Ein nie dagewesener Lärm umhüllte Saner’a, ein harmonisches Elfendorf in den Wäldern Ysse’s. Auf ihnen lag der Schatten der Dämonen, die hier eingefallen waren. Dunkler Rauch stieg empor. Der Geruch von Blut und Feuerholz, aber auch von verbranntem Fleisch lag in der Luft, die von qualvollen Schreien, Schlachtrufen und Gelächter durchschnitten wurde.
Die Elfen verteidigten ihr Dorf mit aller Kraft und es gelang ihnen auch eine Vielzahl ihrer Feinde niederzustrecken, doch die Dämonen waren nicht nur in der Überzahl – sie waren auch sehr mächtig. Die Hüter, Elfen dessen Aufgabe es war einen Ätherionsplitter zu beschützen, um somit die Welt vor dem Chaos zu schützen, verteidigten die Halle der Aufspaltung in der das Fragment des Ätherionsteins aufbewahrt wurde. Sollten die Dämonen alle 5 Bruchstücke zusammenführen, würde erneut das Unheil über die Welt kommen.
Im Mantel der Nacht hatten die Dämonen die Elfen soweit zurückgedrängt, dass Eleazar, der Anführer der Hüter, nur noch einen Ausweg sah. "Ana’Maera. Nimm den Ätherionsplitter und flieh. Bring ihn nach Lumenar." Lumenar war die prachtvolle Elfenstadt im Westen Oluin’s. Um den Schutz des Steins zu erhöhen, entwickelte man das Konzept, den Stein alle Jahrzehnte an den nächsten zu geben. Dieser Splitter durfte unter keinen Umständen in ihre Hände geraten, da sie bereits 4 der Bruchstücke an sich gerissen hatten.
"Jawohl", erwiderte die junge Elfe und feuerte noch einen letzten Pfeil ab, ehe sie in das innere lief und den Splitter in ein kleines, ledernes Säckchen legte, welches sie in ihrem Harnisch versteckte. Anschließend eilte sie zu den Pferden, die auf einem eingezäunten Teil der Lichtung grasten. Der Kampf hatte sie aufgescheucht und so waren sie äußerst unruhig, als Ana’Maera bei ihnen ankam. „Selene!“ Sie schwang sich über den Zaun und sprang in einem Satz auf die Stute, die sich beim Ruf ihres Namens etwas beruhigt hatte. Kaum hatte sie Halt in der Mähne gefunden, trieb sie das Pferd an, das über den Zaun sprang, um die Elfe von hier fortzutragen. Ohne Sattel war das Reiten etwas umständlicher, doch dafür blieb keine Zeit. Sie musste fort, ohne Aufsehen zu erregen. Erleichtert stellte sie fest, dass sie keine Verfolger hatte und verließ den Wald nach etwa einer Stunde.
Selbst wenn sie durchgehend galoppieren könnte, dauerte es mindestens eine Woche nach Lumenar. Weder sie, noch das Pferd würden jedoch ohne Pausen aushalten. Ohne Sattel war es ihr auch nicht möglich so schnell zu reiten. Doch nicht weit von hier gab es eine Menschenstadt. Die Stadt Calanin. Ana’Maera war noch nie dort, wusste aber, dass diese einen florierenden Handel führte und deshalb auch ein beliebtes Ziel bei Reisenden war. Dort könnte sie für die Nacht eine Bleibe finden und sich am nächsten Morgen für ihre Reise ausstatten.
Müde vom Kampf, nachdem das Adrenalin abgeebbt war, kam sie mitten in der Nacht in Calanin an. Es regnete bereits sein einer halben Stunde, weshalb sie Selene in einen Stall brachte und sie dort sorgfältig trocknete und etwas zu fressen gab. In wenigen Stunden schon würde die Sonne aufgehen und hoffentlich den Regen vertreiben. Als Hüterin blieb ihr keine Zeit für Trauer um ihre Kameraden und so setzte sie sich an einen der Tische und ließ sich ihren Kummer nicht anmerken. Es waren noch einige Gäste im Raum und tranken. Ihr Lärm war eine willkommene Ablenkung für die Elfe, die sich lediglich etwas Wasser und eine Kleinigkeit zu Essen bestellt hatte.
Sie blieb nicht lang und zog sich in ihr Zimmer zurück, als sie aufgegessen hatte, wo sie ihren nassen Umhang auswrang und aufhing. Auch ihren ledernen Harnisch, sowie ihre Stiefel und Hose hing sie bei der kleinen Feuerstelle auf. Lediglich ihr Leinenhemd, sowie ihre Unterwäsche behielt sie an und hielt den Lederbeutel fest in ihren Händen, als sie sich mit einem Kissen vor das Feuer legte. Es war nicht besonders bequem, aber sie war vom Regen durchgefroren und auch ihr Hemd hatte etwas abbekommen.
Am nächsten Morgen verließ sie die Taverne und ging auf den Markt, um Proviant zu kaufen. Außerdem brauchte sie neue Pfeile, denn ihr Köcher fasste nur noch zwei davon. Mit dem Bogen auf ihrem Rücken und ihren leicht gebogenem Kurzschwert an der Hüfte, deckte sie sich ein und trug schließlich einen gut gefüllten Sack in der Hand. Als letztes brauchte sie nur noch einen Sattel, um ihre Reise etwas komfortabler zu gestalten.
Diese Stadt war schon ein großer Unterschied zu ihrer Heimat. Viele Menschen drängten sich durch die Gassen, überall hallten Gespräche und gelegentlich sah sie auch ein paar Elfen. Manche von ihnen hatten sich zwischen die Menschen gemischt, es soll sogar Halbelfen geben. Als Hüterin war ihr Leben allerdings auf die Dämonen und Ätherionsplitter ausgerichtet. Natürlich war es ihr gestattet eine Familie zu gründen, aber für Reisen oder dem Leben in einer Menschenstadt war darin kein Platz. Sie hatte eine Pflicht zu erfüllen und Elfen galten als besonders pflichtbewusst und loyal. Menschen zeigten ihnen gegenüber kaum Misstrauen. Es gab keine Kriminellen unter ihnen und sie wandelten schon seit Jahrhunderten zwischen den Menschen, nachdem sie vom Ätherionstein geschaffen wurden. Es gab viele Geschichten darüber und jeder glaubte eine andere. Manche sahen in den Elfen sogar ihre Retter. Andere einfach nur all die guten Eigenschaften, die ein Mensch haben konnte, während die Dämonen all das schlechte verkörperten. Negative Emotionen wie Gier und Hass waren der Elfe tatsächlich fremd. Auch Trauer und Wut lernten sie zu beherrschen, während ihnen Aufopferung und Hilfsbereitschaft in die Wiege gelegt wurde. Ana’Maera würde ihr Leben geben, wenn nötig, um ihre Mission zu erfüllen.
~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
- Eugene Ionesco
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