Divided Essence [Kiimesca & Codren]

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    • Keira sah sich im Zelt um, ob sie irgendetwas nützliches erblicken konnte, während Malvas in seinen Zweifeln unterging. Sein Bruder war einschüchtern, aber der Dämon schien besonders darunter zu leiden. Er glaubte zu sehr an die Worte des Generals, dass er nutzlos war, auch wenn die Elfe das Gegenteil behauptete.
      "Sie werden uns nicht finden", glaubte Ana'Maera entschlossen. Malvas Zweifel auszureden und gleichzeitig die Schmerzen zu ignorieren war alles andere als einfach. Auch wenn sie nicht einknicken würde, war es für sie das erste Mal, dass sie solche Qualen erlitten hatte. Doch sie war eine Hüterin und zeigte keine Schwäche. Als Malvas sie jedoch hoch hob, fühlte sie sich ein klein wenig wohler. Unter ihren verbrannten Fußsohlen spürte sie jedes einzelne Sandkörnchen als wäre es ein Kieselstein.
      Mit den Armen um seinen Hals beobachtete sie, wie Keira ihnen einen Weg aus dem Zelt verschaffte. Der Rest lag nun an Malvas und seinen Illusionen. Aber er verfiel in Angst und Panik, was auch Keira unruhig werden ließ. Ihr war klar, dass sie kaum eine Chance hatten. Noch weniger jedoch, wenn Malvas sich nicht endlich zusammenriss.
      "Malvas", sagte sie bestimmend und legte ihre Hand an seine Wange, um in seine Augen zu sehen. So wie er sie nicht nur einmal aus ihrem Wahn geholt hatte, musste sie es nun versuchen.
      "Du kannst das. Du hast uns in Calanin gerettet. Ohne dich wäre ich dort nicht rausgekommen. Ohne dich kommen wir hier nicht raus. Du bist der einzige, der uns retten kann. Und ich weiß, dass du das schaffst. Ich vertraue dir."
      Er musste sich einfach nur beruhigen. Seiner Angst Herr werden.
      "Du kannst das, ich weiß es. Ich brauche dich."
      Sanft strich sie mit ihrem Daumen über seine Wange und die verbliebene Spur seiner Tränen.
      "Du bringst uns hier raus und dann zahlst du es ihm heim. Ich bin bei dir. Gemeinsam können wir ihn besiegen, hörst du?"
      Sie hoffte inständig, dass sie die passenden Worte fand.
      "Ganz ruhig. Atme tief durch", meinte sie und machte es ihm vor. Für Malvas ignorierte sie den Schmerz, der jeder Atemzug mitbrachte.
      "Alles wieder okay?"
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Malvas verstummte bebend, als Ana'Maera die Hand an seine Wange legte. Ihre Berührung war fast wie kaltes Wasser, das man ihm über den Kopf schüttete. Für einen kurzen Moment war nichts auf der Welt so wichtig wie die Elfe.
      Er starrte in ihre glühenden Augen hinab, in ihr verbranntes Gesicht. Sie lag noch immer in seinen Armen, fest gegen seine Brust gepresst. Vom Rauch und vom Feuer war ihre Stimme ganz leise und heiser.
      Sie glaubte an ihn, sie, eine Elfe, gerade an ihn, einen nutzlosen Dämon. Aber er hatte es schon einmal vollbracht, hatte sie in Calanin ganz eigenständig vor den Dämonen gerettet, ohne jemandes Zutun. Aber Calanin war etwas anderes gewesen! Dort waren sie nicht in einem ganzen verdammten Heerlager gewesen - und dort war auch nicht Kasran gewesen. Wenn sie hier erwischt würden, würde die Hölle auf Erden sie erwarten. Wusste Ana'Maera das etwa nicht?
      Oder wusste sie es und war sie trotzdem der festen Überzeugung, dass er es schaffen könnte? Und wenn Ja... konnte er es schaffen?
      Langsam, zögerlich nahm er ein paar Atemzüge, wie sie es ihm vormachte. Seine Brust erzitterte, seine Nasenflügel bebten. Er konnte das schaffen, vielleicht. Er bekam doch wohl ein paar Büsche und Sträucher hin!
      "Ja... vielleicht. Ich glaube schon."
      Er atmete noch einmal tief ein, dann starrte er furchtsam die eigene Illusion um sie herum an. Unter seiner Aufsicht und seinen weit aufgerissenen Augen veränderten sich die Blätter, formten sich neu und bildeten sich nach den Vorstellungen des Künstlers, wie ein Kunstwerk, das erst geschaffen wurde. Dafür mussten sie weiterhin an Ort und Stelle verharren, allen möglichen neugierigen Augen ausgesetzt, die ihnen aber zum Glück keine Aufmerksamkeit zuteil kommen ließen. Nur konnte das nicht ewig so gehen; irgendwann würde Kasran zurückkommen. Irgendwann würde der Ausbruch auffallen.
      Aber unter seinem konzentrierteren Blick besserte sich das Strauchwerk um sie herum und langsam, zögerlich konnten sie anfangen, sich zu bewegen. Malvas hatte Ana'Maera noch immer behutsam an sich gedrückt, während sie sich einen vorsichtigen Weg um die Zelte herum und an den Wachen vorbei bahnten. Das Gebüsch begleitete sie, veränderte sich aber langsam und schleichend, um bloß keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Malvas arbeitete daran mit der größten Konzentration, die er aufbringen konnte. Feine Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn.
      Niemand beachtete sie. Niemand hielt sie auf. Kein Alarm erklang und als sie die Wachen des Lagerrandes passiert hatten und in die Finsternis der Bäume entschlüpfen konnten, lag das Lager still hinter ihnen.
      Malvas atmete auf, als seine Illusion verpuffte und der Sog der Magie ihn freiließ. Er bewegte Ana'Maera in seinen Armen, um ihr Gewicht zu verlagern. Zielgerichteter setzte er sich in Bewegung.
      "Wir marschieren die Nacht durch. Wir halten nur an, sollten wir einen Bach finden. Keira, du behältst unseren Rücken im Blick."
      Jetzt ging es ihm schon besser, nachdem er das Lager und damit Kasran hinter sich gelassen hatte. Jetzt konnte er schon klarer denken.
      Aber natürlich war das Schicksal nicht auf ihrer Seite - wann wäre es das je? Sie hatten vermutlich zu viel Zeit bei ihrer Flucht vergeudet, zu lange im Zelt und dann außerhalb darauf gewartet, dass Malvas sich selbst wieder in den Griff bekam, denn als sie kaum eine halbe Stunde gelaufen waren, wurde es hinter ihnen mit einem Mal hell. Ein Feuerstrahl schoss in den Himmel hinauf und war leuchtend genug, dass er ihre ganze Umgebung erhellte.
      Malvas wusste, was das bedeutete. Sein Herz sackte ihm in die Hose.
      "Dämonenkönigin steh uns bei, er ist wütend. Oh und wie er wütend ist."
      Sie starrten in die Dunkelheit zurück und noch während sie starrten, erhob sich ein weiteres Feuer. Doch dieses eine Feuer blieb bestehen; Kasran begann wohl damit, den Wald abzubrennen. Direkt in ihre Richtung.
      "... Weiter. Weiter!"
      Und mit plötzlicher, alles verschlingender Panik machte Malvas sich daran, weiter durch das Unterholz zu hetzen.
    • Die Erleichterung war kaum zu spüren, als Malvas sich besser konzentrierte und Keira angespannt in seinem Schatten blieb. Ihr Magen zog fürchterlich und ja verdammt - sie hatte Schiss! Doch es spielte wohl kaum eine Rolle, ob sie brav gewartet oder ihre Flucht vereitelt werden würde. Das Ergebnis wäre in beiden Fällen grausam und darauf war sie überhaupt nicht scharf. Ana'maera hatte ihn jedoch irgendwie wieder zu Sinnen gebracht.
      Ihr Herz pochte unaufhörlich und jeder Muskel in ihrem Körper fühlte sich verkrampft an. Jedes Mal wenn sie einen Dämonen sah, rutschte ihr das Herz in die Hose. Ihr Blick fiel dabei auf die Elfe, die vollkommen ruhig wirkte. Vermutlich kämpfte sie gerade nur viel zu sehr mit den Schmerzen. Sicher würden Alpträume die Menschenfrau von nun an plagen.

      Auch als sie das Lager verlassen hatten, fühlte Keira sich kaum besser. Sie umklammerte ihre Ellenbogen und sah Malvas mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Die Nacht durchmarschieren? Dafür waren ihre adligen Füße nicht gemacht, auch wenn sie längst nicht mehr das Leben einer feinen Dame führte. Aber alles war besser, als lebendig verbrannt zu werden oder gegen Lösegeld verschachert zu werden.
      "Aye..", murmelte sie und tat was der Dämon verlangte. Viel mehr nervös blickte sie sich immer wieder um und zuckte bei jedem Rascheln der Blätter zusammen, wenn sie ein Kaninchen oder sonst was aufgescheucht hatten.
      Die Feuersäule die sie schon bald erblickte, konnte nichts gutes verheißen. Malvas Worte benannten das Offensichtliche. Keira blieb starr und fasste sich erst, als Malvas sie vorantrieb.
      "Als wäre ihm der Tod seines Bruders wichtiger als der Ätherionstein...", nuschelte Keira missmutig vor sich hin. Sollte er sich doch freuen und einfach abziehen. Würde er nun tatsächlich nach ihnen suchen? Wegen Malvas? Oder doch wegen ihr und dem Lösegeld?

      Die Elfe war still und rührte sich kaum, klammerte sich nur an Malvas und wirkte angespannt, als würde sie sich darauf vorbereiten gegen die Dämonen zu kämpfen. Darauf konnte Keira verzichten, denn sie bezweifelte, dass sie eine Chance hätten. Nicht mal gegen einen von ihnen. Nicht gegen diesen General.
      Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als immer weiter zu laufen. Eine gefühlte Ewigkeit und Keira wusste schon gar nicht mehr, ob sie in die richtige Richtung liefen. Ana'Maera meldete sich jedoch gelegentlich, um die Richtung anzugeben, also konnte sie nichts anderes tun, als ihr zu vertrauen. Ob Kasran die Suche nach ihnen jemals aufgeben würde? Wusste er überhaupt in welche Richtung sie gingen? Als würde es ihr jetzt erst plötzlich in den Sinn kommen, blickte sie auf den Boden und sah auf die Fußspuren in der weichen Erde. Große Klasse. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis er sie einholen würde.
      "Ich kann nicht mehr..", stöhnte Keira und quälte sich trotzdem zu den nächsten Schritten.
      "Können wir tauschen? Kannst du mich jetzt tragen?" Halb scherzhaft, halb ernst, sah sie zu Malvas und seufzte. Er würde die Elfe nicht absetzen. Eher würde er Keira hier zurücklassen. Also musste sie weiter und weiter. Sich mit schönen Gedanken an ein heißes Bad motivieren. Und ein kuschlig weiches Bett.

      Vorsichtshalber verzichtete Ana'Maera darauf, überhaupt nur an ihre eigene Heilung zu denken. Im schlimmsten Fall bräuchte sie jedes Tröpfchen Mana, um sich und die anderen zu verteidigen. Da sie keine Waffen zur Verfügung hatte, war ihre Windmagie alles, was sie noch hatte. Nicht besonders tödlich, aber zum Fliehen noch äußerst praktisch.
      "Jetzt rechts.. dann sollte bald ein Fluss kommen.." Dort könnten sie ihre Verfolger vielleicht abhängen. In ihren Gedanken versuchte sie sich jedes Detail der Landkarte ins Gedächtnis zu rufen, um so einen besseren Fluchtweg für sie zu planen. Es sollte nur noch wenige Minuten bis zum Fluss dauern.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Malvas drängte immer weiter durch den Wald, selbst dann noch, als seine eigenen Arme durch Ana’Maeras Gewicht taub zu werden drohten und als seine Beine längst zu schmerzen begonnen hatten. Er hätte die Elfe bis über die Berge und den Ozean getragen, wenn sie das nur weiter weg von Kasran gebracht hätte. Kasran, der hinter ihnen den Wald abbrannte.
      Malvas wusste genau, weshalb er sie nicht ziehen ließ. Immerhin hatten sie mit ihrem Ausbruch seinen Stolz gekränkt.
      Geh selbst und leg einen Zahn zu”, keuchte er Keira an, die bereits schwächelte. Er hätte selbst schon längst eine Pause eingelegt, wäre da nicht die akute Bedrohung in ihrem Rücken, die stetig näherkommen würde.
      Und wäre da nicht die Elfe, die diesmal sicher nicht nur mit ein paar Verbrennungen davonkommen würde. Aber ein weiteres Mal würde Malvas sich ihre Folter nicht antun können, ohne dabei den Verstand zu verlieren.
      Beeil dich.
      Er stolperte über eine Wurzel und hätte beinahe die kostbare Fracht in seinen Armen verloren. Dann fing er sich und seine Arme protestierten mit dumpfem Schmerz.
      Eine weitere halbe Stunde hetzten sie unter Ana’Maeras Anweisung durch den Wald, während der Himmel hinter ihnen in dunklem Rauch verschwand. Malvas kannte sich hier nur schlecht aus, weil die Gegend so nahe an elfischem Gebiet lag und damit keine Menschen hier wohnten. Er musste der Elfe vertrauen, die sie aber tatsächlich an einen reißenden Fluss lotste.
      Dort ließ er Ana’Maera eher unsanft zu Boden und ließ sich selbst keuchend auf den Hintern plumpsen. Seine Arme pulsierten und fühlten sich an wie von Nadelstichen getroffen.
      Nur eine… Minute. ... Wie geht es dir? Lass mich dir helfen."
      Er kam auf alle Viere und krabbelte zu Ana'Maera hinüber, um sich mit ihr am Flussufer niederzulassen.
      "Zeig mir das mal."
      Er besah sich ihre Verbrennungen mit der Expertise eines Mannes, der sie selbst schon erlitten hatte, wenn auch in anderen Ausführungen. Es sah nicht gut aus, denn die Verbrennungen waren schlimm und Kasran musste genau gewusst haben, wie hoch er gehen konnte, ohne permanent zu schädigen. Ihre Haut war an manchen Stellen vollständig weggebrannt und rohes Fleisch war darunter zum Vorschein gekommen.
      "Das muss desinfiziert werden. Und verbunden."
      Er sah Keira für einen Moment erwartungsvoll an, aber die Frau hatte lediglich das Feuer für ihre Befreiung gehabt, sie hatte nicht rein zufällig auch noch Desinfektionsmittel bei sich. Oder gar Verbände. Sie hatten immerhin alle ihre Sachen im Lager gelassen.
      "Pass auf, dass bei den offenen Wunden nichts drankommt. Den Rest können wir ein bisschen kühlen. Okay?"
      Mit größter Vorsicht half er Ana'Maera, ihre Verbrennungen in das eiskalte Wasser zu halten.
    • Keira wusste nicht, wie lange ihre Füße sie noch tragen würden, aber sie wusste, dass jede Blase allemal besser war, als stehen zu bleiben. Also lief sie weiter, wenn auch unbeholfener als Malvas, der nicht nur sich selbst zu tragen hatte. Dennoch gelang es ihm durchzuhalten, da wollte Keira nicht klein bei geben.
      Für die Elfe wurde es gelegentlich etwas holprig, doch sie behielt die Umgebung und vor allem den Himmel im Blick, sofern sie ihn sehen konnte, damit sie sich nicht verliefen. Ihre Landung am Flussufer war zwar nicht sehr angenehm, doch ihre Sorge galt eher dem Dämonen, der erschöpft wirkte. Doch statt sich auszuruhen, kam er auf allen Vieren auf sie zu.
      "Alles gut." Offensichtlich nicht, aber etwas anderes würde sie nicht sagen; sich nie beklagen. Während Malvas sich ihre Verbrennungen ansah, betrachtete sie sein Gesicht. Seine Selbstzweifel waren verflogen, doch er wirkte immer noch anders als sonst. Schon wie er sie im Zelt in die Arme genommen hatte, ehe er sie den ganzen Weg hierher trug, obwohl sie auch selbst gelaufen wäre und dabei weniger gejammert hätte, als die andere Frau des Trios. Sein Blick war anders, ebenso seine Stimme, was ein eigenartiges Gefühl in der Elfe hervorrief. Sie wollte lächeln, damit er sich weniger Sorgen machte, doch ihre verbrannten Lippen machten jede Bewegung unerträglich. Stattdessen hob sie ihre Hand und strich ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

      Keira hatte sich förmlich auf die Knie geworfen und schöpfte Wasser mit ihren Händen, um ihren Durst zu stillen. Als der Dämon zu ihr rüber sah, hob sie nur ihre Augenbraue und trank einen weiteren Schluck, ohne etwas zu sagen. Dachte er, dass sie so etwas in ihren Hosentaschen versteckte? Wohl kaum. Noch immer huschte ihr Blick ständig über ihre Schulter, um den dunklen Rauch im Auge zu behalten, der ihnen auf den Fersen war.
      "Okay." Beim Eintauchen ihrer Füße hielt sie den Atem an und presste ihre Kiefer aufeinander. Der Schmerz zog durch ihren ganzen Körper, sodass sich auch ihre Lunge schmerzhaft zusammenzog bei dem Kälteschock, den sie verspürte. Es dauerte einen Moment, bis es sich einigermaßen angenehm anfühlte. Am schlimmsten brannten ihre Ohren, in denen sie das Pochen ihres Herzen überdeutlich spüren konnte. Es zog durch ihren ganzen Kopf, während ihre Wangen sich glühend heiß anfühlten. Ihr Körper zuckte kurz zusammen, als sie etwas Wasser mit ihren Händen zu ihren Wangen führte und es zwischen ihren Fingern auf ihre Brust fiel. Ihre Atmung beschleunigte sich ein wenig, während die salzigen Tränen auf ihren Wangen brannten.
      Währenddessen versuchte Keira ihre Kleidung noch ein wenig zu säubern, bevor sie weiterhetzen müssten. Ihr Blick fiel auf die Elfe, die nun ein großes Stück ihrer Hose abriss, welche am linken Bein nun nur noch bis zu ihrem Knie reichte. Sie breitete es auf dem Boden aus und sah zu der Menschenfrau rüber.
      "Keira, kannst du dieses Zeichen darauf einbrennen?" Sie zeichnete ein elfisches Symbol in den Dreck, welches Keira ohne Nachfrage mit ihrem Finger auf dem Stoff nachzog. Das kleine Flämmchen zwischen Stoff und Finger hinterließ die gewünschten Linien und kurz darauf warf die Elfe das Stück in den Fluss, der es mit sich riss. Anschließend verwischte sie das Zeichen wieder.
      "Was wird das?", fragte sie nun doch neugierig und hoffte, dass Ana'Maera damit einen guten Plan verfolgte.
      "Die Strömung führt nach Vanderi'i. Vielleicht finden sie es und kommen uns entgegen." Wenn jemand am Fluss war und wenn sich der Stoff nicht irgendwo verfangen würde. Einen Versuch war es jedoch wert. Sollte es sie erreichen, würden sie ganz sicher kommen, denn einen Hilferuf in der elfischen Sprache würden sie nicht ignorieren.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Ana’Maeras Berührung in seinem Gesicht hinterließ ein wohliges Gefühl in Malvas, das gleichermaßen höchst merkwürdig war. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wie wichtig es ihm war, dass diese Elfe wohlbehalten nachhause zurückkehren würde. Er würde alles tun, um das zu gewährleisten.
      Ganz behutsam, weil die Wunden alle noch frisch waren, tauchte sie die Füße ins Wasser und zuckte davon zusammen. Malvas hielt sie fest, genau dort, wo sie noch am wenigsten erlitten hatte, und führte sie vorsichtig aber stetig durch. Er sagte nichts, als sie von der Kälte, oder auch von Schmerzen, nach Luft schnappte und unter Tränen ihr verbranntes Gesicht kühlte. Er drückte sie allerdings an sich und ließ keinen Moment locker.
      Bald war es besser und sie riss unter einiger Verwunderung einen großen Fetzen ihres Hosenbeins ab, den sie Keira präsentierte. Die Frau tat wie geheißen und kurze Zeit später schwamm das Stück Hose im Wasser davon.
      "Wollen wir mal hoffen, dass sie auch regelmäßig patrouillieren."
      Malvas wusste noch nicht, was er davon halten sollte, bald einer ganzen Elfenschar gegenüberzutreten. Blieb nur zu hoffen dass sie wussten, dass er auf ihrer Seite stand und nicht auf der dämonischen.

      Nach einigen Minuten Pause zum Durchschnaufen drängte der Rauch sie weiter. Kasrans Soldaten hatten natürlich keine Pause gemacht und während die drei eine Reise, eine Hetzjagd und dann eine Folter hinter sich hatten, waren die Dämonen ausgeruht. Der Rauch kam näher, wie eine Wand, die auf sie zurollte und sie irgendwann zerquetschten würde. Flammen flackerten in den verdeckten Himmel empor.
      Malvas nahm Ana'Maera wieder auf, auch wenn seine Arme schmerzten und sein Rücken unter der Last bereits mit Protest nachgab. Trotzdem, er hatte ihre Füße gesehen und konnte nicht zulassen, dass sie ihr ganzes Gewicht darauf legte. Auch noch ohne Schuhe bei dem unebenen Waldboden. Nein, er nahm sie in die Arme und verbiss sich einen Schmerzenslaut.
      Je weiter sie kamen, desto näher schienen ihnen die Dämonen zu rücken. Zuerst war es der Rauch, der langsam zu ihnen aufholte, der sich in den Blätterdächern vor ihnen verfing, begünstigt durch den Wind. Dann war es das ferne Knacken von Bäumen und Ästen, die von den Flammen verzehrt wurden und schließlich waren es dutzende Schritte, die hinter ihnen von Flammen begleitet durchs Unterholz stampften. Malvas stolperte keuchend weiter, seine Lunge von der Anstrengung ihrer Flucht bereits ein schmerzendes, pulsierendes Organ, als er einsehen musste, dass sie so nicht viel weiterkämen. Er musste Ana'Maera absetzen und bemühte sich, sie eilig mitzuziehen. Eine Weile lang ging das auch gut, bis ein Flammenball durch die Sträucher brach und sie fast erwischt hätte. Lediglich Keiras schnellem Handeln war es zu verdanken, dass sie tatsächlich nicht erwischt wurden.
      Aber dann donnerte eine Stimme durch den brutzelnden Wald und besiegelte ihr Schicksal.
      "Keinen einzigen Schritt weiter oder ich lasse eure Knochen brennen!"
      Malvas erschauderte davon. Er blieb wie angewurzelt stehen, denn antrainierten Gehorsam konnte man nicht so schnell wieder ablegen.

      Kasran kam zwischen den Bäumen hinweg hervor. Er loderte förmlich; das Feuer stand nicht nur in seinen Augen, es lag auf seinen Haaren, auf seinem Gesicht, auf seinem ganzen Körper. Alles, was ihn auch nur annähernd berührte, fing sofort Feuer und breitete sich aus. Er sah aus wie eine Gestalt aus den schlimmsten Horrorgeschichten, die Malvas sich nur vorstellen konnte.
      Neben ihnen war der Fluss, der nach Vanderi'i führte und ihnen Hoffnung hätte versprechen müssen, aber jetzt schnitt er ihnen den Fluchtweg ab. Vor ihnen lag der brennende Wald und Kasran, der mitten in seinem eigenen Feuer stand.
      Sie hatten es nicht rechtzeitig geschafft. Das war es.
      Malvas schob die Elfe hinter sich, denn vielleicht konnte er ja seinen Bruder lange genug ablenken, damit sie in den Fluss springen konnte. Und vielleicht, nur vielleicht, würde sie dort nicht ertrinken oder von der Strömung am nächsten Felsen zerschellen, sondern sie würde es bis nach Vanderi'i schaffen. Das hoffte Malvas. Dafür hätte er sogar gebetet.
      Kasran kam näher, hinter ihm seine Soldaten. Er blickte das Trio mit einer Verachtung an, die für den Dämonen typisch war.
      "Habt ihr wirklich geglaubt, ihr könntet so einfach abhauen? Vor mir?"
      Malvas sagte nichts. Er hätte vor Angst keinen Ton rausgebracht, geschweige denn seine Magie verwenden können.
      "Die Elfe hat die Wahrheit gesprochen, deswegen hätte ich euch vermutlich glimpflich behandelt. Vielleicht sogar die Freiheit gewährt, zumindest der Menschenfrau. Aber so? Habt ihr etwa wirklich geglaubt, dass ich -"
      "Sofort alle Waffen runter!"
      Der Schrei ließ ihn herumwirbeln. Es kam von dem unversehrten Dickicht gegenüber, das noch nicht den Flammen zum Opfer gefallen war. Alle Anwesenden wirbelten herum und sahen der Stimme entgegen, die sich jetzt aus dem Unterholz schälte, begleitet von dutzenden ähnlich wirkenden Gestalten.



      Ievis trat aus dem Wald, eine Armbrust im Anschlag. Der Hüter war groß und schlank, aber seine Kraft war nicht zu unterschätzen. Er starrte Kasran nieder, während hinter ihm der restliche Trupp seiner Elfen die Waffen auf die Dämonen ausrichteten. Selbst in den Bäumen über ihnen raschelte es, ein klares Zeichen, dass es noch viel mehr gab, die gar nicht zu sehen waren.
      Malvas war vermutlich niemals so glücklich - nein, er war überhaupt noch niemals glücklich gewesen, Elfen zu sehen. Aber jetzt hätte er sich ihnen schier in die Arme geworfen, um von seinem Bruder wegzukommen.
      "Lasst die Elfe frei. Augenblicklich", verlangte Ievis mit einer kalten Stimme, die kaum zu dem emotionslosen Gesichtsausdruck passte. Man mochte es nicht glauben, dass dieser Elf vor Wut überschäumte.
      "Seid ihr gekommen um zu sterben?", gab Kasran zurück und ließ sein Feuer höher steigen. Malvas zuckte davor zurück, gab aber seinen Platz vor Ana'Maera nicht auf.
      "Wir tun, was getan werden muss."
      "Wenn das so ist, dann spürt an eigenem Leib, wie es ist zu verbrennen!"
      Seine Arme ruckten zur Seite weg und ein wahrer Feuerwall raste auf den Elfentrupp zu.
    • Die Pause war kurz und doch viel zu lang, denn ihre Feinde rückten viel zu schnell auf. Sie kamen kaum zu Kräften, sodass sich der Abstand zwischen ihnen und den dunklen Rauchschwaden immer mehr verringerte. Irgendwann ließ Malvas die Elfe runter, sodass sie eigenständig laufen musste. Über ihre Lippen kam jedoch kein Laut, als sie einen Fuß vor den anderen setzte, um mit Malvas schritt zu halten. Jeder noch so kleine Kieselstein stach schmerzvoll in ihre verbrannten Sohlen und selbst das Gras fühlte sich an wie tausende kleine Nadelspitzen, doch sie lief weiter und zögerte nicht.
      Keira konnte das Feuer ganz deutlich spüren, welches immer näher rückte. Zu schön wäre es, wenn sie einfach durch das Feuer anderer spazieren könnte, aber sie war nicht dagegen resistent. Dieser Kasran möglicherweise schon. Zumindest würde er wohl über Keira's kleinen Flämmchen lachen. Dennoch gelang es ihr in letzter Sekunde den Feuerball in den Fluss zu lenken, welcher zischend darin versank und heißen Wasserdampf emporsteigen ließ. Sie dachte nicht im Traum daran stehen zu bleiben, doch als sie sah, wie Malvas stehen blieb, huschte ich Blick schnell von ihm zu Kasran und wieder zurück. Mit ihren Kräften war sie bereits fast am Ende und eine Flucht schien aussichtslos. Höchstens wenn sie die beiden hier zurücklassen würde, könnte sie eventuell entkommen, doch die Chance war leider so winzig wie ein Floh.
      Keuchend blickte sie zu Ana, die nur stehen blieb, weil Malvas es getan hatte. Ihre Hände legte sie an Malvas Schultern und spähte hinter ihm nach vorn, um Kasran zu sehen. Sie entschied sich dafür bei ihm zu bleiben und wollte an ihm vorbei, warf Kasran einen entschlossenen Blick zu, denn das war sie. Entschlossen zu kämpfen. Doch Kasran's Stimme verstimmte, als eine andere Stimme durch den Wald schallte. Keira drehte sich zu ihnen um und versuchte sich hinter den anderen beiden zu verstecken, aber so, dass sie auf der Seite der Elfen stand, denn die würden ihr nichts tun. Nun stieg wieder Hoffnung in ihr auf, dass sie diesen Tag überleben könnten. Wenn die Elfen über die Dämonen siegen würden.

      Ana'Maera drehte sich stattdessen um, um Malvas hinter sich zu wissen. Sie packte sein Handgelenk und beobachtete die Elfen. Wenn sie vor ihm stand, würden sie ihm nichts tun, da sie sonst sie treffen könnten. Die Elfen würden nicht nachgeben, doch Kasran tat es genau so wenig.
      Schnell legte sie einen Arm um den Dämonen und presste ihren Körper an seinen, während sie den Elfen den Rücken zudrehen musste, um den Feuerwall mit einem starken Windstoß zurückzuhalten. Keira half ihr dabei und versuchte die Flammen zu verkleinern. Dann erhob sich jedoch eine gewaltige Welle aus dem Fluss, der sich über den Dämonen und den Flammen ergoss. Erneut stiegen Schwaden von Dampf in den Himmel, die ihnen die Sicht versperrten. Was für ein Glück, dass sich in Vaneri'i ein paar Wasserelfen befanden. Doch Kasran's Feuer war so mächtig, dass es sich nicht einfach so löschen lassen würde. Ein Großteil des Wassers verdampfte, bevor es das Feuer erreichte. Ebenso wie ihn gewöhnliche Pfeile niemals treffen könnten. Sein Feuer war heißer als das der Schmieden. Vermutlich würde selbst eine Eisenspitze Schwierigkeiten haben zu ihm durchzudringen.
      Die Menschenfrau hatte allerdings all ihre Kräfte bereits aufgebraucht. Als die Elfe sie zu sich zog und sie daraufhin auf die Seite der Elfen schubste, lief sie zwischen den Spitzohren entlang, um sich hinter ihnen in Sicherheit zu bringen. Sie konnte nichts mehr in diesem Kampf beitragen. Nun zog Ana'Maera auch Malvas mit sich, indem sie ihren Arm um seine Taille legte und langsam rückwärts lief. Ohne Waffen konnte sie nur sein Feuer in Schach halten, doch das würde den Elfen nützlich sein können, weshalb sie ihren Blick nicht von Kasran abwandte. Aber sie wollte Malvas auch nicht los lassen, sodass sie weniger ausrichten konnte, als sonst.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es war Ana'Maera allein zu verdanken, dass Kasran sie nicht alle auf der Stelle verschmorte. Mit einer Wucht, die man der zierlichen Elfe gar nicht zugetraut hätte, stieß ihr Wind die Flammen zurück und bildete fast schon eine Mauer vor ihnen, die sie vor der Hitze bewahrte. Malvas zuckte davor zurück, aber in Anbetracht dieser Naturgewalten war er gänzlich machtlos. Er konnte nur hoffen, dass beide Seiten sich zu sehr auf den jeweils anderen konzentrierten, um die Mitte zwischen ihnen unberührt zu lassen.
      Inmitten des Flammeninfernos, das sich durch den Wind und das Feuer entfachte, erhoben sich plötzlich hektische Schreie, die sich auf etwas ganz anderes zu berufen schienen. Malvas hielt die Elfe hinterrücks fest, während er sich umdrehte und selbst beobachten konnte, wie sich eine gigantische Welle aus dem Wasser erhob.
      Ein Tsunami, direkt aus diesem Fluss. Wie von unsichtbarer Hand gelenkt, türmte sich das Wasser auf und wurde höher und höher, bis sie sogar ihre Köpfe überragte.
      Malvas hatte so etwas noch nie gesehen. Wassermagie war unter den Dämonen nicht verbreitet. Er gaffte ganz schön, als sich dieses Monstrum aus Wasser alleine vor ihnen erhob und sich dann über die Dämonen ergoss.
      Es zischte und krachte furchtbar laut, als Dämonen von den Wassermassen getroffen und in den Wald geschleudert wurden, aber viele hielten dem stand - Kasran mit eingeschlossen, dessen Feuer jetzt so heiß glühte, dass es vermutlich die Macht gehabt hätte, die Erde zu schmelzen. Alles Wasser, das auf ihn zuflog, verdampfte bereits zu einer riesigen Wolke, die sie alle vollständig einhüllte. Innerhalb von Sekunden wurde es am Ufer so neblig, dass man kaum mehr fünf Meter weit sehen konnte.
      Ohne auf ein weiteres Wunder zu warten, schubste Ana'Maera Keira bereits in Richtung der Elfen und auch Malvas zerrte sie mit sich, der wohl kaum eine Wahl in der ganzen Sache hatte. Kasran oder Elfen? Die eine Hölle oder die andere? Letzten Endes war ihm aber doch die eine lieber und so stützte er Ana'Maera wieder, während sie auf die Elfen zuliefen.
      Der Kampf spitzte sich zu, denn mit einem Mal war hier alles zu neblig, um noch weiter mit Magie zu kämpfen. Man musste in den Nahkampf übergehen, was die Elfen auch sofort taten, als die vorderste Truppe ihre Waffen zückte und auf die Dämonen zustürmte. Sie wurden ihrerseits mit Waffen begegnet und obwohl Kasran in diesem nebligen, feuchten Wetter ganz definitiv geschwächt war, flackerte sein Feuer trotzdem zuckend über seine Klinge hinweg. Sein Zorn alleine war die Quelle für seine schier unbegrenzte Magie in diesem Augenblick, das wusste Malvas. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er solche Angst empfunden.
      Noch gab es aber an den Elfen kein Vorbeikommen und die Dämonen erkannten schnell, dass sie hier Verstärkung benötigten, wenn sie es wirklich mit dieser Patrouille aufnehmen wollten. Aber wollten sie das? Kasran hatte nur seine geflüchteten Gefangenen zurückholen wollen, aber der Stein war schon längst in seinem Besitz. Wozu dann also hier noch Verluste einbüßen? Viel zu schnell setzten die Dämonen den Rückzug an und flüchteten in die Richtung ihres Heerlagers. Den Rücken schützte ihnen ein tobender Kasran, der seinen ehemaligen Gefangenen noch einen letzten Schrei entgegen warf:
      "Ich werde euch noch fassen! Und ihr werdet leiden, wie ihr noch nie in eurem Leben gelitten habt!"
      Malvas zuckte von der Warnung zusammen und stieß ein ängstliches Wimmern aus. Er hatte keine Zweifel daran, dass das keine leeren Worte war, die sein Bruder da von sich gab.
      Dann hatten sie die schützende Elfenfront erreicht und ein hochgewachsener, schlanker Ievis trat ihnen in den Weg. Keira war bereits in Sicherheit hinter der Front gebracht worden und zwei weitere Elfen standen bereit, um Ana'Maera zu empfangen und in Sicherheit zu bringen.
      Aber nicht Malvas. Für Malvas hatte Ievis ein Kurzschwert in der Hand. Seine Miene war so unergründlich und unlesbar wie die aller Elfen.
      "Lass sie los und stirb einen schändlichen Tod, Dämon."
    • Es missfiel der Elfe, dass sie dem Kampf nicht beitreten konnte. Das war gegen ihre Natur. Hätte sie eine Waffe gehabt, hätte sie sich von Malvas losgerissen, doch so ließ sie sich von ihm zu den Elfen bringen und achtete darauf, dass sie nicht voneinander getrennt wurden.
      Die Dämonen traten jedoch den Rückzug an und Kasran's Worte ließen sie aufhorchen. Mit geballter Faust sah sie in dessen Richtung und presste die Zähne aufeinander. Nun überlegte sie, ob sie sich das Schwert eines Hüters schnappte und ihm hinterherlief, doch sie wollte Malvas nicht allein lassen. Nicht allein mit den Elfen. Denn als Ievis sich vor sie stellte, forderte er Malvas' Tod. Mit dem Ausdruck der Elfen im Gesicht, stellte sie sich schützend vor Malvas und sah zu dem Elf auf.
      "Nicht."
      Doch bevor dies in einer Diskussion über Malvas' Leben endete, trat sie einen kleinen Schritt vor. Sie wusste nicht, ob die anderen Hüter von ihm ablassen würden, würde sie ihn verteidigen. Nur weil sie Malvas als ihren Verbündeten sah, würden es die anderen Elfen nicht zwangsläufig ebenfalls tun. Also versuchte sie diese Angelegenheit aufzuschieben und die Aufmerksamkeit auf Kasran zu lenken.
      "Dieser Feuerdämon hat den Ätherionstein.. Ich hatte die Aufgabe ihn nach Lumenar zu bringen, doch er konnte uns überwältigen..", erklärte sie ihm in ihrer Muttersprache und sah ihm dabei dringlich in die Augen. Malvas sollte für ihn unwichtig sein, denn ihre oberste Pflicht war es die Ätherionsteine zu beschützen.
      "Gebt mir einen Bogen und ein Schwert. Ich werde ihn mit euch zurückholen."
      Sie würde die Sache den Elfen nicht allein überlassen und sie in diesem Kampf unterstützen. Solche Verletzungen hielten einen Hüter nicht vom Kampf ab.

      Doch dann kam sie wieder auf Malvas zu sprechen und stellte sich neben ihn, wobei sie ihm eine Hand auf die Schulter legte.
      "Malvas weiß mehr über die Dämonen als wir. Er hat mir geholfen", argumentierte sie für ihn und sah ihn dann an.
      "Weißt du, wo sich die Königin aufhält oder wohin sie mit dem Ätherionstein gehen werden?", fragte sie ihn und hoffte, dass er eine Antwort darauf hatte, um Ievis von seinem Nutzen zu überzeugen. Wenn er es nicht wusste, sollte er wenigstens so tun als ob, um mehr Zeit zu schinden. Das würde er doch, oder nicht? Lügen lag doch in seiner Natur.
      Wenn er es aber tatsächlich wusste, wäre dies natürlich umso besser. Jetzt einfach auf die Dämonen zu stürmen, wäre viel zu unüberlegt. Sie sollten jeden Hüter mitnehmen, den sie zur Verfügung hatten. Außerdem brauchte sie Waffen und eventuell ein neues Paar Stiefel.
      Für Malvas wäre es besser, wenn er während des Kampfes flüchtete, falls die anderen Elfen sich nicht davon überzeugen ließen, ihn am Leben zu lassen. Doch sie konnte ihm keine Ratschläge geben, da sie Ievis darüber aufklären musste, wieviele Dämonen in dem Lager waren und wie es aufgebaut war. Jede noch so kleine Information über ihren Feind war hilfreich.

      Ihr Blick glitt zu Keira rüber, die zwischen den Elfen vor ihr zu den beiden sah. Nur kurz trafen sich ihre Blicke, ehe die Menschenfrau ihren abwandte und sich umdrehte, wobei sie ihren Blick senkte. Sie war wirklich froh, dass diese Elfen ihnen so schnell zur Hilfe kamen. Das Schicksal des Steins oder ihrer Gefährten war ihr vollkommen egal. Gut, nicht vollkommen. Aber ihr eigenes Wohl war ihr wichtiger. Ob die Elfen Malvas töteten oder nicht. Das mit dem Stein würde wohl auch für sie irgendwann Nachteile haben können. Aber diese Elfen hatten ja vielleicht tatsächlich eine Chance gegen die Dämonen. Für sie stand allerdings fest, dass sie nichts weiter damit zutun haben wollte. Und dennoch hoffte sie das beste.
      Ana'Maera betrübte ihre Abweisung, weshalb sie noch kurz zu ihr sah, ehe sie ihren Blick wieder auf Ievis richtete. Noch immer stand sie zwischen ihm und Malvas und war nicht gewillt beiseite zu treten. Sie war sogar wieder einen Schritt nach vorn getreten, um mehr von Malvas' Körper hinter sich zu wissen, damit Ievis' Schwert ihn nicht ungehindert erreichen konnte. Außerdem achtete sie darauf, dass sich ihnen auch sonst niemand näherte. In diesem Moment wollte sie niemanden in ihrem Rücken haben. Niemanden außer Malvas.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Unter anderen Umständen wäre Malvas diesem Elfen sicherlich überlegen gewesen. Diese anderen Umstände sahen so aus, dass die beiden alleine gewesen wären, dass der Elf Malvas noch nicht entdeckt hätte und dass er - nur um sicher zu gehen - unbewaffnet wäre. Dann hätte Malvas ihn sicher fertig gemacht, ganz ohne Zweifel. Mit ein paar Illusionen abgelenkt und ihm ohne Umschweife das Messer zwischen die Rippen gejagt.
      Aber die beiden waren nunmal nicht alleine, der Elf hatte ihn nicht nur schon entdeckt, sondern auch gleich als Dämon identifiziert und trug dabei ein Kurzschwert bei sich, das eine höhere Reichweite hatte als Malvas’ Messer. Unter den gegebenen Umständen konnte Malvas nur darauf hoffen, zumindest sein Messer ziehen zu dürfen, bevor man ihn einen Kopf kürzer machen würde.
      Er versuchte es daher gar nicht erst, sondern überlegte fieberhaft nach einer Illusion, die ihn retten könnte. Bevor er aber noch in die Bedrängnis kam, diese Illusion auf die Probe stellen zu müssen, schob sich Ana’Maera schon zwischen sie beide.
      Ana’Maera, die von Kasrans Folter am ganzen Leib verbrannt war und es trotzdem zustande brachte, Malvas vor ihren Artgenossen zu behüten. Die trotz allem willens genug ausgesehen hatte, eine Waffe zu ergreifen und wie die anderen auch, sich am Kampf zu beteiligen. Die sich nicht von Kasrans Rufen oder seinen Soldaten einschüchtern gelassen hatte.
      Die Malvas jetzt einen einzigartigen Ausweg bot, den er sich keinesfalls entgehen ließ.
      Natürlich weiß ich, wohin der Ätherionstein unterwegs ist. Ich kenne die Pläne der Generäle.”
      Die Lüge kam glatt wie Honig über seine Lippen. Ievis starrte ihn mit diesem komischen Ausdruck an, diesem nichtssagenden, teilnahmslosen Blick. Hatte er die Information überhaupt richtig verstanden? Elfen waren eigentlich nicht schwer von Begriff und doch sah es bei diesem Exemplar schon grenzwertig aus.
      Der Mann schwieg, dann richtete er die Schwertspitze gegen den Boden. Malvas hätte sich gerne davon entspannt, wären da nicht die restlichen zwei Dutzend Elfen, die allesamt noch immer voll bewaffnet waren. In seiner weisen Voraussicht blieb er daher alarmbereit und ersparte sich eine weitere Lüge.
      Ievis nickte schließlich.
      “In Ordnung. Wir stellen einen Bergungstrupp auf; lügt der Dämon, werden wir seinen Kopf der Königin schicken. Ein Ausblick darauf, was mit all ihren Truppen geschehen wird.”
      Malvas schluckte, sagte aber nichts. Es war wohl besser, Ana’Maera in dieser Hinsicht die Führung zu überlassen.
      Ievis wandte sich seinen Soldaten zu.
      “Aufteilen in 2-4. Folgt den Dämonen, aber kommt ihnen nicht näher als nötig. Haltet euch vom Feuer fern. Wir stellen einen Angriffstrupp zusammen und kommen nach. Der Dämon wird uns führen.”
      Sein Schwert schwenkte ganz knapp auf Malvas, dem das gar nicht gefiel. Er wollte am liebsten so weit weg von Kasran wie nur möglich, nicht weiter hin.
      An Ana’Maera gewandt fuhr er fort.
      “Berichte mir, was mit dem Stein verfahren ist, von Anfang an. Ein Heiler muss dich erst prüfen, bevor du in den Kampf ziehen kannst. Es bringt nichts, dich mitzunehmen, wenn du den Ansturm nicht aushalten kannst.”
    • Ob Malvas log oder die Wahrheit sprach, konnte auch die Elfe nicht wissen. Doch in diesem Moment war ihr beides Recht, solange der Dämon dadurch eine Chance aufs Überleben hatte.
      Während Ievis wohl versuchte in den Augen des Dämons zu lesen, versuchte Ana'Maera vergeblich in den Augen des Elfs zu lesen. Das er ihn verstanden hatte, bezweifelte sie nicht. Viel mehr fragte sie sich, ob er Malvas glaubte oder nicht. Ob Malvas zumindest vorerst außer Gefahr war.
      Als er das Schwert sinken ließ, löste sich ihre innere Anspannung. Hüter handelten zwar im Grunde alle für sich selbst doch in Gruppen hatte es sich erwiesen, dass es immer sinnvoller war, wenn jemand das Sagen hatte. Dieser jemand wurde entweder einfach bestimmt oder ernannte sich selbst zum Leiter, indem er einfach der erste war, der etwas sagte. Meistens war es einfach nur der Älteste unter ihnen, so wie in Saner'a ihr Vater. Sie brauchten Ievis Befehle nicht, doch sie hielten sich daran.

      Dann sprach der Elf endlich. Ein Bergungstrupp. Ana'Maera's Blick ging zeitgleich zu den anderen Elfen, die genauere Anweisungen bekamen. So konnten sie den Ätherionstein ganz sicher zurückholen.
      Während sich alle in Bewegung setzten, nickte die Elfe und ging neben Ievis her, um ihm von dem Angriff auf Saner'a zu erzählen. Sie erzählte ihm, wie sie nach Calanin floh und dort von den Dämonen gefasst wurde. Da sie nicht wusste, wie sie Ievis Malvas' Gegenwart sonst erklären sollte, blieb sie bei der vollen Wahrheit. Sie ließ lediglich Malvas' versuchten Überfall aus. Sowohl den ersten, als auch den zweiten. Malvas tauchte erst in der Geschichte auf, als sie im Keller aufwachte. Natürlich erzählte sie nur das notwendigste und somit auch nicht von der Nähe, die sie bereits zu ihm spüren durfte. Nach der Flucht aus Calanin folgte nur der Weg nach Lumenar, sodass es erst wieder in Lumenar angekommen mehr zu berichten gab.

      Etwas widerwillig ließ sie sich dann im Dorf von einem Heiler untersuchen. Sie hatte keine Wunden durch die ihre Kräfte plötzlich versagen würden. Ihrer Meinung nach war sie voll kampffähig. Die offenen Wunden würden sich auch erst später bemerkbar machen. Auch ihre Füße stellten für sie kein Problem da, denn sie war den ganzen Weg hierher aufrecht gegangen, als wären ihre Fußsohlen nicht verbrannt. Das einzige Problem könnte ihre Lunge darstellen, denn als Windelfe war sie auf ihre Atmung angewiesen. Doch wie sie vorhin den Feuerwall aufgehalten hatte, sollte sie auch bewiesen haben, dass sie dieses Problem ebenfalls im Griff hatte.
      Sie verlangte also weiterhin nach Waffen, um sich dem Kampf anzuschließen. Keira hingegen würde hier im Dorf auf die Rückkehr der Elfen warten oder sich in ein paar Tagen allein in die nächste Stadt schlagen. Keinesfalls würde sie sich nochmal irgendeinem Kampf aussetzen, zumal sie ohnehin nicht mehr zu gebrauchen war. Wenn Malvas aber die Elfen führen sollte, konnte Ana'Maera nicht tatenlos hier sitzen und sich behandeln lassen.

      Ihr Blick glitt zu dem Dämon rüber, ehe sie zu ihm ging und seine Hände betrachtete, die Keira versehentlich verbrannt hatte. Der Elf würde seine Wunden nicht heilen, doch Ana'Maera würde sich darum kümmern, sobald sie die Gelegenheit dazu bekäme. Noch immer mit seinen Händen in ihren, sah sie auf in seine Augen.
      "Du musst fliehen, oder?", fragte sie leise und sah sich noch einmal um, das auch wirklich niemand gerade in der Nähe war.
      "Wir.. könnten uns in Umres treffen.." Die nächste Stadt in der sie in Ruhe überlegen konnten, wie es nach all dem hier weitergehen sollte. Doch sie wusste noch nicht einmal, ob sie diesen Kampf überleben würde oder ob sie Kasran den Stein wieder entreißen konnten.
      "Sobald sich dir die Möglichkeit bietet, verschwindest du mit deiner Magie.." Kein Wort, kein Zeichen. Ein stiller Abschied, wodurch dieser Moment zu ihrem Abschied wurde.
      Die Augen der Elfe glänzten und strahlten einen gewissen Unmut in ihr aus. Es gefiel ihr nicht, dass sie sich auf diese Weise trennen mussten, aber sie wollte Malvas Leben nicht aufs Spiel setzen. Auf ihren wunden Lippen zeichnete sich kurz ein dezentes Lächeln, das Malvas ermutigen sollte.
      "Ich werde überleben und dich wiedersehen...", hauchte sie, als sie sich seinem Gesicht näherte, um noch leiser zu flüstern. Doch als sie Schritte vernahm, löste sie sich von ihm und war bereit, aufzubrechen.
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    • Neu

      Die Elfen brachten die unvorhergesehenen Besucher in ihr Dorf zurück. Es war nicht sehr groß und fügte sich auf ganz eigenartige Weise in den Wald ein, bei der Malvas sofort begriff, weshalb Elfendörfer so schwierig zu finden waren. Einfach alles hier sah nach Wald aus und wenn er einfach nur daran vorbei geschlendert wäre, hätte er es sicher gar nicht erst gefunden. Das Dorf verschwamm so sehr mit seiner Umgebung, dass es Malvas’ Kopf schmerzte bei dem Versuch, die Struktur darin zu erkennen.
      Ana’Maera wurde nach ihrer Ankunft sogleich zu einem Heiler weiter gebracht, während man für Malvas nicht sehr viel mehr übrig hatte als ausdruckslose Blicke. Ihm blieb nichts übrig, als der Elfe zu folgen und sich unauffällig zu halten.
      Sie war nur sehr kurz bei dem Elfen und kam danach schon gleich wieder heraus. Zielstrebig kam sie auf ihn zu und wenn sie sich schon nicht in einem wahren Elfen-Nest befunden hätte, hätte Malvas sicher bei dem Anblick irgendetwas verspürt. So sah er nur herab, als sie seine Hände griff, und sah ihr dann zurück ins Gesicht.
      Sie hatte recht, er musste fliehen. Soweit hatte er bisher nicht gedacht, weil es zur Gewohnheit geworden war, einfach dorthin zu gehen, wohin auch Ana’Maera ging, aber zu bleiben war nun keine Option mehr. Der Elf würde ihn umbringen, wenn er sich als unnütz erwies, und sollte es ihm gelingen, den Stein wieder zu beschaffen, würde er Malvas sicher auch erledigen. Auf der anderen Seite wäre Malvas direkt zurück in den Händen seines Bruders, sollte es den Elfen nicht gelingen, und das war mindestens genauso schlimm. Nein, Malvas konnte nicht bleiben.
      Aber Ana’Maera hatte nun keinen Grund mehr, mit ihm zu ziehen, und das bescherte ihm ein Gefühl in der Magengrube, das ihm gar nicht gefiel. Bisher hatte er sich noch nicht damit auseinandergesetzt, dass sie getrennt würden, und jetzt so damit konfrontiert zu werden, darauf war er nicht vorbereitet.
      Zögerlich nickte er also. Seine geschundenen Hände fühlten sich in ihren warm an, als hätte er zuletzt doch noch die Fähigkeit zur Feuermagie entdeckt.
      Dann setzte sie aber etwas hinzu, von dem sich seine Augen weiteten. Sie könnten sich in Umres treffen und das war nun wieder eine Aussicht, die etwas ganz anderes mit Malvas anstellte. Ja, sie könnten sich in Umres treffen und sie mussten sogar. In dem Moment, in dem Ana’Maera es ausgesprochen hatte, wusste Malvas, dass es gar keinen Weg darum herum gab.
      Wieder nickte er, überzeugter diesmal. Sein nächstes Ziel stand fest und er würde es erreichen, komme was wolle.
      Umres. In Umres sehen wir uns wieder.
      Sie mussten einfach, daran führte kein Weg vorbei. Und wenn die Welt um sie herum untergehen sollte, sie mussten sich in Umres treffen.
      Ana'Maera neigte sich weiter zu ihm vor und wie auf Instinkt, als hätten sie nie etwas anderes getan, gravitierte auch Malvas zu ihr. Sein Blick verließ sie nicht eine Sekunde, als sie sich an den Händen hielten und drauf und dran waren, den größten Skandal in der elfischen und dämonischen Geschichte hinzulegen. Sie hätten es auch getan; aber dann ertönten Schritte und wie, als hätte sich eine unsichtbare Wand zwischen sie gestellt, lösten sie sich voneinander. Malvas musste sein rasendes Herz beruhigen, das sich nicht festlegen wollte, weshalb es nun so verrückt spielte. Um sich abzulenken starrte er stattdessen den Elfen entgegen, die da gerade zu ihnen kamen.
      Ievis ging ganz vorne mit. Er peilte Ana'Maera an, ohne den Dämon mit seinem Blick zu würdigen.
      "Bereit zum Aufbruch?"
      Malvas hätte wohl dagegen gehalten, dass die Elfe keinesfalls für einen Kampf bereit war und gefälligst hier behalten werden sollte, aber so sturköpfig wie Ana'Maera war, hatten ihre Artgenossen wohl keinen Sinn für notwendige Pausen. Ana'Maera wurde einfach mitgenommen, mit einer Waffe ausgestattet und durfte sich zu dem Rest der Elfen gesellen.
      Malvas zählte mehr als zweihundert, als man ihn einsammelte und an die Spitze der Gesandtschaft stellte. Es war ein ganzer unübersichtlicher Haufen von ausdruckslosen Kriegerinnen und Kriegern, die sich in dem kleinen Dorf tummelten, ausnahmslos alle bis zu den Zähnen ausgestattet mit Waffen. Hätte Malvas so etwas wie Mitgefühl empfinden können, hätte er es sicher gegenüber seinem Bruder empfunden, der mit einer solchen anrollenden Macht klar kommen musste, aber so wünschte er sich nur, dass die Elfen gewinnen würden. Und er wünschte sich, von ganzem Herzen, dass Kasran dabei erliegen würde. Auf welche Weise war ihm dabei völlig gleichgültig.

      Zuerst marschierten die Elfen alleine los, ohne dass man Malvas nach seiner Führung gefragt hätte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als einfach vorneweg zu gehen und sich für geraume Zeit zu fragen, ob man ihn irgendwann dazu einweisen würde, ihnen den Weg zu zeigen, oder man ihm einfach frei Hand ließ. Dabei könnte er die Truppe wohl auch aus dem Wald lenken, was sicher den Tod für sich bedeutete, aber eben auch der Verlust des Steins für die anderen. Ob man bereits ein solches Vertrauen in ihn legte, um ihn trotzdem einfach laufen zu lassen? Oder steckte mehr dahinter?
      Es war zweiteres, denn kaum, als sie den Fluss erreichten, an dem vor wenigen Stunden noch der Kampf stattgefunden hatte, schloss eine Elfe zu ihm auf - es war weder Ievis, noch Ana'Maera - und wies ihn recht barsch dazu an, ihnen den direkten Weg ins Heerlager zu weisen und bloß keine Spielchen zu treiben. Malvas murrte sie an, dass sie ihm nicht zu sagen hätte, wie er seinen Auftrag ausführen sollte, aber das bescherte ihm nur eine blitzende Klinge, die nur von Ievis zurückgehalten wurde. Nein, diese Elfen würden ihn ganz sicher nicht am Leben lassen. Die Frage war nur, wie schnell sie sich seiner erledigen würden.
      So begann er sie durch den Wald zu führen, immerzu durch die Schneise aus Zerstörung, die Kasran hinterlassen hatte, während er sich seinen Fluchtplan auszuhecken versuchte. Niemand hier kannte seine magische Begabung, was ihm den Vorteil der Überraschung beschaffen sollte, solange er nur schnell genug war und die beiden Fronten genauso schnell kollidieren lassen würde. Dabei musste er darauf vertrauen, dass die dämonischen Wachen schnell genug Alarm schlagen würden, aber dass die Elfen wiederum nichts davon mitbekamen. Zu viel hing davon ab, dass er sich in letzter Sekunde noch verflüchtigen konnte, ohne dass man sich um seine Abwesenheit scherte. Zu viel, was außerhalb seines Einflusses lag.
      Über Stunden hinweg führte er sie durch den Wald zurück, den ganzen weiten Weg, den sie bei ihrer Flucht schon unternommen hatten. Seine Beine taten ihm irgendwann weh, brannten dann und wurden schließlich ganz taub, während er sich weiter durch das Unterholz schob. Er war unheimlich müde und erschöpft, aber die Aussicht darauf, Ana'Maera in Umres wiederzutreffen, gab ihm die letzten Energieschübe, die er nötig hatte. Ein paar Mal sah er sich vorsichtig nach der Elfe um, aber in den undeutlichen Schemen, die sich lautlos hinter ihm durch den Wald bewegten, konnte er kaum etwas erkennen. Dabei war es schon erstaunlich: Von all den über zweihundert Anwesenden war er der einzige, dessen Geräusche man zu hören bekam. Die Elfen bewegten sich mit einer Selbstverständlichkeit, als würden die Gesetze der Natur sie nicht betreffen.
      Durch sein fotografisches Gedächtnis erinnerte Malvas sich genau an den Weg und wann sie drauf und dran wären, von den Wachen entdeckt zu werden. Noch war nichts durch das Unterholz ersichtlich, aber mit jedem weiteren Meter wurde die Gefahr größer und damit auch Malvas Anspannung. Den letzten Teil des Weges versuchte er sich bereits darauf zu konzentrieren, was vor ihm lag, und bemerkte daher gar nicht, als eine Bewegung vor ihm im Unterholz auftauchte. Ein Schatten huschte dort entlang, ein Zweig raschelte - und dann ging mit einem Mal alles ganz schnell. Ausschließlich auf seinen Instinkt lauschend, warf Malvas sich sofort auf den Boden, was keine Sekunde zu spät kam, denn knapp über seinem Kopf surrte kurz darauf ein Pfeil entlang; ein Pfeil von hinten. Im selben Moment ertönte vorne, viel zu nahe zu ihnen, ein Alarm und aus dem Nichts ertönte plötzlicher Aufruhr. Geistesgegenwärtig rollte er sich zur Seite und zwei weitere Pfeile gruben sich in den Waldboden hinein, direkt dort, wo er zuvor noch gelegen war. Er war sich nicht sicher, warum die Elfen so schlecht zielten, wollte es aber nicht hinterfragen.
      Die Dämonen rückten hörbar schnell zusammen und daher schoss Malvas noch ein paar Meter durch das Unterholz, einfach nur seitlich weg von der Front in der Hoffnung, die Elfen würden sich sehr schnell mit den anderen Dämonen beschäftigen müssen. Allerdings wartete er gar nicht erst darauf, dass es soweit sein würde; beim nächsten Baum schoss er herum und ließ sofort die Rinde auch über sich selbst erscheinen. Er hatte recht behalten; noch während er sich in den Schatten seiner dürftigen Illusion kauerte und verzweifelt versuchte, seinen keuchenden Atem zu dämpfen, kletterten zwei Elfen lautlos über ihn hinweg, ganz eindeutig Verfolger, die den missglückten Job zu Ende bringen sollten. Reglos verharrte er in seiner Illusion und beobachtete, wie die Elfen in seiner Gegend suchten.

      Hinter ihm brach sehr schnell ein sehr harter Kampf auf. Die Elfen gaben es auf, sich mit der Masse der Bäume tarnen zu wollen, und stürmten aus allen Richtungen her auf das Lager ein, dessen Dämonen sich in Formation aufgestellt hatten und die die Elfen jetzt mit gezogenen Waffen erwarteten. Kasran an ihrer Front schickte gleich den ersten Angreifern seine Feuerwand entgegen, musste aber bei dem Gegendruck der elfischen Magie selbst schnell zur Waffe greifen. Er brüllte Kommandos, die selbst über den aufsteigenden Lärmtrubel noch deutlich hörbar waren und jagte seine Dämonen in den Kampf. Waffen krachten gegeneinander, die Luft explodierte von Magie und innerhalb von Sekunden wimmelte es überall von kämpfenden Leibern, die in entgegengesetzte Richtungen drücken.
      Malvas versuchte sich nicht vorzustellen, dass Ana'Maera unter ihnen war. Es war besser, sich auf seine Flucht zu konzentrieren. Umres, dort würde er sie wiedersehen. Umres.
      Einige Minuten verharrte er in seinem provisorischen Versteck, dann begann er mit der Hilfe des Unterholzes seinen weiteren Weg. Dass er dabei seine Illusionen aufrecht erhielt und sie den Sträuchern und Blättern um sich herum anpasste, erwies sich als essentiell, denn die beiden Elfen von vorhin hatten keinesfalls beschlossen, ihre Suche aufzugeben und sich dem Kampf anzuschließen. Nein, noch immer kletterten sie durch den Wald und suchten mit ihren scharfen Augen den Boden und die Bäume ab, stets auf der Suche nach trügerischen Bewegungen. Malvas hatte sich zuletzt bei ihrer Flucht aus dem Lager so sehr angestrengt, seine Illusionen aufrecht zu erhalten, und der Preis dessen machte sich sehr schnell bemerkbar. Schweiß trat ihm auf die Stirn, seine Knochen brannten und ihm schwindelte es. Bäuchlings auf den Boden gedrückt kroch er weiter, so lange, bis er auch die Elfen nicht mehr sehen konnte.
      Da rollte er sich im Schutz von großen Wurzeln zusammen, versuchte den jetzt fernen Kampflärm zu ignorieren und viel in einen tiefen, aber unruhigen Schlaf. In seinen Träumen lag er neben Ana'Maera, sie zusammen lagen in einem Bett und er hatte nichts anderes vor, als sich zu der Elfe zu lehnen und sie zu küssen; aber jedes Mal, wenn er sich zu ihr neigte und ihre Lippen sich fast berührten, platzte der Traum. Er träumte ihn immer und immer wieder und als er irgendwann aufwachte, konnte er sich fast einbilden, Ana'Maeras Geruch in der Nase zu haben.
      Die Kampfgeräusche waren bei seinem Aufwachen verstummt. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte und wollte es auch gar nicht wissen. Umres war für ihn wichtig. Er streckte seine schmerzenden Gelenke und machte sich auf den weiteren Weg.

      Bis nach Umres sollte es nur eine Woche sein, aber Malvas benötigte einen ganzen Monat. Als Einzelgänger hatte er sich nie sehr gut durchgeschlagen. Er fand kein Wasser, aß von vergifteten Beeren, wurde von Wölfen aufgespürt und wanderte fast in die Arme einer gewöhnlichen Bandentruppe. Sein Dolch kam zweimal zum Einsatz und jedes Mal musste er viel einstecken, um seinen Widersache zu erledigen. Tagein tagaus war er in Benutzung seiner Illusionen und das zehrte an ihm, wie es das noch nie zuvor getan hatte. Er war müde, erschöpft und vermisste Ana'Maera. Er vermisste sie mit seinem ganzen Sein. Früher einmal war ihre Anwesenheit lästig gewesen, aber jetzt hätte er sich nichts besseres vorstellen können. Wenn er es doch nur geschafft hätte, sie zumindest in seinen Träumen zu küssen.
      Als er in Umres schließlich auftauchte, hatte er seinen einstigen Schneid zurückgelassen und war vorsichtig geworden. Er stolzierte nicht mit erhobenem Haupt in die Stadt hinein, bestahl die Wachen und trickste im nächsten Zug die Ladenbesitzer aus; er verharrte lange Zeit vor den Stadttoren und schlich sich schließlich mithilfe seiner Illusionen ein. Von dort an musste er nur noch Ana'Maera finden. Blieb nur zu hoffen, dass sie die ganze Zeit auch auf ihn gewartet hatte.
    • Neu

      Die Schlacht - denn diesen Titel hatte der Kampf durchaus verdient - war ein Zusammenprall von Naturgewalten. Mit voller Kraft taten sich beide Seiten gegenüber.
      Windelfen wie Ana'Maera hatten ein akrobatisches Geschick, um sowohl magischen, als auch physischen Angriffen auszuweichen. Sie waren schnell und präzise. Dafür fehlte es ihnen an Kraft, doch die Elfe setzte die Dämonen mit schnellen Hieben außer Gefecht. Um sparsamer mit ihrem Manahaushalt umzugehen, ging sie in den Nahkampf. In einer Hand das Kurzschwert und in der anderen ein Dolch.
      Neben ihr kämpfte ein Elf mit einem Dämonen, die sich unerbittlich mit den Schwertern schlugen. Im gleichen Zug, wie sie ihr Schwert aus dem Magen eines Dämons zog, vollführte sie eine Drehung und schlug dem Dämonen damit die Beine weg. Er landete auf seinem Rücken und einen Augenblick später durchbohrte ihn das Schwert des Elfen. Dieser stürzte sich auf den nächsten Gegner, ebenso wie Ana'Maera.

      Diese Elfe konnte an nichts anderes denken, als jeden zu töten, der sich ihr in den Weg stellte. Sie hatte es auf Kasran abgesehen und versuchte zu ihm zu gelangen, doch sie hatte ein Versprechen gegeben, dass sie dazu zwang, achtsamer zu sein. Sich nicht nur auf diesen einen Dämon zu konzentrieren.
      Und dann erregte etwas ihre Aufmerksamkeit. Da sie noch nicht tief genug in die Formation der Dämonen eindringen konnte, sah sie einen Reiter, der sich aus dem Kampf zurückzog. Kasran? Wer auch immer das war - die Wahrscheinlichkeit, das sich in diesen Händen der Ätherionstein befand, war groß. Seine Mitstreiter setzten viel daran, dass ihm niemand nacheilen könnte. Doch Ana'Maera brauchte kein Pferd, wenn sie noch ausreichend Manareserven hatte. Und diese hatte sie sich genau für einen Moment wie diesen aufbewahrt. Dank ihrer Windmagie könnte sie einen Moment lang mit einem Pferd mithalten, doch sie entfernte sich kaum von der Masse als ihr etwas in den Sinn kam: Täuschung. Durch Malvas wusste sie, das nicht immer alles so war, wie es auf den ersten Blick aussah. Dieser Dämon hatte den Stein nicht bei sich, er war nur eine Ablenkung.
      Also blieb sie abrupt stehen, geriet ins Stolpern, da bei dieser Vollbremsung ein gleißender Schmerz von ihren Füßen durch ihren ganzen Körper zog. Sie fing sich schnell und blickte zurück zum Heer, als ihr Blick am Wald hängen blieb. Dem Teil, der hinter den Dämonen lag und somit gerade kaum erreichbar für die Elfen. Selbst der schwächste Dämon könnte sich auf diese Weise davonschleichen.
      Ana'Maera hetzte also in den Wald. Hauchdünne Äste peitschten über ihr Gesicht und ihre Arme, mit denen sie versuchte ihre verbrannten Wangen vor diesem Schmerz zu bewahren. Es brauchte ein paar Minuten doch dann fand sie einen Dämonen, der durch das Unterholz rannte. Sie holte auf und warf ihren Dolch mit fast so beeindruckender Geschwindigkeit wie ihre Pfeile flogen und kurz darauf fiel der Flüchtling mit diesen zwischen den Schulterblättern ins Gebüsch. Die Elfe ließ sich neben ihn fallen und durchsuchte seine Taschen, bis sie den Beutel in ihren Händen hielt. Misstrauisch blickte sie hinein und atmete erleichtert auf, als er tatsächlich in jenem Beutel steckte.

      Allerdings wurde sie bemerkt und weitere Dämonen hatten sich vom Heer abgekapselt, um ihr zu folgen. Sie sprang auf und blickte in die Richtung, aus dem die Schritte kamen.
      Sie könnte wegrennen, doch ihr Mana war erschöpft. Oder sollte sie kämpfen? Möglicherweise waren starke Magier unter ihnen, denen sie allein nicht mehr gewachsen wäre.
      Tarnung.
      Wenn Malvas doch nur hier wäre, doch sie hoffte inständig, dass er auf dem Weg nach Umres war.
      Schnell riss sie den Umhang vom leblosen Körper des Dämonen und lief weiter. Sie musste Entfernung zwischen sich und ihren Verfolgern bringen. Dann entdeckte sie ihre Chance. Hastig sprang sie beinahe schon in eine Schlammgrube und wälzte sich gemeinsam mit dem Umhang darin, um diesen über sich zu werfen in der Hoffnung, dass er sie ausreichend tarnen würde.
      Sie verharrte, atmete konzentriert und rührte sich nicht. Schritte näherten und gingen nur haarscharf an ihr vorbei.
      Erst als die Schritte verstummten, kam sie unter dem Umhang hervor und lief weiter. Die Richtung war vorerst nicht so wichtig, die Baumkronen versperrten ihr die Sicht auf den Himmel und sie musste nur möglichst weit weg vom Schlachtfeld, auf dem gerade etliche ihrer Artgenossen ihr Leben ließen.

      Malvas war entkommen. Er musste einfach entkommen sein.
      Sie hatte doch gesehen, wie er sich auf den Boden geworfen hatte. Nur flüchtig, aber sie hatte ihn gesehen! Immerzu hatte sie zwischen all den Elfen versucht hindurch zu blicken, um sich zu vergewissern, dass er noch da war. Als der Kampf begann, musste er die Chance genutzt haben. Er musste einfach. Er war doch ein Meister der Illusionen.


      Seit Tagen lief Ana'Maera durch die Wälder. Inzwischen wusste sie auch, in welche Richtung sie gehen musste, um nach Umres zu gelangen. Sie zwang sich zu jeden Schritt und stoppte schließlich an einem Fluss, um gierig davon zu trinken und ihr Gesicht zu waschen, das sich nur schmerzhaft vom festgetrockneten Schlamm trennen wollte.
      Keuchend blickte sie in das Wasser und schöpfte erneut mit beiden Händen heraus, um ihr Gesicht zu säubern, während sie die Zähne zusammenpresste. Der Schmerz ihrer Füße zog bei jedem Schritt durch ihren Körper, als würde jede ihrer Verbrennungen in einem Takt pochen. Sie trank, sie wusch sich und dann suchte sie sich einen kleinen Vorsprung, um sich unter diesem zusammenzurollen und kurz zu ruhen.

      Sie schlief ein und wachte auf, als eine feuchte, grunzende Nase ihre Stirn berührte. Erschrocken blickte sie das Wildschwein an. Bei ihrer ruckartigen Bewegung quiekte es auf, dann fiel es schon zu Boden, weil Ana'Maera instinktiv ihre Klinge in dessen Hals gerammt hatte. Ihr Magen hing ihr in den Kniekehlen und sie könnte sich mit diesem Tier ein Festmahl zubereiten, doch sie hatte weder die Zeit, noch durfte sie das Risiko mit einem Feuer eingehen. Also suchte sie sich Beeren und Pilze, mit denen sie ihren Magen zumindest etwas füllen konnte.
      Mit den ihr zur Verfügung stehenden Manavorräten begann sie ihre Füße zu heilen, damit der Weg nach Umres erträglicher sein würde. Dies dauerte ein paar Stunden, da sie neben den Verbrennungen noch viele Schnittwunden auf ihrem Weg abbekommen hatte. Anschließend ging sie weiter. Weiter Richtung Umres. Doch sie war schwach. So schwach wie in Calanin. Sie schleppte sich voran und ging letztendlich auf die Knie. Ihr Brustkorb schmerzte. Ihre Lunge. Alles. Mehr Heilung war nötig, doch sie musste sich ihr Mana einteilen.
      Aber sie brauchte ein sicheres Versteck.
      Erst als sie einen Baum fand, unter dessen Wurzeln eine kleine Höhle lag, beschloss sie sich weiter auszuruhen. Sie kroch in die Höhle und kauerte sich zusammen. Noch nie hatte sie eine Verletzung von innen heraus geheilt, aber sie versuchte sich einfach diese vorzustellen und nach und nach zu reparieren. 3 Tage blieb sie unter diesem Baum. Ohne Essen, aber mit Regenwasser, das gelegentlich an der Baumrinde entlang zu ihr gelangte.
      Ihre Heilung war noch nicht vollständig vollzogen, aber zumindest konnte sie wieder frei atmen. Länger durfte sie nicht bleiben. Die äußeren Wunden mussten warten.

      Weitere 3 Tage vergingen, denn sie kam nur langsam voran. Sie wusste nicht, ob sie geradewegs in das Gebiet der Dämonen marschierte und konnte sich auf der freien Fläche, die ihr nun bevor stand, nicht verstecken. Malvas hätte es gekonnt, aber nicht sie. Sie war auf diesen weiten Wiesen so auffällig wie die Sonne am Himmel.
      Deshalb zog sie sich vorerst in einem kleineren Loch als zuvor zurück. Es stank, wie das Klo eines Tiers. Es war dunkel und feucht. Hier konnte sie aber immerhin weitere Wunden heilen. Sie war erschöpft und schlief einen ganzen Tag, denn als sie aufwachte, ging die Sonne gerade unter, obwohl der Mond bereits am Himmel stand, als sie eingeschlafen war. Also nutzte sie noch diesen Abend, um die restlichen Wunden zu schließen.


      Ana'Maera hatte es geschafft. Sie konnte die Umrisse einer Stadt am Horizont erkennen. Fast 2 Wochen war sie unterwegs. Malvas war sicher längst dort.
      Problemlos gelangte sie in die Stadt, denn sie war eine Elfe. Elfen waren vertrauenswürdig. Man empfahl ihr sogar ein Gasthaus, zu welchem sie sich unverzüglich begab. Vielleicht wurde dies auch Malvas empfohlen? Doch von ihm war keine Spur zu sehen.
      Die Elfe hatte kein Geld, also stahl sie sich in einem Moment, in dem niemand hinsah, ein Leinenhemd und einen Rock von einer Wäscheleine, die sie nach einem ausgiebigen Bad anzog. Um ihr Essen und das Zimmer zu bezahlen, bot sie dem Wirt ihre Dienste an. Der Nachteil war, dass sie während ihrer Schicht im Gasthaus, während sie Trunkenbolde bediente, nicht nach Malvas suchen konnte. Umres war größer als Calanin. Fahrende Händler kamen an jedem Tag hier an oder brachen in die nächste Stadt auf. Keira hätte diese Stadt gefallen, doch diese hatte sie bei den Elfen zurückgelassen.
      Morgens, wenn sie nicht arbeiten musste, suchte sie jeden Winkel ab, doch sie fand ihn nicht. Sie hörte auch nichts von einem Dämonen. Der Schmerz, der sich in ihrem Inneren ausbreiten wollte, konnte sie nicht akzeptieren. Sie konnte nicht akzeptieren, dass Malvas nie hier auftauchen würde. Er hatte es versprochen. Bisher hatte er all seine Versprechen eingehalten. Es war doch ein Versprechen, oder? Es klang wie eines.

      Und so zogen sich die Tage der Elfe hin. Noch immer hielt sie jeden Morgen Ausschau nach dem Dämonen und half am Nachmittag und Abends im Gasthaus aus. Dafür bekam sie Essen, ein Bett und auch ein einfaches Kleid. Röcke war sie nicht gewohnt, da sie immer nur Hosen getragen hatte. Diese waren zum Kämpfen einfach praktischer. Der Bogen wurde auf ihrer Flucht beschädigt und das Kurzschwert lag in ihrem Zimmer unter der Matratze. In diesem Kleid sah sie beinahe aus wie jede andere Frau auch. Beinahe. Denn ihre Ohren passten nicht zu dem Antlitz einer solchen Frau und das Lächeln, zu dem sie sich immer zwang, passte nicht zu einer Elfe. Die Menschen glaubten, sie hätte sich einfach angepasst, um als Bedienung freundlicher zu wirken.
      In diesen zwei Wochen hatte sie jedoch mehr über Menschen gelernt als während ihrer gesamten Reise mit Malvas. Sie verstand, wieso Menschen weinten und sie wusste, warum Menschen lachten. Worüber sie sich freuten und worüber sie sich ärgerten. Nachts, wenn sie den Ätherionstein, den sie unter ihrem Rock versteckte, ansah, musste sie an die unterschiedlichsten Erlebnisse mit Malvas denken. Wenn sie sich sein unverschämtes Grinsen vorstellte, musste sie lächeln. Aber wenn sie sein Gesicht sah, als sie von Kasran gefangen wurden, dann musste sie weinen. Menschen nannten dieses Gefühl 'Vermissen'. Sie vermisste Malvas. Er wollte sie in Umres wiedersehen, aber er war nicht da. War das doch nur eine weitere seiner Lügen?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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