklich auszuhändigen. Das sie im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Feuer spielte, war ihr durchaus bewusst. Dennoch wurde sie gelehrt, niemals aufzugeben und sei es noch so aussichtslos.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Ein gewinnendes Lächeln trat auf das Gesicht des Generals, als er Ana’Maeras Worte hörte. Von Malvas käme eine Warnung nur noch zu spät; die Elfe hatte gerade ihr Todesurteil unterschrieben. Jetzt würde Kasran sie sicher nicht mehr freilassen, nicht einmal dann, wenn sie ihm den Aufenthaltsort genannt hätte.
      “Du weißt also, wo er ist, aber du willst es mir nicht sagen”, wiederholte er langsam, ganz als wolle er die Worte selbst begreifen. “Das ist aber allzu schade, finde ich. Denn weißt du”, er ging in die Hocke, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, “ich werde keinen von euch entlassen, ehe du es mir gesagt hast. Es liegt ganz in deiner Hand, Elfe: Du bist für diese beiden anderen - und auch für deine ganzen anderen Artgenossen - verantwortlich. So viel Leid und Blutvergießen könnte verhindert werden, wenn du es mir nur sagst. Also?”
      Malvas riskierte einen Blick zu Ana’Maera. Er war dazu geneigt, ihr zu sagen, dass sie den Stein doch rausrücken sollte, bevor Kasran seine Drohungen noch wahr machen würde. So wie sie daran glaubte, dass er nicht nutzlos war, wollte er sie in dieser Sache unterstützen. Aber die wochenlange Reise mit der Elfe hatte ihm eine Sache am besten gelehrt: Das wichtigste war für sie der Stein, nicht ihr eigenes Wohlbefinden. So wie Kasran seine Drohungen früher oder später wahr machen würde, würde auch sie nicht klein beigeben. Diese Verhandlung würde in einer Sackgasse enden.
      Der General sah die Elfe einen weiteren Augenblick missbilligend an, dann hob er die Hand unter ihr Kinn.
      “Letzte Chance, Weib. Wo ist der Stein?”
      Und als sie ihm die Antwort weiterhin entsagte, packte er ihren Kiefer und zwang ihren Mund auf. Seine eigenen Lippen öffneten sich und aus der dunklen Mundhöhle dahinter drang ein Feuerstrahl, der sehr an eine Schlange erinnerte, so wie er in die Luft herausgekrochen kam und auf Ana’Maera zuhielt. Die gleißenden, glühenden Flammen flackerten in ihren Mund hinein, verbrannten Lippen, Zunge und Gaumen und schoben sich noch weiter hinein, ihren Rachen hinab und in ihren Magen. Es fühlte sich an, als würde man bei lebendigem Leib von innen heraus gekocht, während gleichzeitig der Rauch wieder nach oben trat, in die Lunge waberte und die Atemwege blockierte. Und Kasran wusste sehr genau, wie weit er damit gehen musste und wo die Grenzen eines lebenden Körpers lagen.
      “Wo ist der Stein?”
    • Noch immer zeigte sich der General nicht gerade kooperativ, was Ana'Maera's Forderungen anging. Offenbar fühlte er sich in dieser Verhandlung als der Stärkere. Er hatte eben genau so wenig zu verlieren, wie sie. Ein paar Jahre, ein paar Soldaten weniger und irgendwann würden sie ihn vielleicht schon finden, dachte er sich womöglich. Ja, möglicherweise war die Elfe hier tatsächlich im Nachteil.
      Ihre Augen hafteten an seinen, wichen nicht im geringsten zurück, während er ihr erneut prophezeite, was sie erwartete. So einfach wollte sich Ana'Maera jedoch nicht geschlagen geben. Sie behielt ihre Entschlossenheit bei, dachte über einen Fluchtweg nach. Wenn die anderen es doch nur geschafft hätten zu fliehen. Wenn nur sie hier sitzen würde, würde sie einfach nur auf ihren Tod warten. Doch ihr Tod würde auch den Tod der anderen bedeuten. Und weiteren Hütern und Elfen. Alles hing also tatsächlich an ihrem Leben, an dem sie ehrlich gesagt mehr hing, als sie sollte. Sie wollte doch noch so viel sehen und erleben. So viel spüren. Frei sein.

      Der Plan der Elfe war so lückenhaft, wie er nur sein konnte. Sie hatte keine Ahnung, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen letztendlich haben würden. Dafür kannte sie den General zu wenig und wenn es darum ging, ihn einfach nur als Dämon zu sehen, dann bedeutete dies, dass es so oder so keinen Ausweg gäbe. Dies hätte jedoch zur Folge, dass Ana'Maera dem Tod ins Auge blicken würde und auch die anderen beiden opferte. Doch es bestand eine winzige Chance, dass sie doch überleben könnten, sollte sie den Ätherionstein und somit ihre Aufgabe aufgeben. Eine winzige Chance wie damals, als sie Malvas vertraute. Das genügte ihr, um alles auf eine Karte zu setzen. Die Gedankengänge der Elfe hatten sich dank ihrer Begleiter weiter entwickelt, sodass ihr in den Sinn kam, dass Kasran Verdacht schöpfen könnte, sollte sie es jetzt einfach so ausplaudern. Sie musste also erst das Leid seiner Folter ertragen. Lange genug, dass es glaubhaft war, dass sie aufgab.

      Ein Mensch hätte vermutlich schon aufgegeben, als der Feuerdämon zur ersten Tat schritt. Als Elfe und insbesondere Hüterin, blickte sie ihm weiterhin in die Augen, während die Hitze sich ihrem Gesicht näherte. Ihre Lippen schmerzten, brannten, genau so wie der Innenraum ihres Mundes, der zum Öffnen gezwungen wurde. Ein Schmerz, den Ana'Maera noch nie erlebt hatte. Als trinke man literweise kochendes Wasser; vermutlich schlimmer. Das Atmen fiel ihr schwer und doch bewies sie die Emotionslosigkeit, die vor wenigen Wochen noch das einzige war, das sie kannte.
      Ihr Blick blieb starr, selbst wenn ihre Augen sich wegen des Schmerzes allmählich mit Tränen füllten. Ihre Atemzüge blieben kontrolliert, auch wenn sie schmerzten. Warmer Schweiß lief über ihre Stirn und verschmolz mit dem kalten Schweiß, der sich ebenfalls auf ihrem Rücken gebildet hatte. Ihr Körper zeigte leider deutlich, was für Schmerzen sie erlitt, auch wenn ihr Gesichtsausdruck noch immer so aussah, als würde sie den General gleich ohne Gnade niederstrecken.
      Erneut fragte er nach dem Stein, nachdem er - wer wusste wie lange - von ihr abließ. Tatsächlich fiel es der Elfe nicht leicht, das Husten aufgrund des Rauchs zu unterdrücken, was sie nur auf Kosten der fließenden Tränen über ihre Wangen meisterte. Es wäre erbärmlich, wenn sie jetzt schon aufgeben würde. Sie würde Tage, Wochen, Monate oder Jahre Folter ertragen, deshalb konnte sie jetzt noch nicht reden.

      Die Finger an ihren Wangen begannen die Haut in ihrem Gesicht zu verbrennen. Weitere Tränen flossen unvermeidbar über ihre Wangen und verdampften schon, bevor sie seine Finger berühren konnten. Feuermagie war gewiss ein Segen für jene, die damit zu foltern vorhatten. Man konnte nicht vorzeitig an Blutungen sterben, litt aber mindestens genau so starke Schmerzen. Die Stelle an der Brust, an der er vorher noch harmlos mit dem Finger tippte, fiel seinen glühenden Fingern als nächstes zum Opfer. Kleine Flammen tänzelten um seine Finger herum, gebaren noch mehr Gestank nach verbranntem Fleisch, der zunehmend den Raum einnahm. Die Haut bildete Blasen, die sich immer mehr über ihrem Körper ausbreiteten. Der Tod durch Verbrennen war gewiss ein qualvoller, doch in einem Feuerinferno zu verbrennen oder vorher zu ersticken war wahrscheinlich weitaus gnädiger als die Folter des Generals.
      Daumen und Zeigefinger legten sich auf ihre empfindlichen Ohrenspitzen, um sein Werk fortzuführen. Die Pausen, die er ihr zum Sprechen ließ, fühlten sich wie Bruchteile von Sekunden an. Sie hatte kaum Zeit sich an die Schmerzen zu gewöhnen, als sie schon an anderer Stelle auftraten. Noch immer atmete sie schwer, hörbar, schneller und kürzer als gewöhnlich, aber ruhiger als in so einer Situation wohl üblich wäre. Je weiter das Feuer an ihren Ohren runterkletterte, desto mehr einzelne Haarsträhnen begannen sich zu kräuseln, zu schmoren und sich mit dem bisherigen Geruch zu paaren.
      Jetzt zu reden wäre für eine Hüterin armselig und unglaubwürdig.
      Einen Wimpernschlag später hatte er sich einen ihrer nackten Füße geschnappt. Er musste wohl schon mit einigen Hütern zutun haben, dass er wusste, dass in ihren Stiefeln Klingen versteckt waren. Hauptsächlich zum Klettern gedacht, aber notfalls auch in einem Kampf nützlich oder wenn man Fesseln durchtrennen wollte. Wie unzählbare Nadelstiche brannte ihre Fußsohle. Der prickelnde Schmerz fuhr durch ihren ganzen Körper und ließ weitere Tränen fließen, die ein schmerzhaftes Brennen auf ihren verbrannten Wangen hinterließ. Der Schmerz war endlos, wuchs mit jeder Sekunde die verstrich, doch ihr Blick blieb eisern.
      Seine Finger glitten augenscheinlich sanft über ihre Waden, hinterließen jedoch eine Spur geröteter Haut. Er würde wahrscheinlich jeden einzelnen Zentimeter ihrer Haut verbrennen, solange sie nicht sprach. Und das tat sie nicht. Noch nicht. Auch wenn Keira ihren schmerzerfüllten Blick schon längst abgewandt hatte, um das nicht weiter mit ansehen zu müssen. Es nahm einfach kein Ende und sie konnte nur hoffen, dass er sie weitestgehend verschonen würde. Welcher Adlige würde schon eine entstellte Frau heiraten wollen? Dafür würde er nicht einen Kupfer zahlen.

      Ob es Minuten oder Stunden waren, die ins Land zogen, konnte Ana'Maera nicht sagen. Die Überflutung von Schmerzen minderte ihr Denkvermögen. Gut, dass sie ihre Pläne schon vorher zurecht gelegt hatte. Leiden. Gestehen. Überprüfen ob sie die Wahrheit sagte und dann.. hoffentlich die Freiheit oder eben der Fluchtversuch. Malvas Illusionen waren dabei von essenziellem Wert. Auch wenn sie sich nicht absprechen konnten.
      Abwarten.
      Das war es, was Ana'Maera und Kasran gerade taten. Keiner von beiden gab nach, während sie sich in die Augen starrten, als ginge es darum wer zuerst blinzelte. Ihr freier Bauch bot als nächstes eine einladende Fläche. Ob es der innere oder der äußere Schmerz war, der hier überwog, konnte sie nicht einmal sagen. Irgendwann wäre möglicherweise nicht mehr als ein verkohltes Gerippe von ihr übrig. War es schon an der Zeit zu reden? Nein. Noch weitere Minuten, gar Stunden verstrichen, während der General sich auch immer wieder den bereits verbrannten Stellen ihres Körpers widmete. Seine Drohung, er würde sie bis zur Unkenntlichkeit foltern, würde sich bald bewahrheiten. Weitere Bläschen gesellten sich dazu, während einige bereits geplatzt waren.
      Es roch bestialisch im Zelt und Keira war schon kreidebleich, im Begriff sich in Kürze zu übergeben, was sie dann auch tat. Dies hatte zur Folge, dass sie wenigstens das Tuch aus ihrem Mund herausbekam, auch wenn ihre Kleidung nun in ihrem Erbrochenem getränkt waren, welches die Luft noch unerträglicher machte.
      "Verfluchte Scheiße! Sag es ihm endlich, Ana!" Sie hatte keine Lust für etwas zu sterben, von dem sie nicht einmal wusste. Ätherionstein?! Gemeinsam beschützt von einer Elfe und einem Dämon? Das klang völlig an den Haaren herbeigezogen.

      Ana'Maera sah dem Feuerdämonen weiter in die Augen, als er ihr ein etwas längeres Päuschen gönnte. Schmerzhaft presste sie ihre Kiefer aufeinander und holte tief Luft. So schnell bekam sie kein Wort heraus, doch Kasran schien alle Zeit der Welt zu haben.
      "Er ist.. im Boden.. wo ihr uns gefangen habt...", erklärte sie mit heiserer Stimme. Jedes Wort schmerzte, brachte sie einem Husten näher, den sie sich nicht ergeben wollte. Ihre Augen lagen nur kurz auf Malvas, ehe sie ihr Gesicht zur Seite wandte, da sie seinen Anblick nicht ertragen konnte. Als würde es ihr unheimlich leid tun, was hier gerade geschah. Die ganze Schuld daran, trug sie auf ihren Schultern. Ebenso lag auch ihr aller Schicksal in ihren Händen. Nun hatte sie die Hüter verraten, um einen Dämon und einen Menschen zu retten. Vielleicht zu retten. Sie ging ein enormes Risiko ein, wenn es ihr nicht gelingen sollte, irgendwie noch mit dem Stein zu entkommen.
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    • Mit wachsendem Entsetzen sah Malvas dabei zu, wie Kasran Ana'Maera seinem sogenannten "feurigen Kuss" unterzog. Er kannte das Gefühl von lebendigen Flammen, die den Rachen herunter krochen wie eine Suppe aus Lava, die alles Haut in ihrer Umgebung verbrannte und abschälte; er war die längste Zeit seiner Kindheit das erste Versuchsobjekt solcher kreativen Einfälle gewesen. Aber während Kasrans Flammen damals noch unkoordiniert waren und sich zu einem einzigen Glutklumpen zusammensetzten, den er Malvas in den Mund gestopft hatte, während er dabei gegackert hatte: "Iss das Feuer, iss das Feuer, Malvas!", waren diese Flammen nun höchst präzise ausgerichtet und gelenkt. Malvas konnte sehen, dass sie nicht genug Schaden anrichteten, um Ana'Maera dauerhaft zu schädigen, aber genug, dass sie die Hölle auf Erden spüren musste, wenn ihre Nervenenden in Brand gesteckt wurden. Nicht seinem ärgsten Feind hätte er sowas gewünscht - und ganz besonders nicht dieser Elfe neben ihm, deren Folter ein ganz eigenes, grauenvolles Gefühl in ihm auslöste.
      "Hör auf!"
      Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die im Schein der Flammen glitzerten, auch wenn der Rest ihres Gesichts so starr blieb, wie man es von Elfen erwarten konnte. Im Angesicht großer Schmerzen hatte sie wohl keine Konzentration übrig, um ihre Gesichtszüge menschlich erscheinen zu lassen.
      "Hör auf damit! Sie weiß nicht, wo der Stein ist!"
      Kasran ignorierte ihn. Vermutlich war das besser, als selbst noch zu leiden, aber - niemand sollte leiden. Ganz voran nicht Ana'Maera.
      "Hör auf!"
      "Wo ist der Stein?"
      Die Elfe unterdrückte ein Husten. Rauch drang ihr aus dem Mund und aus der Nase, eine grauenhafte Aussicht darauf, was gerade in ihrem Inneren vorgehen mochte.
      Der Flammenstrahl wurde jetzt von brutzelnden Fingern begleitet, die in einer fast schon zärtlichen Geste über die elfische Haut strichen. Man konnte es hören, das Versengen von Fleisch, wie es Blasen schlug, die sich gegenseitig überlappten und wieder platzten, wie die Haut schrumpelte und rotes Fleisch freilegte. Ganz leise knisterte es in dem kleinen Zelt und der Gestank... Langsam erhob sich der Geruch eines Lagerfeuers. Aber anstatt eines saftigen Bratens war es eine lebendige Elfe.
      Malvas riss an seinen Fesseln. Er versuchte die Luft anzuhalten, aber der Gestank verbreitete sich nur noch weiter. Mit entsetzlicher Besorgnis nahm er wahr, dass Kasran an ihrer Brust weitermachte. Zu gut konnte er sich daran erinnern, seinen nackten Körper gegen ihren zu pressen, genau dort, wo sich nun eine mächtige Brandwunde nach und nach ausbreitete. Malvas sah rot vor Augen.
      "Hör auf du elendes Stück Scheiße! Ich werde dich umbringen, hörst du?! Alles, was du ihr antust, werde ich dir hundertfach zurückzahlen! Hörst du mich, du generalverfluchter Köter?!"
      Vermutlich sollte er nicht mit einer solchen Energie um das Leben der Elfe kämpfen, aber Kasran widmete ihm sowieso nicht einmal einen Blick. Seine Augen blieben forsch auf Ana'Maera gerichtet, während er sekündlich seine Frage wiederholte.
      "Ich werde dich umbringen! Ich bringe dich um!"
      Malvas ließ die Luft explodieren. Er ließ den Boden in plötzlichem Feuer aufgehen, ließ einen Dämon mit riesigem Maul und hundert Zähnen aus der Erde aufsteigen und Kasran fressen, er hüllte ihn in dunkle, die Sicht verblendende Schatten und ließ Licht und Farben direkt vor den Augen des Generals explodieren. Bei letzterem rührte er sich endlich, aber während er Ana'Maera weiter verglühte, ruckte sein Kopf nur einmal in Malvas' Richtung.
      "Wenn du nicht sofort damit aufhörst, brenne ich dir die Augen aus", zischte er und Malvas wusste sofort, dass er es auch tun würde. Das hier war keine leere Drohung; drei Sekunden und er wäre sein Augenlicht los. Ohne Augen konnte er nicht einmal seine Illusionen heraufbeschwören.
      Er war hilflos. Er konnte nichts tun, konnte nur auf dem Boden sitzen, seine Handgelenke an den Fesseln blutig reiben und dabei zusehen, wie Ana'Maera bei lebendigem Leib verbrannt wurde.
      Tränen stiegen ihm in die Augen, die zum Glück keiner der Anwesenden sehen konnte.
      Feiner Rauch breitete sich im Zelt aus. Ana'Maeras Ohren, ihre Füße, ihre Schenkel verbrannten. Es roch nach einem Festmahl und Malvas wurde schlecht davon. Er würde nie wieder in seinem Leben Fleisch essen können.
      "Hör auf."
      Seine Stimme war jetzt leiser, er flehte. Er wusste, dass Kasran das nicht beeindrucken würde, das hatte es noch nie getan, aber er konnte nicht anders.
      "Bitte. Ich bitte dich, hör auf. Lass sie gehen."
      Es gab keine Illusionen, keine blendenden Explosionen mehr. Nur Malvas und seine Stimme war übrig, die den sonstigen Schneid abgelegt hatte und bettelnd weich war.
      "Sie weiß es nicht - ganz sicher. Sonst hätte ich... sonst hätte ich es doch schon längst herausgefunden. Oder nicht? Aber ich kann dir helfen, ich hab - ich weiß andere Dinge! Ich kann dir behilflich sein, aber lass sie gehen, das bringt doch nichts. Kasran, bitte."
      "Wo ist der Stein?"
      Malvas versuchte sich aufzusetzen, mehr dämonischer zu wirken.
      "Nimm mich in deiner Armee auf. Ich kann... ich tue was du willst, ich kann behilflich sein. Ich kann die Latrinen schrubben oder deinen Boten spielen. Ich werde unseren Familiennamen nicht mehr beschmutzen, das verspreche ich, ich kann dir helfen. Lass sie nur gehen."
      Kasran beachtete ihn gar nicht. Er verglühte Ana'Maeras Bauch, die weiche Haut, die Malvas wie eine Phantomberührung an sich spüren konnte. Die Tränen liefen ihm jetzt über die Wangen, ohne dass er es hätte aufhalten können.
      "Hör auf! Bitte!"
      Auf der anderen Seite übergab Keira sich. Die Menschenfrau hatte nicht so lange durchgehalten wie Malvas, aber auch dem war schon die Galle in den Mund gestiegen. Mittlerweile roch es nicht einmal mehr nach Fleisch, es roch einfach nur noch verbrannt.
      Völlig entsetzt starrte er auf die Frau, die doch allen ernstes Ana'Maera dazu drängte, den Stein endlich rauszurücken. Mit steigender Wildheit zog Malvas wieder an seinen Fesseln.
      "Sag es ihm nicht! Bei der Dämonenkönigin, Ana'Maera, sag es ihm bloß nicht!"
      Er wusste, dass er damit beinahe ihr Todesurteil unterschrieben hatte - oder ihr aller. Kasran würde sie nun nie wieder in Ruhe lassen. Aber wenn das Geheimnis jetzt herauskäme, wäre das alles umsonst gewesen.
      Die Elfe sog hörbar die Luft ein. Ihre Augen waren noch immer weit geöffnet, ihre Miene unbewegt, so als könnte sie von der ganzen Sache noch gelangweilt werden. Aber als sie vereinzelte Wörter herauspresste, wurde erst klar, wie mitgenommen sie wirklich war.
      Kasran grinste triumphierend. Er nahm die Hände von ihr und tätschelte ihr dann die verbrannte Wange. Malvas begegnete ihrem Blick und warf sich mit dem ganzen Körper gegen die Fesseln.
      "Nein!"
      "Na also. So schwer war es doch gar nicht, oder?"
      "Untersteh dich! Wage es bloß nicht!"
      "Oh halt doch endlich den Mund, Malvas. Es ist vorbei. Sofern sie die Wahrheit gesagt hat."
      Er richtete sich auf und Malvas gab sich Mühe, ihn treten zu wollen. Sein Bruder war zu weit von ihm entfernt.
      "Ich werde dich umbringen!"
      "Nichts wirst du. Wenn wir mit dem Stein zurückkommen, werden wir beide uns noch ernsthaft darüber unterhalten, wie sehr dir das Leben einer mickrigen Elfe doch wichtig ist. Und sollten wir ohne Stein zurückkommen..."
      Er beugte sich wieder zu Ana'Maera hinab, die es trotz allem noch schaffte, ihn mit glasigem Blick zu durchbohren.
      "... Nun, das wirst du dir sicher selbst ausmalen können."
      Eine Flamme tanzte zwischen ihnen in der Luft und der General richtete sich endgültig auf. Seinen Männern befahl er, mit nach draußen zu kommen.
      "Wartet ruhig auf uns, Kinder. Wir sind bald wieder da."
      Dann waren sie alle verschwunden und die drei waren alleine im Zelt.
      Zum ersten Mal in den vergangenen Stunden war es still. Das Zelt war gefüllt mit einem dichten Rauchnebel, der das Atmen schwierig machte, aber nichts davon konnte so schwierig sein wie das, was Ana'Maera gerade durchmachen musste. Sie bemühte sich nicht zu husten, dabei drang ihr noch immer Rauch aus der Nase.
      "Atme flach, ganz flach", trug Malvas ihr auf, während er bereits fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Sie konnten nicht weg, sie waren hier gefangen. Kasran würde den Stein finden und sie drei... Der Tod würde ein Erbarmen sein gegen das, was er ihnen antun würde. Keira würde noch am glimpflichsten davonkommen, wenn sie Glück hatte. Allerdings hatte sie bei einem ganzen Lager an Dämonen keine sehr guten Aussichten.
      "Keira."
      Malvas zitterte. Es saß tief in seinen Knochen, er konnte es gar nicht kontrollieren.
      "Kannst du - lassen sich die Fesseln wegbrennen? Oder gib mir... gib mir ein bisschen Feuer in die Hand, ich habe meine schon gelockert. Ich weiß wie das geht. Gib schon her!"
      Sie folgte seinem Befehl und Malvas verbrannte sich beide Hände, während er sich aus seinen Fesseln schälte. Aber das war noch gar nichts, bloß ein bisschen verglühtes Fleisch. Sobald er sich losgemacht hatte, stürzte er sofort zu Ana'Maera und zerriss ihre Fesseln mit allem, was ihm zur Verfügung stand, von ihren Händen. Kaum war sie frei, zog er sie bereits schützend in seine Arme und in seinen Schoß, so fest es nur ging. Mit zittriger Hand strich er ihr versengte Haarsträhnen aus der Stirn und wiegte sich vorsichtig mit ihr vor und zurück.
      "Alles wird gut, alles wird gut. Du hast das gut gemacht, sehr gut. Du hast so lange durchgehalten."
      Für einen Dämon, besonders aber für Malvas, war seine Stimme unglaublich zärtlich. Methodisch versuchte er, sie noch fester an sich zu pressen, dabei nicht ihre Brandwunden zu berühren und gleichzeitig sie noch mehr in die Arme zu nehmen. Es war fast wie ein Zwang, das absolute Bedürfnis, sie mit allem zu beschützen, was er zur Verfügung hatte. Immer wieder strich er ihr zärtlich durch die Haare.
      "Wir kommen hier schon raus, wir kommen noch raus. Keira, wie kommen wir hier raus?!"
    • Ana'Maera hielt ihren Blick gesenkt, als Kasran loszog, um den Stein zu suchen. Sie atmete flach, wie Malvas gesagt hatte, versuchte wieder zu Kräften zu kommen. Keira hingegen legte ihren Kopf in den Nacken und schien für einen Moment erleichtert zu sein, auch wenn sie noch längst nicht in Sicherheit waren. Aber die Elfe hatte gestanden und nun waren sie allein. Als Malvas sie ansprach, warf sie ihm einen kalten Blick zu. Er galt nicht ihm persönlich, sie war nur verzweifelt und wütend. Und entsetzt darüber, mit wem sie umher gereist war. Ein Dämon, der um das Leben einer Elfe bettelte, die den Ätherionstein spazieren trug. Bei den Göttern.
      Ihre eigenen Fesseln waren aus Eisen, um zu verhindern, dass sie sich mit ihrer Feuermagie befreien konnte.
      "Meine Güte...", knurrte sie etwas gereizt und versuchte seine Bitte zu erfüllen.
      "Beschwer dich aber nicht, wenn's wehtut."
      So kontrolliert wie Kasran konnte sie ihre Flammen niemals einsetzen, aber es kümmerte sie nicht, ob Malvas sich dabei verbrannte. Es gelang ihm jedoch, sich zu befreien, bevor er sich auf die Elfe stürzte. Was für ein eigenartiger Anblick, doch nach Malvas ganzem Flehen und Betteln überraschte sie das nicht besonders. Wenn er kein Dämon wäre, würde sie fast glauben, dass er die Elfe lieben könnte. Hätte sie seine Tränen gesehen, wäre sie davon überzeugt, doch sie war anderweitig beschäftigt, als sich diesen Kerl anzusehen. Eine ganze Zeit lang hatte sie Kasran beobachtet, um sich vielleicht etwas bei ihm abschauen zu können. Doch irgendwann ertrug sie den Anblick der Elfe einfach nicht mehr. Und nachdem sie sich übergeben hatte, kämpfte sie damit es nicht zu einem zweiten Mal kommen zu lassen.

      In Ana'Maera machten sich Gefühle breit, die sie nicht zuordnen konnte. Eines davon war Schande. Sie hatte zu leicht aufgegeben, auch wenn sie einen Plan hatte. Einen viel zu unsicheren Plan. Allerdings war das alles, was sie hatte. Dann war da noch Scham vor Malvas, weil er sich um Kopf und Kragen geredet hatte und sie dennoch an ihrem Plan festhielt. Sie hatte nicht auf ihn gehört. Hätte sie das getan, würde er sich Malvas als nächstes vorknöpfen. Vielleicht schämte sie sich auch momentan für ihr Aussehen, doch das war etwas, das ihr nicht bewusst war. Sie fühlte sich einfach nur rundum schlecht. Abgesehen von den Schmerzen. Doch in Malvas Armen ebbte dieses Gefühl nach und nach ab, wenn es auch nicht gänzlich verschwand. Kein weiterer Ton verließ ihren Mund, abgesehen vom Husten, den sie in Kasran's Abwesenheit zuließ. Er fühlte sich wie ein Stich in die Lungen an, zog sich durch ihren Rachen, während die Tränen weiterhin ungehindert ihre Wangen hinabliefen.
      "Was weiß ich!?", keifte die Menschenfrau und zog an ihren Fesseln.
      "Wie wär's wenn du mich erst mal befreist? Kuscheln könnt ihr später!"

      Die Elfe lehnte sich wieder an den Pfahl, während Malvas mithilfe einer Haarnadel, die Keira in ihrem Haaransatz versteckt hatte, ihre Fesseln löste. Leise grummelnd rieb sie ihre Handgelenke, ehe sie zu Ana'Maera aufsah, die sich langsam aufrichtete.
      "Du bist der einzige, der uns hier rausbringen kann...", sprach sie flüssiger, wenn noch immer leise.
      "Wir schleichen uns in den Wald.. Wenn wir ohne Pause durchlaufen, können wir morgen Abend Vanderi'i erreichen. Dort sollten etwa 20 Hüter sein.. Sie können den Stein zurückholen.."
      Sie hatten Pferde, Waffen und die nötige Kampfkraft, um es mit dem dreifachen, wenn nicht sogar vierfachen an Dämonen aufzunehmen. Wenn sie nicht alle so mächtig waren wie Kasran. Das war ihr Plan. Das beste, was ihr in der Not eingefallen war. Wenn Kasran und seine Leute nicht auf ihrem Weg auf die Siedlung gestoßen waren und sie bereits ausgelöscht hatten.
      "Du schaffst das. Ich weiß es.."
      Nun blickte sie ihm zum ersten Mal wieder in die Augen und lächelte ungeachtet der Schmerzen, die jeder Bewegung ihrer verbrannten Haut verursachte. Sie würde trotzdem laufen, ohne ihren Wunden nachzugeben.
      "Und wenn dieses Vanderi'i nicht mehr existiert?"
      Ana'Maera überlegte kurz, während sie sich wieder in Malvas Armen befand.
      "Ich kann gegen Kasran kämpfen.." Gegen drei Dämonen sollte sie sich behaupten können, auch wenn einer davon ein General war. So dachte sie zumindest. Sie müsste ihn ja nicht unbedingt besiegen. Es genügte, wenn sie ihn vom Ätherionstein fernhalten und ihn sich selbst schnappen konnte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
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    • Es dauerte lange, bis Malvas sich dazu überwinden konnte Keira zu befreien, denn das zu tun bedeutete gleichzeitig Ana’Maera loszulassen und das konnte er sich im Moment bei aller Liebe nicht vorstellen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sie nur weiter umschlungen, um sie vor allem weiteren Leid zu bewahren. Aber selbst in diesem merkwürdigen Zustand, in dem er sich dadurch befand, war ihm klar, dass sie hier verschwinden mussten. Kasran würde allerhöchstens zwei Stunden weg sein.
      Ana’Maera sprach leise und Malvas war ohne Umschweife wieder bei ihr.
      Ich kann nicht. Ich kann das nicht.
      Er legte die Arme um sie. Sein panisches Zittern war noch immer nicht verebbt.
      Wenn sie uns finden, wenn wir auffliegen…
      Er schauderte.
      Kasran wird uns die Haut vom Körper brennen. Er kann das, ich weiß es. Er kann so viel mehr als das.”
      Malvas war sogar der Überzeugung, dass er irgendwie die Fähigkeit erlangt haben könnte, das Lager zu überwachen, selbst wenn er weg war. Unwillkürlich glitt sein Blick zum Zelteingang, der verschlossen blieb.
      Aber Ana’Maera glaubte an ihn, selbst wenn er es nicht tat. Er sah wieder zu ihr zurück und presste die Lippen aufeinander.
      ... Dann gehen wir. Besser jetzt, bevor es zu spät wird.”
      Er nahm die Elfe in die Arme, die in völligem Delirium behaupten musste, gegen Kasran kämpfen zu können. Sie konnte noch nicht einmal gerade stehen, sie würde gegen niemanden kämpfen und ganz sicher nicht gegen Kasran.
      Malvas hob sie behutsam hoch und wies Keira an, ihnen ein Loch ins Zelt zu brennen. Sie mussten vorsichtig sein, dabei nicht gesehen zu werden, aber sobald sie draußen wären und Malvas ihre Umgebung sah, würde er schon etwas tun können. Irgendwas.
      Die Frau gehorchte und nachdem sie zwanzig Minuten darauf warteten, dass die Wachablösung stattfand und sich eine Lücke im Lager auftat, schlüpften sie nach draußen.
      Malvas konnte seinen Puls in seinen Ohren hämmern hören. Er presste Ana’Maera an sich, erlaubte es ihr nicht, auf ihren verbrannten Füßen zu laufen, und erschuf einen blühenden Busch um sie herum, der sie alle verdeckte. Aber er zitterte noch immer und die Illusion gelang ihm nicht so recht; die Blätter waren viel zu eckig und zu künstlich, die Farben zu trüb, das ganze Gestrüpp zu unwirklich. Jedes Kind hätte erkennen können, dass es kein richtiger Busch war.
      Ich kann das nicht. Ich kann das nicht.
      In seinen Ohren höhnte Kasrans Stimme, die ihm sein eigenes Versagen vor die Nase hielt. Und er hatte doch recht, er war nutzlos, seine Illusionen waren nichts weiter als Taschenspielerei. Nichts würde er damit jemals anfangen können. Er bewies es doch schon jetzt, als er an einem einfachen Busch scheiterte.
      Wenn er uns findet… Bei der Dämonenkönigin!
      Sie kamen nicht weiter, sie saßen fest, außerhalb des aufgebrannten Zeltes, wo Malvas mit seiner Fassung rang. Jeder, der nun die Rückseite des Zeltes erblickte, würde einen unförmigen, wie gezeichneten Busch erblicken, der nicht annähernd in die Umgebung passte. Aber Malvas war erfroren in seiner Angst.
      Wir werden alle sterben.