Divided Essence [Kiimesca & Codren]

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    • Für die Elfe war sein Lachen nicht nachvollziehbar. Sie hatte lediglich eine Frage gestellt, die mehr rhetorischer Natur war. Die Antwort war ihr schon durchaus bewusst, aber sie hatte eben einfach ausgesprochen, was in ihrem Kopf herumschwirrte.
      Sie betrachtete ihn ruhig, wartete bis er sich beruhigte, auch als er erneut in Gelächter ausbrach. Wie lange konnte ein Dämon denn wegen einer einzigen Frage lachen? Würde er sich jemals wieder beruhigen?
      Während er ihr seinen Trick vorführte, wurde er ziemlich schnell ruhiger. Fast schon betrübt. War er enttäuscht oder so etwas? Hatte er etwa Selbstzweifel? Nein, das Selbstbewusstsein eines Dämons war unermesslich. Er könnte höchstens unzufrieden sein, dass er nicht mächtiger war. Ja, das musste es sein.
      Deshalb folgte sie ihm schweigend, ging ebenfalls zu ihrem Pferd, wo sie die Tasche befestigte und sah zu ihm rüber. "Ohne deine Hilfe, wäre ich nie so weit gekommen.." Das sie ohne ihn vielleicht gar nicht erst erwischt worden wäre, ließ sie außen vor. "Deine Magie hat mir sehr geholfen.." Auch wenn sie es nicht besonders begrüßte, dass er damit die Menschen betrogen hatte, so hätte sie ohne ihn sehr wahrscheinlich nichts bekommen. Außerdem wäre sie ohne seinen Nebel wohl auch gar nicht erst bis in dieses Dorf gekommen. Ja, ohne ihn wäre sie leider ganz schön aufgeschmissen.
      "Danke, Malvas. Wenn es etwas gibt, womit ich mich erkenntlich zeigen kann, dann lass es mich bitte wissen." Sicher gäbe es in Lumenar genug Gold, um ihn dafür zu entlohnen. Egal was er sich wünschen würde, würde sie es sicher einrichten können, wenn sie ein gutes Wort für ihn einlegte. Nur den Stein selbst konnte sie ihm natürlich nicht überlassen. Denn er gehörte weder ihr, noch den Hütern. Keiner von ihnen wäre dazu befugt, ihn ihm zu überlassen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Ana'Maeras Kommentar brachte Malvas dazu, zumindest eitel das Kinn zu heben. Ja, ohne seine Hilfe wäre sie niemals soweit gekommen, sehr richtig. Tatsächlich linderte ihre Aussage etwas die Enttäuschung, die sich in ihm erhoben hatte.
      "Ohne mich wärst du tot und dein Stein bei der Dämonenkönigin. Gern geschehen."
      Genauso eitel und hochnäsig schwang er sich in den Sattel, von dem aus es ihm leichter war, wieder etwas von seinem ursprünglichen Selbstbewusstsein zurück zu erlangen. Er betrachtete die Elfe und runzelte dann die Stirn.
      "Es gibt eine Sache, die du tun kannst, nämlich diesen generalverfluchten Stein in keine dämonische Hände zu legen. Wäre das was?"
      Er wandte sein Pferd um.
      "Achja, und einen Spiegel brauch ich auch noch. Einen Handspiegel. Mein alter ist in Calanin kaputt gegangen."
      Dann spornte er sein Tier an und führte den weiteren Weg.
      Sie übernachteten am selben Tag noch in der Wildnis, versteckt hinter einem Geröllhaufen, der wohl von einem ehemaligen Minenschacht kam, und am Morgen fing es dann an zu regnen. Keiner von ihnen hatte sich für Unwetter entsprechend ausgerüstet, also mussten sie das kalte Wasser ertragen, das in Strömen herab kam und ihnen unter die Kleidung floss. Malvas bestand darauf, trotzdem weiterzureiten, weil die Dämonen auch nicht ruhen würden und sie so schnell wie nur möglich nach Lumenar kommen sollten, wo es sicherlich Schutz und Sicherheit für den Stein gab. Dafür nahm er aber auch wieder die Hauptstraße, damit sie schneller vorankommen würden. So schnell würde sicherlich kein Dämon aufholen.
      Der Regen verfiel gegen Mittag in ein Nieseln und war wieder ganz verschwunden, als sie am Abend wieder ihr Lager aufschlugen. Trotzdem war es schwierig, ein Feuer zu entfachen, auch, wenn sie es beide brauchten: Ihre Kleidungen waren durchnässt und selbst Malvas, der sonst niemals eine Schwäche offen zugegeben hätte, zitterte, weil er gar nicht anders konnte. Mithilfe von Ana'Maeras Windmagie allein gelang es ihnen, ein kleines Feuer zu entzünden und sich darum herum zu drängen. Es war nicht sehr hoch, weil die Äste und Wurzeln hier überall noch feucht waren.
      Sie aßen von ihrem Proviant, als Malvas, der seine zitternden Finger still zu halten versuchte, eine winzig kleine Bewegung am Horizont entdeckte, kaum wahrnehmbar vor dem sowieso schon finsteren Nachthimmel. Er starrte eine ganze Weile darauf, versuchte zu erkennen, kniff die Augen zusammen und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es Rauch war.
      Lagerfeuerrauch. Vermutlich knapp zwei Tagesritte entfernt.
      Er schluckte herunter und sah zu Ana'Maera, ob sie es schon entdeckt hatte. Vermutlich sollten sie davon noch keine Paranoia schieben, immerhin waren in dieser Gegend viele Reisende unterwegs.
      Es machte Malvas trotzdem nervös, weil er sich kaum genug von seinen Strapazen erholt hatte, um es wieder mit Dämonen aufzunehmen. Seine Wunden waren kaum verheilt und jetzt mussten sie noch aufpassen, dass sie sich in dem Regen nicht erkälteten.
      "Ich übernehme die erste Wache. Wie viel Geld haben wir überhaupt noch? Wir sollten morgen nach einem Gasthaus suchen."
    • Offenbar war es Ana'Maera gelungen, dem Dämonen zu schmeicheln. Gut. Die Forderung mit dem Stein war immerhin offensichtlich. Aber schön, wenn es ihm ebenso viel bedeutete, wie ihr.
      Während er um einen Spiegel bat, stieg sie in den Sattel und nickte knapp. Ein Spiegel also. In der nächsten Stadt oder einem Dorf würde sie danach Ausschau halten. Wofür er ihn brauchte, hinterfragte sie auch nicht. Sie hatte ihm versprochen, ihm zu geben, was er wollte und so sollte es sein.

      Ihre Reise verlief ereignislos. Nunja, bis auf den Regen, der zwar unangenehm war, aber nichts, was die Elfe von ihrem Ziel abbringen würde. Elfen mochten durch ihre fehlende Mimik auf andere vielleicht etwas eitel wirken, doch von Eitelkeit waren sie weit entfernt. Sie waren bescheiden, gaben sich mit dem nötigsten zufrieden und hatten auch kein Problem damit im Freien zu schlafen. In ihrer Heimat hatte sie auch nur etwas Fell auf dem Boden zum Schlafen. Allerdings hatte sie in Calanin zum ersten Mal in einem Bett geschlafen. Es war ungewöhnlich, aber außerordentlich bequem.
      Bevor Malvas jedoch dieses Thema ansprach, blickte Ana'Maera starr in das Feuer, achtete darauf, dass es nicht ausging und dachte nach. Diese Zeichen gingen ihr nicht aus den Kopf. Was, wenn.. Nein, daran durfte sie nicht denken! Aber.. Wenn sie ihn benutzen könnte! NEIN! Nicht einmal, wenn sie damit nur für den Schutz des Steins sorgte? Ja, dann.. wäre es doch sicher in Ordnung.

      Die Elfe holte die verbliebenen Münzen heraus und betrachtete diese. "9 Silber.. Ist das viel?", fragte die Elfe, da sie noch immer keine Ahnung hatte, was man sich von 9 Silber alles leisten könnte. Nachdem sie die Münzen wieder eingesteckt hatte, starrte sie auf den Boden. Malvas hatte zwar gesagt, dass er die erste Wache übernehmen würde, doch nicht, dass sie sich jetzt sofort hinlegen müsste. Langsam hob sie ihren Blick und betrachtete Malvas. "Ich habe genug Kraft." Er hatte sich zwar etwas zur Versorgung seiner Wunden besorgt, doch so würde es noch eine ganze Weile dauern. In der Zeit wäre er schwächer und anfälliger. Der Regen half dabei auch nicht. Die Brandwunde an ihrer Hand hatte sie auch bereits geheilt.
      Also erhob sie sich langsam, nur um sich dann neben Malvas erneut niederzulassen. "Ich heile dich jetzt. Keine Widerrede." Elfen stellten solche Forderungen zwar nicht und handelten auch nicht gegen den Willen anderer, doch seine Wunden waren ein Hindernis für die Reise, weshalb es in ihren Augen notwendig war. Bei der Anzahl seiner Verbrennungen würde das bei ihren Fähigkeiten etwas mehr als eine Stunde beanspruchen, doch wenn er sich nicht genug erholte oder sich gar noch eine Infektion einfing, dann wäre sie womöglich auf sich allein gestellt und das konnte sie nicht zulassen. "Du musst dich ausziehen", erklärte sie, denn ihre Heilungsmagie war nicht stark genug, dass es ausreichen würde, wenn sie ihre Hand nur einfach irgendwo auflegte. Sie musste sie auf die Wunden legen und ihr Mana dadurch in seinen Körper fließen lassen.
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      - Eugene Ionesco

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    • "Kommt ganz drauf an, in welcher Welt du lebst. In meiner können wir uns davon eine Menge leisten, in deiner wahrscheinlich eher nichts. In unserer momentanen vielleicht irgendwo ein angenehmes Abendessen. Das wäre doch was?"
      Außerdem sollten sie aber so wenig wie möglich davon ausgeben, damit er irgendwo einen Wirten betrügen konnte für zwei Zimmer. Aber alles zu seiner Zeit, Malvas glaubte nicht, dass Ana'Maera schon bereit dafür war, sich dem nächsten Betrug auszusetzen. Sie schien den letzten schon kaum verkraftet zu haben.
      Er rechnete nicht damit, dass sie kurz darauf schon aufstehen, sich stattdessen zu ihm setzen würde und ihn auffordern - nein, es ihm befehlen würde, sich von ihr heilen zu lassen. Seine Überraschung traf auf Abwehr.
      "Du brauchst aber deine Kraft, für mehr solche Pfeile."
      Genauso gut hätte er wohl mit einer Wand diskutieren können. Als er es schließlich einsah, dass sie nur Ruhe geben würde, wenn er sich ihr auch fügte, seufzte er und zog sich das Hemd vom Kopf.
      Ihre Hand war kalt, als sie sie auf seine Schulter legte, dort, wo ihr eigener Pfeil ihn getroffen hatte. Er zuckte, auch wenn er mindestens genauso kalt war und wenn er sich an den Schmerz einer solchen Berührung schon längst gewöhnt hatte. Aber das hier war anders und als für einen Augenblick gar nichts geschah, merkte er, dass sich eine Nervosität in ihm auftat, die er sonst nur vom Leben auf der Straße kannte. Die Nervosität davor, sich einer unbekannten Macht zu stellen, die ihm potentiell schaden könnte.
      Er zuckte erneut, als seine Nervenenden zu kribbeln begannen und ein Schauer durch seine Wunde zog, der zwar nicht unangenehm war, aber definitiv ein Gefühl in ihm drin darstellte, das er gar nicht mochte. Seine Nervosität stieg und er musste sich auf die Lippe beißen, um sie nicht offen zu zeigen, denn wirklich, wenn einer von ihnen hier keinen Grund hatte Angst zu haben, dann war es ja wirklich er, der Dämon, der der Elfe bestimmt auch im Zweikampf überlegen sein würde. Daran hatte er gar keine Zweifel.
      Trotzdem stieg die Nervosität in ihm wie Wasser in einem Kochtopf, das langsam zu brodeln anfangen würde.
      Er fixierte seinen Blick auf Ana'Maera, weil das besser war, als einfach in die Luft zu starren und sehr viel besser, als hinabzusehen und zu beobachten, was er dort fühlen konnte. Die Wunde schloss sich, langsam, elendig langsam, und er wusste, dass das sicherlich so normal war, aber er spürte den leichten Schauer, der in ihn eindrang, immer wieder, spürte, wie er seine Nerven zum kitzeln brachte und wie er dort in ihm drin etwas verschob, was gar nicht so schnell verschoben werden dürfte. War das wirklich so richtig? War das wirklich so in Ordnung? War das so, wie das funktionierte? Er war sich nicht sicher, weil was, wenn es nicht so wäre, wenn da irgendwas schief ging, in ihm drin, wie sollte er das wieder herausbekommen, wie sollte das wieder umgekehrt werden, was, wenn noch größerer Schaden angerichtet werden würde, er wollte nicht nochmal das Gefühl haben, dass ein Pfeil ihn in die Schulter rammte, er wollte eigentlich gar kein Gefühl an der Stelle haben, er konnte sich ja nicht sicher sein, ob es wirklich so funktionieren würde.
      Schließlich packte er doch Ana'Maeras Handgelenk und zuckte vor ihr weg, panisch darüber, was sie mit ihm anstellte. Wie hatte er auch auf die Idee kommen können, sich von einer Windelfe heilen zu lassen? Wenn sie wollte, könnte sie sicher einen ihrer Pfeile herüberfliegenfliegen lassen und ihm die Kehle aufschlitzen oder sonst irgendwas. Er hatte ja noch nichtmal irgendeinen Schutz, er saß ganz ohne Oberteil neben ihr!
      Er starrte die Elfe an.
      "Was, äh... was machst du da? Ich meine, was... machst du da?"
    • Seine Ansicht darüber, dass die gleiche Anzahl an Münzen unterschiedliche Wertstellungen hatten, war sehr interessant. In der Theorie wusste sie natürlich, was Geld war und wofür man es bräuchte, aber in der Praxis wusste sie eben rein gar nichts darüber. Geld war für Elfen und sogar Hüter eben vollkommen unwichtig - sie kamen nur an welches heran, weil die Menschen sie für ihre Güter bezahlten, denn Elfen waren geschickte Handwerker, vor allem Schneider und Schmiede - alles was sie brauchten, stellten sie selbst her.
      Elfen, die in Menschendörfern lebten, könnten vielleicht mehr über den Wert wissen. Ana'Maera hatte in ihrem Leben jedoch nur gelernt, wie man Waffen führte und Magie nutzte. Um den Dämonen einen Schritt voraus zu sein, lernten sie dessen Schrift und auch, um sich bei den Menschen zurecht zu finden, eben dessen Schrift. Wobei das genauer betrachtet auch keinen wirklichen Wert hatte. Doch darüber konnte die Elfe gerade nicht weiter philosophieren, denn Malvas hatte sich ausgezogen, sodass sie ihre Hand auf die Wunde an seiner Schulter legte, die sie ihm zugefügt hatte.

      Sie konzentrierte sich so sehr darauf, wie das Mana aus ihrem Körper über ihre Hand in seine Wunde strömte. Wie es sich dort an das verletzte Gewebe setzte und alles, was beschädigt war - selbst Muskeln und Knochen könnte man heilen, wobei Knochen natürlich viel mehr Aufwand waren - sich allmählich regenerierte. Diese Wunde stellte somit also die größte Herausforderung an Malvas dar, denn Brandwunden waren relativ leicht zu heilen. Bei dieser Wunde musste erst mal das Fleisch wieder zusammenwachsen. Wenn sie seine Muskeln getroffen hätte, wäre seine Schulter wohl etwas unbrauchbarer gewesen, als jetzt. Er hatte also wohl Glück im Unglück. Dennoch wusste sie, dass es ein seltsames Gefühl war, wenn sich das Mana eines Fremden im eigenen Körper manifestierte, um alles zusammenzusetzen.
      Ihr Blick war starr auf ihre Hand gerichtet, da es für sie nicht so leicht war, das Mana auf diese Weise abzugeben. Viele Elfen beherrschten Heilmagie, aber nur wenige hatten sich damit ausreichend beschäftigt, um als Wunderheiler zu gelten. Sie wurden mit der Zeit besser, je öfter sie sie anwendeten. Unter Menschen kam das öfter vor, als unter Elfen.

      Als Malvas ihr Handgelenk ergriff, sah sie ihn etwas überrascht an. Hatte er vor irgendetwas Angst? Oder fühlte es sich unangenehm an? Seine Frage, was sie da machte, war etwas verwirrend. Wollte er von ihr die Wirkung von Heilmagie wissen? Wollte er einen Vortrag darüber hören, wie genau Heilmagie wirkte? Wozu?
      "Was meinst du? Ich heile deine Wunden von innen heraus.. Ich bin nicht so gut darin, deswegen dauert es leider ein wenig.." Das könnte es sein. Dämonen waren nicht gerade für ihre Geduld bekannt. Dauerte es ihm zu lang?
      "Wurdest du noch nie geheilt?" Vielleicht störte ihn dieses unbeschreibliche Gefühl. Beherrschten Dämonen überhaupt Heilmagie? Nicht, dass sie wüsste.
      Oh.. oder misstraute er ihr? Ihr - einer Elfe? Dämonen konnten weder sich selbst, noch Menschen trauen. Das sie den vertrauenswürdigsten Geschöpfen also auch nicht vertrauen konnten, war eine logische Erklärung. Ja, das musste es sein.
      "Vertrau mir..", sagte sie, so wie er es schon einige Male zu ihr gesagt hat, obwohl ein Dämon kein Vertrauen verdient hatte. Um zu beweisen, dass von ihr keine Gefahr ausging, legte sie all ihre Waffen beiseite.
      "Ich brauche dich.. Ich möchte nur, dass du wieder zu Kräften kommst und das du nicht krank wirst." Elfen und Dämonen waren zwar robuster, aber auch nur unsterblich, wenn sie nicht verwundet oder von Krankheiten befallen wurden. Sie erholten sich schneller und waren weniger anfällig, aber auch sie könnten daran sterben, wenn sie unachtsam waren.
      Ana'Maera sah ihm in die Augen und wartete darauf, dass sie weitermachen dürfte. Auch wenn sie ihn nicht dazu zwingen könnte, aber ihr war das sehr wichtig. "Darf ich?"
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      - Eugene Ionesco
    • Malvas zog die Stirn in Falten. Wenigstens hatte Ana'Maera jetzt aufgehört, denn das merkwürdige Kribbeln in seiner Schulter verpuffte, als sie zu ihm aufsah, aber dafür schien sie nicht zu verstehen, was er meinte. Zum Glück verstand sie aber auch nicht, was gerade in Malvas vor sich ging.
      Er holte einmal tief Atem und zwang sich seine Ruhe zurück, bevor er den Kopf schüttelte.
      "Ich wurde noch nie geheilt, nein. Wir haben sowas nicht und alle Elfen, denen ich begegnet bin, habe ich umgebracht."
      Bei Ana'Maeras Gesicht, das kaum mehr zeigte als sonst, von dem er sich aber ganz sicher war, dass es so etwas wie Entsetzen darstellen mochte, zuckte er die Achseln.
      "Entweder sie oder ich, oder nicht?"
      Er konnte aber nicht behaupten, dass ihm das Gefühl gefallen würde. Es war zu... intim für seinen Geschmack. Er fühlte sich zu verletzlich, so neben Ana'Maera, die ihre merkwürdige Magie in ihn hineinzwängte. Würden es Kräuter und Bandagen nicht tun? Er hatte doch bisher auch alles überlebt?
      Er beobachtete sie weiterhin wachsam, auch, als sie ihm versicherte, dass er ihr vertrauen könnte, was wohl auch der Fall war. Sie hatte bisher genug Gelegenheiten gehabt ihn umzubringen, so wie er auch genügend Gelegenheiten gehabt hatte. Aber sie trotzdem so in seinen Körper lassen?
      Er biss die Zähne zusammen. Er starrte sie an und die Elfe starrte zurück, unbewegt, ausdruckslos. Sie wartete auf eine Antwort und im selben Moment, als er gerade auf den Gedanken kam, einfach gar nichts zu sagen und abzuwarten, was sie dann tun würde, wurde ihm bewusst, dass sie nichts tun würde, bevor er es ihr nicht gestattete. Wenn es nach ihr ginge, könnte sie vermutlich die restliche Nacht hier sitzen, auf Malvas' Antwort warten und gar nichts tun, bis sie sie nicht gehört hatte. Wenn Malvas in ihrer Position gewesen wäre, hätte er vermutlich trotzdem seine Magie weitergezogen. Was hätte sie schon dagegen unternehmen können?
      Aber Elfen waren nunmal nicht so. Und bevor ihr Starrwettbewerb sich noch allzu weit ausdehnen würde, seufzte er und stählte sich innerlich.
      "Okay. Mach weiter."
      Er ließ sie los und Ana'Maera legte die Hand wieder auf. Er versuchte es damit, die Augen zu schließen, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber damit konnte er den merkwürdigen Schauer und das Kribbeln nur umso deutlicher spüren. Es tat auch weh, irgendwann, als er glaubte, dass das Fleisch sich soweit regeneriert hatte, dass es sich jetzt mit der anderen Seite zusammenzog. Da öffnete er doch lieber wieder die Augen, starrte die Elfen an und bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen.
      Seine Wunde verschloss sich und ihre Hand wanderte weiter zu seiner Brust, eine federleichte Berührung auf seinen Brandblasen, die ihn trotzdem zusammenzucken ließ. Aus irgendeinem Grund tat es hier mehr weh und er stöhnte gepresst, während er die Hände in den Boden drückte. Ana'Maera ließ sich davon aber nicht aus der Konzentration reißen und er hängte sich daran, bevor er wieder von ihr wegzucken würde. Er vertraute ihr, oder nicht? Irgendwie vertraute er ihr.
      Ihre Hände wanderten über seinen Oberkörper und irgendwann waren tatsächlich alle Wunden verschwunden, ohne Narben zurückzulassen. Fasziniert starrte Malvas an sich herab und begutachtete die makellose Haut.
      "Das ist... wow. Echt nützlich."
      Er sah wieder zu der Elfe auf und brachte ein Grinsen zustande, auch wenn er noch höchst nervös war.
      "Heißt das, ich kann mich in Zukunft abstechen lassen und du wirst mich so schnell wieder zusammenflicken?"
    • Ana'Maera wartete und rührte sich dabei nicht. Sein Geständnis, alle Elfen bisher umgebracht zu haben, schockierte sie in gleichem Maße, wie es sie gar nicht verwunderte.
      Sie oder ich.
      Da war etwas wahres dran, denn so dachte auch sie, als sie ihm gegenüber stand. Dennoch sagte sie nichts weiter und wartete. War es doch nicht sein Misstrauen, dass ihn zögern ließ? Vielleicht war es sein Stolz? Würde er lieber die Folgen in Kauf nehmen, anstatt sich heilen zu lassen? Warum? Die Chance war vielleicht nicht groß, aber er könnte auch daran sterben.
      Jedenfalls würde sie weder weitermachen, noch ihr Angebot zurückziehen, solange er weder ja noch nein sagte.

      Irgendwann gab Malvas jedoch nach und so setzte die Elfe ihr Werk fort. Eine Wunde nach der anderen, bis keine mehr übrig war. Sie beobachtete, wie er sich betrachtete und.. 'wow. Echt nützlich'? Sie blinzelte und legte ihren Kopf leicht schief. Nur weil sie ihn heilen konnte, sollte er nicht unachtsam sein.
      Sie hob ihre Hand und schnipste gegen seine Stirn. Warum wusste sie auch nicht genau. Sie hatte in Calanin auf dem Markt eine Mutter gesehen, die dies bei ihrem Sohn gemacht hatte, als er etwas leichtfertiges gesagt hatte und sie ihn nach dem Schnipsen belehrte. Deshalb dachte sie, es könnte hier angemessen sein, da Dämonen den Menschen oft ähnlicher waren, als die Elfen.
      "Ich bin eine Hüterin, keine Heilerin. Meine Heilmagie ist ganz nützlich, aber nicht allmächtig. Wenn deine Organe verletzt werden, kann ich das nicht heilen. Also pass lieber auf, ja?"
      Er würde sicher auch nicht den Schmerz ertragen wollen, der mit der Verletzung verbunden war, oder doch?
      "Ich gehe jetzt schlafen..", informierte sie ihn und rutschte von ihm weg, um sich auf der Seite liegend klein zu machen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Malvas zuckte weg, weil Ana'Maera ihm doch tatsächlich gegen den Kopf schnipste - gegen den Kopf! Ungläubig starrte er sie an.
      "Au! Warum das denn?!"
      Er rieb sich die Stelle, die weniger von der eigentlichen Berührung schmerzte, sondern davon, dass die Elfe sich zu so einer Tat hatte verleiten lassen, und verzog das Gesicht.
      "Keine Organe also. Schon verstanden."
      Immernoch Grimassen schneidend sah er dabei zu, wie sie wegrutschte, um sich auf den Boden einen angemessenen Platz zu suchen. Er beobachtete sie, bis sie sich auf dem Boden zusammengerollt hatte und ganz anscheinend keine Anstalten machte, wieder aufzustehen, bevor er wieder an sich herab sah und voller Faszination seine makellose Haut betrachtete. Das war wirklich, wirklich praktisch.
      Die Nacht verlief ruhig bis auf fernes Wolfsgeheul, das Malvas nervös stimmte. Er weckte Ana'Maera auf, damit sie weiterkämen, und verwischte ihre Spuren.
      Über die nächsten zwei Tage kam der Rauch vom Horizont näher. Malvas war sich ziemlich sicher, weil es anfangs noch gänzlich in der Entfernung lag und am nächsten Abend schon ein Stück weiter vorne war. Am Abend darauf wieder. Und als es am dritten Abend sogar so nah war, dass er vermutete, dass sie kaum ein Tagesritt voneinander trennte, machte er die Elfe darauf aufmerksam.
      "Es könnte natürlich auch ein riesen Zufall sein - immerhin liegt in die Richtung die Grenze. Aber vielleicht ist es auch keiner."
      Sie hatten an diesem Abend wieder ihr winziges Lager aufgebaut, aber Malvas verspürte keinen Drang dazu, sich irgendwie zu entspannen. Eigentlich war er sogar recht nervös.
      "Hast du nicht irgendeinen coolen Elfentrick parat, um herauszufinden, wer die sind? Vielleicht sind es ja nur ein paar Menschen. Mit Menschen werde ich fertig."
    • Da die Elfe noch nie auf Reisen war, konnte sie ihr Vorankommen nicht einschätzen. Kamen sie gut oder eher schlecht voran? Wie lange würde es noch dauern, bis sie in Lumenar ankämen? Wie weit war diese Rauchquelle wirklich entfernt, die sie schon am ersten Abend bemerkt hatte. Doch im Gegensatz zu Malvas ließ sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Elfen wurden nicht nervös. Bis auf das eine Mal, als Ana'Maera nicht wusste, wie sie weiter mit dem Stein verfahren sollte und gegen die Neugier ankämpfte.
      Doch jedes Mal, wenn Malvas schlief, betrachtete sie den Ätherion-Stein, schrieb die Zeichen in den Sand und dachte immer wieder darüber nach, was sie bedeuten könnten. Eines davon hatte sie schon entschlüsselt, da an dieser Stelle nur die 3 Sprachen der Rassen aufeinander zu liegen schienen. Das Zeichen der Menschen, der Dämonen und Elfen, welches die gleiche Bedeutung hatte: Gott. Zufall? Oder hatte sie die Zeichen tatsächlich entschlüsselt?
      Könnte man also tatsächlich zu einem Gott werden, wenn man die 5 Steine zusammenfügte? Hatten die Menschen die Entstehung der Elfen und Dämonen nun versehentlich oder absichtlich bewirkt? Allerdings wischte sie die Zeichen immer weg, bevor sie Malvas weckte. Sie waren etwas schwerer in Einzelteile zu brechen, da sie vielen Zeichen und Runen ähnelten, die man daraus bekommen könnte. Doch sie war sich ziemlich sicher, dass keine der Linien mehr als einmal genutzt werden dürfte, wie bei dem Wort zuvor. Die ergaben jedoch keinen Sinn, denn egal wie sie sie aufteilte, es kam nie dieselbe Bedeutung heraus, wie bei dem ersten. Hatte sie also einen Fehler gemacht oder steckte da mehr dahinter, als nur ein richtiges Wort? Sollte sie sich das erste Wort noch einmal anschauen und prüfen, ob es auch in andere Schriftzeichen oder Runen teilbar war?

      Als Malvas sie auf den Rauch aufmerksam machte, blickte sie unbeeindruckt in die Richtung und blieb ruhig. Dann fragte der Dämon nach irgendeinem coolen Elfentrick. So etwas gab es nicht. Was stellte er sich denn vor? Ihr Blick suchte den Wald ab, besser gesagt, die Bäume, bis sie den höchsten davon fixierte.
      "Wie weit ist es weg?", fragte sie nach. Kaum einen Tagesritt? Ohne ein Fernglas könnte man also keine winzige Gestalt aus dieser Entfernung sehen. Das war gut und zugleich schlecht.
      Sie würde ihr Vorhaben allerdings nicht als coolen Elfentrick bezeichnen. Jeder, der Windmagie gut genug beherrschte, könnte das.
      "Ich werde mal nachsehen..", sagte sie, als wäre es das normalste der Welt in eine solche Entfernung, durch die Wälder zu sehen. Nach dem sie sich ein paar Schritte von dem Baum entfernt hatte, wandte sie sich diesem wieder zu und atmete tief durch. Die richtige Atmung war enorm wichtig beim Wirken von Windmagie. Mithilfe dieser konnte sie schneller laufen, als gewöhnlich, weshalb sie so viel Anlauf brauchte.
      Plötzlich lief sie los, genau auf den Baum zu, den sie mit den kleinen Klingen in ihren Stiefeln auch problemlos erklimmen konnte. So begaben sich die Bogenschützen eigentlich eher in sichere Positionen, von wo aus sie ihre Feinde mit Pfeilen beschießen konnten, aber das bedeutete ja nicht, dass man es nicht auch anders nutzen könnte.
      Doch sie hielt nicht an dessen Spitze, denn der Baum war vermutlich nicht hoch genug, dass sie etwas sehen könnte. Und so sprang sie im letzten Moment in die Luft, einige Meter über den Wald hinweg. Ihre Handflächen waren nach unten gerichtet, sodass man durchaus erkennen konnte, dass sie sich nicht nur mit den Füßen abgestoßen hatte. Die nahen Baumkronen raschelten vermehrt im Wind, doch der Wald vor ihnen erstreckte sich noch einige Meilen.
      Damit - wer auch immer dort hinten war - sie nicht sehen konnte, musste sie die Entfernung wissen. Sollte jemand zufällig in ihre Richtung schauen, sollte sie nicht mehr als ein Punkt, wenn überhaupt und schon gar nicht als Elfe zu identifizieren sein. Ana'Maera hingegen konnte so feststellen, woher der Rauch genau kam.
      Elegant und leichtfüßig, landete sie dank der Windmagie und ihres Umhangs, den sie kurz vor ihrer Ankunft wie einen Fallschirm benutzte, unversehrt vor Malvas auf dem Boden. "Es sah aus wie ein Turm. Hilft dir das weiter?" Vermutlich ein Grenzturm. Ob dort Menschen, Dämonen oder Elfen waren, konnte sie natürlich nicht sehen.
      "Wir sollten ihn umgehen, oder?" Das wäre zwar ein Umweg, doch ihre Sicherheit war wichtiger, als die Zeit, die sie brauchten. Solange der Ätherion-Stein in ihrem Besitz war, mussten sie nichts befürchten. Sich unnötigen Gefahren auszusetzen wäre also unklug. Immerhin könnten Dämonen die Kontrolle an sich gerissen haben und denen wollten sie besser nicht begegnen.

      "Wo befinden wir uns gerade?", wollte sie wissen und breitete die Karte auf dem Boden aus, die sie in dem Dorf gekauft hatte. Sie betrachtete den Waldabschnitt und den Verlauf der Grenze, vor der sie sich befanden.
      "Wir könnten hier hin gehen..", meinte sie und legte den Finger auf die Karte, sodass er auf den Wald zeigte, der 2 bis 3 Tage entfernt war. Wie lange sie dafür bräuchten, wusste sie zwar nicht, aber dort lag einst ein Dorf von Hütern. Möglicherweise könnten sie dort noch etwas brauchbares finden. "Dort liegt I'renios. Eines unserer Verstecke, allerdings wurde es vor 30 Jahren angegriffen und aufgegeben." Sobald eines ihrer Dörfer gefunden wurde, konnten sie dort kein zweites Mal Schutz suchen, da die Dämonen dort jederzeit auftauchen könnten. Dämonen..
      "Nein, lieber nicht..", verwarf sie ihren Einfall gleich wieder. Es war zu riskant, dass die Dämonen, die nach ihr suchten dort nachsehen würden. "Wir sollten in die andere Richtung reiten, oder?", fragte sie Malvas, da er schließlich der Navigator war und sah ihn erwartungsvoll an.
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    • Sie würde mal nachsehen? Nachsehen?
      Malvas starrte Ana'Maera ungläubig an, während die sich schon auf den Weg machte, als würde sie mal eben so nach vorne gehen, um nachzusehen. Dafür drehte sie sich ein paar Meter weiter wieder um, atmete einmal kurz durch und sprintete dann auf den Baum zu. Malvas fiel die Kinnlade herab, während er schon vor seinem geistigen Auge dabei zusah, wie die Elfe der Länge nach gegen den Stamm knallte.
      "Hey, meinst du nicht..."
      Seine Worte gingen unter bei dem Sprung, den sie ablegte und der sie ein ganz Stück nach oben katapultierte, bevor Klingen in ihren Stiefeln, die Malvas bis dahin gar nicht entdeckt hatte, in den Stamm schlugen und ihr den nötigen Halt gaben, um von dort aus weiterzukommen. Verblüfft beobachtete er sie dabei, wie sie in wenigen Sekunden bis in die Baumkrone hinauf kraxelte und von dort aus aus seinem Blickfeld verschwand.
      Das war es also, was sie mit Nachsehen gemeint hatte. Elfen und ihre merkwürdigen Tricks.
      Er wartete, still und alleingelassen, eine Zeit, die sich anfühlte wie unendlich, während doch nur wenige Sekunden vergangen. Was genau die Elfe dort oben veranstaltete wusste er selbst nicht, aber er hielt trotzdem einen nervösen Blick Richtung Baumkrone, nur für den Fall, dass selbst die Vollkommenheit der Elfen versagte und diese hier wie ein malträtierter Vogel zu Boden gerumpelt käme. Nicht, dass er sich schon entschieden hatte, ob er sie auffangen würde. Vielleicht würde er eher warten, zusehen und sich daran vergnügen, bevor er ihr half - aber ganz besonders das wollte er nicht verpassen.
      Leider kam sie aber sehr elegant wieder herab und nahm ihm dabei den Spaß ihres Unfalls.
      "Ein Turm. Nein, keine Ahnung, den habe ich nicht im Gedächtnis."
      Er rieb sich am Kinn.
      "Könnte ein Grenzturm sein. Menschen und ihre Grenzbedürfnisse."
      Könnte aber auch ein dämonischer Turm sein und dessen Kontrollbedürfnisse. Diesen Gedanken teilte er Ana'Maera aber nicht mit, warum auch immer. Vielleicht, um sich ein bisschen schlauer als sie zu fühlen.
      Wortlos sah er auf die Karte hinab, die sie ihnen beiden präsentierte, und legte dann seinen Finger sehr genau auf eine Stelle inmitten eines Waldes, auf der sie sich gerade befanden.
      "Hier sind wir."
      Ana'Maera zeigte ihm dafür einen Unterschlupf, aber einen elfischen, den sie beide sofort verwarfen, bevor sie in die andere Richtung deutete. Aber Malvas schüttelte bereits den Kopf.
      "Hier läuft die menschliche Grenze entlang. Die dämonische Grenze ist das hier."
      Er zeigte auf einen Fleck mitten im Nirgendwo, nicht nahe einer Straße oder eines Dorfes. Dann fuhr er einer unsichtbaren Linie entlang, die er nur auswendig kannte.
      "Hier drüben ist noch der jetzige General zuständig, da vorne dann der nächste. Wenn wir den Turm umgehen, kommen wir ganz sicher in seinem Bereich raus und da herrschen vielleicht andere Zustände. Andere dämonische Zustände."
      Er sah zu Ana'Maera auf und starrte sie an, selbst auf der Suche nach Antworten.
      "Elfische Seite oder dämonische Seite. Etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig."
    • Menschliche Grenze. Dämonische Grenze.
      Warum mussten diese Rassen Grenzen errichten? Ihre Machtgier und ihr Misstrauen hatten die beiden gemein..

      Elfen hatten keine Grenzen und kein eigenes Reich. Lumenar war die einzige Stadt, in der ausschließlich Elfen lebten. Es war Menschen nicht verboten sie zu betreten, aber sie taten es einfach nie. Daher war sie noch immer vollkommen rein. Und vor allem gab es dort ein paar sehr wichtige Hüter, von denen weder die Menschen, noch Dämonen wussten. Nicht einmal die Elfen wussten davon. Lediglich die Hüter. Dort sollte man im Notfall um Rat ersuchen. Unauffällig natürlich. Ana'Maera wusste, welches Gebäude sie dort suchen müsste.

      Menschen griffen nicht grundlos an. Nicht immer. Dämonen hingegen schon. Vor allem, wenn sie eine Elfe in ihrem Reich erblicken würden. Diese Wahl war also ausgeschlossen.
      Allerdings könnten die Elfen sie für eine Abtrünnige halten, wenn sie sie mit einem Dämonen in Begleitung sähen. Eine Abtrünnige! Damit wäre sie die erste Elfe überhaupt, die eine solche Bezeichnung verdient hätte. Nein, vermutlich würden sie ihr glauben, wenn sie ihnen ihre missliche Lage erklären würde. Sicher war sie sich jedoch nicht. Elfen misstrauten nur 2 Dingen. Dämonen und den Ätherion-Steinen. Dafür wussten sie einfach zu wenig über die Steine und zu viel über die Dämonen.

      Nachdenklich betrachtete Ana'Maera die Karte. Auch wenn clevere Taktiken zur Ausbildung eines Hüters gehörten, so spielte in Fällen wie diesen einfach zu viel Glück mit.
      Wenn die Dämonen denken, dass sie nicht dumm genug wäre, sich dem Dorf zu nähern, würden sie dort nicht warten. Wenn sie aber denken, dass sie dachte, dass sie denken...
      Genau da war der Haken. Man konnte dieses Spiel ewig spielen. Daher gab es nur eine einzige richtige Entscheidung: Nicht hingehen.

      "Wir passieren die dämonische Grenze..", entschied sie sich und blickte Malvas ohne jeglichen Zweifel im Gesicht in die Augen.
      Es war einfach sicherer.
      "Wenn wir angegriffen werden, ist es unwahrscheinlich, dass Menschen mit reingezogen werden. Du wirfst dich auf den Boden und erzeugst wieder diesen Nebel. Ich kümmere mich um den Rest."
      Dämonen in Massen abschlachten, galt bei den Elfen nicht als Sünde, denn sie waren die Sünde selbst. Allerdings waren sie zu bescheiden, um dies als eine ehrenhafte Säuberung zu bezeichnen. Gewöhnliche Elfen mieden die Dämonen, während Hüter sie auch ohne Grund töten durften. Denn wenn sie es nicht täten, würden sie sterben.

      Bei dem Gedanken musste sie an Malvas' Worte denken:
      ...alle Elfen, denen ich begegnet bin, habe ich umgebracht.

      Entweder sie oder ich, oder nicht?

      Nun zeigten sich doch Zweifel in ihrem Blick.
      Malvas war zwar ein Dämon und er wollte sie ausrauben - 2 mal. Aber hatte er so ein Schicksal wirklich verdient? Einfach für seine bloße Existenz von einem Hüter hingerichtet zu werden.

      Eine halbe Ewigkeit blickte sie den Dämonen einfach nur an, ohne etwas zu sagen.

      "Ich gehe baden..", informierte sie ihn anschließend, nachdem sie sich wieder gefasst zu haben schien und ging mit dem Beutel in ihrer Hand zum nahegelegenen Fluss.
      Dort legte sie ihre Waffen nah am Ufer ab, sollten sie angegriffen werden, hätte sie sie schnell parat. Dann legte sie auch ihren Umhang grob gefaltet auf einen Stein. Die Stiefel stellte sie davor ab und zog nach und nach auch den Rest ihrer Kleidung aus, welche sie ebenfalls grob faltete und ordentlich auf den Umhang legte. In der Reihenfolge, wie sie sie ausgezogen hatte und später wieder anziehen würde.
      Danach nahm sie den Stapel und ging damit ins Wasser, um ihre Sachen zu waschen. Mit ihrer Windmagie könnte sie die Kleidung schnell wieder trocknen. Im Prinzip funktionierte ein kleiner Tornado genauso gut wie eine Waschtrommel zum Schleudern.

      Nachdem sie sich um ihre Kleidung gekümmert hatte, öffnete sie ihr Haar und fuhr mehrmals mit den Fingern hindurch, um die geflochtenen Zöpfe zu lösen. Sie wusch sich sehr gründlich und blickte dabei ins Leere.

      Erneut dachte sie darüber nach, ob es wirklich richtig war, alle Dämonen von vornherein zum Tode zu verurteilen. Wenn sie Malvas getötet hätte, wäre sie vielleicht entkommen. Vielleicht aber auch nicht. Und dann hätte sie vielleicht auch nicht den Stein zurückholen und fliehen können. Und wenn doch, wäre sie vielleicht wieder geschnappt worden, weil sie den Feuerdämonen nicht hätte töten können. Und wenn doch, dann hätte sie vielleicht kein Pferd bekommen.
      So zog sich der Gedanke mehr und mehr in die Länge und ließ nur einen Entschluss zu: Malvas hatte den Tod nicht verdient. Nicht durch die Hand eines Hüters.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Malvas wusste nicht, ob er traurig oder glücklich darüber sein sollte, dass Ana'Maera sich für die Dämonen entschieden hatte. Immerhin kannte er sich mit solchen Angelegenheiten - ganz offensichtlich - aus, aber gleichzeitig gab es auch einen Grund, weshalb er sich nicht gerne unter seine Artgenossen mischte. Aber dann war da durchaus auch die Erleichterung darüber, sich nicht in die Gefahr der Elfen zu bringen, denn wirklich, er wollte es nicht mit Wesen anlegen, die wie Ana'Maera einfach so einen Baum hinaufstürmten und die weitere Umgebung ausspähten. Da wollte er doch lieber vorhersehbarere Gegner haben, wie glatzköpfige, feuerspuckende Dämonen.
      Aber er nickte zustimmend, etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Immerhin hatte er sie gefragt.
      "Ja ja, schon klar. Nebel und du machst alle fertig. Mehr kann ich dabei wohl auch nicht behilflich sein."
      Er starrte sie an und Ana'Maera starrte zurück. Für viele, lange Sekunden, wenn nicht gar Minuten herrschte Schweigen, während keiner von beiden den Blick vom anderen abwandte. Malvas runzelte die Stirn. Die Elfe sah ganz danach aus, als würde sie noch etwas wichtiges loswerden müssen, aber sie sagte einfach nichts.
      Dann schließlich erklärte sie, sie würde baden gehen, und stand unmittelbar auf. Jetzt auch noch verwirrt darüber, was er mit dem Verhalten einer Elfe nur anfangen sollte, blieb Malvas zurück und beobachtete die Rauchfahne am Himmel.

      Sie schlugen den Umweg um den Turm ein, was bedeutete, dass sie sich für eine ganze Strecke über steinige Unebenheiten kämpfen mussten und dann eine Weile lang das Problem hatten, nicht durch dichtes Gestrüpp voranzukommen. Zum ersten Mal stellten ihre Pferde dabei ein Hindernis dar, ohne das sie sicherlich schneller vorangekommen wären. Aber hinterher würde sie wieder eine flachere Ebene erwarten, daher war es unklug, sie hier mitten im Nirgendwo zurückzulassen.
      So wie Malvas prophezeit hatte dauerte es einen ganzen weiteren Tagesritt, um den Turm erstmal zu umgehen und dann vor der dämonischen Grenze zu landen, die durch keinerlei Merkmale gekennzeichnet war. Lediglich Malvas hatte sie im Kopf, weil er ein verdammt gutes fotographisches Gedächtnis hatte und in Gedanken ihren Weg mitverfolgte.
      Allerdings bestand er auf ein Lager, bevor sie die Grenze erreicht hätten.
      "Wir müssen hier noch eine Sache klären", setzte er diplomatisch an, kaum als sie einen halbwegs sicheren Ort gefunden hatten, um ein paar Stunden zu verweilen. Mit einem kritischen Ausdruck stemmte er die Hände in die Hüfte.
      "So wirst du nicht die Grenze überqueren."
      Sein Blick wanderte zu Ana'Maeras Ohren hinauf, die einen Moment später wieder durch seine Illusion verschwanden. Das war es aber tatsächlich nicht ganz, was er gemeint hatte.
      "Das", er deutete sich selbst ins Gesicht, "muss anders laufen. Du siehst nämlich in etwa so aus." Er ließ sämtliche Gesichtsmuskeln entspannen, bis ein gänzlich neutraler Ausdruck zum Vorschein kam. "Und zwar nicht nur, wenn du unterwegs bist, sondern auch wenn du schläfst und wenn du Angst hast und wenn du dich anstrengst und wenn du dich ärgerst und wenn du misstrauisch bist. Das läuft so nicht. Wie haben für alles dafür einen Ausdruck und den musst du verwenden. Verstanden?"
      Er wusste nicht, ob Ana'Maera es verstanden hatte. Er wusste gar nicht, ob man Elfen Emotionsregungen beibringen könnte.
      "Versuch's mal. Zeig mir ein wütendes Gesicht."
    • Ana'Maera war ruhig - Nun, Elfen waren nie sehr gesprächig - aber in ihrem Kopf herrschte derweil keine Ruhe. Was Malvas gesagt hatte und wie er handelte, beschäftigte sie noch immer.
      Ob ihre Entscheidung die richtige war?
      Elfen waren rationale Wesen. Sobald sie Malvas sähen, würden sie nicht darüber nachdenken, ob er es verdient hätte oder nicht. Sie würden sich nicht von irgendwelchen Gefühlen beeinflussen lassen. Es zählten nur Tatsachen und die war nun mal, dass alle Dämonen verdorben waren.
      Sogar Malvas konnte man diese Verdorbenheit nicht aberkennen.
      Doch es gab auch Gutes in ihm. Glaubte sie jedenfalls. Müsste man ihn den Elfen gegenüberstellen, würde sie ihn mit einem Hüter vergleichen. Hüter sündigten schließlich auch in gewisser Weise, doch es war für einen höheren Zweck und somit etwas Gutes.
      Also.. das Malvas etwas schlechtes - die Täuschung der Dorfbewohner neulich - tat, um ihr, einer Elfe und Hüterin zu helfen, war doch dann auch.. etwas Gutes für diesen höheren Zweck, nicht wahr?

      Als sie am letzten Abend vor der dämonischen Grenze ihr Lager aufschlugen, begann Malvas an ihrer Erscheinung zu mäkeln.
      Er begann ihr zu zeigen, wie ihr Gesicht aussah, woraufhin - genau - nichts in ihrem Gesicht passierte. Sie sollte lernen, ihr Gesicht ihren Gefühlen anzupassen? Gefühlen, die nicht stark genug waren, um etwas in ihrem Gesicht zu regen?
      "Klingt sinnvoll..", gab sie zu und sah ihn einen Moment an.
      Wütend? Sie sollte wütend aussehen? Müsste sie dazu nicht verstehen können, wie es sich anfühlte, wütend zu sein?
      Einen Moment lang passierte nichts. Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach Menschen ab, die wütend aussahen. Ah! Die Dorfbewohner sagen wütend aus, als sie herausfanden, dass Malvas sie betrogen hatten, oder nicht?
      Also gut. Sie versuchte es. Ihre Augenbrauen zogen sich zunehmend zusammen und der Mund? Was sollte sie mit dem Mund machen? Die Mundwinkel nach unten ziehen, oder?
      "So?", fragte sie und verharrte für den Moment in dieser Mimik. Allerdings sah das alles andere als authentisch aus, sondern eher so, als wäre sie ein bockiges Menschenkind, das gerade zu hören bekam, dass es nicht bekommt, was es sich gewünscht hatte und wenn das nicht funktionierte, sich schreiend auf den Boden werfen würde.

      Für die Elfe wäre das ein ganzes Stück Arbeit. Sich die entsprechend Gesichtsausdrücke von Malvas zeigen zu lassen und zu imitieren würde sie wohl recht schnell auf die Reihe kriegen. Zu wissen, wann sie wie schauen müsste, wäre allerdings eine große Herausforderung. Wann sollte sie wütend aussehen? Wann sollte sie lachen? Und dieses selbstgefällige Grinsen, das Malvas oft zeigte?

      Und was war mit ihren Ohren? Sollten sie sich auf Malvas verlassen? Was, wenn es aufflog? Während einer kurzen Pause, öffnete sie ihr Haar und bewegte ihren Mund ein wenig, um sich überhaupt der ganzen Muskeln im Gesicht bewusst zu werden und wie sich die Nase dabei bewegte und überhaupt..
      "Glaubst du wirklich, dass wir die Dämonen täuschen können?" Es wäre ihr schon ganz recht, wenn sie sich nicht durchkämpfen müssten. Das würde Zeit und Energie sparen.
      Nebenbei begann sie ein paar Haarsträhnen über dem Ohr an den Seiten entlang zu flechten, um damit ihre Ohren näher an ihrem Kopf zu fixieren, sodass der Rest ihrer Haare darüber fallen konnte.
      "Wie sieht das aus?", fragte sie und zupfte noch ein paar Strähnen zurück, während sie ihn mit großen Augen und einem dezenten Lächeln ansah, um gleich noch weiter die Gesichtsausdrücke zu üben.
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    • Malvas hatte sich definitiv etwas anderes darunter vorgestellt, Ana'Maera Gesichter beizubringen. Was genau, wusste er selbst nicht. Jedenfalls war es nicht diese lange Verzögerung, bis sich endlich mal was an ihrer Mimik tat.
      Ihre Mundwinkel zogen sich wie mechanisch nach unten. Auch entwickelten sich ein paar Falten auf ihrer Stirn, die durchaus imposant waren, wollte man versuchen, die schrecklichste Grimasse der Welt zu ziehen. Das ganze Endprodukt sah aber nach vielem aus, nur Wut war es nicht.
      "Das, äh… ich habe ehrlich gesagt keine Worte dafür. Du siehst aus, als hättest du einen Geburtsfehler. Oder noch schlimmer."
      Das war nicht ausreichend für einen Dämonen. Selbst der dümmste Feuerdämon der Welt würde erkennen, dass da etwas nicht richtig lief und könnte Schlussfolgerungen ziehen. Vielleicht doch lieber nicht versuchen? Oder ausreichend üben?
      "Wenn wir gut sind, können wir alles täuschen, darin kannst du mir vertrauen."
      Immerhin war das sein Spezialgebiet.
      "Aber ob das gut genug sein wird… nein. Ganz und gar nicht. Einen blinden Dämon könntest du täuschen, das ist doch zumindest ein Anfang."
      Er sah dabei zu, wie sie sich kurzerhand die Haare flocht, bis die Ohren auch ohne seine Tarnung verschwunden wären - was er deshalb wusste, weil er die Täuschung mit jeder Bewegung eines einzelnen Haares anpassen musste - und sie schließlich einen anderen Ausdruck versuchte. Aber etwas daran war anders; etwas war deutlich anders. Ihre Augen wurden größer, groß und rund und stechend blau, ihre Falten lösten sich wieder auf, ihre Mundwinkel zuckte nach oben. Ihr Blick wurde ein ganz klein wenig weicher.
      Und sie war hübsch. Die Elfe war, mit diesem winzigen, minimalen Lächeln und den Haaren zu Seite geflochten, mit diesem Ansatz eines ausdrucksvollen Blickes und dem immernoch erhobenen Kopf, hübsch. Sie war hübsch.
      Malvas gaffte. Er hatte in dieser ganzen Woche, die sie schon miteinander unterwegs waren, nicht großartig darüber nachgedacht, was Ana'Maera genau war. Sie war eine Elfe, das war eine Tatsache, die alle anderen möglichen Eigenschaften gleich mit einschloss. Elfen hatten immer eine Schönheit an sich, eine Grazie, mit der sie sich ganz eindeutig von den anderen Rassen unterschieden. Aber Ana'Maera war... hübsch. Ihm fiel kein anderes Wort bei der Kurzschlussreaktion seines Gehirns ein.
      Er gaffte eine ganze Weile lang, bevor er blinzelte und glaubte, einigermaßen ertragen zu können, dass er Ana'Maera jetzt als hübsch betrachtete. Dann nickte er eifrig, überfordert von dieser Erleuchtung.
      "Ja! Ja, das ist schon besser. Sehr viel besser, wirklich. Wow. Äh. Lächeln kannst du. Das ist doch schonmal gut, nicht wahr? Ha-ha. Lass uns doch... mach doch mal... Skepsis. Mach mal Skepsis. - Ich meine, schau mal skeptisch drein. Wir müssen das trotzdem noch ein bisschen üben."
    • Malvas Schweigen und sein Blick verunsicherten die Elfe ein wenig. Naja. Sie fragte sich zumindest, ob etwas nicht in Ordnung wäre und sah ihn einfach nur unverändert an.
      Dann fand der Dämon jedoch seine Sprache wieder und schien zufrieden damit zu sein. Als nächstes Skepsis. Skepsis. Wie sah man denn skeptisch aus? Wenn sie sich nicht täuschte, müsste das der Blick mit der hochgezogenen Augenbraue sein, also zog sie eine Augenbraue hoch und versuchte diesen Ausdruck bestmöglich nachzustellen. Doch das war es irgendwie noch nicht so wirklich.
      "Mach es mir vor." Wenn sie sehen konnte, was Malvas überhaupt von ihr erwartete, könnte sie das bestimmt besser. Also betrachtete sie sein Gesicht sehr genau. Die Position seiner Augenbrauen, seiner Mundwinkel, der Ausdruck in seinen Augen.
      "Okay." Sie glaubte, verstanden zu haben, wie es aussehen müsste und versuchte das Gesehene nachzustellen, was einfacher wäre, wenn sie sich selbst sehen könnte.

      So ging das noch eine ganze Weile weiter. Anfangs schien Hopfen und Malz verloren, doch Ana'Maera bemühte sich wirklich.
      "Okay! Pass auf!", sagte sie und atmete kurz durch, ehe sie den seltsam stolzen Blick, den Dämonen am besten beherrschten, nachahmte. Gefolgt von Wut, Skepsis und diesem eigenartigen Grinsen, dass Malvas oft im Gesicht trug, wenn er sich ihr überlegen fühlte. Nichts davon war perfekt, aber schon deutlich besser als zu Beginn ihrer Lehrstunde.
      Ana'Maera wollte nicht aufgeben, bis Malvas mit ihr zufrieden war und versuchte es immer wieder und wieder und wieder. Ehrgeiz hatte sie und ihr Streben nach einer friedlichen Reise war Antrieb genug, um so ein für Elfen belangloses Wissen zu erlangen.
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      - Eugene Ionesco
    • Skepsis war schon besser - irgendwie natürlicher. Normaler anzusehen. Nicht diese gehobene, perfekte Elfenschönheit, von der Malvas für einen Moment aus dem Konzept gebracht worden war. Trotzdem konnte er nicht vollständig in die Neutralität zurückkehren, die er vorher bei Ana'Maeras Anblick verspürt hatte.
      Wie gewünscht machte er es ihr vor. Er schaute so, wie er seine Werke betrachtete, wenn er sich ziemlich sicher war, noch nicht ganz die Essenz des Stückes getroffen zu haben. Dabei studierte die Elfe ihn höchst aufmerksam, um seine Bewegungen nachvollziehen zu können.
      "Ja!"
      Als sie es dieses Mal versuchte, sah es schon fast authentisch aus. Fast.
      "Genau in die Richtung! Du siehst zwar immernoch so aus, als hättest du einen Stock im Arsch, aber es ist besser als das gerade eben."
      Er zeigte ihr auch andere Gefühlsregungen, von denen die meisten sowieso eher dämonischer Art waren. Das konnte man Ana'Maera auch deutlich ansehen, die einfach nicht den Punkt zu treffen schien, egal, wie sehr sie sich bemühen mochte. Hätte Malvas sie wie eine seiner Täuschungen betrachtet, hätte er begriffen, dass er noch nicht ganz verstanden hatte, was hinter diesen Gefühlsregungen eigentlich vor sich ging. Genau so musste die Elfe sich wohl fühlen, die sonst gar nichts verspürte.
      "Das ist besser als gar nichts. Wir üben das aber nochmal, bevor wir die Grenze erreichen. Dämonen sind skeptisch. Kannst du lügen? Bitte sag mir, dass ihr Elfen lügen könnt."
    • Ana'Maera versuchte so gut wie möglich seine Gesichtsausdrücke nachzuahmen, was ihr wohl so mittelmäßig gelang. Besser als gar nichts. Das würde sie auf jeden Fall noch üben müssen. Sie wollte diese Aufgabe meistern, damit Malvas zufrieden mit ihr sein konnte.
      Das schwierigste würde sein, zu erkennen, wann welcher Ausdruck sinnvoll wäre. Vielleicht könnte sie sich dann einfach an Malvas Gesicht orientieren.
      Dämonen waren in der Tat skeptisch. Sie vertrauten alle nur sich selbst. Wie sollte sie dieses Gegenteil von ihrem Volk nachempfinden? Das Misstrauen, dass sie Malvas zu Beginn entgegen gebracht hatte? Nur etwas mehr vielleicht.. Das sollte also noch am einfachsten für die Elfe sein. Der Rest.. nun ja.

      Auf seine Frage hin, sah die Elfe ihn eine ganze Weile an. Lügen. Nein. Elfen lügen nicht. Niemals. Doch diese Elfe schwieg und betrachtete ihn einfach nur. Ein Starrwettbewerb war zwischen den beiden nichts neues, doch Ana'Maera versuchte in sich zu gehen.
      Sie war in Begriff ihren Mund zu öffnen, zögerte jedoch und senkte ihren Blick. Lügen.. Könnte sie lügen? Ein weiterer Versuch - doch wieder nichts.
      Noch einer. "Ich.." Das war Versuch Nummer Drei, der kläglich scheiterte. Das konnte doch nicht so schwer sein!
      "Okay, okay.." Sie ging einen Moment auf und ab, ehe sie stehen blieb und Malvas voller Entschlossenheit in die Augen blickte.
      "Ich kann lügen!", log sie schlussendlich, wobei es irgendwie nach dieser Aussage gleichzeitig die Wahrheit war.
      "Ich.. bin eine fähige Hüterin, die den Ätherion-Stein in Sicherheit bringen wird. Ich habe keine Angst vor den Dämonen oder der Macht des Ätherion-Steins oder davor, dass ich nicht anders kann, als ihn jeden Tag anzusehen, wenn du schläfst und versuche ihn zu verstehen."
      Anfangs sah sie mit ernster Miene in sein Gesicht, um ihn von diesen Lügen zu überzeugen, aber sie sprach immer schneller und ihre Entschlossenheit ließ nach. Sie hatte.. Angst.. Angst davor, zu versagen. Angst davor, dass ihre Neugier ein Fehler war. ANGST. Außerdem hatte sie ihm gerade gestanden, dass sie eigenständig versuchte ihn zu entschlüsseln.. Hatte sie nun doch die Wahrheit gesagt? Reichte ein einziges Wort, um den Satz zu einer vollen Lüge zu machen? Keine. Warum war das so schwer?
      "Was.. wenn ich es nicht schaffe.. Was.. wenn wir gefunden werden...?", fragte sie leise und etwas verunsichert.
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    • Wieder kam der Moment, wo Ana'Maera einfach nur starrte, ohne etwas zu tun. Sie blinzelte nicht einmal, wie Malvas unruhig feststellte, während er sich ihrem Blick stellte. Woran dachte sie? Worüber dachte sie nach? Etwa nicht, wie man lügen mochte, richtig? Bei allen Generälen, bitte lasst sie nicht gerade eindringlich darüber nachdenken, wie sie lügen konnte.
      Malvas war nicht geduldig. Er war sogar recht ungeduldig, denn mit jeder verstreichender Sekunde wollte er dringlicher wissen, ob sie lügen konnte oder ob er ihr auch das beibringen müsste. Wie sollte er jemandem lügen beibringen, der es sein ganzes Leben lang noch nicht versucht hatte?
      Ihr Mund klappte auf und wieder zu. Nochmal auf und wieder zu. Malvas starrte und nickte langsam mit dem Kopf.
      "Jaaaaa…?"
      "Ich.."
      "Duuuuuu….?!"
      "Okay, okay.."
      Mit einem Mal begann sie auf und ab zu laufen und Malvas stöhnte auf. Die Frage hatte sie ihm mittlerweile schon beantwortet. Wenn sie diese ungeheure Vorbereitung benötigte, um eine Lüge zu produzieren, konnte es die beste Lüge der Welt sein und nichtmal der dümmste Mensch würde sie ihr abkaufen. Damit könnten sie rein gar nichts anfangen.
      Dann brachte sie allerdings doch noch etwas hervor und Malvas runzelte die Stirn. War das jetzt eine Lüge? Die Wahrheit? Die Wahrheit in einer Lüge? Die Lüge in der Wahrheit? Eigentlich war er als Dämon geschickt darin, Lügen zu entlarven, nachdem er selbst den ganzen Tag nichts anderes tat, aber das hier war irgendwas anderes. Das hier war Angst.
      Ana'Maera hatte Angst, auch wenn ihr Körper das nicht so direkt zeigen mochte. Sie hatte Angst und außerdem hatte sie offenbart, dass sie den Stein anstarrte, wenn Malvas schlief.
      Verdutzt starrte er sie an, während sie wohl nahe eines Nervenzusammenbruchs stand. Nun wusste er zumindest, dass Elfen nicht lügen und durchaus eine Heidenangst verspüren konnten.
      "Ana'Maera."
      Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie schien ihn zu sehen, aber gleichzeitig ging ihr Blick an ihm vorbei, gefangen von ihrer eigenen Wahnvorstellung.
      "Ana'Maera!"
      Er schritt den kurzen Weg zu ihr und packte sie bei den Schultern. Die Elfe sah nicht aus wie eine Elfe, sondern wie eine sehr verängstigte Menschenfrau.
      "Ich weiß wirklich nicht, woher das jetzt kommt. Du wirst es schaffen und niemand wird uns finden. Wer sollte uns finden? Du vergisst, dass du mit einem sehr erfahrenen Illusionisten unterwegs bist."
      Malvas zeigte ihr sein unbeschwertes Grinsen.
      "Du bist eine fähige Hüterin und weißt du auch, wieso? Weil du den Stein mit dir trägst - du und nicht ich oder irgendjemand anderes. Das ist es doch, was einen Hüter ausmacht, nicht wahr? Er hat den Stein und das hast du. Du hast ihn auch schon sehr erfolgreich gegen die verteidigt, die ihn haben wollten. Zählt das etwa nichts?"
      Forschend sah er sie an.
      "Reiß dich also zusammen, okay? Wir brauchen dich und deine magischen Winde. Ohne dich gibt es nämlich niemanden, weil in deinem Dorf alle tot sind. Niemand, der diese Aufgabe übernehmen könnte. Du bist die letzte und wenn du es nicht schaffst, wird es niemand schaffen."
      Zufrieden über seine ungemeine Fähigkeit, jemanden mit aufbauenden Worten zu stärken, grinste er.
      "Okay?"
    • Als Malvas ihren Namen rief, hielt sie inne und blickte zu ihm rüber. War er ihre einzige Hoffnung? Ein Dämon? Wieso? Nur weil er nicht wollte, dass seine Königin mehr Macht erlangte? Das war alles? Nutzte ihm das wirklich so sehr?
      Ihr Blick richtete sich auf seine Augen, als er sie an den Schultern packte, woraufhin sie tief einatmete. Mit ihm würde sie es schaffen.. Aber, wenn er ihr nicht mehr helfen würde? Wenn er sie letztendlich doch im Stich lassen würde? Oder schlimmer.. Was, wenn ihm etwas zustieße? Malvas war nun mal nicht der geschickteste Kämpfer. Könnte die Elfe sie beide wirklich beschützen? Könnten sie einander beschützen?
      Seine Lippen zogen kurz ihre Aufmerksamkeit auf sich; wie konnte er so unbeschwert grinsen? Hielt er sie wirklich für eine fähige Hüterin? Wie konnte er das beurteilen, wenn er keine anderen Hüter kannte, mit denen er sie vergleichen konnte.
      Es gab weitaus stärkere Hüter als sie.
      Ihr Vater hätte mit dem Stein davon reiten sollen, aber wieso hatte er es nicht getan?
      Wieso hatte er es ihr aufgebürdet?

      War er verletzt?
      Nein.

      Erschöpft?
      Auch nicht.

      Hatte er vielleicht die Hoffnung, dass er die Dämonen besiegen könnte, um so ein paar ihrer Kameraden zu retten?
      Das Leben anderer Hüter hatte keine Priorität.

      Weil sie seine Tochter war?
      Elfen unterschieden nicht zwischen Eltern, Geschwistern, Kindern zu anderen Elfen.

      Warum also?
      Warum?
      Gab es dafür einen Grund?

      Malvas' Worte zählten bis dahin wirklich nicht, denn sie ergaben keinen Sinn. Sie ließen sich mit keiner Logik erklären.

      >Reiß dich also zusammen, okay? Wir brauchen dich und deine magischen Winde. Ohne dich gibt es nämlich niemanden, weil in deinem Dorf alle tot sind. Niemand, der diese Aufgabe übernehmen könnte. Du bist die letzte und wenn du es nicht schaffst, wird es niemand schaffen.<

      Das war es.
      Denn es war jetzt nun mal so und ließe sich nicht ändern. Der Grund spielte keine Rolle, denn nun hatte sie den Stein und das war alles, was zählte. Sie war alles, was den Stein beschützte.
      Sie und Malvas. Ein Dämon.

      "Okay...", hauchte sie leise und blickte ihm noch immer in die Augen, als wären diese gerade das einzige, was sie vor ihrer Verzweiflung schützte. Verzweiflung.. Eine verzweifelte Hüterin? Eine verzweifelte Elfe? Wovor genau hatte sie solche Angst? Eine Elfe bewegte sich stets auf dem Pfad zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifel. Wieso hatte sie diesen Pfad verlassen und wann?

      Als sie anfing einem Dämon zu vertrauen, dem sie nicht vertrauen dürfte?

      Ja.
      Weil sie ihm eine zweite Chance gab.
      Weil sie sich auf ihn verließ.
      Weil sie ihn brauchte.

      Und vor allem:
      Weil sie daran glaubte, dass nicht jeder Dämon den Tod verdient hatte, nur weil er ein Dämon war.
      So wie kein Elf verdient hatte, als das Gute betrachtet zu werden, nur weil er ein Elf war.
      Schließlich wandelten Hüter zwischen Gut und Böse.
      Warum aber fiel es ihr jetzt erst auf?

      Seinetwegen.
      "Malvas..", wisperte sie so leise, dass er es aus einer anderen Entfernung wie dieser vermutlich nicht gehört hätte.
      "Danke.."
      Aus ihrem Blick sprach ehrliche Dankbarkeit und dieser Dank - Nein, Malvas Unterstützung - zauberte ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen. Ein Lächeln der Erleichterung und neuer Hoffnung. Das Lächeln einer neugeborenen Elfe. Ana'Maera's Lächeln.
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    • Da war wieder dieser unergründliche Blick, mit dem Ana'Maera ihn betrachtete, wie eine Emotion, die irgendwo hinter diesen Augen verborgen lag und nur nicht durch ihre Mimik ausgedrückt wurde. Wie Gedanken, die sich selbst überschlugen, aber niemals den Weg nach draußen finden würden.
      Malvas hatte sich schon an diese Merkwürdigkeit der Elfe gewöhnt, aber dennoch war es unangenehm, für eine ganze Weile so angestarrt zu werden, während sie sich nicht rührte. Dann aber flüsterte sie etwas und er lehnte sich ein Stück zu ihr nach vorne.
      "Was? Was war das? Bist du wieder in Ordnung, ja? Keine Panik mehr?"
      Er starrte sie weiter eindringlich an, aber was auch immer in Ana'Maera vorgegangen war, es hatte ihren vorherigen Anfall schließlich begraben. War das jetzt gut, oder müsste er sich Sorgen darüber machen, dass sie bald den Verstand verlieren würde?
      Konnten Elfen das überhaupt?
      Zögernd ließ er sie los.
      "Wenn alles in Ordnung ist, können wir weiterziehen. Okay? Ohne durchzudrehen?"
      Sie willigte ein und schließlich stiegen sie wieder auf ihre Pferde auf, auch wenn Malvas sich nicht sicher war, ob das wenige Üben ihrer Gesichtsausdrücke reichen würde. Ana'Maera war noch Welten davon entfernt, einen Dämon anständig zu täuschen, aber bis dahin konnten sie schließlich auch nicht einfach hierbleiben und warten. Sie mussten weiter und er würde schon irgendwie aufpassen, dass sie sich nicht verhaspelte.

      Der Übergang der unsichtbaren Grenze war erstaunlich ereignislos, ein sehr langer Ritt auf ihren Pferden, bei dem Malvas erst im Nachhinein klar wurde, dass sie schon längst im neuen Generalbereich waren. Aber das war etwas gutes, ein gutes Zeichen, dass die Grenze nicht bewacht war. Dann würde sie auch niemand mit lästigen Fragen löchern.
      Ana'Maera hatte sich trotzdem die Haare zurückgebunden, dass ihre spitzen Ohren anlagen, und Malvas behielt ein Auge auf ihren Hinterkopf, um sie im Zweifel ganz verschwinden zu lassen. Sobald sie wieder unter Menschen waren, könnte die Elfe sich ja auch wieder als solche ausgeben, aber nur, wenn sie nicht im direkten Zusammenhang mit einem einzelnen Dämon stand. Auch noch einer, der eigentlich generallos war.
      Ihr Glück hielt aber nicht so lange, wie er es sich erhofft hatte, und sie stießen auf eine kleine Hütte mitten im Nirgendwo, die auf den ersten Blick verwahrlost und zurückgelassen aussah, stünden dort nicht ein Paar Stiefel vor der Tür. Es könnte ein Mensch sein, es könnte auch ein Dämon sein. In jedem Fall war aber Malvas' dämonischer Trieb zu stark, das Bedürfnis nach einem ordentlichen Diebstahl zu ausgeprägt, um einfach auf so ein Fundstück verzichten zu wollen. Er bedeutete Ana'Maera mit ihm zu kommen und peilte die Hütte direkt an.
      "Lass uns nur mal sehen, ob jemand da ist."