Divided Essence [Kiimesca & Codren]

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    • Divided Essence [Kiimesca & Codren]


      Ein nie dagewesener Lärm umhüllte Saner’a, ein harmonisches Elfendorf in den Wäldern Ysse’s. Auf ihnen lag der Schatten der Dämonen, die hier eingefallen waren. Dunkler Rauch stieg empor. Der Geruch von Blut und Feuerholz, aber auch von verbranntem Fleisch lag in der Luft, die von qualvollen Schreien, Schlachtrufen und Gelächter durchschnitten wurde.
      Die Elfen verteidigten ihr Dorf mit aller Kraft und es gelang ihnen auch eine Vielzahl ihrer Feinde niederzustrecken, doch die Dämonen waren nicht nur in der Überzahl – sie waren auch sehr mächtig. Die Hüter, Elfen dessen Aufgabe es war einen Ätherionsplitter zu beschützen, um somit die Welt vor dem Chaos zu schützen, verteidigten die Halle der Aufspaltung in der das Fragment des Ätherionsteins aufbewahrt wurde. Sollten die Dämonen alle 5 Bruchstücke zusammenführen, würde erneut das Unheil über die Welt kommen.
      Im Mantel der Nacht hatten die Dämonen die Elfen soweit zurückgedrängt, dass Eleazar, der Anführer der Hüter, nur noch einen Ausweg sah. "Ana’Maera. Nimm den Ätherionsplitter und flieh. Bring ihn nach Lumenar." Lumenar war die prachtvolle Elfenstadt im Westen Oluin’s. Um den Schutz des Steins zu erhöhen, entwickelte man das Konzept, den Stein alle Jahrzehnte an den nächsten zu geben. Dieser Splitter durfte unter keinen Umständen in ihre Hände geraten, da sie bereits 4 der Bruchstücke an sich gerissen hatten.
      "Jawohl", erwiderte die junge Elfe und feuerte noch einen letzten Pfeil ab, ehe sie in das innere lief und den Splitter in ein kleines, ledernes Säckchen legte, welches sie in ihrem Harnisch versteckte. Anschließend eilte sie zu den Pferden, die auf einem eingezäunten Teil der Lichtung grasten. Der Kampf hatte sie aufgescheucht und so waren sie äußerst unruhig, als Ana’Maera bei ihnen ankam. „Selene!“ Sie schwang sich über den Zaun und sprang in einem Satz auf die Stute, die sich beim Ruf ihres Namens etwas beruhigt hatte. Kaum hatte sie Halt in der Mähne gefunden, trieb sie das Pferd an, das über den Zaun sprang, um die Elfe von hier fortzutragen. Ohne Sattel war das Reiten etwas umständlicher, doch dafür blieb keine Zeit. Sie musste fort, ohne Aufsehen zu erregen. Erleichtert stellte sie fest, dass sie keine Verfolger hatte und verließ den Wald nach etwa einer Stunde.

      Selbst wenn sie durchgehend galoppieren könnte, dauerte es mindestens eine Woche nach Lumenar. Weder sie, noch das Pferd würden jedoch ohne Pausen aushalten. Ohne Sattel war es ihr auch nicht möglich so schnell zu reiten. Doch nicht weit von hier gab es eine Menschenstadt. Die Stadt Calanin. Ana’Maera war noch nie dort, wusste aber, dass diese einen florierenden Handel führte und deshalb auch ein beliebtes Ziel bei Reisenden war. Dort könnte sie für die Nacht eine Bleibe finden und sich am nächsten Morgen für ihre Reise ausstatten.
      Müde vom Kampf, nachdem das Adrenalin abgeebbt war, kam sie mitten in der Nacht in Calanin an. Es regnete bereits sein einer halben Stunde, weshalb sie Selene in einen Stall brachte und sie dort sorgfältig trocknete und etwas zu fressen gab. In wenigen Stunden schon würde die Sonne aufgehen und hoffentlich den Regen vertreiben. Als Hüterin blieb ihr keine Zeit für Trauer um ihre Kameraden und so setzte sie sich an einen der Tische und ließ sich ihren Kummer nicht anmerken. Es waren noch einige Gäste im Raum und tranken. Ihr Lärm war eine willkommene Ablenkung für die Elfe, die sich lediglich etwas Wasser und eine Kleinigkeit zu Essen bestellt hatte.
      Sie blieb nicht lang und zog sich in ihr Zimmer zurück, als sie aufgegessen hatte, wo sie ihren nassen Umhang auswrang und aufhing. Auch ihren ledernen Harnisch, sowie ihre Stiefel und Hose hing sie bei der kleinen Feuerstelle auf. Lediglich ihr Leinenhemd, sowie ihre Unterwäsche behielt sie an und hielt den Lederbeutel fest in ihren Händen, als sie sich mit einem Kissen vor das Feuer legte. Es war nicht besonders bequem, aber sie war vom Regen durchgefroren und auch ihr Hemd hatte etwas abbekommen.

      Am nächsten Morgen verließ sie die Taverne und ging auf den Markt, um Proviant zu kaufen. Außerdem brauchte sie neue Pfeile, denn ihr Köcher fasste nur noch zwei davon. Mit dem Bogen auf ihrem Rücken und ihren leicht gebogenem Kurzschwert an der Hüfte, deckte sie sich ein und trug schließlich einen gut gefüllten Sack in der Hand. Als letztes brauchte sie nur noch einen Sattel, um ihre Reise etwas komfortabler zu gestalten.
      Diese Stadt war schon ein großer Unterschied zu ihrer Heimat. Viele Menschen drängten sich durch die Gassen, überall hallten Gespräche und gelegentlich sah sie auch ein paar Elfen. Manche von ihnen hatten sich zwischen die Menschen gemischt, es soll sogar Halbelfen geben. Als Hüterin war ihr Leben allerdings auf die Dämonen und Ätherionsplitter ausgerichtet. Natürlich war es ihr gestattet eine Familie zu gründen, aber für Reisen oder dem Leben in einer Menschenstadt war darin kein Platz. Sie hatte eine Pflicht zu erfüllen und Elfen galten als besonders pflichtbewusst und loyal. Menschen zeigten ihnen gegenüber kaum Misstrauen. Es gab keine Kriminellen unter ihnen und sie wandelten schon seit Jahrhunderten zwischen den Menschen, nachdem sie vom Ätherionstein geschaffen wurden. Es gab viele Geschichten darüber und jeder glaubte eine andere. Manche sahen in den Elfen sogar ihre Retter. Andere einfach nur all die guten Eigenschaften, die ein Mensch haben konnte, während die Dämonen all das schlechte verkörperten. Negative Emotionen wie Gier und Hass waren der Elfe tatsächlich fremd. Auch Trauer und Wut lernten sie zu beherrschen, während ihnen Aufopferung und Hilfsbereitschaft in die Wiege gelegt wurde. Ana’Maera würde ihr Leben geben, wenn nötig, um ihre Mission zu erfüllen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Das Trio der Menschenstadt Calanin drängte sich hinter einem Stand, der Werkzeug zu verkaufen hatte: Zwei Menschen und ein Dämon. Calanin hatte in letzter Zeit schon merkwürdigeres als das erlebt.
      Alle drei waren unscheinbar in ihrem Verhalten und ihrem Behaben, drei für ihre jeweilige Rasse recht junge Zeitgenossen, die den Morgen in einem abgelegenen Eck genossen und das aufkommende Treiben des Markts beobachteten. Drei, die im geheimen den gleichen ungesehenen, scharfen Adlerblick hatten, mit dem sie die Menge absuchten.
      Malvas war schon seit ein paar Wochen hier, genauer gesagt nach seinem letzten Raubzug, der nicht ganz so glimpflich für seine Mitstreiter ausgegangen war - ja, er hätte ihnen helfen können, aber hätte er das wirklich gewollt? Jetzt war er einige Silbermünzen schwerer von der Beute, die er sich geschnappt und verkauft hatte und das war es doch viel mehr wert als ein paar jämmerliche Leben - und hatte sich in das Netzwerk eingepflegt, das auch hier sein Unwesen trieb. Der Schwarzmarkt war überall zugegen und wenn man nur, wie Malvas, wusste, wo man sich hineinschlängeln konnte, konnte man auch schnell anfangen, seinen Profit daraus zu schlagen.
      Zum Beispiel wie die beiden Menschen, die ihm jetzt zur Seite standen: Vayn mit seiner schlacksigen Gestalt und seinem dünnen Gesicht und Raela mit den gekräuselten Haaren und einer Nase, die so scharf wie eine Klinge war.
      Vayn war mit seinen 28 Jahren auf dem selben geistigen, als auch körperlichen Stand wie Malvas. Das war eine Sache, die ihn bei Menschen unheimlich irritierte: Wie schnell sie wuchsen. Wie schnell sie geistig, als auch körperlich in ein Alter kamen, in dem sie zur Gefahr wurden. Zehn Jahre und sie konnten schon ein Schwert schwingen, 20 Jahre und sie standen in einer Armee mit anderen 20-jährigen, 30 Jahre und sie standen an der Spitze besagter Armee. 40 Jahre und sie ließen sich zu Königen krönen mit Macht und Verantwortung und allem, was sich ein Lebewesen nur wünschen konnte. 50 Jahre und sie wurden als weise geehrt und respektiert.
      50 Jahre und Malvas hatte nicht viel mehr erreicht, als einen eigenen Dolch - der wirklich, wirklich schön war, ja tatsächlich, das war ein absoluter Meister-Beutezug gewesen - und die Missgunst einer Hure als Mutter, die nur davon reden konnte, wie toll und mächtig Feuerdämonen in ihrer Welt doch waren. 50 Jahre dieser Litanei und sie hatte nur dazu geführt, dass Malvas selbst einer sein wollte.
      Nur war er es nicht. Er war ein Illusionsdämon.
      Ein schlechter noch dazu, ein ganz miserabler, einer, der nicht einmal für Wolfsfutter nützlich wäre, wie seine Mutter zu sagen pflegte. Es gab nämlich eine ganze Bandbreite an Illusionsdämonen, an Trickstern, an Heuchlern, an Scheingestalten, die ihre Existenz durch die Leben anderer schlängeln konnten wie ein Wurm sich durchs Erdreich fraß. Sie konnten Gehirnen etwas vorspielen, wo es eigentlich nichts gab, sie konnten Gerüche imitieren, Geräusche, Gefühle, Erinnerungen, Formen, Farben, Eindrücke, was auch immer es sein mochte, was die Sinne eines - oder gleich mehrerer - Lebewesen beeinflusste.
      Malvas konnte nur Dinge entstehen lassen, wo es keine gab. Gute Dinge, ja, das stimmte schon. Er hatte sich über seine 50 Jahre hinweg darin verbessert, den Realismus in seinen Kreationen hervorzuholen, ihn zu optimieren, zu perfektionieren. Man konnte seinen Holzstuhl nicht von einem gewöhnlichen Holzstuhl unterscheiden, denn er hatte verstanden, dass es nicht nur an der Form und der Farbe des Stücks lag, sondern dass auch die Oberfläche ausschlaggebend war, dass das Material einen Einfluss hatte, dass es nicht nur nach Holz aussehen durfte, sondern Holz sein musste. Ja, das hatte er verstanden. Das hatte er sogar ganz alleine verstanden, denn manche Situationen hatten es so gefordert. In einer anderen Welt hätte er womöglich stolz darauf sein können.
      Aber da hörte es auch auf. Wollte man sich auf diesen Stuhl setzen, würde man auf den Boden fallen. Würde man ein Instrument zu spielen versuchen, das Malvas geschaffen hatte, würde es kein Geräusch von sich geben, denn seine Illusionen waren rein visuell und beschränkten sich nur auf den Sehsinn. Wenigstens, ohne sich dabei auf ein einziges Gehirn beschränken zu müssen - wow, wie toll.
      Deswegen war Malvas offiziell auch gar kein Illusionsdämon. Offiziell war er ein Feuerdämon.
      Hellgelbe Flammen leckten ihm über die Haut, als er den Kopf wandte, um die Straße zu beobachten. Um seine Fingerspitzen tanzten die Flämmchen in einem Rhythmus, von dem Malvas wusste, dass er einem gut genährten Feuer entsprach. Die Haut unter seinen Schultern leuchtete gelblich auf, als wären die Flammen auch darunter - denn er war schließlich ein sehr mächtiger Feuerdämon, jederzeit in seinem vollsten Element. Die Leute sollten ihn fürchten und aus seinem Weg springen, wann auch immer er auf die Straße kam.
      Nur wer ihm zu nahe kam, der würde merken, dass die Flammen gar keine Wärme versprühen. Er würde auch merken, dass sie gar kein richtiges Licht spendeten, nur eine Kopie davon. Eine weitere Illusion. Sie war daran gebunden, dass Malvas selbst seine Umgebung sehen und abstrahieren konnte.
      Ein Feuerdämon würde ihn sicher entlarven können. Malvas mied sie daher wie die Pest.
      Jetzt konnte ihm aber niemand etwas. Malvas war in seinem vollsten Element - das seiner Illusion, die gleichzeitig seine Flammen waren. Vayn trat von der Seite heran, blieb aber auf Abstand, als er sich hinter Malvas an die Wand lehnte. Seinen Begleitern hatte er gezeigt, dass er ein Feuerdämon war, indem er willkürliche Objekte in Flammen aufgehen gelassen hatte, wenn er sie mit bloßer Haut berührt hatte. Selbstverständlich waren auch das weitere Illusionen gewesen, aber es war abschreckend genug gewesen, dass sie sich nicht an ihn heran trauten. Sollten sie es auch nie wagen.
      Er konzentrierte sich wieder auf die Straße, von der er sich erhoffte, ihre Morgenbeute erhaschen zu können. Essen war langweilig, das war für äußerst schwierige Zeiten vorbehalten, wenn es sonst nichts zu plündern gab und das letzte Geld aufgebraucht war, daher wollte er etwas anderes. Etwas kostbares. Etwas, das er wieder in Silber verwandeln könnte, wie den letzten Haufen, den er zum Feilscher gebracht hatte.
      Etwas, das ihn beleben würde.
      Und dieses Etwas kam in Form einer Elfe zu ihm.

      Elfen waren hier nicht ungewöhnlich, besonders in diesen Teilen der Landen. Sie waren eigentlich eher schon lästig darin, wie sie sich zwischen den Menschen niedergelassen hatten, wie sie sich in Wäldern verkrochen und immer dann weg waren, wenn die Dämonen ihnen erst auf die Fährte gekommen waren. Sie waren schwierig zu töten, diese Elfen, denn sie schienen immer einen Schritt voraus zu sein: Immer ein Stück beweglicher, ein Stück schneller, ein Stück voraussehender. Ein Stück intelligenter. Malvas hatte auch sie zu hassen gelernt, so wie er die meisten hasste, die ihm den Weg zu Macht und Reichtum versperrten.
      Aber dieses eine Mal war es nicht die Elfe, die ihn interessierte, auch wenn sie womöglich den ein oder anderen Reichtum mit sich tragen mochte. Es war ein kleiner, unscheinbarer Ledersack, der sich zwischen ihren Habseligkeiten versteckte und der selbst Malvas nicht aufgefallen wäre, hätte er nicht zweimal hingesehen.
      Denn etwas war anders. Etwas störte ihn an dem Anblick dieses kleinen Säckchens, das keinerlei Auffälligkeiten aufweisen konnte; es war einfach nur das, ein Säckchen wie jedes andere. Aber Malvas, mit seinem Hang dazu, Dinge zu kopieren und realistisch zu gestalten, bemerkte irritiert, dass dieses spezielle Säckchen schwierig nachzumachen war. Es bestand aus einfachem Leder, wies keine Verzierungen auf, auch keine Kratzer, die manchmal etwas kniffelig zu kopieren waren. Als er es in dem kurzen Augenblick aber betrachtete, war er sich sicher, dass doch etwas anders war. Etwas war anders und wegen diesem anderem war es ihm nicht möglich, diesen Lederbeutel nachzustellen. Er würde gleich aussehen, aber er hätte nicht dieselbe... Aura. Es würde ihm etwas fehlen, das Malvas nicht mit allen Worten dieser Welt benennen konnte.
      Grimmig zog er die Augenbrauen zusammen und seine Flammen reagierten darauf - ja, selbst daran hatte er gedacht. Sie vergrößerten sich, zogen von seinen Haaren über seinen Hals zu seinen Schultern hinab und züngelten dort vor sich hin. Auch die Flämmchen an seinen Fingerspitzen wurden ein bisschen größer und flackerten unruhig, als hätte sie ein beständiger Wind ergriffen.
      Raela auf seiner anderen Seite wich ein Stück zurück.
      "Malvas?"
      "Hmmm."
      Er verschränkte die Arme vor der Brust und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen den Oberarm. Die Elfe marschierte zwischen den Ständchen hindurch und dann war das merkwürdige Säckchen verschwunden.
      "Elfe."
      Vayn reckte seinen langen Hals und stierte über die Köpfe der meisten Leute hinweg, bevor er sich wieder zurücksinken ließ. Malvas wusste, was er sagen würde, bevor er es aussprach.
      "Da sind eine Menge Elfen."
      "Die, die gerade vorbeigegangen ist. Blond, Bogenschützin. Geht Richtung Marktmitte, schätze ich."
      Vayn zuckte die Schultern und richtete sich auf.
      "Ja, warum nicht."
      Beide Menschen verließen die kleine Ecke hinter dem Stand und reihten sich in der Menge ein, parallel zu der Straße, die auch die Elfe genommen hatte, um zum Markt zu kommen. Sie würden ihr von anderen Seiten aus folgen, während Malvas es eher direkt nehmen würde. Er fiel auf als vermeintlicher Feuerdämon, da konnte er nicht umherschleichen.
      Also richtete er sich kurz danach auch auf, straffte seine Schultern, ließ das Feuer tanzen und brennen und eine Emotion versprühen, die ganz eindeutig Stolz nahe sein sollte, bevor er der Elfe auf direktem Weg folgte. Ja, seine Illusionen waren manchmal wirklich überzeugend. Er war eben ein verdammt guter Feuerdämon.
    • Ana'Maera wollte nicht länger in Calanin bleiben als nötig. Nicht nur, weil sie so schnell wie möglich nach Lumenar wollte, sondern auch, um nicht von Dämonen verfolgt zu werden. Leider war ihr das Glück nicht hold und bevor sie ihre Einkäufe erledigt hatte, hing ihr schon ein Dämon an den Fersen. Ein Feuerdämon. Ganz ungeniert, als wäre es selbstverständlich, dass er durch die Straßen ging. Die Menschen mieden ihn, machten ihm den Weg frei und versteckten ihre Missgunst kaum.
      Ihr war klar, dass er ihr folgte, also beschloss sie ihre Pläne zu ändern und umgehend zur Taverne und ihrem Pferd zurückzukehren. Sie hätte keine Zeit es zu satteln, geschweige denn einen Sattel zu besorgen. Also bog sie ab, blieb vorerst zwischen den Menschen und war bereit notfalls gegen diesen Dämon zu kämpfen. Hauptsache es würden keine Menschen mit hineingezogen werden. Mit der freien Hand hielt sie Brosche fest, die ihren Umhang zusammenhielt. Filigrane Goldranken bildeten die Form eines Schmetterlings, dessen Flügel lila funkelten. Sie wollte nicht ihre Brosche schützen, sondern das Säckchen an ihree Brust, auf dem somit ihr Unterarm lag. Es war nicht auszuschließen, dass der Dämon einen Komplizen hatte. Möglicherweise einen unauffälligeren Dämon oder sogar einen Menschen, den er verdorben hatte. Hüter lernten immer mehr zu befürchten, als sein könnte, um weniger Überraschungen zu erleben. Ana'Maera war jung, aber geschickt und klug. Ihr Vater hatte ihr den Splitter anvertraut und sie würde ihn keinesfalls enttäuschen. Mit ihrer Windmagie konnte sie ihre Feinde auf Abstand halten und mit dem Bogen bezwingen. Aber auch im Nahkampf würde sie alles geben, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Kritische und feindselige Blicke folgten Malvas in den Trubel des Marktes hinein. Seine Art war hier nicht willkommen, waren die unterschwelligen Aussagen dahinter, aber Calanin - oh einfaches, süßes Calanin, es konnte sich einfach nicht erlauben, eine Sperre für Feuerdämonen auszuhängen; oder sogar für irgendeine andere Art. Denn so wie die vielen Menschen hier und auch wie die Elfen waren es mitunter auch Dämonen, die diesen Markt aufsuchten. Und sie gingen nicht gut mit Beleidigungen um, nein, ganz sicher nicht. Würde eine Sperre ausgesprochen werden, könnte man sich darauf gefasst machen, dass diese Stadt auf dem nächsten Platz in der Liste derer landen würde, die unter den Fängen der Dämonen zergingen. Denn ein beleidigter Dämon kannte einen nächsten, dieser kannte wiederum seinen Vorgesetzten, der dessen Vorgesetzten kannte und in Windeseile war man bei einem General angelangt. Und einen General wollte man nun wirklich nicht als Feind haben.
      Deswegen hielt auch niemand Malvas auf, als er breitbeinig durch die Gosse spazierte, Trubel vor sich und um ihn herum, eine ganze Traube, die sich um ihn bildete, während die Menschen beiseite sprangen. Keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung, dass sie nicht brennen würden, wenn sie ihm zu nahe kämen. Aber niemand besaß hier feuerfeste Kleidung und die meisten Stände und sogar Waren waren aus Holz und anderem Brennmaterial gefertigt. Sicherlich kein guter Ort, um einen Feuerdämon in irgendeiner Weise zu provozieren.
      Deshalb hatte Malvas Calanin so schnell lieben gelernt. Hier könnte er eine Zeit lang verbringen und vielleicht sogar glücklich werden.
      Sofern er das mysteriöse Säckchen der Elfe zu durchstöbern bekam.
      Einmal nur begegneten sich ihre Blicke, ein flüchtiger Schulterblick seines Ziels, von dem er erkennen konnte, dass sie seine Anwesenheit mittlerweile schon längst gespürt hatte. Er grinste, als sie wieder wegsah, und ließ die Flammen über sein Gesicht tanzen. Mit der Elfe würde er ganz sicher noch Spaß haben.
      Ganz anscheinend schien sie paranoid zu sein, denn kaum hatte sie ihn entdeckt, schlug sie abrupt einen anderen Weg ein, der sie quer durch die Menge brachte. Vielleicht schlechte Erfahrung mit Dämonen? Er hoffte es. Elfen waren immer so weich und gebrechlich, es wäre ihm ein Vergnügen, wenn diese hier ein bisschen länger bräuchte, bevor sie dem Druck nicht mehr standhalten konnte.
      Zu ihrem eigenen Pech lief sie direkt in Vayns Richtung, der ebenfalls schlagartig seinen Weg angepasst hatte, kaum, als er sie abweichen gesehen hatte. Jetzt lief er vor ihr weg, als würde er eigentlich die Richtung angeben, auch wenn sie ihn in der Menge kaum auseinanderhalten mochte. Malvas blieb dafür auf ständigem Abstand in ihrem Rücken, wie ein Schäferhund, der seine Herde zusammen scheuchte. Die Elfe wusste es gar nicht, aber sie hatte schon verloren, bevor es überhaupt angefangen hatte.
      Ganz anscheinend hielt sie von sich aus auf eine Taverne zu, was nicht allzu verwunderlich war. Vayn ließ sie sich in etwa so weit von der Menge entfernen, bis es sicher war, dass beide Männer die Elfe schnell aus dem Weg schaffen könnten, dann drehte er sich abrupt zu ihr um. Vayns Visage war ein bisschen angekratzt von den verruchten Aufträgen, denen er sich bei Zeiten widmete, und nicht unbedingt ein angenehmer Anblick für die Öffentlichkeit. Er setzte noch eins drauf, indem er die Elfe ungeniert angrinste - ein lückenvolles, gelbes Grinsen.
      "Verfolgen Sie mich etwa, Lady? Sie können mich doch auch direkt ansprechen, ich beiße schon nicht."
      Hinter ihr löste Malvas sich aus der letzten Traube von Menschen, die ihm griesgrämig nachstarrten, während er auf beide zuschlenderte. Seine Flammen tanzten und seine Augen leuchteten.
      "Belästigen Sie den Mann? Das würde ich nicht tun, so auf offener Straße. Das gibt ein Bußgeld, wussten Sie das nicht? Sagen Sie uns, wie viel Sie bereit sind zu zahlen und wir lassen Sie noch einmal glimpflich davonkommen, hmmm?"
    • Der Dämon folgte ihr weiterhin, was ihren Verdacht bestätigte. Während sie ihrem Pferd immer näher kam, feilte sie an ihrem Fluchtplan. Sie durfte unter keinen Umständen den Ätherionsplitter verlieren. Das könnte das Ende der Welt bedeuten. Zwischen den Menschen war sie nur solange sicher, wie der Dämon nicht den Drang verspürte alles niederzubrennen. Mit eigenen Augen wurde sie gestern Abend Zeugin, was Feuerdämonen alles bewirken konnten. Welches Ausmaß ihre Macht hatte.
      Kaum waren die Menschenmassen versiegt, drehte sich jemand vor ihr um. Das war der erwartete Komplize. Sie blieb stehen und zog ihre Augenbrauen zusammen, da sie verwirrt über die Aussage war. Als die Stimme hinter ihr erklang, drehte sie sich um und ballte ihre Faust vor ihrer Brust; bereit ihre Waffe zu ziehen. Bußgeld? Sichtlich verwirrt blickte sie zu dem Dämonen, immer darauf achtend, was der Mensch hinter ihr tun würde. "Ich habe niemanden belästigt..", sprach Ana'Maera ruhig und betrachtete den Feuerdämonen vor sich genauer. Sie verstand nicht, worum es hierbei gehen sollte. Wollte er nicht den Splitter? War das nur eine Ablenkung? Die Elfe hatte ihre Heimat noch nie verlassen und wusste nur von Erzählungen, wie es in den Menschenstädten umherging. War der Dämon einer der besagten Diebe? War das hier lediglich ein Überfall? Käme sie davon, wenn sie ihm seine Münzen gäbe? Manchmal war es klüger den Kampf zu meiden und so versuchte die Elfe ihr Glück. Sie nahm einen kleinen Beutel von ihrem Gürtel und hielt ihn zögernd dem Dämonen hin. Ohne dieses Geld könnte sie zwar keine Vorräte mehr kaufen, aber sie würde schon einen Weg finden, wie sie heil nach Lumenar käme. In dem Beutel sollten genug Silbermünzen neben den 3 Goldmünzen sein, um diesen Dieb zufriedenzustellen. "Mehr habe ich nicht..", meinte sie und hoffte, dass es nicht zu einem Kampf kam.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Das sieht aber anders aus", stellte Malvas mit einem Grinsen fest, der Blick über die Elfe schweifend. Er erstellte eine gedankliche Inventur ihrer Habseligkeiten: Eine Lederrüstung, ein bisschen schmutzig an den Rändern, mit deutlich sichtbaren Gebrauchsspuren. Ein Bogen mit passendem Köcher, der hinter ihrem Rücken hervorragte, die Sehne eingespannt, die Spitze in einer kunstvollen Drehung, wie es nur die Elfen mochten. Ein Kurzschwert an ihrer Seite, denn, nun wirklich, wer wäre schon dumm genug, bei einem so paranoiden Verhalten mit einem Bogen allein in die Stadt zu laufen? Schuhe, auf denen verkrusteter Schlamm klebte. Ein andersfarbiger Beutel, der nicht zu dem winzigen Lederbeutel passte und den Malvas hier schon häufig auf dem Markt gesehen hatte. Eine Brosche, die ihren Umhang auf ihren Schultern hielt und das Zeichen eines Schmetterlings trug. Ein Hauswappen, vielleicht? Ein Clanmal? Ein Sektenzeichen? Eine magische Rune?
      Letzten Endes war es egal. Letzten Endes konnte Malvas alles sehen, was er brauchte: Diese Elfe lebte mit dem Luxus, ihre eigene Kleidung und Ausrüstung auszusuchen. Sie war auch zu mitgenommen, um hier zu wohnen. Eine Reisende, vielleicht? Auf dem Weg, Mami und Papi zu besuchen?
      Über den eigenen, kindischen Gedanken schmunzelnd verschränkte er die Hände hinter dem Rücken. Seine Flammen tanzten über seine Arme und zurück zu seinen Haaren empor.
      "Soll ich die Wachen holen? Sie nach deren Meinung fragen?"
      Das schien zu funktionieren - oder die Elfe wollte schlichtweg nicht riskieren, dass hier noch Waffen gezogen würden. Sie griff nach ihrer Seite und es wäre ja fast zu schön gewesen, wenn sie ihm gleich das Ding vorhalten würde, was er eigentlich haben wollte. Trotzdem holte sie einen Beutel hevor.
      Er streckte eine Hand danach aus. Die Elfe hielt das Säckchen vor sich. Keiner von beiden rührte sich nicht; die Elfe vielleicht, damit sie ihn für eine Finte zu sich locken könnte, Malvas, damit sie nicht bemerken würde, dass er gar keine Wärme ausstrahlte.
      Das ließ sich aber mit dem Selbstbewusstsein, das Malvas als Feuerdämon an den Tag legte, gut regeln.
      "Na komm schon, Schätzchen. Denk ein bisschen nach. Soll ich dir die hübsche Hand verbrennen?"
      Ohne zu zögern trat er einen Schritt auf sie zu und das wirkte immer wie ein Wunder. Die Elfe versteifte sich und warf den Beutel dann zu ihm rüber.
      Er war schon lange genug Feuerdämon, um daran zu denken, die Flammen an seiner Hand verschwinden zu lassen, als er den Beutel auffing, mit derselben Hand und flinken Fingern aufschüttelte und den Inhalt begutachtete.
      Goldmünzen. Goldmünzen. Bei allen sieben Generälen, die Elfe wanderte mit einem Reichtum herum.
      Er griff den Beutel mit der anderen Hand - ließ auch da die Flammen verschwinden - und schüttelte sich die Münzen in die Hand, bevor er den Beutel für alle gut sichtbar in Flammen aufgehen ließ. Dutzende Stunden an Recherche, die er damit zugebracht hatte, verschiedenstes Material anzuzünden - darunter diverse Beutel unterschiedlichster Größe, Material, Qualität - sorgten dafür, dass der Lederbeutel höchst realistisch in Brand gesteckt wurde und dann in sich zusammenfiel.
      In Wahrheit ließ er das Ding gleich darauf auf den Boden fallen, wo es wie der Boden selbst aussah und damit unsichtbar wäre, bis er weit genug weg war, um nicht mehr daran zu denken.
      Er nahm sich eine Goldmünze, steckte sie sich zwischen die Zähne und biss zu.
      Echtes Gold. Bei allen Plagen der Welt.
      Was zum Teufel hatte diese Elfe bei sich, dass es ihr lieber war, ein solches Geld zu verschwenden? Oder war ihre Familie reich?
      In jedem Fall würde Malvas sie jetzt erst recht nicht ziehen lassen.
      "Ich fürchte, das wird nicht reichen, Verehrteste. Das hier ist eine reiche Stadt, weißt du? Eine wohlhabende Stadt. Hier geben wir uns nicht mit ein bisschen Kleingeld zufrieden."
      Er ließ die Münzen in seiner Tasche verschwinden. Kurz darauf pufften die Flämmchen wieder aus seinen Fingerspitzen hervor.
      "Aber ich will mal nicht so sein. Hier wird schließlich auch Gleichbehandlung gepredigt, nicht wahr?"
      Das Grinsen, das seine Lippen zierte, enthüllte dämonische Fänge.
      "Gib uns diesen kleinen, hübschen Beutel, den du dort trägst, und wir werden dich nochmal davonkommen lassen, was hältst du davon?"
    • Die Elfe war noch immer zu verwirrt von dieser Aktion und merkte tatsächlich erst, dass sie ihm den Beutel nicht einfach so geben könnte, als er es ansprach. Also warf sie ihm diesen zu und beobachtete, wie er den Inhalt prüfte. Ihr war nicht klar, wie reich sie auf den Dämonen wirken musste, da sie noch nie auf einem Markt war und der Beutel bei dem Splitter aufbewahrt wurde, wenn man ihn auf die Reise zur nächsten Halle schicken müsste. Ansonsten brauchte Ana'Maera bisher noch nie Geld. Sie hatten einen Händler in ihrem Dorf, der sich um die Versorgung kümmerte. Alles andere wurde intern geregelt. Saner'a glich mehr einem Einsiedlerdorf, um es vor den Augen anderer zu schützen. Es war nicht mal auf den Menschenkarten zu finden, so klein war es. Und so geheim. Lediglich die Hüter waren befugt die Karten der Elfen zu lesen, auf denen Dörfer wie dieses verzeichnet waren. Lumenar hingegen war eine Stadt, die auch den Menschen bekannt war. Dort müsste sie Bericht erstatten und auf weitere Anweisungen zum Umgang mit dem Splitter warten. Gut möglich, dass sie von dort aus in das nächste geheime Dorf reisen musste.
      Sie wartete, beobachtete wie er die Münzen prüfte, als würde eine Elfe mit gefälschtem Geld herumlaufen. War es zu wenig? Er wollte sie noch immer nicht gehen lassen, was Ana'Maera nun etwas beunruhigte. Schweigend senkte sie ihren Blick, dachte nach, wie sie entkommen könnte. Wenn er sie zu fassen bekäme, würde sie so enden wie der Beutel. Ein Häufchen Asche und die Dämonen hätten den letzten Ätherionsplitter in ihrem Besitz. Das durfte sie nicht zulassen.
      Als er nach genau diesem Splitter fragte, sah sie wieder auf und legte ihre Hand an ihr Schwert. "Dazu bin ich nicht befugt", antwortete die Elfe und warf noch mal einen Blick zu dem Menschen. Sie war ohne Gepäck und ohne Vorbereitung aufgebrochen. Die Tasche mit den Vorräten hatte sie hier gekauft und sie konnte ihn nicht über die Schulter legen. Der Dämon würde jedoch nicht locker lassen und so sah sie keine andere Möglichkeit, als Gewalt anzuwenden. Sie sammelte schon eine ganze Weile ihre Kraft, um den Wind zur Hilfe zu ziehen. Der Vorteil an Windmagie war, dass es mehr als genug davon um einen herum gab. Besonders im Freien. Mit einer kraftvollen Windböe stieß sie die beiden Männer von sich und sprintete flink wie ein Wiesel an dem Menschen vorbei, um zum Stall zu kommen. Die Vorräte musste sie liegen lassen, da sie beide Hände dafür brauchte. Sie musste eine Entscheidung treffen. Sollte sie ihre Verfolger töten oder die gewaltfreie Flucht vorziehen? Tote zu vermeiden, war ihr wichtig und doch erschien es ihr die einzige sinnvolle Möglichkeit zu sein. Andernfalls käme sie nicht mit dem Pferd aus dem Stall ohne ihn mit Windmagie einzureißen.
      Also zog sie im Sprint ihren Bogen, schlitterte auf ihren Füßen noch gut zwei Meter weiter, als sie bremste und spannte noch während der Drehung einen Pfeil, um auf den Dämonen zu schießen. Ihre Windmagie zeigte sich auch hier von großen Wert, da sie den Pfeil tänzelnd umgab und ihm so mehr Wucht verlieh. Ein normaler Pfeil könnte eine solche Geschwindigkeit niemals erreichen. Ein Windpfeil aus dieser Distanz wäre ein glatter Durchschuss und würde nicht im Körper des Gegners stecken bleiben. Bei einem Feuerdämonen durfte sie ihre Trümpfe nicht aufsparen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Dazu bist du nicht befugt? Uns diesen kleinen Beutel zu übergeben? Aber es ist doch deiner, nicht wahr? Oder hast du ihn etwa gestohlen?"
      Das war ja schon fast lustig, diese Auseinandersetzung. Wenn Malvas doch nur gewusst hätte, dass die Elfe so einfach mit sich spielen ließ, er hätte das alles ein bisschen weiter hinausgezögert. Sie vielleicht länger verfolgt? Ein bisschen gespielt? Ausgetestet, wie viel es bräuchte um sie hereinzulegen?
      Zu schade, dass das alles viel zu schnell wieder vorbei sein würde.
      Bevor er aber noch weiter in seinen Drohungen gehen konnte - und da konnte Malvas, der sich darauf beschränken musste, das Feuer auf Distanz zu halten, wirklich kreativ werden - ergriff ihn ein plötzlicher Windstoß, der stark genug war, die Luft aus seinen Lungen zu pressen und ihn von den Füßen zu heben. Überrascht über diese unvorhergesehene Gewalt schlug er unbeholfen auf dem Boden auf und musste sich zuallererst auf seine Flammen konzentrieren, damit sie seine Veränderung entsprechend darstellten. Hätte man seinen Fall genau beobachten können, hätte man gesehen, dass sie sich keineswegs davon beirren gelassen hatten, von Wind ergriffen worden zu sein. Jetzt flackerten sie erst und richteten sich wieder auf, als wären sie fast aufgegangen.
      Windelfe. Das war schlecht. Wind ließ sich nicht kopieren, er war auch nicht vorhersehbar. Und mit dem Bogen... unheilverdammt!
      "Windelfe!", fauchte er, als er sich aufrichtete - da schoss schon jemand über ihn hinweg. Raela hatte sich aus der Menge gelöst und entschlossen, sich dem Duo anzuschließen.
      Sie sprang auch über Vayn hinweg, eine schnelle Frau, sowohl für Mensch, als auch Dämon. Sie hatte ihren Dolch gezückt, auch wenn er kaum zu sehen war. Immerhin mussten sie nicht unnötig Gewalt provozieren in einer Stadt, in der es mehr als genug Wachen gab.
      Malvas kam noch vor Vayn auf die Beine, blieb aber zurück, unschlüssig, wie er einer Windelfe begegnen sollte. Unsicher sogar. Die gute Nachricht war, dass selbst ein richtiger Feuerdämon Schwierigkeiten hätte, gegen Windmagie anzukommen; die schlechte Nachricht war, dass Malvas generell anstrebte, einen Kampf ganz zu vermeiden.
      Immerhin hatte er in Wahrheit gar nichts. Er hatte seinen Dolch und die Fähigkeit, Bilder zu erschaffen. Nichts, womit er in einem Kampf großen Erfolg hätte.
      Vielleicht sollte er sie also ziehen lassen. Lieber kein Risiko eingehen. Lieber nicht einer Elfe unterliegen und dann offenbaren müssen, dass er gar kein Feuerdämon war.
      Aber würde er sich jemals den Respekt wiederholen können, den er in dem Augenblick verlor, wenn er, Malvas, der Feuerdämon, jemanden laufen ließ, obwohl sie ihn so offensichtlich bedroht hatte? Würde sein Status hier in Calanin, bei Leuten wie Vayn, die für bessere Leute wie Malvas arbeiteten, jemals erholen können?
      Niemals. Entweder, es flog auf, dass er kein Feuerdämon war, oder es flog auf, dass er ein Stümper war. Er konnte nicht gewinnen, wenn er sie ziehen ließ.
      Also sammelte er seine Motivation und nahm auch die Verfolgung auf. Vayn kam ebenso auf die Beine und versuchte, von der Seite versetzt wieder zur Elfe zu gelangen.
      Vayn sah den Bogen vermutlich, den sie gezückt hatte. Raela sah ihn ganz sicher. Malvas sah ihn nicht.
      Der Pfeil, der durch Raelas Brust schoss, kam mit einer solchen Wucht, dass es ein glatter Durchschuss war, ein glattes Loch, das sich im Brustkorb der Frau bildete, die für einen Moment im Laufen ganz verblüfft dreinsah, so als könne sie nicht verstehen, was gerade passiert sei. Er kam mit einer solchen Wucht, dass er auch noch aus ihr herausflog, weiterraste und Malvas, der sich aus aufkeimender Panik zur Seite warf, doch noch in die Schulter traf.
      Er trug keine Rüstung. Schmerz explodierte in den Nerven seiner Schulter und er fiel erneut, bevor ihm klar wurde, dass diese Elfe gerade zwei Ziele mit nur einem einzigen Pfeil getroffen hatte. Eigentlich sollte das unmöglich sein.
      Er landete auf der Schulter und schrie von dem Schmerz auf. Seine Flammen zuckten. Als er sofort wieder geistesgegenwärtig genug war, um seine Konzentration darauf zu richten, hatten sie bereits geflackert, so wie es Flammen gerade nicht taten. Sicherlich war das aber in dem allgemeinen Trubel untergegangen.
      Malvas setzte sich auf.
      Vayn kam von der anderen Seite und warf einen Dolch auf die Elfe. Ob er wirklich traf, war nicht von Belang, denn zur selben Zeit tauchte am unteren Ende der Straße plötzlich eine Gruppe Dämonen auf, allesamt in Rüstung, allesamt bis zu den Zähnen bewaffnet. Sie trugen Wappen, die Malvas kannte, aber das war es nicht, was ihm so schnell das Blut in den Adern gefrieren ließ.
      Ganz vorne ging ein Feuerdämon.
      Rote, flammende Haare, ein haarloses Gesicht, breite Schultern, die in ein beständiges Leuchten getaucht waren. Rußverfärbte Handschuhe. Kontinuierlicher Rauch, der hinter ihm her waberte, als stünde sein Kopf in Flammen.
      Vermutlich tat er das auch.
      Der Dämon hob eine behandschuhte Hand und deutete recht unverhohlen auf die Elfe. Vielleicht deutete er auch auf das merkwürdige Aufeinandertreffen dieser vier Parteien, von denen schon eine verstorben war.
      Malvas dachte aber, dass er auf ihn zeigte.
      Panik erfasste ihn und der Schmerz in seiner Schulter verpuffte. Er strampelte sich zurück auf die Füße hoch und dann rannte er, wie er in seinem Leben vermutlich schon ein Dutzend mal gerannt war.
    • Es tauchte sogar jemand drittes auf, die mit der Geschicklichkeit der Elfe mithalten konnte. Allerdings hatte sie ihrem Pfeil nicht entgegenzusetzen. Ihr Schuss war ein Volltreffer und verletzte sogar den Dämonen dahinter. Die Straße war gerade einigermaßen leer, dennoch konnte sie nicht willkürlich herumschießen. Der erste Pfeil hatte etwas zu viel Kraft, damit hätte sie einen Unschuldigen verletzen können. Schnell hatte sie dennoch den nächsten Pfeil gezückt, hielt jedoch inne, als sie die Dämonen bemerkte. Diesen Feuerdämon kannte sie leider, was bedeutete, dass ihr gesamtes Dorf wohl ausgelöscht wurde. Andernfalls hätten sie alles dafür getan, um der Elfe mehr Zeit zu verschaffen. Etwas hilflos sah sie sich um, denn sie käme niemals gegen alle an. Vor allem würden Unschuldige mit hineingezogen werden. Ebenso wenn sie jetzt weiter in die Stadt fliehen würde. Sie waren hinter ihr her. Calanin war ihnen in diesem Moment egal.

      Der ursprüngliche Plan rückte wieder in den Vordergrund, doch vorher verstaute sie Pfeil und Bogen verstaub. Unverzüglich hatte die Elfe schon ihre Hände erhoben und jagte eine noch viel größere Orkanböe durch die Straße. Blumentöpfe fielen von den Fensterbrettern, Dachziegel lösten sich von den Häusern, Fensterladen wackelten und wurden zum Teil aus ihren Angeln gerissen und alles was zwischen ihr und den Dämonen an Kisten, Fässern oder sonstigen Gegenständen stand, wurde von dieser mitgerissen. Die Menschen hatten sich in den Häusern versteckt oder waren durch die Seitenstraßen geflohen, weshalb sie guter Dinge war, keine von ihnen zu treffen. Das würde zwar keinen von ihnen töten, aber ihr mehr Zeit zur Flucht verschaffen. Damit hatte sie ihre Kraft jedoch so gut wie verbraucht.
      Ein erfahrener Hüter wäre womöglich die bessere Wahl für diese Aufgabe gewesen, obwohl auch dieser nicht gegen eine solche Anzahl an Dämonen angekommen wäre. Dennoch war Ana'Maera einfach zu jung und unerfahren. Ihr war nicht einmal klar, wie reich sie diesen Banditen gemacht hatte, der sich aus dem Staub gemacht hatte. Lediglich das theoretische Wissen über das Leben in solchen Städten half ihr, nicht gänzlich hilflos zu sein. Um die Entscheidung ihres Vater anzuzweifeln, fehlte ihr jedoch die Zeit.

      So schnell sie konnte, eilte sie zu ihrem Pferd, ließ einen lauten Pfiff durch die Straßen hallen, der Selene zu ihr rief. Die Stute wieherte, verpasste dem kleinen Tor einen kräftigen Tritt und lief der Elfe entgegen. Elegant sprang die Elfe auf den Rücken des Pferdes und zog an ihrer Mähne, auf das sie sich umdrehte. Die Dämonen waren nun nicht mehr so gemütlich und hatten nicht vor sie entkommen zu lassen. Doch die Elfe zügelte ihr Pferd, ließ es schnell genug laufen, um genug Abstand zu halten, aber langsam genug, damit sie genau sehen konnten, wo sie war und sie sicher sein konnte, dass sie ihr folgten. Sie musste die Dämonen dazu bringen die Stadt zu verlassen, auch wenn dieses Unterfangen riskant war.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Malvas' gehetzte Flucht brachte ihn in die nächste Nebenstraße, gerade noch rechtzeitig, als hinter ihm die Welt untergehen zu schien. Ein Blick zurück zeigte ihm, dass die Welt noch durchaus in Ordnung war, aber dass die Magie der Elfe wie ein Tornado durch die Hauptstraße gefegt war.
      Das war gut, nicht wahr? Das war diesmal eine gute Sache, denn Malvas war nicht mehr dort und sie hatte trotzdem noch dorthin gezielt - zu den anderen Dämonen, sicherlich. Denn keiner hatte große Lust auf Malvas' Artgenossen, nichtmal er selbst.
      Nur würde sie niemals erfahren, dass sie in dieser kleinen, speziellen Sache im selben Boot saßen.
      Malvas rannte weiter um sein Leben, was nichtmal ganz so übertrieben war. Es gab schon einen Grund, weshalb diese Dämonengruppe ihre dämonischen Abzeichen bei sich trug und Malvas nicht. Der Grund lag sogar überraschend nahe damit zusammen, dass er sich als Feuerdämon ausgab und nicht als der, der er wirklich war.
      Pferdehufe ertönten hinter ihm. Lediglich ein Tier, ansonsten hörte er nur entfernte Schreie und Chaos. Die Dämonen hatten doch keine Pferde bei sich gehabt, nicht wahr? Nein, natürlich nicht. Tiere sprachen nicht sonderlich gut auf Feuerdämonen an.
      Es war auch die Elfe, die kaum einen Augenblick später an ihm vorbeiritt, auf einer unbesattelten Stute, die, genau wie Malvas, um ihr Leben rannte. Ganz kurz sahen Elfe und Dämon sich an. Ganz kurz waren sie auf gleicher Höhe.
      Dann preschte die Stute weiter und Malvas fiel zurück, wobei ihm die Aussicht darauf vergönnt war, was als nächstes geschah.
      Der Boden in einigen Meter Entfernung öffnete sich. Es war viel weniger, dass die Erde und die Straße nachgaben und zur Seite rutschten, um das Loch freizugeben, das sich dort bildete, sondern, dass es aus dem Nichts zu kommen schien. Das Vakuum sammelte sich dort, wo das Loch entstand und ließ es materialisieren, direkt vor der Elfe und ihrer Stute.
      Und dann sprang ein Wesen daraus hervor, klein, haarig, langarmig und -beinig und hob alle möglichen Gliedmaßen über den Kopf, um der flüchtenden Elfe mit einem grauenhaften Quäken entgegen zu springen.
      Für sich genommen wäre der Anblick vielleicht ganz amüsant gewesen. Was viel weniger amüsant war, war, wie die Stute vor dem Wesen aufschreckte, eine scharfe Wendung zur Seite machte und direkt in Malvas hineinlief.
      Ein weiteres Mal in nur wenigen Minuten fiel er zu Boden und ein weiteres Mal erinnerte es ihn daran, dass ein Pfeil in seiner Schulter steckte. Er rollte sich weg und rollte sich dann defensiv ein, um sich vor weiteren, lebensgefährlichen Hufen zu schützen, die jeden Moment seinen Kopf zertrümmern könnten. Das Pferd bockte auch noch, aber dann sprang es weiter und schien ihn in Ruhe zu lassen.
      Er richtete sich über seine gesunde Seite auf, hatte gerade erst den Kopf gehoben, da strömte bereits eine Hitzewelle durch die Gasse auf ihn zu, erfasste ihn und war dann wieder weg. Der Feuerdämon hatte soeben sein neues Revier betreten.
    • Die Elfe kam nicht so weit wie erhofft, als ihr der Weg abgeschnitten wurde. Ihr Pferd war an solche Kämpfe nicht gewöhnt und reagierte dementsprechend. Grazil landete die Elfe auf ihren Füßen, sah ihrer Stute jedoch hinterher und dann zu dieser widerwärtigen Kreatur. Es war zu nah, um mit dem Bogen zu kämpfen, also zog sie ihr Schwert, sprang mit einem akrobatischem Salto über eine der Arme - oder Beine oder was auch immer - um einem Angriff auszuweichen. In der Luft, so kopfüber, war sie den anderen Gliedmaßen fast hilflos ausgesetzt. Fast. Denn sie drehte sich wie ein Kreisel, trennte mit ihrem Schwert sämtliche haarige Stelzen ab und versenkte ihr Schwert im Kopf der Kreatur, sobald sie auch nur einen Fuß auf die Erde gesetzt hatte. Schnell blickte sie auf und sah zu dem Feuerdämon, der ganz anders wirkte wie der zuvor. Weitaus bedrohlicher.
      Mit einem weiteren Pfiff versuchte sie ihr Pferd zurückzurufen, doch es kam nicht. Ihr blieb keine Wahl, als zu rennen, denn ein Kampf war aussichtslos. Kaum hatte sie sich jedoch in Bewegung gesetzt, erschwerte ihr ein Dämon, der die Erdmagie beherrschte, die Flucht. Die Erde tat sich auf, bewegte sich, brachte sie zum Stolpern, auch wenn sie sich immer wieder fangen konnte, so war sie auf diese Weise nicht schnell genug. Gerade als sie auf eines der Dächer flüchten wollte, spürte sie ein leichtes Zwicken in der Schulter. Der Schmerz war kaum spürbar, doch als Ana'Maera über jene Schulter blickte, entdeckte sie einen kleinen Pfeil. Das war nicht gut. Sie blickte zu den Dämonen, legte ihre Hand an die Brust, an der sich der Splitter befand und fing langsam an zu taumeln, ehe alles vor ihren Augen verschwamm und sie zu Boden fiel.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Die Elfe kümmerte sich um das Wesen, das aus dem Loch gesprungen war, binnen weniger Sekunden. Malvas hatte sich gerade wieder aufgestellt, da war sie schon fertig damit.
      Die ganze Szenerie war mehr als nur merkwürdig. Es war nicht das erste Mal, dass Malvas so zwischen die Fronten geraten wäre, es war aber durchaus das erste Mal, dass er nicht abschätzen konnte, ob die Fronten hier wirklich richtig lagen. Der Feuerdämon war doch sicher wegen ihm hier, nicht wahr? Aber sein Fokus lag stattdessen auf der Elfe, die zu fliehen versuchte?
      Er wollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken, am liebsten schon wieder weiterziehen und sich in die nächste Gasse verkriechen - hauptsache er blieb unentdeckt. Aber dann wurde auf die Elfe geschossen, sie kippte mit einem Mal um und Malvas war der einzige, der jetzt seinen Artgenossen noch gegenüberstand.
      Mit bebender Brust drehte er sich langsam um.
      Der Feuerdämon war ein großes Exemplar, nicht unbedingt auffällig, aber doch definitiv furchteinflößend mit den ganz sicher echten Flammen, die ihm über den Kopf leckten. Er hatte die Statur eines Fußsoldaten, was er auch ganz sicher war, nur, dass Feuerdämonen gerne auch mal eine dünnere Gestalt hatten - schließlich hatten sie ihre Flammen, um ihre Kämpfe auszufechten. Dieser hier war aber, ganz offensichtlich, auch in anderem ausgebildet.
      Er starrte das kurze Stück zu Malvas hinab, während seine Gefährten zu der Elfe gingen und sich an ihr zu schaffen machten. Malvas blieb stumm, sah kurz zwischen beiden umher und versuchte dann, seinen Körper mit der restlichen seiner verbliebenen Würde aufrecht zu erhalten.
      Der Feuerdämon kniff die Augen zusammen.
      "Was soll das werden?"
      "Äh... gar nichts."
      Der Dämon kam einen Schritt näher.
      "Machst du dich etwa über uns lustig mit diesen albernen Kopien auf deinem Kopf? Willst du uns für Narren halten?"
      Malvas Flammen gingen sofort aus. Sie erloschen nicht wie richtiges Feuer, sie waren vom einen auf den anderen Moment verschwunden.
      "Nein! Nein, ganz sicher nicht, ich würde niemals -"
      "Oder willst du uns an der Nase herumführen? Dass wir Angst vor die haben, o großer Feuerdämon?"
      "Ganz sicher auch nicht, das ist nur - das ist nur ein Taschenspielertrick! Hier, siehst du?"
      Er streckte die Hand aus, hielt die offene Handfläche nach oben und ließ eine schöne, runde Flamme darauf entstehen. Sie tauchte in seiner Hand auf, wölbte sich nach oben und flackerte dann im Rhythmus eines beständigen Windes.
      "Gut, oder? Oder? Ich meine - du musst es ja wissen."
      Er grinste halbherzig. Der Dämon starrte seine Flamme an und sagte für einen Moment gar nichts. Dann streckte auch er die Hand aus, genau wie Malvas' Geste, und ließ eine Flamme darauf entstehen. Sie spross aus dem inneren seiner Haut hervor, wuchs an, wurde in etwa so groß wie die Hand und sprang dann plötzlich von ihr ab, um auf Malvas' überzuspringen.
      Der erschrak davor, zuckte zurück und sprang ein Stück nach hinten.
      Der Dämon lehnte sich vor, als hätte er damit etwas bewiesen.
      "Wo ist dein Abzeichen? Wer ist dein General?"
      "Ähhh... ich... also... das... vielleicht... hm..."
      Er kratzte sich am Hinterkopf.
      "Mein... Vorgesetzter, der hat mir nie verraten welcher... also, für welchen General wir... er weiß das! Aber ich, ich, äh... ich weiß nicht..."
      Die Flammen am Körper des Dämons wuchsen an. Sie wurden groß, produzierten Rauch, der nach hinten wegflog und schienen zu versuchen, nach den Seiten hin auszuschlagen. Malvas wusste von Erfahrung, dass Feuerdämonen auch feuerfeste Kleidung trugen, die dafür nicht allzu viel Rüstung für sie bot, aber das half ihm nichts, wenn der ganze verdammte Dämon in Flammen stand.
      Die Wärme erreichte ihn und Malvas wich vor ihm zurück. Der andere wollte ihm nachziehen, da kam ein Ruf von der Seite.
      "Wir haben es!"
      Beide Dämonen sahen zu dem dritten bei der Elfe, der einen Lederbeutel hochhielt.
      Genau den Beutel, den Malvas hatte klauen wollen.
      Aber das war Vergangenheit. Eine verpasste Gelegenheit. Diese Gelegenheit wollte er allerdings nicht so schnell verstreichen lassen: Er wirbelte augenblicklich auf den Fersen herum, nutzte die knappe Ablenkung und sprintete, was das Zeug hielt.
      Ein plötzlich sehr scharfer und sehr heißer Schmerz über seinen Rücken hinweg brachte ihn erst zum Stolpern und dann zum Fallen, als er sich herumrollte. Der Feuerdämon hielt eine Flammenpeitsche in der Hand, die weiter reichte, als es für normale Peitschen möglich gewesen wäre.
      Er holte noch einmal aus und die Peitsche knallte durch die Luft. Flammen schlugen Malvas quer über die Brust, der sich defensiv einrollte.
      "Ahh! AU! Lass das! Es tut mir leid, okay? Nein, nicht nochmal!"
      Er hob den gesunden Arm in einer abwehrenden Geste und durfte ihn sich dafür verbrennen lassen. Er versuchte es auch mit dem anderen Arm, auch, wenn der Dämon kein Erbarmen zeigte. Er schlug wieder auf Malvas ein, bis der nur noch Flammen und Schmerz sehen konnte und irgendwann ins kühle Nichts der Bewusstlosigkeit entlassen wurde.
      Und das war der Grund, weshalb er richtige Feuerdämonen mied wie die Pest.

      Als Malvas das nächste Mal aufwachte, war ihm übel. Er war irgendwo gefesselt, das konnte er gleich erkennen, denn das Gefühl von Seilen, die ihm in die Handgelenke schnitten, war kein unbekanntes. Außerdem war ihm noch unglaublich heiß, sein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Sein Oberteil musste unterwegs irgendwo abgefallen sein, seine Haut darunter war mit roten Brandflecken gesprenkelt. Seine Hose war zerrissen. Hatte er seinen schönen Dolch noch? Vermutlich nicht. So eine Scheiße.
      Er zog ganz probeweise an den Fesseln, dann hob er erst den Kopf - und erstarrte wieder, als er die Elfe nicht unweit von sich sitzen sah.
    • Das erste was die Elfe bemerkte, waren die Fesseln, als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam. Ihre Sicht war noch zu vernebelt und das Schwindelgefühl hinderte sie daran ihre Augen für längere Zeit zu öffnen. Sie bewegte ihre Arme, zog an den Fesseln und zog ihre Knie heran, da ihre Knöchel ebenfalls gefesselt waren.
      Als sie ihre Augen endlich öffnen konnte, ohne das sich alles drehte, erblickte sie den Feuerdämonen, der sie verfolgt hatte. Er hatte sich nur als dieser ausgegeben, denn jetzt umgab ihn kein Feuer mehr, was bedeutete, dass er Illusionsmagie beherrschte. Da er ebenso gefesselt war, schien er nicht mit den anderen Dämonen zusammenzuarbeiten. Das bedeutete jedoch nicht, dass er ihr Freund war. Ein Dämon und eine Elfe konnten keine Freunde sein. Sie waren wie Tag und Nacht. Gut und Böse. Aus den Tugenden und Sünden der Menschen geboren, so glaubte Ana'Maera. Nur eine der Varianten, wer sie waren, woher sie kamen und weshalb.
      Menschen, die sich nach Macht sehnten nutzten die Ätherion-Steine, doch das Ergebnis war nicht das von ihnen gewünschte. Die Menschen vereinten beides in sich; so gab es durchaus gute Menschen. Loyalität, Hilfsbereit, Nächstenliebe, Freundlichkeit. Aber auch böse Menschen. Lügen, Machtgier, Egoismus, Hinterlist. Jene Eigenschaften, die Elfen als die guten und Dämonen als die bösen ausmachten. Das einzige was sie gemeinsam hatten, war ihre Lebenserwartung. Sie alterten langsamer; lebten länger. Die Macht, die sich die Menschen ersehnt hatten, aber nie erhielten. Stattdessen standen sie nun zwischen den Fronten der Wesen, die sie selbst erschaffen hatten.

      Sie blickte sich um und sah kalte Wände, sowie ein paar Kisten und Fässer. Durch kleine Schlitze, die als Fenster dienten, drang etwas Licht in den Raum, in dem sie nur sie beide ausmachen konnte. Ein Keller.. Die Dämonen hatten sich also in der Stadt niedergelassen. Warum sollten sie sich auch beeilen? Niemand würde es wagen sie anzugreifen, also konnten sie ihren Sieg ausgiebig feiern. Hochmut.. Völlerei.. Nur zwei der Todsünden, denen sich die Brut im Erdgeschoss hingab. Undeutliche Stimmen und Gelächter, die in den Keller drangen.
      Ein Blick an ihre Hüfte bestätigte ihre Vermutung, dass man ihre Waffen abgenommen hatte. Dennoch wäre die Elfe voller Hoffnung, solange sie lebte. Sich voller Tapferkeit gegen ihre Niederlage zu wehren. Sie atmete tief durch und sah kurz nochmal zu ihrem Mitgefangenen, ehe sie begann, ihre Hände, die auf ihrem Rücken lagen, über die Füße zu ziehen. Nachdem ihre Arme sich vor ihr befanden, sprangen kleine Klingen aus ihren Stiefeln mit denen sie ihre Handfesseln durchtrennte. Es nahm etwas Zeit in Anspruch, da sie nicht zum Schneiden gedacht waren, sondern um beispielsweise schneller auf einen Baum klettern zu können.
      Kaum waren ihre Hände frei, löste sie die Fesseln an ihren Füßen und stand auf, um sich genauer umzusehen. Ihre Waffen waren natürlich nicht in diesem Raum. So dämlich waren Dämonen dann leider doch nicht. Wenigstens hatte sie noch ihren Umhang. Nachdenklich griff sie an ihre Brosche, die ein Geschenk ihrer Mutter war und ihr viel bedeutete. Einen Plan schmiedend, ging sie zu einer Kiste und öffnete diese, doch es waren nur Vorräte darin. Die Fässer waren mit unterschiedlichen alkoholischen Flüssigkeiten gefüllt, was sie schlussfolgern ließ, dass sie sich im Keller einer Taverne befanden. Das einzige, was man als Waffe nutzen könnte, war ein Brecheisen, doch es war besser als nichts, weshalb sie beschloss es an sich zu nehmen. Den Dämon ignorierte sie dabei vollkommen, als sie vor der Treppe stehen blieb und hinauf sah. Sie wusste nicht, wie viele es waren, wo ihre Waffen waren und ob der Ätherion-Stein noch in Reichweite war. Doch es war ihre Pflicht, nichts unversucht zu lassen, um ihn zu beschützen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es dauerte eine Weile, aber dann war die Elfe auch wach.
      Malvas starrte wortlos, mit nicht geringer Panik damit rechnend, dass sie ihn mit ihrer Windmagie für seinen Plünderungsversuch strafen würde, jetzt, da sie zusammen hier gelandet waren. Wie sollte er sich schließlich vor ihr schützen? Seine Hände waren verbunden und selbst, wenn sie es nicht wären, war sein Dolch doch irgendwo unerreichbar. Nein, hier unten, in diesem Keller, wo sie sich wohl aufhielten, hatte er keine Chance auf irgendeinen Trickversuch.
      Aber die Elfe versuchte es auch gar nicht. Sie warf ihm einen resignierten Blick zu, dann machte sie sich daran, sich überraschend effektiv zu befreien. Malvas starrte und ehe er ihre Bewegungen überhaupt verinnerlicht hatte, war sie schon frei.
      "Hey."
      Unbeeindruckt stand sie auf und hielt auf das einzige Mobiliar im Raum zu. Malvas starrte ihr nach und zog an seinen Fesseln, die nicht nachgaben.
      "Hey!"
      Sie durchwühlte die Truhe und ging dann weiter zur Treppe, ohne Malvas einen weiteren Blick zu würdigen, nicht einmal einen resignierten. Wollte sie etwa dort hochgehen und ihn alleine lassen?
      "Hey, Lady! Willst du etwa alleine dort hochgehen? Die sind zu 50, sicherlich!"
      Es waren maximal ein Dutzend, aber ein bisschen musste er sie schließlich überzeugen.
      "Du kannst mich nicht hierlassen! Du brauchst mich! Ich weiß einen Weg nach draußen, das sind immerhin meine Leute!"
      Eine Lüge. Malvas hätte ihr alles erzählt, damit er nicht alleine zurückbleiben musste.
      Aber ein bisschen von der Wahrheit wusste er schon auch.
      "Willst du dich etwa mit deinen paar Sommerbrisen mit ihnen anlegen? Sie haben einen Feuerdämon, wenn du ihn einmal außer Acht lässt, hat er dich! Das schaffst du niemals! Nicht alleine!"
    • Sie hatte keinen Grund den Dämon weiter zu beachten. Von Rache hielt ihr Volk nichts und auch wenn sie stets hilfsbereit war, stieß diese Hilfsbereitschaft bei Dämonen auf ihre Grenzen. Dieses Volk hatte ihre Hilfe nicht verdient. Sie waren schließlich ihre Feinde.
      Bei seiner Frage, ob sie allein hochgehen würde und seiner maßlosen Übertreibung, hatte sie noch immer nicht reagiert. Entweder war er verdammt schlecht im Zählen, denn es waren genau 11, nicht mal annähernd an der 50 oder er belog sie, was Dämonen ja bekanntlich immer taten. Ihre Leute hatten die Truppe schon gut dezimiert, aber es waren noch immer zu viele für eine einzelne Elfe.
      Erst als er sagte, dass sie ihn nicht hierlassen könnte, sah sie zu ihm runter. Konnte sie nicht? Ihr Schwur bezog sich darauf, alles Leben auf der Welt zu behüten, wobei nie direkt die Dämonen ausgeschlossen waren. Sie wurden nur nie mit berücksichtigt, weil sie für die Sünden der Menschen standen. Aber was war mit den Menschen, die den Dämonen als Abbild standen. Menschen waren so facettenreich. Unter ihnen gab es jene, die den Elfen glichen. Jene, die den Dämonen glichen. Und jene, die sich zwischen ihnen bewegten. Warum sollte sie also böse Menschen beschützen, aber keine Dämonen?
      Dieser Gedanke allein war es, der Ana'Maera inne halten ließ. Die Infragestellung ihres Schwurs. Würde sie ihn hier unten lassen und er dadurch zu Tode kommen, bedeutete dies, dass sie nichts unternommen hatte, um dies zu verhindern. "Sie haben etwas, dass ich zurückholen muss. Es ist meine Pflicht den Inhalt des Beutels, den du haben wolltest, zu beschützen. Ich muss ihn an einen sicheren Ort bringen." Die Elfe war ehrlich, denn etwas anderes kannte sie nicht. "Wirst du mir helfen?", fragte sie, wobei sie sich ihm schon genähert hatte und vor ihm auf ihre Knie ging, um seine Fesseln zu lösen. Sie erwartete, dass er dies verneinte oder zustimmte, was höchstwahrscheinlich eine Lüge wäre, dennoch konnte sie ihn in diesem Moment leider nicht ignorieren. "Deine Wunden.." Ihr Blick ging über die Verbrennungen und zeigte Mitgefühl, obwohl er ein Dämon war. "Ich kann sie heilen.. aber ich brauche meine Kräfte, um mir zurückzuholen, was sie gestohlen haben." Wenn sie jetzt ihre letzten Kräfte zur Heilung eines Dämons verschwendete, waren ihre Chancen auf den Erfolg noch geringer als ohnehin schon.
      Nachdem seine Hände frei waren, stand sie auf, denn seine Beine könnte er auch selbst befreien. "Hast du einen Plan?" Ihr Blick ging wieder zur Treppe, ehe sie auf das Brecheisen in ihrer Hand blickte. Die Waffe war nicht sehr nützlich, aber besser als nichts.
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      - Eugene Ionesco

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    • Einer dieser Überzeugungsversuche war es schließlich, der die Elfe innehalten ließ. Malvas konnte nicht unbedingt sagen welcher, aber das machte auch nichts. Wichtig war, dass sie bei irgendwas angebissen hatte.
      "Mach mich los! Du wirst es nicht bereuen, du hast mein Wort!"
      Ohne auf seine weiteren Bittversuche zu reagieren, eröffnete sie ihm, dass sie den Lederbeutel brauchte, den, den er zu stehlen versucht hatte. Das Ding war Malvas mittlerweile egal. Was brachte ihm Reichtum, wenn oben ein Feuerdämon stand?
      "Ja! Ja ich helfe dir, splitterverflucht! Du machst mich los und ich helfe dir, ja? Ja?"
      Und dann, endlich, im Namen aller Generäle, kniete sie sich vor ihn und löste ihm die Fesseln. Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn, mit der er sich auch gleich aus den Fußfesseln schälte. Diese verdammten Windelfen und ihre Beweglichkeit, er hätte niemals tun können, was sie vorhin vollzogen hatte.
      Befreit und losgelöst sprang er auf, wobei ihnen beiden seine Wunden auffielen: Malvas, weil sein Oberkörper an mehreren Stellen schmerzhaft stach, die Elfe, weil sie es sehen konnte. Er blickte selbst an sich herab und auf die Brandblasen, die ihn in wirren Mustern bedeckten. Generalverfluchte Feuerdämonen.
      "Ich brauche keine Hilfe, Lady. Lass mich das nur machen, ich bin schon mit schlimmerem ausgekommen."
      Dann stolzierte er auf die Treppe zu, ganz stolz und würdevoll in Ausblick darauf, gleich beweisen zu können, wie viel besser Dämonen als Elfen doch waren.
      Von oben hörte er Stimmen, als er ganz vorsichtig die Stufen erklomm. Es waren nicht viele - vielleicht drei? Auf der anderen Seite waren die anderen sicher in der Nähe. Dämonen waren nie alleine unterwegs, denn immerhin könnte man ihnen die Schuld zuschreiben, sollte doch etwas passieren.
      Genau seinen Vermutungen entsprechend hatten sie sich in dem Raum versammelt, der direkt an die Treppe zum Keller anschloss. Sie standen um einen Tisch herum und beugten sich darüber, während sie miteinander tuschelten. Malvas vermutete, dass sie dort dieses Ding hatten, dass die Elfe zurückhaben wollte.
      Sie könnten natürlich versuchen, sich an dem Haufen Dämonen vorbeizuschleichen. Sie könnten auch versuchen, lautlos durch die Tür zu verschwinden und so schnell zu laufen, dass sie weg waren, sobald etwas auffiel.
      Nur war das nicht der Deal gewesen, nicht wahr? Die Elfe hatte ihn befreit, damit er ihr half ihren Beutel zurückzubekommen und jetzt musste er sich daran halten. Tat er es nicht, riskierte er, dass sie ihn auffliegen ließ, bevor er verschwunden wäre.
      Grummelnd drehte er den Kopf zurück und starrte auf die Elfe hinab, die hinter ihm geschlichen kam. Er hockte sich hin und legte einen Finger an die Lippen, bis sie bei ihm war.
      "Ich werde sie ablenken, das ist das einzige, was ich tun kann. Und du musst dir dein Ding holen und dann verschwinden, okay? Es liegt da auf dem Tisch."
      Er deutete hinter sich.
      "Merk dir, wie der Raum aussieht. Ich mache ihn gleich dunkel, vertrau mir nur. Okay? Wie seh ich aus?"
      Die Elfe schien die Frage wohl als sarkastisch aufzufassen, denn die Antwort war keinesfalls das, was Malvas sich erwünscht hatte. Grimmig verzog er das Gesicht.
      "Das ist kein Witz, Lady. Wie seh ich aus, hab ich was im Gesicht? Einen Kratzer? Rote Haut?"
      Nach kurzer Verwirrung beschrieb sie ihm endlich, was er wissen wollte und Malvas nickte zufrieden. Dann starrte er an sich herab, auf seine Brust, seinen Bauch, seine Arme, seine Hose. Und schließlich hob er den Kopf und starrte ins Nichts.
      Ein Malvas tauchte ihm gegenüber auf, eine Gestalt, die sein Gesicht, seine Haare und seinen Körper trug. Erst tauchte sie aus dem Nichts auf, aber dann begann sie sich unter seinem Blick zu verformen: Rötliche Blasen zogen sich über den Körper hinweg, die Haut verfärbte sich, die Hose bekam Risse. Er stellte eine korrekte Nachbildung seiner Selbst nach und das war noch der einfache Part seines Vorhabens.
      Die Gestalt von Malvas drehte sich in der Luft - sie benutzte keine Gliedmaßen, das würde er sich noch vorbehalten - und flog dann steif wie eine Puppe auf den oberen Treppenabsatz zu, wo die Dämonen sie sehen würden. Malvas' Blick folgte ihr mit einer Intensität, die bei einem Feuerdämon Flammen hätte hervorrufen können.
      Die Illusion kam oben an und schien dann auf dem Boden aufzukommen. Malvas starrte, als würden ihm die Augen gleich ausfallen, während er sich darauf konzentrierte, die eigenen Stiefel realistisch auf dem Boden abzustellen, die Figur auszurichten, ihre Arme nach unten hängen lassen. Kaum ein anderer würde verstehen, was für eine Mühe und Feingefühl es benötigte, Bewegungen darzustellen, denn es gab eigentlich gar keinen zusammenhängenden Körper. Jeder einzelne Fleck einer Illusion musste richtig dargestellt werden, zu jeder Zeit, denn ansonsten würde die Illusion einfach Lücken aufweisen.
      Malvas' Herz raste in Anstrengung, als seine Illusion oben realistisch wurde, so als würde eine Schwerkraft auf ihre Klamotten einwirken, als würde sie sich mit der Kraft ihrer eigenen Muskeln aufrecht erhalten und nicht mit illusionsbedingter Schwerelosigkeit. Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Seine Augen brannten, während er all die Details verbannte, die die Täuschung auffliegen lassen würde. Seine Finger zuckten an seinen Seiten.
      Dann hob er eine Hand, steckte sich zwei Finger in den Mund und pfiff einmal laut und kräftig.
      Die Dämonen am Tisch drehten sich zu ihnen um, oder eher gesagt zu Malvas' Illusion. Sie riefen ihm zu, drohten ihm, verhöhnten ihm, beleidigten ihn. Der richtige Malvas dahinter, versteckt von der Treppe, hörte das gar nicht richtig. Seine Sinne waren auf seine Augen beschränkt.
      Der falsche Malvas grinste. Es war alles Teil von tausenden Stunden Arbeit, die Malvas damit zugebracht hatte, vor einem Spiegel Grimassen zu schneiden und seinen Körper zu bewegen. Dafür bildeten sich jetzt die richtigen Falten im Gesicht seiner Täuschung, die Lippen zogen sich artgerecht nach hinten, die Zähne blitzten auf die richtige Weise auf. Der falsche Malvas grinste, hob einen Arm und warf einen ebenso falschen Gegenstand auf den Boden.
      Malvas zuckte, während er vom Boden verdichtenden Rauch aufsteigen ließ. Der Rauch schoss in die Höhe und zur Seite hinaus, alles eine Illusion, alles eine Arbeit, die so sehr an Malvas' Kräften zehrte, dass ihm schwindelig wurde. Sie trennte die Treppe von den Dämonen ab und hüllte sie ein, aber dieses hier wäre nur eine Frage der Zeit, bis die Illusion auffliegen würde. Der falsche Malvas verschwand und der richtige nahm einen hastigen Atemzug, während oben eiliges Chaos ausbrach. Er hielt seinen starren Blick jetzt auf den Rauch gerichtet, ohne jemals zu blinzeln. Er konnte nicht wegsehen, ohne das Risiko einzugehen, dass ihm ein Fehler unterlaufen würde.
      "Jetzt, Lady! Jetzt!"
    • Ana'Maera beobachtete den Dämonen dabei, wie er die Treppe hochging und hoffentlich an einem Plan arbeitete. Einen Moment später, folgte sie ihm und blieb hinter ihm stehen, woraufhin er ihr schon verriet, was sie zutun hatte. Sie sollte ihm vertrauen? Wenn er den Raum wirklich verdunkeln würde, könnte er sie genau so gut im Stich lassen. Doch sie würde es zumindest versuchen, denn vielleicht steckte ja doch ein Funke gutes in ihm. Oder Dämonen nahmen ihre Abmachungen ernst, wobei sie eher anderes gehört hatte. Das spielte jetzt keine Rolle. Allein sahen ihre Chancen schlecht aus, also musste sie einfach hoffen, dass er sein Wort hielt.
      Etwas verwirrt über die Frage, wie er aussah, sah sie ihn mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen an. Er fragte erneut, also betrachtete sie ihn etwas genauer und beschrieb ihm die Blessuren in seinem Gesicht, was ihn scheinbar zufriedenstellte. Als sie seinen Doppelgänger sah, verstand sie endlich, warum er diese Frage gestellt hatte. Das war also eine weitere Möglichkeit die Illusionsmagie zu benutzen, ebenso wie die Flammen, die er vorgetäuscht hatte. Sie musste zugeben, dass er seine Magie gar nicht mal so schlecht beherrschte. Eigentlich sogar sehr gut. Also erfüllte sie ihren Teil des Plans und prägte sich den Raum ein. Zwischendurch sah sie zu Malvas, den das ganze enorm viel Kraft zu kosten schien, aber sein Perfektionismus war beeindruckend.
      Als der falsche Dämon hinausging und die Aufmerksamkeit auf sich zog, wurde er von seinen Artgenossen alles andere als herzlich empfangen. Warum feindeten sich Dämonen untereinander an? Vermutlich lag es an der Machtgier und dem Neid, der sie gegeneinander aufstachelte. Die Elfe beobachtete die Illusion genau und wartete auf ihren Einsatz. Fasziniert betrachtete sie den Rauch, den er erschuf, da er täuschend echt aussah, nur könnte man ihn gewiss nicht mit Windmagie davon wehen. Ihr Blick ging kurz zu dem Dämonen, der sich erstaunlicherweise wirklich sehr ins Zeug legte, um ihr zu helfen.

      Sie hatte sich jedes Möbelstück eingeprägt, jeden Gegenstand und auch die Größe der Dämonen, die sie von dort aus sehen konnte. Ihr Ziel war es zwar mit dem Ätherion-Stein zu flüchten, doch waren ihre Chancen geringer, je mehr Dämonen noch am Leben waren, die sie verfolgen würden. Aus der Stadt zu fliehen würde zu keinem leichten Unterfangen werden, was schon beim ersten Mal schief gegangen war.
      Hinter dem Türrahmen hatte sie ein winziges Stückchen vom Ende ihres Bogens gesehen, weshalb sie bei Malvas' Aufforderung hinter diesem nach links huschte und von nun an blind war. Als sie ihre Hand ausstreckte und den Tisch abtastete, fand sie schnell ihren Bogen, etwas das sich wie ein Dolch anfühlte und auch ihr Schwert, was ihr die Sache wesentlich erleichtern würde. Bogen und Dolch verstaute sie, ehe sie geschickt zu dem Tisch schlich, wo der Beutel lag, doch er war weg. Einer der Dämonen musste ihn vorsichtshalber an sich genommen haben. Sie wollte zwar so wenig Mana wie möglich verbrauchen, aber da sie ohne das Fragment nicht gehen konnte, griff sie ihren Plan, die Verfolger zu dezimieren wieder auf. Mit geschlossenen Augen atmete sie tief ein und konzentrierte sich auf das Gefühl der sanften Brise, die ihre Haut strich. Dort wo der Windzug allerdings auf Dämonen traf, drang er nicht bis zu ihr durch und so konnte sie einen nach dem anderen mit einem gezielten Angriff zur Strecke bringen. Einige stöhnten oder fluchten vor Schmerz auf, andere brachten nur noch ein Gurgeln hervor. Die Bande war sowieso schon alarmiert, da spielte es keine Rolle mehr, wie viel Lärm sie machten.
      Sie zählte 8, ehe sie die Hitze des Dämons spürte, die bedrohlich näher kam. Reflexartig mobilisierte sie ihre letzten Kräfte und erzeugte eine letzte Windböe, die sämtliche Möbel durch den Raum warf. Ihr Poltern, sowie das Zerspringen einer Menge Gläser war zu hören, doch auch die Wärme entfernte sich. Das Krachen von Steinen und Bersten von Holzbalken verhieß nichts gutes, da eine solche Windböe innerhalb von Räumen durchaus eine Wand einreißen kann. Die Geräusche ließen sie kurz aufschrecken, denn sie hatte nicht bedacht, dass sie jemand Unschuldigen mit dieser Verteidigungsmaßnahme verletzen könnte. Hätte sie es nicht getan, wäre allerdings mehr als nur ihre ausgestreckte Hand verbrannt worden, dessen Schmerz sie ihre Kiefer aufeinanderpressen ließ.

      "Es reicht! Du kannst die Illusion auflösen!", rief sie dem Dämonen zu und drehte sich sofort um. Als der Rauch verschwand, suchte sie zwischen den Leichen nach dem Beutel und fand ihn dicht an der ausgestreckten Hand eines Dämons, dem sie die Kehle aufgeschlitzt hatte. Schnell nahm sie ihn an sich und wollte eigentlich an Malvas vorbei, als sie ins Straucheln geriet und ihn anrempelte. Der Kampf in ihrem Dorf war noch keine 24 Stunden her und dazu hatte sie recht wenig geschlafen und viel zu viel Mana bei ihrem Fluchtversuch verbraucht.
      Anhand der um sich schlagenden Flammen hinter ihnen, war der Feuerdämon noch am Leben, weshalb keine Zeit für ein Päuschen war. Instinktiv griff sie zum Handgelenk des Dämonen, um ihn mit sich zu ziehen, auch wenn dieser wohl kaum vor hatte dort stehen zu bleiben. Nach ein paar Schritten ließ sie ihn los, sprang grazil mit einem Hechtsprung aus dem Fenster und rollte sich draußen auf der Straße ab. Die Menschen waren schon wegen dem Feuer geflüchtet, weshalb sie Hoffnung schöpfte, dass niemand ihretwegen zu Schaden gekommen wäre. Hastig umsehend, suchte sie einen Weg, doch sie kannte sich überhaupt nicht in der Stadt aus und hatte keine Ahnung, wo sie sich gerade befanden, weshalb sie Malvas hilfesuchend ansah. Ohne Pfeile konnte sie nicht gegen einen Feuerdämonen bestehen, wenn er nicht noch ein Ass im Ärmel hätte oder ihr zumindest den Weg zeigen könnte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Überraschenderweise hörte die Elfe auf sein Wort - wer hätte das schon von diesen arroganten Kreaturen erwarten können. Schnell wie der Wind flitzte sie hinter Malvas hervor und stürzte sich regelrecht in die Rauchschwaden seiner Illusion hinein.
      Malvas ließ sich davon nicht ablenken, aber das funktionierte auch nur so lange, wie er nicht darüber nachdachte, was die Elfe gerade so veranstaltete. Er konnte sie noch sehen, als sie den Rand seiner Illusion erreicht hatte und dann hätte er sie noch sehen können, wenn er auf ihrem Pfad eine Schneise hätte erschienen lassen, um sie im Blick zu behalten, aber aus Angst vor den anderen Dämonen hatte er es unterlassen.
      Dafür konnte er sich jetzt, wo er so alleine gelassen auf dem oberen Absatz der Treppe kauerte, genauestens ausmalen, wie die Elfe ihn hintergehen könnte. Wie sie sich ihren Beutel schnappte, sich auf federleichten Füßen an den Dämonen vorbeischlich, die mit den Armen durch den Rauch ruderten und Flüche dabei ausstießen, während sie versuchten, hinauszugelangen. Er konnte sich genauso gut vorstellen, wie sie durch die Tür verschwand und ihn dazu verdammte, dass seine Kraft ihn bald verlassen würde und der Rauch versiegte, nur, um ihn seinen tobenden Artgenossen zu überlassen.
      Er konnte es sich so bildlich vorstellen, dass er die Szene sogar hätte nachstellen können.
      Immerhin konnte er Chaos hören und einen Arm sehen, der gefährlich weit in die Freiheit hinaus kam und den er schnell in weiteren Wolken untergehen ließ, ganz dicht gefolgt von weiteren Geräuschen, die sich stark nach mühsamen Stöhnen und gequältem Gefluche anhörte. War die Elfe mittlerweile schon draußen? Hatte sie ihn mittlerweile schon zurückgelassen? War es an ihm, einen eigenen Weg nach draußen zu finden?
      Vielleicht hätten sie sich absprechen sollen.
      Auf der anderen Seite war es alles andere als realistisch, mit einem solchen Wesen irgendeine Art von Bündnis einzugehen. So viel Stolz hatte Malvas immerhin noch, um das zu vermeiden.
      Dann hörte er aber ihre Stimme und obwohl es ihn am ganzen Körper dagegen sträubte, verspürte er doch eine immense Erleichterung darüber, dass sie nicht nur noch hier war, sondern auch, dass sie ihn ganz eindeutig nicht vergessen hatte. Sie schien sogar gewillt, ihn hier auch lebend herauszuschaffen. Eine sogenannte Gutmütigkeit der Elfen? Oder Dummheit? Was es auch war, Malvas verdankte ihr vermutlich sein Leben.
      So wie sie vorhin direkt auf sein Wort gehört hatte, tat er es auch jetzt und ließ seinen Rauch im Nichts verschwinden. Mit einem Mal lichtete sich der Raum wieder und zum Vorschein kam das Chaos, das hier veranstaltet worden war.
      Acht Dämonen lagen auf dem Boden verstreut. Reflexartig wollte Malvas sich wieder im Keller verkriechen, ehe ihm einfiel, dass das Unheil, das hier gewütet hatte, auf seiner Seite sein musste: Die schlanke, zierliche Elfe, die zwischen den Körpern herumhuschte und ihre Habseligkeiten zu finden versuchte. Noch während sie dort hockte, breitete sich das Blut auf dem Holz aus und davon nicht gerade wenig.
      Hatte sie das etwa allein geschafft? In den wenigen Sekunden, in denen sie im Rauch verschwunden gewesen war? In denen Malvas dort gehockt und seine Illusion wabern gelassen hatte? Da hatte sie nicht einen, sondern acht Dämonen umgenietet?
      Er gaffte, und das so lange und eindrücklich, dass ihm nicht einmal die steigende Hitze auffiel, die unweigerlich den Feuerdämon ankündigte. Er starrte noch immer perplex, als die Elfe schon auf ihn zugehuscht kam und dann ihre beiden Körper miteinander kollidierten. Er konnte sie quasi schon fallen sehen, ihre Muskeln schienen mit einem Mal nicht stark genug, um sie noch länger aufrecht zu halten, aber da fing sie sich doch noch und griff nach seinem Handgelenk. Kühle Finger legten sich um seine Haut und dann zog sie ihn schon mit sich, während er noch immer daran zu kauen hatte, dass sie soeben acht Dämonen niedergestreckt hatte. A c h t.
      Sie liefen auf das Fenster zu, der nächstmögliche Ausgang, wenn sie vermeiden wollten, in die Feuerfalle des einen Dämons zu gelangen. Die Elfe war schneller und wendiger als Malvas, wie er schnell bemerkte, nachdem sie nicht eine Sekunde langsamer wurde, ihn stattdessen losließ und mit einem einzigen, eleganten Kopfsprung aus dem Fenster verschwand. Malvas prallte dafür eher ungelenk an das Fensterbrett, schwang dann schnell die Beine hinüber und ließ sich fallen, was etwa zwei Meter Höhe war. Er kam auf und federte sich ab wie eine Katze, während die Elfe schon längst wieder auf den Beinen stand. Bei Zeiten müsste er sie einmal fragen, wie sie sowas schaffte. Allerdings würde es doch wohl kaum Zeiten geben, in denen er ernsthaft ein Wort mit dieser Elfe gewechselt hätte.
      Nicht, dass sie dazu jetzt eine Chance hätten. Über ihnen zerbarsten die geöffneten Fensterscheiben bei dem schieren Hitzedruck, der von innen auf sie einwirkte. Splitter regnete auf sie herab und Malvas fuhr herum in Erwartung des kahlköpfigen Dämons, der ihnen gleich die wahrhaftige Hölle unter den Füßen aufgehen lassen würde.
      "Scheiße!"
      In Erwartung, dass die Elfe auch jetzt sie beide retten würde, sah er zu ihr hinüber, aber da hatte sie bereits ihren Blick auf ihn gerichtet und bewegte sich kein Stück. Ihre Augen waren weit aufgerissen, er konnte sie atmen sehen. Malvas keuchte selbst, ihm stand der Schweiß auf der Stirn und seine Wunden brannten. Nein, hier würde so bald niemand irgendjemanden retten.
      Dann also tun, was er immer tat, wenn er keinen anderen Ausweg wusste: Laufen. Laufen, laufen und immer nur weiterlaufen. Irgendwann würde schon etwas passieren, wodurch man nicht mehr laufen musste.
      Eilig huschte sein Blick über seine Umgebung, geübt im jahrelangen Leben auf der Straße und im Untergrund, in dem er immer wieder solchen Situationen ausgesetzt war. Fensterbretter stachen ihm ins Auge, tief genug, dass er sie erreichen könnte, auch aufgestapelte Kisten, niedrige Dächer, Balkone, Nebenstraßen. Malvas war nicht unbedingt sportlich - jetzt, wo er die Windelfe gesehen hatte, hielt er sich sogar als überaus unsportlich - aber einen gewissen Grad an Fluchtkunst besaß auch er. Wenn er musste, konnte er selbst ein ganzer verdammter Winddämon werden, so schnell, wie er war.
      "Da!"
      Er machte sich nicht die Mühe zu zeigen - genauso wenig, wie er sich die Mühe machte darüber nachzudenken, wieso er der Elfe jetzt überhaupt immer noch half - und sprintete stattdessen auf die nächste Ecke zu. Ganz anscheinend dachte auch die Elfe nicht darüber nach, denn kurz darauf war sie schon bei ihm und lief ihm mühelos nach, ohne einen Meter zu viel zurückzubleiben.
      Gemeinsam schlitterten sie um die Ecke, in der Sekunde, in der zweifellos der erste Dämon selbst aus dem Fenster sprang. Malvas lief, was das Zeug hielt, was nicht sehr schnell war, denn die Illusion hatte ihn mehr erschöpft, als er zugeben wollte. An guten Tagen hätte ihm ein derartiges Schauspiel nicht so viel ausgemacht, aber heute war er bewusstlos geschlagen worden und hatte auch noch Wunden davongetragen, es war wohl ein Wunder, dass er überhaupt so viel ausgehalten hatte. Jetzt wurde ihm das aber bewusst, als seine Muskeln schmerzten und ihm der Atem ausging.
      "Hoch!", presste er heraus, noch bevor sie das Ende dieser Nebenstraße erreicht hatten. Fahrig deutete er mit einem Finger auf ein niedrig gelegenes Zwischendach.
      "Hochhochhoch!"
      Er kam zuerst daran an, verschränkte die Finger ineinander und hielt seine Hände nach oben offen hin, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Vermutlich hätte er einfach versuchen sollen, das Dach erstmal selbst so schnell wie möglich zu erreichen und dann zu überlegen, ob er der Elfe auch noch helfen sollte, aber Gedanken wurden rar, wenn der Körper an seine Grenzen geriet. So hielt er ihr die Hände offen hin, als sei sie seine Komplizin, und beförderte die Elfe mit Schwung auf das Dach hinauf. Dann sprang er selbst nach, bekam die Dachkante zu fassen und versuchte sich daran hochzuziehen - nur, dass seine Arme ihm den Dienst versagten. Bevor er aber noch loslassen oder gar abrutschen konnte, legten sich wieder kühle Finger um ihn und zogen ihn das restliche Stück nach oben.
      Keuchend und schwitzend kroch er vom Dachrand weg, orientierte sich ganz flüchtig an dem winzigen Zwischendach, auf das sie sich gezogen hatten, und wo sie noch höher kommen könnten. Dächer waren gut, sie waren nicht gut einsehbar von der Straße. Auf der anderen Seite hatten sie noch mindestens drei Verfolger, die sicherlich schnell auf den Rückschluss kommen könnten, dass sie nicht mehr auf der Straße sondern darüber waren.
      Aber für den Augenblick konnte er nicht darüber nachdenken. Für den Augenblick kniete er auf dem Boden und schnappte hastig nach Luft.
      "Gib mir... einen Moment... Lady..."
    • Dieser Dämon würde noch die ganze Stadt in Schutt und Asche legen, wenn sie nichts dagegen unternahm! Doch ihr Atem ging bereits stoßweise, obwohl sie eine ausgezeichnete Kondition hatte. Malvas sah sie an und dann ihre Umgebung, was die Elfe zuversichtlich stimmte, als er auch schon Da rief. Etwas verwirrt wartete sie, dass er los lief und lief ihm hinterher. Diese Illusion musste ganz schön an seinen Kräften gezerrt haben, so wie er dabei aussah und so langsam und ungelenk er jetzt war. Selbst jetzt hätte die Elfe ihn noch überholen können, doch sie wusste nicht wohin.
      Hoch? Seinem Finger folgend, verstand sie worauf er hinaus wollte. Die folgende Geste war eindeutig und im Moment war sie wohl auf seine Hilfe angewiesen, obwohl sie so einen Sprung als Windelfe sonst mit Leichtigkeit geschafft hätte. Erneut merkte sie, wie sie sich verausgabt hatte, als sie auf dem Dach landete und ein paar Schritte nach vorn stolperte. Ungeduldig blickte sie zurück, doch der Dämon kam nicht nach, weshalb sie zurücklief und ihn mühselig nach oben zog. Sie war ohnehin nicht die Stärkste und in diesem Augenblick war es noch kräftezehrender wie gewohnt.
      Keuchend wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und die Strähnen beiseite, die in ihrem Gesicht klebten. Anschließend führte sie ihre Hand über ihre Brust, um ihre Brosche zu greifen, doch sie war nicht da. Ihr Umhang war weg und mit ihm die Brosche ihrer Mutter. Für einen Moment war sie etwas betrübt, blickte dann jedoch zu dem Dämon, der noch mehr außer Atem war, als sie. Immer wieder nannte er sie Lady, was für die Elfe sehr befremdlich war. Anfangs hatte sie es noch ignoriert, doch ihr brüchiges Bündnis hielt länger als erwartet. "Ana... Ich heiße Ana'Maera..", ließ sie ihn wissen, damit er sie nicht mehr mit Lady rufen musste. Sie dachte kurz darüber nach, ob sie es mit den restlichen Drei noch irgendwie aufnehmen könnten, doch selbst wenn sie Pfeile auftreiben könnte, würde er normale Pfeile einfach zu Asche verwandeln, bevor sie ihn trafen. Im selben Moment fiel ihr jedoch ein, dass sie einen Dolch gefunden hatte, der entweder diesem oder einem der anderen Dämonen gehörte und holte diesen aus dem Beinholster heraus, in dem sie ihren eigenen Dolch aufbewahrt hatte, bevor sie ohne ihn aus Sanger'a fliehen musste. Mit einer Waffe könnte er sich besser verteidigen, wenn dies nötig sein sollte. Das es nicht klug war, einem niederträchtigen Dämon eine Waffe zu geben, ignorierte sie in ihrer Gutgläubigkeit.

      Langsam ging sie zum nächsthöheren Dach und legte ihre Hand an die Wand. Noch nie hatte es sie solche Mühen gekostet zu klettern. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb ihnen nicht, als sie sah wie sich das Feuer des Dämonen ausbreitete. Die armen Menschen, die unter ihrer Flucht leiden mussten.. Je länger sie sich hier mit dem Feuerdämonen ein Rennen lieferten, desto mehr Opfer gäbe es. Auch wenn ihre Mission einem höheren Ziel diente, als die damit verglichen wenigen Leben in dieser Stadt, konnte sie es nicht ertragen.
      Sie wandte ihren Blick ab und entdeckte einen Pfeil im Dachbalken, als würde sie das Glück herausfordern. Er war schon etwas mitgenommen, aber mit Windmagie war er immer noch brauchbar. Ohne den Feuerdämonen würden die anderen beiden vielleicht aufgeben oder ihr Begleiter könnte sich um sie kümmern. Irgendjemand. "Wenn ich noch einen magischen Pfeil abschieße, könnte ich mein Bewusstsein verlieren.." Den Körper zur absoluten Erschöpfung zu reizen war keine gute Idee, aber hatten sie eine andere Wahl, außer ihn die ganze Stadt in ein Inferno verwandeln zu lassen? Dazu war schon ein einziger Feuerdämon imstande.
      Mit dem Pfeil in der Hand sah sie zu Malvas, als wartete sie darauf zu erfahren, was er davon hielt. Ohne ihn, wäre sie den anderen beiden schutzlos ausgeliefert, sollten sie nicht aufgeben. Andererseits könnte es auch ihr vorübergehender Verbündeter sein, der sie immer noch hintergehen könnte. Er war schon vorher am Ätherion-Stein interessiert. So oder so stiegen ihre Chancen nicht wirklich, je länger dieser Feuerdämon lebte. Alternativ könnte sie nur noch versuchen einen der anderen beiden damit zu töten, aber ob der Pfeil sein Ziel ohne Magie treffen würde, war fraglich. Ob sie diesem Dämonen noch einmal ihr Vertrauen schenken könnte?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Atemlos sah Malvas zu der Elfe auf, die sich neben ihn gestellt hatte und ähnlich aus der Puste war wie er selbst. Im Gegensatz zu ihm stand sie aber noch aufrecht und würdevoll, so wie man es von allen Elfen gewohnt war. Was ihn in die Knie zwang, schien eher eine Unannehmlichkeit für die gegensätzliche Rasse.
      Nur, dass sie sich gerade bei ihm vorgestellt hatte. War das irgendein Täuschungsversuch, um sich sein Vertrauen zu erschleichen? Waren Elfen überhaupt so gerissen, um einen Dämonen zu manipulieren?
      Auf der anderen Seite, wie schwierig war sowas schon?
      Malvas kniff die Augen zusammen, dann antwortete er selbst nach einem Moment:
      "Malvas."
      Und damit war es geregelt. Jetzt waren sie Bekannte.
      Wie ätzend.
      Keuchend kämpfte er sich zurück auf die Beine, was schwieriger war, als es hätte sein dürfen. Kaum stand er aber, konnte er seinen Augen nicht trauen: Die Elfe, Ana'Maera, hatte tatsächlich seinen Dolch bei sich. Seinen Dolch! Dabei hatte er schon längst Abschied davon genommen.
      "Hey - das ist meiner!", platzte er hervor, auch wenn das wohl weitaus unangebracht gewesen war. Sie hatte ihm jetzt schon zweimal das Leben gerettet; oder vielleicht sogar dreimal. Sollte sie doch seinen dummen Dolch behalten, er konnte sich schließlich überall einen neuen besorgen.
      Es war aber ein sehr schöner Dolch. Und seiner.
      Dann übergab sie ihn ihm aber auch noch und er riss ihn an sich wie einen Schatz, den er nie wieder von sich geben wollte.
      Sein Dolch. Sein wunderschöner Dolch. Ehrfürchtig holte er ihn heraus und betrachtete den kunstvollen Griff, während Ana'Maera bereits weiterging. Abgelenkt von seinem zurückerlangten Besitz wandte er sich ihr erst zu, als er die Wärme des nahenden Feuerdämons spürte und dann ihre Stimme hörte.
      Einen weiteren Pfeil könnte sie nicht verkraften, das überstieg ihre Ausdauer. Auch Malvas fühlte sich nicht fähig dazu, eine anständige Illusion zu schaffen, jedenfalls keine, die ihnen hier weiterhelfen würde. Noch eine menschliche Gestalt, die sich entsprechend bewegte, und er würde sich auch verabschieden müssen. Das war eine Beeinträchtigung, die sie in dieser Situation in jedem Fall vermeiden sollten.
      Aber was waren die Alternativen? Weiterrennen und darauf hoffen, dass der Feuerdämon darauf verzichtete, ihnen die Dächer unter den Füßen wegzusprengen? Dämonen waren schließlich nicht gerade berüchtigt dafür, groß Rücksicht zu zeigen und dieser Dämon hatte bestimmt noch nicht all seine Kräfte aufgebraucht. Malvas wusste das, denn sonst hätte sich ein beachtlicher Teil ihres Fluchtweges bereits in Asche verwandelt.
      Ana'Maera starrte ihn an und Malvas starrte zurück. Er wusste nicht, wieso er die Entscheidung fällen sollte. Er wusste auch nicht, warum sie überhaupt noch zusammen waren.
      Dann drangen die Stimmen der Dämonen zu ihnen herauf und ein paar Hände tauchte an dem Dachrand auf, offensichtlich drauf und drang, den Besitzer nach oben zu befördern. Malvas sprang vom Dachrand weg.
      "Generalverfluchte Scheiße!"
      Schimpfend rannte er zu Ana'Maera hinüber, die direkt unter dem nächsten Dach stand. Sie könnten es hoch schaffen, aber die Dämonen hatten längst begriffen, wo sie waren.
      Malvas zeigte trotzdem hoch.
      "Weiter! Geh weiter!"
      Auch jetzt gehorchte die Elfe ihm und gemeinsam quälten sie sich auf das höhere Dach empor, während der erste ihrer Verfolger das Zwischendach erreichte. Es war nicht der Feuerdämon.
      Malvas wusste nicht, ob das gut oder schlecht sein sollte.
      "Tu es!"
      Er wusste gar nicht, worauf er sich da einließ. Konnte sie versichern, dass ihr Pfeil auch treffen würde? Würde ihr nicht auf dem Weg die Kraft ausgehen?
      Aber sie war die einzige von ihnen beiden, die es irgendwie mit den Verfolgern aufnehmen könnte. Malvas hatte nur seinen Dolch, er wäre Asche, bevor er den Feuerdämon überhaupt erreicht hätte.
      "Schieß! So viel du kannst! Ich... Ich hab dich! Generalverflucht, im Namen der Königin, ich schwöre es!"