Don't fall in love with a human (Kiimesca & Nordlicht)

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    • Timothy

      Okay, ihr ging es gut. Das war das wichtigste für mich, und das einzige, was mich in diesem Moment interessierte. Ich konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. "So ein Quatsch", beruhigte ich sie, als sie ganz offensichtlich annahm, dass wir wegen Noah schlecht über sie dachten. "Ich denke zwar, dass dein... Cousin... etwas anders über euch denkt, aber das hat nichts mit dir zu tun, oder wie wir zu dir stehen. Also alles cool?"
      Ich war etwas überrascht über mich selbst, dass ich plötzlich so locker und freundschaftlich mit ihr sprach, ohne auch nur einmal den Faden zu verlieren, oder mich in irgendeine sinnlose Aneinanderreihung peinlicher Worte zu verstricken.
      "Du fährst mit Noah?", fragte ich dann, hoffte aber insgeheim, dass ich sie nach Hause bringen durfte. Denn auch wenn sie sagte, dass er kein schlechter Kerl sei, traute ich ihm nicht so recht. Doch noch bevor sie etwas erwidern konnte, spürte ich eine kräftige Hand auf meiner Schulter. Als ich aufschaute, sah ich in das selbstgefällige Grinsen ihres Cousins.
      "Ich nehm' sie mit, Bruder. Mach dir keine Sorgen. Entspann dich und trink' einen für mich mit!", sagte er, ließ mich los und legte einen Arm um Samantha, als wäre sie sein Eigentum. Er zog sie mit sich an seinen dunkelblauen Maserati. Ich rief ihr noch hinterher: "Bis morgen", bevor ich zurück ins Diner ging.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Samantha

      Seine Worte beruhigten mich sehr, doch um weitere Fragen zu Noah käme ich wohl nicht herum. Solange er nicht da war, könnte ich sie aber wenigstens aus meiner Sicht beantworten. Ohne das irgendwelche Tatsachen verschoben oder angedeutet wurden. "Alles cool..", schmunzelte ich. Timothy war eindeutig ein aufrichtiger Kerl, der gute Manieren hatte und sich um seine Mitmenschen sorgte. Ich wusste nicht einmal, ob er eine Partnerin - oder vielleicht auch einen Partner - hatte. Wenn ja, dann konnte ich das gut verstehen. Und wenn nicht, dann fragte ich mich wieso nicht. Wenn ich allerdings eines in meinem langen Leben gelernt hatte, dann das Menschen sich untereinander unterscheiden können wie Tag und Nacht. Es gab ehrliche, aufrichtige Menschen und hinterhältige, egoistische Menschen. Wenn er bisher einfach nur nicht die richtige getroffen hatte - meine Gedanken drifteten wieder zu sehr ab und fingen sich erst, als er Noah erwähnte. Seine Frage schien jedoch keine geschlossene Frage zu sein, die ich nur mit Ja oder Nein beantworten sollte. Wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich mit ihm fahre? Doch zu einer Antwort kam ich gar nicht erst, da Noah sich auch schon wieder einmischte. Ich konnte mich kaum dagegen wehren, von Timothy getrennt zu werden, doch die Vernunft in mir, wollte sich auch nicht wehren. "Bis morgen..", erwiderte ich vermutlich viel zu leise und stieg in Noah's Wagen, wo ich mich zurücklehnte und die Augen schloss. "Kannst du dich in Zukunft bitte aus meinem Berufsleben fernhalten?" Ich wollte ihn nicht bei meinen Kollegen haben. Innerhalb der Familie oder wenn ich allein war, störte es mich sehr viel weniger.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Noah

      Endlich war dieser Vogel wieder ins Diner zurückgekehrt. Insgeheim fragte ich mich schon, was er eigentlich von Sam wollte. Dachte er ernsthaft, dass er auch nur den Hauch einer Chance bei ihr hätte? Er, ein Mensch? Dazu noch ein echter Gentleman und eine Witzfigur dazu. Ich glaubte, dass es nur noch etwas Zeit erforderte, bis Sam endlich einsah, dass sie einen starken Mann - mich - an ihrer Seite brauchte, etwas offener wurde im Bezug auf allerlei Dinge in ihrem vorbildlichen Vampirleben. Dass ihr Herz etwas schwärzer und ihre Gedanken erleichtert werden müssten. Dass sie endlich einsah, was das einzig richtige für sie war - oder besser gesagt: wer.
      So ließ ich mich auf die Fahrerseite meines dunkelblauen Stolzes nieder - ein nagelneuer Maserati, mit allen Vorteilen, die ein erstklassiger Sportwagen, frisch vom Band, so zu bieten hatte. Man kam gut bei den Frauen an - nicht, dass dafür ein Sportwagen nötig gewesen wäre, aber es erleichterte die Dinge schon ungemein. Zum anderen liebte ich schnelle, moderne Autos. Ein kleines Statussymbol, auch wenn ich sicher keines brauchte, da ich allein das Statussymbol war.
      Ich schaltete das Radio ein, während die Sitzheizung begann, bereits volle Arbeit zu leisten. Man saß äußerst bequem auf den hochwertigen Ledersitzen. Leise, romantische Musik spielte im Hintergrund. Eigentlich überhaupt nicht meins - ich, der viel lieber Heavy Metal und harte Klänge bevorzugte. Doch ich wusste, dass Sam so eine... romantische Seite besaß. Manchmal glaubte ich, einfach nur ein neues Licht auf mich zu werfen, um sie davon zu überzeugen, dass kein anderer Mann besser für sie geeignet war als ich selbst. Ich legte meine Hand auf das Lenkrad, während der auffällig laute Motor die Blicke eines Fußgänger-Pärchens auf sich zog. Die hellen Scheinwerfer erleuchteten die dunkle Nacht. Gegen sie wirkten die Straßenlaternen wie ein schwaches Kerzenlicht.
      "Keine Sorge, Süße... aus deinem Berufsleben halte ich mich gerne raus, wenn du nochmal nachdenkst, ob Menschen so der beste Umgang für dich sind. Immerhin gibt es da ein kleines Detail, dass deine lieben Kollegen noch nicht über dich wissen... und auch besser nicht herausfinden. Dein kleiner Freund scheint mir ja ziemlich neugierig zu sein..."
      Schmunzelnd warf ich einen kurzen Blick auf ihre schönen, schlanken Beine, die zu meinem Leidwesen unter einer viel zu weiten Hose versteckt lagen. "Wann siehst du endlich ein, dass du dich lieber mit deines gleichen vergnügen solltest, hm?", grinste ich spielerisch, während ich meinen Kopf in den Sitz lehnte und sie ansah. Mein Grinsen wandte sich allmählich in ein Lächeln. Wie gerne würde ich so manche unartigen Dinge mit ihr anstellen, wenn sie mich nur ließe...

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    • Samantha

      Mein Blick ging kurz zum Radio, da ich mit furchtbarer Musik gerechnet hatte, die Noah immer hörte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er etwas für meinen Geschmack hören würde. Nick hatte ihm zwar schon öfter gesagt, dass er sich einfach mehr Mühe geben sollte, wenn es ihm ernst wäre, aber davon hatte ich bisher noch nichts gemerkt. Er war viel zu egoistisch, um auf meine Gefühle Rücksicht zu nehmen und versuchte mir immer seine Meinung aufzudrängen. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster und betrachtete die schöne Dunkelheit in der wir Vampire uns am wohlsten fühlten.
      Als er zusagte sich rauszuhalten, war ich sehr erleichtert. "Er wird es nicht herausfinden, keine Sorge." Ich wäre schon nicht so unvorsichtig. Wir unterschieden uns äußerlich ja nicht von ihnen. Unsere Reißzähne waren schließlich auch versteckt und wuchsen nur, wenn wir es wollten. Da wir jedoch keine Menschen verletzten, hatte ich meine noch nie benutzen müssen. "Ich vergnüge mich weder mit Menschen, noch mit Vampiren auf die Weise, die für dich Vergnügen bedeutet. Ansonsten verbringe ich gerne Zeit mit der Familie, aber ich finde Menschen interessant. Ich bin neugierig, wie sie ihre kurzen Leben gestalten. Sie sind so unterschiedlich, das ist faszinierend." Allerdings verstand Noah das nicht, egal wie oft ich es ihm erklärte. Ich freundete mich nicht tatsächlich mit ihnen an, das gehörte nur zu der Rolle, die ich spielte.
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      - Eugene Ionesco

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    • Noah

      Ich weitete meine Augen und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Dann zeigten sich Runzeln der Verwirrung auf meiner Stirn.
      "Ich habe mir schon gedacht, dass du etwas prüde bist, betrachtet man deinen Kleidungsstil, aber..."
      Kurz pausierte ich. Ich fand nicht, dass sie auch nur einen einzigen minimalen Teil ihres Körpers zu verstecken brauchte, denn er war makellos. Ihre weiten Strickpullover und die mindestens knielangen Röcke waren mir schon immer ein Dorn im Auge. Im Gegensatz zu ihr, war ich mit dem Laufe der Zeit gegangen. Die Frauen in der Renaissance waren weitaus weniger freizügig als das junge Gemüse, das heute herumlief. Es brauchte keine Fantasie, um sich vorzustellen, wie der Körper unter ihrer Kleidung aussah, denn davon gab es kaum welche. Und irgendwie mochte ich es, mein Köpfchen nicht anstrengen zu müssen. "... dass du SO prüde bist, hätte ich nicht gedacht. Und auch noch eine Lügnerin dazu. Böses Mädchen", sagte ich grinsend, beugte mich etwas zu ihr vor, während meine Hand ungeniert auf ihren Oberschenkel huschte, der unter dieser verfluchten Stoffhose verdeckt lag. Ich grub meine Lippen in ihr nach einer Blumenwiese duftendem Haar, bevor ich leicht begann ihre Ohrmuschel zu streifen. Leise flüsterte ich hinein: "Jeder von uns hat Bedürfnisse, weißt du... und du kannst nicht ewig vor deinem Verlangen weglaufen, Sam..."
      Ich drückte ihr einen butterweichen Kuss auf ihren zarten Hals, der durch ihre lässige Hochsteckfrisur freilag. Erst dann zog ich mich langsam zurück, war ihrem Gesicht aber immer noch so nah, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüren konnte, während der Motor inzwischen schnurrte wie eine Katze.

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    • Samantha

      Prüde? Nur weil ich mich nicht jedem an den Hals warf? Ich wurde so von meinen Eltern erzogen und ich sah keinen Grund darin, etwas zu ändern, auch wenn ich schon über 100 Jahre alt war und die Mädchen von heute das ganze etwas anders sahen. Meine Einstellung dazu hatte auch nichts mit meiner Kleidung zutun. Ich lief eben nicht gern halb nackt herum.
      Als er mich als Lügnerin bezeichnete, zog ich meine Augenbrauen zusammen. Womit sollte ich gelogen haben? Mein Blick ging auf seine Hand, dessen Lage mir ganz und gar nicht gefiel. Ich wollte ihm einen mahnenden Blick zuwerfen, doch da er meinem Gesicht so nahe kam, zog ich vor es ihm nicht zuzuwenden. Seine Lippen waren mir unangenehm nahe und sein Flüstern verlieh mir eine leichte Gänsehaut. Mein Verlangen? Ich schloss meine Augen, als er meinen Hals küsste und schluckte etwas. So eine Zärtlichkeit hatte ich von ihm nicht erwartet, weshalb ich nicht darauf vorbereitet war. "Ich will nicht nur ein Spielzeug sein...", hauchte ich leise und sah ihm nun in die Augen. Natürlich war ich.. neugierig und ich sehnte mich nach Liebe und den Berührungen eines Mannes, aber.. nicht nach bedeutungslosem Sex. Das war mir zuwider. Noah war abartig und viel zu respektlos. Das er mir jetzt so nahe war und mein Körper so darauf reagierte, machte es mir schwer ihn wie immer zu hassen. Dennoch war ich davon überzeugt, dass es nur ein Trick war. Seine Gabe sollte bei mir allerdings nicht funktionieren, weshalb ich mir keine Sorgen machen müsste, das er mich um den Finger wickeln könnte.
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      - Eugene Ionesco

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    • Noah

      "Du... bist anders als die anderen", sagte ich leise auf ihre Befürchtung nur eine von einer sehr... sehr langen Liste zu sein. Doch das war sie nicht und würde sie niemals sein. In meinem schier unendlich langen Leben gab es viele Frauen, denen ich begegnet war. Wunderschöne, besondere Frauen, die es schafften, Männer - mich - mit nur einem Blick zu verzaubern. Frauen, die bedeutungsvolle Dinge in ihrem Leben erreicht hatten, nicht nur schön, sondern auch mutig und aufrichtig waren. Doch keine von ihnen war wie sie. Auch wenn sie einige Jahrhunderte nach mir das Licht der Welt erblickte, und ich bis dahin schon eine ausgereifte Biographie vorzuzeigen hatte, mit der kein menschliches Wesen jemals mithalten konnte, verspürte ich eine so enge Verbindung zu ihr, als würde ich sie seit meiner ersten Stunde kennen. Ich hatte keinen blassen Schimmer, woher dieses Gefühl kam, und wenn ich ehrlich war, dann erschien es mir etwas unheimlich. Ich war... verletzlich durch sie, ertappte mich viel zu oft dabei, wie ich an sie dachte, mich fragte, was sie gerade tat, oder wer bei ihr war. Dieser nichtsnützige Mensch war mir bereits zuwider. Auch wenn ich wusste, dass er ihr niemals das bieten konnte, was ich ihr bot. "Ich spiele gerne, das stimmt... aber vielleicht spielst du einfach mit, gehst das Risio ein, dich zu verbrennen oder einen Gefährten für alle Zeit zu gewinnen. Deine Entscheidung."
      Ich zog mich zurück, grinsend und abwartend, ob sie sich dem wilden Gefühl der Leidenschaft fügen würde, oder ob die Mauer um sie herum immer noch so hoch war, dass sie sie nicht bis nach ganz oben erklimmen konnte.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Samantha

      Anders? Das würde sicher jeder sagen, um zu kriegen was er wollte. Ich hätte nicht jeden Liebesroman verschlingen sollen, der mir zwischen die Finger kam. Die teilweise detailliert beschriebenen Gefühle zwischen den Liebenden und.. während des Aktes, machten mich neugierig. Und Neugierde war meine größte Schwäche und Stärke zu gleich.
      Ich sollte einfach mitspielen und das Risiko eingehen? Er erinnerte mich gerade viel zu sehr an diese Typen, die anfangs richtig unsympathisch waren und trotzdem das Herz der Protagonistin gewannen. Ob Noah wirklich Gefühle für mich hatte wie diese Kerle? Ob er sich für mich ändern könnte? Ich war verwirrt, als er sich von mir entfernte und fast schon ein wenig traurig, wofür ich mich auch gleich hasste. Ich dürfte doch nicht auf so einen billigen Trick reinfallen. "Fahr los..", sagte ich etwas abwesend und legte meine Hände an meine Ellenbogen, während ich aus dem Fenster sah und versuchte dieses Gefühl zu verdrängen. Noah war nicht der Richtige.. Das war unmöglich. Einfach mitspielen und dann? Ich wollte nur noch nach Hause und allein sein. Mich in meinem Bett verkriechen.
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      - Eugene Ionesco
    • Noah

      "Dein Wunsch ist mir Befehl", sagte ich auf ihre Bitte hin, loszufahren. Ich hatte Zeit. Ich würde nicht sterben, also gab es kein Licht am Ende des Tunnels und diesen ganzen Blödsinn. Da ich ohnehin schon viele Jahrzehnte darauf wartete, dass sie sich mir endlich hingab - und das würde sie irgendwann -, kam es auf ein halbes Jahrhundert auch nicht mehr an.
      So legte ich beide Hände ans Lenkrad und fuhr mit quietschenden Reifen los. Die Fahrt verlief totenstill, doch nach Smalltalk war mir ohnehin nicht zumute. Wortlos setzte ich sie Zuhause ab, bevor ich selbst nach Hause fuhr. Auf meinen Lippen lag ein triumphierendes Lächeln, denn ich wusste, dass ich meinem Ziel immer näher kam.

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    • Samantha

      Zuhause angekommen, atmete ich erleichtert auf und ging ins Bad, um mir das Gesicht zu waschen. Ich durfte ihm nicht glauben. Von wegen Risiko und Gefährten für alle Zeit. Er sah sogar in meiner Gegenwart anderen Frauen hinterher, so wie der Kellnerin im Diner. Niemals könnte er der richtige für mich sein.
      Schnell zog ich mich in mein Zimmer zurück, zog mir mein Nachthemd an und verkroch mich im Bett, wo ich mein Kissen an mich presste. Wo sollte das hinführen? Noah. Meine Kollegen. Timothy. Hoffentlich wäre Noah nicht das Gesprächsthema Nummer eins.

      Auch am nächsten Morgen ließen mich diese Gedanken nicht los. Ich duschte und dachte an das Kribbeln in meinem Körper, aber auch das Schamgefühl, als sich Noah in unser Firmenessen mischte. Ob Timothy recht hatte, dass sie ihre Meinung über mich nicht davon beeinflussen lassen würden?

      Mit einer recht großen Kiste, die gerade so in meine Arme passte, kam ich heute etwas früher in die Redaktion. Wenn ich schon ein eigenes Büro hatte, wollte ich dieses auch nach meinem Geschmack einrichten. In der Kiste waren hauptsächlich Bilder und eine Orchidee mit weiß-rosa Blüten ragte heraus. "Guten Morgen, Gabriella", grüßte ich die Sekretärin lächelnd und stellte die Kiste auf meinem Schreibtisch ab. Die Orchidee stellte ich ans Fenster, welches ich sogleich öffnete. Anschließend hing ich die Bilder auf - versetzt, aber symmetrisch. Sie zeigten alle selbst geschossene Fotos von mir. Einen atemberaubenden Wasserfall im Dschungel; eine Fuchsmama mit einem ihrer Kinder, das gerade ausgebüchst war; einen Elch, der durch den Schnee wanderte; sogar einen Löwen der einer Löwin am Ohr knabberte - Wildtiere und Landschaften, die ich auf meiner Reise gesehen hatte. Auch ein Schiffswrack hatte ich beim Tauchen abgelichtet und ebenso ein Bild von der Anstalt Forest Haven Laurel in Maryland, einer verlassenen Psychiatrie, die bis 1991 noch in Betrieb war und seitdem dem Verfall überlassen. Bodie in Kalifornien, ein Geisterstädtchen, das das Gefühl des Wilden Westens konserviert. Ein weiterer Lost Place - das Dorf Houtouwan - das von der Natur zurückerobert wurde. So viele Orte hatte ich schon gesehen und das nur, weil ich ein Vampir war. Und ich wollte noch viel mehr sehen.
      Mein Lieblingsbild war jedoch das eines Paares, das so eine unendliche Liebe ausstrahlte, wie sie einander ansehen. Sie lachte etwas und er strich ihr eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Ich probierte meine neue Kamera aus und konnte nicht anders, als David und Christine heimlich zu fotografieren. Ihre Liebe war nach all den Jahrhunderten noch immer so tief und.. romantisch. Ich beneidete die beiden und wünschte mir auch so eine wundervolle Beziehung. Eine Beziehung mit Menschen war kompliziert. Nicht nur, weil sie nicht ewig leben und altern, sondern auch weil wir nach ein paar Jahren unsere Identität und Wohnort ändern mussten. Nick und ich hielten uns auch daran, dass wir keine Menschen verwandeln, denn jeder weitere Vampir auf dieser Welt könnte unsere Spezies gefährden. Bisher habe ich auch nur ein paar männliche Vampire getroffen und da blieben mir nur noch Nick und Noah. Nick war ein guter Kerl. Eher ein Einzelgänger und Tunichtgut. Sein Tag bestand nur aus Faulenzen und Bars - wo er zumindest arbeitete. Mehr als einen Bruder konnte ich in ihm jedoch nie sehen. Und Noah… war eben Noah. Sehr speziell, wie man gestern wieder mal erleben durfte.. Ob er wirklich an mir interessiert war und nicht nur an meinen Körper? Wie gut kannte er mich überhaupt? Er bemühte sich nicht mal, mein Herz zu gewinnen und eine rein körperliche Beziehung brauchte ich nicht. Aber was war das gestern Abend im Auto? Ich wünschte mir jemanden, der mir zuhört, der eigene interessante Wünsche hat und einfühlsam ist. Jemand, für den Romantik kein Fremdwort ist und mit dem ich lachen kann. Sowas könnte Noah doch niemals sein.

      Verträumt betrachtete ich das Bild noch einen Moment und dachte unweigerlich an Timothy, dessen Geruch mir noch immer in der Nase hing. Kein Wunder, als Vampir nahm ich seinen Geruch in der Redaktion auch wahr, wenn er nicht da war. Aber das fühlte sich viel intensiver an. Ob ich mich vielleicht sogar in ihn verliebt hatte? So schnell? Zumindest konnte ich nicht abstreiten, dass ich gern mehr über ihn wissen würde. Doch solange Noah hier war, durfte ich mich ihm nicht mehr nähern, als nötig. Ich wollte nicht, dass ihm etwas passierte, also musste ich mich zusammenreißen. Was musste er nach dem gestrigen Abend nur von mir denken? Diese beiden Männer.. Das konnte nicht gut gehen. Ob wir Rainville lieber wieder verlassen sollten?
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      - Eugene Ionesco

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    • Timothy

      "Dieser tollpatschige Nichtsnutz!", hörte man die tiefe, erzürnte Stimme von Mr. Johnson sagen, der mit einem hochroten Kopf, wie man es nicht anders von ihm gewohnt war, in die Redaktion trat. Er schnaufte wie ein zorniger Bulle, als er an Gabriella vorbei stampfte, die auf ihrem Bürostuhl saß und unbeeindruckt, und nur für einen kurzen Augenblick über ihren Brillenrand sah, bevor sie sich wieder der Ausarbeitung des Terminplaners widmete. Hinter ihm ging ich. Wie ein kleiner Dackel, den man kurz zuvor geohrfeigt hatte, trug ich Mr. Johnson einen ganzen Stapel Akten ins sein geräumiges Büro, welches von allen natürlich das größte, schönste und imposanteste war. Der immergrüne Ficus in der Ecke, der täuschend echt aussah, war nur eine Kopie eines lebenden Exemplars. Einen wirklich grünen Daumen hatte unser Chef nämlich nicht. "Für wie lange!?", hörte man die Stimme, weiter zornig, wie ein finsterer Donnergroll die Gemüter verängstigend.
      "Für eine Woche... vielleicht zwei", sagte ich leise, zuckte unwillkürlich zusammen, als er mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch schlug und sich dann heftig atmend zum Fenster drehte.
      "Gabriella! Wo ist mein Kaffee - Herrgott!", schrie er mit dem Rücken zur Bürotür. Ich stand immer noch wie angewurzelt da, bevor ich langsam aus meiner Starre erwachte und vorsichtig den Stapel Akten auf den Schreibtisch legte. "Fraser!", fuhr der kräftige Mann mit dem Zwirbelbad um und sah mit zusammengekniffenen Augen zu mir.
      "Mr. Johnson?"
      "Sagen Sie Mr. Campbell, dass er ein idiotischer Nichtsnutz ist und nicht mehr hier erscheinen braucht! Er wusste nicht mal, dass man sich nach dem Scheißen den Arsch mit Toilettenpapier abputzt!", zischte er. Meine Augen weiteten sich. Meinte er das ernst? Wir hatten sowieso ein, zwei Journalisten zu wenig. Nun sollte auch noch Eric gekündigt werden?
      "Aber, Mr. Johnson... Mr. Campbell muss noch lernen. Er hat gerade erst sein Studium beendet, und es scheint ihn wirklich schwer erwischt zu haben..."
      "Ach, halten Sie die Klappe, Fraser! Diese Neue... wie heißt sie noch gleich? Sarah..."
      "Samantha Anderson", antwortete ich ihm schnell wie ein Blitz.
      "Ja ja! Hören Sie auf klugzuscheißen! Sie soll Campbells Arbeit machen."
      In diesem Moment trat auch schon Gabriella mit der dampfenden Tasse pechschwarzem Kaffee in das Büro unseres zornigen Chefs und stellte sie auf dem Schreibtisch ab, bevor sie mir während des Hinausgehens einen vielsagenden Blick zuwarf.
      "Ausgeschlossen. So schnell lernt sie unsere Vorgänge nicht. Zwischen ihr und Mr. Campbell liegen drei Monate, Sir."
      "Na und!?"
      "Außerdem ist sie eher für den fotografischen Bereich zuständig... ein ganz anderer Bereich als der von Mr. Campbell."
      "Dann bringen Sie ihr eben alles bei, Fraser! Sie haben genug Zeit dafür!"
      Bitte was? Ich und Zeit? Was dachte er sich dabei!? Dass ich den lieben langen Tag Däumchen drehte? Schon jetzt verrichtete ich die Arbeit für zwei Vollzeit-Journalisten. Nun sollte ich noch jemanden anlernen? Ich schnaufte, schaffte es aber, wie so oft, mich zu beherrschen. Einmal tief ein und ausatmen, dann ging es wieder.
      "Überlegen Sie sich das bitte noch einmal. Mr. Campell ist doch kürzlich erst Vater geworden."
      "Dann soll er seine Arbeit richtig erledigen und nicht auf krank machen! Dann behält man auch seinen Job! Und jetzt gehen Sie, rufen ihn an und beginnen damit, diese Sarah einzuarbeiten!"
      "Sa...", doch ich unterließ es, ihn ein weiteres Mal zu korrigieren, nickte seufzend und verließ sein Büro, um dem kranken Eric die Nachricht zu überbringen, dass er bald die schriftliche Kündigung von der Rainville Times erhalten würde, bevor er, wie ihm befohlen, zu Samanthas unweit entferntem Büro schlenderte und höflich anklopfte, bevor er eintrat.
      "Guten Morgen", begrüßte ich sie schwach lächelnd und ließ meinen Blick umher schweifen. Sie hatte begonnen, sich wohnlich einzurichten. Zunächst fiel mein Blick auf die schöne Orchidee, bevor sie bei den Bildern Halt machte. Es waren Fotografien. "Wow, die sind toll. Hast du sie gemacht?", fragte ich voller Begeisterung und schaute mir die Aufnahmen aus nächster Nähe an.

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    • Samantha

      Der Chef war nicht zu überhören, selbst wenn man nur das Gehör eines Menschen hatte. Warum regte er sich denn auf? Ich lauschte dem Gespräch und seufzte leise. Eric, aber auch Timothy taten mir wirklich leid. Für Timothy bedeutete das wohl wieder Überstunden, aber ich war gewillt ihm dabei zu helfen. Die Aufgaben von Eric würde ich schnell lernen. Dabei müsste ich mich wohl eher zurückhalten, nicht alles schon nach einem Tag zu wissen. Ich mochte es nicht so sehr, wenn man mir großes Talent nachsagte, wenn ich etwas auf Anhieb konnte.
      "Guten Morgen, Timothy." Lächelnd betrachtete ich den jungen Mann und folgte seinem Blick. "Danke. Ich liebe es Erinnerungen als Fotografie festzuhalten", erklärte ich und ging einen Schritt zurück, damit er sie besser betrachten konnte. Ich wollte ihn fragen, wie ich ihm helfen könnte, aber es faszinierte mich zu sehr, wie er die Werke betrachtete, auf die ich so stolz war.
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      - Eugene Ionesco
    • Timothy

      Besonders eine der Aufnahmen faszinierte mich sehr, bei der ich länger noch als bei den anderen Inne hielt.
      "Das ist doch die Anstalt Forest Haven Laurel in Maryland? Ein echter Lost Place. Ich liebe solche verlassenen Orte... sie haben irgendwie etwas... mystisches, was übernatürliches. Einfach faszinierend", musste ich gestehen, doch versuchte mich danach wieder der Arbeit zuzuwenden. Ich wandte mich zu der schönen Samantha um, und konnte nicht anders, als trotz dem ganzen Ärger und Stress sowie dem Groll in meiner Brust zu lächeln. "Sicher hast du das Gebrüll unseres lieben Chefs vorhin mitbekommen. Es hätte vermutlich Tote geweckt", stellte ich Augen rollend fest und schüttelte kurz den Kopf. "Er will, dass ich dich in die Arbeit von Eric einarbeite. Mr. Johnson zieht vor, ihm zu kündigen. Aber keine Sorge - es ist viel, aber das bekommen wir hin."
      Ich war voller Zuversicht und glaubte an das schlaue Köpfchen, das hier vor mir stand. "Heute steht aber erstmal die Ballettschule auf dem Plan. In einer Stunde gehts los", ließ ich sie wissen, auch schon wieder bereit, das Büro zu verlassen.

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    • Samantha

      "Stimmt", bestätigte ich seine Annahme über das Foto und lächelte bei seiner Faszination. Er liebte solche Orte und war von übernatürlichen fasziniert? Wie er wohl reagieren würde, wenn er wüsste, das er gerade vor einem übernatürlichem Wesen stand. Doch das dürfte er niemals erfahren. "Ganz sicher." Das wir das hinbekämen war ohne Zweifel. Ich wollte ihm auch möglichst wenig zur Last fallen und könnte dieses Mal wohl etwas mehr den Überflieger spielen. Selbst wenn ich mir deshalb mehr Arbeit aufbrummen sollte, als ein Mensch leisten könnte - ich konnte davon nicht müde werden. Wir schliefen zwar ein paar Stunden, aber nur, weil wir sozusagen auf Diät waren. Wir versuchten mit so wenig Blut wie möglich auszukommen, was unsere Körper zwar etwas schwächte, aber im Vergleich zu einem Menschen waren wir unerschöpflich. Ich könnte dennoch eine Woche durchmachen, ohne durchzuhängen.
      "Alles klar. Ich bereite alles vor. Bis gleich." Meine Kamera und die nötigen Objektive hatte ich bereits in meiner Tasche verstaut. Ich hatte auch andere Beiträge über Ballettschulen angesehen, da ich es von den großen Zeitungen gewohnt war, Vergleiche zu anderen herzustellen, um mit ihnen zu konkurrieren. Dieser Job war die richtige Wahl. Ich hatte nette Kollegen und konnte mich gut beschäftigen. Es war schade, dass ich hier nur ein paar Jahre verbringen könnte, aber ich würde sie gut nutzen. Noah hatte auch versprochen sich nicht mehr einzumischen. Hoffentlich hielt er sich auch daran.
      Pünktlich klopfte ich an Timothy's Tür und strich über meine Tasche, nachdem ich eingetreten war. "Ich bin soweit." Dabei lächelte ich breit, denn heute war erst mein erster richtiger Arbeitstag und ich war sehr motiviert.
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      - Eugene Ionesco
    • Timothy

      Ich machte mich wieder an die Arbeit. Nun hatte ich nämlich nicht nur die Arbeit für zwei Journalisten, sondern noch die Aufgabe erhalten, Samantha alles zu zeigen. Alles innerhalb weniger Tage, was Eric nicht mal in drei Monaten hinbekam. Der Gedanke allein löste schon ein gewisses Unwohlsein in mir aus.
      Die Zeit verging im Flug, und so stand nach exakt einer Stunde das schöne Gesicht Samanthas vor mir, bereit in den Tag und in ihre erste offizielle und wichtige Aufgabe zu starten. Ich lächelte sie an, nickte ihr kurz zu, bevor ich den PC herunterfuhr, aufstand und wir uns gemeinsam auf den Weg machten. Wir stiegen in meinen rostfarbenen Cadilac und steuerten die Ballettschule an, die heute ganz offiziell eröffnete. "Hier wären wir", sagte ich nach einer viertel Stunde Fahrzeit, warf einen Blick an Samantha vorbei, direkt aus dem Fenster, zu der Ballettschule, vor der sich schon einige kleine Mädchen, aber auch so mancher Junge, getummelt hatten. Eltern standen bei ihren Kindern. Manche dicht am Bein ihrer Mutter, andere hingegen spielten fangen, lachten, kicherten und klatschten voller Vorfreude in ihre kleinen Händchen. Der Himmel war dicht bewölkt, als ich den Motor ausschaltete und wir ausstiegen, um von einer netten, älteren Dame in Empfang genommen zu werden. Sie kam im schicken, dunklen Hosenanzug daher. Ihre grauen Haare hatte sie zu einer Wasserwelle geformt und mit ihrem faltigen Gesicht strahlte sie uns entgegen. Sie stellte sich als Mrs. Smith vor, die allerdings nicht die Gründerin der Ballettschule war, sondern ihre Tochter, die sich kurz darauf bei uns vorstellte. Eine hübsche Dame, schätzungsweise um die 40 Jahre alt, mit dunkelbraunem Haar, welches sie zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden trug. Durch ihre rehbraunen Augen strahlte sie uns entgegen. Sie hatte einen kräftigen Händedruck. Lässig mit Jeans und einer weißen Bluse gekleidet, nahm sie jeden Neuling in Empfang und schien voller Dankbarkeit für den Bericht in der Rainville Times, denn so erlangte sie Bekanntheit für ihre Arbeit, was für einen Neustart immer wichtig war. Zuerst sollte ein Foto vor dem großen, imposanten Gebäude gemacht werden, welches etwas an ein Bauwerk aus dem 18 Jahrhundert erinnerte. Es wurde sarniert, und innen wirkte es sehr modern, was sich aber erst später herausstellen sollte. Die jüngere Mrs. Smith, die demnach unverheiratet war, trommelte alle der kleinen und großen Gäste zusammen, während der Geruch von frisch zubereiteten Hotdogs allmählich meinen Hunger weckte. Mussten Ballett-Tänzerinnen nicht auf ihre Figur achten? Nun war ganz offensichtlich Samanthas Geschick und ihr Auge für den besonderen Moment gefragt. Ich hielt mich zurück und beobachtete das Geschehen aus der Entfernung, während ich mich selbst dabei ertappte, wie ich das lächerliche Grinsen nicht aus meinem Gesicht bekam.


      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Samantha

      Vor der Ballettschule angekommen, beobachtete ich die Menschen vor dem wunderschönen Gebäude. Ich mochte die alten Mauern sehr, auch wenn es heutzutage praktischere Bauweisen gab. Hier und da mal eines zu sehen, hatte aber weitaus mehr Charme als damals, wo jedes Haus so aussah. Es wirkte dadurch besonders. Deshalb war es mir wichtig, dies auch auf dem Foto davor festzuhalten. Die Kinder waren wirklich bezaubernd. Ich mochte Kinder. Als ich noch ein Mensch war, hatte ich mir welche gewünscht, aber Vampire konnten sich nicht fortpflanzen. Ein kleiner Nachteil dafür, dass ich noch ein Leben hatte und mir die Welt ansehen konnte.
      Nach der freundlichen Begrüßung gab es auch einen Happen zu essen. Ich verzichtete und hielt Ausschau nach guten Momenten. Natürlich machte ich mehr Fotos, als wir bräuchten, um davon später die besten herauszusuchen. Vor allem, nachdem sich die Kinder umgezogen hatten, knipste ich eines nach dem anderen. Die meisten Bilder machte ich zwischendurch, aber ich machte auch welche unter Anweisungen, wo ich die Kinder und Ms. Smith unter Berücksichtigung des Lichts am besten positionierte. "Das sollte reichen..", meinte ich und überflog schon mal die Fotos auf dem kleinen Bildschirm der Kamera, während ich zu Timothy ging.
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      - Eugene Ionesco
    • Timothy

      Das ganze Prozedere dauerte doch länger als erwartet, weswegen ich beschloss, meinem knurrenden Magen nachzugeben und der netten, älteren Dame am Hotdog-Stand einen Besuch abzustatten. Zufrieden, meinen unbändigen Hunger endlich gestillt zu haben - es war wohlbemerkt das erste, was ich heute aß -, sah ich erwartungsvoll zu der hübschen Samantha, die mit ihrer Kamera und einem gewissenhaften, prüfenden Blick die bisherigen Aufnahmen begutachtetend, immer näher und näher kam. Ich derweil schluckte den letzten Bissen hinab, räusperte mich und putzte meine Hände an der beigelegten Serviette ab, bevor ich Samantha über die Schulter sah. Fragt mich nicht nach dem Grund, aber mir schlich sich die Frage in den Kopf, als ich sie, statt die Aufnahmen flüchtig begutachtete, ob sie es mochte "Sam" genannt zu werden. Ich hatte es gestern von Noah aufgeschnappt, auch wenn diese Abkürzung für ihren Namen ohnehin sehr passend klang. Doch ich traute mich nicht so recht, sie zu fragen. So lange war und blieb sie Samantha. Mich nannte niemand bei meinem vollem Namen. Für alle war ich nur "Tim", außer für unseren Chef, Mr. Johnson. Da würde ich wohl immer der trottelige "Fraser" bleiben.
      Ich schaute herab auf die Fotos, nachdem ich zuvor mit einem "Zeig mal" darum gebeten hatte. Es waren zweifellos tolle Aufnahmen, und ich war mir sicher, dass sie unserem cholerischen Tomatenkopf auch gefallen würden. "Das sind tolle Aufnahmen", wertschätzte ich ihre Arbeit wahrheitsgemäß und lächelte aufrichtig dabei. "Dann sehen wir uns mal das Schätzchen noch von innen an, oder?"
      Wir gingen gemeinsam hinein. Im Inneren gelang es Samantha auch noch einige tolle Aufnahmen zu schießen. Das Gebäude hatte einen ganz wundervollen, eigenen Charme. Die Kinder liefen umher, einige Eltern - überwiegend Mütter - unterhielten sich angeregt und niemand störte uns dabei, unsere Arbeit zu verrichten. Während meine neue, braunhaarige Kollegin damit beschäftigt war, die wundervollen Momente der Einweihung festzuhalten, unterhielt ich mich mit der Gründerin des Vereins, um so viele Informationen für den Bericht wie nur möglich zu bekommen. Am Ende des Nachmittags war mein Notizblock um einige Zeilen und viel Wissen um die Ballettschule reicher geworden. Wir machten uns auf den Weg zurück zur Redaktion. Als wir gerade an einer Ampel standen, warf ich Samantha einen lächelnden Blick zu. Es verwunderte mich etwas, dass sie überhaupt nicht erschöpft zu sein schien.
      "Du hast wirklich ein Talent, schöne Momente von ihrer besten Seite festzuhalten", sagte ich, als auch schon begann, heftige Regentropfen gegen die Windschutzscheibe zu prasseln. Wieder einmal. Nichts neues, hier in Rainville.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.

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    • Samantha

      Als er mir über die Schulter sah, fühlte ich mich ein wenig unbehaglich. Es war näher als sonst. Näher als im Auto. Zu nah. Wenn Noah uns sehen würde.. Aber ich konnte ihn nicht riechen, Timothy dafür umso besser. Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, wobei mir die Konzentration auf die Bilder half. Er wollte sich meine Bilder noch mal genauer ansehen, weshalb ich ihm meine Kamera überließ, ehe wir innen noch mehr Fotos machen konnte.
      Ich war zufrieden mit meiner Arbeit und er auch. Das freute mich. Während der Fahrt sah ich mir die Bilder erneut an und löschte jene, die mir überhaupt nicht gefielen. Als Timothy mich lobte, sah ich zu ihm und lächelte. Wer mochte es nicht für seine Arbeit gelobt zu werden? "Danke.." Etwas nachdenklich sah ich aus dem Fenster und beobachtete den Regen, der dieser Stadt seinen Namen verlieh. Ich war kein Fan von Regen, aber er war auch nicht tragisch. Immerhin hatte es den Vorteil, dass die Sonne dadurch meist zu schwach war, um auf uns zu wirken. Das erinnerte mich an die Filmreihe Twilight. Nur das ich nicht in der Sonne glitzerte und einige Sachen etwas übertrieben dargestellt wurden. Dennoch gab es ein paar Dinge, die durchaus zutrafen. Menschen waren schon immer fasziniert von Übernatürlichem. "Lebst du gern in Rainville?", fragte ich ihn, ohne triftigen Grund. Es war lediglich meine Neugier. Gefühle und Gedanken von Menschen kennenzulernen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Timothy

      Das leuchten der roten Ampel färbte sich wieder in ein freundliches Grün und die Scheibenwischer fegten wild das Nass von der Scheibe. Als ich das Gaspedal sachte drückte, warf ich einen flüchtigen Blick zu Samantha. Auf ihre Frage hin musste ich schmunzeln.
      "Ich hatte noch nie woanders gelebt... es hat mich nie wirklich woanders hingeführt. Also ja. Irgendwas hat Rainville schon", antwortete ich leise lachend. "Eigentlich würde ich mir aber wünschen, woanders zu leben... so allmählich. Ich würde gerne in New York City arbeiten. Beim Magazin "Lost Place". Das ist mein Traum seit vielen Jahren."
      Warum erzählte ich ihr das? Danach hatte sie doch gar nicht gefragt! Als ich befürchtete, zu ausschweifend zu werden und sie mit meinem Gespräch zu langweilen, versuchte ich mehr den Fokus auf sie zu lenken. "Ich denke, dass du dich schnell hier in Rainville einleben wirst. Die Menschen sind nett, herzlich, ehrlich und total zuvorkommend. Manche etwas paranoid, aber das gibt es ja überall", grinste ich, bevor wir abermals an einer roten Ampel zum Stehen kamen. Irgendwie hatte ich nichts dagegen, denn so konnte ich mit dieser wunderschönen Frau neben mir noch etwas die Ruhe genießen, fern dem Trubel der Redaktion und den cholerischen Anfällen von Mr. Johnson. Ich drehte den Kopf wieder zu ihr. Es geschah automatisch - ich konnte rein gar nichts dagegen tun. Sie wirkte wie ein Magnet auf mich, und ich war ihr Gegenstück. Ihr Haar, das sanft wie Engelsflügel ihr Gesicht streifte, ihre langen, vollen Augenwimpern, das warme Braun ihrer Augen, die vollen Lippen, die mehr und mehr "Küss mich!" schrien. Ihre zarten Hände.
      "Du bist sehr schön", platzte es dann aus mir heraus und ich spürte wie sofort die Wärme in mir aufstieg, meine Wangen sicher knallrot anliefen. Schnell wandte ich den Blick auf die Straße und dankte Gott dafür, dass sich die Ampel wieder ganz schnell stechend Grün zeigte. "S-Sorry. Das... war... nicht so gemeint. Also schon, aber... vergiss das. Das hätte ich nicht sagen sollen."

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Samantha

      Ich freute mich immer darüber, wenn jemand meine Fragen ausführlicher beantwortete, als sie müssten. Das gab mir das Gefühl, dass ich ihn mit meiner Frage nicht belästigte. Sein Traum war wirklich großartig und ich wünschte mir, dass er ihn eines Tages erfüllen würde. "Oh ja.. Mir gefällt es hier." Dabei blickte ich verträumt auf die in rot gehüllten Tropfen auf der Scheibe.
      Sein Geruch veränderte sich zunehmend und ich konnte aus dieser Entfernung sogar seinen Herzschlag hören, was mich unweigerlich in Verlegenheit brachte. Vor allem, als er mir so plötzlich dieses Kompliment machte. Wäre ich ein Mensch, würde ich wohl ebenfalls erröten. Wäre ich ein Mensch, würde ich Timothy um ein Date bitten. Er war.. so wundervoll. Mir fielen keine Worte ein, um ihn zu beschreiben.
      Als er sich entschuldigte, sah ich zu ihm rüber und wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Da war dieses Gefühl.. Ich wollte in seiner Nähe sein und gleichzeitig weglaufen. Kein Mensch und kein Vampir hatte bisher so eine Wirkung auf mich. "Ich.." begann ich, noch immer unwissend, was ich sagen sollte. Mein Kopf befahl mir, es zu ignorieren. Mein Herz jedoch freute sich so sehr über dieses Kompliment. Es war schon fast unfair, dass ich allein an seinem Geruch wusste, was in ihm vorging. Gerade dieses Verlegene und etwas unbeholfene, zogen mich an. Er war aufrichtig. Das wusste ich. Nicht wie Noah. Zum erstem Mal seit einer Ewigkeit, bedauerte ich es kein Mensch zu sein.
      Ein Risiko eingehen, sagte Noah. Spaß haben. Er vergnügte sich andauernd mit Menschen. Ich könnte behaupten, dass er mir nichts bedeutet und ich es nur ausprobieren wollte, wenn Noah mich darauf ansprechen würde. Sollte ich es wagen? Ich wollte wissen, wie es ist geliebt zu werden. Von jemandem wie Timothy geliebt zu werden. Keinem selbstverliebten Idioten. Allerdings wollte ich ihm nicht das Herz brechen. "Ich würde gerne ins Kino gehen...", meinte ich und wandte meinen Blick verlegen ab. Warum sagte ich das? Das wollte ich, ja. Aber ich durfte nicht. Nicht mit ihm. Nachdem es ausgesprochen war, hoffte ich einfach, das er es nicht als Einladung sah, denn ich hatte ja nicht gefragt, ob er mitkommen würde, auch wenn ich es unterschwellig damit ausdrücken wollte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

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