Don't fall in love with a human (Kiimesca & Nordlicht)

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    • Benjamin

      Kino also? Na gut, von mir aus. Was ich von Kino im Allgemeinen halte? Naja. Sagen wir es mal so: ich bin kein Fan davon, weigere mich aber auch nicht, wenn das Gezeigte mir zusagt. Ich meine, mal ehrlich. Das Geschmatze, als würde eine ganze Horde Ziegen vor einem stehen und gleichzeitig auf einer Hand voll Grashalme herumkauen, als sei es eine Tüte Chips. Dann das Getuschel und das Gekicher der vorpupertärenden Mädchen. Nein. Es war sicher nicht meine liebste Freizeitbeschäftigung. Aber wenn Amber gerne ins Kino ging, dann war es für mich okay. Doch dann, als die Rechnung beglichen war und unser Weg nach draußen führte, wir in Ambers Wagen Platz nahmen, da gestand sie mir doch tatsächlich, dass sie kein Film-Fan war. Doch warum...? Die Offenbarung kam gleich im Anschluss, was mich wohl etwas verdutzt wirken ließ. Warum hatte sie das denn nicht gleich gesagt? Doch um groß nachzufragen, dafür blieb keine Zeit. Sie beugte sich schon zu mir vor, lud mich zu einem zuckersüßen Kuss ein. Sanft und zart, was man von ihr vielleicht nicht unbedingt erwarten würde. Ich schloss meine Augen, genoss diesen intimen Moment zwischen uns, ohne sie selbst zu berühren. Kurz verharrten unsere Gesichter dicht voreinander, als unsere Lippen sich trennten. Zaghaft öffnete ich die Augen und sah sie durch meine halb geöffneten Lider an.
      "Das hättest du einfach gleich sagen können", sagte ich überraschend leise, bevor sich ein Lächeln auf mein Gesicht zeichnete und ihr warmer Atem meine Nase kitzelte. "Du wohnst nicht mehr allein... wenn du möchtest, können wir auch gern zu mir. Einen Film schauen, oder so...", nahm ich Bezug auf ihren Vorschlag, auch wenn wir beide genau wussten, dass ein Film schauen das letzte wäre, was wir tun wollten.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Ich war wirklich erleichtert, dass Benjamin meinen Kuss annahm. Ob ich dachte, dass er es nicht tun würde? Irgendwie schon und irgendwie nicht. Es war ja nicht der erste Kuss, aber tief in mir hatte ich dennoch ein wenig Angst davor, er würde mich auf irgendeine Weise verurteilen. Vielleicht tat er das auch, aber solange er es für sich behielt, war das in Ordnung. Ich weiß es doch auch nicht.. Ich wusste nur, dass ich diesen Mann unbedingt wollte. Mehr als Reden und mehr als Küssen. Da war doch sonst auch nichts dabei. Benjamin interpretierte da wohl auch nicht so viel hinein.
      "Hätte ich..", hauchte ich leise zurück. Ich erwiderte sein Lächeln und genoss noch einen Moment diese Nähe, seinen Atem und seinen Geruch, bevor ich mich von ihm löste.
      "Klingt gut.. Sehr gerne.." Das er nun ebenfalls von einem Film sprach, den eigentlich keiner von uns sehen wollte, nahm ich mit Humor und schmunzelte ein wenig.

      Die Fahrt war ruhig, aber das war nichts neues. Es war wie immer keine unangenehme Stille, aber dieses Mal lag deutlich etwas in der Luft. Jedenfalls aus meiner Sicht. Immerhin war uns beiden klar, welches Ziel wir gerade ansteuerten. Ich lehnte mich entspannt zurück und schloss meine Augen. Ich war ein wenig aufgeregt, aber eher vor Vorfreude. Vorher war meine Lust eigentlich kaum vorhanden. Also schon. Es war so ein: Joa, ich hätte wirklich nichts dagegen. Jetzt aber wuchs die Lust mit jeder Minute, die verging und jedem Kilometer, dem wir Rainville näher kamen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Sie war einverstanden. Sehr schön. Also dann. Los geht's! Es dauerte auch nicht sehr lange, bis wir vor meiner Haustür ankamen. Wie immer parkte ich am Straßenrand. Überall gab es Einbuchtungen, die abgetrennt waren von saftig grün blühenden Bäumen. Die Baumkronen wehten in der leichten Sommerbrise. Die Feuerkugel verabschiedete sich langsam und färbte den heute überraschend azurblauen Himmel in den wärmsten Farben. Fast romantisch, nicht wahr? Das gefällt euch, schon klar. Wir stiegen aus, und nein, ich hielt ihr nicht die Tür auf oder son Zeug. Kommt schon. Das würde wirklich nicht zu mir passen, oder? Wie dem auch sei. Wir gingen zu dem unscheinbaren Reihenhaus, die wenigen Treppen nach oben, als uns Peter über den Weg lief, einer der anderen Mieter. Ein älterer, buckeliger Kerl mit weißem Bart und etwas längerem Haar. Die letzten Monate war er recht hager geworden, doch der herzliche Ausdruck durch seine stahlblauen Augen war noch derselbe geblieben.
      "Oh Hallo, Benjamin", begrüßte er mich, als er gerade die Tür öffnete.
      "Hallo Peter. Geht's gut? Hab' dich schon eine Weile nicht mehr gesehen."
      "Oh ja, alles gut. Ich hatte in letzter Zeit etwas Probleme mit den Knochen. Man wird nicht jünger", lachte er und begrüßte auch die hübsche Rothaarige hinter mir mit einem freundlichen Nicken. "So, ich muss los. Habe noch eine Verabredung mit meinem Lieblingstresen", scherzte er, die alte Saufnase. Ja, der gute alte Peter trank gerne mal einen über den Durst. Ob er ein Alkoholproblem hatte? Ja, so könnte man das wohl ausdrücken. Aber da er noch nie negativ aufgefallen war, außer mit dem schiefen Gesang auf dem Nachhauseweg mitten in der Nacht, konnte ich es ihm nicht verbieten.
      "Pass auf dich auf, Peter, du weißt ja, was im Moment hier in Rainville los ist..."
      "Ja, mein Sohn, schon klar. Ich werde auf mich und den Scotch gut Acht geben", grinste er breit, schlenderte die Treppen vorbei an Amber und die Straße entlang. Gut gelaunt mit einer leicht rot gefärbten Nasenspitze. Ja, so kannte man ihn. Den Kopf schüttelnd betrat ich das Haus und ging nach oben. Das Treppenhaus wirkte etwas dunkel, denn es drang recht wenig Sonnelicht durch das einzige Fenster. Ansonsten kam es allerdings sehr aufgeräumt daher. Lediglich ein Kinderwagen stand auf der mittleren Etage. Bereits als wir das Haus betreten hatten, wehte mir ein Geruch in die Nase. Ein sehr unangenehmer Geruch, unverkennbar und brennend wie Säure. Ob Amber es auch wahrnahm? Ich schwieg, doch spannte mich an, mit jedem Schritt, den wir näher an der Wohnungstür ankamen.
      "Gib Acht", sagte ich leise, ohne eine weitere Erklärung, bevor ich die Tür öffnete und sogleich sah, was die Quelle jenes unheilvollen Geruchs war.
      "Was zur Hölle machen Sie in meiner Wohnung?", fragte ich viel zu höflich, trat langsam vor, achtete aber darauf, dass ich schützend vor Amber blieb. Entspannt, als sei er ein alter Freund, der die Erlaubnis hatte, in meine Wohnung einzutreten, wann immer es ihm beliebte, vielleicht um die Blumen zu gießen oder einfach nach dem Rechten zu sehen, saß er auf dem Sofa. Nach hinten gelehnt, die Beine etwas gespreizt und mit einem Dauerschreiber spielend. Und es war defintiv einer meiner Dauerschreiber!
      "Oh, da seid ihr ja endlich", sagte er mit einem selbstgefälligen Grinsen, hielt es aber nicht mal für nötig, seinen Hintern zu erheben. Kurz warf er einen Blick zu Amber, bevor er wieder zu mir sah. "Ich warte schon eine halbe Ewigkeit auf euch. Es wurde mir schon fast langweilig."
      Ich spannte meine Kiefermuskulatur an und ballte meine Hände zu Fäusten, um meiner Anspannung etwas Luft zu verschaffen.
      "Ich frage Sie nochmal, Bleichgesicht: Was haben Sie hier zu suchen? Und wie sind Sie reingekommen?"
      "Oh das... das war leicht, mein nach nassem Hund stinkender Freund. Habe den alten Mann als meine kleine, persönliche Marionette benutzt. So wie der nach Bierfass gestunken hat, war das kein großes Problem."
      "Peter hat Sie reingelassen? Aber er... hat nichts davon erwähnt, als..."
      "Oh, natürlich hat er das nicht, Wölflein. Du unterschätzt ganz offensichtlich meine Gaben. Nun, wie dem auch sei."
      Erst jetzt stand er auf, immer noch den Dauerschreiber in seiner Hand drehend und wendend, während er entspannt auf uns zu spazierte.
      "Du, mein Lieber, hast etwas, das mir gehört."
      Ein Blick zu Amber verriet sofort, was oder besser wen er meinte.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.

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    • Amber

      Entspannt blickte ich aus dem Fenster, musste jedoch immer wieder an unsere Küsse denken. Auf dem Kino, natürlich. Das war beinahe mehr als das. Aber auch den Kuss bei mir zuhause und den Kuss vorhin. Ich mochte rumknutschen.
      Wir kamen schnell an unserem Ziel an, wo ich ausstieg und Benjamin folgte. Ob ich mir gewünscht hätte, dass er etwas mehr Gentleman wäre? Nö. Ich kann meine Türen schon selbst öffnen. Benjamin war höflich, das reichte vollkommen. Arschkriecher konnte ich nicht leiden. Die bettelten doch nur nach Aufmerksamkeit.
      Am Hauseingang trafen wir auf einen seiner Nachbarn, den ich mit einem Lächeln grüßte. Ein netter Kerl, aber so wie es aussah, hatte er niemanden, der sich darum kümmerte, dass er etwas gesünder lebte. Doch solange er damit glücklich war - und unglücklich sah er nicht aus - konnte man wohl nichts dagegen sahen. Ich schon gar nicht. Aber Benjamin, der sich doch eigentlich um jeden Bewohner Rainvilles sorgte, ließ ihn ziehen. Der Geruch des Mannes hing gefühlt im ganzen Treppenhaus. Das darin auch Noah's Geruch verworren war, merkte ich nicht. Deshalb war ich auch überrascht, als er in Benjamin's Wohnung saß. Was hatte er hier zu suchen? Er wartete schon eine halbe Ewigkeit auf uns? Hatte er nichts besseres zutun? Als Vampir wohl nicht. Er faselte irgendwas von Gaben, von dem ich keine Ahnung hatte, deshalb hatte ich mich bisher aus diesem eigenartigen Gespräch rausgehalten.
      Als er aufstand und auf uns zukam, legte ich meine Hände an meine Ellenbogen.
      Er hat etwas, das ihm gehört? Hatte ich ohne mein Wissen vielleicht einen Vertrag mit Blut unterzeichnet oder so? Ich trat einen Schritt vor, um nicht wie ein verängstigtes Ding hinter dem Polizisten zu hocken. Noah konnte furchteinflößend sein, keinen Zweifel, aber ich hatte keine Angst vor ihm. Was sollte ich sagen? Ich wollte ihn nicht unnötig provozieren. Ihn zu verspotten kam also nicht in Frage. Irgendwie hatte ich jedoch das blöde Gefühl, dass alles, was ich sage, ganz egal was, diese Situation nicht besänftigen könnte.
      "Ist das dein Ernst?", fragte ich und versuchte gelassen zu bleiben. Ich bezweifelte, dass Noah in mich verliebt war oder sowas. Das er ziemlich besitzergreifend war, wusste ich ja, aber so? Hätte ich etwas anderes sagen sollen? Nur was? Mir fiel nichts ein. Ich war angesichts einer drohenden Eskalation wirklich sprachlos. Benjamin würde sich das aber sicher nicht gefallen lassen. Noah stand immerhin ohne Erlaubnis in seiner Wohnung. Der Wohnung eines Cops! Nicht, dass Benjamin ihn so einfach verhaften könnte, aber trotzdem! Und das nur wegen mir? Wirklich?
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      - Eugene Ionesco
    • Noah

      Echt!? Diese Lachnummer zog sie mir vor!? Was war nur in diesen Rotschopf gefahren? Hatte die Gewissheit ihr die Sinne vernebelt, oder so etwas? Ich mein, der Cop sah weder besser aus als ich, noch stellte er mehr einen Mann da. Das war ohnehin nicht möglich, von daher stellte sich diese Frage nicht. Doch ich ließ mir meine Wut - und tatsächlich auch eine gewisse Frustration - nicht anmerken. Ich behielt meine lässige Haltung und ließ das Grinsen auf meinem Gesicht nur breiter und breiter werden.
      "Oh, mein voller Ernst, Rotlöckchen", gab ich ihr zu Antwort, wohlwissend, dass dies ein bedrohliches Zähneknirchen des Volltrottels vor ihr zur Folge hatte. Ob ich ihn fürchtete? Ist diese Frage ernst gemeint? Also bräuchte jemand wie ich irgendwas oder irgendjemanden zu fürchten! Macht euch nicht lächerlich! Ungerührt warf ich den Dauerschreiber in die nächste Ecke, bevor meine Hände in den Hosentaschen verschwanden. "Ich weiß zwar nicht, was dieser Schwachkopf dir zu bieten hat, Löckchen, aber eine Villa ist es jedenfalls nicht", stellte ich mit einem abschätzenden Blick durch seine kleine Wohnung fest. Kein Vergleich zu meinem Haus am Meer, oder zu ihrem eigenen. "Vielleicht doch der große Schwanz, auch wenn ich nicht glaube, dass er größer ist als meiner. Aber ich denke, das kannst du am besten beurteilen, oder?"
      Herausfordernd sah ich in ihre Augen, bis sich Herr Stinkwolf wieder zu Wort meldete.
      "Es reicht jetzt, würde ich sagen", unterbrach er mich doch tatsächlich, dieses kleine Stück Scheiße, was zunächst mein lautes Gelächter zur Folge hatte.
      "Oh, es reicht? Und das entscheidest du?"
      "Ja. Es ist meine Wohnung. Und Sie sind unerlaubt eingedrungen. Also, verschwinden Sie, bevor-"
      "Bevor was?", war ich es nun, der ihn unterbrach. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und ich spürte genau, dass das Feuer in ihm loderte und jeden Moment drohte zu entfachen. Es roch förmlich nach Spaß! "Ach, weißt du was? Eigentlich hast du es doch hier ganz gemütlich... und von Gastfreundschaft hast du auch noch nichts gehört. Sitze schon ne ganze Weile auf dem Trockenen. Wir könnten es uns auch zu Dritt gemütlich machen. Ein wenig reden, uns kennenlernen..."

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    • Amber

      Mir war von Anfang an klar, dass Noah arrogant war, aber das hatte irgendwie seinen Reiz gehabt. Er bildete sich auch nicht zu unrecht ein, ein toller Hengst zu sein. Das er sich für etwas besseres als Benjamin hielt, überraschte mich auch nicht. Benjamin war ein Werwolf, kaum mehr als ein Mensch, wenn man ihn mit Noah, einem Vampir verglich. Wie alt er wohl war? Locker über 100 Jahre, schätze ich. Auch wenn es in seinen Augen vielleicht gerechtfertigt erschien, konnte er Benjamin nicht einfach so herablassend behandeln. Als bräuchte ich einen Kerl mit Villa! Ich hatte meine eigene und ich fand Benjamin's Wohnung sogar ziemlich gemütlich.
      Dann fing er doch tatsächlich mit einem Schwanzvergleich - im wahrsten Sinne - an. Das ich das nicht beurteilen konnte, musste er ja nicht wissen. Selbst wenn, würde ich es ihm sicher nicht auf die Nase binden. Auch wenn es schwer sein dürfte, Noah in der Hinsicht zu übertreffen. Aber geht's noch?
      Ich sah abwechselnd zu den beiden, während Benjamin ihm drohte. Noah nahm das allerdings nicht sehr ernst. Ich wusste nicht, wer von den beiden in einem Kampf den Kürzeren ziehen würde und ich wollte es auch ehrlich gesagt nicht herausfinden. Man könnte ja fast glauben, dass wir hier im Mittelalter waren und sich die beiden um mich kloppten. Demnach wäre ich die einzige, die ein Blutbad noch verhindern könnte. Aber wie? Wenn ich beiden den Rücken zukehre, würde Noah weitermachen. Mich auf Benjamin's Seite stellen würde Noah ihn sicher auch angreifen. Also blieb mir keine andere Wahl, als mich für Noah zu entscheiden? Das würde Benjamin nicht gefallen, aber ich glaubte nicht, dass er so drauf war, das er Noah deswegen angreifen würde, um die arme Rothaarige aus seinen Fängen zu befreien.
      Zu dritt gemütlich machen käme allerdings für keinen von beiden in Frage. Ich fühlte mich so wehrlos und nutzlos. Ich könnte rein gar nichts tun, um sie davon abzuhalten. Was sollte ich tun, um das schlimmste zu verhindern? Noah wie ein braves Hündchen folgen? Aber ich konnte auch nicht nur hier rumstehen und zusehen. Ich wollte nicht, dass sie gegeneinander kämpften. Ich wusste nicht, wer gewinnen würde. Ob einer von ihnen dabei sterben würde. Und ich hatte wirklich Angst davor, dass Benjamin derjenige sein könnte, der in diesem Kampf unterlag. Sollte ich also versuchen Noah zu besänftigen, um Benjamin zu beschützen? Es.. war ja ohnehin nur rein körperlich.. Benjamin war wohl kaum so verzweifelt, dass er keine andere für etwas Spaß finden würde. Noah auch nicht, aber Noah wollte mich ihm nicht überlassen.
      Was ich wollte? Ich wollte..
      "Hört bitte auf.." Das klang nicht sehr überzeugend, Amber..
      Warum passierte das alles? Warum war ich in dieser übernatürlichen Welt gelandet? Mein Leben war schon vorher chaotisch, aber jetzt war es vollkommen zerstreut. Vampire, Werwölfe. Mit keinem sollte man sich anlegen.
      Das war alles meine Schuld. Wenn ich auf Benjamin gehört hätte.. Nein, wenn ich beim Sommerfest mit Noah gegangen wäre, wäre es nie hierzu gekommen. Ich war egoistisch und wollte zu viel. Ich hätte mich mit Noah zufrieden geben sollen. Man konnte sich kaum jemand besseren wünschen, wenn es nur um das eine ging. Meine dämliche Hoffnung, dass es mit Benjamin..
      Ich war verzweifelt und wütend. Wütend auf mich selbst. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, der das hier friedlich lösen könnte. Meine Wut wuchs, doch sie war weder gegen Benjamin, noch gegen Noah gerichtet.
      "Es tut mir leid... Benjamin...", sagte ich leise, als hätte ich mich soeben für Noah entschieden. So war es auch irgendwie. Denn das schien mir die einzige Möglichkeit zu sein, die beiden voneinander abzubringen. Möglicherweise müsste ich mich einfach nur von ihm fernhalten, damit Noah ihn in Ruhe ließ. Auch wenn es mich unfassbar traurig machte, da ich die Zeit mit Benjamin immer so sehr genossen hatte.
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      - Eugene Ionesco
    • Noah

      Na bitte. Ich wusste doch, dass die Kleine die richtige Entscheidung treffen würde. So dumm, sich mit diesem bärtigen Vollpfosten-Cop einzulassen , - das würde dem hübschen Ding nicht ähnlich sehen. Denn ich glaubte fest daran, dass unter dieser wallenden Mähne ein ganz gerissenes Köpfchen steckte.
      "Na siehst du, Süße. Du hast defintiv die richtige Wahl getroffen", schmunzelte ich, meinem Selbstbewusstsein vollen Ausdruck verleihend, während ich auf die beiden zuschlenderte. Gerade als ich einen Arm um ihre Schultern legen wollte, um noch ein klein wenig mehr meinen Standpunkt zu verdeutlichen, spürte ich, wie dieser nach nassem Köter stinkende Kerl mein Handgelenk in der Luft abfing. Sein Blick durchbohrte mich. Oh weia. Was dachte er? Dass ich mir in die Hose pisse vor Angst? Dass ich nicht lache! Ich verharrte so, erwiderte furchtlos seinen Blick und wandelte das soeben triumphierende Grinsen in ein amüsiertes Schmunzeln, ohne meinen Arm seinem festen Griff zu entziehen. Ich wusste, dass er gleich etwas sagen würde. Natürlich würde er das. Und ich wusste sogar WAS er sagen würde. Warum? Denkt ihr, es war das erste Mal in über 500 Jahren, dass ich in solch einer Situation steckte? In der Situation, dass der edle Ritter seine Maid beschützen wollte vor dem unwiderstehlich gutaussehenden Rivalen? Natürlich nicht! Doch ich ließ das Schauspiel geschehen und hörte mir an, welche lächerlichen Drohungen unser Holzfäller-Cop aussprechen wollte.
      "Du wirst jetzt sofort meine Wohnung verlassen! Amber wird dir keinen Schritt folgen! Hast du das verstanden!?"
      Wie ihr wisst war das Gehör der Vampire sehr gut. Dementsprechend konnte ich das Knurren aus den Tiefen seiner Kehle hören, das für Normalsterbliche wohl kaum vernehmbar gewesen wäre. Angst? Jetzt geht mir nicht auf den Sack damit! Natürlich hatte ich keine Angst. Angst war ein Gefühl der Schwäche. Und nach 18 Seiten, vollgepackt mit meinem grandiosen Selbst, müsstet ihr doch wissen, dass ich kein schwaches Lamm war. Eher der starke, vor Mut und Tapferkeit strahlende Löwe, der das Lamm frisst. Warum musste ich nun unwillkürlich an das Zitat aus Twilight denken? Was? Ihr glaubt nicht, dass ich diese lächerliche und völlig an den Haaren herbeigezogene Liebesgeschichte zwischen der unterdurchschnittlich gutaussehenden Schülerin und der in der Sonne glitzernden Witzfigur nicht gesehen habe? Leider schon. Verschwendete Lebenszeit, wenn ihr mich fragt. "Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm" - genau. So lautete das Zitat. Romantisch, nicht wahr? Ich könnte kotzen. Aber egal, zurück zur Geschichte.
      "Hör mal zu, Wölfchen. Ich denke, unser Rotschopf hier ist alt genug, um selbst zu entscheiden, in wessen Gesellschaft sie sich befinden möchte, oder meinst du nicht? Mal davon abgesehen, kannst du es ihr wohl nicht verübeln, dass sie die richtige Wahl getroffen hat. Mit dir... naja, lass es mich freundlich ausdrücken. Mit dir wäre es verschwendete Lebenszeit. Und wie du weißt, Fellnase, habt ihr davon ziemlich wenig zur Verfügung. Also..."
      Das Knurren des Werwolfs wurde nur lauter, sein Griff fester und der Ausdruck in seinen Augen bedrohlicher. Doch Angst? Hah! Ich lach' dir ins Gesicht! Ach, schon wieder ein Filmzitat. Nun ja, in so vielen Jahrhunderten kommt einiges zusammen. Sowohl an Literatur, die ich eindeutig bevorzugte, als auch an Schauspielkunst oder digitalem Zauber. Ich griff nun nach seiner Hand, entriss ihm meinen Arm, ließ es dabei aber federleicht aussehen. Das Grinsen behielt ich, denn meines Sieges war ich sicher. Mein Blick wandte sich von dem Kleineren ab, zurück zu der Schönheit vor mir.
      "Also dann, Jones, gehen wir?"

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    • Amber

      Die richtige Wahl? Bei seinem Selbstbewusstsein hielt er sich natürlich für die einzig richtige Entscheidung. Da gab es nichts zu zweifeln. Aber für mich? Ich wusste nicht, was für mich die richtige Wahl war. Ich dachte, Benjamin würde uns einfach ziehen lassen und sich nicht weiter einmischen. Er hatte doch gesagt, dass es schließlich mein Leben wäre, auch wenn er mir von Noah abgeraten hatte. Doch das tat er nicht. Er hielt Noah von mir fern und das Spiel ging weiter. Vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen, doch ich freute mich kein bisschen. Auch nicht darüber, dass Benjamin mich nicht gehen lassen wollte. Hätte er nichts getan, hätte es mich vermutlich traurig gemacht, aber so machte er alles irgendwie nur schlimmer. Ihre Blicke. Ich hatte keine Ahnung, wie es aussah, wenn jemand Mordlust in den Augen hatte, doch nun sah ich es mit meinen eigenen Augen.
      Mir war klar, dass von Noah nichts anderes als selbstgefälliges, niedermachendes Zeug käme, dennoch wollte ich das er endlich den Mund hielt. Wenn ich jetzt allerdings einen Rückzieher machen würde, würde Noah ganz bestimmt ausrasten. Er war sich seines Sieges sicher und wollte nichts anderes hinnehmen. Schlimmstenfalls würde er uns einfach beide umbringen. Das denkt ihr doch auch, oder? Das Noah nicht nachgeben würde. Das er sich stets das nahm, was er wollte. Und er wollte mich. Ganz sicher nicht um meinetwillen, sondern nur, um über Benjamin zu triumphieren. Um sich mächtiger zu fühlen. Besser.

      Gehen wir?
      Ich presste meine Kiefer aufeinander und rührte mich nicht. Die Finger, die an meinen Armen ruhten, die ich vor der Brust verschränkt hatte, bohrten sich zunehmend in mein Fleisch. Ich war kurz davor, loszuheulen, doch ich riss mich mit aller Kraft zusammen. Ich sah keinen der beiden an. Wenn ich jetzt mit Noah gehe, werde ich Benjamin nie wieder in die Augen sehen können. Am liebsten würde ich weglaufen. Versuchen das schlimmste zu verhindern, mit Noah gehen und dann Rainville für immer verlassen. Egal wohin. Doch ich wollte nicht weg von hier. Und ich wollte nicht weg von Benjamin.
      Pure Verzweiflung machte sich in mir breit; ließen meine Ängste und Wünsche gegeneinander kämpfen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sich meine Ängste erfüllten? Beinahe 100 schätze ich.. Meine Wünsche hingegen lagen wohl sehr nahe bei 0.

      Mir wurde warm, sehr warm und mein Körper fühlte sich an, als würde jeder Muskel erzittern. So eine Unruhe hatte ich noch nie verspürt. Mein Kopf war maßlos überfordert.
      Ich hob meinen Blick und sah Benjamin an, in der Hoffnung, er würde mir verzeihen.
      Doch es war schlimmer, als in dieser Lagerhalle. Kein Song, kein Yoga, kein Wort, könnte mich jetzt noch beruhigen. Ich hörte Benjamin's Herzschlag, aber noch viel mehr den meinen, der schmerzhaft in meinen Ohren pochte. Die Wunden, die meine Nägel in meinen Armen hinterließen, spürte ich kaum. Nicht mehr fähig zu sprechen, wich ich zurück, hörte unangenehme Geräusche. Kamen diese Geräusche von mir? Waren das meine Knochen? Es jagte mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken, mit dem ich gegen den Pfosten seines Hochbettes stieß. Ich hörte zerreißenden Stoff, das Rücken eines Stuhles über den Boden, der direkt neben diesem stand.
      Mein Herz raste immer weiter und ich versuchte mich umzusehen, wobei ich meine linke Hand hob und die rote Pfote entdeckte. So rot wie mein Haar. Allerdings schreckte ich zurück, als sich die Pfote in dem Moment bewegt hatte, als ich meine linke Hand bewegen wollte. Hatte ich mich verwandelt? Ich war nicht klar genug, um es nicht anzuzweifeln. Ich konnte nicht wirklich verarbeiten, was hier gerade geschah. Ich spürte nur Angst, Wut und Verzweiflung.
      Das lenkte mich so sehr ab, dass ich die anderen beiden kaum noch beachtete. Ein leises Wimmern erklang zwischen meinen Ohren, als käme es aus mir. Es roch eigenartig. Es roch ein wenig nach Werkstatt. Nach Werkzeugen, die an Benjamin's Wand hingen. Ein eigenartiger und intensiver Cocktail kroch in meine Nase. Immerhin schwirrten um mich herum noch die Gerüche eines Werwolfs und eines Vampirs. Der Geruch des alten Mannes, der schon im Treppenhaus so markant war. Holz. Ein Hauch von Kaffee lag auch in der Luft, der wohl aus Benjamin's Küche stammte.
      Meine Arme und Beine fühlten sich so schwach an, als würden sie zittern. In meiner Panik machte ich einen Satz nach vorn und rempelte mit meiner Hüfte das Lowboard an, woraufhin der Fernseher vornüberfiel. Das Geräusch erschreckte mich und ich drängte mich verängstigt in eine Ecke der Küche, kauerte mich zusammen und jammerte leise.
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      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Jetzt? Jetzt sollte also die Zeit gekommen sein? In diesem Augenblick? Ausgerechnet. Ich spürte, dass ihre Verwandlung mit jeder Sekunde näher rückte, noch bevor sich ihre zarte Hand in eine Pfote verwandelte, und der leichte Flaum an ihren blassen Armen durch dichtes rotes Fell ersetzt wurde. Doch ich schwieg. Natürlich. Was sollte ich sonst tun? Ich wusste auch genau, dass Noah es wusste. Er roch uns Werwölfe doch meilenweit gegen den Wind. Ich gab es nicht gerne zu, aber man konnte diesen Weißgesichtern nichts vormachen. Ruhig stand ich da, wartete ab. Sie schien sichtlich überfordert, zwischen Wut, Frustration und Angst hin und hergerissen. Wie ein kleines Kind, dass man inmitten einer großen Menschenmenge verloren hatte. Ihre Verwandlung ging zügig voran. Erst die Pfoten, schier zeitgleich ihre Beine, bevor sich ihr Rücken unter einem quälenden Schrei beugte, den sie sicherlich nicht wahrnahm. Die ersten Verwandlungen waren schmerzhaft. Doch mit jeder weiteren verflog dieser Schmerz immer mehr. Man konnte fast schon sagen, man gewöhnte sich daran. Der lange, buschige Schwanz, das hübsche Gesicht, welches die Form einer Wolfsschnauze annahm. Lang, spitz und mit einer feuchten, schwarzen Nase, die viel mehr Gerüche als die menschliche Nase aufnehmen konnte, wie wir ja alle wissen. Schnell schaute sie sich um. Das Wimmern verdeutlichte ihre zunehmende Angst. Unkontrolliert wendete sie sich, stieß mit ihrer von fellbedeckten Hüfte gegen das Fernsehboard, woraufhin sie diesen um haaresbreite zu Fall brachte, hätte ich ihn nicht rechtzeitig aufgefangen. Schnell lief sie zur Küche - konnte man die Zeile so nennen - und kauerte sich in eine Ecke, die Ohren angelehnt und das Herz wild pochend. Ja, ich konnte ihren Herzschlag hören. Nicht nur das... ich konnte ihn auch spüren.
      Noah? Oh ja... den hatte ich fast vergessen. Ich warf einen kurzen Blick zu ihm herüber. Er wirkte nicht begeistert, ja fast schon etwas amüsiert, als er zu dem großen Wolf sah, der viel mehr wie ein kleiner Pudel zusammengekauert auf dem Boden lag. Er hob die Arme und sein schallendes Lachen ging einem durch Mark und Bein. Er winkte ab.
      "Ich überlasse dir das Fellknäul. Mit stinkenden Tölen kann ich nichts anfangen."
      Was? So einfach gab er auf? Ich konnte mir nicht vorstellen, inwieweit der Geruch von Werwolf seinen Ekel reizte. Doch es schien schon massiv zu sein, wenn er so leicht aufgab, nicht wahr? An der Wohnungstür blieb er nochmal stehen, wandte sich mit halben Körper zu uns um. Ich wusste, dass er etwas sagen wollte, denn eine ganze Weile lag sein Blick auf der rothaarigen Schönheit, die... nun ja, nicht ganz sie selbst war. Doch! Eigentlich war sie mehr sie selbst als je zuvor. Aber nein, er sagte nichts mehr. Kein Wort. Grinste lediglich doof vor sich her und verließ kurz darauf kopfschüttelnd die Wohnung. Der Geruch von Vampir verging schnell und war kurz darauf nur noch eine schwache Nuance.
      Ich wandte mich zu Amber, trat vorsichtig an sie heran, blieb aber in einem respektvollen Abstand zu ihr stehen.
      "Es ist alles gut, Amber... du hast dich verwandelt. Es wird etwas dauern, bis sich dein Körper an diesen Zustand gewöhnt und dein Herzschlag wieder einen normalen Rhytmus angenommen hat", sprach ich leise und behutsam auf sie ein, ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden, die zum einen tiefe Treue, aber auch Unsicherheit und Angst ausstrahlten.

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    • Amber

      Nervös blickte ich mich um und starrte zu Noah, als sein Lachen meine Aufmerksamkeit erregte. Wie gelähmt blieb ich in der Ecke und beobachtete ihn, ehe er aus der Tür verschwand und sich ein Gefühl von Erleichterung in mir ausbreitete. Dann blickte ich zu Benjamin, der so ruhig war wie immer. Verwandelt? Ja, offensichtlich.. Etwas Schamgefühl kam in mir auf, wovon ich sonst eigentlich nicht sehr viel hatte. Ich hatte mich immerhin mitten in seiner Wohnung verwandelt und meinetwegen war auch Noah hier aufgekreuzt und machte ihm Ärger.
      Mein Blick wanderte kurz durch seine Wohnung, ehe er wieder auf seine Augen fiel. Er stand einfach nur da und diese seltsam angenehme Stille umgab uns. Nur, dass diese Stille von anderen Geräuschen, die ich nun hören konnte, gestört wurde. Unseren Herzschlag und auch den Verkehr draußen. Doch er wurde leiser - zumindest gefühlt - als ich mich nur noch auf Benjamin vor mir konzentrierte. Ich wollte etwas sagen, doch ich konnte nicht. Nicht in dieser Gestalt. Also richtete ich mich lediglich auf, kam aus meiner panischen Haltung und blickte verlegen nach unten. Noch nie hatte ich mir so viele Gedanken gemacht. Mich so gefühlt. Bereut, mit jemandem geschlafen zu haben. Ja, echt. Klar, waren da auch Deppen und Nieten bei, aber who cares? Gehörte eben dazu. Aber Noah.. Zu erfahren, dass er ein Vampir war, hatte mir keine Angst gemacht. Mit ihm und Benjamin in einem Raum zu sein, jedoch schon. Was war Noah's Problem? Als ob er nicht genug Weiber zum Vögeln finden würde.. Gott..

      Je ruhiger mein Herzschlag wurde, desto komischer fühlte ich mich. Irgendwie erschöpft. Ich hob meinen Kopf und blickte wieder zu Benjamin auf. Keine Ahnung, wie lange so eine ungewollte Verwandlung anhielt, doch bei mir schien sie vorbei zu sein. Diese Schmerzen.. als hätte ich meine Tage.. Nein, es war noch viel schlimmer. Ich biss die Zähne zusammen und hielt meine Arme vor meine Brüste, um sie zu bedecken. Meine Beine lagen seitlich auf dem Boden, weshalb ich das rechte Bein - welches ihm zugewandt war - ein wenig anzog und mich in die Ecke lehnte. Mein Tattoo an der rechten Hüfte war deutlich zu sehen, aber mein Intimbereich wurde somit seinem Blick entzogen. Nein, ich schämte mich nicht dafür, nackt zu sein. Jedenfalls nicht für die Nacktheit an sich. Ich sagte doch, dass ich mich dafür schämte, dass es hierzu gekommen war. Warum.. Warum musste Benjamin mich am Sommerfest auch fragen, ob ich mit ihm das Feuerwerk ansehe? Warum musste er mich küssen? Warum musste er sich Noah in den Weg stellen? Warum.. kann ich ihm nicht widerstehen?
      "Tut mir leid...", hauchte ich leise und hob meinen Blick langsam, um ihn anzusehen. So hatte sich keiner von uns den Abend vorgestellt. Er sollte schon beinhalten, dass wir nackt waren, aber nicht, dass meine Kleidung wegen meiner Verwandlung zerrissen wurde. Das Noah die Stimmung ruinieren würde. Fuck... Wieso hatte ich dieses Bedürfnis? Das Bedürfnis, Benjamin nah sein zu wollen. Seine Lippen zu spüren. Die Wärme in seinen Händen. Das Kitzeln seines Barts. Das war nicht wirklich der passende Zeitpunkt, um horny zu sein.. Aber Benjamin.. Turnte es mich etwa an, dass er mich vor Noah beschützen wollte? Nein.. das würde ich ja wohl merken.. Dieses Gefühl konnte ich mir nicht erklären. Oder vielleicht wollte ich es nur nicht erklären. Mir nicht eingestehen. Das ich.. Benjamin mehr mochte, als ich wollte. Deswegen.. war der Gedanke, mich für immer von ihm zu verabschieden auch so unerträglich geworden. Ich dachte, dass ich ihn auf die eine oder andere Weise verlieren würde. Wenn Noah ihm etwas antäte.. oder ich mich nie wieder in seine Nähe gewagt hätte. So unerträglich, dass ich.. die Beherrschung verloren hatte.. Aber wie sollte es jetzt weitergehen?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Sie wirkte verloren... und hilflos. Ein Zustand, der mir leid tat, mitanzusehen. Es tat mir auch leid, ihr nicht die Stütze sein zu können, die ich gerne für sie sein wollte. Bei ihr noch etwas mehr, als bei all meinen anderen Schützlingen. Merkwürdig, oder? Immerhin waren auch Kinder unter ihnen. Kleine Menschen, die es verdient hatten, beschützt zu werden, und denen, behutsamer als jedem anderen, gezeigt werden musste, zu was sie eigentlich fähig waren. Dass es mehr eine Gabe als ein Fluch war. Dass nichts verwerfliches daran war, besonders zu sein.
      Ich näherte mich ihr langsam, doch auch als ich in die Hocke ging, und sie schon wieder ihre menschliche Gestalt angenommen hatte, bewahrte ich einen gewissen Abstand zu ihr. Was? Dass sie nackt war, interessierte mich nun wirklich nicht. Glaubt mir, ich war nicht einer dieser Typen, die jede nackte Frau gleich anspringen musste. Schon gar nicht in einer solch emotional geladenen Situation. Ich wollte ihr helfen, für sie da sein, ganz ohne irgendwelche Hintergedanken. Das machte doch eine tiefe Freundschaft aus, nicht wahr? Und mehr waren wir bis dato nicht...
      "Hör mal, Amber... du musst dich für nichts entschuldigen, okay?", sprach ich noch leiser als zuvor und schloss meine Worte mit einem Lächeln ab. "Du kannst stolz auf dich sein. Du hast endlich deine Gefühle zugelassen und dich von deinem inneren Ich leiten lassen, ohne es krampfhaft verdrängen zu wollen."
      Das war toll. Dass es ausgerechnet diese Situation war, in der vielleicht auch ich eine zentrale Rolle spielte... darüber wundert ihr euch? Nein. Ihr braucht euch nicht wieder die heißeste Hollywood-Romanze auszumalen. Ich denke, dass diese Situation mit Noah nur der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brauchte. Zu viel Wut, Emotionen und vielleicht auch Frustration hatte sich in den letzten Wochen angesammelt. Und Amber... sie hatte einfach viel zu lange die Dinge geschluckt, hingenommen. Es war so ein Gefühlschaos in ihr, und heute... war es dann zu viel geworden. Ich interpretierte also rein gar nichts hinein. Und das solltet ihr auch nicht tun. Immer locker angehen, ja?
      "Du kannst mein Badezimmer benutzen. Es ist nicht sehr groß, aber hat ne Dusche, ne Toilette... alles, was man so braucht. Ich kann dir was zum Anziehen von mir geben. Wird dir zwar etwas zu groß sein, aber halb so wild", schmunzelte ich bei dem Gedanken, sie in einem meiner Shirts zu sehen, die ihr vermutlich einige Nummern zu groß sein würden.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Ich nickte kaum sichtbar, als Benjamin mir sagte, dass ich mich nicht entschuldigen müsste. Das ich aber stolz auf mich sein könnte? War es so? Verdrängte ich meine Gefühle so sehr? Ich wollte mich nur nicht davon einschränken lassen. Wegen Jamie rum zu jammern hätte auch nichts an der Situation geändert. Also nahm ich es, wie es kam. Immer. Das war auch nicht das Problem, oder? Das Problem war, dass ich mich einsamer fühlte, als ich sehen wollte. Und Benjamin, so wie auch Hailey diese Einsamkeit beenden könnten. Vor allem Benjamin war einfach nur für mich da. Egal ob ich Amber Jones oder sonst wie hieß... Dieses Gefühl gefiel mir und vielleicht war es auch das, was mir ein wenig zu Kopf stieg. Weil ich mich nach Freunden - und jaaaa auch ein wenig nach Liebe - sehnte. Ich hab's ja verstanden.. Diese Wahl vorhin.. Noah hätte bedeutet, dass mein Leben so einsam blieb, wie es war. Sex konnte diese Leere in mir jedenfalls nicht füllen, egal wie gut er war. Er machte Spaß, natürlich. Aber danach war alles wieder normal. So als wenn die Musik verstummt und nach kurzer Zeit die Stille eintrat. Keine Ahnung. Bin keine Poetin, okay? Was ich sagen wollte war, dass ich es nun etwas besser verstand. Auch in der Lagerhalle, hatte ich gemerkt, was ich eigentlich will. Was mir fehlt.

      "Danke..", sagte ich leise und richtete mich mit etwas Hilfe von Benjamin auf. Es fühlte sich noch komisch an, vor wenigen Minuten noch ein Wolf gewesen zu sein. Meine Beine fühlten sich an, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Jedenfalls nahm ich sein Angebot an und ging in das Badezimmer. Nicht groß? Gegen mein Badezimmer war das eine Abstellkammer, aber das spielte keine Rolle. Mir gefiel seine Wohnung ganz gut. Reichte auch vollkommen aus für eine Person.
      Ich warf einen Blick in den Spiegel und strich mein Haar oberhalb der Stirn zurück. Ein paar Strähnen hingen mir vor den Augen, als wäre ich gerade erst aus dem Schlaf erwacht und noch völlig zerzaust. Durch die Locken sah es dennoch irgendwie gewollt aus. Also machte ich mich ein wenig frisch und zog schließlich sein Shirt über, dass wie ein zu breites Kleid an mir herunterfiel. So fühlte ich mich schon etwas wohler. Es roch nach Benjamin.. Ist klar.. Doch dieser Geruch umhüllte mich, wie eine Umarmung und brachte mich zum Lächeln.
      Einen besseren Zeitpunkt für meine Verwandlung hätte es nicht geben können, oder? Auf der Hochzeit wäre das Chaos ausgebrochen. Und stellt euch mal vor, wenn ich mich auf offener Straße verwandelt hätte. So war es wohl besser.. Auch wenn ich mir meinen Geburtstag ein wenig anders vorgestellt hatte..
      Mein Blick ging durch die Wohnung. Wenigstens hatte ich sie nicht all zu sehr verwüstet. Ich hätte den Schaden natürlich bezahlt, aber es ging alles gut. Wahrscheinlich, weil nicht die Wut die stärkste Emotion in mir war und ich jemanden deshalb angefallen hatte. Es war mehr die Angst und die Verzweiflung, die mich überkam.

      Wie war das noch mit den Gefühlen zulassen und sie nicht krampfhaft zu verdrängen? Warum ich mich dagegen wehrte, mich zu verlieben? Das war nicht nur wegen Jamie. Alle sahen ständig nur die Jones in mir. Noah war das egal, aber dem war auch ich egal. Bei Benjamin.. Gott.. Es fühlte sich immer mehr so an, als hätte ich wie meine Großeltern jemanden gefunden, der mich meinetwillen mag. Deswegen musste ich aber doch nicht gleich verrückt spielen. Er reichte mir seine Hand und ich wollte im wahrsten Sinne des Wortes seinen ganzen Körper. Wie alt bist du? 16? Verlieb dich doch nicht gleich in den nächstbesten Idioten, der nett zu dir ist.. Das bedeutet ja auch nicht gleich, dass er mich auf diese Weise mögen könnte. Ja, wir hatten uns geküsst und man konnte wohl sagen, dass wir zweimal kurz davor waren, es zutun - Ja, wenn Noah nicht gewesen wäre, würden wie jetzt übereinander herfallen - aber lassen wir mal die Kirche im Dorf. Das bedeutete noch überhaupt nichts.
      Jetzt stand ich hier auch noch wie bestellt und nicht abgeholt herum. Darum entschied ich mich, mich auf seine Couch zu setzen, bevor ich mich noch dem Bedürfnis ergab, ihn zu küssen, so wie er mich auf dem Dach geküsst hatte. Aber ich.. Ich bewegte mich nicht und sah weiter nur in seine Augen. Wäre es komisch ihn jetzt zu küssen? Ja, bestimmt. Ich hatte mich gerade in einen Wolf verwandelt, da sollte ich doch an andere Dinge denken, als das. Oder nicht? Immerhin wurde die Verwandlung wegen Gefühlen wie diesen ausgelöst.. Warum hatte er so eine verfickt große Anziehung auf mich? Scheiße, nein, das war überhaupt nicht der richtige Moment, über so etwas nachzudenken. Nicht der richtige Moment, um dort weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten. Als wir die Wohnung betraten, hatten wir ganz andere Pläne. Ich jedenfalls, denn ich hatte Noah nicht gerochen.
      Nachdem ich es geschafft hatte, mich von diesem Gedanken zu lösen, setzte ich mich auf die Couch und nahm mir eines der Kissen, um es mit beiden Armen leicht an mich zu drücken. Ich wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Schweigen war bei uns jedoch nie ein Problem. Als ich meine Augen schloss und tief durchatmete, konnte ich ihn hören. Benjamins Herzschlag. Der hatte echt die Ruhe weg, was? Und meins? Meins hüpfte immer noch willkürlich in meiner Brust herum, nur nicht mehr ganz so heftig wie vorhin. Seine Gegenwart beruhigte mich allerdings. Genau wie auf der Hochzeit. Irgend so ein Werwolf Ding, meinte er doch. Diese seltsame Verbundenheit zueinander. Bei Benjamin konnte ich es viel deutlicher spüren. Bei den anderen war es irgendwie auch da, nur nicht so stark.
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      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Ich vermied es, ihren Körper zu begaffen wie ein lüsterner Wolf. Witzig. Ähnlich wie ein Wortspiel, über das man sich im Nachhinein wunderte, kannte man erstmal die Hintergründe. Darum wandte ich mich der kleinen Küchenzeile zu, die man, wie ich euch ja bereits erzählte, nicht wirklich als vollständige Küche bezeichnen konnte. Sie hatte zwar alles, was man so brauchte: einen Kühlschrank, eine kleine Fläche zur Vorbereitung der Speisen - ich war nicht gerade ein begnadeter Koch -, eine Mikrowelle, einen Herd, ein Spülbecken. Und auch einen Wassserkocher. Genau diesen, ließ ich nun sprudeln. Ein Tee wirkte doch beruhigend, nicht wahr? Ich hatte nun nicht die mordsmäßige Auswahl, aber ein Fencheltee, oder... moment. Was war das hier? Kümmel? Kurkuma... Anis... verschiedene Kräuter. Herje... wie lange lagen die da schon herum? Ich glaubte, dass diese noch vom Vormieter stammten. Naja, Tee wurde ja nicht so schnell schlecht. Kurz begutachtete ich die kleinen Beutelchen mit dem lindgrünen Schildchen, auf dem "7 Kräuter" stand und die Ziehzeit von fünf Minuten. Ich legte jeweils einen Beutel, gefüllt mit der Kräutermischung, in zwei hohe weiße Tassen mit Henkel und goss das kochend heiße Wasser darüber. Fünf Minuten. Nach etwa dieser Zeit, vielleicht waren es auch ein paar Minuten mehr, kam Amber aus dem Badezimmer. Sie trug das weiße, viel zu große Shirt, dass ich ihr während der Einwirkzeit des Kräuertees durch den Spalt der Badezimmertür gereicht hatte, bevor ich mich mit den beiden Tassen auf das Sofa niederließ. Sie gesellte sich zu mir und ich schenkte ihr ein Lächeln. Manche bezeichneten mein Lächeln als "entspannt". Andere hingegen eher als ernst. Ich denke, das lag im Auge des Betrachters. Ob man mich als Cop sah oder als netten Typ von nebenan, der immer gerne half und sich für keine Arbeit zu schade war.
      "Ich habe keine Ahnung, ob du gerne Tee trinkst, aber leider kann ich dir als warmes Getränk sonst nichts anbieten. Kaffee ist aus.", sagte ich, setzte mich aufrecht hin, beugte mich ein Stück nach vorne, um den Henkel meiner weißen Tee-Tasse zu erreichen. Die Beutel hatte ich kurz zuvor entfernt, sonst wurde die Geschichte etwas zu bitter, nicht wahr? Ich betrachtete die bräunlich gefärbte Flüssigkeit, als sei es irgendein interessanter Roman. Ich wollte sie nicht mit meinen fragenden Blicken durchbohren. Sicher hatte sie sich von der Verwandlung noch nicht gänzlich erholt. Dennoch beschloss ich nach einer kurzen Zeit des Schweigend vorsichtig zu fragen: "Wie fühlst du dich?", bevor ich einen Nipser des Tees nahm, der zugegebenermaßen fürchterlich schmeckte. Kaum merklich und dennoch vollends angewidert, verzog ich mein Gesicht.

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    • Amber

      Ich gehörte dann wohl zu denen, die sein Lächeln als entspannt empfanden. Beruhigend.
      "Passt schon.. danke.."
      Wie konnte man keinen Kaffee mehr haben? Der Gedanke brachte mich ein wenig zum Schmunzeln. Ich vermied es ihn zu oft anzusehen, da sein Anblick immer so eigenartige Gefühle in mir auslösten. Nicht, dass ich unsterblich in ihn verliebt war, aber.. eine gewisse Sehnsucht empfand ich schon. Das war der Ausdruck in seinen Augen, vermute ich. Auf mich wirkte er generell wie jemand, dem man vertrauen und auf den man sich verlassen konnte. Kein Wunder also, dass er sich um diese ganzen Werwölfe kümmerte. Das passte zu ihm.
      Aber was sah er in mir? Ein Schützling? Eine Freundin? Einen heißen Feger? Wir hatten uns schon sehr viel unterhalten, aber ich war mir sicher, dass er das Ganze eher genau so locker betrachtete, wie ich.

      Meine Gedanken fuhren Karussell, während wir schwiegen. Als er die Stille durchbrach, hob ich meinen Blick und sah ihn an.
      "Etwas komisch.. Ein bisschen, als wäre ich verkatert.. und auch ein wenig müde.. und.. durcheinander..", antwortete ich ehrlich und wandte meinen Blick wieder von ihm ab. Den Tee beachtete ich für's erste nicht weiter, da er ohnehin noch viel zu heiß zum Trinken wäre. Doch ich wagte es, ihm ein wenig näherzukommen. Nicht so. Ich lehnte mich nur zur Seite und legte meinen Kopf an seine Schulter, während ich meine Augen schloss. Das fühlte sich unheimlich gut an. Roger war ein guter Freund - mein einziger - aber über solche gefühlsmäßigen Themen sprachen wir nicht. Nicht wirklich. Wir alberten herum und verstanden uns gut. Ich weiß nicht, ob ich mich ihm genau so anvertrauen könnte, wie Benjamin. Obwohl ich ihn deutlich länger kannte. Er war jemand, der nie ernst wirkte. Benjamin hingegen schon.
      Inzwischen war ich etwas ruhiger geworden. Die Gedanken und mein Herzschlag langsamer. So nah bei ihm, konnte ich wieder deutlich seinen Geruch wahrnehmen. So wie sein Shirt, hatte auch er eine starke Note nach Meer. Das war mir damals schon aufgefallen. Ob sein Waschmittel wohl den Geruch 'Meeresbrise' oder so hatte? Käme hin. Benjamin selbst roch natürlich noch anders, als sein frisches Shirt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mein Geruchssinn noch nicht wieder ganz normal war. Wobei normal ja so eine Sache war. Für einen Werwolf war er vermutlich sogar zu schwach.
      Ein leises Seufzen entglitt mir. Aber keines, dass danach klang, dass mich irgendetwas bedrückte. Eher so eines, dass nach Erleichterung klang. Ich war erleichtert. Darüber, dass Noah fort und ich noch bei Benjamin war. Und darüber, dass nichts dramatisches bei meiner Verwandlung passiert war.
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      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Oh ja. Diese Beschreibung kannte ich. Jeder empfand die Minuten nach der Verwandlung, wieder zurück in menschlicher Gestalt, anders. Der eine beschrieb sie als Kater, so wie Amber. Als hätte man tagelang durchgesoffen und wusste nicht mehr, wer man war, oder wohin man gehörte. Ein wenig wie ein Black Out vielleicht. Andere hingegen beschrieben, dass sie sich stark fühlten. Stärker als je zuvor in ihrem Leben, voller Vitalität. Ja, die Reaktionen - die Antworten - waren so unterschiedlich wie ein warmer Sommertag und ein kalter Winter. Interessant. Ich selbst? Natürlich konnte ich mich sehr gut an meine erste Verwandlung erinnern. An das Feuerwerk in jener Nacht, welches einem das Gefühl vermittelte, sich im dritten Weltkrieg zu befinden. Die Hitze, die durch meine Adern schoss wie flüssige Lava. Ganz allein, verloren. Und dennoch... fühlte ich mich danach stärker, gar befreit. Es musste irgendwann so kommen. Es war etwas in mir, schon lange vor jenem Tag. Etwas, das ich nicht zu erklären wusste, bis es Form, Fell und Farbe annahm.
      In Gedanken an frühere Zeiten schwelgend, blickte ich auf das etwas bittere Gebräu in meiner Hand. Die Tasse wurde sekündlich kühler und der Tee dampfte nur noch eine Weile. Plötzlich spürte ich ihren Kopf auf meiner Schulter, was mich unweigerlich zum Lächeln brachte. Erst dann fiel mir auf, dass ich auf ihre Antwort geschwiegen hatte. Was sollte ich dazu auch sagen? Wie bereits erwähnt, empfand die Zeit danach jeder anders. Und wie sie empfand, war völlig okay. Nicht, dass es ein "nicht okay" überhaupt gab. Alles war ok. Jedes Empfinden, jede Emotion. Sei es Angst, Freude, das Gefühl von Stärke, Bäume ausreißen zu können. Es gab kein richtig, und es gab kein falsch.
      "Hör mal... ich muss nochmal los. Ein Freund hatte mir vorhin eine Nachricht geschrieben, dass er noch bei etwas Hilfe braucht. Er wohnt nur ein paar Straßen weiter", sprach ich und drehte meinen Kopf in ihre Richtung, die weiße Tasse mit dem Henkel festhaltend. "Denkst du, du kannst kurz allein bleiben? Du kannst mich jederzeit anrufen... Ich werde nicht lange fort sein."

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    • Amber

      Als Benjamin zu sprechen begann, hob ich meinen Kopf und sah ihn an.
      "Ja, klar. Kein Problem", antwortete ich mit einem Lächeln, obwohl ich irgendwie etwas enttäuscht war. Aber ich fand es gut, dass er seine Freunde so unterstützte. Er würde doch zu einem Freund gehen, oder? Ich machte mir kurz Sorgen, dass es nur eine Ausrede war, um sich Noah vorzuknöpfen, aber würde er das tun? Das hier war kein Hollywood Film, wo er dann halb tot in die Wohnung stolpert und wir uns dann unsere Gefühle gestehen. Es schien mir wohl wieder ganz gut zu gehen, wenn ich solche absurden Gedanken haben konnte.
      "Ich komm schon klar", betonte ich noch einmal und sah ihm kurz nach, als er ging. Plötzlich fühlte sich diese Stille so furchtbar kalt an. Ich blieb ein paar Minuten so sitzen und starrte auf den schwarzen Bildschirm, ehe ich am Tee nippte und das Gesicht verzog. Schmeckte noch schlimmer, als Medizin. Dann ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. Ob er böse wäre, wenn ich einfach so verschwinde? Ich wollte ihm nicht zur Last fallen. Mir ging es gut und ich brauchte keinen Babysitter. Viel mehr machte sich das Bedürfnis breit mit Hailey zu sprechen. Das könnte ich aber auch noch morgen tun. Zuhause könnte ich Noah über den Weg laufen und das wollte ich vermeiden.
      Deswegen machte ich mich auf der Couch lang und schloss meine Augen. Das Kissen in meinen Armen drückte ich weiterhin an mich, aber die Couch war nicht lang genug, weshalb ich meine Beine anwinkeln musste und seitlich lag. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und hatte jetzt unglücklicherweise genug Zeit, um nachzudenken. Wie sollte das mit Noah und Benjamin weitergehen? Meine Gedanken drehten sich im Kreis, bis ich irgendwann einschlief.
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    • Benjamin

      Ich wollte nicht darüber sprechen, auch wenn es euch in den Nasenspitzen kitzelt, zu erfahren, wo ich war. Um welchen "Freund" es sich genau handelte. Sorry, aber das blieb mein Geheimnis. Vorerst. So kehrte ich nach nicht einmal einer Stunde in meine Wohnung zurück. Das Licht war ausgeschaltet, der Fernseher lief nicht. Und auf dem Sofa lag die rothaarige Schönheit, tief schlafend wie Dornröschen - und auch genauso schön. Nicht, dass ich der Prinz wäre, der sie wach küsst oder so etwas. Sicher habt ihr euch nicht den Prinz aus dem Märchen wie einen bärtigen Holzfäller vorgestellt, oder? Es fehlte lediglich noch das rot schwarz karierte Hemd und die schlabbrige Jeans, in der man weder Form noch Fülle des Hinterns erkennen konnte. Nicht, dass es bei einem echten Kerl darauf ankam. Aber ich schweifte ab. Leise schloss ich hinter mir die Tür. Und noch leiser, wie eine Katze auf sanften Tatzen, schlich ich mich zum Sofa, um über die Rückenlehne in ihr friedliches Gesicht zu schauen. Sie schien sehr tief zu schlafen. Ich wäre bei dem kleinsten Geräusch längst aufgeschreckt. Doch sie... sie nicht. Und ich beschloss natürlich, sie nicht zu wecken. Ich nahm die Wolldecke, die an ihrem Fußende lag, schlug sie auf und legte sie über ihre nackten Beine. Eine kurze Weile betrachtete ich sie. So friedlich hatte ich sie noch sie gesehen. Erst als ich bemerkte, dass ich wie ein verliebtes, völlig idiotisches Honigkuchenpferd grinste, wandte ich mich ab, um ins Schlafzimmer zu gehen, konnte man dieses als solches bezeichnen. Zwar hätte ich so viel Anstand gehabt, ihr das Bett für eine Nacht als Schlafplatz anzubieten, doch wecken wollte ich sie auch nicht. Daher legte ich mich in genau diesem schlafen. Ich kletterte also die Leiter nach oben zum "Schlafzimmer". Es war eine relativ kleine Wohnung, aber äußerst clever und platzsparend durchdacht. Und für mich völlig ausreichend. Von hier oben konnte ich auch immer mal wieder einen perfekten Blick zu der Rothaarigen erhaschen, deren Herzschlag ich so deutlich spüren konnte, als wäre es mein eigener. Das hatte sogar eine etwas beruhigende Wirkung auf mich. Nichts ungewöhnliches. Ähnlich wie echte Wölfe, fühlten wir Werwölfe uns allein eher unwohl. Natürlich gab es auch ein paar Einzelkämpfer. Und gegen das Alleinsein hatte ich auch nicht immer etwas einzuwenden. Doch gab man ehrlich zu, was man empfand, so fühlte man sich als Gemeinschaft doch deutlich sicherer in einer gefährlichen Welt wie diesen, wo das Offensichtliche für die Augen der Menschen tief im Verborgenen lag.
      Im Gegensatz zu Amber hatte ich einen eher unruhigen und leichten Schlaf. Auch in dieser Nacht, in der mein Blick zur fast vollen Leuchtkugel wanderte. Das Mondscheinlicht fiel in das spaltweit geöffnete Fenster und eine leichte Brise wehte herein. Ich konnte bei geschlossenem Fenster nicht schlafen, hatte dabei stets das Gefühl, gleich zu ersticken. Irgendwann begann ich zu dämmern, doch meine Ohren waren überall.


      Sophie

      Wohin ich mit dem Van meiner Mam unterwegs war? Nach Hause. Ich war auf der Geburtstagsparty einer Freundin. Doch als mir meine Freunde zu angetrunken, und Fred, ein Mitschüler aus Kindertagen, deutlich zu anhänglich wurde, beschloss ich, bereits gegen 21 Uhr die Flucht zu ergreifen. Ich hatte eine recht weite Fahrt vor mir. Meine Freundin Melissa war vor vielen Jahren mit ihren Eltern, die beide renommierte Ärzte waren - Herzchirurgen, um genau zu sein -, fortgezogen aus Rainville, um näher bei dem Krankenhaus zu sein, in dem sie tätig waren. Eine Fachklinik für Herzchirurgie. Die Eltern verreisten oft, und so hatte Melissa das riesige Anwesen für sich allein. Dennoch war der Kreis der Feierwütigen recht überschaubar. Melissa suchte sich eben ihre Freunde ganz genau aus. So war es 22:47 Uhr, als ich mich langsam wieder dem beschaulichen Rainville näherte, meiner Heimat. Die Landstraße, umringt von dichten Wäldern, wurde nur durch das schwache Licht der Laternen beleuchtet. Ich fuhr langsam, ließ meinen Blick von einer Straßenseite zur nächsten wandern, um auch keine leuchtenden Augen am Straßenrand zu verpassen. Wildunfälle waren schließlich nicht zu unterstützen. Da ich gerne mit gutem Beispiel voranging, war auch das Handy am Steuer tabu. Wer wusste schon, welche verirrte Seele einfach inmitten gerade dieser Landstraße stand, urplötzlich wie ein Gespenst. Ich wollte für keine schweren Verletzungen oder gar den Tod eines Menschen verantwortlich sein. Darum fuhr ich wach wie immer. Auch wenn mich meine Mam immer als grottige Autofahrerin beschimpfte. Zu langsam, zu viel Kupplung, defintiv zu wenig Gas. Ja, meine Mam war nicht gerade eine typische Mam. Aber ich liebte sie trotzdem.
      Dann, wie aus dem Nichts, begann der Van zu dampfen wie eine Lock. Schwarzer Qualm stieg auf, es ruckelte wie ein Ritt auf einem Kamel, und dann... nichts mehr. Ich musste ihn näher zum Straßenrand ausrollen lassen. Irgendwelche Lichter blinkten. Na herrlich.
      "Was ist jetzt los?", fragte ich den Van angespannt. "Ach, komm schon!", versuchte ich ihn wieder zum Laufen zu animieren, doch der schwarze Qualm versperrte mir die komplette Sicht. Ein tiefes Seufzen entfuhr meiner Kehle, als ich einsah, dass es keinen Sinn machte. So konnte ich defintiv nicht weiterfahren. Ich schnappte mein Handy, doch natürlich, wie konnte es anders sein, waren auch die letzten 2% meines Akkus dahin. Ja, auch mir passierte es, dass ich mal vergaß, mein Handy zu laden. Böse Stimmen würden behaupten, dass mir das andauernd geschah, aber das stimmte nicht... nicht immer jedenfalls. "Vielen Dank auch!", schimpfte ich mich nun deutlich gereizt zu dem in den Jahre gekommenen Van, der mit lauter Peace-Zeichen und Blümchen-Aufklebern verziert war, dass man - auch wenn man es nie beabsichtigte - immer und zu jeder Zeit auffiel. Ich stieg aus, ging vor die Motorhaube, öffnete sie und entgegen kam mir eine dichte schwarze Rauchwolke, die mich unweitgerlich zum Husten brachte. Ich wedelte wild mit den Armen, um mir eine bessere Sicht der Dinge zu verschaffen, auch wenn ich keine Ahnung von Autos hatte. Für mich sah das alles wie ein Labyrinth aus Schläuchen und Kästen aus. Was sollte ich jetzt tun? Hinsetzen und heulen? Um Hilfe rufen? Im Auto übernachten und auf meine Rettung am nächsten Morgen warten? Doch dann, wie durch ein Wunder, kam ein Auto herbei gefahren. Es war ein rotes, bereits etwas in Mitleidenschaft gezogenes Cabrio. Das offene Verdeck war um diese Uhrzeit vielleicht etwas too much, aber jeder wie er mochte, nicht wahr? Im Inneren saßen vier Typen. Sahen gar nicht schlecht aus, auch wenn ich solche Art von Typen verachtete. Wie sie aussahen? Wie solche Aufreißer-Typen eben aussahen. Gestylte Haare, Lederjacke, Kippe im Mundwinkel und diesen gewissen "Ich kanne jede flachlegen"-Blick. Ihr wisst schon. Ob die sich mit Autos auskennen?, fragte ich mich, als sie anhielten und der Fahrer grinsend rief: "Hey Süße, Probleme mit dem Wagen?"
      Ich wandte meinen Blick zu ihm, antwortete recht schnell, ohne den Spott verbergen zu wollen: "Sieht wohl ganz so aus, oder?"
      Er ließ den Motor seines Cabrios laufen, stieg aus und kam zu mir. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um den Blick seiner blauen Augen zu erwidern. Er war riesig, breite Schultern, der Rest war eher schlank. Sein blondes Haar lag perfekt gestylt und sein Gang strotzte nur so vor Selbstüberzeugung. Ich könnte kotzen. "Kennst du dich mit Autos aus? Mein Akku ist leer... ich konnte keinen Pannendienst anrufen."
      "Kein Problem, Süße. Ich bin Profi. Zur Not schleppen wir dich einfach ab", gab er mir grinsend als Antwort, ehe er sich für einen flüchtigen Moment zu seinen Freunden umdrehte. Einer Rothaariger saß vorne, die anderen beiden Dunkelhaarigen hinten. Ihre Blicke waren lüstern, checkten mich ab, als sei ich ein Kleinwagen vor einem potentiellen Kauf.
      "Danke für das Angebot, aber ich komm' schon zurecht", entgegnete ich ihm, denn ich bemerkte schnell, dass er keine Ahnung hatte, was mit dem Van los war. "Danke nochmal fürs Anhalten", sagte ich, wie die gute Schule es mich gelehrt hatte, bevor ich mich abwenden wollte, um einfach im Auto auf den nächsten Fahrer zu warten, oder dass mich hier jemand am nächsten Tag findet. Doch dieser Kerl packte mich recht forsch und unsanft am Handgelenk, was mich dazu zwang, ihn anzuschauen. Dieses ekelhafte Grinsen... ich könnte...
      "Den Van kann man nicht mehr retten, aber dich können wir gerne mitnehmen..."
      "Nein, Danke", antwortete ich nochmals, nun allerdings bestimmter. Wieder wandte ich mich ab, und wieder wurde ich unsanft gepackt.
      "Komm schon! Jetzt zier' dich doch nicht so! Wir sind ja keine tollwütigen Wölfe oder so."
      Das Gelächter der Schmierlappen im Hintergrund ging mir durch Mark und Bein. Sie begannen wie wilde Wölfe zu heulen, hatten definitiv allesamt schon mächtig einen über den Durst getrunken. Doch dann, gerade als ich ihm ordentlich die Meinung geigen wollte, ertönte ein echtes, tiefes Knurren aus den Wäldern, was mich - und nicht nur mich - sofort erstarren ließ...

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Dennis

      Ich liebte meine Freunde, aber manchmal musste ich etwas allein sein. Diese Schnepfe ging mir nicht aus dem Kopf und erzeugte immer wieder eine Welle der Wut in mir. Besser wäre es, wenn ich einfach drauf pfeife, was sie sagte, aber sowas nagte an mir. Ich war wirklich nicht besonders edel, aber ganz sicher nicht so schlimm, wie sie dachte! Tz.
      Meistens streunte ich mit den anderen durch den Wald, doch sie wussten, wenn ich Zeit für mich allein brauchte. Also war ich heute allein unterwegs und rannte durch den Wald, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich musste diese überschüssige Energie loswerden. Als ich einen Moment inne hielt, hörte ich ein Auto auf der Landstraße, gar nicht so weit von hier. Meine Ohren zuckten, als der Motor nur noch ein gequältes Gluckern von sich gab. Da hatte wohl jemand eine Panne. Tja. Meine Klamotten lagen zu weit weg, als das ich mich zurück verwandeln und helfen könnte. Aber in der heutigen Zeit hatte ja jeder, der kein Hinterwäldler war, ein Smartphone dabei, also sollte die Person schon zurecht kommen.
      Ich blieb auf dem umgefallenen Baumstamm liegen und horchte auf, als ich ein weiteres Auto hörte. Genervt verdrehte ich die Augen, als ich die Stimme des Typen vernahm. Was für ein Vollhorst. Schlimmer als Takumi, der im Gegensatz zu denen wesentlich subtiler vorging, wenn er jemanden anbaggerte. Diese Deppen hatten allerdings wohl einen Hohlraum zwischen ihren Ohren. Das Püppchen wird schon mit denen klar kommen. Sie war doch so toll und klug und was weiß ich. Vielleicht würde sie denen mit ihrem Daddy drohen, das wäre witzig.

      Lautlos seufzend gab ich mich geschlagen und sprang auf meine Pfoten, um mich näher an das Geschehen zu schleichen. Konnte ja nicht wahr sein, dass ihr Akku auch noch leer war. Ganz schön verpeilt die Gute, oder? Als der Typ sie packte, fing es in mir zu brodeln an. Wie ich solche Wichser hasste. Die sollte sie hassen, nicht mich!
      Jetzt zier' dich doch nicht so...
      Meine Gedanken schweiften für eine Sekunde ab, als ich an diesen beschissenen Tag zurückdachte. Gleicher Spruch, genauso schmieriger Typ.
      Als die Deppen zu heulen anfingen, amüsierte mich das. Denen zeig ich mal ein echtes Heulen. Ich knurrte, so laut und tief wie ich konnte, ehe ich auf die Straße sprang und meinen Kopf gen Himmel streckte, um zu heulen. So macht man das, ihr Pisser. Die wären wahrscheinlich schon bei einem normalen Wolf geflüchtet, aber ich war viel größer und angsteinflößender.
      Es war eine Genugtuung, den Kerl in sein Auto springen und losrasen zu sehen. Was für eine Lusche. Am liebsten hätte ich ihn zerfetzt, aber ich sollte keine Menschen töten, auch wenn sie noch so arschig waren. Keine Ahnung, wie weit sie gegangen wären, aber vier Typen gegen ein Mädel.. Und die Prinzessin war ja auch nicht hässlich, auch wenn ich beim Anblick ihrer Visage kotzen könnte. Blöde Kuh.
      Ich sah dem Auto kurz nach und blickte dann zur Blondine auf. Jetzt, wo sie weg waren, war ich vollkommen ruhig. Zumindest äußerlich. Hätte es nicht ein anderes Mädel sein können? Ausgerechnet sie... Ob sie sich vor Angst in die Hose machte?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Sophie

      Ehe ich überhaupt ausmachen konnte, ob es ein Wolf, oder doch nur ein Streuner war, der für dieses tiefe Knurren verantwortlich war, hatten diese Pfeifen schon die Flucht ergriffen. Ich sah dem Auto hinterher, das binnen weniger Sekunden nur noch als Rauchwolke zu erahnen war. Dicke Hose machen und nichts dahinter, natürlich. Und sie ließen mich einfach zurück, mit dem kaputten Van und einem... Oh Shit! Ich sah, dass es tatsächlich ein Wolf war, unter dessen Pfoten das Dickicht knisterte. Mit seinen leuchtend gelben Augen sah er mich an. Das Knurren war verstummt, aber er haute auch nicht ab. A-aber Wölfe traten doch immer im Rudel auf, oder? Scheiße! Hieß das, es gab noch mehr!? Kurz sah ich mich um, doch wirklich erkennen konnte ich bei der Dunkelheit nichts. Ich wich langsam ein paar Schritte zurück, bis ich mit dem Van zusammenstieß. Den Blick ließ ich aber nicht abweichen von diesem... Wolf. Verdammt! Heute war doch echt nicht mein Tag.
      "Hör mal, Fellnase... du bleibst schön stehen, okay?"
      Als er auch nur den Ansatz der kleinsten Bewegung machte - vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet -, spannte ich mich an, stand stocksteif da und zischte ein ermahnendes: "Sitz! Platz! Bleib, wo du bist!"
      Das Herz in meiner Post pochte wie verrückt, doch ich versuchte Ruhe zu bewahren. War das mein Ende?

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Dennis

      Natürlich machte sie sich in die Hose, was sonst. Diesen Schreck hatte sie nach unserem Treffen im Supermarkt auch verdient. Niedlich, dass sie versuchte mit mir zu sprechen. Um sie zu ärgern, zuckte ich kurz und lachte mich innerlich schlapp, als sie mir Befehle hab, als wäre ich ein Hund. Ich konnte Benji's mahnendes Gesicht förmlich vor mir sehen, dass ich unschuldige Menschen nicht verängstigen sollte. Unschuldig. So unschuldig war sie in meinen Augen gar nicht.
      Da ich aber eh nichts besseres zutun hatte und es mir Spaß machte, setzte ich mich auf meine Hinterläufe und legte meinen Kopf schief, während ich sie nicht aus den Augen ließ. Wann wohl das nächste Auto käme, um ihr - hoffentlich - zu helfen? Rainville bestand gefühlt nur aus alten Säcken, die alle früh schlafen gingen. Ausreichend Schlaf war auch für uns Wölfe wichtig. Wir mussten fit sein, um unsere Gefühle im Griff zu haben und uns nicht ungewollt zu verwandeln.
      Was unser Muster-Cop an meiner Stelle wohl tun würde? Vielleicht schnell wieder verschwinden. Ich starrte sie aber lieber noch eine Weile an und erfreute mich an ihrem verängstigten Herzschlag. Die wird ja wohl keine Knarre im Handschuhfach haben, oder? Selbst wenn, würde sie mich eh nicht treffen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
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