Don't fall in love with a human (Kiimesca & Nordlicht)

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    • Benjamin

      Ob mein Gesichtsausdruck sich in eine gewisse Ungläubigkeit verwandelte? War das Dennis ernst!? Sie war "nett"?
      "Hör mal zu, Casanova. Es ist mir völlig egal, ob sie auf deiner Liste der Errungenschaften steht oder nicht. Mit dieser Aktion habt ihr zwar ein Leben gerettet, aber ihr habt uns verraten! Ihr wusstet genau, was es für Konsequenzen hat, wenn ein Mensch von uns erfährt! Was zur Hölle soll ich jetzt mit der Begründung "sie ist nett" anfangen!? Hm!?"
      Was hatten diese Helden sich nur gedacht!? Sie wussten genau, dass keine Menschen jemals von Vampiren oder Werwölfen erfahren sollten. Die Kleine wussten nun gleich von allen beiden. Wunderbar. Ich atmete tief durch, doch es dauerte einen Moment, bis ich etwas ruhiger wurde. Ich fuhr an meine Schläfe, schloss die Augen, wandte den "Mad Dogs" den Rücken zu und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Nur ein paar Sekunden, dann wandte ich mich wieder zu ihnen um. "Ihr habt uns damit in erhebliche Schwierigkeiten gebracht. Sie hätte heute sterben sollen, so wie viele andere vor ihr! Was denkst du, Dennis!? Was denkt ihr, womit ich mich in meiner kompletten Freizeit beschäftige!? Genau! Diese verfluchten Morde aufzuklären, um weitere zu vermeiden! Aber ich war noch nicht so weit. Sie sollte das nächste Opfer sein, und ihr, verdammt nochmal! Ihr habt uns damit über Bord geworfen!"
      Egal wie ich es versuchte, ich schaffte es nur schwer, mich zu beruhigen. Seit ich die kleine Gruppe aus Freunden kannte, trichterte ich ihnen unentwegt ein, dass es das oberste Gebot war, nicht erkannt zu werden. Und das Blondchen war nicht irgendjemand... es war die Tochter des Bürgermeisters! Keine Rebellin, sondern das brave, vorbildliche Mädchen von nebenan. Daddys Liebling, dem sie alles anvertrauen konnte. Ein paar tiefe Atemzüge später, ließ ich meinen Blick von dem einen herabgelassenen Gesicht zum nächsten wandern, ruhte auf dem Antlitz von Dennis.
      "Ich werde es ihr erklären... irgendwie. Und wenn sie es nicht einsieht und nicht versteht... ich muss sie töten. Das ist euch bewusst? Ich kann sie nicht am Leben lassen, wenn unsere ganze Existenz auf dem Spiel steht."
      Selbst von mir überrascht und in gewissem Maße auch enttäuscht darüber, wie trocken ich diese Worte herüberbrachte, wandte ich mich ab. Versteht mich nicht falsch. Es war nicht meine Absicht, dieses junge Ding, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatte, zu töten. Ich war kein Mörder. Doch was würde uns erwarten, wenn ganz Rainville von der Existenz derer erfuhr, die sonst nur in Sagengeschichten und Filmen vorkamen? Was würde das für uns alle bedeuten? Der Bürgermeister liebte seine Tochter, und sie kam durchaus zurechnungsfähig daher. Man würde ihr glauben, so absurd ihr Gerede auch klang. Irgendwann würde man ihr glauben. Wenn nicht ihr, dann dem Bürgermeister.

      Sophie

      Was...?, fragte ich mich selbst auf ihre komische Erklärung. Werwölfe... Vampre. Okay. Ich musste eindeutig träumen! Ich konnte nicht anders, als zu lachen, auch wenn die Situation mehr zum Verzweifeln war. Lisa machte doch Scherze, oder? Das konnte nicht ihr ernst sein. Sie wollte mich verarschen, ganz bestimmt. Ich hatte mich also auch in ihr getäuscht. Natürlich. Ich hätte auf Dad hören sollen, der mir seit meinem fünften Lebensjahr eintrichterte, nicht so gutgläubig zu sein. Ich schaute mich um, suchte vergebens nach einer versteckten Kamera. Vielleicht war's auch ein Joke. Grandma wollte doch schon lange, dass ich "lockerer" wurde. Vielleicht wollte sie mich auf den Arm nehmen. Ja! Ja, natürlich! Der Mensch war gar nicht tot! Und sicher auch kein Vampir! Die Wölfe waren einfach etwas groß geratene Huskys... und das hier... das hier waren Statisten - klar! Und die Fünf verdammt gute Schauspieler, das musste man ihnen lassen. Seht ihr. Es gab für alles eine Erklärung. Vampire, Werwölfe... tz.
      "Okay... also ist gut. Man kann dann hier abbrechen. Denke das Ding mit der versteckten Kamera hat funktioniert", sagte ich, als ich langsam meinen Lachanfall beendet hatte. Wäre ich doch fast drauf reingefallen. "Wer steckt dahinter? Grandma?"

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Dennis

      Auf meiner Liste der Errungenschaften?! Als hätte ich schon mit zich Weibern gevögelt. Und mit der?! Sicher nicht. Klar sie war hübsch, aber sie hasste mich. Benji's Predigt war jedoch längst nicht beendet und selbst ich, der ihm am ehesten die Stirn bot, fühlte mich zunehmend kleiner. Erbärmlicher.
      Als er dann jedoch meinte, er müsste sie vielleicht töten, sah ich ihn etwas erschrocken an. Würde er wirklich so weit gehen? Sie hätte heute vielleicht sterben sollen, aber sie ist es nicht. Benji machte mir gerade ein wenig Angst und mit dieser Standpauke hatte er es auf jeden Fall geschafft, dass ich nie wieder den Drang verspüren würde, einem Menschen zu helfen und dieses Risiko einzugehen. Ich wollte doch nicht..
      "Es.. tut mir leid..", murmelte ich leise, weil ich mich nun richtig beschissen fühlte.

      Lisa war derweil etwas verunsichert, weil Sophie glaubte, dass das alles nur ein Streich war. Glaubte sie das wirklich? Besser könnte es für uns ja eigentlich gar nicht laufen, oder? Auch auf die Gefahr hin, dass Sophie uns dafür hassen würde, dachte Lisa darüber nach, ob sie sie in diesen Glauben lassen sollte. "Nein, die hat nichts damit zutun.. Dennis.." Klar, ich war der perfekte Sündenbock. "wollte dir die Sache im Supermarkt heimzahlen..." Ob das funktionierte? Würde sie es ihr abkaufen? Aber was war mit Benji? Wenn sie glaubte, dass er da mitgemacht hätte, wäre auch sein Ruf hinüber? Dafür hatte Lisa aber auch schnell eine Lösung. "Mr. Potter hat's wohl rausgekriegt.. Jetzt belehrt er Dennis vermutlich, dass man so etwas nicht machen soll.. Er ist fast so etwas wie sein Vormund.." Dabei sah sie zu einem der Anwesenden, damit dieser mit dieser Information zu Benji gehen konnte. Er müsste schließlich mitspielen, wenn er Lisa's Lüge nicht kaputt machen wollte.
      "Tut mir leid... Ich.. fand auch, dass es etwas übertrieben ist.. Geht es dir denn gut...?" Ein falsches Schuldeingeständnis zusammen mit Reue und Besorgnis. Sicher fühlte sich Lisa nicht wohl dabei, aber sie wusste, dass es so besser sein würde.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Sophie

      Dennis? Der kleinkriminelle Dosendieb? Er war es, der hinter diesem fiesen Streich steckte!? Wie alt waren wir denn? 12!?
      Ich war hin und hergerissen zwischen Zorn, Erleichterung und Dankbarkeit. Ja, Dankbarkeit Lisa gegenüber. Immerhin hatte sie mich aufgeklärt. Ihr ganzes Spielchen war sowieso aufgeflogen, aber ihre Entschuldigung kam aufrichtig herüber, auch wenn dieser Tag wiedermal gezeigt hatte, dass man auf solch eine Gesellschaft verzichten konnte.
      "Ja, alles gut... Danke, dass du es mir gesagt hast. Aber diesen Dennis... den werde ich mir vorknöpfen!", sagte ich wild entschlossen, stand auf und stampfte wie ein zorniger Stier - nur das Ding mit der Hufe war etwas too much - auf Mr. Potter zu, der mit dem kriminellen Bündel um die Ecke kam. Meinen Zeigefinger voraus, ging ich an dem Polizisten vorbei, drückte meine Fingerkuppe an seine Brust und fuhr ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an: "Was hast du dir eigentlich bei dieser ganzen Aktion gedacht!? Du bist so ein kleines Kind! Hast du echt gedacht, ich falle auf euer kleines Schauspiel herein!? Denkst du, dass ich noch den den Weihnachtsmann glaube!? Du bist wirklich das Allerletzte!"
      Dann wandte ich mich ab, direkt an Mr. Potter, der mich mit großen Augen anschaute. So viel Temperament hatte er wohl von dem kleinen Blondchen nicht erwartet, was?
      "Ich hoffe, dass sie diesem... Typ da", gerne hätte ich irgendwelche bösen Schimpfwörter in den Raum geworfen, doch ich konnte mich gerade so beherrschen, "sagen, dass er solche komischen Streiche in Zukunft lassen soll! Und dass die Konserven das nächste Mal besser gleich im Supermarkt bleiben!"
      Nochmals wandte ich mich zu dem etwas größeren Dunkelhaarigen, nickte einmal heftig mit dem Kopf, von wegen "nun habe ich es dir aber richtig gegeben" und stampfte hinaus. Ich hoffte, dass das einzige, was ich hinterließ, offene Münder waren.

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    • Dennis

      Lisa war der zornigen Prinzessin gefolgt und sah mich entschuldigend an, als ich Opfer ihres Zorns wurde. Ich wusste nicht so recht, wie mir geschah, doch ich schwieg, war noch zu sehr vom Cop eingeschüchtert und wirkte somit, als wäre ich mir ihren Anschuldigungen bewusst. Als sie abzischte, sah ich kurz zu Lisa und verließ den Unterschlupf ohne ein Wort zu sagen. Ich wollte jetzt allein sein. Lisa erklärte den anderen noch einmal etwas ausführlicher, was da gerade passiert war. Ich war der perfekte Sündenbock. Schon okay. Es war besser, als wenn Benji sie hätte töten müssen. So richtete sich der Zorn beider nur auf mich.

      Ich verkroch mich in einer kleinen Höhle im Wald, ein gutes Stück außerhalb von Rainville, wo ich mich an die Wand setzte und meine Beine umschlang, um mich so klein wie möglich zu machen. Ich fühlte mich scheiße. Fast so schlimm wie damals. Beinahe hätte ich wieder ein Leben auf dem Gewissen gehabt, ob ich sie nun beschützt hatte oder nicht. Entweder hätte ein Vampir sie getötet oder ein wütender Werwolf.


      Amber

      Am Ferienhäuschen der Jones angekommen, schritt ich durch die Tür und atmete tief durch. Es roch angenehm hier drin und die Fenster waren geöffnet. Auch hier gab es eine nette Dame, die sich um das Haus kümmerte. Allerdings nicht täglich. Wenn ich nicht verhungern wollte, müsste ich also selbst kochen. Dafür hatte ich mir ein paar Fertiggerichte besorgt - Ich kann einfach nicht kochen.
      Ich brachte meine Taschen ins Schlafzimmer und ließ mich rückwärts auf das Bett fallen. Was ich mir davon erhoffte? Etwas mehr Klarheit vielleicht. Keine Ahnung. Egal, wie sehr ich es immer abgestritten hatte.. Eigentlich wollte ich doch auch nur einen Mann, der mich ansieht und nicht mein Vermögen. Ob es so jemanden gab? Viele jedenfalls nicht. Außerdem war es manchmal schwer die wahren Absichten zu erkennen. Deshalb ging ich einfach immer davon aus, dass es nie mehr als Sex sein würde. Ich schlief nicht mit jedem x-beliebigen, aber jetzt.. Ich fühlte mich so einsam, wie noch nie. Obwohl ich sogar Mitbewohnerinnen hatte! Aber ich sehnte mich nach einem Mann. Nach Benjamin. Ich musste mir nun also klar werden, ob ich versuche sein Herz zu erobern oder ob ich ihn mir aus dem Kopf schlage. Vielleicht würde es mir helfen, wenn ich mich mit etwas beschäftige. Ich könnte wieder häufiger tanzen. Die Bewegung tat gut und es machte mir Spaß.
      Dann war da aber ja noch Noah. Ich müsste abwarten, wie es mit ihm weiterginge. Sein Spielchen spielen, wenn nötig. Das würde mir vielleicht auch dabei helfen, mich von Benjamin zu distanzieren. Auch wenn der Gedanke mich traurig machte. Das war noch zum verrückt werden!!

      Ich war unruhig, also ging ich eine Runde im See schwimmen und lenkte mich mit Yoga ab. In den nächsten Tagen bewegte ich mich wirklich viel. Ich ging im Wald joggen und machte nebenbei ein wenig Krafttraining. Mir war nie in den Sinn gekommen, dass ich wegen meiner Gene so eine gute Ausdauer hatte. Ich machte schon seit Jahren regelmäßig Sport und hielt mich deshalb einfach nur für sportlich.
      Am Dienstag machte ich dann eine Entdeckung, die mein Leben verändern sollte. Es war ein Wolf im Wald, der mich anknurrte. Er wirkte unsicher und ich hatte so ein eigenartiges Gefühl. Es ähnelte dem Gefühl in Benjamin's Nähe. Ich glaubte zu spüren, dass dieser Wolf verängstigt und verloren war. War er einer von uns? Mit einem Lächeln ging ich auf meine Knie und setzte mich auf meine Waden, während ich ihm in die Augen sah.
      "Hey, ich bin Amber. Hab keine Angst. Bist du ganz alleine?" Es dauerte eine Weile und ich bewegte mich nicht, sodass er sich mir irgendwann näherte. Langsam hob ich meine Hand und legte sie an seine Wange. Ich streichelte ihn vorsichtig, was ihm zu gefallen schien. Kurz darauf schmiegte er sich an mich und ich umarmte ihn. Was war das für ein seltsames Gefühl? Ich versuchte es damit zu erklären, dass Benjamin meinte, wir hätten eine besondere Verbindung untereinander.

      Keine Ahnung, wie lange wir so verharrten, aber ich versuchte ihm ein wenig von meiner Ruhe abzugeben und dann verwandelte er sich tatsächlich in einen Menschen. Es war ein kleiner Junge, der erschreckend verwildert aussah. Lange, ungepflegte Haare und Schmutz überall. Er hatte etwas unangenehm gerochen, aber das störte mich in diesem Moment nicht. Erschöpft lag er in meinen Armen, weshalb ich ihn hoch hob und zur Hütte trug. Da ich langsam ging, brauchte ich eine Stunde für den Rückweg, wobei er auf meinem Arm eingeschlafen war. Kurz vorher wachte er auf und sah mich kurz an, ehe er sich im Haus umsah. Ich spürte, wie er unruhiger wurde und drückte ihn sanft an mich. "Alles wird gut.. Hast du Hunger? Ich mach dir etwas zu essen." Es war zwar nicht ganz angenehm, dass er so dreckig am Tisch saß, aber er hatte offensichtlich großen Hunger. Er wusste wie man das Besteck hielt, auch wenn es mehr wie bei einem Kleinkind aussah. Danach sah er mich mit seinen wunderschönen Kulleraugen an und ich lächelte.
      Ich bekam ihn ins Badezimmer und ließ mir viel Zeit dabei, ihn zu waschen. Die Dusche war groß genug für zwei, aber ich trug meinen Bikini, um mich nicht wie eine komische Perverse zu fühlen. Er blickte verwundert auf mein Tattoo und legte seine Hand darauf, als wolle er versuchen es abzuwaschen. "Das ist ein Tattoo. Ein Kunstwerk auf der Haut. Das kann man nicht abwaschen", erklärte ich ihm ruhig und trocknete ihn anschließend ab. Es sah richtig niedlich aus, als ich ihn in meine Klamotten steckte. Eine schwarze Jogginghose und ein einfaches Shirt. So konnte ich ihn aber nicht mit raus nehmen. Allein lassen wollte ich ihn aber auch nicht. War jetzt aber auch nicht so wichtig. Ein paar Tage würden wir damit zurecht kommen.

      Erst am Freitag schrieb ich Benjamin eine Nachricht und bat ihn, mir Kleidung für einen 10 jährigen Jungen vorbeibringen könnte. Er war der einzige, der mich nicht schief angucken würde, dachte ich. Also der einzige, den ich um diesen Gefallen bitten konnte. Nicht an ihn zu denken, war also erfolglos.
      Der Junge hatte bisher noch kein Wort gesagt, aber er schien mir zu vertrauen. Ich konnte ihm sogar die Haare schneiden und er schlief mit mir im Bett. Er war ziemlich anhänglich.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Die Tage, die kamen, waren... anspruchsvoll. Neben drei weiteren Leichen, insbesondere dieses jungen Mannes im Wald, den die Helden wohl ganz offensichtlich nicht gut genug haben verschwinden lassen, gab es auch allerlei andere Einsätze. Hier etwas häusliche Gewalt, da gabs wiedermal einen kaum erwähnenswert wichtigen Nachbarschaftsstreit. Und dann waren da ja auch noch die Alpha. Wir hatten einen Neuzugang, schwieriger Typ, der eigentlich ganz und gar nicht kooperativ war, und eigentlich nur von seiner Schwester angeschleppt wurde, weil die Info, dass es uns gab, sie auf untypischem Weg erreicht hatte. Es gab wirklich allerhand zu tun. Und so verging die Zeit wie im Flug. Ich hatte kaum Zeit, nochmal über Amber und mich nachzudenken. Es kreisten so viele andere Fragen in meinem Kopf herum, dass ich schlichtweg keinen Platz für sie hatte. Wie sich das anhörte... aber es war nun mal so. An Abenden, wenn ich halb tot auf dem Sofa lag und bei irgendeiner Arztsendung eingeschlafen war, ihr aber eigentlich schreiben wollte, stellte sich mir der Gegner "Schlaf" in den Weg. Aber hin und wieder, da musste ich schon an sie denken.
      An einem dieser Abende, als ich nach Hause kam und nach meiner Tiefkühlpizza auf dem Sofa vor mich hin dämmerte, wurde ich durch den Signalton meines Handys geweckt. Etwas widerwillig griff ich nach dem Smartphone mit dem leuchtenden Display. Als ich erkannte, dass es Amber war, richtete ich mich etwas auf, fuhr mit meiner Hand durch mein Gesicht, um etwas den Schlaf davon zu wischen und sah mit kaum mehr als schlitzförmig groß geöffneten Augen auf die Zeilen. Sie bat um Kleidung für einen etwa zehn Jahre alten Jungen. Was hatte das nun schon wieder zu bedeuten?

      Hey Amber. Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich komme morgen vorbei. Benjamin
      Zum Glück hegte und pflegte ich viele Konatkte, und so gab es einen meiner Schützlinge, der einen kleinen Bruder in dem Alter hatte, und er war bereit, mir freundlicherweise auszuhelfen. Er brachte mir zwei Shirts, zwei Hosen, eine etwas mitgenommene Jeansjacke vorbei, Boxershorts und ein paar getragene Turnschuhe. Mehr konnte ich auf die Schnelle nicht auftreiben. So fuhr ich mit dem Einsatzwagen am späten Nachmittag zu der Hütte im Wald. Da ich mich sehr gut in Rainville und den Wäldern auskannte, war es kein Problem, diese komfortabel erscheinende Hütte zu finden. Was war bei dieser Frau eigentlich nicht komfortabel? Ich fuhr also vor, stieg mit der Stofftasche aus dem Wagen und ging in voller Uniform auf die Hütte zu. Der Himmel war schon den ganzen Tag bewölkt. Es kündigte sich also wiedermal Regen an. Die dichten Wolken am Himmel verdunkelten auch den Wald und ließen die Hütte, umgeben von dichten Tannen, fast unheimlich erscheinen. Ich klopfte an der Tür. Und sofort stieg mir der Geruch eines Werwolfs in die Nase. Ein recht junges Exemplar, was ich anhand des Geruchs gut deuten konnte. Na auf die Geschichte war ich mal gespannt.

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    • Amber

      Morgen also.. Ich bedankte mich und beobachtete den Jungen beim Essen. Inzwischen war er dabei schon deutlich ruhiger geworden, seitdem er regelmäßig etwas bekam. Toast mit Nutella mochte er am liebsten und die Schokolade an seinem Mund brachte mich zum Lächeln.
      "Morgen kommt ein Freund vorbei und bringt dir etwas richtiges zum Anziehen.." Die Augen blickten in meine, ehe ich ihm mit einer Serviette den Mund abwischte. Das mit dem Sport hatte sich irgendwie erledigt, da ich viel Zeit mit ihm verbrachte und er wie eine Klette an mir hing. Vermutlich hatte er Angst, dass ich ihn alleine lassen würde. Deshalb konnte ich ihm nicht selbst etwas Kleidung besorgen. Außerdem hatte er Angst vor meinem Auto. Wie soll ich ihn bloß hier weg bekommen? Vielleicht würde sich das ja noch legen.
      Vorsichtig fragte ich immer wieder nach, ob er sich an seinen Namen oder irgendetwas erinnerte. Warum er allein im Wald war. Heute bekam ich eine Antwort und erfuhr so zumindest, dass er Alan hieß. Wir sahen zusammen Kinderserien an und er kuschelte sich auf dem Sofa an mich. Das war schon ein seltsames Gefühl, aber ich hatte den Kleinen wirklich in mein Herz geschlossen.

      Als Benjamin am nächsten Tag an die Tür klopfte, versteckte sich Alan hinter mir und ich musste ihn auf den Arm nehmen, um zur Tür zu kommen.
      "Hey.. Danke, dass du vorbei kommst.. Ich wusste nicht, wen ich sonst fragen sollte.. Tut mir leid.. Du hast sicher viel zutun.. ", bedankte und entschuldigte ich mich erst einmal für seine Mühen, bevor ich ihm Platz machte. Alan sah ihn skeptisch an. So ein bärtiger Grummel konnte einem Kind wahrscheinlich viel Angst einjagen. Er klammerte sich regelrecht an mich und wurde unruhig, weshalb ich noch ein paar Schritte von Benjamin wegtrat. Sein Blick haftete allerdings nicht an Benjamin's Gesicht, sondern auf seiner Jacke. Ob er Angst vor der Uniform hatte?
      "Das ist Alan.. ich hab ihn allein im Wald gefunden.. Bisher kam niemand vorbei, um nach ihm zu suchen.." Seine Eltern hätten ja sicher eine gute Nase und hätten ihm bis hierhin folgen können. Doch es kam niemand.
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      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Es dauerte nicht lange, bis sich die Tür öffnete. Vor mir stand neben Amber, wenig überraschend, ein etwa zehn Jahre alter Junge. Die Rothaarige trug ihn auf dem Arm, als wäre er ein kleines Kind. Und er... er klammerte sich an sie, als wäre sie seine Mutter. Ob mein Gesichtsausdruck verriet, dass ich für diese Situation wenig Verständnis aufbringen konnte? Ja, schier verärgert darüber war, dass sie diesen Jungen, wer weiß wie lange, bei sich untergebracht hatte? Was meint ihr? ich war nicht besser? Also erstmal war ich ein Cop, mir seit über fünfzehn Jahren im Klaren darüber, was ich war und wie ich damit am besten umging. Zum anderen, hielt ich meine Schützlinge nicht in den eigenen vier Wänden. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, wie lange dieses Kind schon in seiner wölfischen Gestalt wandelte. Oder dachte sie etwa, dass ich davon ausging, zu glauben, dass es ein gewöhnlicher Zehnjähriger war? Amber wusste viel zu wenig über die Gefahren eines Neuwolfs. Es war ähnlich wie bei den neugeborenen Vampiren. Sie konnten ihre Kraft, die gerade in den ersten Tagen einer Verwandlung beachtlich war, nicht kontrollieren. Und auch wenn er hier noch ein kleines Kind war, das sowohl in seiner menschlichen wie auch seiner wölfischen Gestalt keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, sollte man die Kraft der Unberechenbarkeit nicht unterschätzen. Dementsprechend war ich verärgert, dass sie mich erst jetzt angerufen hatte.
      Dem Jungen würdigte ich nur einen flüchtigen Blick, als ich eintrat in die Hütte, die aussah, wie aus einem Foto aus den verschneiten Alpen. Schön eingerichtet, nur das Kaminfeuer flackerte nicht. Nicht, dass es keinen gab. Natürlich gab es einen. Doch auch die Inneneinrichtung spielte nun eine Nebenrolle. Ich hatte noch immer nichts gesagt, als ich die Stofftasche auf dem XXL Sofa ablegte. Darin befand sich die Kleidung, die die einzige war, die ich auf die Schnelle auftreiben konnte. Ich verspürte den Drang, genau diese zu kommentieren. Vielleicht auch einfach, um die Stille, die sich nach Ambers Worten wie ein dichter Schleier über uns legte, zu durchbrechen.
      "Es ist das Einzige, was ich auftreiben konnte. Die Sachen sind gebraucht, aber ich denke, man kann sie noch tragen."
      Ungefragt nahm ich Platz. Ich dachte, dass dies kein Problem sei, auch wenn ich hier nicht Zuhause war und es auch nicht die feine englische Art darstellte. Aber auf diese legte ich ohnehin nicht immer einen zu hohen Stellenwert. Mein kritischer Blick lag auf dem Jungen. "Alan also", begann ich zögernd. "Wie lange lebt er schon hier bei dir?", fragte ich mit gerunzelter Stirn, so als würde ich über etwas wichtiges nachdenken. Jede Antwort, die über eine "halbe Stunde" hinausgehen würde, wäre definitiv die falsche Antwort. Doch da ich mir die Antwort bereits denken konnte, ließ ich nicht so viel Zeit verstreichen eine abzuwarten. Ich seufzte. "Amber... was hast du dir dabei eigentlich gedacht? Es ist gefährlich irgendwelche Kinder, die nicht einfach nur Kinder sind, bei sich aufzunehmen. Du hättest mich anrufen sollen, gleich als du ihn gefunden hast."

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    • Amber

      Ich glaube nicht, dass es so wichtig war, woher die Kleidung stammte. Allerdings hatte ich nur eine begrenzte Auswahl an Kleidung, die man einem Jungen anziehen konnte. Nicht nur, weil die meisten davon weiblich waren, sondern eben auch zu groß.
      Benjamin nahm Platz und Alan beobachtete ihn neugierig, aber zurückhaltend. Dann fragte er, wie lange Alan schon bei mir war, was ich kaum beantworten konnte, als er mich bereits belehrte. Irgendwie schien er deswegen ein wenig angepisst zu sein. Dachte er, Alan könnte mir wehtun? Also hielt er mich für naiv. Ja, vielleicht hätte ich ihn anrufen sollen, aber ich kam nicht hierher, um mir noch mehr Gedanken über Benjamin zu machen. Robert konnte ich nicht fragen, ohne in eine komische Situation zu kommen. Hailey hatte genug Probleme, weshalb ich sie damit nicht belästigen wollte und Noelle kannte ich nicht besonders gut. Es blieb im Moment also nur Benjamin. Ich hätte es gern selbst gelöst, glaubt mir.
      Ich atmete tief durch, während ich Benjamin entschuldigend ansah. Mir war klar, dass er nicht ganz unrecht hatte.
      "Vier Tage.."
      "Ich kann meine Kräfte kontrollieren", erwiderte Alan knapp und klang dabei auch nicht wie ein Kind. Es war offensichtlich, dass er besonders war. Außerdem schien er seine Angst vor Benjamin einigermaßen überwunden zu haben. Sein Blick wirkte immerzu, als wäre er gerade am Träumen. Etwas leer und als ob er durch einen hindurch sah.


      Dennis

      Was aus mir geworden ist? Ich mag vielleicht ein Nichtsnutz und Idiot sein. Frech und kriminell. Aber dieser Tag nahm mich echt mit. Ich hasste mich zwar selbst, aber ich wollte nicht von anderen gehasst werden. Nicht ohne Grund. Wir hatten ihr Leben gerettet und am Ende doch die Bösen. Auch Benji hatte heftig darauf reagiert. Ich kannte die Regel, aber.. keine Ahnung. Ich konnte sie nicht sterben lassen.
      Ich war.. sensibler, als ich zugeben mochte. Die ganze Woche ließ ich micht nicht im Unterschlupf blicken. Auch die Mad Dogs bekamen mich nicht zu sehen. Niemand außer Maddy, die mir hin und wieder etwas zu essen brachte. Ich hockte nämlich seit Tagen in dieser kleinen Höhle tief im Wald. Nichts weiter als eine Decke, die mich ein wenig wärmte. Wenn ich allein war, kauerte ich mich zusammen und.. weinte. Bitterlich. Ja auch Männer weinen! Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Ich wollte sterben, aber hing aus irgendeinem Grund dennoch an meinem Leben.
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    • Benjamin

      Dachte ich es mir doch, dass es weder gestern noch heute war, dass Amber diesen Jungen fand. Allein und verloren. Doch die Gefahr, die ihr gutes Herz mitbrachte, unterschätzte sie ganz offensichtlich. Auch wenn der Junge, der Alan hieß, behauptete, seine Kräfte kontrollieren zu können. Behaupteten sie das nicht immer? Durch seine Adern floss das Blut eines Alphas, denn sonst könnte er sich nicht in dem Alter verwandeln. Nun, möglich war alles... aber die meisten Alphas verwandelten sich in jüngeren Jahren, während Werwölfe, durch die gewöhnliches Blut floss, erst im Teenager-Alter ihre Gabe entdeckten. Ich bezeichnete es nun einfach mal als eine Gabe. Was sonst? Ein Fluch? Je nachdem wie man es sah. Früher war es ein Fluch, auch für mich. Für manche blieb es einer, für andere nicht. Für mich war es nach über fünfzehn Jahren kein Fluch mehr. Ich sah es eher als eine ganz besondere... Besonderheit. Wie ein Marvel-Superheld, oder so etwas. Etwas Übernatürliches, was es ja auch zweifellos war. Nun... ich schweife wieder ab.
      Viel zu lange dachte ich über das Thema nach, und viel zu lange hielt wohl auch mein Schweigen. Erst als ich die großen, erwartungsvollen Augen von Amber entdeckte, die ganz im Gegensatz zu dem Jungen voller Ehrgeiz und Tatendrang steckten, kam ich wieder ins Hier und Jetzt. Der Blick des Jungen wirkte leer. Leer und verloren. So als hätte er schreckliche, traumatische Dinge erlebt, und einfach noch nicht die Kraft gefunden, darüber zu sprechen.
      "Hör zu, Alan", richtete ich nun das Wort an den kleinen Jungen. "Ich weiß nicht, wer du bist. Ich weiß nicht, woher du kommst. Ich weiß ja nicht einmal, ob du wirklich Alan heißt. Aber ich will dir vertrauen."
      Diese Gewissheit wollte ich ihm geben, denn ich nahm ihm einerseits seine verlorene Seele ab, die kein Schauspiel war. Zum anderen aber wusste ich, dass Vorsicht das oberste Gebot war. Auch bei einem Jungen, der nicht mal die Pubertät erreicht hatte. Da er zu Amber ganz offensichtlich Vertrauen aufgebaut hatte, wollte ich ihn nicht herausreißen, auch wenn es meine Aufgabe war. Doch wohin mit ihm, stellte sich mir die Frage. In ein Kinderheim? Nein. Zu Dolores? Gott bewahre... ich musste zugeben, dass dieser kleine Junge, neben Haileys Schwester, das jüngste Exemplar war, mit dem ich es je zu tun hatte. Doch im Gegensatz zu ihm, war das afroamerikanische Mädchen nicht allein. "Alan. Du musst mir erzählen, woher du kommst. Warum du allein im Wald herumgeirrt bist. Wo sind deine Eltern? Ich brauche Antworten, damit ich dir besser vertrauen kann."
      Ich hoffte, dass der blonde Junge mir auch etwas Vertrauen entgegenbrachte. Zumindest soweit, dass er mir erklärte, woher er kam und wer er wirklich war. "Ich heiße übrigens Benjamin. Ich bin Polizist und ein guter Freund von Amber. Und ich bin ein Wolf, genau wie du", stellte ich mich Alan vor und ein kurzes, aber ehrliches Lächeln schwang bei meinen Worten mit.

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    • Amber

      Als Benjamin mit Alan zu sprechen begann, fühlte ich mich zunehmend unwohler. Ich hatte Benjamin in eine unangenehme Lage gebracht. Ob ich dabei in Gefahr war oder nicht.
      Alan hatte auf meine zaghaften Fragen nie reagiert, doch ihm schien erstaunlicherweise bewusst zu sein, in welcher Lage wir uns gerade befanden und das er reden musste. Ihm blieb keine Wahl. Er musterte ihn eine Weile, ehe sich der Polizist bei ihm vorstellte. Das Lächeln erwiderte Alan jedoch nicht.
      Dann verriet uns Alan mehr über sich und seine Vergangenheit. Er lebte allein mit seiner Mutter in Ravenhill. Das war meilenweit entfernt von hier. Sie waren obdachlos und hausten wie die Tiere im Wald. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie jagten Beutetiere und ernährten sich von wilden Beeren und Früchten. Hin und wieder schlich sich seine Mutter auf einen der Höfe und stahl Gemüse. Vor etwa 4 Jahren wurde sie von einem Polizisten erschossen, weil er Angst hatte, dass sie ihm etwas tun würde. Sie konnte zurück in die Höhle fliehen, aber starb kurz darauf. Daraufhin habe sich Alan zum ersten Mal verwandelt und.. nicht mehr zurück verwandelt. Lebte als Wolf in den Wäldern und jagte, wie es seine Mutter ihm gelehrt hatte. Lesen und Schreiben konnte er nicht.
      Ich war sprachlos und sah zu Benjamin rüber. In der Zwischenzeit hatten Alan und ich uns auf das andere Sofa gesetzt. Keine Ahnung, mit was für Geschichten Benjamin bereits vertraut war, doch für mich war es das erste tragische Schicksal, das ich zu hören bekam.
      "Ich will nicht wieder allein sein.."
      Auf keinen Fall würde ich ihn wieder allein in den Wald gehen lassen! Der Junge brauchte ein Zuhause und eine Familie.
      "Er kann bei mir bleiben..", bot ich an und sah zu Alan. "Wenn du das willst..."
      Alan nickte zögerlich, aber nicht, weil er sich unsicher deswegen war, sondern weil er Benjamin's Gefühle besser spüren konnte, als ich.
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      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Noch eine verlorene Seele. Als gäbe es davon nicht schon genug. Vorallem befanden sich all diese in meiner unmittelbaren Umgebung. Und warum? Na klar, weil ich ein Cop war. Der Typ, dem die Nachbarin ihr Baby anvertrauen würde. Der Typ, in dessen Armen man sich stets sicher und geborgen fühlte. Doch ein kleiner, verlorener Junge ohne Familie... Was sollte ich mit ihm anfangen? Er brauchte eine Identität, denn auch wenn wir uns in den USA befanden, und das Führen von Waffen keine Hürde darstellte, konnte man nicht einfach so einen Zehnjährigen bei sich aufnehmen. Doch da ich gute Kontakte hatte, würde sich für dieses Problem auch eine Lösung finden.
      "Es tut mir leid, was deiner Mutter passiert ist. Doch manchmal tun Menschen unverständliche Dinge, wenn sie Angst haben."
      Ich legte eine Hand auf die Schulter des Jungen und versuchte ihm bei meinen nächsten Worten in die Augen zu schauen: "Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben. Du bist in Sicherheit."
      Ich zog meine Hand zurück und schaute zu Amber. "Ich muss wieder los. Ich habe noch etwas zu erledigen. Bitte, tu mir einen Gefallen. Pass auf, dass niemand den Jungen entdeckt. Es werden Fragen aufkommen. Und für diese brauchen wir plausible, nachweisbare Antworten, die wir aktuell noch nicht haben."
      Ich erhob mich vom Sofa und ging in Richtung der Tür, die hinaus in den Wald führte. Doch bevor ich den Türgriff nach unten drückte, wandte ich mich nochmal an Alan. "Mach's gut. Wir sehen uns sicher noch öfter."
      Ich ging hinaus und wandte mich, auf den feuchten Erdboden stehend, Amber zu, die mir gefolgt war.
      "Was dem Kleinen widerfahren ist, tut mir sehr leid."
      Ich arbeite den Blick und versuchte krampfhaft nach Worten zu suchen. Besonders die Tatsache, dass es ein Polizist war, der für den Tod seiner Mutter verantwortlich war, schmerzte. "Ich werde mich in den nächsten Tagen darum kümmern, dass ihr euch künftig nicht mehr verstecken müsst."

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Alan schien ihm zu vertrauen oder war zumindest gewillt es zu versuchen. Vermutlich, weil Benjamin ein Werwolf war, genau wie wir. Was diese seltsame Verbindung unter uns anging, musste ich noch vieles lernen. Alan war mir da wohl um einiges voraus. Der Junge sah zu mir und ich strich ihm lächelnd über den Kopf. Ich war ganz sicher nicht Mutter Theresa, aber.. ich tat, was ich konnte. Und Alan.. nun.. ich schätze, er kam wie gerufen. Ich wünschte mir nicht nur einen liebevollen Mann an meiner Seite, sondern eine Familie. Eine Familie, wie meine Eltern und Großeltern sie hatten. Gemeinsam würden Benjamin und ich es schon schaffen, dass ich ihn adoptieren dürfte. Noelle konnte da sicher auch helfen. Wer weiß, was für Kontakte Benjamin sonst noch hatte. Er war fast wie ein Superheld, oder?
      "Ja, mach ich", sagte ich, als er mich bat, Alan erst einmal zu verstecken. Das bedeutete wohl, dass ich mein Urlaub in der Hütte verlängern würde. Dafür müsste ich Tony auf jeden Fall etwas spendieren.
      "Tschüss", verabschiedete sich Alan und blieb sitzen, während ich dem Polizisten folgte. Meinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass es auch mit leid tat, was der Kleine durchgemacht hatte. Ich werde alles tun, um ihm ein besseres und sicheres Leben zu ermöglichen.
      "Danke, Benjamin..", bedankte ich mich und zögerte einen Moment. Dann gab ich mir jedoch einen Schubs und legte meine Arme um ihn, um ihn etwas herzlicher zu verabschieden. "Ich danke dir für alles.. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde...", flüsterte ich ihm ins Ohr und löste mich langsam von ihm. Anschließend sah ich in seine Augen und.. wünschte mir tatsächlich, dass er mich zum Abschied noch einmal küssen würde. So wie neulich. Aber in dieser Situation würde ich auch verstehen, wenn er es nicht täte. Wir waren auch kein Paar, auch wenn sich dieser Kuss so angefühlt hatte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Die gefühlvolle Geste in Form ihrer Arme um meinen Körper und der Geruch ihrer roten Mähne... Hibiskus vielleicht? Beides sorgte für ein Gefühl der Geborgenheit in all dem Chaos, welches um uns herum herrschte. Es fühlte sich an den meisten Tagen an wie ein Wirbelsturm, dessen Ende man sich herbei sehnte, um die Schäden, die er angerichtet hatte, zu beheben. Doch er hörte nicht auf. An manchen Tagen schien der Sturm sogar endlos. Und je heftiger dessen Zorn wurde, umso größer wurde auch die Verzweiflung all derer, die in Mitleidenschaft gezogen wurden. Manchmal fühlte man sich hilflos. Machtlos gegen das ganze Unheil auf der Welt. Alles stets im Verborgenen zu halten, machte diese Dinge nicht unbedingt leichter. Das könnt ihr sicher verstehen.
      Ich verharrte also einige Sekunden, mit Amber in meinen Armen, doch dann allmählich - und nach einer kleinen, angenehmen Ewigkeit - zog sie sich zurück. Ich erkannte eine gewisse Erwartungshaltung in ihren Augen. Doch was erwartete sie von mir? Was sollte ich sagen? Was sollte ich tun?
      "Du musst mir nicht danken", beschloss ich lächelnd zu sagen. "Wir stecken alle im selben Boot nicht wahr? Und dieser Junge..."
      Kurz wanderte mein Blick zur Hütte, bevor ich Amber wieder in die Augen sah und fortfuhr: "... Alan. Er war kurz davor über Bord zu gehen. Du hast ihn gerettet. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass du mich sofort anrufst. Du darfst die Gefahr eines Neuwolfs nicht unterschätzen. In seinem Fall ist es nicht das erste Mal, dass er sich verwandelt, mag man seiner Geschichte glauben. Vielleicht weiß er sogar mit seinen Kräften umzugehen. Trotzdem sollte man immer auf der Hut sein. Darum... Bitte, Amber. Wenn du nochmal irgendwo ein Kind findest, oder jemanden, der Hilfe braucht... Hol denjenigen nicht sofort mit nach Hause. Ruf mich an, okay? Ich melde mich bei dir."
      Auf ihre Zustimmung wartend, zog ich mich weitere Schritte zurück, ohne den Blick von ihrem Augenpaar abzuwenden

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Und wie ich ihm danken musste! Aber das sagte man eben so, oder? Ich sagte das selbst dauernd.
      Dann sprach er wieder über Alan und belehrte mich ein weiteres Mal, woraufhin ich nickte.
      "Okay. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor." So viele arme Seelen hoffte ich zwar nicht zu finden, doch falls es doch mal so sein sollte, würde ich ihn sofort informieren. Meinetwegen sollte er sich nicht unnötig Sorgen machen.
      "Bis dann..", verabschiedete ich mich lächelnd und sah ihm noch einen Moment nach, ehe ich zurück ins Haus ging.
      Dort zog Alan sich seine 'neue' Kleidung an, die ihm sogar perfekt passte. Sobald Benjamin mir die Erlaubnis gab, würde ich ihm erstmal ein paar ordentliche Sachen kaufen. Ein Zimmer bräuchte er auch. Er konnte ja schlecht für immer mit mir im Bett schlafen. Wobei es ziemlich angenehm war. Irgendwann würde ich aber doch lieber einen Mann darin haben wollen. Obwohl.. Mein Interesse diesbezüglich war in der letzten Zeit enorm gesunken. Dieser bärtige Polizist war da eine Ausnahme, aber weder Noah noch andere heiße Typen brachten mein Blut derzeit in Wallung. Ob es an meinen Mitbewohnern und die Einschränkung meiner Privatsphäre lag? Keine Ahnung. Für mich gab es momentan eben weitaus wichtigere Dinge im Leben.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Und dann? Na nichts weiter. Nicht das, was ihr jetzt vielleicht dachtet. Es kam zu keinem leidenschaftlichen Kuss vor mystischer Kulisse. Und es kam auch kein Inder aus irgendeinem Busch hervor gesprungen und gab mit wackelndem Kopf ein Ständchen. Ich stieg in den Wagen, fuhr über den erdigen Untergrund und ließ die Hütte, inmitten des Waldes, immer weiter zurück, bis sie hinter ein paar dichten Tannen verschwunden war. Zunächst führte mein Weg zurück auf die Hauptstraße, welcher ich einige Zeit folgte. Während der Fahrt, und ich wusste dato schon genau, wohin sie mich führte, musste ich über Amber, aber vor allem über diesen Jungen - Alan - nachdenken. Ob seine Geschichte stimmte? Ja, daran hatte ich keine Zweifel. Der Kleine wirkte nicht, als würde er Lügengeschichten erzählen. Er wirkte viel mehr verloren. Und in Amber hatte er wohl jetzt seinen ganz persönlichen Rettungsanker gefunden. Ich musste dennoch mehr über ihn und seine Vergangenheit herausfinden, doch nur anhand seines potentiellen Vornamens war dies schwierig. Sehr schwierig. Eigentlich sogar unmöglich. Darum stand es jetzt an erster Stelle, dem Wolfsjungen eine neue Identität zu beschaffen. Natürlich war das illegal... aber es war eine Notlösung. Hatte man in Anbetracht der Lage denn eine andere Wahl als zu lügen? Wohin sollte man den kleinen Kerl stecken? In ein Kinderheim? Das war die rechtlich einzig akzeptable Lösung, zumindest für den Moment. Doch dass diese Option völlig außer Frage stand, dürfte euch wohl auch klar sein. Nicht auszumalen, wenn er sich verwandeln würde. Und glaubte man seiner Geschichte, dass er die letzten Jahre als Wolf gelebt hatte, kam es ja fast schon einem Wunder gleich, dass er sich überhaupt zurück verwandelt hatte. Es war also die einzige Möglichkeit, die blieb.
      Irgendwann setzte ich den Blinker auf einen leer stehenden Schotterparkplatz. Ich stieg aus und ging in Uniform den Waldweg entlang, bis ich bewusst von diesem abkam. Ich ging weiter über das Dickicht der Wälder. Die grauen Wolken hatten sich zugezogen und man roch bereits den Regen, der in der Luft lag wie der leckere Eintopf in Omas Küche. Man hörte hier und da ein Vogelzwitschern. Der Specht, der seinen Schnabel immer wieder gegen den Baumstamm hämmerte und manchmal, da hörte man auch ein undefinierbares Rascheln in den Büschen. Auch wenn es so aussah, als würde ich nur ziellos im Wald herum irren, so wusste ich doch genau, wohin ich wollte. Irgendwann erschien, inmitten der dichten Tannen, eine Höhle. Sie war nicht besonders tief, aber trotzdem konnte man in dieser Schutz finden. Es war ein guter Ort, wenn man allein sein wollte. Ich kannte diesen Ort, und ich wusste auch, dass Dennis diesen als seinen persönlichen Rückzugsort auserkoren hatte. Er war bereits seit einer Woche nicht im Unterschlupf erschienen. Die anderen, ausgenommen Maddy, kannten diesen "geheimen Ort" nicht. Ich schon, und darum war ich heilfroh, denn sonst hätte auch ich mir ernsthaft Sorgen um den Rebellen gemacht. Und wie erwartet, fand ich ihn dort. Zusammengekauert wie ein Häufchen Elend, die Arme um seine angezogenen Beine geklammert, das Gesicht in seinen Knien verbergend.
      "Hier bist du also. Dachte ich es mir doch", sagte ich in recht monotonem Stimmfall und blieb nur kurz am Eingang der Höhle stehen. "Du hast dich seit einer Woche nicht mehr bei den Alphas blicken lassen. Die anderen machen sich Sorgen und denken sich die wildesten Geschichten aus. Maddy sagte mir, dass du dich hier versteckst. Nicht, dass es besonders viele Orte gibt, an denen man dich findet."
      Ich blieb vor ihm stehen, erstmal eine Reaktion abwartend. Ob er sich freuen würde mich zu sehen? Oder ob er einfach nur angepisst darüber war, dass ihm wieder jemand auf die Nüsse ging? Dennis war schwierig einzuschätzen. Für mich, manchmal auch für seine Freunde. Darum wartete ich ab, während ich erwartungsvoll zu ihm nach unten sah. Die Arme verschränkt vor der Brust und die Augenbrauend fragend in die Höhe gezogen.

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    • Dennis

      Natürlich bemerkte ich unseren Super-Cop schon bevor ich ihn sah. Begeistert war ich nicht gerade, aber damit gerechnet hatte ich schon. Deshalb sagte ich auch nichts darauf. Wo sollte ich sonst schon sein? Das wusste er genau so gut wie ich. Und das es schon eine Woche her war, musste er mir auch nicht erzählen. Aber ob sich wirklich so viele Sorgen um mich machten? Klar. Besonders diese gruselige Alte. Die meisten kümmerten sich doch nur um sich selbst. Nur Benji kümmerte sich um alle anderen. War manchmal ganz schön lästig.
      "Sollen sie doch." Es war mir egal, was sie sich zusammenreimten. Rainville war eine ätzende kleine Stadt. Den Hass der Prinzessin würde bald schon jeder andere Anwohner teilen.
      Ich wusste noch nie so recht, was ich eigentlich wollte. Vermutlich hatte ich es verdient, so zu leiden.
      Wie ich früher war? Ziemlich 'normal' würde ich sagen. Irgendwo zwischen cool und langweilig. Ich hatte meine Handvoll Freunde und war zufrieden. Vielleicht wäre ich Feuerwehrmann oder Polizist geworden. Wer wollte nicht gerne ein Held sein? Aber könnt ihr euch mich in diesen Rollen vorstellen? Ich auch nicht. Ich könnte Rainville verlassen. Keine Ahnung. Eigentlich mochte ich die Mad Dogs und auch einige der anderen Werwölfe.
      "Hast du nichts besseres zutun?" Vampire jagen oder mit der Rothaarigen abhängen. Ganz sicher war ich nicht oben auf seiner Prioritätenliste.
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      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Und da war er wieder: dieser Selbstverteidigungsmodus, in den sich Dennis allzu oft katapultierte. Unabsichtlich oder gewollt. So genau wusste ich es selbst nicht. In jedem Fall musste man ihm lassen, dass er es mit dieser Art schaffte ziemlich viele Menschen in seiner Umgebung zu vergraulen. Mich nicht. Ich fühlte mich für ihn in gewissem Maße verantwortlich. Noch ein wenig mehr als für alle anderen, die die Hilfe der Alpha benötigten, Schutz und Rat suchten. Warum ausgerechnet er? Hm. Dennis hatte wohl eine der schwierigsten Vergangenheiten. Er hatte keine Familie, und hätte er seine Freunde nicht, tja. Dann würde er vermutlich schon unter irgendeiner Brücke leben, oder tief verborgen im Wald. Und er erinnerte mich ein Stückweit an mich selbst, als ich in seinem Alter war.
      "Anscheinend nicht, sonst wäre ich nicht hier", gab ich ihm als Antwort auf seine Frage, die nur so vor Selbstverteidigung strotzte. Es folgte ein tiefes Seufzen, bevor ich mich ungefragt neben ihn niederließ, meine Beine ebenso anzog und locker um meine Knie legte. "Was ist los, Dennis? Die Sache mit der Tochter vom Bürgermeister, dass ihr sie retten wolltet... das war ehrenhaft. Ich würde niemals etwas anderes behaupten", sagte ich zuerst, bevor ein Aber folgen musste. "Aber ihr könnt euch doch denken, was es für Folgen haben könnte, wenn die Menschen von unserer Existenz erfahren. Wie oft habe ich euch das schon gesagt? Ja, euch förmlich eingetrichtert?"
      Und wieder folgte ein zentnerschweres Seufzen. "Sich hier zu verschanzen bringt jedenfalls niemandem etwas. Und am wenigstens dir selbst."

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    • Dennis

      Ehrenhaft, das ich nicht lache.. Wollte er mich jetzt aufmuntern? "Schon klar...", murmelte ich nur. Ich hatte nie darum gebeten ein Werwolf zu sein. So viele von uns hatten ein beschissenes Leben. War das fair? Dabei taten wir Menschen nichts. Wir waren nicht die großen, bösen Wölfe, die Rotkäppchens Mutter fraßen. Nur leider gab es auch davon ein paar. Aber es gab auch geisteskranke Menschen! Also bitte.
      "Wen juckts", meinte ich nur, ohne ihn auch nur einmal angesehen zu haben. Ich blieb noch eine ganze Weile still, aber dieser Super-Cop hatte scheinbar wirklich nichts zutun. Lästig.
      "Gibt es keine anderen Leute mit denen du deine kostbare Freizeit lieber verbringen willst? Irgendwelche Weiber zum Beispiel? Was ist mit der Rothaarigen? Hattet ihr Zoff?" Er roch nach ihr, aber nicht stark genug, als hätten sie engen Körperkontakt gehabt. Ich wollte keinen Seelenklempner für ihn spielen, aber mir war es lieber, wenn wir über ihn sprachen, anstelle von mir. Ich sprach nicht gern von mir. Was gabs da schon groß zu sagen? Ich schlug mich eben so durch. Ohne die Mad Dogs hätte ich niemanden. Und die hab ich irgendwie auch Benji zu verdanken. Jetzt wo ich einen mittelmäßigen Abschluss bekäme, müsste ich mir irgendeinen Job suchen, dabei wusste ich nicht mal, was ich machen wollte. Sicher nichts bürokratisches. Ich hasse Lesen und Schreiben und mein Zeugnis war dafür eh zu beschissen. Vielleicht in einer Werkstatt? Zumindest wollte ich nicht mit vielen Menschen abhängen, also fiel Verkäufer und Kellner aus. Vielleicht Tischler? Eigentlich war es mir Schnuppe. Ich hatte nur keine Lust auf was nerviges.
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      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Manchmal, da war unser Herzblatt hier wirklich anstrengend. Und mit anstrengend, da meine ich auch anstrengend. Es war wie eine durchsichtige Mauer, die er um sich herum errichtete. Man konnte sehen, dass es ihm schlecht ging, doch sie war zu hoch, um sie zu erklimmen. Ich merkte also schnell, dass das hier keinen Sinn machte. Wenn er in dieser Phase war, dann konnte man tun was man wollte, man kam nicht zu ihn hindurch. Und ganz ehrlich? Aktuell hatte ich genug eigene Probleme. Dinge, um die Ohren, bei denen mir niemand half. Mir war es nur wichtig zu wissen, dass Dennis wohlauf war. Er selbst musste sich öffnen, um Hilfe zuzulassen. Und da ich mir sicher war, dass er nicht ewig in dieser Höhle herumhocken wollte, erhob ich mich. Ohne auf seine Worte, oder auf die Anspielung auf Amber einzugehen, sagte ich in recht neutralem Tonfall: "Vielleicht wäre es, statt hier herumzusitzen und sich selbst zu bemitleiden, eine gute Idee, sich bei Sophie zu entschuldigen. Sie arbeitet in dem Salon ihrer Mam, in der Bloomfield-Street 102."
      Langsam ging ich zum Eingang der Höhle, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen. Dennis wusste, wenn er Hilfe bräuchte, wäre ich zur Stelle, und er könnte jederzeit zu mir kommen. Er wusste, wo er mich finden konnte.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Dennis

      Bei Sophie entschuldigen? Und dann?
      Schweigend lauschte ich den Schritten, die sich von mir entfernten. Er hoffte wohl, dass ich noch irgendetwas sagte, aber das tat ich nicht. Ich wartete, bis die Schritte verklangen und sein Geruch immer dünner wurde.
      Und dann tat ich nichts. Eine weitere ganze Weile. Ich wollte allein sein und hasste die Einsamkeit zugleich. Ironisch, nicht? Aber es war wie eine Strafe, die ich verdient hatte. Ich fühlte mich wie der Schuldige, den Sophie in mir sah. Nicht wie ihren Retter. Dabei hatte ich sie gerettet! Warum? Nicht weil ich von ihr als Retter verehrt werden wollte. Einfach nur, weil ich es konnte. Ich hatte die Möglichkeit dazu, das konnte ich nicht ignorieren.

      Es fing bald an zu dämmern, als ich mich erhob und langsam aus der Höhle begab. Mein Blick kletterte die Bäume hinauf in den Himmel und verharrte einen Moment. Ich wollte versuchen mich mehr auf das positive an dieser Sache zu konzentrieren, aber es war schwer. Ob eine Entschuldigung half? Sie würde mich doch sicher nur auslachen und weiter beleidigen. Noch mal ihren hasserfüllten Blick zeigen. Keine Ahnung. Machte doch sowieso alles keinen Sinn.

      Ich schlenderte dennoch zurück in die Stadt und kam an, als die Sonne beinahe schon hinter den Häusern verschwand. Mein Weg führte näher zum Salon, aber ein wirklich Ziel hatte ich nicht vor Augen. Ich müsste sowieso mehr oder weniger dran vorbei, wenn ich 'nach Hause' wollte. Vermutlich hatten sie aber schon geschlossen und das Prinzesschen zuhause. War zwar kein Geheimnis wo sie wohnte, aber da ging ich ganz sicher nicht hin.
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